Plenarprotokoll 18/150

Deutscher

Stenografischer Bericht

150. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. Januar 2016

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 17: Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung Antrag der Abgeordneten , Steffi eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Lemke, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter Umsetzung der Richtlinie über die Ver- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, NEN: Pestizide reduzieren – Mensch und den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Umwelt schützen Zugang zu Zahlungskonten mit grundle- Drucksache 18/7240...... 14783 A genden Funktionen Dr . (BÜNDNIS 90/ Drucksache 18/7204...... 14767 B DIE GRÜNEN)...... 14783 B Dr . , Parl . Staatssekretär Hermann Färber (CDU/CSU)...... 14784 D BMF ...... 14767 B (DIE LINKE) ...... 14786 C (DIE LINKE) ...... 14769 B Rita Hagl-Kehl (SPD)...... 14787 C , Parl . Staatssekretär BMJV . . . . 14770 B (CDU/CSU)...... 14789 A Dr . (BÜNDNIS 90/ Dr . (DIE LINKE)...... 14791 A DIE GRÜNEN)...... 14771 B (SPD)...... 14792 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 14772 C DIE GRÜNEN)...... 14793 C (CDU/CSU)...... 14773 C Waldemar Westermayer (CDU/CSU)...... 14794 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ Carsten Träger (SPD)...... 14795 D DIE GRÜNEN)...... 14774 B Thomas Mahlberg (CDU/CSU) ...... 14796 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE)...... 14775 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 14797 B (SPD) ...... 14776 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD)...... 14799 B Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 14778 A Tagesordnungspunkt 19: (CDU/CSU)...... 14779 A Erste Beratung des von der Bundesregierung (BÜNDNIS 90/ eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur DIE GRÜNEN)...... 14779 D Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über Dr . Jens Zimmermann (SPD)...... 14781 A die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die (CDU/CSU)...... 14781 D Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rech- II Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 te an Musikwerken für die Online-Nutzung Tagesordnungspunkt 21: im Binnenmarkt sowie zur Änderung des a) Antrag der Abgeordneten , Verfahrens betreffend die Geräte- und Spei- Frank Tempel, Sevim Dağdelen, weiterer chermedienvergütung (VG-Richtlinie-Um- Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- setzungsgesetz) KE: Unerlaubte Einreise von Flüchtlin- Drucksache 18/7223...... 14800 B gen entkriminalisieren , Bundesminister BMJV ...... 14800 C Drucksache 18/6652...... 14815 C b) Erste Beratung des von den Abgeordne- (Havelland) (DIE LINKE). . . . 14801 B ten (Köln), , Dr . Stefan Heck (CDU/CSU)...... 14802 C , weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Renate Künast (BÜNDNIS 90/ eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes DIE GRÜNEN)...... 14803 C zur Entkriminalisierung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus Christian Flisek (SPD) ...... 14805 A Drucksache 18/6346...... 14815 C (CDU/CSU)...... 14806 A Ulla Jelpke (DIE LINKE)...... 14815 D Dr .Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 14807 A (CDU/CSU)...... 14816 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 14818 D Tagesordnungspunkt 20: (SPD)...... 14820 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Verbesserung der Rechtssicherheit bei An- DIE GRÜNEN)...... 14821 A fechtungen nach der Insolvenzordnung und Dr .Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 14823 A nach dem Anfechtungsgesetz Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ Drucksache 18/7054...... 14808 A DIE GRÜNEN)...... 14824 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV ...... 14808 A Dr .Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 14824 D Richard Pitterle (DIE LINKE)...... 14809 A Elisabeth Winkelmeier-Becker Nächste Sitzung ...... 14825 C (CDU/CSU)...... 14810 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ Anlage 1 DIE GRÜNEN)...... 14811 B Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . 14827 A Dr . (CDU/CSU)...... 14812 B

Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD)...... 14813 B Anlage 2 Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU). . . . . 14814 C Amtliche Mitteilungen...... 14827 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14767

(A) (C)

150. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. Januar 2016

Beginn: 9 .00 Uhr

Präsident Dr. : len Beteiligten, die hier anwesend sind und zuhören, bei- Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . tragen kann . Ich glaube, heute ist ein großer Tag für viele Menschen in unserem Land, denen über dieses Gesetz Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich in Zukunft die Teilhabe am Zahlungsverkehr rechtlich begrüße Sie zur 150 .Plenarsitzung dieser Legislaturperi- abgesichert und ermöglicht wird . Insoweit ist es, glaube ode . Dieses kleine Jubiläum hätte eigentlich eine größere ich, für eine große Zahl von Menschen ein bedeutender Beteiligung verdient . Tag . (Beifall) Immerhin können Sie von sich sagen, dabei gewesen zu Die Regierung bittet den Bundestag, die sogenann- sein . te Zahlungskontenrichtlinie mit diesem Gesetzentwurf umzusetzen . Wir haben uns im Koalitionsvertrag ver- Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf: pflichtet, eine schnelle, zügige Umsetzung dieser Richt- (B) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- linie vorzunehmen . Das haben wir auch eingehalten . (D) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset- Deutschland ist das Land unter den Mitgliedstaaten der zung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit Europäischen Union, das bei diesem Vorhaben bisher von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von am weitesten vorangeschritten ist . Meine Bitte wäre, Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zah- dass Sie in den anstehenden Beratungen in Bundestag lungskonten mit grundlegenden Funktionen und Bundesrat dafür Sorge tragen, dass wir das am Drucksache 18/7204 Ende auch als Erste im Gesetzblatt stehen haben und umsetzen . Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Innenausschuss Der Entwurf, den das Bundeskabinett verabschie- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz det hat, ist sowohl auf der Seite der Verbraucher, in den Was man sich darunter vorzustellen hat, wird nicht Medien, aber auch von den Vertretern der Rechtswissen- jedem auf der Besuchertribüne sofort einleuchten, sich schaften begrüßt worden . Ich glaube deshalb, dass wir aber sicher im Laufe der Debatte erschließen, eine breite Unterstützung haben . Nicht ganz so breit ist die Unterstützung im Bereich der Kreditwirtschaft . Dort (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Im ist die Meinung der Beteiligten etwas geteilt . Allerdings günstigsten Fall!) zielen die kritischen Meinungsäußerungen weniger in die 77 Minuten dauern soll, es sei denn, jemand macht Richtung dieses Gesetzentwurfes, den wir diskutieren, jetzt einen konkreten Gegenvorschlag .– Darauf war kei- sondern mehr in Richtung des Inhalts der ihm zugrun- ner vorbereitet . Also stelle ich dazu Einvernehmen fest . deliegenden Richtlinie . Diese werden wir bei unseren Gesetzesberatungen allerdings nicht mehr verändern Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem können . Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Michael Meister . Was sieht die Richtlinie vor? Die Richtlinie sieht zu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nächst einen Kontrahierungszwang für sogenannte Ba- ordneten der SPD) siskonten vor . Das heißt, jeder Mensch in diesem Land hat in Zukunft den Anspruch, ein sogenanntes Basiskon- Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bun- to eröffnen zu können . Dieser Anspruch besteht zwar desminister der Finanzen: seit Jahren, aber er wird heute im Prinzip nur von den Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Sparkassen durch das Sparkassenrecht in Deutschland ren! Ich hoffe, dass ich zur Erhellung Ihrer Frage bei al- zur Umsetzung gebracht . In Zukunft wird er nicht nur 14768 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Parl. Staatssekretär Dr. Michael Meister (A) für Sparkassen, sondern für alle Kreditinstitute Gültig- Konten aus?“, sodass der Verbraucher die Möglichkeit (C) keit haben . hat, Entgelte und Leistungen zu vergleichen, und Schwie- rigkeiten beim Wechsel des Anbieters überwinden kann . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Heutzutage gibt es in diesem Bereich eine relativ geringe der CDU/CSU) Mobilität . Wir hoffen, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir den dass die Mobilität steigt . Auch das wäre, glaube ich, im Zahlungsverkehr innerhalb der Europäischen Union über Interesse des Verbrauchers, weil er das Ganze, wenn er die dafür notwendigen Konten auf zwei Ebenen verbes- die Marktgegebenheiten hinsichtlich der Entgelte und sern: der Kosten überblickt, besser für sich nutzen kann . Den ersten Pfeiler hatte ich angesprochen: den zivil- Wer ist verpflichtet, ein Basiskonto anzubieten? Ich rechtlichen Anspruch jedes Menschen auf ein sogenann- habe vorhin schon erwähnt, dass es im Sparkassenrecht tes Basiskonto . Was ist ein Basiskonto? Es bietet die entsprechende Vorgaben gibt, dass andere Banken davon Möglichkeit, Ein- und Auszahlungen auf ein Bankkonto aber nicht betroffen sind . An dieser Stelle führen wir eine vorzunehmen, an Geldautomaten Geld abzuheben und Diskussion über den Identitätsnachweis von Kunden, die einzuzahlen, am Lastschriftverkehr teilzunehmen und ein solches Konto eröffnen wollen . Es geht um die Frage, Überweisungen zu tätigen – all das, wovon viele Men- ob es hier einen Konflikt mit der Geldwäscheprävention schen in unserem Lande bisher ausgegrenzt sind . gibt . Natürlich ist uns die Geldwäscheprävention ein rie- siges Anliegen. Wir sehen hier aber keinerlei Konfliktla- Es geht um die Frage: Zu welchen Preisen wird diese ge. Wir fordern zwar eine Identifikation, knüpfen sie Leistung bzw . dieses Basiskonto angeboten? Die Trans- aber nicht unbedingt an Ausweispapiere, etwa an einen parenz der Kontogebühren wird durch diesen Gesetzent- Personalausweis oder Ähnliches; denn solche Papiere wurf erhöht, und die Vergleichbarkeit der Preise für die können zum Beispiel Drittstaatsangehörige nicht vor- verschiedenen Angebote wird verbessert . Im Interesse legen. Nichtsdestotrotz ist eine Identifikation sehr wohl der Kunden soll auch der Wechsel des Anbieters des Ba- notwendig, um einen Beitrag zur Geldwäscheprävention siskontos – sprich: des Kreditinstituts – erleichtert wer- zu leisten . Ich möchte auch darauf hinweisen, dass, wenn den . man den Zahlungsverkehr über Konten abgewickelt, die Wir haben versucht, das Recht auf ein Basiskonto für Möglichkeiten, Geldwäsche zu betreiben, mit Sicherheit alle Menschen als ein Thema zu betrachten, das nicht geringer sind als beim Bargeldverkehr . Insofern glauben nur den Verbraucherschutz betrifft . Wir müssen, gerade wir, dass wir das Problem identifiziert haben, mit diesem in diesen Tagen, berücksichtigen, dass es auch Asylbe- Gesetzentwurf einen Schritt in die richtige Richtung ge- werber, Wohnsitzlose und Drittstaatsangehörige, die sich hen und an dieser Stelle nicht kontraproduktiv handeln . (B) (D) innerhalb der EU und damit auch innerhalb Deutschlands (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) befinden, berührt, weil sie nicht automatisch Zugang zu einem Konto haben . Es gibt Schätzungen – natürlich Wir versuchen, die möglichen Ablehnungsgründe für kann man die Betroffenen nicht genau zählen –, nach die Anbieter eines Basiskontos im Gesetzentwurf klar zu denen bis zu 1 Million Menschen in unserem Land von präzisieren . Eine solche Präzisierung gibt es in unserem diesem Problem betroffen sind . Es ist also ein Thema, Rechtssystem bisher nicht . Außerdem setzen wir eine das weiter zu fassen ist . Frist und sagen: Wenn abgelehnt wird, dann muss das binnen einer Frist von zehn Tagen geschehen . – Das kann Beim zweiten Pfeiler dieses Gesetzentwurfes geht es sich also nicht ewig hinziehen . um das Funktionieren eines harmonisierten Zahlungsver- kehrs im europäischen Binnenmarkt . Ein Zahlungskonto Wenn die Einrichtung eines Basiskontos abgelehnt ist ja der Schlüssel, um an unbaren Zahlungsvorgängen wird, muss also gesagt werden, aufgrund welchen Tat- überhaupt teilnehmen zu können . Nach der Schaffung bestands im Gesetz diese Ablehnung erfolgt . Diese mög- eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs- lichen Ablehnungsgründe sind im Gesetz abschließend raums – das Stichwort lautet „SEPA“ – bildet die Zah- aufgezählt und klar benannt . Ein solcher Ablehnungs- lungskontenrichtlinie einen weiteren Meilenstein im grund kann zum Beispiel sein, dass der Betreffende schon Hinblick auf den europäischen Zahlungsmarkt . Es gab an anderer Stelle über ein Basiskonto verfügt . Dann ist in diesem Zusammenhang die Empfehlung des Europä- eine Ablehnung, glaube ich, nachvollziehbar . Ein anderer ischen Parlaments, den Zugang zum Zahlungsmarkt im Ablehnungsgrund wäre zum Beispiel, dass jemand bei Privatkundengeschäft zu verbessern . Wir als Bundesre- dem gleichen Kreditinstitut, bei dem er ein Basiskonto gierung versuchen, diese Forderung des Europäischen einrichten möchte, in der Vergangenheit durch strafbare Parlaments aufzugreifen . Handlungen wegen Geldwäsche aufgefallen ist . Meine Damen und Herren, was den Kontenwechsel Selbstverständlich ist in einem Rechtsstaat jede Ab- und in diesem Kontext auch die Vergleichbarkeit der lehnung auch vor Gerichten überprüfbar . Wir gehen hier Leistungen betrifft, wollen wir jedem Konsumenten in aber den Weg, bei einer Ablehnung nicht nur auf den der Europäischen Union die Möglichkeit geben, ohne Gerichtsweg zu verweisen – das kann Monate oder auch technische und bürokratische Hürden das Konto zu wäh- Jahre dauern –, sondern unabhängig von der gerichtli- len, das für seine Bedürfnisse am besten geeignet ist . Wir chen Überprüfung eröffnen wir auch die Möglichkeit, hoffen, dass es entsprechende Websites geben wird, auf die Ablehnung durch die BaFin überprüfen zu lassen, denen man sich relativ zügig informieren kann: „Welche was schneller geht und möglicherweise auch mit weni- Konten gibt es, und wie sehen die Konditionen dieser ger Kosten verbunden ist . Insofern glauben wir, dass man Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14769

Parl. Staatssekretär Dr. Michael Meister (A) hier tatsächlich im Interesse der Verbraucher zügig zu ei- Insofern freuen auch wir uns, dass endlich ein Basiskon- (C) ner Entscheidung kommt . to für alle kommen soll . Das wird auch höchste Zeit . Auch für die BaFin setzen wir eine Frist von maxi- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- mal einem Monat, in dem diese Ablehnungsentscheidung neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) überprüft werden muss . Wenn man die zehn Tage und Ich spreche an dieser Stelle nicht zum ersten Mal zu den einen Monat zusammenrechnet, dann sieht man, dass diesem Thema . Gestatten Sie mir deshalb einen kleinen es auf jeden Fall schnell zu einer Entscheidung kommen Ausflug in die Geschichte der Debatte, die wir hier im wird . Außerdem wird es bei der BaFin keinen Anwalts- Bundestag dazu geführt haben; denn das Recht auf ein zwang geben, sodass auch an dieser Stelle für einen po- Girokonto hätte es natürlich schon sehr viel früher geben tenziellen Kunden keine Kosten entstehen . können . Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir eine Die PDS hat hier im Bundestag 1994 zum ersten Mal gute Beratung zu diesem Gesetzentwurf haben werden . ein Girokonto für alle gefordert . Die Linke hat seither Ich habe es eingangs bereits gesagt: Mit diesem Gesetz- sage und schreibe fünf Anträge gestellt, in denen wir ein entwurf eröffnen wir in Zukunft für die vielen Menschen Recht auf ein Girokonto für alle gefordert haben . Alle in unserem Lande, denen heute noch der Zugang zum diese Anträge wurden hier mit Mehrheit abgelehnt . bargeldlosen Zahlungsverkehr fehlt, einen unbürokrati- Die Argumente, die damals vor allen Dingen die Uni- schen und auch kostengünstigen Weg, um daran teilneh- on ins Feld geführt hat, waren wirklich abenteuerlich . Es men zu können . waren die üblichen Vorurteile vor allen Dingen gegen- Herr Präsident, ich hoffe, dass ich mit meinem Beitrag über uns Linken . ein klein wenig zur Erhellung des Beratungsgegenstan- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die des beigetragen habe . meisten davon sind bestätigt! – Lachen bei der LINKEN) Vielen Dank . Das alles sei gegen den freien Markt, staatsfixiert usw. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der ehemalige Kollege Leo Dautzenberg sagte zum Beispiel 2006: Das Girokonto für alle ist geradezu ein Präsident Dr. Norbert Lammert: Beispiel dafür, dass der Staat nicht alles regeln kann und Herr Staatssekretär, zumindest ich habe den Eindruck, schon gar nicht besser regeln kann als die Wirtschaftsteil- dass ich es begriffen habe . nehmer im Rahmen einer bestimmten Selbstregulierung . (B) (D) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Und der Kollege Brinkhaus entgegnete mir noch vor und der SPD) einigen Jahren an dieser Stelle zu diesem Thema: Es gibt kein Menschenrecht auf ein Girokonto . Ob das repräsentativ ist, kann ich jetzt nicht hinreichend ( [CDU/CSU]: Und dabei beurteilen . bleibe ich!) Es gibt jedenfalls noch weitere vertiefende Erläute- Meine Damen und Herren, ich finde schon. Und ich freue rungen, zum Beispiel von der Kollegin Caren Lay, die mich sehr, dass auch Sie heute, so hoffe ich, endlich zur nun für die Fraktion Die Linke zu diesem Thema Stel- Einsicht gekommen sind . lung nimmt . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es wurden zwar regelmäßig die Zahlen erhoben, wie Caren Lay (DIE LINKE): viele Menschen in Deutschland ohne ein Girokonto sind . Man hat sich aber nicht dazu durchringen können, endlich Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Stellen Sie gesetzlich verbindliche Regeln zu schaffen . Stattdessen sich ein Leben ohne Girokonto vor . Die Schwierigkei- hat man mit den Banken eine freiwillige Selbstverpflich- ten fangen damit an, dass man an der Kasse eines Su- tung ausgehandelt. „Freiwillige Selbstverpflichtung“ war permarktes bzw . eines Geschäftes nicht einfach mit der jahrelang – das ist es, glaube ich, bis heute – die belieb- EC-Karte bezahlen kann . Man kann auch nicht einfach teste Worthülse vor allen Dingen der Union in der Ver- Geld überweisen und seine Rechnungen per Überwei- braucherpolitik, die eigentlich nur darüber hinwegtäu- sung begleichen . Man bekommt keinen Handyvertrag schen soll, dass man nicht in der Lage ist, verbindliche und schon gar keine neue Wohnung . Regelungen gesetzlich zu verankern. Ich finde, wir brau- Ein Girokonto ist in der modernen Welt einfach un- chen verbindliche gesetzliche Regelungen für Menschen, verzichtbar, und ich finde, es ist ein Skandal, dass immer die überschuldet sind, für obdachlose Menschen und für noch über 700 000 Menschen in Deutschland – Flüchtlin- Geflüchtete. All jene haben das Recht auf ein Konto. ge bzw. Geflüchtete sind hier noch nicht eingerechnet – (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- kein Girokonto haben . neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Lisa Auch dieses Mal sind Sie nicht so ganz allein auf die- Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) se Idee bzw . zur Einsicht gekommen . Im Gegenteil: Es 14770 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Caren Lay (A) gibt eine EU-Richtlinie, die auch Deutschland dazu ver- gebühren und die Vergleichbarkeit von Angeboten deut- (C) pflichtet, dieses Recht noch in diesem Jahr umzusetzen. lich verbessert . Und drittens wird auch allen Verbrau- Also – so gut es ist, dass es ein Basiskonto für alle geben cherinnen und Verbrauchern der Anbieterwechsel ihres wird –: Schmücken Sie sich an dieser Stelle bitte nicht Zahlungskontos erleichtert . mit fremden Federn! Wir setzen erstens ein Verbraucherrecht durch, und (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- zweitens sorgen wir dafür, dass der Wettbewerb in die- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sem Bereich in Gang kommt . Bei der Umsetzung gibt es leider einen Pferdefuß bzw . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten einen entscheidenden Nachteil: Das Konto soll nämlich der CDU/CSU) nicht verbindlich kostenfrei oder gebührenfrei sein . Im Gegenteil: Im Gesetzentwurf ist von marktüblichen Ge- Frau Lay, aber auch Herr Meister haben es bereits anklin- bühren und Entgelten die Rede . Da schwant mir nichts gen lassen: In der Tat ist dies – nämlich der Zugang zu Gutes . Einige Banken haben ja ein sogenanntes Bürger- bargeldlosem Zahlungsverkehr – ein Thema, das schon konto auf Grundlage dieser freiwilligen Selbstverpflich- lange in Deutschland und Europa diskutiert wird und bei tung eingerichtet . Sie verlangen aber stattliche Gebühren dem die Dringlichkeit größer geworden ist . Es gibt auch in Höhe von 10 im Monat . Es kostet also viel mehr in Deutschland eine große Zahl von Menschen, die bisher als ein normales Girokonto, hat aber viel weniger Funk- kein Girokonto bekommen konnten . Dieser Missstand tionen. Ich finde das wirklich unmöglich. soll durch diesen Gesetzentwurf behoben werden . (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Lisa Wir folgen damit der Zielsetzung des Koalitionsver- Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) trages, Frau Lay, diese europäische Initiative zu unter- stützen – diese Initiativen fallen nicht vom Himmel, son- Es wäre möglich gewesen, bereits im Gesetzentwurf dern müssen beschlossen werden – und sie dann unter die Gebührenfreiheit des Kontos festzulegen oder zumin- Einbeziehung aller Kreditinstitute, nicht nur der Sparkas- dest die Gebühren zu deckeln . Dafür haben sich auch die sen, umzusetzen. Ich finde es gut, dass dieses Recht auf Verbraucherschutzminister einstimmig ausgesprochen . gesamteuropäischer Ebene für alle Verbraucherinnen und Auch das Land Brandenburg hat dafür im Bundesrat ge- Verbraucher in Europa in Kraft tritt . kämpft und gefordert, dass das Konto gebührenfrei sein soll oder dass die Kosten zumindest gedeckelt werden Ich bedanke mich auch für die gute Zusammenarbeit sollen. Leider hat das keine Mehrheit gefunden. Ich finde, mit dem Finanzministerium . Ich hoffe, das beruht auf das muss im Gesetzgebungsverfahren geändert werden . Gegenseitigkeit, auch wenn der Kollege Meister das bei (B) (Beifall bei der LINKEN) seinen erhellenden Ausführungen nicht dargelegt hat . (D) 10 Euro im Monat, meine Damen und Herren, mögen in (Beifall bei der SPD – [Hei- diesem Hohen Hause vielleicht nicht als große Summe delberg] [SPD]: Man konnte es aber raushö- gelten. Für Menschen aber, die obdachlos, geflüchtet oder ren!) überschuldet sind, sind 10 Euro im Monat jede Menge Von überragender Bedeutung ist dabei die Sicherung des Geld . Es wird sie im Zweifel davon abhalten, das Recht Zugangs zu einem Zahlungskonto für jedermann, also auf ein Girokonto in Anspruch zu nehmen . Das können das Girokonto für alle, das in der Öffentlichkeit immer wir so nicht stehen lassen . Ich bitte Sie wirklich eindring- wieder als ein Prüfpunkt für Verbraucherschutz im Fi- lich: Lassen Sie uns im Beratungsverfahren gemeinsam nanzsektor benannt wurde . dafür sorgen, dass das Basiskonto für alle kostenfrei sein wird . Das sind wir den Betroffenen schuldig . Eine Untersuchung der Europäischen Union 2013 hat eine Zahl von 1 Million Menschen in Deutschland Vielen Dank . ermittelt, bei denen man vermutet, dass sie noch keinen (Beifall bei der LINKEN) Zugang zu einem Konto haben . Ich denke, dass die Zu- wanderung von Menschen auf der Flucht in den letzten beiden Jahren dazu geführt hat, dass diese Zahl heute ver- Präsident Dr. Norbert Lammert: mutlich sogar höher liegt . Aber ohne ein Konto sind die Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekre- gesellschaftliche Teilhabe und die Teilnahme am Wirt- tär Ulrich Kelber für das Justiz- und Verbraucherschutz- schaftsleben und damit auch Integration nicht möglich . ministerium . – Bitte schön . Die Verankerung in den Sparkassengesetzen einzelner (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bundesländer und auch die Selbstverpflichtung haben dieses Problem nicht grundlegend gelöst . Deswegen ist Ulrich Kelber, Parl . Staatssekretär beim Bundesmi- das Handeln des Gesetzgebers gefragt . Wir wollen alle nister der Justiz und für Verbraucherschutz: Kreditinstitute, die schon heute Zahlungskonten für Ver- Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrten braucher im Angebot haben, dazu verpflichten, solche Damen und Herren! Es geht um ein zentrales verbrau- Konten anzubieten . Damit sichern wir die breite Ver- cherpolitisches Thema . Mit dem heute eingebrachten fügbarkeit eines solchen Basiskontos nicht nur für alle Gesetzentwurf schaffen wir in der Tat erstens einen An- Bevölkerungsgruppen, sondern auch in ländlichen Ge- spruch aller Verbraucherinnen und Verbraucher auf ein bieten . Wir wollen auch eine gleichmäßige Beteiligung Girokonto . Zweitens werden die Transparenz von Konto- der Kreditwirtschaft sicherstellen . In der Vergangenheit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14771

Parl. Staatssekretär Ulrich Kelber (A) haben viele private Banken bestimmte Kunden einfach überprüft wird . Ist das vorgesehen? Können Sie das zu- (C) an die Sparkasse weitergeleitet . sichern? Alle grundlegenden Zahlungsdienste werden mit ei- nem solchen Konto ermöglicht, also Ein- und Auszah- Ulrich Kelber, Parl . Staatssekretär beim Bundesmi- lungen, Lastschriften, Überweisungen und natürlich nister der Justiz und für Verbraucherschutz: Geschäfte mit Zahlungskarten . Das Leistungsangebot Ich sage Ihnen natürlich nicht zu, was genau im Ge- wird nicht hinter dem Angebot für gängige Girokonten schäftsablauf der dem Bundesfinanzministerium zuge- zurückbleiben . Ebenso müssen die Kosten angemessen ordneten Behörde passieren wird . In der Tat sind aber sein . Eine Benachteiligung ist also ausgeschlossen . die Rechtsaufsicht und die Rechtsdurchsetzung durch die Frau Kollegin Lay, Sie wissen, dass ich Sie schätze, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Kernele- aber es ist schon unseriös, die Vorgaben in der gesetz- mente dieses Gesetzentwurfes . Genau dieses Novum – lichen Vorschrift, nach der die Kosten im Vergleich mit verglichen mit anderen Bereichen der Verbraucherpoli- anderen Angeboten des Kreditinstitutes angemessen sein tik; dazu werde ich gleich noch etwas sagen – wird zur müssen, mit den Kosten von freiwilligen Angeboten von Durchsetzung sowohl des Anspruchs auf Einrichtung ei- heute zu vergleichen . Damit haben Sie selber einen Po- nes Kontos als auch des Anspruchs auf Angemessenheit panz aufgebaut, an dem Sie sich dann im Rest Ihrer Rede der vorliegenden Entgelte führen . versucht haben, abzuarbeiten . Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Kollege, für Ihre (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frage . Mein nächster Punkt ist nämlich das Thema der der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Rechtsdurchsetzung . Wir haben in Deutschland eine gute Warten Sie es einmal ab!) Tradition der zivilrechtlichen Überprüfung und Durch- setzung von Verbraucherrechten . Wir erleben aber, dass Der Kollege Meister hat zu Recht dargestellt, dass die es Bereiche gibt, in denen diese Tradition an Grenzen Kreditinstitute nur noch einen sehr geringen Spielraum kommt . Deswegen haben wir eine besonders effektive haben, wann sie die Einrichtung eines Basiskontos ab- Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung – ich konnte das lehnen dürfen . dank Ihrer Frage gerade schon kurz erwähnen – geschaf- fen: Der Weg zu den Zivilgerichten bleibt frei, übrigens Präsident Dr. Norbert Lammert: nicht nur für die einzelnen Verbraucherinnen und Ver- Herr Kollege . braucher, sondern mit entsprechender Unterstützung auch über Gruppenverfahren . Aber die BaFin wird an der Stelle nicht nur kollektive Verbraucherinteressen (B) Ulrich Kelber, Parl . Staatssekretär beim Bundesmi- durchsetzen – diese Aufgabe hat sie seit kurzem; auch (D) nister der Justiz und für Verbraucherschutz: das haben wir erreicht –, sondern es gibt auch die Mög- Kurzen Augenblick, bitte .– Deswegen werden die lichkeit, sich bei der Verweigerung der Einrichtung eines Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur in die Lage Basiskontos individuell an die BaFin zu wenden, die mit versetzt, ein solches Konto zu erhalten . Sie werden auch einem Verwaltungsakt sicherstellen kann, dass ein Basis- davor geschützt, diesen Zugang wieder zu verlieren .– konto eröffnet wird . Das geht deutlich schneller als ein Herr Präsident . gerichtliches Verfahren .

Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der SPD) Vielen Dank . – Der Kollege Schick möchte gerne eine Die Überwachung des Finanzmarkts – dazu gehören Zwischenfrage stellen oder -bemerkung machen . auch all diese Fragen – ist ohnehin Aufgabe der BaFin .

Ulrich Kelber, Parl . Staatssekretär beim Bundesmi- Die Verbesserung der Transparenz von Kontogebüh- nister der Justiz und für Verbraucherschutz: ren und die Vergleichbarkeit verschiedener Angebo- te sind weitere wichtige Punkte . Der Wettbewerb führt Ja . dazu, Angebote möglichst in einer Form auszugestalten, bei der es Verbraucherinnen und Verbrauchern schwer- Präsident Dr. Norbert Lammert: fällt, die Konditionen wirklich zu vergleichen . Deswegen Bitte . ist eine Situation entstanden, die es notwendig macht, Verbraucherinnen und Verbrauchern wieder den Über- blick darüber zu geben, was sie für ihr Geld bekommen . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke .– Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, Wir wollen nicht nur, dass die Sollzinssätze und ange- ob die Finanzaufsichtsbehörde BaFin die Angemessen- fallenen Zinsen für geduldete Kontoüberziehungen und heit aktiv prüfen wird oder ob sie es den Menschen, die anderes sichtbar auf den Websites der Anbieter vorgehal- offensichtlich nicht über die Ressourcen verfügen, ein ten werden müssen, sondern es wird, um diese Informa- normales Girokonto zu eröffnen oder einen Anwalt für tionen vergleichbar zu halten, auch ein standardisiertes die Durchsetzung ihres Anspruchs zu bezahlen, überlas- Präsentationsformat und eine einheitliche Terminologie sen wird, diese Angemessenheit in einem Rechtsstreit geben . Auch das halte ich für eine Blaupause, wie man in gegen die Institute durchzusetzen . Ich meine, diese An- solchen Fragen vorgehen kann, um die Vergleichbarkeit gemessenheit wird es nur dann geben, wenn sie wirklich sicherzustellen . 14772 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Parl. Staatssekretär Ulrich Kelber (A) Wir wollen außerdem, dass Vergleichswebsites es te Sie um Unterstützung dieses Gesetzentwurfs für diese (C) Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, das Ziele . für sie beste Angebot auszuwählen . Wir wollen, dass Vielen Dank . diese Vergleichswebsites weiterhin eine wichtige Rolle spielen . Um das Verbrauchervertrauen zu schützen, sol- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten len Web­sites, die gesetzlich geregelte Qualitätsstandards der CDU/CSU) einhalten, mit einem Zertifizierungssymbol ausgestattet werden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher wis- Präsident Dr. Norbert Lammert: sen: Hier wird nicht eventuell dem Interesse eines Finan- Nicole Maisch ist die nächste Rednerin für die Frakti- zinstituts nachgegangen, sondern hier werden objektiv on Bündnis 90/Die Grünen . die in dem einheitlichen Format dargestellten Entgelte verglichen . Auch das halte ich für ein Novum, für eine bessere Form der Rechtsdurchsetzung und vielleicht Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): auch für eine Blaupause für andere verbraucherpolitische Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein guter Aufgaben . Tag für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land – das sind schöne Worte von der Union . Wenn ich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der mich an die Debatten in den vergangenen Jahren erinne- CDU/CSU) re, dann müssten heute von Ihnen sinngemäß eher fol- Der Gesetzentwurf enthält auch Regelungen zur Kon- gende Worte kommen: Die DDR ist zurück . Der Sozia- tenwechselhilfe . Wir haben in den letzten Jahren erlebt, lismus ist ausgebrochen . Wir alle sind jetzt Mitglied der dass Wettbewerb dann mit besseren Angeboten für Ver- Linkspartei .– Das war der Diskussionsduktus des Kolle- braucherinnen und Verbraucher in Gang kommt, wenn gen Brinkhaus, des Kollegen Meister und vieler anderer es möglich ist, mit einem überschaubaren Aufwand und in der Union, wenn wir in den vergangenen Jahren immer geringer Gefahr von Fehlern Angebote zu wechseln . Ich wieder gemeinsam mit den Kollegen von der Opposition glaube, dass man durchaus sagen kann, dass in den Be- ein Girokonto für alle beantragt haben . reichen Telekommunikation und Energie dadurch deut- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liche Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Ver- und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten braucher entstanden sind . der SPD) Wir haben in der Tat erleben müssen, dass selbst über- Aber Menschen sind lernfähig. Das finden wir wunder- zogene Zinsen für Dispokredite und andere schlechte bar . Konditionen nur wenige Verbraucherinnen und Verbrau- (B) cher dazu gebracht haben, ihre Zahlungskonten zu wech- Das ist vor allem wunderbar für die rund 1 Million (D) seln, weil die Vielzahl von Lastschriften, Daueraufträgen Menschen – so viele scheinen es mittlerweile zu sein –, und Personen, denen man eine neue Kontoverbindung die bislang vom normalen Wirtschaftsleben in Deutsch- mitteilen muss, viele davon abgehalten hat . Das hat oft land ausgeschlossen sind . Um so etwas Exotisches wie genug dazu geführt, dass wir in diesem Hause diskutiert Onlineshopping oder Bestellungen bei Ebay geht es gar haben, eventuell gesetzliche Regelungen bis ins Detail – nicht, sondern um Telefonanschluss, Mietvertrag und mit Obergrenzen oder Ähnlichem – aufzunehmen, um Arbeitsvertrag . Das alles ist heutzutage ohne ein Konto schlechte Angebote vom Markt zu fegen, was wir in an- kaum noch möglich . Das soll sich nun ändern . Das ist deren Bereichen dem Wettbewerb überlassen haben . gut so . Wenn wir jetzt eine Kontenwechselhilfe ermögli- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chen – und das tun wir mit dem Gesetzentwurf; wir und bei der LINKEN) erleichtern den Wechsel von Anbietern für Verbrauche- Peinlich ist, dass auch diese Bundesregierung wieder rinnen und Verbraucher –, dann sorgen wir dafür, dass von Brüssel zum Jagen getragen werden musste . Drei Le- es auch im Bereich der Konten zu einem Wettbewerb gislaturperioden – so weit reicht zumindest meine politi- kommt, und zwar nicht nur um die besten Kunden – da- sche Erinnerung in diesem Haus – haben wir diskutiert . für ist das Instrument zu breit angelegt –, und dass es Stets haben Sie alles abgelehnt . Auch die SPD, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Zukunft möglich heutigen Tag so besonders feiert, hat sich unter Führung ist, zu günstigeren oder für ihre Ziele besseren Anbietern ihres Finanzministers Peer Steinbrück gegen ein Giro- zu wechseln . Auch dieser Teil ist ein gutes Ergebnis des konto für alle mit Händen und Füßen gewehrt; das gehört Gesetzentwurfs . zur Wahrheit dazu . Aber nun kommt es, und man darf die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Umsetzung nicht vermasseln . CDU/CSU) Es gibt viele Punkte in dem vorliegenden Gesetzent- Meine Damen und Herren, der Zugang zu Zahlungs- wurf, die wir begrüßen . Brüssel schreibt auch vieles sehr konten ist die unverzichtbare Voraussetzung für die eng vor . Aber zwei Punkte kritisieren wir . Da ist noch – so Teilnahme am modernen gesellschaftlichen Leben . Wir glauben wir – Luft nach oben . Der erste Punkt betrifft die wollen das mit dem Gesetzentwurf auch den Verbrauche- Kosten . Wir glauben nicht, dass ein solches Konto kos- rinnen- und Verbrauchergruppen, die bisher davon aus- tenlos sein muss . Auch wer arm ist in diesem Land, dem geschlossen waren, ermöglichen . Wir wollen undurch- wird selten etwas geschenkt; das ist nun einmal so . Aber schaubaren Entgeltgestaltungen durch mehr Transparenz wir halten die Begriffe „angemessen“ und „marktüb- ein Ende bereiten und den Wechsel ermöglichen . Ich bit- lich“, die Sie gewählt haben, für zu unkonkret . Sie eröff- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14773

Nicole Maisch (A) nen den Banken damit Spielräume, sich die unliebsame Wir sind heute noch nicht am Ende der Debatte . Ich (C) Kundschaft durch saftige Kontoführungsgebühren vom freue mich sehr auf konstruktive Beratungen . Es handelt Hals zu halten . Diese Befürchtung können wir historisch sich um eine gute europäische Regelung, die nun in deut- gut begründen . 2010 haben wir das Pfändungsschutzkon- sches Recht umgesetzt werden soll . Diese Umsetzung to, das sogenannte P-Konto, gesetzlich eingeführt . Viele kann in einigen Punkten noch besser werden . Kreditinstitute – auch Sparkassen – haben darauf reagiert und versucht, sich die unliebsame Kundschaft mit dras- Vielen Dank . tisch erhöhten Kontogebühren vom Hals zu halten . vzbv (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Verbraucherzentralen in den Ländern haben viele und bei der LINKEN) Kreditinstitute abgemahnt und die meisten Rechtsstrei- tigkeiten gewonnen . Das zeigt: Man muss genau aufpas- Präsident Dr. Norbert Lammert: sen, dass diese Kundschaft nicht durch erhöhte Gebühren verdrängt wird . Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Hauer für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Das gilt auch für das von den Sparkassen freiwillig ordneten der SPD) eingeführte Bürgerkonto bzw . Guthabenkonto, das im Grunde genommen so eine Art Girokonto für alle ist . Matthias Hauer (CDU/CSU): Die Berliner Sparkasse zum Beispiel hat ihre Gebühren Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und von 3,90 auf 8 Euro erhöht . Man versucht also, über die Herren! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf Gebühren etwas zu schaffen, was das Gesetz eigentlich eines Zahlungskontengesetzes . Damit setzen wir die verbietet . Ich glaube, dass wir hier nicht auf den Markt EU-Zahlungskontenrichtlinie in deutsches Recht um und setzen können; denn ein funktionierender Wettbewerb erfüllen gleichzeitig wichtige Zusagen aus dem Koaliti- setzt voraus, dass der Anbieter den Kunden auch möch- onsvertrag . Was wird sich durch das Gesetz ändern? te . Wenn es aber um eine Kundengruppe geht, gegen die man sich mit Händen und Füßen wehrt, um sie vom Erstens . Wir sorgen dafür, dass jeder Verbraucher in Bankschalter fernzuhalten, dann kann es keinen Wettbe- Deutschland Zugang zu einem Zahlungskonto mit grund- werb geben . Wettbewerb funktioniert nur in Bezug auf legenden Funktionen erhält . Jeder, der sich rechtmäßig in eine Kundengruppe, die man auch möchte . der Europäischen Union aufhält, kann dann ein solches Basiskonto eröffnen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens . Wir sorgen für mehr Vergleichbarkeit und (B) Der zweite Punkt betrifft die Transparenz von Ver- Transparenz bei den Kontoentgelten . Jeder Verbraucher (D) gleichswebsites; Herr Kelber hat schon etwas dazu ge- wird sich künftig auf dafür zertifizierten Internetseiten sagt. Eine staatliche Zertifizierung ist sicherlich gut. Aber schnell und einfach über Entgelte der Banken und Spar- dann müssen wir uns Gedanken über die Kriterien für kassen informieren können, die für ihn infrage kommen . diese Zertifizierung machen. Was sagt mir als Kunde ein Drittens . Wir sorgen dafür, dass Verbraucher ihr Giro- entsprechendes staatliches Siegel? Nach unserer Auffas- konto einfacher wechseln können . Der Kontoumzug zu sung gehört zu einer vernünftig zertifizierten Vergleichs- einer anderen Bank wird künftig mit weniger Aufwand website, dass alle Provisionen, die zwischen Bank oder für den einzelnen Bankkunden verbunden sein . Er um- Sparkasse und einer Vergleichswebsite fließen, zwingend fasst auch die bestehenden Überweisungen, Daueraufträ- offengelegt werden . Sonst steht man als Verbraucher wie ge und Lastschriften . der Ochs vorm Berg und weiß nicht, wie hinter den Ku- lissen die Geldströme fließen. Sonst ist auch der Zugang Bislang sind die Vorschriften über Zahlungskonten zu Banken und Sparkassen nicht diskriminierungsfrei . innerhalb der EU sehr unterschiedlich und nicht durch- Deshalb fordern wir die Pflicht zur Offenlegung von Pro- gängig an einem hohen Verbraucherschutzstandard ori- visionen für alle Vergleichswebsites . entiert . Die Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie ist nun ein weiterer Schritt zur Harmonisierung der Rege- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes . Die Regierung hat uns als Antwort auf eine Kleine Nun zum Basiskonto . Ein Girokonto ist heutzutage Anfrage zu anderen Vergleichswebsites mitgeteilt, dass Grundvoraussetzung für die Teilnahme am gesellschaft- sie darauf setzt, dass die Verbraucher die Portale selbst lichen und wirtschaftlichen Leben . Schätzungen gehen fragen, welche Provisionen in welcher Höhe von wem an davon aus – wir haben es gerade schon gehört –, dass wen fließen. Das halten wir – mit Verlaub – für lebens- allein in Deutschland etwa 1 Million Menschen nicht fremd und das Gegenteil von Verbraucherschutz . Wenn über ein solches Konto verfügen können . Diesen Zustand ich als Verbraucher ins Netz gehe, um mich schnell zu wollen wir nicht hinnehmen . informieren, dann möchte ich nicht an irgendwelche Stellen einen Brief schreiben nach dem Motto: Bitte teilt Wir möchten, dass gerade Obdachlosen und anderen mir mit, wie viel Provisionen ihr von welcher Sparkasse einkommensschwachen Menschen nicht länger der Zu- oder welcher Bank erhalten habt .– Das ist lebensfremd gang zu einem Basiskonto verwehrt wird . Gleiches gilt und das Gegenteil von Verbraucherschutz . auch für Asylsuchende sowie für Personen ohne Aufent- haltstitel, die nicht abgeschoben werden können . Der An- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) spruch auf das Basiskonto steht jedem zu, der sich recht- 14774 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Matthias Hauer (A) mäßig in der Europäischen Union aufhält . Wir als Union die Teilhabe am politischen Leben ist . Wie erklären Sie (C) werden in besonderem Maße darauf achten, dass bei den sich dann den Zwischenruf Ihres stellvertretenden Frak- parlamentarischen Beratungen keine Abstriche bei den tionsvorsitzenden Brinkhaus, der – ich glaube, das kann Themen Geldwäsche und Bekämpfung der Terrorismus- man so sagen – einer der profiliertesten Finanzpolitiker finanzierung gemacht werden. der Union ist und der sagte: „Ich bleibe dabei: Das ist der größtmögliche Blödsinn“? Das vorgesehene Recht auf Zugang zu einem solchen Basiskonto geht weit über die bisherigen Maßnahmen hi- (Dr . Jens Zimmermann [SPD]: Hört! Hört!) naus . In Deutschland haben sich Sparkassen sowie öf- fentliche, private und genossenschaftliche Banken 1995 Matthias Hauer (CDU/CSU): die Selbstverpflichtung auferlegt, für jeden Bürger auf Frau Kollegin Maisch, das Lob an den Kollegen Wunsch ein Girokonto zu eröffnen . Lediglich in eini- ­Brinkhaus teile ich voll und ganz . Dennoch geben Sie gen Bundesländern besteht darüber hinaus mit gewissen seine Äußerung hier falsch wieder . Schauen Sie sich ein- Einschränkungen eine Verpflichtung für Sparkassen, ein mal an, was die Union bereits vor Jahren, beispielsweise Girokonto anzubieten . Zudem haben sich die Sparkassen 2012, gemeinsam mit der FDP beantragt hat, übrigens im Jahr 2012 selbst dazu verpflichtet, jeder Privatperson bevor diese Richtlinie erlassen worden ist: „Rechtssi- in ihrem Geschäftsgebiet ein Guthabenkonto, das soge- cherheit beim Zugang zu einem Basiskonto schaffen“ . nannte Bürgerkonto, einzurichten . Bereits in diesem Antrag sind die Punkte, die wir auch Der Gesetzentwurf geht auch inhaltlich weit über die heute behandeln, festgeschrieben . Insofern sollten Sie bisherigen Regelungen hinaus, vor allem hinsichtlich des genau darauf achten, was der Kollege Brinkhaus dazwi- Kreises der berechtigten Verbraucher, des Mindestum- schenruft . Das kann erhellend wirken . fangs der zu nutzenden Zahlungsdienste und bei weiteren (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – verbraucherschützenden Regelungen . Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Frau Maisch In der Vergangenheit haben gerade die Sparkassen ei- kann sich auch mit mir austauschen, sie kann nen großen Teil dazu beigetragen, Menschen ohne gere- das auch bilateral klären!) geltes Einkommen den Zugang zu einem Girokonto zu Ich war bei den Entgelten stehen geblieben . Barein- verschaffen . Für dieses Engagement gilt es insbesondere zahlungen und Barüberweisungen sind bei den meisten den Sparkassen zu danken . Kreditinstituten mit hohen Kosten verbunden . Wer, viel- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- leicht weil er obdachlos ist, über kein Girokonto verfügt, ordneten der SPD) der muss derzeit noch hohe Entgelte leisten . Auch das wollen wir mit der Einführung des Zugangs zu einem Ba- (B) Der Versorgungsgrad mit Girokonten ist in Deutsch- siskonto ändern . (D) land zwar höher als in den meisten anderen EU-Staaten, dennoch besteht Handlungsbedarf . Noch immer haben Um die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirt- auch in Deutschland zu viele Menschen keinen Zugang schaftlichen Leben in Deutschland zu ermöglichen, zu einem Konto . Diesen Zustand möchten wir ändern . soll das Basiskonto alle wesentlichen Funktionen des Bargeld spielt gerade in Deutschland, im Gegensatz zu modernen Zahlungsverkehrs umfassen . Dazu gehören vielen anderen europäischen Ländern, im tagtäglichen Bareinzahlungen, Barauszahlungen, Überweisungen, Leben eine sehr wichtige Rolle . Dennoch braucht derzeit Lastschriften und Kartenzahlungen . Von diesem Gesetz jeder ein Girokonto, um am gesellschaftlichen und wirt- profitieren aber nicht nur diejenigen, die bislang keinen schaftlichen Leben partizipieren zu können . Zugang zu einem Girokonto haben, sondern alle Bank- kundinnen und Bankkunden . Die Vergleichbarkeit und Wer heutzutage ein Arbeitsverhältnis aufnehmen, eine Transparenz von Kontoentgelten werden erhöht, und Wohnung mieten, einen Vertrag mit einem Strom- oder der Girokontowechsel zu einer anderen Bank wird ver- Handyanbieter schließen oder nur über das Internet ein- einfacht . Wir versetzen Verbraucher damit in die Lage, kaufen möchte, der steht ohne ein Girokonto vor großen, EU-weit das am besten für sie geeignete Girokonto aus- teils unüberbrückbaren Hindernissen . Hinzu kommt, zuwählen . Zahlungsdienstleister müssen Verbraucher dass hohe Entgelte anfallen, wenn jemand nicht über ein sowohl vor Vertragsabschluss als auch während der Ver- Girokonto verfügt . tragslaufzeit über die Entgelte informieren, die für das Girokonto anfallen . Die Entgeltinformation muss so ge- Präsident Dr. Norbert Lammert: staltet sein, dass sie klar und leicht verständlich ist . Herr Kollege Hauer, darf die Kollegin Maisch eine Wir sorgen dazu dafür, dass Verbraucher auf zertifi- Zwischenfrage stellen? zierten Internetseiten kostenlos und transparent Bankent- gelte vergleichen können . Dadurch kann der Verbraucher Matthias Hauer (CDU/CSU): sachgerecht beurteilen, bei welchem Institut er ein Gi- Sehr gerne . rokonto beantragen möchte . Auf diesen Vergleichsweb- sites muss der Vergleich mindestens anhand der gesetz- lich bestimmten Kriterien erfolgen: Das sind Entgelte, Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Filialnetz, Geldautomatennetz und Sollzinssatz für ein- Herr Kollege Hauer, vielen Dank, dass ich diese Frage geräumte Überziehungsmöglichkeiten . Darüber hinaus stellen kann .– Sie haben gerade sehr eindrücklich erklärt, gibt es weitere gesetzliche Bestimmungen für diese In- warum ein Girokonto in Deutschland Voraussetzung für ternetseiten: Sie müssen zum Beispiel unabhängig be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14775

Matthias Hauer (A) trieben werden, eine leicht verständliche und eindeutige Wir haben als Linke in den Kommunalparlamenten, (C) Sprache verwenden sowie korrekte und aktuell gehaltene aber auch in den Landesparlamenten und hier im Bun- Informationen bereitstellen . Damit auch ein länderüber- destag durchgängig für das Basiskonto gestritten . Mich greifender Vergleich von Angeboten gelingen kann, wird würde es freuen, wenn Sie in anderen Bereichen des EU-weit eine standardisierte Bezeichnung für die mit finanziellen Verbraucherschutzes aus eigener Überzeu- dem Girokonto verbundenen wesentlichen Dienste ein- gung heraus proaktiv die Rechte der Verbraucherinnen geführt . und Verbraucher im Finanzbereich stärken würden . Zudem wollen wir den Wechsel eines Girokontos weit- (Beifall bei der LINKEN) gehend von Bürokratie befreien und ein klares, schnelles und sicheres Verfahren dafür bieten . In Zukunft müssen Ich möchte im Folgenden auf Nachbesserungen ein- die Banken und Sparkassen einem Verbraucher Konten- gehen, die in diesem Gesetzentwurf dringend notwendig wechselhilfe anbieten, wenn er mit einem Girokonto zu sind: einem anderen Institut umziehen möchte . Wir sorgen mit Wir fordern als Linke, dass das Basiskonto kostenlos dem einfachen Kontenwechsel dafür, dass der einzelne ist . Der Gesetzentwurf enthält zwei unbestimmte Rechts- Verbraucher flexibler die auf ihn zugeschnittenen Ange- begriffe, durch die den Instituten unseres Erachtens zu bote auf dem Markt nutzen kann . Der Kontowechsel wird viele Spielräume bei der Festlegung von Entgelten ein- einfacherer möglich sein, weil Informationen, wie zum geräumt werden . Bitte konkretisieren Sie sowohl den Beispiel über Daueraufträge und Lastschriften, unbüro- Begriff „marktüblich“ als auch den Begriff „angemesse- kratisch übermittelt werden . Das gilt nicht nur für den nes Entgelt“ . Sie sind hoffentlich nicht so blauäugig und innerstaatlichen, sondern auch für den grenzüberschrei- erwarten, dass diese Begriffe zugunsten der Verbrauche- tenden Kontenwechsel . Dabei wird das Entgelt begrenzt, rinnen und Verbraucher ausgelegt werden; denn es gibt das durch den Kontenwechsel anfällt . Es muss angemes- bislang gar keinen Markt für Konten speziell für finanz- sen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienst- schwache Verbraucher . Verbraucher wie Überschuldete, leisters ausgerichtet sein . Obdachlose oder Flüchtlinge – wir haben es in der De- Abschließend ist festzustellen: Rechtsanspruch auf batte bereits gehört – müssen ein Basiskonto bezahlen ein Basiskonto, mehr Vergleichbarkeit und Transparenz können . Seien wir mal ehrlich: Es wird am besten und bei den Kontoentgelten und einfacherer Wechsel des Gi- dauerhaft gelingen, wenn so ein Konto kostenlos ist . Nur rokontos – mit dem Zahlungskontengesetz stärken wir so kann die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am die Rechte aller Verbraucherinnen und Verbraucher . bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglicht werden . Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN) (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Man überliest schnell, dass ein Basiskonto dem Ver- ordneten der SPD) braucher innerhalb von zehn Tagen angeboten werden muss; ich betone: angeboten . Dies bleibt allerdings hin- ter der EU-Richtlinie zurück . Wir fordern als Linke, dass

