Architekturpfade – Martin Elsaesser Architekturpfade

Impressum Herausgeber Stadt am Main Dezernat Planen und Bauen Stadtplanungsamt in Zusammenarbeit mit der Martin-Elsaesser-Stiftung, Frankfurt am Main BAu stein 3/12 Konzept, Redaktion und Gestaltung Topcom Communication, Frankfurt am Main

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Auf den Spuren Martin Elsaessers Einleitung

Frankfurt am Main ist die Stadt der Mo­ Mit dem Bau der Europäischen Zentralbank auf dem Gelände der Großmarkthalle derne, die Stadt, in der man das 20. ist ein Name wieder ins öffentliche Gedächtnis gerückt: Martin Elsaesser – Archi­ Jahr hundert vorgedacht hat. Es fing an tekt und Erbauer der Großmarkthalle. Aber wer war Martin Elsaesser? Was war mit Oberbürgermeister Franz Adickes, das Besondere seiner Architektur? Welche Rolle spielte er im Gefüge des Neuen der Frankfurt mit Eingemeindungen darauf Frankfurt? Welche Botschaft haben seine kommunalen „Großbauten“? vorbereitete, Industriestandort zu sein. Begeben Sie sich auf Spurensuche. Entdecken Sie Martin Elsaesser und seine Wer­ Frankfurt sollte vorweisen können, was ein ke. Tauchen Sie ein in die Zeit des Neuen Frankfurt in den 1920er Jahren. Auf den Ort der Moderne braucht: Spielräume der folgenden Seiten finden Sie Bilder und Beschreibungen seiner Werke in Frankfurt Gestaltung und kluge Köpfe. und Vorschläge für Entdeckungstouren vor Ort. Nach Adickes setzte Stadtoberhaupt Lud­ wig Landmann weitreichende Impulse für die Stadtentwicklung, um Groß­Frankfurt zu schaffen. Seit den 20er Jahren des 20. Jahr­ Inhalt hunderts hat sich Frankfurt zum Zentrum der Rhein­Main­Region entwickelt. Weil in Frankfurt am Main gute Köpfe früher darüber nachdenken, welcher gestalterischen Spielräume es bedarf. Zu den besten dieser Wer war Martin Elsaesser? 02 Köpfe gehörte Martin Elsaesser, der an der Seite von dem Neuen Frank­ 04 01 furt von 1925 ein Gesicht geben sollte. In diesen Jahren ging Elsaesser weit über Das Projekt Groß-Frankfurt Frankfurt hinaus reichende Projekte wie die Großmarkthalle an, die im Mittelpunkt Zwischen Tradition und Moderne 05 jeder Beschäftigung mit dem Architekten steht. Elsaesser ist ein Meister des Profanbaus gewesen. Doch nicht verpassen dürfen Sie Wohnhaus Elsaesser (Haus Höhenblick), 1926 06 den Architekten sakraler Gebäude: Die Gustav­Adolf­Kirche in Niederursel ist dafür ein herausragendes Beispiel. Die Großmarkthalle, 1926 – 2014 08

Ich wünsche Ihnen bleibende Eindrücke, Frankfurter Schulen, 1926 – 1929 10 Ihre Gustav-Adolf-Kirche (Niederursel), 1927 – 1928 12

Klinik für Nerven- und Gemütskranke mit

Direktorenvilla, 1929 – 1931 13

Hallenschwimmbad Frankfurt Ost (Fechenheim), 1927 – 1929 14 Petra Roth Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Gesellschaftshaus Palmengarten, 1930 15

Auf den Spuren Martin Elsaessers 16

Routenplan 17 Wer war Martin Elsaesser? © Martin-Elsaesser-Stiftung

Martin Elsaesser – Architekt und Baukünstler © Martin-Elsaesser-Stiftung – prägte das öffentliche Gesicht der Stadt Frankfurt in der Aufbruchszeit der 1920er Jahre. Ob Kirche, Schule, Schwimmbad oder Krankenhaus: Seine kommunalen

