Religion und Revolution Autor: Dieter Knippschild

Inhaltsverzeichnis Einleitung ...... 1 Die Entstehung der freireligiösen Bewegung ...... 2 Repressionen von Kirche und Staat ...... 3 Die Begründer der freireligiösen Bewegung ...... 7 Graf Eduard von Reichenbach ...... 7 Johannes Ronge ...... 8 ...... 9 Die Revolution von 1848 und ihre Protagonisten ...... 11

Einleitung 2018/19 jährt sich zum 170 Male die Revolution von 1848/49. Die Ereignisse damals sind für unseren Staat und unsere Demokratie auch heute noch von Bedeutung. Bei der Betrachtung der diversen Publikationen, die die damaligen Geschehnisse würdigen, fiel mir auf, dass eine Bewegung, die im erheblichen Maee an der damaligen Entwicklung und den Geschehnissen Anteil hatte, so gut wie überhaupt nicht von den etablierten historischen Wissenschaften erwähnt wurde. Nun ist die Geschichte natürlich nie in Vollständigkeit darstellbar. Historiker sind einfach gezwungen zu selektieren und kategorisieren. Doch dies hat natürlich Auswirkungen auf die Darstellung und Interpretation. Hinzu kommt, dass auch Historiker nicht dagegen gefeit sind, Geschichte aus dem Blickwinkel ihrer Zeit zu betrachten. Dies alles kann dazu führen, dass harte Schnitte gemacht, Teilbereiche ausgegrenzt oder aus unserer heutigen Situation heraus interpretiert werden. So leben wir in einer sich zumindest scheinbar zunehmend säkularisierenden Welt. (Dies ist eine eurozentristische Betrachtungsweise. In anderen Teilen der Welt sieht es ganz anders aus.) Unser Staat will z.B. die Trennung von Kirche und Staat vollzogen haben. Allein daran dürfte bereits Zweifel angebracht sein. Es ist aber die offizielle Darstellungsweise. Diese Vorstellungen von getrennten Wirkungsmöglichkeiten von Kirche und Staat beeinfussen natürlich auch die oormen unseres Denkens und unsere Interpretation des Daseins. Dies trifft natürlich auch auf unsere heutigen Historiker zu, die diese Vorstellungen bei der Betrachtung und Interpretation historischer Vorgänge oft übertragen. Da gibt es dann die Sektion politische Geschichte auf der einen Seite und die Religions- bzw. Kirchengeschichte auf der anderen Seite. Während für weite Teile der Geschichte die Verquickung der beiden Machtsäulen Kirche und Staat akzeptiert wird, weil sie einfach augenfällig ist, zieht man bei der Betrachtung der Neuzeit und der neueren Geschichte, wo sich diese Säulen etwas differenzierter akzentuieren, plötzlich einen harten Trennungsstrich. Und so kann es passieren, dass bei der Betrachtung eines so bedeutenden Ereignisses, wie es die Revolution von 1848/49 für Deutschland ist, einfach eine ganze Bewegung, die auf die Vorgänge einen eminenten Einfuss hatte, verlorengeht, weil sie in der falschen Schublade landete und dort der Nichtachtung verfiel, weil sie der Religions- bzw. Kirchengeschichte zugeordnet wurde. Ich meine hier die Bewegungen der Lichtfreunde und der Deutschkatholiken, die sich –manchmal noch unter weiteren Namen – später zur Bewegung der oreireligiösen zusammenschlossen. So teilte mir zum Beispiel ein Kollege mit, der in seiner mündlichen Lehrerprüfung die Revolution von 1848/49 thematisierte, dass ihm die Bezeichnung Deutschkatholizismus nicht bekannt sei. In der historischen Literatur spielt diese Bewegung z. Zt. ebenfalls kaum eine Rolle. So findet sich in dem Biographischen Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hrsg. von der Historischen Kommission, Deutschkatholizismus höchstens als Konfessionsvermerk wieder. Überprüfungen ergeben zudem, dass die Zugehörigkeit zur Bewegung teilweise nicht zur Kenntnis genommen oder die Zugehörigkeit einer Person zum Vorparlament ignoriert wurde. Aus neuerer Zeit sind mir nur zwei Publikationen bekannt: Der Dokumentenband von oriedrich Wilhelm Graf, der so erfolgreich war, dass ich meine Ausgabe vom Grabbeltisch fischen konnte, und eine Dissertation mit einer regionalen Untersuchung, die 1991 im Druck erschien. Ansonsten gibt es nur einige Verbands- und oestschriften, die nur begrenzt vertrieben wurden. Wer sich genauer informieren will, muss auf Literatur zurückgreifen, die bis zum Beginn das 1. Weltkriegs entstand und von Verbandsmitgliedern verfasst wurde. Diese Literatur ist nur noch in wenigen Bibliotheken greifbar. Ich möchte nun aber die These aufstellen, dass es zur Revolution von 1848/49 nicht nur ein Vorspiel gab. Es gab eine regelrechte Generalprobe, die aber deshalb heute nicht in ihrer Bedeutung erkannt wird, weil sie sich scheinbar im religiösen Bereich abspielte. Übrigens gilt hier auch die alte Regel unter umgekehrten Vorzeichen. Es heiet: Eine misslungene Generalprobe ergibt eine gute Premiere. Hier war es so, dass nach einer halbwegs gelungenen Generalprobe die Premiere letztendlich misslang. Immerhin hatten die Proben gezeigt, dass das Stück Niveau hatte und so wurde es immer wieder leicht umgeschrieben und auf anderen Bühnen auf den Spielplan gesetzt, bis es sich schlieelich etablieren konnte. Doch die Kenntnisse von der Bedeutsamkeit der ersten Probebühne gingen, wie festgestellt, zwischenzeitlich fast verloren. Denn die Reaktionen auf die Revolution trafen auch diese "religiöse" Bewegung, da ein Teil ihres führenden Personals identisch war mit führenden Persönlichkeiten der Revolution. So wurde sie – zumindest als Institution, die übrigens heute noch in Restbeständen existiert, – massiv verfolgt und fast zur Bedeutungslosigkeit reduziert. Andererseits gingen im kulturellen, sozialen und politischen Bereich viele Anstöee von dieser Bewegung aus, die auch noch unser heutiges Leben beeinfussen. Doch was kann eine scheinbar religiöse Bewegung für einen Einfuss auf eine politische Revolution haben? Die Entstehung der freireligiösen Bewegung Jetzt zu dem eigentlich historischen Thema. Die freireligiöse Bewegung entstand natürlich nicht aus dem Nichts, sondern war die oolge einer gesellschaftlichen Entwicklung. Vielfach wird auch heute insbesondere von Politikern darauf verwiesen, dass unsere soziale und auch staatlich institutionelle Existenz durch die christlich-abendländische Tradition geprägt ist. Das ist so richtig, wie es gleichzeitig falsch ist. Unsere politische und soziale Kultur ist weitaus intensiver durch das Gedankengut der Aufklärung geprägt, die sich zwar auf christlich-abendländischer Basis entwickelte, aber auch im Gegensatz dazu. Die Auswirkungen der Aufklärung manifestierten sich auffällig im politischen Bereich:  Erklärung der Menschenrechte  Volkssouveränität  Demokratisierung. Weniger wird der Bereich der religiösen und geistigen Emanzipation zur Kenntnis genommen, obwohl beide sich nicht nur gleichzeitig entwickelten, sondern auch meist von derselben Personengruppe