Präsident Dr. Norbert Lammert: das Konto innerhalb von zehn Tagen eingerichtet und Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin eröffnet werden muss . Sie sollten sich an die umzuset- ­Karawanskij das Wort . zende Richtlinie halten und nicht dagegen verstoßen . So (Beifall bei der LINKEN) eine klare und einheitliche Eröffnungsfrist ist notwendig, damit die Kontoeröffnung tatsächlich zeitnah stattfindet, damit Banken den eigentlichen Anspruch auf Einhaltung (DIE LINKE): Susanna Karawanskij der Zehntagesfrist nicht konterkarieren können in der Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Hoffnung, dass die nicht ganz so finanzkräftigen, viel- Kollegen! Liebe Gäste! Die Gesetzesvorlagen der Bun- leicht zum Teil auch unliebsamen Kundinnen und Kun- desregierung können wir als Opposition nur sehr sel- den der letzten Jahre ihr Glück bei einem anderen Institut ten loben . Es gibt aber im wahrsten Sinne des Wortes suchen . manchmal löbliche Ausnahmen . Mit dem Gesetz, dessen Entwurf vorliegt, soll nun der unbeschränkte Zugang zu (Beifall bei der LINKEN) Zahlungskonten geschaffen werden, wodurch erstmals Es fehlt auch eine Harmonisierung mit den Vorschrif- eine wirksame Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen ten zum Pfändungsschutzkonto . Wenn ein Basiskonto er- und Verbraucher ermöglicht wird . Dieser Anspruch auf öffnet wird, kann nicht gleichzeitig ein Pfändungsschutz- Abschluss eines Basiskontovertrages auf Guthabenbasis konto eröffnet werden . Das geht immer nur in einem ist sicherlich ein Quantensprung im Bereich des finanzi- separaten zweiten Schritt . Der Wechsel des Basiskonto- ellen Verbraucherschutzes. Wir finden es richtig gut, dass anbieters ist zwar von nun an einfacher möglich – das dieses Gesetz jetzt auf den Weg gebracht wird . wurde hier auch schon betont; es reicht die Vorlage der Doch bevor die Bundesregierung zu selbstgefällig Kündigung des bisherigen Kontos –; aber problematisch wird, möchte ich noch einmal auf etwas verweisen – das bleibt der Wechsel für die Inhaber eines Pfändungsschutz- hat auch meine Kollegin Caren Lay schon getan –: Es kontos, eines P‑Kontos . Oft werden P‑Konten – man darf gab jahrelang nur freiwillige Selbstverpflichtungen. Sie nur ein solches Konto führen – nicht zeitnah geschlossen . haben 20 Jahre lang auf Sand gebaut . Erst als die EU die- Bis zur Kontoschließung steht dieses P‑Konto in den Da- se Richtlinie beschlossen hat, mussten Sie handeln; Sie ten der Schufa . Wenn das alte P‑Konto gekündigt wird, mussten tatsächlich zum Jagen getragen werden . erhalten die Kundinnen und Kunden zwar ein Basiskon- 14776 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Susanna Karawanskij (A) to; das verfügt dann aber nicht über den notwendigen sich alles regeln . Trotzdem ist es eine höchst beschämen- (C) Pfändungsschutz, weil bei der Schufa noch der Eintrag de Situation für den Betroffenen oder die Betroffene . des alten P‑Kontos besteht . Hier ist eine Ankopplung des (Beifall bei der SPD) P‑Kontos an das Basiskonto nur dann sinnvoll, wenn bei Kündigung des P‑Kontos diese Kontofunktion innerhalb Auch bei weiteren regelmäßigen finanziellen Ver- weniger Tage aufgehoben und dieser Eintrag bei der pflichtungen wird es sehr schwierig – sei es die Strom- Schufa auch tatsächlich gelöscht wird . Wir fordern, dass oder Handyrechnung oder auch die Krankenversiche- mit diesem Gesetz beim Kontowechsel eine ununterbro- rung . Möglicherweise lassen sich immer individuelle chene P‑Konto-Verbindung sichergestellt werden muss . Lösungen finden. Das Ganze ist aber mit einem sehr ho- hen Aufwand, sowohl organisatorisch als auch finanziell, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- verbunden . So sind die Gebühren für Bareinzahlungen neten der SPD) so hoch, dass sie unter Umständen sogar den einzuzah- Ich habe einige Punkte aufgeführt, bei denen Sie bit- lenden Betrag übersteigen, und zum Telefonieren bleiben te schön nicht hinter die Richtlinie der EU zurückfallen nur die teuren Prepaidtarife . sollten . Es ist ein Quantensprung im Bereich des Zah- Ein Leben ohne Konto ist also nicht nur fast unmög- lungsverkehrs; nichtsdestotrotz bleiben viele Lücken im lich, sondern auch noch sehr, sehr teuer und beschneidet finanziellen Verbraucherschutz. Ich möchte hier noch die Möglichkeiten von Menschen, die in der Regel oh- einmal betonen: Lebensversicherte werden weiter ge- nehin mit sehr wenig Geld auskommen müssen, weiter . schröpft . Kleinanleger können immer noch in hochris- kante und unseriöse Anlageprodukte gelockt werden . Diese Situation ist leider keine Seltenheit . Wir haben Ich nenne Fragen der Deckelung der Dispozinsen oder in dieser Debatte schon oft gehört, dass bis zu 1 Million auch der verbrauchergerechten Finanzberatung; hier ver- Menschen betroffen sind . Diese Zahl höre ich allerdings weise ich auf die noch weitverbreiteten Provisionen der schon seit Jahren . Angesichts der steigenden Flücht- Vermittler, die allzu leicht nur an ihren eigenen Vorteil lingszahlen können wir davon ausgehen, dass sie in den denken . letzten Monaten deutlich gestiegen ist . Die Gründe dafür sind vielfältig: negative Schufa, Überschuldung, fehlen- Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Gesetzent- de Ausweisdokumente oder schlicht die falsche Staats- wurf und die moderate Kritik, die wir in dieser Diskus- bürgerschaft . sion üben, als Ansporn nähmen, in diesen Bereichen des finanziellen Verbraucherschutzes auch ein bisschen pro- Vor dieser Situation stehen wir trotz der seit mehr als aktiver voranzuschreiten . 20 Jahren bestehenden Selbstverpflichtung der Kredit- wirtschaft . Diese sollte – daran möchte ich erinnern – (B) Vielen Dank . gerade für diesen Personenkreis sicherstellen, dass er (D) (Beifall bei der LINKEN) endlich ein Konto bekommt. Diese Selbstverpflichtung hat nicht funktioniert . Das können wir so feststellen . Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass die

Präsident Dr. Norbert Lammert: Kreditwirtschaft nur bedingt freiwillig zu dieser Selbst- Sarah Ryglewski ist die nächste Rednerin für die verpflichtung gekommen ist; denn schon 1995 war der SPD-Fraktion . Handlungsdruck so groß, dass die damalige Bundesre- (Beifall bei der SPD) gierung über ein entsprechendes Gesetz nachgedacht hat . Dieses Gesetz konnte die Kreditwirtschaft nur dadurch abwenden, dass sie die Selbstverpflichtung eingegangen Sarah Ryglewski (SPD): ist . Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Loriot hat Umso bedauerlicher ist es, dass es erst einer EU-Richt- einmal gesagt: linie bedurfte, damit wir hier in Deutschland endlich zu einer gesetzlichen Regelung kommen . Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der In Bezug auf das Girokonto ist es genau umgekehrt . LINKEN) Ein Leben ohne Konto hat sicherlich trotzdem einen Wir hätten das schon früher haben können . Sinn, ist heutzutage aber fast unmöglich . Denn wie sieht ein Leben ohne Girokonto heute aus? Meine Partei war da auch relativ klar . Ich erinnere mich noch gut an Debatten, die ich in der Bremischen Stellen wir uns einmal vor, wie unser potenzieller Bürgerschaft geführt habe . Dort wurde mir von meinem Arbeitgeber reagieren würde, wenn wir ihm nach einem CDU-Kollegen vorgeworfen, ich würde vom Pult aus so- bis dahin möglicherweise sehr positiv verlaufenen Vor- zialistisches Gewäsch verbreiten . stellungsgespräch mitteilten, dass er uns unser Gehalt in einer Lohntüte überreichen soll, oder die Reaktion des ( [SPD]: Was? Das hat er gesagt? Vermieters, dem wir sagen, dass wir ihn jeden Monat per- Ungeheuerlich! – Lothar Binding [Heidel- sönlich besuchen werden, um die Miete vorbeizubringen . berg] [SPD]: In der Bürgerschaft wird so ge- sprochen! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/ Möglicherweise hat man einen sehr sympathischen DIE GRÜNEN]: Ihr Finanzminister war aber Arbeitgeber oder einen netten Vermieter, und das lässt nicht so klar!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14777

Sarah Ryglewski (A) – Ich will jetzt nicht die Kolleginnen und Kollegen hier Hierauf müssen wir auf jeden Fall ein Auge haben . Hier (C) im Bundestag für Äußerungen ihrer Kollegen in einem sollten wir uns auch sensibel bei den Verbraucherzen­ Landesparlament verantwortlich machen, tralen und den Schuldnerberatungen umhören, damit das nicht durch die Hintertür zum Regelfall wird . (Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen die umgekehrt (Beifall bei der SPD) auch!) aber das war der Tenor . Wir als SPD-Fraktion wollen also ein Basiskonto ohne Schlupflöcher und ohne Ausweichmöglichkeiten Heute sind wir hier glücklicherweise im Jahr 2016 . verabschieden, damit am Ende des Gesetzgebungspro- Deswegen sollten wir nach vorne schauen und dafür sor- zesses das Recht auf ein Girokonto keinem Menschen gen, dass das, was lange währt, am Ende auch endlich in Deutschland mehr aus rein geschäftlichen Erwägun- gut wird . gen verweigert werden kann . Doch mit dem Zahlungs- (Beifall bei der SPD) kontengesetz verbessern wir nicht nur die Situation von bisher Kontolosen . Wir schaffen auch mehr Fairness und Deswegen möchte ich mich bei den beteiligten Bundes- Transparenz für alle Bankkunden . Bisher ist es meist ministerien ganz herzlich für den guten Gesetzentwurf sehr schwierig, Angebote von Banken miteinander zu bedanken . Wir schaffen damit endlich die Grundlage, vergleichen . Gebühren werden im Kleingedruckten oder dass jeder in Deutschland ein Konto eröffnen und am irgendwo in den hintersten Ecken einer Website versteckt wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben und sind schwer zu durchblicken . Wir erinnern uns an die kann . Diskussion um die Dispozinsen . Bisher war es ja gang und gäbe, dass man die Höhe der Dispozinsen nur in ei- Damit das Basiskonto ein voller Erfolg wird, bedarf es nem kleinen Bilderrahmen aufgehängt in seiner Bankfi- jedoch eines klaren Rahmens . Darauf haben meine Vor- liale finden konnte. Verbraucherinnen und Verbraucher rednerinnen und Vorredner bereits hingewiesen . sollen künftig offen und regelmäßig über Kosten und Neben der Frage, wie teuer das Konto sein darf, ist mir Entgelte informiert werden . Nur wenn ich Entgelte nach- dabei insbesondere wichtig, dass wir darüber reden, wel- vollziehen kann, kann ich zwischen verschiedenen Kre- che Funktionen das Konto hat und aus welchen Gründen ditinstituten vergleichen und beurteilen, welches Konto die Eröffnung eines Basiskontos abgelehnt werden darf . zu mir passt . Hier mahnen die Erfahrungen mit dem Pfändungsschutz- konto . Die Versuchung ist für Banken doch sehr groß, die (Beifall bei der SPD) Funktionen des Kontos so zu gestalten, dass das Konto (B) sehr unattraktiv wird für die unbeliebte Kundschaft . So Aber selbst wenn dies gegeben ist, ist es sehr schwie- (D) gibt es ein Girokonto ohne Onlinebanking, bei dem der rig, sich im Dickicht der verschiedenen Gebühren und Verbraucher darauf angewiesen ist, statt von zu Hause Angebote zurechtzufinden. Hier versprechen Vergleichs- Überweisungen zu tätigen, persönlich zur Bank zu gehen websites oder Vergleichsportale Abhilfe . Doch diese sind und dort für jede Überweisung auch noch eine hohe Ge- nicht immer verlässlich und nur selten objektiv; denn bühr zu bezahlen . Ich glaube, dass das neben der Frage schließlich ist das Geschäftsmodell der Portale, dass sie der Höhe der Kontoführungsgebühren, bei der wir auch über die Abschlüsse ihr Geld verdienen . Die Verbrau- noch etwas präziser werden können, die zweite große cherinnen und Verbraucher können sich also nicht sicher Gefahr ist; denn wir wollen ja schließlich, dass möglichst sein, ob ihnen das günstigste Kontoangebot angezeigt viele Menschen vom neuen Basiskonto profitieren. wird oder doch nur das, welches die höchste Provision für den Portalbetreiber verspricht . Deshalb brauchen wir (Beifall bei der SPD) hier eine klare Regulierung und eine gute Zertifizierung.

Hinsichtlich der Gründe, aus denen ein Konto verwei- (Beifall bei der SPD) gert werden darf, ist der Gesetzentwurf schon sehr präzi- se . Insbesondere ist es sehr gut, dass wir einen abschlie- Doch auch die beste Vergleichsplattform nützt nichts, ßenden Katalog von Ablehnungsgründen haben . Da gibt wenn der Kontowechsel weiterhin mit demselben hohen es also kein Drumherumgemogel. Besonders gut finde Aufwand verbunden ist wie bisher . Wer das einmal ver- ich, dass auch die Antragstellung dokumentiert werden sucht und durchgemacht hat, der weiß, dass es leichter soll und dass wir eine Frist zur Eröffnung haben, sodass ist, seinen kompletten Hausstand von einer Wohnung in es da eigentlich keine Ausreden geben sollte . die nächste zu bringen, als das Konto zu wechseln . Damit (Beifall bei der SPD) kann man gut und gerne ein halbes Jahr beschäftigt sein . Doch auch hier gibt es leider negative Erfahrungen mit (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dem Pfändungsschutzkonto, mit der Selbstverpflichtung der Banken und leider auch mit den Sparkassen . Oft ist Deswegen begrüßen wir es sehr, dass die Banken nach es nämlich so, dass es gar nicht zu einer dokumentierten dem Zahlungskontengesetz ihre Kunden künftig beim Antragsstellung kommt, sondern Kundinnen und Kunden Wechsel des Kontos unterstützen müssen . Nur so ist eine unter Umständen schon am Schalter abgewiesen werden, ununterbrochene Kontoverbindung sichergestellt . Nur so wenn sie nach einem solchen Konto fragen . Das ist natür- gibt es keine Scherereien . Nur so bekommen wir endlich lich ein Sachverhalt, der dann später schwer zu klären ist einen echten Wettbewerb bei den Girokonten für Privat- und bei dem es mit der Nachweispflicht schwierig wird. kunden . 14778 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Sarah Ryglewski (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Ge- Deutschland etwas zu tun . Es muss doch einmal deutlich (C) setzentwurf ist gut . gesagt werden, wie hier die Lage ist . (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg . Matthias Hauer [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wäre eigentlich ein schöner Schlusssatz, Frau Noch 2011 ist die Hamburger Initiative im Bundesrat ­Ryglewski . von den CDU- bzw . CSU-geführten Ländern abgelehnt worden – vor wenigen Jahren! Auf europäischer Ebene haben Sie sich, damals noch als schwarz-gelbe Bundes- Sarah Ryglewski (SPD): regierung, gegen die Gesetzgebung gewehrt . Geben Sie Es kommt ein letzter Satz . – Er bedeutet eine echte das mal zu, und sagen Sie, dass Sie über Jahre auf dem Stärkung von Verbraucherrechten am Finanzmarkt . Jetzt Holzweg waren und viele Hunderttausend Menschen in müssen wir an die Details, damit aus einem guten Ge- Deutschland im Regen stehen lassen haben! setzentwurf ein noch besserer wird . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vielen Dank . und bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Jetzt kommt es endlich . Das ist gut . Es ist gut, dass es eine klare Frist gibt . Es ist gut, dass es eine klare Liste Präsident Dr. Norbert Lammert: von Ausschlussgründen gibt . Es ist auch gut, dass wir da- mit Menschen, die jetzt als Flüchtlinge nach Deutschland Das Wort erhält der Kollege Gerhard Schick für die kommen, auch in dieser Form integrieren können . Ich Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . finde es richtig, dass Sie die Bedenken der Banken kri- tisch hinterfragt haben und darauf nicht eingehen, wenn Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sie sagen, es gebe Probleme, etwa mit den USA . Das sind Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im richtige Punkte . März 2006 – ich war damals noch relativ frisch im Bun- Ich möchte zwei Punkte ansprechen, von denen wir destag – habe ich hier zum ersten Mal zum Girokonto meinen, dass sie im Gesetzgebungsverfahren besondere für jedermann – so sagte man damals noch; die jetzige Bedeutung bekommen sollten . Das eine ist die Kostenfra- Begrifflichkeit „für alle“ ist natürlich die bessere – ge- ge, die schon angesprochen worden ist . Ich bin der Kolle- sprochen . Auch damals schon war es so, dass die Banken gin Ryglewski sehr dankbar, dass sie gesagt hat, dass wir (B) zehn Jahre Zeit hatten, um zu zeigen, dass die Selbstver- da noch präziser werden sollten . Ich glaube auch – des- (D) pflichtung funktioniert. Auch damals schon war es klar wegen habe ich gerade die Zwischenfrage gestellt –, wir und bewiesen, dass zu viele Menschen in Deutschland können nicht mit einer weichen Formulierung, die nicht keinen Zugang zu einem Girokonto erhielten und damit durchgesetzt wird, den Banken freies Spiel lassen, über große Schwierigkeiten hatten, ihr Geschäftsleben zu ge- hohe Gebühren die Leute vom Girokonto abzuhalten . stalten, Miete zu zahlen . Sie konnten in Bewerbungsge- Hier braucht es eine klare Formulierung, und es braucht sprächen keine Kontonummer angeben etc . Also: Die die Sicherheit, dass es wirklich kontrolliert und umge- Teilnahme am gesellschaftlichen Leben war dadurch setzt wird . massiv erschwert . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch damals war schon klar, dass das den Staat mehr sowie bei Abgeordneten der LINKEN) kostet, weil zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit höhere Kosten hat, wenn sie alles in Bargeld abwickeln Ich will einen zweiten Punkt ansprechen . Für eine der muss, als dann, wenn die Leute ein Konto haben . Auch vielen Anhörungen, die wir hatten, haben wir eine Exper- damals gab es schon massenhaft Argumente dafür, eine tin aus Frankreich benannt . Frankreich hat schon längere gesetzliche Verpflichtung vorzusehen. Wir haben immer Erfahrung mit diesem Thema . Dort gibt es ein gesetzli- noch zehn Jahre gebraucht, damit jetzt ein solcher Ge- ches Recht schon seit 1984 . Man hat in Frankreich die setzentwurf vorliegt . Das ist einfach eine schwache Leis- Erfahrung gemacht, dass ein Gesetz, das auf dem Papier tung . steht, von dem die Leute aber nichts wissen, die ent- scheidende gesellschaftliche Wirkung nicht erzeugt . Die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Menschen müssen über Werbung, die entweder der Staat und bei der LINKEN) macht oder die Banken machen, über das Recht auf ein Girokonto aufgeklärt werden, damit sie es in der Praxis Auch wenn der Kollege Hauer gerade versucht hat, einfordern und nicht ausgeschlossen bleiben, weil sie die Verantwortung ein wenig zu diffundieren, muss man meinen: Ich bekomme doch eh nichts . klar sagen, wo sie lag . Die Ablehnung war im Kern bei CDU, CSU und natürlich auch der FDP begründet . Es ist Ich glaube, dieses Thema sollten wir uns noch ein- jetzt so, dass es einer europäischen Gesetzgebung bedurft mal anschauen – erreicht dieses neue Recht wirklich die hat . Man muss, wenn Sie sich immer wieder mit Blick Menschen? –, damit das Ziel, das wir offensichtlich jetzt auf Europa als Verteidiger der deutschen Kleinsparer ge- alle teilen, dass möglichst alle Menschen in Deutschland rieren, doch deutlich machen: Es ist das Europäische Par- Zugang zu bargeldlosem Zahlungsverkehr haben, wirk- lament, es ist die Europäische Kommission gewesen, die lich in der Praxis verwirklicht wird . Dann können wir Sie dazu zwingen, endlich einmal für die kleinen Leute in in einigen Monaten sehen, dass die Zahl der Menschen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14779

Dr. Gerhard Schick (A) ohne Girokonto, der Menschen, die abgewimmelt wer- ten damals die Meinung, dass der Verbraucherschutz in (C) den, massiv sinkt, und können sagen: Das Ziel, das wir Deutschland durch systemimmanente, kleingewachsene alle proklamieren, ist wirklich erreicht und steht nicht nur Strukturen gewährleistet wird . Das sehen wir im Apothe- im Gesetzblatt . kenbereich, das sehen wir im Bereich des Handwerks, und das sehen wir auch bei den Regionalbanken . Vielen Dank . Ich komme zu den Sparkassen . Was ich schon gern (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte, ist, dass die europäische Ebene nicht die Sparkas- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) sen, die bisher diese Leistungen erbracht haben, an den Pranger stellt, indem sie regelmäßig in dem Bereich re- Präsident Dr. Norbert Lammert: guliert .– Da brauchen Sie nicht mit dem Kopf zu schüt- Alexander Radwan hat nun das Wort für die CDU/ teln, Frau Maisch . CSU-Fraktion . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU) NEN]: Das hat mit dem Thema gar nichts zu tun! Die Sparkassen machen es doch schon seit langem!) Alexander Radwan (CDU/CSU): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Prä- – Eben! sident! Es wurde ja schon sehr viel zum Thema gesagt, (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zur Richtlinie zu den Bankkonten, die 2013/2014 auf eu- NEN]: Jetzt werden auch die anderen Institute ropäischer Ebene auf den Weg gebracht wurde und die gezwungen! Aber nicht von Ihnen, sondern wir nun umsetzen . Lassen Sie mich zu Beginn, nachdem von Brüssel!) Herr Kollege Dr .Schick sehr ausgiebig auf die europä- ische Ebene eingegangen ist, ebenfalls einen Verweis Sie äußern genau den Gedanken in sehr kurzer Form . In darauf machen . Auf europäischer Ebene wurde dieses anderen Bereichen Europas gibt es so etwas nicht . Thema sehr lange diskutiert, und man war der Meinung: (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Eine solche Richtlinie ist notwendig, weil der Zugang der NEN], an die CDU/CSU gewandt: Er hat es Menschen zu Konten in den Mitgliedstaaten der Europäi- leider nicht verstanden! – Gegenruf der Abg . schen Union schlicht und ergreifend sehr unterschiedlich [CDU/CSU]: Sie offensicht- geregelt ist, weil auch die Bankenstruktur in Europa sehr lich auch nicht!) unterschiedlich ist . Die Sparkassen haben es gemacht . (B) Wir in Deutschland haben – zumindest formell be- (D) trachtet – eine Struktur mit kleinen Regionalbanken; Auf europäischer Ebene wird jetzt wieder eine Har- jede Fraktion nimmt für sich in Anspruch, für die klei- monisierung vorgenommen . nen Regionalbanken zu sein . Dann gibt es das britische (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Bankensystem . Wir wissen: In Großbritannien, in Irland, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir hier eine in anderen Staaten war der Zugang der Menschen zu ei- Anti-EU-Debatte, oder wie?) nem Bankkonto angesichts der dortigen Bankenstruktur erheblich schlechter gewährleistet . Darum wurde auf eu- Das führt zu einem Kahlschlag auf voller Bandbreite . ropäischer Ebene diese Richtlinie auf den Weg gebracht . (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Es gibt in Deutschland – Staatssekretär Meister und NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn hier der Kollege Hauer haben darauf hingewiesen – eine Selbst- Kahlschlag? Können Sie das mal erklären?) verpflichtung der Banken und Sparkassen. Dank der Herr Präsident? Sparkassen gibt es in Deutschland eine erheblich bessere Versorgung mit Konten für jedermann als in anderen eu- ropäischen Staaten . Präsident Dr. Norbert Lammert: Lassen Sie dazu eine Zwischenfrage zu? (Beifall bei der CDU/CSU) Einen Punkt kann ich mir da nicht verkneifen – es geht Alexander Radwan (CDU/CSU): um den Trugschluss europäischer Gesetzgebung –: Wenn Ja . auf europäischer Ebene durch Binnenmarktgesetzge- bung, Finanzmarktregulierung und Maßnahmen in vielen

anderen Bereichen auf der einen Seite harmonisiert und Präsident Dr. Norbert Lammert: damit Kahlschlag betrieben wird, weil systemimmanente Bitte schön . Strukturen nicht berücksichtigt werden – – Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es gab doch trotzdem 1 Million Leute Herr Kollege Radwan, Ihnen ist sicherlich wie mir be- ohne Konto!) kannt, dass für die Sparkassen Gesetze gelten und dies Landesgesetze sind . Ich möchte Sie, wenn Sie nicht da- – Lassen Sie mich doch bitte erst mal den Gedanken zu rüber informiert sind, darüber in Kenntnis setzen, dass Ende führen . Ich kann Ihnen genügend Beispiele nen- beispielsweise das Land Berlin ein Sparkassengesetz nen . Sogar die Grünen im Europäischen Parlament teil- hat und die Grünen beantragt haben, darin das Konto für 14780 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Lisa Paus (A) jedermann aufzunehmen, es aber nicht aufgenommen wir verstärkt darüber diskutieren müssen, ob jemand von (C) wurde . Nach meinem Wissen gibt es maximal ein oder einer traditionellen Bank zu einer im digitalen Bereich zwei Bundesländer, in denen das Konto für jedermann tätigen Bank wechselt . Es ist sehr wichtig, zu schauen, im Sparkassengesetz steht . Es wurde auch von den Spar- inwieweit diese Möglichkeit vorhanden ist und inwie- kassen massiv bekämpft, dass das Konto für jedermann weit ein Systembruch notwendig ist oder nicht . verankert wird . Deswegen ist das, was Sie gerade gesagt haben, schlichtweg nicht richtig . Ich begrüße sehr stark den Vorstoß zum Thema Ent- gelttransparenz . Ich möchte an die Finanzwirtschaft die Alexander Radwan (CDU/CSU): mit einer Kritik verbundene Bitte richten: Natürlich gibt Das eine ist die gesetzliche Regelung, Frau Kollegin . es unterschiedliche Produkte, die unterschiedliche Be- Das andere ist die Selbstverpflichtung zu einem Basisgi- standteile aufweisen, aber wichtig ist – das ist schon sehr rokonto, einem Bürgerkonto . Da waren die Sparkassen lange Thema –, eine einfache Information zu geben, eine nach meinem Kenntnisstand in Deutschland und sogar Information, die Produkte relativ schnell vergleichbar in Europa Vorreiter . Oder wollen Sie das infrage stellen? macht . Wenn man dann immer auf verschiedene Pake- te verweist, kann man natürlich gut in die Irre führen . Die Finanzwirtschaft hat die Chance, entsprechende Vor- Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schläge zu machen . Bis jetzt habe ich hierzu leider keine Ja . Vorschläge gesehen .

