BÜRGER DENKMALSTIFTUNG RETTEN BADEN-WÜRTTEMBERG DENKMALE Stiftung bürg erlichen Rechts

DENKMALSTIMME 1 | 2016

Die Denkmalstiftung hat sich für den Erhalt der Stuttgarter Makthalle auch im 100. Jahr ihres Bestehens engagiert.

Feiner Bau für feinen Inhalt In dieser Ausgabe

Die Markthalle ist beste „Stuttgarter Schule“: Im Inneren ein für die Bau- Stuttgarts schönster Konsumtempel: zeit (1912–1914) fast futuristisch anmutendes Beton-Inlet mit weiten wei- die Markthalle ßen Stützbögen. Draußen aber eine selbstbewusste Einpassung in die Gespräch mit dem Ulmer historische Umgebung. Als die Halle am Beginn des Kriegsjahrs 1914 ein- Oberbürgermeister Ivo Gönner geweiht wurde, war sie zwar neu im Sinne eines neuen Bauens, aber sie über Stadtplanung war nicht fremd. Wissenswertes aus der Die „Stuttgarter Schule“ ist ja eine „Erfi ndung“ des fränkischen Baumeis- Denkmalpfl ege: Leserkritik und ters (1862–1938), um 1900 einer der wirkungsreichsten Geologisches Architekten in Deutschland. Er lehrte Respekt vor der baugeschichtlichen Baukunst, Knickgiebel Umgebung, handwerklich gekonnten Umgang mit regionaltypischen Baumeister, Emil Otto Tafel Werkstoff en im Äußeren und Verwendung modernster Baustoff e im In- Denkmalrätsel neren. Fischer gilt deshalb auch als Meister des Betons, mit dem er oft Spenderliste 2015 geradezu bildhauerisch umgeht. WWW.DENKMALSTIFTUNG-BW.DE DENKMALSTIFTUNG BADEN-WÜRTTEMBERG

Die Markthalle in Württemberg kämen in Scharen hierher. „Manches Stuttgarter Gemeinderats. Zu den Restaurierungen an der Kinder sieht und kauft sich zum ersten Mal in sei- seiner Markthalle wird er off enbar nicht hinzugezogen. auf Platz zwei nem Leben eine Orange oder Banane.“ Stuttgart war Der Baukünstler Martin Elsaesser hat resigniert. Am 5. So eben auch bei der Markthalle seines Muster- und nun eine Stadt mit an vordester Front im deutschen August 1957 stirbt er in Stuttgart. In der Traueranzeige Meisterschülers Martin Elsaesser. 1884 zu Tübingen in Wirtschaftsleben. „Schöne und große Markthallen heißt es, er hinterlasse „ein unvollendetes Lebens- die Strenge eines evangelischen Pfarrhauses hinein- triff t man noch in Hamburg, Leipzig, Dresden, Chem- werk“. geboren, erweist er sich als Musensohn, spielt Klavier, nitz, München“, heißt es in der Broschüre. Heute gilt Seine Stuttgarter Markthalle, zumal entlang der Doro- schreibt Gedichte – entschließt sich aber mit achtzehn die Stuttgarter gar als die „schönste in Deutschland“ theenstraße kriegszerstört, war bis 1953 behutsam re- zum Architekturstudium bei Theodor Fischer an der (Eigenwerbung). konstruierend wiederaufgebaut. Allerdings lag sie auf Stuttgarter TH. Dessen Haupt-Schüler und Nachfolger, Elsaesser hinterließ in der Landeshauptstadt noch wertvollstem städtischen Baugrund, was so manchen Paul Bonatz, holt Elsaesser als Assistenten (1908–1911) einige bemerkenswerte Bauten wie das Wagenburg- im nahen Rathaus wurmte. Ohnedies gab es dort für und als solcher gewinnt er 1910 den Wettbewerb für gymnasium oder auch die außergewöhnliche Jugend- Bauwerke aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg keine den Neubau der Stuttgarter Markthalle, vor Bonatz, stilkirche in Gaisburg. 