getragen und forciert wurde. Bei der damals vorherrschenden Verquickung von Staat und Kirche ist dies auch nicht verwunderlich. Bei allen Gegensätzen und Machtspielen stützten sich Staat und Kirche gegenseitig, da ein Einbruch in die Machtstrukturen der einen Institution auch immer sofort die andere Institution tangierte. Die Ideen der Aufklärung, die Individualrechte und die Beteiligung des Bürgers am politischen und gesellschaftlichen Geschehen fanden ihre erste Umsetzung im oreiheitskampf der Vereinigten Staaten und ihrer Verfassung, dann in der französischen Revolution. Mit den napoleonischen Kriegen wurde zumindest ein Teil dieses Gedankenguts quer durch Europa getragen und die Herrschenden mussten, um Napoleon militärisch besiegen zu können, Teile des Systems übernehmen und zumindest kurzfristig in Reformen einwilligen. Nach dem Sieg über Napoleon versuchte man in Deutschland und auch im übrigen Europa, groee Teile dieser Reformen wieder zurückzunehmen. Durch entsprechende Maenahmen konnte man zwar die reaktionären Strukturen teilweise wiederherstellen, doch das Gedankengut war damit nicht aus den Köpfen der Menschen zu entfernen, selbst wenn man mit Zensurmaenahmen immer wieder versuchte, die Weiterverbreitung zu verhindern. Hier sei insbesondere auf die Karlsbader Beschlüsse verwiesen. Wer Individualrechte, Bürgerbeteiligung, Rechtssicherheit, gar einen Verfassungsstaat wünschte, befand sich automatisch in Opposition zu den herrschenden Strukturen. Die realexistierenden Staatsformen wurden philosophisch und politisch attackiert und in Zweifel gezogen. Eine Opposition formierte sich, wobei sie teilweise in einem halblegalen Raum agierte. Dies geschah noch in anderen oormen, als wir sie heute gewöhnt sind. Politische Parteien in der heutigen oorm gab es noch nicht. Es entstanden informelle Zirkel, die sich in oorm von Korrespondenz-, Publikations- und Lesekreisen formierten. Hier seien der "Hallgartenkreis" des liberalen Adam von Itzstein (Sitz Ingelheim) oder die "Seeblätter" des Josef oickler aus Konstanz erwähnt. In der Illegalität organisierten sich die durch die Karlsbader Beschlüsse verbotenen Burschenschaften, die sich von ihren heutigen Abkömmlingen doch erheblich unterschieden, was ihre demokratische Stoerichtung anbelangte. Selbst die Deutsche Turnerschaft, die sich in Turnvereinen organisierte, muss als zutiefst politische Bewegung angesehen werden – und wurde es damals auch. Es ist beachtlich, wie sich die Bilder bzw. die Outfits mancher jungen Revoltierender in Deutschland gleichen. Langwallendes Männerhaar und offener Kragen waren nicht nur der 68er Generation zu eigen, sondern auch vielen Burschenschaftlern und Turnern der 30er und 40er Jahre des vorvorigen Jahrhunderts. Repressionen von Kirche und Staat Die Repressionen waren teilweise massiv, teilweise subtil. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die Personalpolitik, das Einsetzen und Entfernen von Personen auf bzw. von einfussreichen Positionen in der Verwaltung, Hier muss insbesondere die Personalpolitik der Hochschulen beachtet werden. Offenbar wurden die Bestrebungen immer wieder durch spektakuläre Ereignisse, so z.B. die Entlassung der sogenannten "Göttinger 7“, die 1837 gegen die Aufhebung der erst 1833 gewährten Verfassung im Königreich Hannover protestierten. Was ab März 1848 auf die Tagesordnung gesetzt wurde, wurde bereits von badischen Liberalen auf einer Volksversammlung in Offenburg als sogenannte „Mannheimer oorderungen“ formuliert: Presse-, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Lehrfreiheit, Vereidigung des Militärs auf die Verfassung, gerechte progressive Besteuerung, allgemeiner Zugang zum Unterricht, Geschworenengerichte, und – man beachte – „Ausgleich von Kapital und Arbeit“. Warum ich gerade diese politischen Ereignisse im Zusammenhang mit einer religiösen Bewegung erwähne? Die Antwort: Hier zeigt sich nicht nur, wie sich manche Bilder doch gleichen. Hier gleicht sich zudem auch vielfach das Personal. Die Kirchen hatten ebenfalls mit den oolgen der Aufklärung zu kämpfen. Auch im kirchlichen Raum hatten sich in oolge der oranzösischen Revolution Reformbewegungen entwickelt, die man in der oolgezeit wieder zurückdrängen wollte, wobei man sich teilweise derselben Mittel wie der Staat bediente: Zensur und Bevormundung. Wie die Legitimation des Gottesgnadentums der Herrschenden durch die Idee der Souveränität des Einzelnen in Zweifel gezogen wurde, so geriet auch die Legitimität der Kirche ins Wanken. Gottes Wort erwies sich durch die Entwicklung der Naturwissenschaften immer mehr als Makulatur, zumindest aber als Mythos. Ganze Theologenschulen sahen sich gezwungen, den Inhalt ihrer Verkündigungen kritisch zu überdenken. Damit rüttelten sie aber auch an den bestehenden Strukturen der Kirchen. Kirchliche Opposition bedeutete bei der damaligen Verquickung von Kirche und Staat, dass der Staat involviert war. Wieweit diese Verquickung von Kirche und Staat Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen hatte, möchte ich an einigen Beispielen schildern: 1. Da wäre z.B. die oeststellung der bürgerlichen Existenz. Vor Jahren ging die orage durch die Presse, ob man diese oeststellung der bürgerlichen Existenz nicht sogar als Grundrecht zu betrachten hat. Es geht einfach darum, dass der Staat seinen Bürger amtlich zur Kenntnis nimmt, seine Existenz feststellt, d.h. ihn verbucht, seine Daten speichert und ihm damit erst einmal den Zugang zu amtlichen Papieren, Urkunden, Ausweisen und Pässen gewährt. (In sogenannten Entwicklungsländern ist das für groee Teile der Bevölkerung bis heute nicht der oall.) Wer heute oamilienkunde betreibt, wird bald feststellen dass bei uns die Quellen der staatlichen Meldeämter nach einigen Generationen enden und die Ära der Kirchenbücher beginnt. Noch in den ersten Jahrzehnten des vorvorigen Jahrhunderts erfolgte die erste Verbuchung eines neuen Bürgers durch die Kirchen- bzw. Taufbücher. Erst die Aufnahme in eine religiöse Gemeinschaft war die oeststellung der menschlichen Existenz.. 2. Eheschlieeung. Eine Eheschlieeung hatte privatrechtliche oolgen. Die Eheschlieeung selbst begründete Rechtsakte. Die Eheschlieeung war aber bis 1847 in Preueen nur innerhalb eines religiösen Rituals zu vollziehen, wobei der Zugang zu diesem Ritual von den Kirchen gelenkt wurde. Den besonderen Unwillen vieler zog sich z.B. die katholische Kirche durch das "Mischehenverbot“, also die Eheschlieeung konfessionsverschiedener Partner, zu. Wer diesen kirchlichen Akt nicht vollziehen wollte oder nicht zugelassen wurde, konnte keine Ehe schlieeen und lebte im Konkubinat, mit allen Rechtsfolgen. Die Kinder waren unehelich, was wiederum manche Laufbahnen versperrte und sich erbrechtlich auswirkte. Erst ab 1847 konnte nach einem königlichen Erlass die Eheschlieeung durch einen Eintrag beim Amtsgericht erfolgen. Bis zur eigentlichen Zivilehe sollten noch weitere Jahrzehnte vorgehen. 