Alexander Radwan (CDU/CSU): Die Geldwäscherichtlinie und -verordnung wurden Dann haben wir halt einen Dissens . Die Sparkassen erwähnt . Ich halte den Aspekt, den der Staatssekretär im waren hier beispielhaft . Hinblick auf die Geldwäscheverordnung erwähnt hat, für Ich erwähne es deswegen, weil Sie von der Oppositi- richtig . Trotzdem sollten wir in der weiteren Beratung on – das ist der Punkt, auf den ich hinaus will – den Ge- gerade vor dem Hintergrund der Terrorismusfinanzierung setzentwurf zur Einlagensicherung begrüßt haben – ent- und der in Europa und weltweit aufkommenden höheren schuldigen Sie, dass ich jetzt kurz zur Einlagensicherung Sensibilität dazu kommen, dass wir auch andere Rechts- komme –, der gerade diese Struktur der in der Region gebiete prüfen . Wir wollen nicht, dass durch ein Gesetz verwobenen, verbrauchernahen Institute, die sehr ver- für einen Bereich in anderen Rechtsbereichen zusätzliche braucherfreundlich ist, gefährdet . Sie begrüßen es, diesen Gefährdungen entstehen . Man muss sich anschauen, in- Weg der europäischen Ebene zu gehen, aber wir kriti- wieweit eine entsprechende Problematik besteht, Stich- sieren das . Wir wollen bestehende bürgernahe Strukturen wort: USA, bzw . inwieweit wir Gefährdungen mit gutem (B) schützen und aufrechterhalten . Gewissen ausschließen können . (D) (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Ich begrüße es sehr, dass wir die Richtlinie jetzt um- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch ein- setzen . Sie stammt übrigens aus dem Jahr 2013/2014 . mal zum Thema!) Damals hatten wir nicht die jetzt aktuelle Situation mit – Nein, das ist für mich ein Thema . Sie gehen den Weg den Flüchtlingen . Die BaFin hat aus meiner Sicht völlig in Richtung eines einheitlichen europäischen Breis . Sie zu Recht für Erleichterung beim Zugang zu Konten ge- begrüßen das . sorgt . Das ist zu begrüßen . Wir müssen das aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Umsetzung der Geldwä- (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- scherichtlinie und der Geldwäscheverordnung entspre- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll denn dieser chend handhaben . nationalistische Einschlag?) Sie wollen eine einheitliche europäische Regulierung, Einen letzten Aspekt kann ich mir nicht verkneifen . die bewirkt, dass die Großen mit den Kleinen gleichge- Vorhin wurde darüber geredet, dass wir für die neuen Re- setzt werden, wie bei der Einlagensicherung, wie bei der gelungen Werbung machen müssen . Viele Redner haben Bankenunion . Sie sagen: Wir brauchen einheitliche Re- zu Recht betont, wie wichtig ein Konto ist, um am sozi- gelungen, mit denen die Großen mit den Kleinen auf eine alen Leben in Deutschland teilhaben zu können . Das be- Ebene gesetzt werden . – Das wollen wir genau nicht . trifft die Miete, den Arbeitsvertrag und andere Bereiche . (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Jens Aber wenn der Druck so groß ist – und das ist unter al- ­Zimmermann [SPD]: Wir wollen, dass jeder len Fraktionen unbestritten –, dann ist, glaube ich, keine ein Konto bekommt! Das wollen wir doch!) Werbung notwendig . In diesem Zusammenhang sind drei Bereiche genannt Es ist schlicht und ergreifend so, dass mit diesem Ge- worden . Das Basiskonto wurde erwähnt . Dann ist der setz ein gangbarer Weg gegangen wird . Ihn werden wir Wechsel zwischen Banken zu nennen . Das ist ein gutes jetzt mit den Beratungen eröffnen . Ich denke, wir werden Ziel, ein Ziel, das den Wettbewerb stärkt . Wir werden am Schluss ein gutes Gesetz hinbekommen . darüber diskutieren, inwieweit wir es zukünftig mit ei- nem Systembruch zu tun haben; denn die Digitalisierung Besten Dank . schreitet hier voran . Zukünftig wird es nicht um die Fra- ge gehen, ob einer beispielsweise von der Sparkasse zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- einer Genossenschaftsbank wechselt . Vielmehr werden ordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14781

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: kein Konto für alle an, weil uns in den USA Ärger drohen (C) Nächster Redner ist der Kollege Jens Zimmermann könnte . – Das halte ich für nicht gerechtfertigt . für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben vorgestern im Finanzausschuss auch die- Dr. Jens Zimmermann (SPD): ses Thema diskutiert. Ich finde es erstaunlich, dass die- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie jenigen, die dieses Argument vorbringen, auf die Frage: mich nach der Rede des Kollegen Radwan noch einmal „Welche Gesetze stehen dem denn entgegen?“ mit gro- klarstellen, was wir eigentlich wollen und warum wir die- ßem Schweigen antworten . Das zeigt mir, dass das ein ses Gesetz machen: Wir wollen ein Konto für alle, darum vorgeschobenes Argument ist, um dieses Konto nicht an- geht es heute Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen . bieten zu müssen . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir als SPD-Fraktion werden in den anstehenden DIE GRÜNEN) Verhandlungen und in der Anhörung sehr genau darauf achten, dass wir uns um die Dinge kümmern, die wirk- Über alle anderen Nebenkriegsschauplätze werden wir lich wichtig sind: Am Ende sollen alle Menschen Zugang uns noch in anderen Debatten austauschen können . zu einem Basiskonto erhalten . Diese Manöver zielen nur Es ist angesprochen worden: Ohne Konto steht man darauf, ökonomisch vermeintlich uninteressante Kunden im Alltag vor vielen Problemen, sei es bei der Miete, sei nicht bedienen zu müssen . Das werden wir verhindern . es im Beruf . Aber ich will auch noch einmal auf einen Ich will auch eines sagen: Einer der bekanntesten Un- Bereich bzw . eine Personengruppe eingehen, die im- ternehmensgründer der USA, ein Milliardär, hat syrische mer größer wird: Das sind die Geflüchteten, die wir in Eltern gehabt: Das war Steve Jobs . Vielleicht sollte sich Deutschland haben . Wir müssen uns doch fragen: Ist es die eine oder andere Bank einmal Gedanken darüber ma- wirklich sinnvoll, dass sie ganz viele Geschäfte mit Bar- chen, ob nicht der zukünftige Steve Jobs und damit ein geld abwickeln müssen? Ist es sinnvoll, dass sie auf Pre- potenter Kunde heute unter diesen vermeintlich ökono- paidkarten usw . ausweichen müssen? Aus Gesprächen misch uninteressanten Kunden ist . mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Land- rätinnen und Landräten weiß ich, welchen Aufwand das Vielen Dank . Hantieren mit großen Bargeldsummen für die Behörden und Ämter bedeutet . Auch in einer Unterkunft mit nur (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Antje 100 Leuten machen kleine Beträge am Ende große Sum- Tillmann [CDU/CSU]) (B) men aus . Ich glaube, es kann nicht in unserem Interesse (D) sein, dass diese Menschen auch langfristig alles nur bar Präsident Dr. Norbert Lammert: abwickeln können . Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist (Beifall bei der SPD sowie des Abg . die Kollegin Mechthild Heil für die CDU/CSU-Fraktion . Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN])

Als jemand, der sich sehr intensiv mit dem Thema Mechthild Heil (CDU/CSU): Geldwäsche beschäftigt, will ich an dieser Stelle eines Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ganz klar sagen: Unser Ziel muss es sein, dass möglichst Kollegen! Die Zeiten, in denen man am Ende des Monats viele Menschen ihre Geschäfte elektronisch abwickeln, sein Gehalt in einer Lohntüte bekommen hat, sind wirk- über regulierte Konten, weil wir dadurch die Möglich- lich schon lange vorbei . Schon seit 1957 kann man sein keit haben, entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen und Gehalt auf ein Girokonto überweisen lassen . Wir haben Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zu es heute schon mehrfach gehört: Die Miete, der Strom, finden. Also ist das Konto für alle eben gerade nichts, aber auch der Vereinsbeitrag und vieles andere mehr wer- was der Geldwäsche Vorschub leistet, sondern ein Instru- den heute nicht mehr bar bezahlt . Ein eigenes Konto und ment zur Geldwäschebekämpfung . eine eigene Zahlkarte sind heute eine Selbstverständlich- (Beifall bei der SPD) keit . Ich glaube, die jungen Leute auf der Tribüne können sich das gar nicht anders vorstellen . Dazu kommen natür- An dieser Stelle will ich auf die Bedenken eingehen, lich neue Tendenzen: der wachsende Internethandel, aber die von einigen Banken jetzt ins Feld geführt werden . auch die Digitalisierung der Verwaltungen . Egal ob Sie Über diese Bedenken muss ich mich sehr wundern . Un- Steuern zahlen, Steuern nachzahlen, Steuern zurückbe- sere deutschen Banken in den USA – die USA sind als kommen oder zum Beispiel Hartz IV bekommen, eigent- Problemfeld explizit angesprochen worden – haben doch lich geht alles bargeldlos . ein wesentliches Problem: Sie werden in den USA von einem Prozess zum nächsten gezerrt, weil sie sich nicht Im meinem Landkreis Mayen-Koblenz – immerhin an die dortigen Gesetze gehalten haben. Ich finde es – das der größte Landkreis in Rheinland-Pfalz – gibt es heute muss ich schon sagen – billig, wenn diese Probleme, die keinen Hartz-IV-Empfänger mehr, der kein Konto hat . Er deutsche Banken mit den Strafermittlungs- und Strafver- ist schwarz regiert . Ich sage Ihnen: Wenn man sich ein folgungsbehörden in den USA haben, jetzt herangezogen bisschen darum gekümmert hat, war das Konto für alle werden, um zu sagen: Vielleicht bieten wir lieber doch auch schon in der Vergangenheit möglich . 14782 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Mechthild Heil (A) Die Tendenz zum bargeldlosen Zahlen ist steigend . In marktüblich und verhältnismäßig sein. Ich finde es rich- (C) den Supermärkten und auch an der Tankstelle wird bar- tig, dass es nicht kostenlos ist . Die Bedingungen für das geldlos gezahlt . Ich gehöre zu denjenigen, die das Zahlen Basiskonto dürfen nicht schlechter sein als die bei ande- mit Bargeld nicht abschaffen wollen . Ich bin nach wie ren Zahlungskonten des gleichen Institutes . vor dafür, dass man Bargeld verwendet, und ich finde, Ein Basiskonto – das möchte ich an dieser Stelle auch dass es in Deutschland eine gute Entwicklung ist, dass ganz klar sagen – ist keinesfalls ein Freifahrtschein zum man weiterhin Bargeld benutzt . Aber ich will natürlich Leben auf Pump . Denn es besteht lediglich ein Recht auf nicht, dass manche Verbraucher auf Bargeldgeschäfte ein Guthabenkonto . Das Recht auf einen Kredit oder auf beschränkt werden, weil sie kein Konto haben können . einen Disporahmen hat man damit nicht . Es geht also Bislang – wir haben das schon erwähnt – haben die wirklich nur um die Grundfunktionen eines Kontos . Al- Sparkassen diese Lücke geschlossen, wenn auch nicht les andere ist freiwillig: Überziehungskredite müssen in allen Bundesländern . Sie haben vollkommen recht: nach wie vor frei zwischen der Bank und dem Kunden Auch da ist Berlin ein Negativbeispiel; hier haben die ausgehandelt werden . Wenn es dann zu Problemen mit Sparkassen ihre Aufgabe nicht übernommen . Die Euro- dem Kreditinstitut kommt, kann der Kunde sich auf drei päische Union sagt, dass 1 Million Menschen bei uns in Wegen Hilfe suchen: Deutschland kein Konto haben; wir gehen von 700 000 Erstens . Er kann sich an die BaFin wenden . Die Bun- oder 600 000 Menschen aus . Ich will mich über die Zah- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann dann len gar nicht streiten . Es sind auf jeden Fall eine Menge als zuständige Behörde den Anspruch des Verbrauchers Menschen zu viel, die kein eigenes Konto haben . Manch auf ein Basiskonto mit den Mitteln eines Verwaltungsak- einer von denen will gar kein Konto; diesen Menschen tes durchsetzen, natürlich nur, wenn auch keine Ableh- wollen wir auch kein Konto aufzwingen . Aber das ist nungsgründe vorliegen . kein Grund, es denjenigen zu verweigern, die Zugang zu einem Konto benötigen . Zweitens . Wie immer kann der Verbraucher den or- dentlichen Rechtsweg beschreiten . Deshalb begrüße ich es, dass wir heute in der ersten Lesung dieses Zahlungskontengesetz auf den Weg brin- Drittens . Er kann sich für eine alternative Streitbeile- gen . Die Frage ist natürlich: Wer hat jetzt ein Recht, ein gung – wir sprechen von Schlichtungsstellen – entschei- solches Basiskonto zu eröffnen? Das ist jeder Verbrau- den . Die Schlichtungsverfahren, die dann bei der BaFin cher mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Europäi- angesiedelt sind, sind für den Kunden kostenlos . schen Union . Das sind erstmals aber auch Personen ohne Sie sehen daran, meine Damen und Herren: Wir festen Wohnsitz . Das sind alle Asylsuchenden sowie schreiben nicht einfach nur die Ziele in ein Gesetz hi­ (B) Personen ohne Aufenthaltstitel, die aber aus rechtlichen nein, nein, wir sorgen auch dafür, dass die Verbraucher (D) oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden ihr Recht auch wirklich durchsetzen können . können . Und ein weiteres Thema packen wir an: Wir erleich- Bereits 1995 haben sich die Banken in Deutschland tern den Wechsel zwischen den Kreditinstituten . Bisher selbst zu der Einrichtung eines sogenannten Jeder- war es wirklich eine große Arbeit und war mit gewis- mann-Kontos verpflichtet. Das ist 20 Jahre her. Einige sen Hürden und Mühen verbunden, die Bank zu wech- Banken sind dieser Selbstverpflichtung nachgekommen, seln; der eine oder andere von uns oder von Ihnen wird aber viel zu viele haben sich in diesem Bereich nicht en- es schon einmal gemacht haben . Das soll jetzt leichter gagiert . Auch wenn jetzt in Deutschland verhältnismäßig werden . Dass Lastschriften, Auf- und Abbuchungen und viele Menschen ein eigenes Konto haben – wir haben die Daueraufträge einzeln geändert und übertragen werden Zahlen gehört –, muss ich ganz ehrlich sagen: Das En- mussten, das ändern wir nun . Künftig wird die übertra- gagement der gesamten Branche hat nicht ausgereicht . gende Bank verpflichtet, Lastschriften und dergleichen Ehrlich gesagt, ich finde es schade, dass gerade eine an die empfangende Bank zu melden . Ich gehe wirklich Branche, die immer mehr und manchmal – auch das sage davon aus, dass wir mit diesem Mittel bald deutlich mehr ich – durchaus berechtigt über zunehmende Reglemen- unzufriedene Kunden dazu bewegen können, von dem tierung lamentiert, in diesen 20 Jahren keine Kraft hatte, Recht Gebrauch zu machen und die Bank zu wechseln . eine solche Selbstverpflichtung umzusetzen. Das ist gut so; denn das erhöht noch einmal den Wettbe- Deshalb bessern wir als Gesetzgeber jetzt nach, und werb unter den Banken . zwar auch – Sie haben recht – mithilfe der Europäischen Den Wettbewerb zwischen den Banken zugunsten der Union . Wir bessern so nach, dass alle Institutsgruppen – Verbraucher fördern wir auch beim Thema „Vergleich- dies wurde übrigens schon im Koalitionsvertrag verein- barkeit von Zahlungsentgelten“ . Wie kommt – auch das bart – in angemessener Weise beteiligt sind . Das geht war vorhin schon die Frage – der Kunde an diese Infor- nicht ohne gewisse Eingriffe in die Vertragsfreiheit der mationen? Klar, zuerst einmal ist die Bank in der Ver- Banken . Ein Konto für alle bedeutet dann eben auch für pflichtung – das haben wir auch schon geregelt –, die In- alle und nicht nur für den, den sich die Bank aussucht . formationen an den Kunden zu geben . Aber gleichzeitig können Verbraucher auch auf einer zertifizierten Websei- Was muss ein Basiskonto alles können? Wir haben es te – zumindest wollen wir das so – diese Informationen schon gehört: Überweisungen sowie Barein- und -aus- in Zukunft abrufen . zahlungen müssen möglich sein, man muss Lastschriften tätigen können, und natürlich müssen auch Kartenzah- Insgesamt kann ich sagen: Das wird ein gelungenes lungen möglich sein . Die Kosten müssen angemessen, Gesetz, wenn wir es dann nach der dritten Lesung verab- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14783

Mechthild Heil (A) schiedet haben . Auch mit diesem Gesetz steht die CDU/ kommt . Es ist endlich an der Zeit, dass die Große Koa- (C) CSU für klare Kundeninformation . Wir stehen für mehr lition, dass ihr zuständiger Minister aufhört, diese wis- Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten, und wir stär- senschaftlichen Erkenntnisse zu ignorieren . Handeln Sie ken auch hier einmal wieder die Marktmacht der Ver- endlich; denn es ist überfällig! braucher . Ein guter Schritt in Richtung „Verbraucher auf Augenhöhe“ . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank . Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sogar noch schlimmer . Was hat denn die Bundesregierung trotz (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- dieser Erkenntnis getan? Sie hat das Gegenteil von dem ordneten der SPD) getan, was notwendig ist, und hat in Brüssel mit ihrer ganzen Lobbykraft darauf hingewirkt, dass die Zulas- Präsident Dr. Norbert Lammert: sung für Glyphosat noch einmal um volle zehn Jahre ver- Ich schließe die Aussprache . längert wird . Das ist angesichts dieser Erkenntnisse mehr als skandalös . Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- wurfes auf Drucksache 18/7204 an die in der Tagesord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es sowie bei Abgeordneten der LINKEN) dazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich in Brüssel umhört, dann beschleicht einen der Verdacht, Dann kann ich nun Tagesordnungspunkt 18 aufrufen: dass das überhaupt nichts mit wissenschaftlicher Er- Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald kenntnis zu tun hat und auch nicht allein mit der Lobby- Ebner, , Nicole Maisch, weiterer kraft der Agroindustrie oder der deutschen Bundesregie- Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ rung, sondern dass das schon ein peinlicher Vorgriff auf DIE GRÜNEN die TTIP-Verhandlungen ist; denn in den USA wird Gly- phosat noch umfangreicher verwendet als in Deutsch- Pestizide reduzieren – Mensch und Umwelt land . Glyphosat kommt bei uns – zum Glück – nur zum schützen Einsatz, bevor die Nutzpflanzen keimen; denn es ist ein Drucksache 18/7240 Totalherbizid, das nach der Ernte eingesetzt wird . Aber in den USA gibt es gentechnisch veränderte, herbizidre- Überweisungsvorschlag: sistente Pflanzen. Auch in anderen Ländern wie Brasilien Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Gesundheit und Argentinien werden in großem Umfang glyphosatre- (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­ sistente Pflanzen eingesetzt. Deshalb liegt der Verdacht (D) sicherheit auf der Hand, dass Sie bereits im Vorfeld der Verhandlun- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch gen wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und sich für diese Aussprache 77 Minuten vorgesehen .– Das hier entsprechend dem Diktat unterwerfen . scheint einvernehmlich zu sein . Also können wir so ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – fahren . [CDU/CSU]: Jetzt wird Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen es gerade langsam spanisch! – Anton Hofreiter für die Antragsteller das Wort . [CDU/CSU]: Konstruiert! Verdammt konstru- iert!) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Bittere ist, dass der Pestizidverbrauch in Deutsch- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und land trotz der problematischen Auswirkungen auf Natur Kollegen! Glyphosat ist das am häufigsten in Deutsch- und Gesundheit steigt . Wir sind inzwischen bei einem land verwendete Ackergift . Allein 5 Millionen Liter des Pestizideinsatz von über 100 000 Tonnen pro Jahr . Das reinen Wirkstoffes werden Jahr für Jahr auf unsere Felder sind umgerechnet 270 Tonnen, die täglich auf unsere Fel- und Äcker ausgebracht . Die WHO, die Weltgesundheits- der und Äcker gespritzt werden . organisation, hat in ihrer jüngsten Untersuchung Glypho- sat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft . Das ist ( [BÜNDNIS 90/DIE die zweithöchste Stufe, die die WHO überhaupt kennt . GRÜNEN]: Skandalös!) Wenn man weiß, wie vorsichtig, wie konservativ, wie Diese Gifte sind nicht nur krebserregend, sondern auch zurückhaltend die WHO bei diesen Einstufungen agiert, hormonschädigend . Da sie interagieren und sich ihre Ef- dann heißt das: Glyphosat ist nach menschlichem Ermes- fekte addieren und multiplizieren, sind viele der gesund- sen in Wirklichkeit krebserregend . heitsschädlichen Auswirkungen schwer abzuschätzen; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das ist noch nicht erforscht . Sorgen Sie deshalb nach dem Vorsorgeprinzip endlich dafür, dass diese Gesundheits- Glyphosat findet sich inzwischen in den Körpern vie- schäden ausbleiben, dass diese Schweinereien abgestellt ler Menschen, nicht nur derer, die in der Nähe von Äckern werden! wohnen, sondern auch derer, die in den Innenstädten bei- spielsweise von München oder Berlin wohnen . Woran (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – liegt das? Das liegt schlichtweg daran, dass Glyphosat Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Angstprin- vom Acker in die Lebensmittel und so in unsere Körper zip ist das!) 14784 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Dr. Anton Hofreiter (A) Nehmen wir als Beispiel Äpfel . Äpfel sind ein ei- nen Landwirtschaftsminister in den Bundesländern Tag (C) gentlich hervorragendes und gesundes Obst, das bei uns für Tag . einheimisch ist . Äpfel werden bei uns bis zu 24-mal mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – 17 unterschiedlichen Mitteln gespritzt . Es ist daher über- Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ haupt nicht erstaunlich, dass konventionelles Obst zum CSU) Teil 350-mal höher belastet ist als Bioobst . Und was unternehmen Sie? Was tun Sie, um die Verbraucher zu Eine Agrarwende müsste aber vonseiten der Bundes­ schützen? ebene unterstützt werden . Da gibt es aber leider keinerlei Unterstützung . Sie stellen sich ja gerne als Lobbyisten (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE der Landwirte dar . Wenn also wenigstens die Landwirte GRÜNEN]: Gar nichts!) von Ihnen profitieren würden! Aber was zeigen uns die Zahlen? Die Anzahl der Bauernhöfe nimmt ganz massiv Jetzt können wir natürlich sagen: Der Verbraucher kann ab . Deshalb: Noch nicht einmal den Landwirten nützt Bio kaufen .– Ja, der Verbraucher kann Bio kaufen . Das Ihre Politik . kann man ihm insbesondere bei Obst nur raten . Aber Sie tun ja auch nichts dafür, dass der Bioanbau zunimmt . Bei Präsident Dr. Norbert Lammert: den konventionellen Lebensmitteln lassen Sie den Ver- braucher alleine . Das ist das Gegenteil von verantwor- Herr Kollege . tungsvollem Verbraucherschutz . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hören Sie deshalb endlich damit auf, die Augen da- und bei der LINKEN) vor zu verschließen, dass der Pestizideinsatz zunimmt, die Arten aussterben und wir Jahr für Jahr weniger Land- Bitter ist auch: Sie ignorieren nicht nur die Erkennt- wirte haben! Steuern Sie endlich um! Sorgen Sie endlich nisse der WHO, sondern auch die Erkenntnisse des Bun- für eine funktionierende Agrarwende! Sorgen Sie endlich desamtes für Naturschutz . In Deutschland ist inzwischen für eine grüne Landwirtschaftspolitik zugunsten der Ver- jede dritte Tier- und jede dritte Pflanzenart vom Aus- braucher, zugunsten der Landwirte und zugunsten unse- sterben bedroht . Damit zerstören Sie unsere natürliche rer Natur! Vielfalt . Anders formuliert – wenn Sie es gerne christlich haben –: Sie zerstören damit die Schöpfung . Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE (B) GRÜNEN]: So ist es!) (D) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das sollte Ihnen als CDU/CSU doch etwas bedeuten . Hermann Färber erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion . (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die vergessen!) (Beifall bei der CDU/CSU)

Jede dritte bei uns lebende, natürlich vorkommende Art Hermann Färber (CDU/CSU): ist vom Aussterben bedroht . Pestizide tragen einen er- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- heblichen Teil dazu bei . Sie aber sind zu feige oder zu ren! Ich teile die Ansicht meines Vorredners definitiv ignorant, daran etwas zu ändern . nicht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) NEN]: Ups! – Dr .Anton Hofreiter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mich jetzt In gewisser Hinsicht ist nachvollziehbar, dass Sie sich aber erstaunt!) nicht an dieses Thema herantrauen; denn allein BASF Sehr geehrter Herr Hofreiter, ich kam aus dem Staunen und Bayer machen mit Pestiziden 13 Milliarden Euro nicht mehr heraus, als ich Ihnen zugehört habe . Ihnen Umsatz . Da müsste man natürlich den Mut haben, sich dürfte in Sachen Verbraucherschutz schon bekannt sein, mit der Agroindustrie auseinanderzusetzen und zu sagen: dass in Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung auf Bun- Wir haben die Erwartung, dass ihr innovative Produkte desebene Ihre Fachministerin eine Genehmigung für Im- herstellt, aber nicht Produkte, die die Gesundheit der portlebensmittel unterzeichnet hat, die 300-mal höhere Menschen und die natürliche Artenvielfalt gefährden . – Rückstände an Pestiziden aufweisen, als es in Deutsch- Deshalb sage ich: Trauen Sie sich endlich an entspre- land zulässig ist . Ich wollte Ihnen das nur sagen . Viel- chende Regelungen heran! Sie haben hier doch 80 Pro- leicht haben Sie das ja aus den Augen verloren . zent . Trauen Sie sich also irgendwann auch einmal etwas! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE sowie bei Abgeordneten der LINKEN) GRÜNEN]: Herr Färber, mich würde interes- sieren, was jetzt irgendeinem Verbraucher in Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine andere Land- irgendeinem Land heute nützt, das, was vor wirtschaftspolitik wäre möglich . Das beweisen die grü- 10, 15 Jahren war!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14785