1920 holt ihn der für Architektur nennenswerten Sensibilitäten („alde Käschda“). Eine der zweiter wird. Im Preisgericht sitzt vor allem einer – hoch engagierte Kölner Oberbürgermeister Konrad „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ plädierte um 1970 für Theodor Fischer, der hier seine Stuttgarter Schule in Adenauer als Direktor an die Kunstgewerbeschule. Abriss und Neuaufbau, die obligate Stuttgarter „Stadt- Vollendung verwirklicht sieht. 1925 wirbt man den Baumeister als Stadtbaudirektor sanierungsmaßnahme“ der Ära Klett. Doch da hat Die Modernität des Innenraums mit seinen 60 auf 25 nach ab, wo er mit dem unerbittlich fort- ein öff entlicher Proteststurm die Markthalle gerettet, Metern gemahnt mit den weit gespannten, leicht gebo- schrittlichen Stadtbaurat das „Neue Frank- wobei dem Engagement das am 1. Januar 1972 in Kraft genen Sichtbetonbindern unter dem gerundeten Glas- furt“ entwickelt, dessen Markenzeichen Elsaessers getretene Landesdenkmalschutzgesetz zupass kam. dach erst einmal an eine Industriehalle. Allerdings in Großmarkthalle (1926–1928) ist, bis heute eine Ikone Die Denkmalstiftung hat sich an den neuerlichen der archaischen Form einer dreischiffi gen Basilika. Die des „neuen bauens“. Maßnahmen zur Sanierung der Markthalle inten- Nebenschiff e an der nördlichen und südlichen Lang- Zwischen 1933 und 1945 mühte sich Elsaesser, der als siv beteiligt. Zur Instandsetzung der 72 Fenster im hausseite sind durch spitzbogige Arkaden vom breiten Vertreter des „Weimarer Systems“ galt, meist erfolglos Obergaden gab sie 30 000 Euro. Die Restaurierung der Hauptschiff getrennt. In diesen drei Schiff en haben um öff entliche Aufträge. Im Nachkriegs-Stuttgart leite- Außenfresken hat sie mit 20 000 Euro unterstützt und die Händler ihre Stände – wie in einem vorchristlichen te er den Wiederaufbau von Theodor Fischers Gustav- die Markthalle im Januar 2014 aus Anlass ihres 100jäh- Tempel! Die strenge basilikale Konzeption lässt den Einen etwas sakralen Kreuzgangcharakter strahlt der Kolon- Siegle-Haus nach dem pragmatischen Diktat des rigen Jubiläums zum „Denkmal des Monats“ gekürt. Kirchenbaumeister Elsaesser ahnen. Bis 1914 hatte er nadengang an der Nordseite der Markthalle aus. sich mit 39 Projekten für Gotteshäuser beschäftigt; Mit Türmen und Rundformen „korrespondiert“ die Markthalle mit ihrem Nachbarn, dem Alten Schloss. am Ende seines Lebens waren es über 60. Und auch als Maler wissen wir wenig. Gref indes, 12 Jahre älter die längsseitigen Fensterbänder der Obergaden unter als Elsaesser und aus dem südbadischen Stühlingen dem mächtigen Glasdachbogen entsprechen dieser stammend, studierte unter anderem an der Stuttgar- Konzeption. Außen ist die Markthalle mehr eingepasst ter Kunstakademie bei Leopold von Kalckreuth. Er als angepasst. Sie verbindet sich eher atmosphärisch arbeitete anfangs vor allem für Theodor Fischer; so mit ihrer damals noch von Renaissance und Barock sind die Wandmalereien in dessen Erlöserkirche im geprägten Umgebung. Dabei sind die spitzbogigen Stuttgarter Norden von ihm. Elsaesser beschäftigte Arkaden an der Dorotheenstraße so un- Gref besonders für seine Kirchenbauten. Etwa in Win- stuttgarterisch wie die volkstümlichen Fassadenmale- nendens St. Bernhard oder Nellingens St. Blasius, wo reien darüber. er beide Male Bilder von der Anbetung und Verkün- digung der Hirten als Motiv hat. Seine drei Glasfens- Keine bayerischen Lüftlmalereien ter