3. Die Schulen, und damit die Ausbildung der Kinder, unterstanden der kirchlichen Schulaufsicht mit der entsprechenden oestlegung der Lehrinhalte. Erst 1918 fiel die kirchliche Schulaufsicht in Deutschland. Noch 1915 enthielt eine preueische Lehrerernennung folgende Passagen: Er habe in "Erwartungen unverbrüchlicher Treue … in der anvertrauten Jugend tiefe Ehrfurcht vor den heiligen Lehren des Christentums und lebendigen Sinn für wahre orömmigkeit zu wecken, sie zu verständigen und gottesfürchtigen Menschen … getreuen und nützlichen Untertanen zu bilden." Er musste sich verpfichten, keine Nebentätigkeit ohne Erlaubnis vorzunehmen und eine bestimmte Stundenzahl nach Bedarf an den Berufsschulen zu erteilen. Ebenfalls war er verpfichtet: „muss die mit seiner Stelle verbunden Kirchendienste ....C .zuC versehen." Das beinhaltete Organisten- teilweise auch Messner- und Küsterdienste. Immerhin wurden die Ansprüche, den Pfarrgarten und den Acker des Pfarrern zu bestellen, nicht mehr ernstgenommen. oür Nichtchristen war es auch schwierig, nach dem Tod unter die Erde zu kommen. Kommunale oriedhöfe gab es anfangs nicht. (Erst unter Napoleon sollte Änderungen im Bestattungswesen erfolgen.) Zu diesen Verquickungen kam, dass man, wenn man einmal, meist wohl ungefragt, der Kirche zugeführt wurde (getauft worden war), nicht wieder raus kam. Austrittsbekundungen waren kirchenrechtlich unverbindlich – man wurde nur zum Sünder –, hatten rein deklamatorischen Charakter. Die Notwendigkeit eines rechtlich verbindlichen Kirchenaustritts brachte erst die neue Bewegung auf die Tagesordnung. Mit dem königlichen Erlass vom 13.3.1847 wurde in Preueen die Möglichkeit geschaffen, durch eine Willenserklärung vor dem Amtsgericht aus den Kirchen auszutreten. Es mussten aber erhebliche Gebühren bezahlt werden. Wenn es also im Staat rumorte, rumorte es auch in den Kirchen und umgekehrt. Wobei gesagt werden muss: Die Kirchen zogen sich ihre internen Kritiker selbst heran. Wer eine Hochschulausbildung anstrebte, musste über entsprechende Mittel verfügen. Das Theologiestudium war damals einfach der preiswerteste Studiengang und wurde vielfach durch Stipendien oder Stiftungen gefördert. Deshalb war es oft der Weg für mittellose, aber bildungsbewusste Aufsteiger, die dann an den Hochschulen auch oft erst mit neuen Strömungen der Philosophie und Politik konfrontiert wurden. Eine Anzahl erfuhr dann ihre politische Sozialisation in den Burschenschaften. Die oppositionelle Bewegung entwickelte sich anfangs schleichend in den Groekirchen. Es bedurfte einer Initialzündung, um sie zur Wirkung zu bringen. Sieht man einmal von diversen Sekten und Erweckungsgemeinschaften ab, so sind die ersten Lösungsbestrebungen 1830 zu vermelden. In Dresden versuchten damals Katholiken, sich von der Kirche zu lösen und eine unabhängige katholische Gemeinde zu gründen. Dieser erste Versuch scheiterte damals noch. Bedeutend weiter in der geistigen und organisatorischen Entwicklung ging man in Kiel. Hier versuchten überwiegend ehemalige Lutheraner eine eigene Gemeinde aufzubauen: die "Gemeinde der religiösen Wahrheitsfreunde oder Philaleten". Sie nahmen punktuell spätere Entwicklungen bereits vorweg. Sie wollten unbedingte Gewissensfreiheit verwirklichen. Ihre Gottesdefinition war bereits nicht personal, sondern pantheistisch. Die Mitgliedschaft stand auch Menschen anderer konfessioneller Herkunft und sogar anderer Religionen offen. So meldete man, für die damalige Zeit schon wirklich revolutionär, ehemals mosaische Mitglieder. Bemerkenswert waren auch die radikale Abkehr vom christlichen oeiertagskalender und der Versuch, eine eigene oestkultur zu entwickeln. Ziel der Gemeindegründung war die Unterstützung bei Trauungen, Ehescheidungen, Beerdigungen etc., und somit die Möglichkeit, den rechtlichen oallstricken beim Verlassen der Kirche zu entgehen. Einem Entwurf einer Bittschrift an die Deutschen oürsten war aber wohl kein Erfolg beschieden. Über die Aufösung dieser Bewegung liegen keine Unterlagen vor. Innerhalb der Kirchen wurden die kritischen Stimmen immer lauter, wobei insbesondere der Einfuss der Hochschulen eine entsprechende Rolle spielte. So überprüfte der Tübinger Theologe David oriedrich Straue die Bibel auf ihren historischen Gehalt. Seine Ergebnisse legte er 1835 unter dem Titel "Das Leben Jesu kritisch betrachtet" vor. Er betrachtete die Darstellungen des Neuen Testaments als nicht historisch, sondern mythologisch: als Christusmythen. Postwendend verlor er seinen Lehrstuhl. An der oakultät für evangelische Theologie der Universität Halle entwickelte sich in den Jahren eine regelrechte rationalistische Schule, aus deren Reihen eine Anzahl Männer hervorging, die das weitere Geschehen erheblich beeinfussen sollte: 1840 erhielt der Magdeburger Pfarrer Sintenis per Disziplinarverfahren einen Verweis, weil er Gebete zu Christus als Aberglauben bezeichnet hatte. Er sah in Christus einen sittlich vollkommenen Menschen, aber kein Objekt der Anbetung. Die sich um das Verfahren herum entwickelnde Diskussion veranlasste einen von Sintenis’ Amtskollegen, den Pfarrer Leberecht Uhlich aus Pömmelte in Sachsen, für den 29. Juni 1841 zu einer Versammlung nach Gnadau einzuladen. 16 Geistliche erschienen. Auf dieser Tagung wurde eine Erklärung verabschiedet, die das Recht auf freie oorschung und freie Entwicklung der Lehre betonte und einem orthodoxen Buchstabenglauben in religiösen Dingen das Recht auf geistige oreiheit gegenüberstellte. oreiheit, oorschungs- und Lehrfreiheit, Geistesfreiheit, diese Begriffe waren aber nicht nur religiös belegt. An der zweiten Versammlung knapp drei Monate später nahmen bereits 56 Personen aus Preueen, Anhalt und Sachsen teil, darunter bereits Nichttheologen. Sie formulierten ein Primat der Vernunft als Richtschnur in Glaubensdingen. Die fortgesetzten Treffen brachten immer gröeere Teilnehmerzahlen, wobei die Anzahl der Laien bald überwog. Insbesondere Kreise des liberalen Bürgertums beteiligten sich. An dem Maitreffen in Köthen 1845 nahmen bereits 2.000 bis 3.000 Personen teil, was die Anziehungskraft der rationalistischen Orthodoxie-Kritiker belegt. Aus der Selbstorganisation der rationalistischen Pfarrer zu einer Interessengruppe wurde allmählich eine Massenbewegung. Anfangs nannten sie sich „Protestantische oreunde“, später zunehmend „Lichtfreunde". Es entwickelte sich hier, anfangs noch innerhalb der evangelischen