Hermann Färber (A) – Weiter möchte ich auf Ihre Rede jetzt nicht eingehen . haltenen schädlichen Stoffe solch einen natürlichen Ur- (C) Das, was Sie gesagt haben, spricht für sich . Sie haben sprung haben . Nur 0,01 Prozent kommen aus künstlichen aber natürlich wie auch ich das Recht, sich hier zu äu- Quellen . ßern . Erst kürzlich hat das Bundesamt für Verbraucher- Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen schutz und Lebensmittelsicherheit in 56 Prozent aller macht eines ganz deutlich: Chemische Pflanzenschutz- untersuchten Honigproben Alkaloide gefunden, die für mittel sind heute so gut und so erfolgreich, dass sich nie- den Menschen giftig sind . Ihnen von den Grünen war das mand mehr vorstellen kann, wie das Leben war, als es aber keine Warnung wert . Ich gehe davon aus, dass der diese Mittel noch nicht gegeben hat . Ein solcher Antrag Grund dafür ist, dass die Quelle dieser Alkaloide eben wäre völlig undenkbar, wenn heute noch die Erinnerung kein Industrieunternehmen ist, das man an den Pranger daran lebendig wäre, wie früher ganze Landstriche dem stellen kann . Man kann es nicht einmal dem Freihan- Hunger ausgeliefert waren, nur weil ein Pilz oder ein an- delsabkommen zuordnen, sondern es handelt sich um derer Pflanzenschädling die komplette Nahrungsgrundla- in der Natur wachsende Pflanzen wie etwa das Jakobs- ge zerstört hat, wie es in früheren Zeiten in Irland mit der kreuzkraut . Dadurch wird ganz klar: Auch der Verzicht Kartoffelfäule geschehen ist . auf Pflanzenschutzmittel kann die Gesundheitsgefahren Fakt ist: Die heutige Sicherheit und Qualität unserer erhöhen . Nahrungsmittelversorgung, die uns so selbstverständlich erscheinen, sind ohne chemische Pflanzenschutzmittel (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner definitiv nicht zu erreichen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das statistisch belegen, Herr Färber? Es gibt (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- keine Statistik, die das beweist!) NEN]: Oh, oh!) Das muss an dieser Stelle einfach gesagt werden . Es gibt Beispielsweise ist Getreide oft von Pilzerregern befal- auch heute Schädlinge, die letztendlich nur mit chemi- len, die dann ihrerseits wieder Mykotoxine ausscheiden . schen Mitteln bekämpft werden können . Ein Beispiel da- Diese Mykotoxine sind gesundheitlich sehr bedenklich . für ist die Kirschessigfliege, die im letzten Jahr zu mas- Ohne den Einsatz beispielsweise von Fungiziden würde siven Schäden im Obst- und Weinbau geführt hat . Zur diesen pflanzlichen Parasiten und damit auch der Bildung Bekämpfung dieses Schädlings schreibt der BUND Re- ihrer giftigen Stoffe nicht Einhalt geboten werden kön- gionalverband Südlicher Oberrhein auf seiner Webseite: nen . Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werden Für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gibt es (B) erforscht, sind aber noch längst nicht praxisreif . also sehr gute Gründe . Vor- und Nachteile müssen na- (D) türlich in jedem Einzelfall sorgsam abgewogen werden . Es gibt hier, wie in vielen anderen Fällen auch, eben kei- Das ist die korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips . ne wirksame Alternative zu chemischen Pflanzenschutz- Genau diese Abwägung aber findet offensichtlich bei mitteln . den Grünen schlichtweg nicht mehr statt . Das ist ebenso Ich stelle aber positiv fest: In dem Antrag der Grünen unwissenschaftlich wie unrealistisch und auch unverant- kommt der Begriff „Forschung“ zumindest noch vor . wortlich . (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Selbstverständlich müssen Pflanzenschutzmittel aus- Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie die reichend reguliert werden . Das werden sie aber heute zahlreichen Bemühungen dieser Bundesregierung dazu schon . Wir haben in Deutschland und in Europa eines zur Kenntnis genommen hätten . Ich erwähne hier nur der strengsten Regulierungssysteme der Welt . Es beruht die Förderung von Demonstrationsbetrieben für den inte­ auf mehreren Säulen: auf einem wissenschaftlich basier- grierten Pflanzenschutz, die Resistenzforschung und die ten Zulassungssystem für einzelne Wirkstoffe und Mit- Forschung an vorbeugenden und nichtchemischen Pflan- tel, einem Sachkundenachweis für die Landwirte, wel- zenschutzmaßnahmen . Dafür haben wir auch die not- che die Mittel anwenden, sowie auf Kontrollen über die wendigen Mittel im Bundeshaushalt eingestellt; denn wir sachgerechte Anwendung . In Deutschland gibt es genaue wollen den Landwirten Lösungen anbieten, die wirklich Anwendungsbestimmungen, wie viel von einem Mittel praxistauglich sind . Ich bin davon überzeugt: Das ist der in welchem Zeitraum mit welcher Ausbringungstechnik bessere Weg zu noch gesünderem und umweltverträgli- und mit wie viel Abstand zum Waldrand und zu Gewäs- cherem Pflanzenschutz als eine pauschale Verunglimp- sern ausgebracht werden darf . Diese hohen Standards fung . sind uns von der Union sehr wichtig . Ebenso wichtig ist uns die wissenschaftliche Basis des Zulassungsprozes- Im Antrag der Grünen wird es so dargestellt, als sei ses . ein Verzicht auf diese Mittel in jedem Fall und ohne jede Ausnahme besser und gesünder als ihre Anwendung . Ge- In diesem Zusammenhang will ich, auch wenn es Sie nau das ist eben falsch . Was vielen Verbrauchern nicht verwundert, Frau Renate Künast ausdrücklich loben . bewusst ist: Jedes pflanzliche Lebensmittel enthält auch natürliche Pestizide, die von den Pflanzen selbst herge- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- stellt werden . Der amerikanische Biochemiker Bruce SES 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner Ames ist bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wundert gekommen, dass 99,99 Prozent der in Lebensmitteln ent- uns gar nicht! Dazu gibt es Anlass!) 14786 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Hermann Färber (A) Frau Künast ist heute – ich sehe sie nicht – leider nicht ler diese Rechtssicherheit besteht, werden sie weiter in (C) da . Forschung und Entwicklung investieren, um noch zielge- nauere und noch umweltfreundlichere Produkte zu ent- (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE wickeln . Das liegt im Interesse von uns allen . GRÜNEN]: Der jetzige Landwirtschaftsmi- nister ist auch nicht da!) Pflanzenschutz ist für die Ernährung von 7 Milliarden Menschen auf dieser Erde unverzichtbar . Wir von der Wir haben sicherlich inhaltlich eine Reihe von Differen- CDU/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten weiter an kon- zen; aber die Gründung des Bundesinstituts für Risikobe- kreten Lösungen für konkrete Probleme . Aber ich bitte wertung war eine völlig richtige und sehr gute Entschei- Sie um Verständnis dafür, dass wir uns nicht an Stim- dung von Frau Künast . mungsmache und entsprechenden Kampagnen beteili- ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen . NEN]: Ihr wart doch dagegen! – Harald Ebner Herzlichen Dank . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union war damals dagegen!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Das BfR ist heute für seine Bewertungspraxis und seine ordneten der SPD) fachliche Arbeit international hoch anerkannt . Dafür be- danke ich mich auch bei den Mitarbeitern dieses Instituts . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU) Die Kollegin Karin Binder hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke . Es ist aber völlig inakzeptabel, wenn diese Mitarbeiter massivem Druck politischer Kampagnen ausgesetzt wer- (Beifall bei der LINKEN) den . Karin Binder (DIE LINKE): Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln sind in Euro- pa klar und streng geregelt . Jeder Hersteller, der ein Mit- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tel auf den Markt bringen will, benötigt zuerst eine Zu- Meine Damen und Herren! Obst und Gemüse sind wich- lassung des Wirkstoffs auf europäischer Ebene, die dann tige Bestandteile einer gesunden und ausgewogenen Er- nach zehn Jahren automatisch ausläuft und neu beantragt nährung . Umso schlimmer ist, dass immer mehr Rück- werden muss . Der Hersteller muss die Unschädlichkeit stände von Pflanzenschutzmitteln in unseren wichtigsten des Produkts für Umwelt und Gesundheit nachweisen . Lebensmitteln festgestellt werden . Dazu müssen die Hersteller den staatlichen Bewertungs- (Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Das stimmt (B) (D) behörden aufwendige Studien vorlegen . Es gibt die inter- doch gar nicht!) national festgelegten Standards guter Laborpraxis . Da- durch ist sichergestellt, dass diese Studien zu korrekten Deshalb ist es gut, dass wir heute durch den Antrag der und nachprüfbaren Ergebnissen führen . Diese Studien Grünen die Möglichkeit haben, die ernstzunehmenden werden dann von den staatlichen Bewertungsbehörden Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt zu behan- überprüft . Dieser Prozess läuft gerade bei Glyphosat . deln . Da bei dieser Zulassung auf europäischer Ebene nur (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- der reine Wirkstoff überprüft und zugelassen wird, ist neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) es völlig richtig, dass das Bundesinstitut für Risikobe- Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucher- wertung als Berichterstatter für die Europäische Union schutz und Lebensmittelsicherheit ist die Beanstan- eben nur solche Studien verwenden kann, die sich aus- dungsquote aufgrund von Grenzwertüberschreitungen schließlich mit diesem Wirkstoff befassen, nicht aber mit mit 1,4 Prozent der untersuchten Proben äußerst gering . kompletten Mischungen oder Beistoffen; denn die kom- Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich diese Angabe pletten Mischungen, mit allen Zusatzstoffen und Beistof- als höchst bedenkliche Verbrauchertäuschung . Tatsache fen, werden anschließend in einem zweiten Schritt auf ist: Die Beanstandungen sind so niedrig, nicht weil die nationaler Ebene geprüft und zugelassen . Wer dieses Ver- Schadstoffbelastung reduziert wurde, sondern weil die fahren des BfR kritisiert, der hat entweder schlicht und Grenzwerte vieler Pestizide in den vergangenen Jahren ergreifend den Prozess der Zulassung nicht verstanden immer wieder angehoben wurden . Auf Wunsch des Her- oder – naheliegender – will ihn einfach nicht verstehen . stellers Monsanto wurde zum Beispiel der Grenzwert für Wir halten auf jeden Fall an verlässlichen wissen- das vermutlich krebserregende Glyphosat im Jahr 2011 schaftlichen Standards fest . Sie sind die Basis sowohl für von 0,1 auf 10 Milligramm pro Kilogramm Körperge- korrekte Zulassungsverfahren als auch für korrekte Ver- wicht eines erwachsenen Menschen erhöht, also um das braucherinformation . Wir von der Union wollen wissen- Hundertfache . Da brauche ich mich nicht mehr zu wun- schaftsbasierte und rechtssichere Zulassungsverfahren . dern, dass ein Überschreiten der Grenzwerte kaum noch festgestellt wird . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels muss neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) auch in Zukunft allein von der wissenschaftlich nachge- wiesenen Unschädlichkeit für Umwelt, Anwender und Die Verbraucher nehmen also, während die Zahl der Verbraucher abhängen . Nur wenn auch für die Herstel- Beanstandungen mangels regelmäßiger Kontrollen sinkt, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14787

Karin Binder (A) unwissentlich und unbewusst immer mehr Gifte auf . Das Einsatz der Pestizide, der sogenannten Pflanzenschutz- (C) ist ein Skandal . mittel, muss drastisch reduziert werden .

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen Anbaumethoden entwickeln, die letztendlich Bestimmte Pestizide können das Gehirn schädigen, Par- ohne den Chemiecocktail auskommen . Das hat vielleicht kinson und Alzheimer fördern, die Fortpflanzung beein- seinen Preis, aber es nützt: Es schützt Umwelt und Ge- trächtigen oder Krebs auslösen . Besonders Kinder und sundheit und schafft vermutlich auch neue Arbeitsplätze . schwangere Frauen werden durch diese Gifte gefährdet . Dagegen müssen wir etwas tun . Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Hofreiter hat darauf hingewiesen: Allein Äp- Präsident Dr. Norbert Lammert: fel werden mit bis zu 17 unterschiedlichen Substanzen Rita Hagl-Kehl ist die nächste Rednerin für die behandelt, bevor sie in unserem Einkaufskorb landen . SPD-Fraktion . Diese Chemiecocktails und ihre Auswirkungen werden (Beifall bei der SPD) bisher jedoch kaum untersucht . Über viele Jahre nehmen wir täglich Substanzen auf, zwar in geringen Mengen, aber dafür viele unterschiedliche Stoffe . Wir essen jeden Rita Hagl-Kehl (SPD): Tag Gift . Danke schön .– Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von Bünd- Auch die Umwelt leidet . Viele Kleinstlebewesen ster- nis 90/Die Grünen haben für ihren Antrag einen Titel ge- ben durch diese Art von Pflanzenschutz. Sie verschwin- wählt, zu dem man schwer Nein sagen kann . den einfach . Das heißt, ein Teil der Nahrungskette ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weg . Bienen, die eigentlich Obstbäume bestäuben soll- sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . ten, werden durch Pestizide vergiftet oder geschwächt . Karin Binder [DIE LINKE]) Sie verlieren die Orientierung, fallen der Varroa-Milbe zum Opfer, und im Honig tauchen Rückstände auf . – Nicht zu voreilig klatschen .– Ich bin mir sicher, dass wir uns alle in unserer politischen Arbeit dafür einsetzen, (B) Wir haben aber auch noch ein anderes Problem . Der Mensch und Umwelt zu schützen . Wie man das tut und (D) Großteil der Rückstandsuntersuchungen wird von den ob die Herangehensweise dieses Antrages die richtige ist, Herstellern selbst vorgenommen . Das ist in etwa so, als ist eine andere Frage . dürfte der Autobesitzer die TÜV-Prüfung selbst durch- führen – alles auf Vertrauensbasis . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr . [DIE LINKE]: Oh! Das ist Zunächst möchte ich auf die Schwerpunkte der sozi- eine gute Idee!) aldemokratischen Agrarpolitik eingehen, die ich schon mehrmals im Plenum und im Ausschuss deutlich ge- Aber Spaß beiseite . Erzeuger stehen täglich im Kon- macht habe . Für uns steht der Schutz der Verbrauche- flikt zwischen ihrem Ertrag und dem Verbraucherschutz. rinnen und Verbraucher an erster Stelle . Wir wollen eine Die Händler nehmen nur noch Eins-a-Ware ab – das ist nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft, die auch im Übrigen eine rein optische Angelegenheit –, angeb- ressourcenschonend ist . lich, weil die Verbraucher es so wollen . Ich glaube das, ehrlich gesagt, nicht . Aber das ist eine andere Geschichte . (Beifall bei der SPD) Die Beachtung der Gesundheit von Menschen und Tieren Ich frage mich: Wie sollen die schädlichen Wirkstoffe sowie die Folgen für die Umwelt sind für uns ein wich- in Obst und Gemüse untersucht werden? Die amtlichen tiger Punkt . Wir wollen die Produktion von gesunden, Überwachungsbehörden jedenfalls sind seit Jahren chro- qualitativ hochwertigen und auch wettbewerbsfähigen nisch unterfinanziert, schlecht ausgestattet und haben zu Lebensmitteln . Ein verantwortungsvoller Umgang mit wenig Personal. Unangemeldete Kontrollen finden heute Pflanzenschutzmitteln, nachhaltiger Schutz der Gesund- kaum noch statt . Was dabei herauskommen kann, haben heit und die Fruchtbarkeit unserer Böden sind ausschlag- uns die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre ge- gebende Gründe dafür, dass wir uns sehr eingehend mit zeigt: Gammelfleisch, EHEC, Dioxin oder zuletzt der diesem Thema beschäftigt haben . Bayern-Ei-Skandal . Jetzt von der Theorie zur Wirklichkeit: Derzeit haben Mehr als 40 000 Tonnen Pestizide werden jährlich in wir in Deutschland trotz rechtlicher Vorgaben und hof- Deutschland auf den Feldern versprüht . Äpfel werden bis fentlich artgerechter Anwendung von Pflanzenschutz- zur Ernte mehr als 20-mal gespritzt . Wenn Labore heute mitteln überschrittene Rückstandshöchstgehalte in Ge- einen Apfel auf Pestizidrückstände untersuchen wollen, wässern und Lebensmitteln sowie Schäden an Bienen dann müssten sie bis zu 500 chemische Wirkstoffe be- und Wirbeltieren . Der intensive Einsatz von Pestiziden rücksichtigen . Das ist teuer . Es gibt nur eine Lösung: Der bewirkt eine anhaltende Abnahme der biologischen 14788 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Rita Hagl-Kehl (A) Vielfalt; auf diesen Punkt wird mein Kollege Carsten Das fördert auch die Akzeptanz in der Bevölkerung . Die (C) Träger noch näher eingehen . Wir wissen deshalb, dass Ausrichtung der Wissenschaft und der Beratung auf eine eine Reduktion dringend nötig ist, aber nicht ein allge- nachhaltige Landwirtschaft ist uns ein wichtiges Anlie- meiner Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Warum? Ziel gen . Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit unserem Koa- eines Pflanzenschutzmittels ist – das sagt schon die Be- litionspartner dafür mehr Fördermittel im Haushalt 2017 zeichnung – der Schutz einer Pflanze oder eines pflanz- bekommen . lichen Produkts vor Risiken und Gefahren durch andere Organismen . Wenn die Anwendung richtig erfolgt, dann (Beifall bei der SPD) haben wir einen Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren sowie einen Schutz des Naturhaushalts . Das Wir brauchen die Beschränkung des überflüssigen Problem ist oft die Anwendung . Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Wenn zum Bei- Welche Folgen hätte aber ein Verzicht auf Pflanzen- spiel Glyphosat zur Sikkation verwendet wird – das ist schutzmittel grundsätzlich? Da muss ich dem Kollegen noch immer möglich, wenn auch nur ausnahmsweise –, Färber ausnahmsweise recht geben dann ist es im Getreide und geht so in den Organismus des Menschen über . Wir brauchen des Weiteren eine (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stärkung der gezielten Erforschung sicherer Alternativen Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: und – das ist mir ein besonderes Anliegen – die Auswei- Die Betonung liegt auf „ausnahmsweise“!) tung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen in – wie Sie wissen, mache ich so etwas selten –: Wir wür- Deutschland, für die ein Anwendungsverbot von che- den damit befördern, dass noch mehr Produkte aus dem misch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gilt. Ausland zu uns kommen, also nicht erst mit TTIP, wie Herr Hofreiter vorhin meinte . Wir haben bereits viele (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Importe von Lebensmitteln und insbesondere von Futter- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) mitteln zu verzeichnen . Man darf nicht vergessen, dass Pflanzenschutzmittel nicht nur in den USA, sondern ins- Glyphosat wurde als Beispiel schon genannt . Es besondere auch in Südamerika in sehr starkem Maße ein- ist aber leider nicht so einfach, seine Anwendung in gesetzt werden, um genmanipulierte Pflanzen zu schüt- Deutschland zu verbieten, wenn es in der EU erlaubt zen. Bei uns sterben die Pflanzen, wenn sie zum Beispiel ist . Was wir machen können – damit habe ich mich in mit Glyphosat besprüht werden . Bei genmanipulierten den letzten Wochen eingehend befasst –, ist, die Anwen- Pflanzen ist das aber nicht der Fall. Pflanzenschutzmittel dung von Glyphosat in Haus- und Kleingärten sowie im werden aber in Südamerika in sehr viel stärkerem Maße kommunalen Bereich zu verbieten . Trotz Zulassung auf (B) angewendet . Damit steigt auch die Schadstoffbelastung . EU-Ebene besteht nach Artikel 31 Absatz 1 der Pflanzen- (D) Natürlich weisen die dort produzierten Lebensmittel eine schutzmittelverordnung die Möglichkeit, auf nationaler sehr viel höhere Konzentration auf, weil die Pflanzen- Ebene festzulegen, in welchen nichtlandwirtschaftlichen schutzmittel direkt auf die Pflanzen angewendet werden. Bereichen Pflanzenschutzmittel verwendet werden - dür fen. Wir alle wissen, dass Haus- und Kleingärtner Pflan- Vor kurzem haben einige Kollegen und ich ein Ge- zenschutzmittel nicht immer verantwortungsvoll einset- spräch mit einem argentinischen Arzt geführt . Er hat dar- gestellt, wie extrem gerade in Argentinien zum Beispiel zen . Soja mit Glyphosat besprüht wird . Glyphosat wird dort Auch eine Beschränkung des Einsatzes von Pflanzen- nicht von den Landwirten mit entsprechenden Maschi- schutzmitteln in der Nähe von Orten, wo sich Kinder nen auf leere Flächen aufgebracht, wie das bei uns der Fall wäre, sondern teilweise per Flugzeug verteilt, egal aufhalten, wo sie spielen, ist möglich . Da wollen wir sie ob ein Dorf vorhanden ist oder nicht . Wenn wir aus sol- auf keinen Fall. Hier gibt uns zwar nicht die Pflanzen- chen Ländern Lebensmittel importieren, dann verlagern schutzmittelverordnung, aber die Rahmenrichtlinie die wir die Entscheidung über die Gesundheitsgefahr zu ei- Möglichkeit, dass wir ein Verbot verhängen oder zumin- nem großen Teil in Länder, in denen die Menschen zum dest die Minimierung des Einsatzes beschließen . Diese Teil sehr viel ärmer sind als wir . Wir bringen diesen Men- Orte sind auch in der Rahmenrichtlinie genannt . Es sind schen damit noch mehr Krebsgefahr ins Land . öffentliche Parks, Gärten, Sport- und Freizeitstätten, Schulgelände und Kinderspielplätze . (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Für uns steht die Pflanzenschutzmittelreduktion als ein BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wichtiges Anliegen im Mittelpunkt . Leider geht der An- Wir brauchen nun Schritte, um die genannten Proble- trag der Grünen in diesem Punkt meiner Fraktion etwas me zu lösen . Die konsequente Umsetzung und Weiterent- zu weit, weshalb wir ihm leider nicht zustimmen können . wicklung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen vorange- (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- trieben werden . Hier erleben wir momentan Stillstand . NEN]: „Etwas zu weit“!) Wir brauchen einen verantwortungsbewussten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch die Landwirte. Hier Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . muss Qualität vor Quantität gehen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14789

(A) Vizepräsidentin : Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutsch- (C) Das Wort hat die Kollegin Ingrid Pahlmann für die land unterliegt strengen Kriterien . Sie ist darüber hinaus CDU/CSU-Fraktion . mit präzisen Anwendungsbestimmungen verbunden . Diese dienen auch dazu, Grenzwerte für Rückstände in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Gewässern und Lebensmitteln einzuhalten . ordneten der SPD) (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Diese Grenzwerte – hören Sie zu! – werden regelmäßig Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! kritisch überprüft und auch kontinuierlich angepasst . Ich spreche Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grü- Dass in Wasserproben doch ab und zu Rückstände ober- nenfraktion, jetzt einmal ganz besonders an: Die Wort- halb oder an den Grenzwerten gefunden werden, hat wahl in Ihrem Antrag ist bezeichnend . Sie sprechen nur verschiedene Gründe . Es liegt zum Teil an der Nicht­ von Pestiziden und Giften, also wieder von dem Teufels- einhaltung der Anwendungsvorschriften . Da sind wir bei zeug, das die Landwirte auf die Äcker bringen und womit Ihnen: Das muss aufgedeckt und natürlich auch geahndet sie alles töten, was ihnen in die Quere kommt . werden . Zum Teil werden aber auch Rückstände alter, ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht mehr zugelassener Wirkstoffe gefunden . NEN]: Wie soll man das sonst nennen?) (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Pflanzenschutzmittel sind aber nicht nur Pestizide und NEN]: Umso schlimmer!) Gifte, Pflanzenschutzmittel schützen Pflanzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das lässt darauf schließen, dass die Mittel der neuen Ge- neration eben besser abbaubar sind und die Forschung Sie schützen sie vor Pilzbefall, saugenden und beißen- bessere Lösungen entwickelt hat . den Insekten und vor dem Überwuchern mit Beikräutern . Pflanzenschutz hat natürlich auch einen bedeutenden ge- (Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Illega- sellschaftlichen Nutzen . Er sichert und erhöht die Erträge le Anwendung!) unserer Äcker. Ohne Pflanzenschutz gäbe es immense Ernteverluste . Auch auf europäischer Ebene gelten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bereits heute außerordentlich Durch höhere Erträge können übrigens knappe Res- strenge Anforderungen . Für Anwender gilt das Prinzip, sourcen – Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Ackerboden ein zugelassenes Mittel nur so viel und so häufig aus- ist eine knappe Ressource – geschont werden . Wir alle zubringen, wie unbedingt nötig . Der Anspruch des in- (B) wissen: Unsere Anbauflächen sind begrenzt und die be- tegrierten Pflanzenschutzes als Leitbild ist es, zunächst (D) stehenden auch noch zunehmend gefährdet . Wir haben die zur Verfügung stehenden pflanzenbaulichen Mög- immer noch einen täglichen Flächenverlust von über lichkeiten der Vorbeugung und der Reduzierung eines 70 Hektar . Befallsrisikos auszuschöpfen und erst bei einem nicht (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE mehr tolerierbaren Befall eine Behandlung mit Pflan- GRÜNEN]: Das stimmt! Unternehmen Sie zenschutzmitteln durchzuführen . Zur guten fachlichen doch etwas dagegen!) Praxis gehört darüber hinaus eine intensive, regelmäßige Fortbildung im Bereich des Pflanzenschutzes. Diese begrenzten Flächen müssen aber eine immer stärker wachsende Weltbevölkerung ernähren . Das wird Pflanzenschutz hat aber noch einen weiteren Aspekt: bei aller Idylle der heilen Heidi-Welt leider nicht möglich den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte im in- sein . Brandenburg zum Beispiel schafft es nicht einmal, ternationalen Vergleich . In der letzten Ausschusssitzung Berlin mit Lebensmitteln zu versorgen . Die Höhe und die haben Sie, liebe Kollegen, den Einkommenseinbruch bei Stabilität der Flächenerträge hängen untrennbar mit ei- den Landwirten beklagt . Wir haben einen Rückgang des nem funktionierenden Pflanzenschutz zusammen. Ohne landwirtschaftlichen Realeinkommens pro Arbeitskraft einen flächendeckenden Pflanzenschutz stünden rund ein um 37,6 Prozent, einen Rückgang der Milchvieh- und Drittel weniger nutzbare Erträge zur Verfügung . schweinehaltenden Betriebe um 4,2 Prozent . Wenn Ihre Antwort nun die ist, auch das Einkommen der Ackerbau- Die Union will gute, sichere und bezahlbare Lebens- ern auf dieses Niveau zu senken, dann muss man Ihrem mittel . Wir haben in Deutschland die besten und sichers- Antrag zustimmen – aber auch nur dann . ten Lebensmittel . Es ist amtlich, statistisch bewiesen, dass wir die geringsten Rückstände von Pflanzenschutz- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mitteln in unseren Nahrungsmitteln haben, Ein ständiges Hochschrauben der Anforderungen an (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- die Bauern oder der Entzug wichtiger Produktionsbe- ordneten der SPD) standteile führt erst einmal zu höheren Kosten und zu und das Ganze bei einem für die Verbraucher niedrigen weiteren Einbrüchen im Gewinn und damit zu einem Preisniveau . Wir wollen eine nachhaltige Ertragssiche- verstärkten Strukturwandel, klar gesagt: zu einem wei- rung und den Schutz der biologischen Vielfalt . Diese teren Höfesterben . Wir müssen doch einmal anerken- Ziele darf man nicht gegeneinander ausspielen . Unsere nen, dass die deutsche Landwirtschaft Lebensmittel auf Landwirte – das sage ich Ihnen – haben das Know-how, allerhöchstem Niveau erzeugt, und das unter zum Teil das auch zu erreichen . deutlich schwierigeren Produktionsbedingungen als die 14790 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Ingrid Pahlmann (A) der Konkurrenten auf den europäischen und weltweiten gangen werden können. Um Pflanzenschutzmittel, auch (C) Märkten . biologische, für den integrierten Pflanzenschutz und den ökologischen Landbau langfristig zu sichern, sind funkti- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . onierende und wirksame Resistenzstrategien notwendig; [SPD]) da sind wir uns einig . Aber auch damit befasst sich die Die Nachfrage gerade nach hochwertigen deutschen Ressortforschung des Bundeslandwirtschaftsministeri- Agrarprodukten ist weltweit hoch . Wir sind ein Export- ums . land, und das nicht nur im industriellen Bereich . Der Ex- port im Agrarbereich wächst . Deutsches Getreide ist ge- Zudem werden weiterhin moderne Pflanzenschutzge- fragt, neuerdings besonders in Bereichen Asiens, die eine räte und Technologien sowie Prognosemodelle und ande- hohe Nachfrage nach unseren ausgezeichneten Agrarpro- re Entscheidungshilfen entwickelt und weiterentwickelt . dukten haben . Sie müssen doch einmal zur Kenntnis neh- Innovative Verfahren tragen dazu bei, die Anwendung men, dass die Weltbevölkerung wächst und Hunger hat . von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu Da tragen auch wir als wohlhabendes und fruchtbares beschränken und Risiken zu reduzieren . Land Verantwortung . Das Absenken deutscher Erträge, Wichtig in Bezug auf Forschung ist immer auch die das die unmittelbare Folge eines weitgehenden Verzichts Anwendung in der Praxis . Darum ist das Modellvorhaben des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln wäre, wäre fatal „Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz“ so und führt in die völlig falsche Richtung . wichtig . Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wer- (Beifall bei der CDU/CSU) den neue Schlussfolgerungen für den integrierten Pflan- zenschutz gezogen, insbesondere zur Anwendung und Wir wollen keine gesellschaftliche Spaltung in gute und Weiterentwicklung der Leitlinien und zu entsprechenden schlechte Landwirtschaft . Maßnahmen, die der Umsetzung der Erkenntnisse in die Konventionelle Landwirtschaft per se zu verurteilen, Praxis dienen . ist nicht der richtige Weg . Konventionell arbeitende Be- Aber darüber hinaus werden natürlich noch weitere triebe legen im Rahmen des Greenings Blühstreifen und Maßnahmen ergriffen: Die Bewertung von Mehrfach- Lerchenfenster an . Sie achten auf die Fruchtfolge und rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmit- arbeiten mit Zwischenfruchtanbau . Das alles geschieht teln soll künftig vorausschauend bei der Festsetzung von zum Schutz der Böden . Unsere Landwirte haben eine ex- Rückstandshöchstmengen und bei der Zulassung von zellente Ausbildung genossen, und sie gehen verantwort- Pflanzenschutzmitteln Berücksichtigung finden. Ich hof- lich mit den Produktionsgütern Boden und Wasser um . fe, dass die Konzepte, die hierzu derzeit entwickelt wer- (Beifall bei der CDU/CSU) den, bald vorliegen . Im Nationalen Aktionsplan wurde (B) festgelegt, auch ein Kleingewässermonitoring für Pflan- (D) Fachwissen, Sachkundenachweis im Umgang mit Pflan- zenschutzmittel zu entwickeln . Die Umsetzung erfolgt zenschutzmitteln und Spritztechnik, gepaart mit High- derzeit durch das Umweltbundesamt .– Das sind nur zwei tech der Gerätschaften und satellitengesteuerte Ausbrin- kleine Beispiele von vielen . gungsmethoden sorgen dafür, dass sorg- und sparsam mit den Mitteln umgegangen wird . Glauben Sie mir, bei den Die bisherigen Ergebnisse aus dem Aktionsplan sind Preisen, die für Pflanzenschutz verlangt werden, überlegt mit Blick sowohl auf Lebensmittel als auch auf den Na- sich jeder Landwirt, wann, was und wie viel er ausbringt . turhaushalt positiv . Die wichtigsten Ziele wie zum Bei- (Beifall bei der CDU/CSU) spiel 20 Prozent Risikoreduktion für den Naturhaushalt bis 2018 und 30 Prozent bis 2023 werden wir wohl errei- Diese hohen Standards zu erfüllen, ist durchaus auch der chen . Die Landwirte jedenfalls sind bereit, an lösungsori- Anspruch der Union . Dass diese dann auch kontinuier- entierten Herangehensweisen mitzuarbeiten, die zu einer lich überprüft und weiterentwickelt werden müssen, ist weiteren Vermeidung und Verringerung von Pflanzen- für uns ebenfalls selbstverständlich . Das muss dann aller- schutzmittelrückständen in der Umwelt beitragen . dings auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen . Meine Damen und Herren, gesellschaftlicher Zusam- menhalt ist ein hohes und in diesen Tagen sehr fragiles Hier leistet Forschung einen entscheidenden Beitrag . Gut . Das haben die Debatten in dieser Woche zu ganz Deshalb haben wir diesen Bereich ja auch im Haushalt unterschiedlichen Themen immer wieder gezeigt . Die des Bundeslandwirtschaftsministeriums gestärkt und Stimmung in unserem Land ist aufgeheizt und vielfach mit insgesamt 566 Millionen Euro um 10 Prozent auf- durch Verunsicherungen geprägt. Ich finde, auch hier tra- gestockt . gen wir Verantwortung . (Beifall bei der CDU/CSU) Schwarz-Weiß-Denken ist nicht der richtige Ansatz Wir brauchen innovative und nachhaltige Pflanzen- für einen sachorientierten gesellschaftlichen Diskurs . Ich schutzmittel . Neben intensiver Erforschung neuer Ver- fordere Sie daher auf, sich zwar immer wieder konstruk- fahren des integrierten Pflanzenschutzes befasst sich zum tiv kritisch gemeinsam mit uns für gesunde Lebensmittel Beispiel das Julius-Kühn-Institut mit der Resistenzfor- und Lebensräume einzusetzen, aber die Spaltung in gute schung . Durch die Resistenzforschung sollen zunehmend und böse Landwirtschaft, schwarz und weiß endlich zu moderne Züchtungsverfahren geschaffen werden, die beenden . Stattdessen sollten wir alle gemeinsam einen polygen resistente Pflanzen züchten, deren Resistenzme- Beitrag dazu leisten, dass die Akzeptanz für die Produk- chanismen von Schadstofforganismen nur schwer um- te verantwortungsvoll arbeitender Landwirte auch durch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14791