für Elsaessers Christuskirche in Kirchheim/Teck Diese für Stuttgart und überhaupt das württember- wurden 1953 im Rahmen von Renovierungsarbeiten gische Kernland äußerst seltene Bemalung von Gebäu- zugemauert. dewänden mögen oberbayerische Reminiszenzen aus Elsaessers Münchener Studienzeit (1905/06) sein. Wer ist die Schönste im Land? Aber hier sind es keine zartblumig fl üchtigen Lüftlma- Elsaessers Stuttgarter Markthalle fand sogleich hohe lereien, hier sind es erdig expressive Darstellungen Akzeptanz. Eine Broschüre aus den zwanziger Jahren: zum Marktgeschehen: Bauern, Winzer, Jäger und der „Sie … wird immer wieder von den vielen auswärtigen hl. Christophorus als Schutzpatron. Gemalt haben sie Besuchern … als ein Schmuckkästchen der deut- Franz Heinrich Gref und Gustav Rümelin. Von Rümelin schen Markthallen bezeichnet.“ Schulkinder aus ganz

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Liebe LeserInnen und SpenderInnen! Gespräch mit Ivo Gönner

In unseren heutigen Beiträgen geht es vor allem um die Entwicklung unserer Städte. Auf diesem Gebiet haben Seit 1992 Oberbürgermeister von Ulm und langjähri- sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidende Wandlungen vollzogen. Es begann mit einem ger Präsident des Städtetages Baden-Württemberg. vehementen Drang zur Modernisierung, der auch noch zahlreiche von den Bomben verschonte Altbauten zum Opfer fi elen. Doch die anvisierte autogerechte Stadt konnte zahlreiche Bewohner nicht entscheidend an sich Im Gespräch für unser Jubiläumsheft von 2010 zu „25 Jah- binden. Schon in den 1950 Jahren orientierten sich vor allem Familien aufs Land, man baute dort und zog aus re Denkmalstiftung Baden-Württemberg“ haben wir Ulm grauer Städte Mauern ins Grüne. Folge waren zumindest abends und am Wochenende recht menschenleere als eine der „architektonisch ambitioniertesten Städte im Innenstädte und eine zersiedelte Stadtperipherie. In dieser Situation entkam die baulich kostbare und heute so Land“ bezeichnet. Ein Verdienst vor allem Ihrer fast 25jäh- beliebte Markthalle nur ganz knapp dem Abriss. Dass dieser nicht erfolgte, kann man getrost unter unser Motto rigen Ägide. Sie haben damals gesagt, „natürlich werden „Bürger retten Denkmale“ stellen. – Ein Proteststurm zwang den Gemeinderat zum Umdenken. Die Denkmalstif- wir daran arbeiten, dass auch künftig in Ulm Qualität Das Gespräch mit dem Ulmer OB führten Karlheinz Fuchs (im tung förderte 2015 die sachgerechte Erhaltung von zeittypischen Malereien an der Markthallenfassade. gebaut wird“. Gibt es Hoff nungen, dass Ihr jüngst gewähl- Bild) und André Wais. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Stadtfl ucht ziemlich ins Gegenteil gekehrt. Die Vorzüge urba- ter Nachfolger diese Linie weiter verfolgt? nen Lebens mit guter Infrastruktur, kurzen Wegen, vielfältigen Kulturangeboten und bisweilen auch Unabhängig- Die gibt‘s nicht nur als Hoff nung, sondern als Sicher- Auch in der Neuen Straße, unserem gegenwärtig keit vom Auto locken die Menschen wieder in die Städte. Ein Wandel, den der seit 1992 in seinem Amt waltende heit. Weil wir es uns zur Maxime gemacht haben, als größten städtebaulichen Projekt, waren es Investoren. Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner deutlich zum Ausdruck bringt. Unsere Redakteure haben mit ihm kurz vor Teil der Stadtentwicklung neue Architektur in Verbin- Zuerst die Familie Weishaupt, ein Investor mit Gespür dem Ende seiner langen Amtszeit ein recht intensives Gespräch führen können (Seite 5). Hochinteressant auch dung mit alter Architektur in ein interessantes Span- und Empfi nden für die Situation. Für uns ein großer seine Ausführungen zum Thema „Bauen im Bestand“, dabei vor allem über Probleme, Modernes mit Histori- nungsverhältnis zu bringen. Und das fi ng in Ulm ja Partner, weil an exponierter Stelle eine Investition wie schem in Bezug zu setzen. schon 1986 mit dem Wettbewerb zum Stadthaus auf die Kunsthalle Weishaupt mit einer hohen architek- Also durchaus spannende und vielleicht auch ein wenig unterhaltsame Informationen, mit denen wir natürlich dem Münsterplatz an und hat sich 1998 fortgesetzt bei tonischen gestalterischen Qualität umgesetzt wurde. wieder Ihre Lust und Bereitschaft zum Spenden fördern möchten. UUndnd zwar füfürr unsere ggemeinsameemeinsame AAufgabe,ufgab der Bibliothek und dem Rathaus. Hier wie dort wurde Das war sozusagen die Grundvoraussetzung für weite- Denkmalwürdiges für uns und die folgfolgenden Generationen zu rettenen und zu erhalten. klar, dass sich gute Architektur auch in modernster re Investoren. Handschrift immer versteht mit den alten Gebäuden. Und wie war es mit Böhms Bibliothekspyramide? Sie waren lange einer der Leuchttürme für die SPD im Böhm war anfangs von der Jury her gar nicht der erste Professor Dr. Rainer Prewo Pf Professor hh. c. HHermann VlVogler Land. Welchen Anteil hat die Partei an Ihrem bemerkens- Preisträger. Es gab vielmehr einen Entwurf, der in der (Vorsitzender) (Geschäftsführer) werten städtebaulichen Engagement? Öff entlichkeit sehr umstritten war. Da hat sich der Die Partei sicherlich gar keinen. Es gab eher Anregun- Gemeinderat erlaubt, die Reihenfolge zu verändern gen aus der Bundes- und Landespolitik. Entscheidend und Böhm mit seinem Pyramidenbau genommen. Wir Impressum war vor allem das Städtebau-Förderungsgesetz von haben entschieden, dass es an dieser Stelle gewagt 1972. Für mich blieb‘s auch im baden-württembergi- werden kann, eine Architektur zu platzieren, die Rat- Denkmalstiftung Baden-Württemberg schen Städtetag immer wichtig, dass wir das Thema haus und Umgebung so gut aufnimmt, dass sie nicht Charlottenplatz 17 70173 Stuttgart Herausgeber: Erhalt und Ausbau Städtebauförderung oder andere nur Spiegelwand eines alten Rathauses, sondern ein Tel.: 0711 2261185 Fax: 0711 2268790 Denkmalstiftung Baden-Württemberg Programme in einer atmenden Weiterentwicklung den eigenständiges Kunst- und Bauwerk ist. www.denkmalstiftung-bw.de Geschäftsführer: Prof. h. c. Hermann Vogler Kommunen zukommen lassen, die sich Erhalten und E-Mail: [email protected] Geschäftsstelle: Andrea Winter Erneuern unter Berücksichtigung des Stadtteilmilieus Ihre Stadt ist nicht nur durch bemerkenswerte zeitgenös- auf die Fahnen geschrieben haben. sische Architektur gekennzeichnet wie Meiers Bürgerhaus Spendenkonto: Landesbank Baden-Württemberg Redaktion: am Münster, Böhms gerade geschilderte Pyramide oder Konto Nr. 2 457 699 (BLZ 600 501 01) Prof. h. c. Hermann Vogler (ViSdP), Dr. Irene Plein, Die „atmende Weiterentwicklung“, ein schönes Wort, das jetzt die neue Synagoge, sondern auch durch denkmalge- IBAN: DE78 6005 