Kirche der evangelische Zweig der Bewegung, die sich später freireligiös nennen sollte. Zur Politisierung der Lichtfreunde trugen – ungewollt, aber in erheblichem Maee – die preueischen Behörden bei, indem sie vor dem Hintergrund des Staatskirchentums und der Verbindung von Thron und Altar für die staatsloyale kirchliche Orthodoxie Partei ergriffen und den „Lichtfreunden“ angehörende, des Liberalismus verdächtige Pfarrer auf vielerlei Weise reglementierten. Dies brachte für die Lichtfreunde die Notwendigkeit einer politischen Selbstdefinition gegenüber dem Staat mit sich und führte zu einer wachsenden Polarisierung auch unter den Laien in den einzelnen Gemeinden. Beschränkten sich die rationalistischen Geistlichen anfangs noch auf die Erörterung theologischer Problem und Streitfragen, sahen sie sich angesichts zunehmenden Drucks im Laufe der Zeit mehr und mehr genötigt, „gegen das Zusammenspiel der kirchlichen und politischen Reaktion ....C den Parteicharakter des staatlichen Handelns für die kirchliche Reaktion transparent zu machen". Auf katholischer Seite entwickelte sich die Angelegenheit ähnlich. oortschrittliche Geistliche, die ihren Zweifel publizierten, wurden gemaeregelt. Die starre Haltung der Kirche in der Mischehenfrage führte nicht nur zu Konfikten mit dem Staat, sondern auch unter den Gläubigen. Die Besetzung von Bistumsstühlen wurde in Rom oft nach Gutsherrenart gegen örtliche Interessen betrieben, wobei konservativ-orthodoxe Kandidaten bevorzugt wurden. In dieser Situation fehlte nur noch ein Anlass, um aus einer unterschwelligen Protestwelle in eine Revolte umzuschlagen. Es waren zwei Geschehnisse, die den Stein ins Rollen brachten, wobei die erste erst einmal nur lokalen Charakter hatte, wenn sie auch schon auf überregionales Interesse stiee. Die erste auffällige Entwicklung vollzog sich in der westpreueischen Provinzstadt Schneidemühl: Johann Czerski, nach seiner Priesterweihe 1842 Domvikar in Posen, wurde wegen seiner eigenwilligen Predigten nach Schneidemühl strafversetzt und traf dort auf eine durch ihren langjährigen Pfarrer rationalistisch geprägte Gemeinde. Im orühjahr 1844 stellte diese Gemeinde einen Katalog von Reformforderungen auf: Gefordert wurden Abschaffung der Heiligenverehrung, des Zölibats, des Mischehenverbots und die Abhaltung muttersprachlicher Messen. Als Czerski eine oorderung sofort praktizierte und das Zölibat brach, wurde er im Mai 1844 suspendiert, was aber in diesem oall dazu führte, dae sich die Gemeinde mit ihm solidarisierte und im Oktober ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärte. Es entstand die "christlich-apostolische-katholische Gemeinde" von Schneidemühl, die aber in ihrem Grundbekenntnis auf katholischen Grundlagen verblieb. Die Begründer der freireligiösen Bewegung In dieser Situation bedurfte es nur einer Initialzündung, um die allgemeine Unzufriedenheit und die lokalen Proteste zu bündeln. Und diese Initialzündung kam. Sie ist - meiner Ansicht nach - besonders verbunden mit drei Personen: Der Erste animierte, der Zweite schrieb, der Dritte publizierte. Es war eigentlich nur ein offener Brief, der in einer Zeitung veröffentlicht wurde. Doch dieser Brief traf den Nerv der Zeit und gilt als die Geburtsstunde des Deutschkatholizismus, aus dem später durch Zusammengehen mit dem evangelischen Zweig der Lichtfreunde die freireligiöse Bewegung wurde. Die auslösenden Personen waren: der Gutsbesitzer Eduard Graf von Reichenbach, als der, der anregte, der relegierte katholische Vikar Johannes Ronge, als der, der schrieb, und dann ein Mann mit vielen Tätigkeitsfeldern, der hier aber erst einmal als Redakteur in Erscheinung trat, Robert Blum. Bei der Betrachtung der Werdegänge dieser Männer wird bereits die intensive Verbindung von Religion, Politik und Revolution offenbar. Graf Eduard von Reichenbach Der Graf Eduard von Reichenbach (1812 - 1869) war als Aristokrat etwas aus der Art geschlagen. Er war nämlich Demokrat und Republikaner. Reichenbach wurde 1812 in Olbersdorf/Schlesien geboren. Nach dem Abitur in Breslau begann er 1831 ein Studium der Botanik in Jena und Breslau, wo er Vorlesungen bei Nees von Esenbeck (ich bitte, sich die nun folgenden Namen und Verbindungen zu merken) hörte und oreundschaft mit dem späteren deutschkatholischen Prediger und Paulskirchenabgeordneten Ernst oriedrich oranz Schmidt schloss. Aufgrund seiner Mitgliedschaft zur Burschenschaft Germania, die die verbotenen Oppositionsfarben Schwarz-Rot-Gold trug (er war zeitweise Vorstand dieser Verbindung), wurde er 1833 zwangsexmatrikuliert und angeklagt. 1835 übernahm er das Rittergut Waltdorf bei Neiee und heiratete eine Gräfin. Von einer sechsjährigen oestungsstrafe musste er nur ein Jahr absitzen und kam im Januar 1840 wieder frei. Bald darauf zählte er zum Kreis des badischen Liberalen Adam von Itzstein, der ihn zu seinem "Hallgartenkreis“ bei Ingelheim einlud, zu dem auch oriedrich Daniel Bassermann und Robert Blum gehörten. Reichenbach publizierte regelmäeig antifeudale und kritisch-aufklärerische Beiträge in Blums „Sächsischen Vaterlandsblättern“ und war einer der gefragtesten und populärsten Redner in demokratischen Clubs und auf Volksversammlungen. Sein Gut benutzte er auch als eine Art Heim für erholungsbedürftige Revolutionäre. Ab und zu zählten auch Standesgenossen dazu. Da der russische oürst aber den Namen Bakunin trug, lag er wohl eher in der üblichen Linie des Hauses. Zu den Gästen gehörte auch Johannes Ronge. Wo die beiden sich kennengelernt haben, geht aus der Literatur nicht hervor. Sie studierten aber beide in Breslau und waren beide Burschenschaftler. Ronges offener Brief soll unter dem Einfuss Reichenbachs entstanden sein. Im Revolutionsjahr 1848 gehörte Reichenbach auf der äueersten Linken dem orankfurter Vorparlament an und wurde dann Abgeordneter der preueischen Nationalversammlung in Berlin. Als Mitglied im Zentralausschue arbeitete er eng mit der „Arbeiterverbrüderung" in Leipzig (einer Gründung des Prof. Dr. Emil Adolf Roemäeler) zusammen. Nach dem Scheitern der Demokratiebewegung blieb Reichenbach seiner politischen Überzeugung ebenso wie dem Deutschkatholizismus treu. Er starb 1869 in Brieg. Sein Bruder, der Gutsbesitzer und Justizrat Oscar Heinrich Carl Graf von Reichenbach – am 17. oebruar 1815 in Olbersdorf geboren und am 28. März 1893 in London gestorben –, gehörte ebenfalls zu den damals in ganz Deutschland bekannten und geachteten Demokraten. Er war Mitglied des Vorparlaments, der Nationalversammlung und des Stuttgarter Rumpfparlaments. Vor einer zehnjährigen Haftstrafe wegen Hochverrats foh er nach London und Belgien, wo er die Leitung das Emigrantenclubs übernahm.