Ingrid Pahlmann (A) gutinformierte Verbraucher gestärkt wird . Mit Ihren pau- Aber ich sage ganz klar: Diese dramatische Situation (C) schalen Diffamierungen entsteht nicht durch gelegentlichen Pflanzenschutz – das würde die Natur verkraften -; in Verruf gekommen ist der (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Pflanzenschutz, weil er viel zu oft zum festen Bestandteil NEN]: Wo denn ganz konkret, Frau Kollegin?) des Ackerbaus geworden ist . Hier ist Kritik angebracht erweisen Sie nicht nur den Landwirten, sondern auch den und dringend notwendig . Verbrauchern einen Bärendienst . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN) Selbst bei Glyphosat hat der Bauernverband in der Vizepräsidentin Petra Pau: Ausschussanhörung eingeräumt, dass es eigentlich nur Das Wort hat die Kollegin Dr .Kirsten Tackmann für um Arbeitserleichterung geht. Ich finde, das ist bei einem die Fraktion Die Linke . Wirkstoff, der unter dem Verdacht steht, krebsauslösend zu sein, alles andere als dem Vorsorgeprinzip gemäß . (Beifall bei der LINKEN) Ja, wir haben den Nationalen Aktionsplan; nur geän- Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): dert hat sich wenig . Aber es muss sich dringend etwas ändern; denn das Insektensterben wird für die Land- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wirtschaft auch schnell – das muss man betonen – zum Liebe Gäste! Ich danke den Grünen dafür, dass wir heute Bumerang . Ein Drittel der landwirtschaftlichen Kultu- über Pflanzenschutz debattieren können; denn die Grü- ren sind auf Insektenbestäubung angewiesen . In China ne Woche ist eigentlich ein exzellenter Anlass dafür . Es müssen inzwischen ganze Obstplantagen durch mensch- wertet sie doch eigentlich nur auf, wenn nicht nur die liche Handarbeit bestäubt werden, weil die Insekten dort Branche gefeiert wird, sondern wenn im Parlament auch schon fehlen . Mit den Insekten geht auch eine wichtige Probleme diskutiert werden . Nahrungsgrundlage für viele Vögel verloren . Der rasan- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- te Verlust von biologischer Vielfalt gerade in der Agrar- NIS 90/DIE GRÜNEN) landschaft hat nicht nur, aber eben viel mit Ackergiften zu tun . Als Tierärztin und leidenschaftliche Hobbygärtnerin, als die ich mich outen möchte, kenne ich natürlich das Als Linke sage ich ganz klar: Das sind keine Kolla- Bedürfnis, Pflanzen vor Krankheiten zu schützen. Aber teralschäden . Hier geht es um den Schutz unserer Le- ich weiß eben auch, dass die Mittelchen nicht nur die bensgrundlagen . gewollte Wirkung, sondern auch ungewollte haben oder (B) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- (D) indirekt Schäden anrichten . Über Rückstände in Lebens- NIS 90/DIE GRÜNEN) mitteln hat meine Fraktionskollegin Karin Binder schon gesprochen . Ich möchte über die ökologischen Schäden Deshalb dürfen wir nicht wegsehen . Wir müssen han- reden . deln, bevor dieser Prozess unumkehrbar geworden ist . Wer Schädlinge bekämpft, schadet auch Nützlingen . Ja, wir brauchen die Landwirtschaftsbetriebe als Ver- Manchmal ist das offensichtlich – wie zum Beispiel beim bündete. Sie sind übrigens nicht die Profiteure des fal- massiven Bienensterben in Süddeutschland 2008 infolge schen Systems . Das große Geld landet nämlich in den Ta- fehlerhafter Aussaattechnik . Manchmal wird aber auch schen von Konzernen . Diese würden den Landwirten am „nur“ das Nervensystem der Bienen geschädigt, sodass liebsten nicht nur das Pflanzenschutzmittel verkaufen, sie nicht zurück in den Stock finden. Das ist für die hoch- sondern gleich noch die dazugehörende gentechnisch sozialen Bienenvölker wirklich ein Problem . Manchmal veränderte Pflanze. Diese Gelddruckmaschine wird aber sinkt die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, und Gott sei Dank von immer mehr Menschen durchschaut . damit wird die Varroa-Milbe sehr gefährlich . Bei Hum- Es ist gut, dass sich hier Widerstand regt . Die Linke ist an meln wurde kürzlich ein ganz besonders erschreckendes der Seite derer, die sich dem widersetzen . Phänomen festgestellt. Für sie werden nämlich Pflanzen, die mit Neonikotinoiden behandelt werden, also mit be- (Beifall bei der LINKEN) sonders bienengefährlichen Stoffen, zu attraktiven Fal- Was ist also noch für weniger Gift auf dem Acker zu len; sie werden dort besonders häufig geschädigt. tun? Beim Glyphosat wiederhole ich hier die Forderung Auch indirekte Wirkungen gehören in die Schadens- der Linken: Als erste Sofortmaßnahme müssen die Vor- bilanz . Beikräuter auf Äckern werden heute als Ernte- erntebehandlung und der Verkauf im Baumarkt sofort gutverunreinigung oder als Konkurrenz rigoros beseitigt . verboten werden . Damit gehen aber gleichzeitig Nahrungsquellen für an- (Beifall bei der LINKEN) dere Lebewesen verloren . Das zweijährige Verbot der besonders bienengefährli- Nicht nur Insekten sind vom stillen Sterben betroffen . chen Neonikotinoide muss dringend verlängert werden . Erst seit kurzem wissen wir, dass zum Beispiel die feuch- te Haut von Fröschen nur wenig Schutz vor Ackergiften Es geht uns aber nicht nur um Verbote . Wir müssen ris- bietet . Das wird im Zulassungsverfahren nicht einmal ge- kante Anbaukonzepte in den Blick nehmen . Dazu gehö- prüft, obwohl auch in Gewässern Rückstände gefunden ren zum Beispiel der großflächige Anbau einer einzigen werden . Kulturpflanze oder der mehrjährige Anbau von Mais auf 14792 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Dr. Kirsten Tackmann (A) Mais . Wenn immer weniger unterschiedliche Kulturen wollen so wenig Pestizideinsatz wie möglich und mehr (C) überhaupt noch angebaut werden, ist das ein Problem . Ökolandbau erreichen . Deshalb ist die Forderung der Grünen nach einer ver- Meine Damen und Herren, Pflanzenschutzmittel wer- bindlichen und rechtssicheren Definition der sogenann- den aber nicht nur zum Spaß eingesetzt . Zwar werden ten guten fachlichen Praxis richtig und längst überfällig . Pflanzenschutzmittel in Einzelfällen bedauerlicherweise nach dem sehr betrüblichen Motto „Viel hilft viel“ ver- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- wendet . Größtenteils wenden die Bäuerinnen und Bau- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ern in Deutschland Pflanzenschutzmittel aber verantwor- Wir brauchen auch mehr Flächen, in denen sich die tungsvoll an . Das müssen wir in dieser Debatte deutlich Natur regenerieren kann . Die Unterstützung des Öko- betonen . landbaus gehört dazu . Auch die ökologischen Vorrang- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten flächen, die alle Betriebe jetzt einrichten müssen, sind der CDU/CSU) aus meiner Sicht durchaus eine Chance . Ja, leider wurden die Regeln dafür während des Verhandlungsmarathons in Die Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktions- Brüssel aufgeweicht . Unterdessen wissen wir aber, dass plan sehr umfassende Ziele und Maßnahmen definiert, viele kleine Flächen einen großen Einfluss haben -kön vor allem das 1-Prozent-Ziel bei Grenzwertüberschrei- nen, wenn sie denn als ökologische Trittsteine fungieren tungen . Es gibt auch ein begleitendes Forum zu diesem können . Deswegen ist hier Kreativität dringend gefragt . Nationalen Aktionsplan . Ich bedaure es ausdrücklich, An dieser Stelle sage ich: Ortsansässige Betriebe sind da dass dort nicht alle relevanten Gruppen beteiligt sind . Die eher unsere Verbündeten als Agrarinvestoren . Umweltverbände haben sich nämlich aus dieser Diskus- sion herausgezogen. Ich finde, dass sie mit in diese Dis- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- kussion hineingehören, und möchte sie an dieser Stelle neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) auch aufrufen: Bitte machen Sie bei diesem Forum zum Aber mit Betrieben in ständiger Existenznot wird das Nationalen Aktionsplan weiter mit! auch sehr schwer . (Beifall bei der SPD) Gebraucht wird mehr unabhängige, öffentlich finan- Ihnen sind die Zeitpläne im NAP nicht konkret genug . zierte Forschung für Analysen, für Alternativkonzepte Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, und für die Bewertung der Wirksamkeit von Maßnah- Sie trauen sich auf der anderen Seite selbst nicht, einen men . Vielleicht ist auch Landwirtschaft 4 0. eine Chance; Zeithorizont für die Beschränkung des Einsatzes von denn wenn eine Gefahr früher erkannt wird und kleinflä- Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum oder vielleicht chiger und konsequenter behoben werden kann, ist viel- (B) sogar den Totalausstieg zu nennen . (D) leicht auch der Schaden zu minimieren . Am dringends- ten ist aus Sicht der Linken allerdings ein transparentes, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) herstellerunabhängiges Zulassungsverfahren; denn dann kämen gefährliche Pflanzenschutzmittel gar nicht erst Mich würde echt einmal interessieren, bis wann Sie das auf den Markt . für möglich halten . Oder gilt vielleicht der Umkehr- schluss? Das bedeutet: Aus der Tatsache, dass Sie keinen (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Zeitplan für den Ausstieg nennen, könnte man schließen, neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dass Sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln grund- sätzlich anerkennen . Deshalb haben wir viel Stoff zur Diskussion . Ich freue mich auf die Ausschussbefassung . Auch kein Wort zu einer Steuer oder Abgabe auf Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Pflanzenschutzmittel. Dabei hat der grüne Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck aus Schles- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- wig-Holstein diese ins Spiel gebracht . Der Diskussions- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- prozess über Wege zur Verringerung des Einsatzes von ten der SPD) Pflanzenschutzmitteln scheint also auch bei euch, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, anzudauern . Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist völlig normal, und das ist auch gut so . Das ist sogar bei uns in der SPD-Fraktion nicht anders . Aber mit Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Johann Saathoff eurem Antrag schraubt ihr an Details herum . das Wort . Ihr sprecht den BVL-Report 2013 an . 106 Proben mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Überschreitung der Grenzwerte sind genau 106 zu viel, der CDU/CSU) keine Frage . Wir müssen diese Zahl aber in einen ange- messenen Kontext stellen . Dabei würde zum Beispiel Johann Saathoff (SPD): deutlich werden, dass die Zahl der Grenzwertüberschrei- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen tungen bei Produkten aus Drittländern die in Deutschland und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen – heute bei weitem übertrifft . In Deutschland sind es nur 0,6 Pro- einmal wegen des Antrags – von den Grünen! Ich will zent . Die Proben werden risikobezogen genommen, also durchaus bekennen, dass ich meistens mit den Positio- bei den Lebensmitteln, wo bekanntermaßen Pflanzen- nen der Grünen im Agrarbereich durchaus einverstanden schutzmittel zum Einsatz kommen können . Ich würde bin – so auch hier . Bei den Zielen sind wir uns einig . Wir Sie einmal die „üblichen Verdächtigen“ nennen . Würde Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14793

Johann Saathoff (A) man die Proben bei allen Lebensmitteln gleichermaßen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) nehmen, wäre der Prozentsatz der Grenzwertüberschrei- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen tungen noch einmal deutlich niedriger . und Kollegen! Atrazin, Chlorpyrifos, Glyphosat – das G-Wort wurde heute schon oft genannt – und nicht zu- Das Ziel des Nationalen Aktionsplans zur nachhalti- letzt die Neonikotinoide – die Liste wäre verlängerbar – gen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist also mehr haben gezeigt: Der Pestizidpfad der angeblich modernen als erreicht und deutlich früher erreicht; denn eigentlich Landwirtschaft führt leider in eine Sackgasse . Wenn wir war das 1-Prozent-Ziel erst für 2021 vorgesehen – zumin- Pech haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann gibt dest in Deutschland, worum es ja im Antrag geht . In den es am Ende dieser Sackgasse nicht einmal eine Wende- Drittländern sind die Grenzwerte teilweise höher als bei platte, damit wir da wieder herauskommen . uns . Allerdings haben wir dort nur einen sehr begrenzten Einfluss auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aber Pestizide schaden der Gesundheit von denen, die sie auch dort müssen wir uns für eine Reduktion des Einsat- anwenden, und denen, die an den Feldern wohnen . Am zes von Pflanzenschutzmitteln einsetzen, für niedrigere Ende – das haben wir jetzt auch in unserer neuen Stu- Grenzwerte, für eine bessere Anwenderausbildung . Wir die lesen müssen – landen sie auch auf unseren Tellern . stellen fest, dass das BVL resümiert, dass es „keine An- Sie verursachen enorme Kosten für die Beseitigung von haltspunkte für ein akutes Gesundheitsrisiko für den Ver- Umweltschäden . Für die Schweiz gibt es eine Schätzung: braucher“ gibt . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Da würde die Umrüstung von Kläranlagen, um solche eine gute und wichtige Botschaft . Rückstände herauszufiltern, 1,2 Millionen Franken kos- ten . – pro Anlage (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Pestizide tragen leider auch massiv dazu bei, die bio- Wir wollen deshalb aber nicht die Hände in den Schoß logische Vielfalt zu vermindern . legen. Wir wollen Pflanzenschutzverfahren mit geringem Pflanzenschutzmitteleinsatz und integriertem Pflanzen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schutz . Dazu gehört, den Anteil praktikabler nichtchemi- Ausgestorbene Arten kommen nicht wieder, und das ent- scher Maßnahmen in den Pflanzenschutzkonzepten, zum zieht dem gesamten Agrarökosystem die Existenzgrund- Beispiel durch biologische, biotechnische oder mechani- lage . Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen sche Pflanzenschutzverfahren, weiter auszubauen. Wir wir einen Weg aus dieser Sackgasse . Pestizide müssen wollen die Forschung intensivieren mit dem Ziel, den runter vom Acker, und sie haben in unserem Essen nichts Einsatz von Pestiziden weiter zu reduzieren . Kurz: Wir zu suchen . wollen mit immer weniger Pflanzenschutzmitteln aus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) kommen . Das gilt übrigens auch für den Ökolandbau . Im (D) Ökolandbau ist der Einsatz von chemisch-synthetischen sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mitteln verboten . Wir wollen mehr Ökolandbau . Wir ha- Wir haben am Mittwoch im Fachgespräch im Um- ben uns gemeinsam bei der Novelle der EU-Ökoverord- weltausschuss gehört: Als Ursache für ein aktuelles, nung sehr für den Ökolandbau starkgemacht . wirklich erschreckendes Insektensterben in Deutschland (Beifall bei der SPD) wurden ganz klar an erster Stelle der Einsatz von Pesti- ziden und auch Strukturverluste in agrarisch optimierten Dank der einstimmigen – einstimmigen! – Positionierung Landschaften genannt . Das Fazit des Fachgesprächs war: des Deutschen Bundestages, der sich viele Mitgliedstaa- Dieser massive Insektentod kann nur gestoppt werden, ten angeschlossen haben, konnten wir viel für den Öko- wenn auf eine Landwirtschaft mit deutlich weniger – landbau erreichen . die Experten sagen: besser ohne – Pestiziden umgestellt wird . Das sagen nun einmal die Experten . Der Kollege Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann Auernhammer erinnert sich ganz bestimmt an die Emp- man sagen, dass wir uns in den Zielen wieder einmal ei- fehlung auf seine Frage, er möge dann doch auf Ökoland- nig sind . Diskussionsbedarf besteht hinsichtlich des We- bau umstellen . Ich weiß nicht, ob er den Antrag schon ges, um die Ziele zu erreichen . Am Ende des Prozesses gestellt hat . ist man immer schlauer, was denn der beste Weg gewe- sen wäre, oder wie wir in Ostfriesland sagen: „Achteran (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Er ist dabei!) kakeln Hauner .“ Von der Reduzierung der Pestizidmengen – darin soll- ten wir uns einig sein – können wir doch alle nur profi- Besten Dank für die Aufmerksamkeit . tieren, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ sowie bei Abgeordneten der LINKEN) DIE GRÜNEN]: Eine Übersetzung, bitte!) außer natürlich die Industrie, die Pestizide herstellt und – „Anschließend gackern die Hühner .“ damit seit Jahren Rekordumsätze einfährt . Leider ver- weigert der Bundesminister, der auch heute lieber auf der IGW als im Parlament ist, in Sachen Pestizidreduktion Vizepräsidentin Petra Pau: wie bei vielen anderen Themen eindeutig die Arbeit . Das Das Wort hat der Kollege Harald Ebner für die Frakti- zeigt, lieber Kollege Saathoff, der Nationale Aktionsplan, on Bündnis 90/Die Grünen . der nach wie vor nicht mehr als das geduldige Papier ist, 14794 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Harald Ebner (A) das sich gefällig liest, aber zu dessen Umsetzung nichts mer läuft: Pestizide prüfen, Ungefährlichkeit feststellen, (C) passiert . Eine ganze Reihe von Verbänden – das wurde zulassen . schon gesagt – mit Sachverstand sind schon vor Jahren aus dem NAP-Forum ausgestiegen, weil sie sagen: Bei Vizepräsidentin Petra Pau: einem Aktionsverhinderungsplan machen wir nicht mit . Herr Kollege Ebner, nicht nur die Ankündigung, son- Wir lassen uns nicht zu Tode partizipieren, und am Ende dern der tatsächliche Schluss ist jetzt erreicht . kommt nichts dabei heraus .

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dies zeigt: Die Bundesregierung ist an dieser Stelle nicht Ich komme zum Schluss .– Am Ende stellen wir fest, Sachwalter der Interessen der Bürgerinnen und Bürger in es wird gefährlich, und erst dann werden die Pestizide diesem Land . vom Markt genommen . Wir kennen das von DDT und anderen Substanzen . Damit muss endlich Schluss sein . Da muss ich auch an die Adresse des Kollegen Färber Wir müssen im Rahmen eines Humanbiomonitorings und der Kollegin Pahlmann sagen: Uns geht es dar- bessere Daten zur Exposition gewinnen . Wir wollen, dass um, die Forschungen zu Alternativen zum chemischen die Landwirtschaft mit weniger Pestiziden, besser noch: Pflanzenschutz zu einem Schwerpunkt der öffentlichen ohne Pestizide auskommt . Machen Sie endlich etwas da- Agrarforschung zu machen . Wir haben das in unseren für . Haushaltsanträgen mehrfach gefordert . Da ist noch lange nicht genug passiert . Das kommt dann den konventio- Danke schön . nellen Landwirten und den Ökolandwirten zugute . Auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Deutsche Bauernverband hat dies jüngst gefordert: 60 Millionen Euro für den Ökolandbau! – Das ist richtig . Das findet unsere volle Unterstützung. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Waldemar Westermayer für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – die CDU/CSU-Fraktion . Hermann Färber [CDU/CSU]: Der größte Bauernverband fordert das!) (Beifall bei der CDU/CSU) – Ja, natürlich .– Aber schade, dass es just nach den Haushaltsberatungen im Dezember passiert ist . Ich baue Waldemar Westermayer (CDU/CSU): darauf, dass der Bauernverband diese Forderungen auch Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte aufrechterhält, wenn es an die nächsten Haushaltsbera- Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ge- (B) tungen geht . Ich baue darauf, dass Sie, liebe Kolleginnen meinsam den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in unse- (D) und Kollegen von der Union, dieses Mal auch, wie sonst rer Landwirtschaft . Zunächst möchte ich festhalten, dass immer, den Forderungen des Bauernverbandes entspre- unsere Lebensmittel niemals zuvor so sicher, bezahlbar chen und hier mit dabei sind . Dann kommen wir einen und vielfältig waren . wesentlichen Schritt weiter . Das wäre schön . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Beim Thema Pflanzenschutz sind die Verbraucher aber Das würde uns nämlich auch als Verbraucherinnen und zu Recht sehr sensibel . Deshalb sollten wir uns sachlich Verbraucher nutzen . fundiert damit auseinandersetzen . Zu diesem sachlich fundierten Umgang gehört für mich aber auch, dass wir Die aktuelle Auswertung unserer Fraktion zu Pestizi- auf Basis gesicherter Erkenntnisse argumentieren . Die- den auf Lebensmitteln zeigt: Ökolebensmittel schneiden sem Anspruch werden Ihr Antrag und auch Ihre Rede, bei allen Parametern der Pestizidbelastung deutlich bes- Herr Hofreiter, leider nicht gerecht . ser ab . Wenn Pestizidrückstände auf Ökolebensmitteln auftauchen, dann kommen sie leider Gottes zu 90 Pro- Übrigens, der Betrieb meines Sohnes befindet sich ge- zent vom konventionellen Nachbarn . Das kann ja keiner rade in der Phase der Umstellung auf Ökolandbau . Das wirklich gutheißen . möchte ich auch einmal erwähnen . Es wurde schon angesprochen, Pestizidrückstände, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Kollege Saathoff, seien ja immer unter dem Grenzwert . des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber die Grenzwerte sind die halbe Wahrheit . Wir haben Ich selber habe 40 Jahre lang den Betrieb geführt, habe keine Grenzwerte für Cocktails . Es ist auch der Dreh- einige Jahre das Modell MEKA, das übrigens in Ba- und Angelpunkt bei den Zulassungsverfahren, dass wir den-Württemberg von einer CDU-Regierung ins Leben keine Prüfungen für die Mischung von Pestiziden haben, gerufen wurde, genutzt und über Jahrzehnte keine Pflan- dass wir über deren Risiken überhaupt nichts wissen . zenschutzmittel eingesetzt . Ein weiteres Problem – ich komme demnächst zum (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Schluss – bei Zulassungsverfahren ist: Wir haben keine NEN]: Deshalb sind Sie noch so fit und rüs- Kenntnis über das, was die Industrie im Vorfeld, bevor sie tig! – Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Studien abliefert, für ihre Good-Laboratory-Practice-Prü- GRÜNEN]: Das heißt, es geht ja!) fungen durchführt . Sie können lange untersuchen, bevor sie ein Untersuchungsdesign festlegen, das sie am Ende Sie behaupten, dass in Deutschland Jahr für Jahr mehr abliefern . Wir haben gesehen, dass ein Pestizidzyklus im- Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, und stellen ei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14795

Waldemar Westermayer (A) nen direkten Zusammenhang zwischen den Gewinnen Ausdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhang (C) der Hersteller und Gesundheitsgefahren für die Men- auch auf die Untersuchung der WHO hinsichtlich Gly- schen her . So ist das falsch . Zum einen geben die Zahlen phosat eingehen . Der vermeintliche Gegensatz zwischen den von Ihnen beschriebenen Trend nicht her; denn der dem Ergebnis der WHO und dem Ergebnis des BfR und Absatz der Wirkstoffe – darum geht es im Kern – ist seit der klaren Mehrheit der Zulassungsbehörden ist schlicht 2011 ungefähr konstant geblieben . Zwischendurch ist im unterschiedlichen Ansatz der Untersuchung begrün- der Absatz sogar leicht gesunken . Sie, Herr Hofreiter, ha- det . Die WHO hat in ihrer Betrachtung nämlich keine ben vorhin von 100 000 Tonnen gesprochen . Dazu muss Risikobewertung im eigentlichen Sinn durchgeführt, man sagen: 44 000 Tonnen entfallen auf den Wirkstoff, sondern lediglich abstrakt und allgemein das potenzielle das andere sind Füllstoffe . Im europaweiten Vergleich Krebsrisiko durch Glyphosat begutachtet . Das sagt je- der Zahlen liegt Deutschland nach Daten von Eurostat­ doch erst einmal nichts über das tatsächliche Risiko für beim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln pro Hektar den einzelnen Bürger aus, welches maßgeblich für die landwirtschaftlicher Nutzfläche sogar leicht unter dem Zulassung ist . Ich ziehe daraus für mich den Schluss, EU-Durchschnitt . dass wir vor allem in der Forschung weiter vorankom- men müssen . Hierfür übernimmt die Bundesregierung in Irreführend und populistisch finde ich zum anderen ihrem Aktionsplan auch einiges, vor allem mit der Natio- auch Ihre Gegenüberstellung von Gewinnen der Herstel- nalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 . ler auf der einen Seite und Gesundheitsgefahren für den Menschen auf der anderen Seite . Sie legen damit ganz Außerdem wird die Bundesregierung ihrem Anspruch bewusst nahe, dass hier ein Zusammenhang besteht, und an eine nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmit- wollen damit das Bild einer menschenverachtenden In- teln auch international gerecht . So betreibt das Bundes- dustrie zeichnen . Das hat aus meiner Sicht nichts mehr ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und mit seriöser Politik zu tun . Schließlich stellen diese Un- Entwicklung – in diesem Ausschuss bin ich auch ver- ternehmen Wirkstoffe her, die – das sage ich ganz be- treten – zusammen mit der GIZ in Entwicklungsländern wusst – nach unabhängigen wissenschaftlichen Unter- Resistenzforschung und bildet Bauern vor Ort in der An- suchungen mit hohem Sachverstand zugelassen wurden . wendung des integrierten Pflanzenschutzes aus. Außer- An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich sagen: Ich bin dem wird die Anwendung von Nachhaltigkeitsstandards davon überzeugt, dass wir einen solchen unabhängigen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Zusammen- Sachverstand im Bundesamt für Verbraucherschutz und arbeit mit der Privatwirtschaft gefördert, zum Beispiel Lebensmittelsicherheit und im Bundesinstitut für Risiko- in einem regionalen Projekt zur Baumwollproduktion in bewertung haben . Afrika . Das zeigt den ganzheitlichen Ansatz, den wir bei unserer Pflanzenschutzstrategie verfolgen, und beweist, (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU dass wir in der Sache auf einem guten Weg sind . Denn (D) sowie des Abg . Willi Brase [SPD]) wer eine Welt ohne Hunger will, kann nicht auf Pflan- zenschutzmittel verzichten . Deshalb ist Ihr Antrag abzu- Insbesondere wird die nationale Zulassung durch das lehnen . BVL internationalen Standards gerecht, vor allem auch durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Juli- Herzlichen Dank . us-Kühn-Institut und dem Umweltbundesamt . Vor die- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . sem Hintergrund kann ich die Fundamentalkritik am Zu- Willi Brase [SPD]) lassungsverfahren in Ihrem Antrag nicht nachvollziehen .