0101 0002 4576 99 Dr. Karlheinz Fuchs, André Wais, Andrea Winter muss man sich merken. Ist das von Ihnen? rechte mustergültige Sanierungen wie das Fischerviertel BIC: SOLADEST Ich hoff e. Das ist mir gerade so eingefallen. an der Blau. Wo gab es die meisten Probleme? Produktion: Verlagsbüro Wais & Partner Der Wirbel mit dem Stadthaus Richard Meiers fand Als Spendenquittung für Beträge bis zu 200 Euro Gestaltung: Kindermann KG Einer der wichtigsten Baumeister unserer Tage, Gottfried seinen Höhepunkt ja im Bürgerentscheid. Aber es genügt der Einzahlungsbeleg zur Vorlage beim Böhm, hat in der Landeshauptstadt nur auf der grünen gab schon in den fünfziger Jahren zwei rivalisierende Bildnachweis: A. Wais S7, alle anderen Heinz K. Geiger Stuttgart S1–S8. Finanzamt. Für höhere Beträge stellen wir Ihnen eine Wiese gebaut, draußen in Möhringen. In Ulm dagegen Organisationen, den Verein „Alt Ulm“ und als eine Aufl age: 75.000 Spendenbescheinigung aus; hierzu ist die Angabe der mitten in der Stadt. Seine gläserne Bibliothekspyramide Art Gegenbewegung dazu für das moderne Ulm die vollständigen Adresse notwendig. steht in einer Sichtachse mit dem Renaissance-Rathaus. „Gesellschaft 50“. Beide standen sich eine Zeitlang Hat Ulm hier von Fehlern Stuttgarts gelernt, wo man sehr unversöhnlich gegenüber. Beim Wettbewerb zum Städtebau häufi g Investoren überlässt? Stadthaus war der ungewöhnlichste Entwurf der von

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Robert Meier, und der Gemeinderat hat gesagt, den ten mitten drin mit Aufzug und Balkon, Arzt, Kneipe, Meer. Da dorthin aber bisweilen doch ein guter Teil stattlicher, im Bombenkrieg abgegangener Bau, hatte nehmen wir. Dagegen gab es ein Bürgerbegehren und Einkaufszentrum und einem Bahnhof in der Nähe, des Quelltopfwassers gelangen kann, sollte man sich so einen Knickgiebel, bei dem rechteckige Intervalle 1987 auch einen Bürgerentscheid noch zu Zeiten mei- weil es eine reiselustige Generation ist. Der Verlust das Bestaunen der frisch renovierten Donauquelle die Bogenschwünge unterbrachen. Rechteckige nes Kollegen Ludwig. Ein riesen Aufreger in der ganzen des Gartens, der „bloß Geschäff d machd“, wird durch nicht nehmen lassen. Das hat bislang die alte und Elemente als Wellenbrecher charakterisieren auch Stadt, oft quer durch die Familien. Knapp 21 000 städtisches Grünland kompensiert. Wir werden in geografi sch richtige Schulweisheit „Brigach und Breg das fast gleichzeitig gebaute Stuttgarter Lusthaus waren dagegen und etwa 19 000 dafür. Damit war das den nächsten Jahren mehr denn je unsere Stadtparks, bringen die Donau zuweg“ auch nicht geschaff t! (1575–1593). Ein geradezu exemplarischer Knickgiebel Quorum nicht erreicht. Das wären 23 000 gewesen. So unsere Grünanlagen wieder aufwerten, weil sie wieder Mit dem Jura hat auch die Anmerkung eines anderen krönt das auch von der Denkmalstiftung geförderte ging die Entscheidung zurück an den Gemeinderat, der Platz bieten für Aufenthalt. Eine Zeitlang war ja keiner Lesers, der nicht genannt werden will, zu tun. Er stellt Renaissanceschloss in Magenheim bei Cleebronn. hat mit einer Gegenstimme beschlossen: Wir bleiben mehr in den Parks, weil es hieß, da hocken nur die Jun- völlig richtig klar, dass die im Förderbericht (Seite 14 in Ganz eigenwillig geknickte, ansonsten