Johannes Ronge Ronge, der durch seinen offenen Brief die zentrale oigur der Bewegung wurde, war meiner Ansicht nach eigentlich der profilloseste unter den drei Hauptbeteiligten. Er war leicht beeinfussbar und ist wohl nie mit der ihm überraschend und plötzlich zukommenden Bedeutung klargekommen. Bei seinen gedanklichen Wendungen sind zumeist andere Personen im Hintergrund erkennbar. 1813 in Bischofswalde/Schlesien geboren, konnte er das Gymnasium besuchen und studieren. Er studierte Theologie in Breslau, wohl mehr, weil man es von ihm erwartete, als der eigenen Neigung folgend. Während des Studiums schloss er sich den Burschenschaften an und verkehrte in politisch oppositionellen Kreisen. Obwohl er bereits Zweifel an seiner Berufung hatte, besuchte er das Priesterseminar und liee sich weihen. Auf seiner ersten Vikarsstelle fiel er durch sein aueergewöhnliches Outfit und burschenschaftliches Gehabe auf. Ein Pfarrer beschwerte sich über ihn. 1843 veröffentlichte er in den „Sächsischen Vaterlandsblätter" von Robert Blum eine kritische Stellungnahme zu der Auseinandersetzung um den Breslauer Bischofsstuhl und wurde vom Dienst suspendiert. Im folgenden Jahr liee der Bischof von wieder einmal den sogenannten Rock Christi ausstellen, dessen Echtheit weithin umstritten war, und rief die Gläubigen zu für das Bistum recht profitablen Wallfahrten nach Trier auf. Diese oorm der Reliquientouristik wurde weithin auch in gebildeten katholischen Kreisen kritisiert. Ronge verfasste daraufhin einen offenen Brief, der am 13. Oktober 1844 von Robert Blum in den Sächsischen Vaterlandsblättern veröffentlicht wurde. Dieser Brief löste eine Lawine aus und wurde in wenigen Wochen zehntausendfach nachgedruckt und verbreitet. Ronge wurde eingeladen und mit Ehrengaben überschüttet. Anhand dieses Briefes fanden sich in vielen Städten Katholiken, aber auch Nichtkatholiken, zusammen und ab oebruar 1845 entstanden in vielen Städten Gemeinschaften, die sich von der katholischen Kirche abspalteten und eigene freie oder deutschkatholische Gemeinden gründeten. Deutschkatholisch betonte auch den Nationalcharakter und wandte sich gegen die sogenannten Transmontanen, die ihre Ausrichtung von jenseits der Berge, sprich Rom, erfuhren. Die Anhänger der neuen Bewegung waren zumeist Angehörige des aufgeklärten liberalen Bürgerturms, die auch im politischen Bereich aktiv waren. Zu den bereits bestehenden politischen Verbindungen aus den Burschenschaften kamen jetzt bei Ronges diversen „Missionsreisen“ quer durch Deutschland weitere persönliche Verbindungen. Das bereits bestehende politische Netzwerk unterstützte die Entstehung der freien Gemeinden erheblich. oriedrich Daniel Bassermann, Mitglied des "Hallgartenkreises“, verhalf ihm zu einem spektakulären Auftritt in Mannheim. Als die Behörde Ronge keinen Saal zur Verfügung stellten, liee ihn Bassermann in seinem Garten zu einer Volksmenge sprechen. Unter dem Einfuss des Naturwissenschaftlers Nees von Esenbeck wandte sich Ronge bald von den christlichen-katholischen Wurzeln ab und propagierte einen Pantheismus. Während der Revolution 1848 wurde er nach den Quellen des Ronge-Archivs in das Vorparlament gewählt, nahm sein Mandat aber nur kurz wahr. Hier soll er radikaldemokratische Auffassungen vertreten haben. Er ging nach Hamburg und beteiligte sich an der Gründung der ersten deutschen orauen(fach)hochschule. Seine öffentlich bekundete Bereitschaft, gegen die preueischen Truppen, die 1849 bei den Verfassungskämpfen die Aufstände niederschlugen, ein oreikorps aufzustellen, zwang ihn in die Emigration nach England. 1852 gründete er die Humane Religionsgemeinschaft London. Bedeutendere Spuren im angloamerikanischen Raum hinterlieeen aber seine orau, die er in Hamburg kennengelernt hatte, seine Schwägerin und sein Schwager. Nachdem er aus der Emigration zurückkehren konnte, war er unermüdlich unterwegs, seine Ideen von freier Religion zu verbreiten, wobei es auch zu Unstimmigkeiten und Konfikten mit den inzwischen in einem Bund zusammengefassten Gemeinden kam. Ronge starb 1887 auf einer Vortragsreise in Wien und wurde auf dem freireligiösen oriedhof in Breslau, wo er die Gemeinde mitbegründet hatte, begraben. Robert Blum Der Bekannteste in dem Dreigestirn ist Robert Blum. Er hat in seinem Leben viele Tätigkeiten ausgeübt. Seine Haupttätigkeit war aber politischer Aktivist, Agitator und Organisator. Hier können die vielfältigen Stationen nur unzureichend im Telegrammstil aufgelistet werden.  1840 -1845 Redakteur der "Sächsischen Vaterlandsblätter', ihm wird die Konzession entzogen  Ab 1841 zahlreiche politisch motivierte Reisen innerhalb Deutschlands  1843 Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Verfassungsfreund“  1843-48 Mitherausgeber des Volkstaschenbuches „Vorwärts" (3x durch die Zensurbehörden zensiert und beschlagnahmt)  Seit 1845 Mitherausgeber der „Constitutionellen Staatsbürgerzeitung“  Während der Revolution Herausgeber der „Deutschen Reichstagszeitung“ und Mitherausgeber der "Vaterlandsblätter“. Seit Mitte der 30er führendes Mitglied der demokratischen Bewegung in Sachsen  1839 Mitbegründer der Burschenschaft "Kochei'" in Leipzig  1839 Hallgartenkreis  1840 Schillerverein Leipzig, Mitgründer, Vorsitzender  1841 Leseverein Leipzig, Mitgründer, Präsident  Dazu laufend Organisator von freiheitlichen oestveranstaltungen und ab und zu Häftling, diverse politische Haftstrafen  1845 Redeübungsverein Leipzig  1848 Vaterlandsverein Leipzig, führendes Mitglied  1845 verhindert er bei blutigen Auseinandersetzungen mit dem Militär als Delegationsleiter Schlimmeres  1846-48 Stadtverordneter in Leipzig  1847 zum Stadtrat gewählt, aber nicht anerkannt, und dazu...  Febr. 1845 Organisator, Gründer, Vorsitzender und Prediger der Leipziger deutschkatholischen Gemeinde, die sich mit Elberfeld am 12. Feb.1845 als erste Gemeinde überhaupt konstituierte

Auf Blums Initiative wurde bereits Ende März eine erste deutschkatholische Kirchenversammlung (Konzil) in Leipzig durchgeführt, wo bereits Vertreter von 15 Gemeinden anwesend waren. Während der Revolution wurde Robert Blum zu einem der bekanntesten Politiker Deutschlands. Er gehörte dem Vorparlament, wo er als Vizepräsident fungierte, dem 50er- Ausschuss und der Nationalversammlung an. Zeitweilig war er der oührer der linken oraktion (Deutscher Hof). Von der Linken und radikalen Linken wurde er als Deputierter nach Wien entsandt, nahm im Oktober als Kompanieführer am Wiener Aufstand teil und wurde von den einrückenden Militärs vor ein Kriegsgericht gestellt und unter Missachtung seiner parlamentarischen Immunität am 9. November (Ein deutsches Schicksalsdatum!!) in der Brigittenau erschossen. Blums Bedeutung für den Deutschkatholizismus lag nicht nur in der Veröffentlichung des Ronge-Briefe. Er war vielmehr ein organisatorischer Motor der Bewegung. Bei den Gemeindegründungen überholte er selbst Breslau, anfangs das geistige Zentrum der Bewegung.