Nach meiner Auffassung setzt Ihr Antrag im Kern den Vizepräsidentin Petra Pau: falschen Schwerpunkt . Sie fordern primär ein Programm Der Kollege Carsten Träger hat für die SPD-Fraktion zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln das Wort . mit dem Ziel des vollkommenen Verzichts auf diese Mit- tel . Unabhängig davon, dass Sie damit den erheblichen (Beifall bei der SPD) gesamtgesellschaftlichen Nutzen von Pflanzenschutzmit- teln außer Acht lassen, bringt eine pauschale Reduktion Carsten Träger (SPD): erst mal gar nichts . Gute und nachhaltige Agrarpolitik Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und bemisst sich nämlich nicht isoliert nach der bloßen Men- Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Mitt- ge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel. Sonst würde woch fand im Umweltausschuss eine Anhörung zum Ver- ein risikoreicheres Mittel, das schon in geringen Mengen lust der Artenvielfalt bei Insekten statt . Das mag von dem wirkt, besser bewertet werden als ein risikoärmeres mit einen oder anderen belächelt werden: Wen interessieren einer höheren Wirkungsschwelle . Das kann deshalb nicht schon ein paar Mücken mehr oder weniger? Ich sage Ih- unser Ansatz sein . nen: Mir ist das Schmunzeln vergangen . In der Anhörung zeigten alle Sachverständigen die Dramatik des Arten­ Entscheidend ist vielmehr, dass man sich die Eigen- sterbens auf, hier in Deutschland, in unserer Heimat, vor schaften der eingesetzten Stoffe genau anschaut, eventu- unserer Haustür . In manchen Teilen Deutschlands ist die elle Risiken identifiziert und dementsprechend Maßnah- Zahl der Fluginsekten um 80 Prozent zurückgegangen, men trifft . Letztlich ist demnach keine Mengen-, sondern das ist der Anteil der Individuen, die verloren sind . eine Risikoreduktion entscheidend . Das ist aus meiner Sicht der nachhaltige und dem Vorsorgeprinzip entspre- Das Aussterben von Arten hat ein unerkanntes Aus- chende Ansatz, den wir verfolgen sollten . maß erreicht . Mehr als 20 Prozent der Großschmetterlin- 14796 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Carsten Träger (A) ge – das haben Messungen an den jeweiligen Standorten gleichwohl müssen wir uns auf den Weg machen; denn (C) ergeben – sind verloren . Diese Arten sind in Deutschland der Verlust der Artenvielfalt kann uns nicht kaltlassen . ausgestorben . Kann uns das kaltlassen? Vielen Dank . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ Der Verlust der Arten ist nicht nur bedrohlich, weil sie DIE GRÜNEN) ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette sind . Weni- ger Insekten bedeuten auch weniger Futter, zum Beispiel Vizepräsidentin Petra Pau: für Jungvögel . Der Verlust der Insekten ist nicht nur be- drohlich, weil sie verantwortlich sind für das Bestäuben Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege eines Großteils der Pflanzen. Alle reden über Bienen, ­Thomas Mahlberg das Wort . aber die Wahrheit ist: Nicht nur die Bienen sind für die (Beifall bei der CDU/CSU) Bestäubung zuständig . Der Verlust der Insekten ist auch bedrohlich, weil sie Frühindikatoren für den Zustand un- seres Lebensumfeldes sind . Kann uns das kaltlassen? Thomas Mahlberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, werfen wir doch ge- Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hofreiter, ich rade anlässlich der Grünen Woche einen Blick auf die muss sagen: Sie sind wirklich sehr konsequent gewesen . Gründe . Alle Experten in der Anhörung vermuten Neo- Sie haben genau das getan, was man von Ihnen erwartet nikotinoide als Hauptursache für das Massensterben . hat . Sie wollen den Markenkern, den Sie für Ihre Partei Das sind Pestizide, die seit Mitte der 90er-Jahre in der entwickeln, Angstpolitik zu machen und Panik zu ver- Landwirtschaft eingesetzt werden . Seit es sie gibt, hat die breiten, auch mit diesem Antrag heute umsetzen . Ich Geschwindigkeit des Sterbens von Insekten dramatisch kann Ihnen sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen . zugenommen . Und, seien wir ehrlich: So ganz überra- schend ist der Befund nicht; dafür sind sie schließlich da, (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Kirsten die Neoniks . Landen sie in unserer Nahrung, mit Folgen Tackmann [DIE LINKE]: Sie sind unbelehr- für unsere Gesundheit? Wer kann das mit Sicherheit aus- bar!) schließen? Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, wie es in den Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns muss daran ge- einzelnen Bundesländern aussieht . Sie haben die Bun- legen sein, den Einsatz von Pestiziden zu verringern . desländer wegen der Kontrollen gelobt . Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir gestern über den Ticker (B) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem (D) eine Meldung aus Mecklenburg-Vorpommern zu Ihrem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lieblingsthema Glyphosat erhalten haben: Jeder Zustandsbericht zur Lage der Natur zeigt es immer Ministerium: Keine Glyphosatrückstände in Le- wieder: Der Indikator für Artenvielfalt gerade im Agrar- bensmitteln aus MV land hat sich deutlich verschlechtert . Er ist auf den bisher tiefsten Wert gesunken, und er ist weiter vom Zielwert . . .in keiner der 135 Proben eine Überschreitung des entfernt als alle anderen Indikatoren . Grenzwertes nachgewiesen . Die Landwirtschaft erhält in großem Umfang Agrar- (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE subventionen aus Steuermitteln . Die daran geknüpften GRÜNEN]: Ja! Grenzwerte! – Harald Ebner Umweltanforderungen sind allerdings wenig anspruchs- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie die voll und können am negativen Trend nichts ändern . Ich Studie!) unterstütze daher ausdrücklich unsere Umweltministe- rin Barbara Hendricks bei ihrer Naturschutzoffensive Untersucht wurden den Angaben zufolge frisches für eine Umgestaltung dieser Landwirtschaftssubven- Obst wie Äpfel . . tionen . Und so weiter . Das sind genau die Äpfel, die Sie eben (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr .Anton angesprochen haben . Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Es muss das Prinzip gelten: öffentliche Mittel für öffent- GRÜNEN]: Zwischen Grenzwerten und nichts liche Leistungen . drin ist ein Unterschied! Kennen Sie den?) Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dafür, dass wir Ich frage Sie: Was für Geschichten erzählen Sie eigent- unsere Landwirte kräftig unterstützen . Ich bin aber auch lich hier im Parlament? dafür, dass wir unsere Unterstützung an Leistungen für den Naturschutz knüpfen . (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie (Beifall bei der SPD) unsere Studie?) Wenn nicht mit Rücksicht auf Umwelt und Natur be- Das ist genau der Punkt . Wir sprechen über Grenzwer- wirtschaftet wird, sollten die Subventionen nicht mehr te, die natürlich sinnvoll sind und zur Sicherung unserer fließen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen; Bevölkerung festgelegt werden, und Sie sagen: Wenn Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14797

Thomas Mahlberg (A) man etwas findet, dann ist das per se schlecht und muss müssen diese Tests machen, um die Bundesregierung (C) raus . dazu zu treiben, endlich dafür zu sorgen, dass diese Tests gemacht werden und die Tests evaluiert sind, sodass wir (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE diese Diskussion nicht mehr führen müssen . Warum? GRÜNEN]: Wieso sind sie dann um den Fak- Wir machen auf ein Problem aufmerksam, aber Sie ver- tor 100 erhöht worden?) hindern die Lösung, die wir brauchen, um hier objektive Gut ist, Herr Hofreiter, dass nicht nur wir erkennen, Fakten auf den Tisch legen zu können . Deshalb: Handeln was Sie hier machen, sondern mittlerweile auch andere Sie endlich im Interesse der Verbraucher, und reden Sie Leute Ihnen auf die Schliche kommen, auch die Leute, hier nicht so rum . die das, was Sie machen, transportieren sollen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) So hat zum Beispiel Der Tagesspiegel im September letz- ten Jahres einen Kommentar mit der Überschrift „Gly- Thomas Mahlberg (CDU/CSU): phosat: Wie groß ist die Gefahr?“ veröffentlicht . Im Tea- Frau Kollegin Höhn, umgekehrt wird ein Schuh da­ ser kann man lesen: raus. Sie erfinden Testverfahren, die nicht geeignet sind, weil Sie bestimmte Ergebnisse erzielen wollen . Glyphosat in der Muttermilch? Eine höchst zweifel- hafte Annahme . Bei der Bewertung von Pestiziden (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sollte Sachlichkeit der Maßstab sein . NEN]: Wollen Sie endlich zur Kenntnis neh- men, dass die Bundesregierung keinen Pfiffer- Herr Hofreiter, es geht um Sachlichkeit . Dieser Kom- ling dafür getan hat, dass es sie gibt?) mentar bezieht sich auf eine – das kann man nur in ganz dicken Anführungszeichen sagen – „Studie“, die im Auf- Sie wollen ja nicht wirklich Ergebnisse haben, sondern trag Ihrer Fraktion, der Fraktion der Grünen, bei stillen- Sie wollen Ergebnisse finden, mit denen Sie Ihre Angst- den Müttern durchgeführt wurde . politik weiter betreiben können . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU) NEN]: Das war eine Untersuchung!) An der Stelle sind Sie sich nicht zu schade, Äpfel und Sich auf die Ergebnisse dieser Studie stützend, rief Birnen miteinander zu vergleichen . Wie gesagt, auch Ihre Kollegin Bärbel Höhn – sie sitzt ja da; sie ist eine Journalisten kommen Ihnen hier auf die Schliche . sehr geschätzte Kollegin; wir waren früher ja zusammen (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- im Landtag von Nordrhein-Westfalen – der Bundesregie- (B) NEN]: Antworten Sie jetzt noch auf die Fra- (D) rung zu: ge? – Gegenruf von der CDU/CSU: Ist doch Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Ver- beantwortet!) kehr ziehen . – Habe ich . Was können wir in dem Artikel weiter lesen? Ich zitiere (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- das einmal: NEN]: Feigling!) Aber die Grünen verschwiegen nicht nur, dass die Ich darf Ihnen auch verraten, wie der Artikel wei- gefundenen Glyphosat-Mengen weit unterhalb der tergeht; er ist sehr spannend . Ich stelle ihn Ihnen gerne Schadensschwelle lagen . Schlimmer noch, das ver- zur Verfügung . Da ist dann von den hanebüchenen Test­ wendete Testverfahren war gar nicht für Mutter- ergebnissen und vor allen Dingen von der ungerecht- milch geeignet, die Ergebnisse daher unbrauchbar . fertigten Panikmache unter Müttern die Rede . Der Ta- Deshalb kann ich nur sagen, im Klartext: Das war großer gesspiegel-Kommentator unterstellt Ihnen sogar, liebe Murks, was Sie da veranstaltet haben . Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, dass die Angstmacherei am Ende sogar Sinn der gan- (Beifall bei der CDU/CSU) zen Sache war . Soll ich Ihnen etwas sagen? Er trifft ins Schwarze . Genau das ist hier der Fall . Sie haben es heute Vizepräsidentin Petra Pau: wieder unter Beweis gestellt . Kollege Mahlberg, gestatten Sie eine Frage oder Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- merkung der Kollegin Höhn? ordneten der SPD) Ich weiß nicht, ob Ihnen diese Sache nicht schon pein- Thomas Mahlberg (CDU/CSU): lich genug ist, aber ich kann gerne noch andere Beispie- Natürlich . le bringen . In dem Antrag, den Sie heute gestellt haben, entlarven Sie sich selbst auch mit Ergebnissen einer wei- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): teren Studie . In dem Fall geht es um Stichproben zum Herr Kollege Mahlberg, Glyphosat ist seit langer Zeit Glyphosat-Gehalt im Urin von Stadtbewohnern . Diese – auf dem Markt . Es braucht eine gewisse Zeit, um Test- Sie nennen das so – wissenschaftliche Arbeit wurde von verfahren zu evaluieren . Warum hat die Bundesregie- der renommierten und bestimmt weltweit anerkannten rung mittlerweile nicht dafür gesorgt, dass wir evaluierte Forschungseinrichtung BUND – das ist nicht der Bund, Testverfahren haben, auch für Milch? Auch wir Grüne sondern der Bund für Umwelt und Naturschutz – durch- 14798 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Thomas Mahlberg (A) geführt . Es ist bestimmt eine sehr renommierte For- Immer getreu dem Motto: Falsche Dinge lange genug be- (C) schungseinrichtung . haupten, dann bleibt schon etwas hängen, dann wird es an irgendeiner Stelle entsprechend transportiert . (Zuruf von der CDU/CSU: Wer bezahlt das?) (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Die Exzellenz der wissenschaftlichen Leistung, die hier GRÜNEN]: Sie haben mich persönlich ge- erbracht worden ist, wurde, wie ich meine, vom Rhei- fragt! Wollen Sie eine Antwort haben? Oder nisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung zu wie stellen Sie sich das vor?) Recht erkannt und mit dem Titel „Unstatistik des Mo- nats“ prämiert . Das sind die Quellen, auf die Sie sich Es mag Ihnen nicht gefallen, aber Sie sollten endlich berufen . einmal einsehen, dass unsere Lebensmittel so sicher sind wie nie zuvor . Die Kolleginnen und Kollegen haben in (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) ihren Beiträgen schon darauf hingewiesen . Die Bundes- bürger haben – auch wenn Ihnen das nicht passt – ein Das Institut, das Mitglied in der Leibniz-Gemeinschaft ganz hohes Vertrauen in die heimische Landwirtschaft und vom Bund und den Ländern finanziert wird, ordnet und unsere Erzeugnisse . die Studie als „groben statistischen Unfug“ ein . (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . In Ihrem Antrag bieten Sie, wie ich finde, noch mehr Dr .Wilhelm Priesmeier [SPD]) Peinlichkeiten . Gleich auf der ersten Seite Ihres Antrags beziehen Sie sich angeblich auf die Daten des Bundes- Laut dem Ernährungsreport 2016, der auch Ihnen vor- amtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher- liegt, also einer repräsentativen Umfrage im Auftrag un- heit aus dem Jahr 2013 . Laut Ihrer Aussage wurde bei seres Landwirtschaftsministeriums, sagen 77 Prozent der 106 Proben eine Überschreitung der Rückstandshöchst- befragten Bürger mehrheitlich, dass Lebensmittel sehr gehalte festgestellt . Ich weiß nicht, woher Sie die Zahlen sicher sind. Ich finde, mit Ihren Diffamierungskampag- haben. Ich finde die da nicht. Wenn man in die Natio- nen und der Angstmacherei, die Sie betreiben, zerstören nale Berichterstattung „Pflanzenschutzmittelrückstände Sie doch gerade das Vertrauen in unsere sicheren Lebens- in Lebensmitteln“ aus dem Jahr 2013 schaut, sieht man, mittel . Das darf doch nicht wahr sein, was Sie hier im dass es diese Zahl dort gar nicht gibt . Man kann in dem Parlament betreiben . Bericht hingegen andere Zahlen finden. Das sind eigent- Das Schlimme ist: Wir haben wissenschaftliche Ins- lich die interessanten . Aber ich verstehe, dass Sie diese titute, wir haben Behörden, wir haben das BfR und die nicht nennen; denn sie passen nicht in die Panikmache, EFSA . Mit den Studien, die Sie machen, ziehen Sie die die Sie betreiben . seriöse Arbeit genau dieser Institutionen in Zweifel . Es (B) Aber ich spiele an dieser Stelle gerne einmal den kann doch nicht wahr sein, dass man versucht, Politik auf (D) Spielverderber und darf vielleicht aus dem Bericht des Panikmache aufzubauen . Im Prinzip machen Sie nichts Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi- anderes, als unsere Landwirte und Landwirtinnen zu ent- cherheit die Ergebnisse der in Deutschland im Jahr 2013 mündigen . an Lebensmitteln erfolgten Untersuchungen auf Pflanzen- (Beifall bei der CDU/CSU) schutzmittelrückstände zusammenfassen . Da heißt es: Sie haben es ja gehört: Da wird mit großer Sachkunde So traten im Jahr 2013 bei insgesamt 1,1 % der be- und mit ganz großem Verantwortungsbewusstsein vorge- probten Erzeugnisse . . aus Deutschland . . Über- gangen – Sie haben es auch gerade von meinem Kolle- schreitungen der geltenden Rückstandhöchstgehalte gen Westermayer noch einmal gehört, wie es in seinem auf . . So wurden im Berichtsjahr 0,6 % der unter- Betrieb gelaufen ist: mit großer Sachkunde wird das ge- suchten deutschen . . Erzeugnisse . . aufgrund von macht –, und Sie sprechen hier immer von „Ackergif- Rückstandshöchstgehaltsüberschreitungen bean- ten“; dabei geht man – so sage ich einmal – sehr dosiert standet . mit Pflanzenschutzmitteln um. Das ist eine Quote von 0,6 Prozent bei 17 000 Proben . (Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und die Insekten sterben zufällig, oder was?) Selbstverständlich gilt auch der Grundsatz, dass natür- lich nicht alles gesundheitsgefährdend ist, was da auf den Ich könnte jetzt noch etwas zum Nationalen Aktions- Tisch kommt . Darauf weist das BVL in der Studie natür- plan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutz- lich explizit hin . Ich glaube auch nicht, dass wir an dieser mitteln sagen; ich glaube aber, darüber ist schon gespro- Stelle einen Dissens haben . Deshalb frage ich Sie, Herr chen worden . Ich kann nur sagen: Der richtige Ansatz ist Hofreiter, einmal ganz persönlich, warum Sie hier diese natürlich Risikominderung; in diesem Punkt sind wir uns ganze Panikmache und Irreführung betreiben . Ihnen geht ja einig . Das kann auch etwas mit Mengenminderung zu es doch eigentlich nur um einen parteipolitisch ideologi- tun haben, aber Risikominderung ist der entscheidende schen Ansatz . Sie wollen im Grunde schon Wahlkampf Punkt . Notwendigkeiten zu erkennen und Risiken zu mi- betreiben und bereiten so zum Beispiel Ihre Konferenz nimieren, muss im Grunde das sein, was wir tun müssen . am morgigen Tag vor . Das ist doch eigentlich das Ziel, Herr Hofreiter, ich empfehle Ihnen einfach einmal, ei- das Sie hier haben, oder nicht? nen Grundkurs beim BfR zu machen . Dann werden Sie wahrscheinlich die eine oder andere Notwendigkeit an (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Anton ­Hofreiter dieser Stelle auch einsehen . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt ernsthaft eine Antwort von mir haben?) Zum Schluss will ich Ihnen noch verraten – Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14799

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: hen. Pestizide finden sich in Milch, in Brötchen und im (C) Herr Kollege Mahlberg, achten Sie bitte auf die Zeit! menschlichen Urin wieder . Gesund kann das nicht sein . (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- Thomas Mahlberg (CDU/CSU): KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) – ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin –, was noch im Kommentar des Tagesspiegels zu Ihren Angstkampagnen Der Wirkstoff Glyphosat gehört unter den Pflanzen- steht . Der Artikel endet nämlich folgendermaßen: „Jetzt giften inzwischen zu den bekanntesten seiner Art . Behör- muss sich nur noch die Vernunft durchsetzen .“ den auf allen Ebenen streiten sich mit Wissenschaftlern (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE und Wissenschaftlerinnen aus allen Ländern darüber, ob GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich auch einen Glyphosat „krebserregend“, „wahrscheinlich krebserre- eigenen Gedanken, oder lesen Sie nur aus dem gend“ oder „gesundheitlich unbedenklich“ ist . Ich bin Kommentar vor? Warum haben Sie eigentlich keine Wissenschaftlerin . Ich muss mich auf die fachliche so viel Redezeit, wenn Sie nur Kommentare Beurteilung durch Dritte verlassen . Wenn ich aber höre, vorlesen? Die können wir auch selber lesen!) dass kritische, unabhängige Studien wegen fehlender Formalitäten bei der Risikobewertung einfach ignoriert Vernünftig wäre es, wie gesagt, mal einen Grundkurs zu werden, kommen mir doch erhebliche Zweifel an der belegen . Glaubwürdigkeit dieser Beurteilungen .