Mensch und Architekt Bauten sind herausragende Zeugnisse moderner Architektur im avantgardistischen Neuen Frankfurt. Das Besondere daran: Sie verbinden fortschrittliche Ansätze mit traditionellen Bezügen. Kühn und sachlich in Form und Erscheinung, offenbaren sie bei näherem Hinsehen ihre baukünstlerische Martin Elsaesser, 1926 Bearbeitung im Detail. Elsaessers bekanntes­ tes Gebäude und damals wie heute ein Frankfurter Wahrzeichen ist die Großmarkt­ halle oder „Gemieskersch“, wie sie die Frankfurter liebevoll nennen. 1884 in Tübingen als Sohn eines Pfarrers geboren, studierte Martin Elsaesser 02 Architektur in und München und feierte schon als Student Wettbewerbs­ 03 erfolge. Ab 1905 arbeitete er als selbstständiger Architekt in Stuttgart und war Assistent von und an der TH Stuttgart. 1910 heiratete er Elisabeth Wilhelm und baute sein erstes Wohnhaus in Stuttgart, das sich schnell zum kulturellen Treffpunkt entwickelte. In rascher Folge bekam das Paar zwei Söhne und zwei Töchter. und auch beruflich war die Zeit in Stuttgart fruchtbar. Neben der Stuttgarter Markthalle (1912 bis 1914) baute Elsaesser weitere Wohnhäuser und mehr als 30 Kirchen. Nach der Geburt des fünften Kindes 1920 ging Elsaesser Ganz oben: Kaffeetrinken auf der Dachter- nach Köln und wurde Leiter der Kunstgewerbeschule. rasse, um 1928 Oben: Doppelwohnhaus Elsaesser/Weise, Neuanfang in Frankfurt Stuttgart, 1911 Die Berufung nach Frankfurt 1925 eröffnete Martin Elsaesser neue Möglichkeiten: Rechts: Martin Elsaesser mit eigenem Auto, Als Stadtbaudirektor konnte er in einer von politischem, sozialem und kulturellem um 1930 Aufbruch geprägten Zeit die maßgeblichen öffentlichen Gebäude entwerfen und bauen. Von 1925 bis 1932 plante und realisierte er kommunale Bauten, die zu Stationen des „Architekturpfads“ wurden. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte die Realisierung weiterer großer Projekte wie ein Hochhausprojekt zur Rathauserweite­ rung oder den Bau einer Zentralbibliothek mit einem kubischen 25­stöckigen Turm – Werke, die zu Schlüsselbauten des Neuen Frankfurt hätten werden können. Widerstand in der Stadtverwaltung und der wachsende Einfluss der Nationalsozia­ er in Berlin und kehrte 1946 nach Stuttgart zurück, um bei einigen seiner Bauten listen führten 1932 zur Auflösung seines Vertrags. Von seinem Münchner Büro aus Wiederaufbauhilfe zu leisten. Ein Jahr später folgte er dem Ruf als Professor für Ent­ realisierte er wenige Bauaufträge in Ankara (Türkei), doch blieb sein Wirken als Ar­ werfen an die TH München. 1957, nur wenige Monate nach seiner Emeritierung, chitekt während des „Dritten Reichs“ stark eingeschränkt. Die Kriegsjahre verbrachte starb Martin Elsaesser in Stuttgart. © Institut für Stadtgeschichte Frankfurt © Florian Afflerbach © Martin-Elsaesser-Stiftung

Oben: Markthalle Stuttgart Rechts: Karikatur von Lino Salini, Frankfurter Nachrichten, 07.08.1926 Oben links: Diagramm Wirtschaftsbeziehungen Oben: Entwurf Kunstgewerbeschule