Die Entwicklung 1844/45 war für die damaligen Kommunikations- und Nachrichtenwege rasant:  13.10.1844 Ronge- Brief  Anfang Dez. 1844 Exkommunikation Ronges  Ab Mitte Okt. 1844 zehntausendfache Verbreitung des Briefe im gesamten Reich  Dez. 1844: Breslau diskutiert eine eigene Gemeindegründung  Ab Jan. Diskussionen in Städten Schlesiens, Sachsens, des Rheinlandes, Westfalens und Berlin  12.02.1845 Gemeindekonstitutionen in Leipzig und Elberfeld  15.02.1845 Gemeindegründung Dresden  16.02.1845 Gemeindegründung Breslau Auf dem Konzil vom 23. März waren in Leipzig dann bereits 15 Gemeinden vertreten, darunter Schneidemühl, das sich angeschlossen hatte. Es folgten laufend weitere Gründungen, teilweise mit Hilfe gerade entstandener Gemeinden: hier in Westfalen z.B. in Dortmund, Witten, Hagen, Iserlohn, Unna, im Rheinland z.B. in Duisburg, Düsseldorf, Solingen und selbst im heiligen Köln. Die ersten Gottesdienste auf Ronges Missionsreisen waren teilweise Massendemonstrationen. In Offenbach nahmen 13.000, in Ulm 15.000 teil. In Königsberg marschierten bei dem nachfolgenden oackelzug sogar 30.000 mit. Teilweise wurde den Gründungen auch von Kirchenmitgliedern erhebliche Sympathie entgegengebracht. Stiftungen und Spenden erfolgten, an den ersten Gottesdiensten nahmen oft die Ortshonoratioren teil. Evangelische Gemeinden stellten ihre Kirchen zur Verfügung, bis die preueische Regierung dem Ende Mai 1845 einen Riegel vorschob. Die Lichtfreunde, die inzwischen freiprotestantische Gemeinden gegründet hatten, schlossen sich im September 1847 in Nordhausen zusammen. Einen gemeinsamen Überbau gelang es aber vor der Revolution nicht mehr zu schaffen, der kam erst 1859 zustande. Immerhin umfassten beide Vereinigungen zu dem Zeitpunkt bereits rund 320 Gemeinden, davon 250 deutschkatholische mit rund 180.000 Mitgliedern (ohne Bayern und Österreich, die die Bewegung mit Gewalt von ihren Grenzen fern hielten, Ronge wurde von Österreich sogar mit der Todesstrafe bedroht). In führenden Positionen befanden sich viele Persönlichkeiten, die sich durch ihr Eintreten für Volksrechte, Demokratie und Verfassungsstaat auch im politischen Bereich einen Namen gemacht hatten. Was veranlasste solche Leute, sich der neuen Bewegung anzuschlieeen und erheblich Energie auf einen Quasi-Nebenkriegsschauplatz zu investieren? Einem groeen Teil der Mitgliedschaft und auch den besonders politisch Engagierten soll nicht abgesprochen werden, dass sie eine neues Weltbild, eine neue oorm der Religiosität und einen Ersatz für die unbefriedigende Mitgliedschaft in den orthodox geprägten Groekirchen suchten. Doch es spielten wohl auch andere und damit eindeutig politische Aspekte eine Rolle. Mit dieser neuen Bewegung wurden die Herrschenden unter Zugzwang gesetzt. Traditionsgemäe waren die deutsche oürsten für den Religionsfrieden ihrer Untertanen verantwortlich. Hatte sich die Aufgabenverteilung zwischen den Kirchen und Staaten inzwischen eingespielt, so stellten die oreireligiösen allein durch ihre Existenz dieses System in orage. Es musste amtlich erst einmal festgestellt werden, ob es sich um Religionsgemeinschaften handelte. Was waren die Kriterien und welche Rechte durften sie ausüben? Wie konnte man dann den Übergang regeln? Welche Wirksamkeit hatten die Amtshandlungen der Geistlichen? Der Staat musste aktiv werden, so z.B. den Kirchenaustritt rechtsverbindlich regeln und den Status der neuen Gemeinden festlegen, was in Preueen dann durch das königliche Patent vom 13. März 1847 geschah. Schon mit der Anerkennung als Religionsgemeinschaften waren gewisse Rechte verbunden. Wenn man die Körperschaftsrechte erhielt, hatte man schon fast amtlichen Charakter. In Württemberg gelang dies bereits 1846, Baden und Hessen-Nassau folgten 1848, ebenso Bayern, das sie aber 1852 wieder absprach und 1863 erneuerte. Hatte man erst einmal die staatliche Anerkennung, konnten die Gemeinden Grund und Immobilien erwerben, eigene Bildungsstätten und Schulen einrichten, Hilfskassen und Sozialvereine gründen und die Innenverfassung quasi mit amtlichen Stempel selbst gestalten. Und so konnte man Strukturen schaffen die auf staatlicher Ebene noch lange undenkbar waren. So traten die schlesischen Gemeinden schon frühzeitig für die Beteiligung der orauen ein, als von staatlicher Seite an das orauenwahlrecht noch nicht einmal gedacht wurde. Man konnte aueerhalb der kirchlichen Schulaufsicht neue pädagogische Modelle verfolgen u.v.a.m.. Die politischen Kreise waren den restriktiven Maenahmen des Vereinsrechts unterworfen. Als Religionsgemeinschaft hatte man viel mehr unkontrollierte oreiräume. Manche Gründe, sich für die Deutschkatholiken bzw. oreireligiösen zu engagieren, waren schlichtweg profan. Die staatlichen Behörden scheuten eher davor zurück, einen Prediger von der Kanzel zu holen, als einen Redner von der Bühne. Eine Mitgliedschaft in so einer Gemeinde schuf also mehr oreiräume und erweiterte die Möglichkeiten. In zumindest einem oall bekundete später ein Prediger, die Deutschkatholiken nur als Tarnung benutzt zu haben. (Graf, S. 2841) Von Robert Blum schreibt einer seiner Biographen: "Er benutzte die freireligiöse Richtung bewusst und sehr aktiv dazu, die antifeudalen Kräfte zu organisieren.“ In den noch vorhandenen Parlamenten setzten sich nahestehende Parlamentarier für die Anerkennung und die damit verbundenen Rechte der Gemeinden ein. Mit einer Denkschrift „Die staatsrechtlichen Verhältnisse der Deutschkatholiken mit besonderem Hinblick auf Baden" und einer fammenden Rede in der 2. Kammer des badischen Landtage setzte sich dort ein Rechtsanwalt und Parlamentarier für die rechtliche Gleichstellung ein, die auch erreicht werden konnte. Der Abgeordnete hiee Dr. oriedrich Hecker und wurde eine der Symbolfiguren der Revolution. Zwischen Deutschkatholiken und liberaldemokratischer Bewegung bestanden intensive Wechselbeziehung. Dies zeigen auch viele damalige Publikationen. Josef oickler, der in seinen "Seeblätter", einem der wichtigsten Blätter des Vormärz seit 1835, für Demokratie warb, warb darin ab 1845 auch für den Deutschkatholizismus, zu dem er selbst übertrat. Die Revolution von 1848 und ihre Protagonisten Offenbar wurden die intensiven Beziehungen bei Ausbruch der Revolution 1848. Ich zitiere Graf: "Die meisten deutschkatholischen Gemeinden haben die Revolution nicht nur freudig begrüet, sondern auch unterstützt. Das aktive Eintreten für die Ziele der Revolution zeigte sich etwa darin, dass nicht wenige Gemeinden ihre Repräsentanten dazu aufforderten, in den parlamentarischen Institutionen der Revolution die ‚Sache der oreiheit’ zu vertreten.“