sehr schlichte dabei! Und eingeweiht wurde das Meier-Stadthaus kies, da wird man bloß angepöbelt. Für uns Ulmer ist Heft 3/2015) beschriebene Küssaburg nicht auf einem Giebel aus neuerer Zeit entdeckt man übrigens an dann in meiner Amtszeit, nämlich 1993. es ein großer Vorteil, dass wir diese riesigen Flächen markanten Vulkankegel des Hegaus steht, sondern auf zwei nebeneinanderstehenden Giebeln am Schmalz- Beim zweiten Bürgerentscheid ging es um die Unter- entlang der Donau haben, wo eben keine Uferstraße dem Ende eines Höhenzuges im Randengebiet, einem markt in Gablenbergs Hauptstraße (unser Bild). tunnelung der Neuen Straße. Der war 1990. Da haben verläuft. Oder die Belegung der öff entlichen Plätze. Ausläufer der Schwäbischen Alb, am Hochrhein. Vul- sich über 80 Prozent gegen die Untertunnelung ausge- Alte Leute hocken sich vors Café, dorthin, wo sie sich kane des Hegaus stehen ein gutes Stück weiter östlich. sprochen, und das Quorum war deutlich überschrit- früher nie hingesetzt hätten nach schwäbischem Ge- Die Redaktion dankt nochmals für diese nützlichen Kennen Sie ihn? ten. Darauf hat der Baubürgermeister Wetzig Schritt sichtspunkt: „Der hodd niggs zom Schaff a, der hoggd Hinweise, wie für alle andern, die hier nicht erwähnt für Schritt unter Bürgerbeteiligung die „Neue Mitte em Café“! Früher hatten alle klassischen Ulmer Cafés werden konnten. Emil Otto Tafel Ulm“ entwickelt mit Tiefgarage, der Kunsthalle Weis- eine Terrasse nach hinten hinaus, damit niemand haupt und einem neuen Platz. gesehen hat, wer im Café sitzt. Heute sitzt niemand (1838–1914) mehr auf diesen Terrassen. Jetzt sitzt man vor dem Baukunst: Knickgiebel Im Jubiläumsausgaben-Interview erwähnen Sie „gele- Café, egal wann. Urbanisierung bedeutet also auch die Er stammt aus dem hohen- gentlichen Ärger mit dem Denkmalschutz“. Lässt sich der Rückgewinnung der Plätze und ihre vielfältige öff entli- Deutet man die Giebel als „Gesichter der Häuser“, lohischen Öhringen und näher umschreiben? che Nutzung. Das wird ein großes Thema werden. wären die Giebellinien ihre Frisuren. Jahrhunderte- war von der italienischen Wenn uns Denkmalaufl agen gemacht werden wie im lang waren schlichte Dreiecksgiebel das Gesicht von Renaissance inspiriert. Ein Sanierungsgebiet „Auf dem Kreuz“, wo ein Balken wohl Satteldächern, namentlich der heimischen Fachwerk- Historist also aus histori- aus dem 13. Jahrhundert entdeckt wurde. Um den Wissenswertes bauten, die „Frisur“ also glatt heruntergekämmt. Mit scher Umgebung. Die für herum musste dann das ganze Haus saniert werden. der Renaissance ergeben sich dann weit üppigere, seine Architektengeneration noch wichtigen Lehr- und Ich glaube, da standen zwei Arbeiter drei Jahre lang da Geologische Grundkenntnisse gefragt! fantasiereichere Giebellinien, besonders bei reprä- Wanderjahre verbringt er – natürlich – in Italien, über- und haben bloß diesen Balken hochgehalten. Diesen Die Redaktion freut es sehr, dass immer wieder Leser- sentativen Gebäuden mit ihren Schweifgiebeln oder raschend aber auch in Spanien und Ungarn. Frank- Balken sieht kein Mensch mehr. Aber das hat damals briefe bei ihr eintreff en. Oft von profunden Kennern Giebelwellen von der Traufkante bis zum First. Oft reich und dessen Klassizismus ist für Tafels stilistische den ursprünglichen Kostenrahmen