04 Das Projekt Groß-Frankfurt Zwischen Tradition und Moderne 05 Frankfurts Oberbürgermeister Ludwig Landmann war ein Mann mit Weitsicht und Trotz kollegialer Wertschätzung war die Konstellation May – Elsaesser problema­ einem großen Plan: das Projekt Groß­Frankfurt. Die Stadt sollte zum Zentrum der tisch. Machtverschiebungen im Baudezernat und ungeklärte Befugnisse behinder­ Rhein­Main­Region und des südwestdeutschen Wirtschaftsgebiets werden. Dafür ten die Zusammenarbeit. Hinzu kam ein unterschiedliches Architekturverständnis. stellte er stadtplanerische Weichen: großflächige Eingemeindungen, die die Elsaesser war geprägt durch seinen Lehrer Theodor Fischer, Vertreter der Stuttgarter Stadtfläche um über 40 Prozent erweiterten, der Aufbau der Frankfurter Messe, Schule. Er befürwortete eine soziale wie kulturelle Anpassungsfähigkeit der Gebäu­ die Errichtung des ersten Flughafens am Rebstockgelände und die Planung einer de, ohne auf Innovation und Modernität in Bauweise und Konstruktion zu verzich­ Autobahn von Hamburg über Frankfurt nach Basel. ten. Demgegenüber stand die strenge Programmatik und Kompromisslosigkeit des So wurde ab Mitte der 1920er Jahre in großem Maßstab geplant und gebaut. Baudezernenten Ernst May, einem „Mann der Moderne“, der auf Rationalität und Vor allem galt es, den enormen Mangel an bezahlbaren Wohnungen durch ein Effizienz im Sinne des Neuen Bauens bestand. Siedlungsprogramm zu beheben. Aber auch die Kernstadt sollte modernisiert und Der Baudezernent setzte sich durch. und Elsaesser fügte sich. Scheinbar. Der aufgewertet werden: durch programmatische Neubauten – Verwaltungs­, Ge­ monumental­fantasievolle Expressionismus von Elsaessers frühen Frankfurter Bauten sellschafts­ und Versorgungsgebäude – , die das neue, moderne und weltoffene (Haus Höhenblick, Konrad­Haenisch­Schule) wich einer streng sachlich aufgefassten Frankfurt repräsentierten. Moderne (Römerstadtschule, Gesellschaftshaus am Palmengarten). Aber er schaffte Metropolis am Main am Metropolis Für die umsetzung des Siedlungsbaus engagierte Landmann Ernst May, Architekt den Spagat zwischen Funktion und Tradition. In ihrer baukünstlerischen Bearbeitung

und Stadtplaner, als Baudezernenten und Gestalter von Groß­Frankfurt. Als Impuls­ setzten sich seine Bauten vom Purismus der klassischen Moderne ab. Er blieb im und Moderne Tradition geber für das Stadtbild der kommenden Jahre wählte Landmann Martin Elsaesser. Handwerk, verwendete Materialien wie Backstein oder handscharrierte Betonober­ In der Position des künstlerischen Leiters des städtischen Hochbauamtes sollte er flächen und kombinierte dies mit modernster Bautechnologie. und so ging auch das ausgewählte Neubauprojekte realisieren, die sich durch eine besondere technisch­ Kalkül Ludwig Landmanns auf. Denn bald hieß es beim Sachsenhäuser Äppelwoi: künstlerische Ausgestaltung und städtebauliche Modernität auszeichnen. „Alles nei macht der May, alles besser Elsaesser“. 06 Wohnhaus Elsaesser Haus Höhenblick, 1926 Höhenblick, Haus Unten rechts: Musikzimmer, 1926 Musikzimmer, rechts: Unten Unten: Haus Elsaesser,2000 Haus Unten: durch die Nähe zur Natur geprägt. So gab es im Erdgeschoss zwischen Garage Garage geprägt.durch im zwischen es gab Erdgeschoss Natur die zur So Nähe geistige und –durch Betätigung,sprechend sportliche Musik Spiel, und auch aber Zeit Reformidealen war familiäre der –den Das Leben ent­ gesellschaftliche und Personalräume dazu. Freizeitin seiner knappen kamen trennen.Gästezimmer Stock zu und zweiten Im auf ein verzichtete selbst Arbeitszimmer, Hausherr Privatleben Der und um Berufs­ Schlaf drei lagen Eltern kombinierteersten Stock für Arbeitsräume Kinder. und und Schlaf­ bereich mit großzügig dem verglasten Musikzimmer. spielte Klavier. Elsaesser Im Wohn tigung von Eltern sich und Kindern. und Ess­ befand der Erdgeschoss Im lichkeiten einer progressiven Pädagogik Ideen den folgten Gleichberech­ sowie der amGinnheimer Entfaltungsmög Hang. und Raumgrößen Höhenblick Siedlung der 1926 die bezog sechsköpfige Familiefreistehende, das Haus dreigeschossige in integrieren, zu umsetzung und Planung war ein Bauherrn. wichtiges des Anliegen Tradition, Familie. Elsaessers sondern in Bewohner Die der individuellen Ansprüche noch Moderne Sprossenfenster. weder größtenlackierte Einflussjedoch Den hatten Eisengitter Backsteinfassade, weiß kunstvolle und eine gestaltete handwerklich durch Flachdach,Beweis. Funktionalität Moderne klare und Formen. Tradition durch Wohnhaus unter die stelltedabei und eigene stilistische selbstbewusst Handschrift in Ginnheim Elsaesser überließ Die Stadt Hier sein ein errichtete er Grundstück. ­ und Arbeitsbereich wurden durch wurden Arbeitsbereich ­ und Vorhänge massive Wände statt geteilt.