1 Graf, Friedrich Wilhelm: Die Politisierung des religiösen Bewußtseins. Die bürgerlichen Religionsparteien im deutschen Vormärz: Das Beispiel des Deutschkatholizismus. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt, 1978 Dem Siebenerausschue, der zum 31. März das Vorparlament nach orankfurt einberief, gehörten Welcker, Römer, von Gagern, Stedmann, Willich, Binding und von Itzstein an. Mindestens vier Mitglieder des Siebenerausschusses waren schon lange vor der Revolution für den Deutschkatholizismus eingetreten und hatten ihre Unterstützung damit begründet, dass die freie Religionsgesellschaft auf ihre Weise einem dem politischen und kirchlichen Liberalismus gemeinsamen Ziel diene. Aus den alten Verbindungen zwischen Deutschkatholizismus und politischem Liberalismus erklärt sich die relativ hohe Zahl deutsch-katholischer Abgeordneter im Vorparlament. Vom Selbstverständnis des Siebenerausschusses aus war evident, dass die Religionsvereine ein Anrecht darauf hatten, in derjenigen Institution vertreten zu sein, die den Willen zur Revolution verkörpern sollte. So wurden nicht nur R. Blum und o. Wigard (Lichtfreunde) als Stadtverordnete eingeladen, sondern auch Ronge und M. J. Mohr, die als Repräsentanten eines demokratischen Vereins nach orankfurt kamen. Die Abgeordneten Rewitzer, H. Wuttke und G. von Struve gehörten zu den promineteren Deutschkatholiken des Vorparlaments. Die biographischen Berichte über die Protagonisten der Revolution lesen sich teilweise wie ein "Who is who“ der freireligiösen Bewegung. Robert Blum, Ronge und der zweite der Gebrüder Reichenbach wurden bereits genauer betrachtet:. Hier einige weitere Beispiele in alphabetischer Reihenfolge: Eduard Baltzer, ein Lichtfreund, 1847 Initiator und Leiter den Bundes, Prediger der Gemeinde Nordhausen, ab 1859 erster Präsident des Bundes freireligiöser Gemeinden Deutschlands, Mitglied des orankfurter Vorparlaments und Mitglied der Verfassungskommission in der konstituierenden Preueischen Nationalversammlung, nach der Revolution Verfolgung und Haft, Schöpfer des Begriffs Jugendweihe und Initiator der organisierten deutschen Vegetarierbewegung oriedrich Daniel Bassermann, vor 1848 Abgeordneter der 2. badischen Kammer, Mitglied des Vorparlaments und der Nationalversammlung sowie Vertrauensmann der badischen Regierung im Bundestag in orankfurt Prof. Dr. Karl Bayrhoffer, zeitweilig Präsident des kurhessischen Landtags und Vorstandsmitglied im Zentralausschuss der deutschen Demokraten, emigrierte später in die Vereinigten Staaten Daniel oreiherr oenner von oenneberg, 1848 in Wien Generaladjudant des Kommandanten der Nationalgarde und Volkswehr, 1849 Oberbefehlshaber des pfälzischen Volksheers, emigrierte in die USA Josef oickler, Vorsitzender der deutschkatholischen Gemeinde Konstanz, Vizepräsident des Landesausschusses unter Struve, Mitglied der provisorischen Regierung Badens, gilt als einer der stärksten Symbolfiguren der Revolution, oestnahme, Todesurteil, olucht und Emigration in die USA oriedrich Wilhelm olos, Prediger der deutschkatholischen Gemeinde orankfurt/M., Mitglied des Vorparlaments Prof. Julis oröbel, Lehrer der orauen(fach)hochschule der freireligiösen Gemeinde Hamburg, Mitglied der Nationalversammlung, der oraktion der Linken, mit Robert Blum nach Wien entsandt, dort gefangen genommen, zum Tode verurteilt und begnadigt, emigrierte in die USA, wollte dort mit Malwida von Meysenbug neue Gemeinden aufbauen, publizistische Tätigkeit, endete im konsularischen Dienst des Deutschen Reiches Prof. Dr. Georg Gervinus, einer der Göttinger 7, Mitglied der Gemeinde Heidelberg und Verfasser des Buchs "Die Mission der Deutschkatholiken", Gründer der „Deutschen Zeitung“ und Mitglied der Nationalversammlung Johann Imandt, Leiter der Gemeinde Krefeld und Gründer des dortigen Arbeitervereins, Beteiligung an den Verfassungskämpfen Mai1849 und olucht nach Schottland Dr. Hermann Joseph Alois Körner, Gründer der Gemeinde in Elberfeld und erster Vorsitzender, Mitbegründer mehrerer Gemeinden im Umkreis, 1849 Vorsitzender des Sicherheitsausschusses in Elberfeld, olucht, Emigration in die USA Johann Martin Mohr, vor 1848 Abgeordneter der 2. Kammer von Hessen-, Mitglied des Vorparlaments und der Nationalversammlung, Mitglied der Donnernsberg-oraktion (= radikale Linke), Rumpfparlament, vor Gericht gestellt, freigesprochen Prof. Dr. Christian Nees von Esenbeck, Mitbegründer der Gemeinde Breslau, Deutschkatholik der ersten Stunde, wichtiger Denker der Bewegung, bekannter Naturwissenschaftler, 1848 Mitglied der Preueischen Nationalversammlung, sein Verfassungsentwurf wird selbst von der äueersten Linken als zu radikal zurückgewiesen. Gründer des Breslauer Arbeitervereins Prof. Dr. Emil Rossmässler, Naturwissenschaftler, ein Werk über Süewasserschnecken ist noch heute Standardwerk, einer der Väter des Naturschutzes und der Ökologie, Initiator des ersten politischen orauenbildungsvereins, Gründer eines Bürger- und Turnvereins, Gründer des Leipziger Arbeiterbildungsvereins, Mitglied der Nationalversammlung und des Rumpfparlaments, gehörte zur äueersten Linken, Berufsverbot, Hochverratsprozess, dreimal Haft Ernst oriedrich oranz Schmidt, freireligiöser Prediger der Gemeinde Löwenberg, Schlesien, Mitglied der Nationalversammlung, wegen Unterstützung der badischen Revolution zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteillt, foh und emigrierte in die USA Nikolaus Schmitt, Mai 1849 Mitglied des revolutionären pfälzischen Landesausschusses und Innenminister der pfälz. prov. Regierung, Todesurteil in Abwesenheit, Exil in den USA, dort ab 1856 Präsident der oreireligiösen Gemeinde Philadelphia , Beteiligung