so hochgetrieben, unserer beschriebenen Objekte und deren Örtlichkei- rollen sich diese Wellen nach Art von Schneckenhäu- Prägungen weniger wirksam, im Gegensatz zu seinem dass die Eigentümerfamilie ob dieser Aufl age fast in ten. Leider können wir diese, so interessant sie meist sern nach innen ein und bilden so Volutengiebel, die großen schwäbischen Lehrer Christian Friedrich Leins, ewige Armut gestürzt worden wäre, wenn die Stadt sind, aus Platzgründen hier nicht veröff entlichen. gängigste Version in der Renaissance. Manchmal aber bei dem er am Stuttgarter Polytechnikum (der späte- nicht mit einem Zuschuss großzügig geholfen hätte. Zwei der im letzten Jahr eingegangenen, durchaus wird der organi- ren TH) studiert. Sein anderer Lehrmeister, Joseph von freundlich gehaltene Kritiken an unseren Texten, sche Wellenfl uss Egle, Gründer der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, Wir erleben gerade eine Hochphase der Reurbanisierung. möchten wir zumindest in der Sache den Lesern die- auch durch einen holt Tafel um 1865 als Professor. Sie haben das vor Jahren in einem Referat vor der Archi- ser Schrift nicht vorenthalten. – Herr Roger Widmann rechteckigen Knick In seinem Opus magnum, der Wendlinger Baumwoll- tektenkammer in Stuttgart schon prognostiziert. Was aus Stuttgart merkt zur Sanierung der Donauquelle aufgehalten, bevor spinnerei Otto (1885–1893), entfaltet er äußerst beredt bedeutet das für die Stadtplanung? an, dass dieses Wasser nur selten das Schwarze Meer er weiterfl ießt. Aus seine Backsteinsprache: optisch geschickt durchein- Eine Zeitlang haben die Gemeinden darunter gelitten, erreicht. Beim Durchqueren des vom Schwäbischen dem Voluten- wird andergemischte rote und gelbe Ziegel, aufsteigende dass junge Familien hinausgezogen sind. Inzwischen Jura gebildeten Karstgebiets der Schwäbischen Alb im so ein Knickgiebel, Treppenfriese zur Akzentuierung der Giebellinie und haben wir eine Rückkehr in die Städte und einen sogenannten Oberen Donautal bei Immendingen und nicht zu verwechseln backsteingemauerte Lisenen zur Betonung der Ver- Verbleib der Leute dort sowie einen großen Bedarf Fridingen versinkt die Donau, wenn sie nicht sehr viel mit dem Staff el- oder tikalen – und immer wieder Bogenfriese. Der Bogen an Stadtparks. Die Familien wollen jetzt gern in den Wasser führt, vollständig im Untergrund. Das Fluss- Stufengiebel, der gehört ohnedies zu den Signaturen Tafels und cha- Städten bleiben, weil sie dort Angebote wie Ganzta- bett liegt dann wie ausgetrocknet da. Das in Gesteins- Rechteck um Recht- rakterisiert sein wohl vollkommenstes Bauwerk: die ges- oder Freizeitbetreuung haben. Die Älteren, die spalten verschwundene Wasser taucht dann 12 km eck nach oben steigt. sehr toskanisch wirkende Villa Schönleber von 1889 in als Jüngere hinausgezogen sind, hocken jetzt in viel weiter südlich im Quelltopf der (Radolfzeller) Aach Das Stuttgarter Karlsruhes Jahnstraße 18. Eine kleine Huldigung des zu großen Häusern mit viel zu großen Gärten und wieder auf und fl ießt in den Bodensee. Somit „sieht“ Ständehaus in der schwäbischen Franken Tafel an den badischen Meister brauchen wieder eine Wohnung in der Stadt, am bes- es eventuell die Nordsee, aber niemals das Schwarze Kronprinzstraße, ein des Rundbogenstils, Heinrich Hübsch (1795–1863).