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­ © Uwe Dettmar, Martin-Elsaesser-Stiftung Dettmar, Uwe © worden. bzw. im istVieles Originalzustand noch geblieben erhalten hergestellt wieder sorgfältig worden. renoviert Denkmalschutz Es für ist Aufsicht Amtes unterder des schweizerischen Residenz Höhenblick des ist Generalkonsuls. Haus das Seit 2000 Persönlichkeit. schillernde May, Lili Jungund Carl Gustav Psychologe vonSchnitzler, der Kunstförderin und Ernst Treff gehörten ZuGästen Kulturschaffende, Künstler Intellektuelle. und den für einem zu sich schnell Haus entwickelte das in KölnWie zuvor Stuttgart und schon Elsaesser entstanden Wirtschafts Liesel Gärtnerin Wunsch Auf beauftragt. leidenschaftlichen der Gartenplans gen mit Migge Planung Leberecht eines der weitläufi­ Gartenarchitekt befreundete der 1927 mit Geschossen. Erdgeschoss, oberen den Balkon Dachterrasse und wurde gehörend, nicht Haus zum aber überdacht. sich Hier mit verband die Natur dem sog. Wohnhof, den Musikzimmer und ein von drei Raum, gefasster Seiten scheinbar ­ , Blumen , und Schattengärten. Schattengärten. ­ und

Haus Elsaesser, Lageplan © ME, B+E ME, © © ESKQ © © Martin-Elsaesser-Stiftung

Links außen: Neubau der Europäischen Großmarkthalle Zentralbank Links: Großmarkthalle, Nordfassade Oben: Markthalle, nach 1928

Die Großmarkthalle, 1926 – 2014

220 Meter lang, 50 Meter breit, bis zu 23 Meter hoch, 13.000 Quadratmeter bei der Dachkonstruktion deutlich, für die ein eigener Wettbewerb ausgeschrieben groß und mit einem freitragenden Tonnendach überwölbt – die Großmarkthalle worden war. Die daraus resultierenden neuartigen Eisenbeton­Zylinderschalen nach war ein Bau der Superlative und eine ingenieurtechnische Meisterleistung. dem Zeiss­Dywidag­System lagern auf trapezförmigen Stahlbeton­Bügeln, die die Für das Neue Frankfurt war die Großmarkthalle das wichtigste Einzelbauvorhaben. Halle rhythmisch gliedern. 08 Die Kleinmarkthalle war an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen. Die neue Halle im 09 Frankfurter Osten sollte Abhilfe schaffen, Märkte bündeln, Verkehrs­ und Hygie­ Geschichte der Großmarkthalle neprobleme lösen. Für OB Landmann hatte sie eine noch größere Bedeutung – als Im „Dritten Reich“ wurde die Großmarkthalle durch das nationalsozialistische Zentrale für die Lebensmittelversorgung Groß­Frankfurts. Regime missbraucht. Die vorhandenen logistischen Strukturen wurden für die De­ Das Marktgeschehen wurde generalstabsmäßig organisiert. Die Anlieferung der portation der Juden aus Frankfurt genutzt. 1944 wurde die Großmarkthalle schwer Waren erfolgte über Straße, Wasser und Schiene. Auch das Innere der Großmarkt­ zerstört und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zügig wieder aufgebaut. halle unterlag der betrieblichen Ordnung durch Hauptstraßen und Brücken. Die Der Handel erholte sich schnell und erreichte in den 1960er Jahren seine Blütezeit. im Maßstab vermittelnden Annexbauten und die südlich vor der Großmarkthalle Gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde die Halle zu klein und immer sanie­ gelegene Importhalle enthielten weitere wichtige Funktionen wie Wohnungen, rungsbedürftiger. 2004 endete der Marktbetrieb. Gaststätten, Banken, Agenturen und Einrichtungen des Zolls. Im Keller befanden Auf dem Areal der Großmarkthalle errichtet die Europäische Zentralbank ihren sich die Lager der Händler und die sanitären Anlagen. neuen Hauptsitz mit einem 185 Meter hohen Doppelturm aus Stahl und Glas, der Der über 200 Meter lange und 17 Meter hohe Hallenraum wird von zwei mittelal­ mit der Großmarkthalle über einen horizontalen Riegel verbunden ist. Gemeinsam terlich­westwerkartigen und zugleich futuristisch anmutenden Kopfbauten eingefasst. mit der Großmarkthalle hat der kühne Entwurf des Wiener Architektenbüros Coop Sie enthielten im Osten ein großes Kühlhaus und im Westen Verwaltungsbüros. Die Himmelb(l)au gute Chancen, zum neuen Wahrzeichen Frankfurts zu werden. für Martin Elsaesser unverzichtbare Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbau wird © Martin-Elsaesser-Stiftung Schnitt Kopfbauten, Halle © Institut für Stadtgeschichte Frankfurt © Thomas Spier, Architekturmuseum TU München TU Architekturmuseum Spier, © Thomas