an den Kämpfen 1849 in der Pfalz und in Baden, entkommt aus dem belagerten Rastatt, befreit seinen Hochschullehrer Kinkel, der verwundet in preueische Gefangenschaft geriet und zu lebenslänglich verurteilt wurde, aus der Haft, Emigration nach England, durch freireligiöse Eheschlieeung Schwager von Ronge, Exil in den USA, General der Nordstaaten, US-Innenminister, seine orau (wie ihre Schwester, die Ronge heiratete, Absolventin der Hamburger orauen(fach)hochschule) gründete den ersten Kindergarten in den USA. Zuvor hatte bereits ihre Schwester, Ronges Ehefrau den ersten Kindergarten in England gegründet. oranz Schuselka, seit 1845 Deutschkatholik der Hamburger Gemeinde und Delegierter auf dem Konzil 1847 in Berlin, Vorparlament und Nationalversammlung, wird 1851 Protestant Karl Gustav Schwetschke, Vorsitzender der deutschkatholischen Gemeinde Halle, Mitglied der Nationalversammung, dort als einer der wenigen oreireligiösen Mitglied des rechten Zentrums (Casino-Partei) Valentin Streuber, Mitbegründer und Vorsitzender der Gemeinde Mannheim, profilierter Liberaler im Vormärz, ab 1847 2. Bürgermeister, Miteinberufer der Volksversammlung von Offenburg am 19.3.1848, Kompanieführer der Bürgerwehr Mannheims, am 11. Oktober 1849 von den Preueen auf dem Mannheimer oriedhof erschossen, am selben Tag wird auch Gemeindemitglied und Kommandeur des Arbeiterbatallions Carl Jacoby erschossen, Revolutionsfüchtlinge in den USA stiften ihnen 1874 ein Ehrenmal Wer die Publikationen über die Revolution zur Kenntnis nimmt, dem braucht man über Amalie und nicht mehr viel zu erzählen. Beide traten 1847 in die freireligiöse Gemeinde Mannheim ein und machten den Schritt öffentlich in einer Zeitung bekannt. Sie waren an allen Volkserhebungen in Baden führend beteiligt. Im Exil in den USA engagierte er sich gegen die Sklaverei und wurde als Hauptmann der Nordstaatenarmee bei Bull Run verwundet Prof. Carl Welcker, Hochschullehrer mit dauernden Konfikten, bereits 1817 Untersuchungen wegen demagogischer und revolutionärer Umtriebe, führender Publizist des Vormärz, diverse Strafverfahren, 7er-Ausschue, Vorparlament, Nationalversammlung u. v. a. m. Prof. Dr. oranz. Wigard, seit 1845 Vorsitzender der freireligiösen Gemeinde Dresdens, juristischer und theologischer Berater Robert Blums, Präsident des Leipziger Konzils und der Berliner Synode 1847 und wohl Verfasser des Leipziger Glaubensbekenntnisses, Mitglied des Vorparlaments und der Nationalversammlung, Anklage wegen Hochverrats, Suspendierung vom Amt, als Dresdener Stadtrat entlassen, 1867 bis 1874 MdR, Mitgl. der Sächsischen oortschrittspartei, später Mitbegründer der Deutschen oreisinnigen Partei Heinrich Zoose, Prediger in Esslingen, Schlesien und der Pfalz, Gründer der freireligiösen Gemeinde Kaiserslautern, 1849 oührer der revolutionären Arbeiter der Pfalz und Anschluss an das badische Revolutionsheer, scheitert mit dem Versuch, die Revolution nach Stuttgart zu tragen, Emigration, stellte sich, Haft auf dem Hohenasperg, oreilassung mit der Aufage, auszuwandern, Lehrer und Prediger der Gemeinden Willliamsburg und Milwaukee, Redakteur sozialistischer Zeitungen Die Beteiligung so vieler führender Leute und die offensichtliche Unterstützung der Revolution hatten natürlich oolgen. Der personelle Aderlass war erheblich. Die Staaten, insbesondere Preueen und Sachsen, gingen gegen die Gemeinden mit vielen Repressalien vor. Gemeinden wurde der Status der Religionsgemeinschaft aberkannt, und dann wurden sie einfach verboten oder für aufgelöst erklärt. Einrichtungen der Gemeinden, z.B. Schulen wurden geschlossen, Gemeindemitglieder zum Austritt gedrängt. Manche verloren so viele Mitglieder, dass sie nicht mehr lebensfähig waren. Kommunikation zwischen den Gemeinden wurde unterbunden. Die Zeit bis 1858 wird in der internen Geschichtsschreibung als Zeit der Verfolgung angesehen. Erst 1858 setzte durch den neuen Regenten in Preueen ein Tauwetter ein. Die Restgemeinden konnten sich sammeln und gründeten 1859 als Dachverband den Bund der oreireligiösen Gemeinden Deutschlands. Die Isolation hatte aber zu unterschiedlichen Entwicklungen in den Gemeinden geführt. Während einige noch in christlichen Grundformen verblieben, hatten andere mehr pantheistische Vorstellungen entwickelt, andere waren zu freigeistigen, teilweise atheistischen Gemeinschaften mutiert. Um die gerade gefundene formale Einigkeit zu erhalten, ging man jeder inhaltlichen oestlegung aus dem Weg. Mit der Änderung der Sozial- und Mitgliederstrukturen, die sich in den 70er Jahren entwickelte, veränderte sich auch langsam der Charakter der freireligiösen Gemeinden. Sie wurden langsam und stetig eine Organisation der sich formierenden Arbeiterbewegung. Den Grundstein dazu hatten teilweise schon die Gründerväter und die Generation von 1848/49 gelegt. Die Bewegung wandelte ihr Gesicht, doch das ist ein anderes Thema. Die Geschichte der freireligiösen Bewegung ist aber damit nicht beendet. Diese Menschen haben Strukturen geschaffen, Ideen gefördert und Bewegungen in Gang gesetzt, die noch heute aktuell sind. Aus ihren Reihen wurde die Idee des Kindergartens in die gesamte Welt getragen und das Wort in den angloamerikanischen Sprachschatz eingeführt. Von ihnen wurden die ersten Arbeitervereine mitbegründet, aus denen später die deutsche Sozialdemokratie hervorging. Sie waren die ersten, die die Ideen der orauenemanzipation aktiv angingen und erste Umsetzungsversuche unternahmen. Sie begründeten die erste Deutsche oreidenkerbewegung. Zur Gründungsversammlung des ersten deutschen oreidenkerverband rief ein Prediger einer freireligiösen Gemeinde (Mannheim) in seinem Gemeindeblatt auf. Auf der Gründungsversammlung waren eine Anzahl freireligiöser Prediger (6?) anwesend, von denen einige (3?) in den Vorstand gewählt wurden. Und selbst in so scheinbar abseitigen Bereichen wie Vegetarismus, Naturschutz, Ökologie bis hin zur Aquarienkunde haben diese Menschen ihre Spuren hinterlassen. Bedeutsam ist aber, dass diese Bewegung an der Wiege der deutschen Demokratie stand, und es wäre ungerecht, wenn man dies vergessen und ihren Anteil daran unterschlagen wollte.