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Sehr viel trockener, „schwäbischer“ dagegen Tafels dem von ihm bevorzugten Werkstoff , dem regionalen heute bekanntestes Gebäude, die Villa Merkel in Ess- Buntsandstein. Musterbeispiel des expressiven Ju- lingen (1873). Beide höchst repräsentative Bürgerpa- gendstils ist dabei im nördlichen Teil des Wirkungsbe- lais werden heute kulturell genutzt – Karlsruhes Villa reichs unseres Architekten eines seiner Hauptwerke, Schönleber als Musikhochschule und Esslingens Villa berühmt durch die ausdrucksstarke Inszenierung des Merkel als vielbesuchter Kunsttempel. konkaven Hauptportals. In den rationaleren Formen eines expressiven Neomonumentalismus erscheint dann das zu erratende Gebäude fast 200 Kilometer Gewusst wo? südlich davon. Ernst und repräsentativ, außen wie innen, auch wieder mit einprägsamer Betonung der Denkmale im Land Eingangszone: Passend zum Inhalt des Baus, wird es von den gewaltigen Bronzefi guren der Philosophen Bau und Baumeister passen hier so ideal zusammen Platon und Aristoteles behütet. Umfl ossen ist der wie selten einmal: Das gesuchte Gebäude birgt eine respekteinfl ößende Bau von einem jener kanalisierten der berühmtesten Geistesinstitutionen des Landes, Bäche, die für den Ort typisch sind und deren klares und sein Erbauer wiederum ist einer seiner wichtigs- Wasser einem nahen Mittelgebirge entspringt. ten Architekten. Und zwar nicht nur jener architek- Wie also heißt dieser auch sonst an architektonischen Spektakeln so reiche Ort, wie der Erbauer, für den Ar- chitektur noch ein Gesamtkunstwerk sein durfte, und wie das Gebäude selber?

Rätseln Sie mit! Wenn Sie es wissen oder herausgefunden haben, schicken Sie die Antwort bis 31. Mai. 2016 auf einer Postkarte – bitte nicht als E-Mail – an die Denkmalstif- tung Baden-Württemberg, Charlottenplatz 17 in 70173 Stuttgart. Oder senden Sie uns die Antwort über die Rätselseite auf unserer Webseite: www.dekmalstiftung-bw.de Unter den Einsendern verlosen wir fünf Exemplare des Standardwerkes „Stadtplanung“, eine illustrierte Einführung aus dem Verlag der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt.

Rätsellösung 3/2015 Wer sie nicht kennt, sollte sie unbedingt einmal be- suchen, die Kilianskirche in Heilbronn mit ihrem markanten Renaissance-Turm. Sie allein lohnt schon den Besuch der Käthchenstadt am Neckar. Dort waren schon, oder kennen zumindest den Turm, auf dem ganz turbewegten Zeit um 1900, sondern wohl überhaupt. oben das berühmte „Männle“ steht, unsere Gewinner: Ein Meister der Übergänge vom späten Historismus in Claus W.Buechmann, 73527 Schwäbisch Gmünd; Eber- Jugendstil und Expressionismus. Er baut, besonders hard Rabaa, 72661 Grafenberg; Margot Richter, 71522 Backnang; Brigitte Ritzmann, 91056 Erlangen; Horst an den „Polen“, dem Norden und Süden seines lang- Walter, 89075 Ulm. gestreckten Heimatlandes, bedeutsame Komplexe mit

DENKMALSTIFTUNG BADEN-WÜRTTEMBERG Mit Lotto-Mitteln kulturhistorisch Charlottenplatz 17 . 70173 Stuttgart bedeutsame Bauwerke erhalten. Seit 2013 ist die Denkmalstiftung Telefon 0711 226-1185 . Telefax 0711 226-8790 Baden-Württemberg direkte Emp- E-Mail: [email protected] fängerin von GlücksSpirale-Mitteln in www.denkmalstiftung-bw.de Baden-Württemberg.