Konrad-Haenisch-Schule, 1928 Ludwig-Richter-Schule, Klassenzimmer Oben: Treppenhaus Holzhausenschule Rechts: Römerstadtschule, Treppenturm, Leuchtuhr, nach 1929

Pestalozzischule, 1926 – 1928 Geschwister-Scholl-Schule, 1928 – 1929 (ehem. Konrad-Haenisch-Schule) (ehem. Römerstadt-Schule)

Mehr Selbsttätigkeit, praktische Arbeit und freieres Lernen – das Schulwesen wurde Die Geschwister­Scholl­Schule war als Mittelpunkt der neuen, von Ernst May ge­ 10 nach dem Ersten Weltkrieg grundlegend reformiert. Die neuen Erkenntnisse erfor­ planten Siedlung Römerstadt konzipiert worden. Der Treppenturm mit der charak­ 11 derten eine neue Architektur. Helle Klassenzimmer, bewegliches Mobiliar, mehr teristisch ziffernlosen uhr sollte das Ausrufezeichen der „neuen Stadt“ bilden. Der Bezug zur Natur – so lauteten die Vorgaben. Haupttrakt ist rechtwinklig angeordnet. Die Klassenräume erhalten durch ihre Ost­ Die Konrad­Haenisch­Schule im Stadtteil Riederwald war die erste von Elsaessers Ausrichtung eine optimale Belichtung. Im Süden reihen sich als Flachbauten Sport­ vier Frankfurter Schulbauten. Als eine Art Stadtteilkrone sollte sie den sozial­kultu­ halle und Hausmeisterwohnung an, im Norden Sonderfachräume und ein Sing­ rellen Mittelpunkt der geplanten Rotenbusch­Siedlung darstellen. Der Backsteinbau saal. Die saubere Linienführung der Fassade, die betonten Fensterreihen und die mit seinen weiß lackierten Fensterrahmen, den kleinen Spitzbogenfenstern und städtebauliche Einbindung in die Flachdachsiedlung der Römerstadt sorgen für ein schrägen Eckstützen erinnert an die Großmarkthalle und das Wohnhaus Elsaessers. nochmals strengeres Erscheinungsbild als bei Pestalozzi­ und Ludwig­Richter­Schule.

Ludwig-Richter-Schule, 1928 Holzhausenschule, 1929

War die Konrad­Haenisch­Schule noch ein monumental­expressionistischer Die Holzhausenschule liegt an der Kreuzung von Bremer Straße und Eschersheimer Frankfurter Schulen Backstein­Bau, entsprachen die weiteren Schulbauten mit weißer Putzfassade mehr Landstraße, einer Ausfallstraße des Frankfurter Alleenrings. Wohnungsneubaupläne dem Stil der neuen Sachlichkeit und dokumentierten so Elsaessers künstlerische machten die Schule erforderlich. Aus der bedrängten Lage machte der Architekt Weiterentwicklung. das Bestmögliche. Mit ihren langen Fensterbändern, der Übereck­Verglasung im Treppenhaus und der Martin Elsaesser plante ein funktionales Zusammenspiel aus eingeschossigem Ein­ lichtdurchfluteten Turnhalle wirkt die Ludwig­Richter­Schule leicht in ihrer Erscheinung. gangsbau im Süden und mehrgeschossigem, einbündigem Hauptbau entlang der Die Handschrift Elsaessers zeigt sich an tiefen Garderoben­Nischen, niedrigen stark befahrenen Straße. um die Klassenzimmer vor dem Lärm zu schützen, ordnete Trinkbrunnen und geschwungenen Handläufen. Überdies entwarf er eine zweite er sie zum westlich gelegenen Schulhof hin an. Besondere Beachtung schenkte Fensterreihe auf Augenhöhe jüngerer Schüler. er wie so oft dem Treppenhaus, dessen parallele, gelblich leuchtende Läufe im großzügig verglasten Treppenturm von außen gut zu sehen sind. 1

2 Kirche © Institut für Stadtgeschichte Frankfurt Gustav-Adolf-Kirche (Niederursel), 1927 –1928 einfachen Bauens. Formen im Sinne Architektursprache Neuen der des Tageslicht versorgt. ermöglicht die Baumaterial klarenund sehr als tragendes Beton mit Fensterband durch regelmäßig und unterteiltes ein liegendes umlaufendes, hoch Raum werden. kann Kirchenraum kleinere für Feste Der genutzt wird im Innern Vorhalle Taufsaal und anschließt. vomgroßen Kirchensaal getrennte funktional Der wirdÜberragt voneinemGlockenturm, er sich rechteckigen an der im Südwesten Zentralbau mit Zeltdach, sich einfügt. der harmonisch in Struktur die gewachsene prominente wählte erstmalseinen Stellung im Elsaesser oktogonalen Ortskern. noch kleindörflichen Charakter. DieGustav neue Niederursel, 1910 in die Frankfurt eingemeindet, Zeitpunkt diesem Stadt zu hatte herausragen. Stadtkrone als dominante einordnen, umgebung hingegen durften die Dorfkirchen gebaute sollte. machen Kirchen im Raum erlebbar sich städtischen sollten in Gemeinschaft großer Raum, möglichst hell, Hierarchie, ohne sich die der als Gemeinde selbst ging ihm es um Konzentration Wesentliche auf das Funktionalität: und ein schlichter 48 insgesamt Kirchen baute –er –mitbestimmte. Elsaesser Martin auch Dabei Vorstädten. Die Folge war ein Kirchenbau, reger Charakter nicht dessen zuletzt Entstehung zur Industrialisierung urbanisierungvonimmer mehr und führten © Thomas Spier © Thomas Unten: Empore, Chor 1934 Niederursel, Links: Gustav-Adolf-Kirche, ­ Adolf ­Kirche erhielt­Kirche folglich eine © Thomas Spier © Thomas mit Direktorenvilla, 1929 –1931 Klinik für Nerven- und Gemütskranke Entlang der Heinrich der Entlang Farben gestaltet, erhielten die Krankenzimmer eine freundliche Atmosphäre. ausgerichtetin und hellen Gartenhof ein. zum Süden Mauern Nach statt Hecken vermeiden, zu die Bauelemente anum Elsaesser Verwahrung erinnern, setzte gestalteten zu. Garten angeordnet, Symmetrieachse sichdifferenziert dem wendet Kapelle eine halbrunde Eingang dem kontrastieren inbänder der Gegenüber die weiße Putzfassade. profilierte Fenster Sandsteinfassungen Eingang. dunklen den und Backstein Mit Flügelbauten, rechterundete einen enthält der Hörsaal, umgreifen links rechts und Straße. parallel zur Zwei zurückversetzt flachere,dynamischliegt etwas abge­ mit Ehrenhof. mitSchlossanlage zentralem Hauptbau Eingang langgestreckte Der zeigt im Elsaesser die Grundriss Figur vonMartin einer barocken Entwurf Der Architektur des Neuen Frankfurt. Neuen Architektur des entspricht Baukubus sie der ihrem abgeschlossenen weiß halbrund verputzten, mitBalkonen.stellten westlichen halbrunden Ende Am liegt die Direktorenvilla. Mit des IG­ des –zugunsten zurück Heinrich Hoffmann Struwwelpeter­Autor und Arzt auf den noch Neubau, wurdeder weilGemütskranke. die Notwendig alte Heilanstalt –sie ging und durch Klinik Pate stand und neuen der Nerven­ Jahrhunderts beim für Bau sie –diese einfachErkenntnis sich20. Anfang nur des wegzusperren zu setzte behandeln, als sei, zu psychisch besser Kranke es Methoden mitDass modernen Farben ­ Verwaltungsgebäudes abgerissen wurde. ­ Hoffmann ­ Straße schuf Elsaesser Wohnungen für die Ange Unten: Direktorenvilla Links: Garten, Südfassade © Architekturmuseum TU München

­ ­ 1 3 Klinik © Institut für Stadtgeschichte Frankfurt © Thomas Spier © Thomas

Schwimmhalle, 2007 Gesellschaftshaus Palmengarten, Gesellschaftshaus Palmengarten, Restaurant, 1934 Luftbild, 1927

Hallenschwimmbad Frankfurt Ost (Fechenheim), Gesellschaftshaus Palmengarten, 1930

1927 – 1929 1871 eröffnet, wurde der Palmengarten schnell zur grünen Oase für die Frankfur­ 14 ter. Zeitweise war er einer der größten botanischen Gärten Deutschlands. Nach 15 „Badet euch gesund und schön“ – lautete die Empfehlung des Sportdezernenten dem Ersten Weltkrieg erschien das üppige Neo­Renaissance­Dekor von Gesell­ bei der Eröffnung des Fechenheimer Hallenschwimmbads. Die Versorgung der schaftshaus und Festsaal aber nicht mehr als vereinbar mit Geist und Haltung des Bewohner mit einer sozialhygienischen Einrichtung entsprach den Zielen der Neuen Frankfurt. Wohnungsreformbewegung und des Neuen Frankfurt. Im Fall von Fechenheim Bei Neugestaltung und umbau des Gesellschaftshauses arbeiteten Martin Elsaes­ kam allerdings noch etwas dazu: OB Landmann wollte den Fechenheimern die ser, Ernst May und Werner Hebebrand zusammen. Nach Süden hin wurde ein Eingemeindung schmackhaft machen. glatt­verputzter, heller Bau aus geometrischen Gebäudeteilen vorgeblendet, ein Bereits bei seiner Fertigstellung 1929 fand das Bad in Fachkreisen besondere eindeutiges Bekenntnis zum Neuen Bauen. Elsaesser entwarf eine strenge, weiße Anerkennung. Der hohe technische Standard der Bädertechnik, der Raumbelüftung, Fassade im Gegensatz zum Charakter der floralen Gründerzeit­Ornamentik des und die große Glasfassade der Badehalle zeigten Elsaessers Kompetenz bei Frankfurter Westends. Pflanzen wurden zum gestalterischen Schwerpunkt. Der

Schwimmbad dieser schwierigen Aufgabe. Insbesondere die Glasfront, die Schwimmbad und gläserne, von Licht erfüllte Riegel war mit Nischen versehen, in denen hohe Luftbad miteinander verband, galt als wichtige Innovation. Das Bad entsprach dem Pflanzen wuchsen und so eine Übergangszone zum eigentlichen Palmengarten noch heute verwendeten Gebäudetypus: zentraler Eingang, vorgeschalteter um­ bildeten. Im Westen fügte sich ein Hochzeitssaal an. Ein neuer Treppenaufgang kleidebereich mit Stiefel­ und Barfußgang, allseitiger Beckenumgang und Empore führte nach oben in den alten Festsaal. Im neuen Gesellschaftshaus fand 1929 der Gesellschaftshaus mit weiteren Nass­ und Behandlungsräumen und Bädern, die sich an Quer­ und von Ernst May veranstaltete zweite internationale Kongress für moderne Architektur Längsseite der Schwimmhalle dreigeschossig anfügen. (CIAM) unter der programmatischen Überschrift „Die Wohnung für das Existenzmi­ Der aus dunkelroten Backsteinen gemauerte Sockel und die horizontale Wirkung nimum“ statt. der angedeuteten Fensterbänder sollten auf ein besonders langes Schwimmbecken Nach längerem Leerstand und anschließendem Besitzerwechsel ist die Wieder­ hinweisen, das aber aus Kostengründen nur 20 Meter lang und 10 Meter breit eröffnung des Gesellschaftshauses für Ende 2012 vorgesehen. Die Renovierungs­ wurde. Heute nutzt ein Schwimmverein das sogenannte Gartenbad privat. Es und Modernisierungsarbeiten von David Chipperfield Architects orientieren sich wurde durch einen kleinen Außenbereich erweitert. eng am Original des Jahres 1930. Touren Auf den Spuren Martin Elsaessers

Entdecken Sie Martin Elsaesser und seinen ganz besonderen Stil doch einfach selbst. Machen Sie sich auf den Elsaesser­Weg. Hier finden Sie drei Tourenvor­ schläge*. Viel Vergnügen bei Ihrer Spurensuche.

Die Cityroute Vom Hauptbahnhof (Hbf) fahren Sie mit der Tram 21 zur Heinrich­Hoffmann­Straße. Etwas zurückversetzt finden Sie links die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Die Direktorenvilla liegt westlich am Ende der Straße. Mit Tram 21 und u4 (umstieg Hbf) geht`s zur Bockenheimer Warte und zu Fuß weiter zum Gesellschaftshaus Palmengarten. Zur Holzhausenschule in der Bremer Straße ge­ langen Sie zu Fuß oder mit dem Bus 75 von der Bockenheimer Warte. Beachten Sie das gelb­blaue Treppenhaus und die charakteristische uhr. Mit dem Bus 64 geht´s zurück zum Hbf.

Die Nordroute Vom Hbf fahren Sie mit Tram 16 nach Ginnheim und weiter mit Bus 39 zur Kurhes­ 16 senstraße. Nach 300 Metern erreichen Sie das Haus Elsaesser am Höhenblick. Kleiner Tipp: Der Niddapfad bietet weitere Einblicke. Zurück mit dem Bus 39 nach Ginnheim geht’s mit u1 zur Römerstadt und Bus 60 in die Hadrianstraße zur Geschwister­Scholl­Schule. Nach Alt­Niederursel gelangen Sie über das Nordwest­ zentrum (Bus 60) mit den Bussen 71/72/73. Vorbei am bekannten Lokal „Zum Lahmen Esel“ geht es links in die Kirchgartenstraße zur Gustav­Adolf­Kirche. Wer noch Lust hat, besichtigt auf dem Rückweg die Ludwig­Richter­Schule: Bus 71 zum Nordwestzentrum, u1 zur Hügelstraße, Bus 69 zur Haltestelle „Hinter den ulmen“. Zurück fahren Sie mit Bus 69 zur Hügelstraße, mit u8 zum Willy­Brandt­Platz und u5 zum Hbf.

Die Ostroute Mit der Tram 11 gelangen Sie vom Hbf ganz einfach zum Ostbahnhof/Sonne­ mannstraße. Nehmen Sie sich Zeit zur Besichtigung der Großmarkthalle und des Neubaus der Europäischen Zentralbank. Mit der Tram 11 geht es weiter nach Alt Fechenheim zum Gartenschwimmbad. Einen guten Blick auf das Bad haben Sie von der Gartenseite. Mit Bus 44 und u7 (umstieg Gwinnerstraße) gelangen Sie zur Schäfflestraße. Dort finden Sie die Pestalozzischule, Elsaessers einzige Back­ steinschule. Mit der u4 geht’s zurück zum Hbf.

*Ausgangspunkt ist jeweils der Frankfurter Hauptbahnhof. Ausgewählt wurde die jeweils einfachste oder kürzeste Verbindung an Werktagen.