Wir sprachen gestern über Wahrheit und Klarheit beim (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Deutschen Lebensmittelbuch. Wahr ist, wie ich finde: Ihr der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Antrag ist unterirdisch . Und klar ist: Hier im Haus wird GRÜNEN) Ihr Antrag gar nicht gebraucht . Demgegenüber stehen die eindringlichen Warnungen Danke schön . von Experten und Expertinnen, die anmahnen, den Ein- satz von Glyphosat deutlich einzuschränken bzw . zu ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- bieten . Nicht zuletzt durch den Streit in der Wissenschaft ordneten der SPD) hat der Wirkstoff eine traurige Berühmtheit erlangt . Er wird auch weltweit am meisten genutzt . Regelmäßig er- Vizepräsidentin Petra Pau: reichen uns Berichte aus Brasilien, Argentinien und Indi- en, wo Glyphosat in großen Mengen verspritzt wird – mit (B) Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira (D) unübersehbaren Folgen für die Anwohner und für die Ar- ­Drobinski-Weiß das Wort . beiterinnen und Arbeiter auf den Feldern . (Beifall bei der SPD) Der Handel hat bereits auf diese Bilder reagiert und entsprechend den Wünschen seiner Kunden gehandelt . Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Die großen Baumarktketten beispielsweise haben sich Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! dazu entschlossen, Glyphosat nicht mehr zum Kauf an- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über die zubieten . Das gilt auch für deren Onlinehandel . Ich be- Gefahren von Pestiziden und Glyphosat diskutieren, fällt grüße es außerordentlich, dass die Unternehmen in dieser zwangsläufig ja auch immer wieder der Name des Bun- Sache so verantwortungsbewusst handeln . Auch in ihrem desinstituts für Risikobewertung . Interesse kann es daher nur sein, wenn wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt: Der aktuelle Verbrauchermonitor, den das Bundes­ institut regelmäßig erstellt, hat mir dabei für die Debatte (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der wichtige Erkenntnisse geliefert, nämlich dass beispiels- LINKEN) weise 65 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger sich wegen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um Für den privaten Gebrauch sollte Glyphosat nicht mehr die Sicherheit von Lebensmitteln sorgen . Und ihre An- frei erhältlich sein . zahl ist in den vergangenen Jahren nicht gesunken, son- dern gestiegen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- GRÜNEN) SES 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Da hat Die SPD wird sich deshalb für ein Verbot im Bereich von Herr Mahlberg gerade etwas anderes gesagt!) Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Be- reich einsetzen . Über die Hälfte aller Befragten wünscht sich, dass der Staat mehr konkrete Maßnahmen wie Verbote und Be- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- schränkungen ergreift, um sie, nämlich die Verbrauche- SES 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner rinnen und Verbraucher, vor gesundheitlichen Risiken zu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja schützen . Ich kann diese Bedenken sehr gut nachvollzie- schon einmal etwas!) 14800 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Elvira Drobinski-Weiß (A) Denn dort, wo Menschen unmittelbar mit dem Gift in Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppie- (C) Berührung kommen, ist das gesundheitliche Risiko be- rungen in den Fraktionen zügig vorzunehmen und die sonders groß . Gesprächsrunden aus dem Plenum nach draußen zu ver- lagern . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jawohl!) Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Bundes- minister der Justiz, Heiko Maas . Ich bin mir sicher, dass auch Eltern nicht wollen, dass ihre Kinder auf Spielplätzen, in öffentlichen Parks und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gärten spielen, also da, wo das Gift dann auch ange- wendet wird, egal in welchen Mengen . Nach wie vor bin Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- ich auch davon überzeugt, dass die Landwirtschaft ohne braucherschutz: Glyphosat auskommen kann . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und und Herren! Das Urheberrecht ist in Bewegung . Heute des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) beraten wir zu diesem Thema hier im Parlament das erste große Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperio- Hier müssen wir nur die Anwendung konsequent redu- de, nämlich das neue Recht der Verwertungsgesellschaf- zieren, Schritt für Schritt, aber mit dem Ausstieg als kla- ten . Der Anstoß dazu kam aus Brüssel . Wir setzen eine rem Ziel vor Augen . Richtlinie um, die das Recht der Verwertungsgesellschaf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- ten europaweit harmonieren soll . Unser altes deutsches KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Urheberrechtswahrnehmungsgesetz wird damit abgelöst . NEN) Es hat immerhin fünf Jahrzehnte die Spielregeln von GEMA, VG WORT und anderen Verwertungsgesell- In der Tat können wir auf nationaler Ebene nur zu schaften bestimmt . einem kleinen Teil zur Lösung beitragen, insbesondere wenn es um die Lebensmittelsicherheit geht . Doch wir Meine Damen und Herren, wir machen mit diesem sollten als gutes Beispiel vorangehen . Von unseren hohen Gesetz nicht alles anders, aber wir machen, wie wir fin- Lebensmittelstandards haben wir bis jetzt noch immer den, vieles besser . Ich will drei Punkte herausheben . profitiert. Erstens . Wir stärken die Mitbestimmung . Unser Ge- Herzlichen Dank . setzentwurf enthält neue Kompetenzen und Verfahren, die dafür sorgen, dass alle Mitglieder und Berechtigten (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Friedrich in ihrer Verwertungsgesellschaft mitreden und auch mi- (B) Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) tentscheiden können . (D) Zweitens . Wir passen das Recht an das digitale Zeital- Vizepräsidentin Petra Pau: ter an . Wir regeln die gebietsübergreifende Vergabe von Ich schließe die Aussprache . Musikrechten neu . Das ist für Onlinemusikangebote er- forderlich, etwa für Streaming-Dienste wie Spotify oder Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf auch andere . Drucksache 18/7240 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- Drittens . Wir reformieren die sogenannte Vergütung verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung der Privatkopie . Um das Verfahren zur Festsetzung der so beschlossen . Tarife effizienter zu machen, führen wir unter anderem ein Schiedsstellenverfahren ein . Wir sorgen so dafür, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: dass Autoren und Verlage in Zukunft schneller an ihr Erste Beratung des von der Bundesregierung Geld kommen werden . Das schafft auch und vor allen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um- Dingen mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen . Sie setzung der Richtlinie 2014/26/EU über die können künftig wesentlich besser einplanen, welche Ver- kollektive Wahrnehmung von Urheber- und gütungskosten noch auf sie zukommen werden . verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Außerdem schützen wir die Kreativen besser vor Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwer- Ausfallrisiken . Wir sichern sie dadurch ab, dass die ken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt Schiedsstelle künftig eine Sicherheitsleistung für ihre sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend Vergütungsansprüche anordnen kann, etwa in Form einer die Geräte- und Speichermedienvergütung Bankbürgschaft . (VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) Bewährte Grundsätze behalten wir aber bei . So wird es Drucksache 18/7223 bei diesem Gesetzentwurf in der Sache auch einen hohen Überweisungsvorschlag: Wiederkennungswert geben . Verwertungsgesellschaften Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) sind auch in Zukunft dazu verpflichtet, Nutzungsrechte Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda zu angemessenen Bedingungen einzuräumen . Es bleibt also beim Wahrnehmungs- und Abschlusszwang . Es Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für bleibt auch bei der Erlaubnispflicht für Verwertungsge- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- sellschaften, und schließlich werden die Verwertungs- nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . gesellschaften auch in Zukunft weit mehr sein als der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14801

Bundesminister Heiko Maas (A) Treuhänder der Rechteinhaber . Es geht eben nicht nur des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, den wir heute (C) um Tantiemen, sondern auch um den Wert kreativer hier verhandeln, vorgelesen . Die kurze Überschrift lautet Leistungen für unsere Kulturgesellschaft . Deshalb wird „Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie“ . es auch weiter Aufgabe der Verwertungsgesellschaften sein, Künstlerinnen und Künstler zu fördern und zu un- Verwertungsgesellschaften erfreuen sich nicht gerade terstützen – auch wenn sie etwa in einer Schaffenskrise größter Beliebtheit in der Gesellschaft . Gerade die jungen in Not geraten sind . Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen werden Das sind die wesentlichen Aspekte dieses Gesetzent- sich möglicherweise an den frustrierenden Moment erin- wurfs . Ich kann aber auch ankündigen, dass unsere Ar- nern, als sie vor dem Bildschirm ihres Computers geses- beiten am Urheberrecht weitergehen werden . sen haben, weil sie sich auf YouTube einen Titel anhö- ren oder ihn vielleicht sogar herunterladen wollten, und Der nächste Gesetzentwurf, den wir hier schon bald nur eine schwarze Fläche zu sehen war, weil die GEMA zur Beratung und zur Entscheidung vorstellen möchten, erklärt hat, dass die Rechte dafür in Deutschland nicht betrifft das Urhebervertragsrecht . Wir wollen damit ins- geklärt wären . besondere den gesetzlichen Anspruch auf eine angemes- sene Vergütung für kreative Leistungen stärken und gel- Aber auch Personen meines Jahrgangs hier im Saal tendes Recht besser durchsetzbar machen . werden sich möglicherweise daran erinnern, dass sie als (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Mitglied des Fördervereins einer Kita oder einer Schule der CDU/CSU) oder als Mitglied einer Willkommensinitiative versucht haben, ein Weihnachtskonzert, ein Benefizkonzert oder Wir arbeiten außerdem an einem Gesetzentwurf zur Bildungs- und Wissenschaftsschranke, damit Schulen eine andere Kulturveranstaltung zu organisieren, und er- und Unis die Chancen der Digitalisierung in Zukunft leben mussten, dass im Finanzplan der Veranstaltung der noch stärker nutzen können . Posten „GEMA-Gebühren“ einen nicht ganz unerheb- lichen Finanzbetrag von ihnen einforderte, obwohl sie Schließlich geht auch – wie Ihnen nicht verborgen eigentlich einen guten Zweck verfolgt haben; dennoch geblieben ist – die Arbeit in Brüssel weiter . Zuletzt hat mussten sie dafür löhnen . uns das Reprobel-Urteil mit seinem Votum gegen eine Beteiligung der Verleger an der Privatkopievergütung Insofern erfreuen sich Verwertungsgesellschaften deutlich gemacht: In vielen Fragen des Urheberrechts nicht unbedingt großer Beliebtheit . Sie sind aber eine stellt heute der Europäische Gerichtshof die Weichen . sehr wichtige und eigentlich auch eine gute Institution, Deshalb brauchen wir an vielen Stellen neue gesetzliche weil sie gerade angesichts der Tatsache, dass wir uns im (B) Regeln, und wir werden uns in Brüssel dafür starkma- Internetzeitalter befinden und es weltweite Vertriebs- (D) chen, dass auch in Zukunft Autoren und Verleger solche möglichkeiten von Musik- und Kunstprodukten gibt, Vergütungsansprüche wahrnehmen können . Ich halte das dafür sorgen, dass Komponistinnen und Komponisten, für die weitaus bessere Lösung . Textdichterinnen und Textdichter, Fotografinnen und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Fotografen, bildende Künstlerinnen und Künstler so- der CDU/CSU) wie Autorinnen und Autoren ihr Geld nicht einzeln bei Zudem geht es darum, dass wir auf nationaler, aber den Verwerterinnen und Verwertern einfordern müssen, auch auf europäischer Ebene dafür sorgen müssen, dass sondern das kollektiv über eine Organisation betreiben in Zukunft nicht die Gerichte, sondern die gewählten können . demokratischen Parlamente weiterhin die Regeln des Urheberrechtes bestimmen . Deshalb gibt es an vielen Insofern ist meine Fraktion, die Linke, sehr dafür, dass Stellen des Urheberrechtes, das teilweise vor Jahrzehn- Verwertungsgesellschaften gut reguliert werden und or- ten beschlossen worden ist und das die Dynamik der dentlich arbeiten können . Wir haben bereits in der ver- technischen Entwicklung in der digitalisierten Welt häu- gangenen Legislaturperiode dazu einen Antrag vorgelegt fig nicht widerspiegelt, Veränderungsbedarf. Dem wollen und einen Gesetzentwurf eingefordert . In dem Antrag wir uns stellen . haben wir eine ganze Reihe von Kriterien genannt, die inzwischen auch in die Regelungen der Europäischen Schönen Dank . Kommission eingeflossen sind und die jetzt hier umge- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) setzt werden sollen . Insofern sind sie natürlich von der Bundesregierung aufgegriffen worden und finden sich im Vizepräsidentin Petra Pau: Gesetzentwurf wieder . Das Wort hat der Kollege Harald Petzold für die Frak- tion Die Linke . Gleichzeitig muss ich sagen: Wenn ich mir den Ge- setzentwurf, den die Bundesregierung hier vorlegt, insge- (Beifall bei der LINKEN) samt angucke, erinnert er mich eher an die Echternacher Springprozession; denn es werden drei Schritte nach Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): vorn und zwei zurück gemacht, oder, um in Richtung der Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen Kolleginnen und Kollegen von der SPD mit dem Ihnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf bekannten Schriftsteller Günter Grass zu sprechen: „Der den Tribünen! Die Präsidentin hat uns das Wortungetüm Fortschritt ist eine Schnecke“ . 14802 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Harald Petzold (Havelland) (A) Was in aller Welt hat Sie denn daran gehindert, für Vizepräsidentin Petra Pau: (C) mehr Binnendemokratie in den Verwertungsgesellschaf- Der Kollege Dr . Stefan Heck hat für die CDU/ ten zu sorgen? CSU-Fraktion das Wort . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU)

Was hat Sie denn dazu bewogen, ein Aufsichtsmodell zu Dr. Stefan Heck (CDU/CSU): wählen, das aus den 60er-Jahren stammt, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das hat sich Herren! bewährt!) Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar, da es möglicherweise Musik enthält, für die die erfor- und das Deutsche Patent- und Markenamt für die Auf- derlichen Musikrechte von der GEMA nicht einge- sicht sorgen zu lassen? räumt wurden . (Christian Flisek [SPD]: Sie müssen jedem Diesen Satz kennt wohl – Herr Kollege Petzold, auch die Kompetenz absprechen, oder?) Sie haben es angesprochen – jeder YouTube-Nutzer . Vielleicht haben auch Sie sich schon einmal darüber ge- Ich hatte bereits in der Befragung der Bundesregierung ärgert, dass, wenn Sie ein solches Video aufgerufen hat- im November vergangenen Jahres angefragt, wie die ten, ein schwarzer Bildschirm mit einem traurigen roten Bundesregierung das gestalten will . Die Antwort ließ Gesicht erschien . Das macht deutlich, dass Urheberrecht nichts Gutes erahnen . Warum wurde das Deutsche Pa- zwar manchmal, aber nicht immer Spaß macht . Vor allem tent- und Markenamt als Aufsicht für diese Verwertungs- ist es verwirrend, dass manche Inhalte zwar in einigen gesellschaften ausgewählt? Ländern verfügbar sind, in anderen wiederum nicht . (Dr . Karl-Heinz Brunner [SPD]: Warum Herr Minister, Sie haben es gesagt: Mit dem neuen nicht?) Verwertungsgesellschaftengesetz lösen wir das alte Ur- heberrechtswahrnehmungsgesetz ab, das diesen Rechts- Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Konzert or- bereich über viele Jahrzehnte geregelt hat . Wir ändern ganisiert wird und dann die GEMA-Gebühr bezahlt wer- aber nicht nur den Namen . Wir lösen auch eine ganze den soll, richtet sich der Beitrag nach einem vom Deut- Reihe von Rechtsproblemen, die in der Vergangenheit schen Patent- und Markenamt genehmigten Tarif . Aber aufgetreten sind, insbesondere das der länderübergreifen- (B) das Deutsche Patent- und Markenamt hat nicht die Spur den Rechtewahrnehmung . Wir setzen die Vorgaben der (D) einer Ahnung davon, wer beispielsweise Organisator sol- EU-Richtlinie um . Was uns ganz wichtig ist: Wir behal- cher Konzerte sein und welche Interessen dieser haben ten dabei das hohe Urheberrechtsniveau in der Bundes- kann . Wenn beispielsweise ein Konzert zu einem guten republik Deutschland bei, auf das wir zu Recht stolz sein Zweck bzw. ein Benefizkonzert organisiert werden soll, können, liebe Kolleginnen und Kollegen . ist es eigentlich nicht sinnvoll, die Veranstalter in einem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- so hohen Maße zur Kasse zu bitten . ordneten der SPD) Genauso könnte ich Sie fragen: Was hat Sie dazu Das Urheberrecht, das sich schon begrifflich von dem bewogen, dieses kastenähnliche binnendemokratische englischen Copyright unterscheidet, stellt die wirtschaft- Mitbestimmungsmodell aus den 60er-Jahren in dem Ge- liche Grundlage kreativen Schaffens dar . Es entspringt setzentwurf weiter fortzuführen, das nur Mitgliedern – dem Eigentumsrecht und dem Persönlichkeitsrecht des insofern stimmt es nicht ganz, was Sie hier vorgetragen Urhebers . Er selbst steht im Mittelpunkt . Er selbst ent- haben – in den Verwertungsgesellschaften eine tatsächli- scheidet darüber, was mit dem von ihm geschaffenen che Mitbestimmung sichert? Werk am Ende geschieht . Die Verwertungsgesellschaf- ten, die im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfes stehen, Das alles ist nicht zielführend, weil es dazu führt, dass unterstützen den kreativen Urheber, der nicht selten da- beispielsweise, wenn die Gewinne oder die Einnahmen mit überfordert ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen der Verwertungsgesellschaften an die Beteiligten aus- und durchzusetzen . Diese Aufgabe der Verwertungsge- geschüttet werden, vor allen Dingen die Großverdiener sellschaften kann man gar nicht hoch genug einschätzen . bevorzugt werden und gerade kleinere, finanzschwäche- Deswegen ist das Urheberrecht das Recht auf Eigentum re Kreative, die eigentlich viel mehr darauf angewiesen im digitalen Zeitalter . wären, dass sie von den Einnahmen profitieren, benach- teiligt werden . Auch das ist schon angesprochen worden: Bei der gesamten Diskussion um das Urheberrecht in Deutsch- All dies sind Dinge, die wir dringend noch korrigieren land, aber auch in Europa kommt den Verlagen eine ganz müssen . Insofern freue ich mich auf die parlamentarische wichtige Rolle zu . Sie unterstützen den Urheber in seiner Debatte zu diesem Gesetzentwurf . Arbeit . Sie haben eine wichtige Aufgabe bei der Aus- wahl, Bearbeitung und Betreuung von Werken . Dass es Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit . in Deutschland ein so hohes Publikationsniveau gibt, ist am Ende ein gemeinsames Verdienst von Urhebern auf (Beifall bei der LINKEN) der einen und Verlagen auf der anderen Seite . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14803

Dr. Stefan Heck (A) Ich glaube, wir alle, die wir uns mit dem Urheberrecht pflicht. Verwertungsgesellschaften können künftig von (C) beschäftigen, haben in den letzten Wochen und Monaten Vergütungsschuldnern Sicherheitsleistungen verlangen, sehr aufmerksam die Rechtsprechung des Europäischen wenn noch keine Klarheit über den Tarif herrscht . Gerichtshofs zu diesem Thema verfolgt; auch das ist Wir wollen dabei aber auch die Gerätehersteller nicht schon angesprochen worden . Das Urteil in der Rechts- unangemessen benachteiligen . Deshalb sieht der Gesetz- sache Reprobel hat deutsche Verlage in eine schwierige entwurf vor, dass am Ende die Schiedsstelle als neutrale und teilweise existenzbedrohende Situation gebracht . Instanz über die Höhe des zu hinterlegenden Beitrages Deswegen, finde ich, sollten wir heute das Signal sen- entscheidet . den: Wir lassen es nicht zu, dass die deutsche Verlags- landschaft von der europäischen Rechtsprechung quasi Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf im Handstreich zerstört wird . soll die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften trans- parenter und der Erwerb der Lizenzen künftig einfacher (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- werden – ein weiterer Schritt, um das Urheberrecht für ordneten der SPD) das 21. Jahrhundert und die digitale Welt fitzumachen. Die Harmonisierung des hohen Urheberrechtsstan- Herzlichen Dank . dards auf EU-Ebene hat für die Urheber, aber auch für die Nutzer sehr große Vorteile . Künftig gelten EU-weit (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die gleichen Spielregeln . Für den gesamten EU-Raum wird nun die Möglichkeit bestehen, grenzübergreifende Vizepräsidentin Petra Pau: Lizenzen zu erhalten . Die Einholung von 27 Lizenzen Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Frak- der Verwertungsgesellschaften aus 27 Mitgliedstaaten tion Bündnis 90/Die Grünen . wird künftig der Vergangenheit angehören . Das wird hof- fentlich auch dazu führen, dass Sie bei YouTube den ein- gangs erwähnten Satz „Dieses Video ist in Ihrem Land Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nicht verfügbar“ auf Ihrem Bildschirm künftig nicht Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie- mehr so häufig lesen müssen. be Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig – das will ich ausdrücklich sagen –, dass Herr Minister Maas den Für die Urheber bietet sich ein weiterer Vorteil . Es Gesetzentwurf und die Umsetzung der Richtlinie in den gibt nämlich einen größeren Wettbewerb bei den Ver- Kontext gebracht hat, dass wir im Urheberrecht und Ur- wertungsgesellschaften . Ihnen wird es ermöglicht, Ver- hebervertragsrecht sowieso einen Regelungsbedarf ha- wertungsgesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der ben; es sind nämlich schon andere Initiativen im Bun- Europäischen Union mit der Wahrnehmung ihrer Rechte destag oder auf europäischer Ebene in der Debatte . Das (B) zu beauftragen . finde ich richtig. (D) Aber wir bleiben als Koalition nicht bei dem stehen, Ich will gleichwohl sagen, dass es mich ein bisschen was uns der europäische Normgeber vorgegeben hat . irritiert hat, dass Herr Heck über das Geoblocking sprach Wir haben uns im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, die und den Eindruck erweckte, das sei Gegenstand des Ge- kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsge- setzentwurfes . sellschaften zu stärken und die Aufsicht darüber künftig noch effektiver zu gestalten . Dabei möchte ich ein Pro­ (Dr . Stefan Heck [CDU/CSU]: Nicht das blem ansprechen, das uns alle beschäftigt hat und das Geoblocking! Nein! – Dr .Volker Ullrich auch zu vielen Diskussionen geführt hat . [CDU/CSU]: Nicht das Geoblocking! Das hat er nicht gesagt! Es geht um die Musiklizen- Es ist ein gravierendes Problem in der urheberrecht- zierungen!) lichen Praxis, dass das Verfahren zur Festsetzung der sogenannten Privatkopievergütung im Moment viel zu – Gut . Dann haben Sie es vielleicht nicht gemeint . lange dauert . Es gibt für Vervielfältigungsgeräte und für (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Auch nicht Speichermedien in weiten Teilen bislang keine wirksa- gesagt!) men Gesamtverträge . Das führt dazu, dass es auch kei- nerlei Zahlungen seitens der Vergütungsschuldner an die Aber das ist genau der Punkt, der insgesamt noch vor Kreativen und die Urheber gibt . Dadurch haben sich ganz uns liegt . Warum? Weil wir einen ganz großen Arbeits- beträchtliche Vergütungsrückstände gebildet . Das ist für auftrag haben, der eigentlich lautet: Wie bringen wir das die Rechteinhaber mit erheblichen Belastungen verbun- Urheberrecht und das Urhebervertragsrecht ins 21 . Jahr- den . Es besteht zudem ein zunehmendes Risiko, dass die hundert? aufgelaufenen Ansprüche am Ende nicht mehr realisier- Es gibt so viele neue Anwendungen und Nutzungsfor- bar sind . men . Es gibt – Herr Petzold hat es angesprochen – so Hier besteht dringender Verbesserungsbedarf . Des- manche Jugendliche, die sich wundern, wenn plötzlich halb haben wir in der Koalition verabredet, dass die Ver- Rechnungen kommen oder wenn ihnen plötzlich gesagt handlungen und Streitigkeiten über die Höhe der Privat- wird, dass sie sich illegal verhalten haben . kopievergütung künftig noch einfacher und effizienter (Christian Flisek [SPD]: Manche wundern gestaltet werden sollen . sich auch über Straßenverkehrsregeln!) Zur Sicherung der Vergütungsansprüche im laufenden Ich finde, dass es überfällig ist, hier zu einer rechtli- Verhandlungsverfahren schaffen wir eine Hinterlegungs- chen Änderung zu kommen . Denn wir müssen Nutzungs- 14804 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Renate Künast (A) formen wie Downloads, Streaming, Remix bis hin zur Der erste Punkt betrifft § 35 Absatz 2 . Ich glaube, (C) Privatkopie – das Stichwort ist schon gefallen – im digi- hier ist noch nachzubessern . Bei den hier möglichen talen Zeitalter neu regeln, und wir müssen sie klar regeln, „Zwangsgemeinschaften“ bei Gesamtverträgen sehe ich, sodass die Menschen wissen, was zu tun ist und was legal sehen wir, sehen viele Praktikerinnen und Praktiker, Ur- ist und was nicht . heber und auch Verwertungsgesellschaften ein erhebli- Ich erwarte an dieser Stelle von der Europäischen ches Missbrauchspotenzial und in der Praxis erhebliche Kommission mehr, als wir bisher bekommen haben . Probleme, auch zulasten der Urheber und Urheberinnen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zweiter Punkt, der One-Stop-Shop . Viele – auch Ver- sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] wertungsgesellschaften – plädieren für einen One-Stop- [DIE LINKE]) Shop, also eine einfache, schnelle und europaweit zent- rale digitale Rechteerklärung für Nutzungslizenzen . Ich Ich scheue mich nämlich schon fast, Herrn Oettinger wieder einzuladen, weil ich Sorge habe, dass ich dann frage mich: Warum finden wir das nicht im Gesetzent- zum fünften Mal dieselbe Rede hören werde . wurf? Warum entscheidet man sich anders? (Christian Flisek [SPD]: Das ist durchaus Drittens, ein kleines Lob . – Nein, erst unter dem vier- möglich!) ten Punkt kommt das Lob .

Nur die Vorlage dazu gibt es noch nicht . Ich habe den (Christian Flisek [SPD]: Zweimal Lob!) Eindruck, dass auch einige andere schon meinen, den Text mitsprechen zu können, wenn er uns zum Beispiel – „Zweimal Lob“, das ist auch eine gute Idee . Da habe wieder erzählt, dass in Zukunft nur noch bestimmte Fuß- ich mich jetzt vergaloppiert . Wie schade! ballspiele geguckt würden, die kleinen aber nicht mehr . Wir erwarten – das will ich in Richtung Brüssel sa- Dann komme ich jetzt erst einmal zu dem Punkt mit gen –, dass es endlich gute Legal Proposals und Vorlagen dem kleinen Lob . In § 32 geht es um die Ausschüttung gibt; denn der gesamte Bereich des Urheberrechts betrifft für kulturelle und soziale Zwecke sowie um kulturelle nicht nur uns persönlich, sondern auch die Autorinnen Förderung und soziale Leistung . Die Richtlinie enthielt und Autoren, die Künstler und Künstlerinnen und die eine Sollvorschrift, während der Referentenentwurf nur User, die täglichen Nutzer im digitalen Zeitalter . eine Kannvorschrift vorsah . Nun handelt es sich wieder um eine Sollvorschrift . Das ist gut so . Klarheit tut not, und es wird am Ende auch mehr wirt- schaftliche Entwicklungsmöglichkeiten geben . Auch das Der vierte Punkt betrifft die Kosten und den Kosten- (B) wollen wir nicht vergessen, meine Damen und Herren . aufwand . Ich wünsche mir, dass das noch einmal realis- (D) Aber hier und jetzt geht es speziell um den Entwurf tisch nachgerechnet wird . eines Gesetzes zur Umsetzung einer Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Fünfter und letzter Punkt betrifft die kritische Frage, Schutzrechten . In diesem Zusammenhang möchte ich ei- ob dieser Gesetzentwurf eigentlich alternative Verwer- nes klar sagen: Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen tungsgesellschaften zulässt . Alle wollen immer überall und Künstler, Urheberinnen und Urheber leben davon, Wettbewerb . dass sie Werke verfassen, die ein möglichst breites Pu- blikum finden. Dabei brauchen sie natürlich organisato- Vizepräsidentin Petra Pau: rische Unterstützung . Denn man kann noch so viele Ro- mane schreiben: Wenn sie alle zu Hause in einer großen Frau Kollegin Künast, ich glaube, das müssen Sie in Schachtel neben dem Poesiealbum liegen bleiben, wird den Ausschussberatungen bis zur zweiten und dritten Le- daraus kein Lebensunterhalt . Sie leben aber logischer- sung klären . weise auch davon, dass es eine entsprechende Vergütung gibt . Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verwertungsgesellschaften können dabei eine gute Hilfe sein, auch wenn wir alle wissen, dass es hier und Ich führe meinen Gedankengang noch zu Ende .– Ich da Kritik an Abläufen und Vergütungsstrukturen gibt . frage mich: Werden hier eigentlich Alternativen zu- Manche haben das Gefühl, dass einige, die schon be- gelassen? Herr Maas hat gesagt, dass wir Wettbewerb rühmt sind, viel Geld bekommen, während die Kleinen brauchen . Dann müsste ein solches Gesetz auch genos- bei der Vergütung im Verborgenen bleiben . Es gibt also senschaftlich organisierte Verwertungsgesellschaften zu- eine Menge zu tun in Sachen Umsetzung, nicht nur dieser lassen . Richtlinie, und es gibt eine Menge Reformmöglichkei- ten . (Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Dieser Gesetzentwurf regelt einen großen Bereich der technischen Umsetzung . Ich will vier oder fünf Punkte in Es ist Luft nach oben, und ich freue mich auf die Be- diesem Bereich ansprechen, von denen wir hoffen, dass ratungen . wir zu einer ernsthaften Debatte im Ausschuss, zu einer Anhörung, die schon terminiert ist, und letztlich auch zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Änderungen kommen . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14805

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: bringen: Effiziente und gesellschaftlich breit akzeptierte (C) Verwertungsgesellschaften sind unverzichtbar . Das Wort hat der Kollege Christian Flisek für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genauso unverzichtbar ist ein verlässlicher und klarer Rechtsrahmen für die Arbeit der Verwertungsgesellschaf- ten . In Zeiten der Digitalisierung und Internationalisie- Christian Flisek (SPD): rung muss dieser Rechtsrahmen auch wettbewerbsfähig sein . Verwertungsgesellschaften benötigen nicht nur ein Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! attraktives Rechteportfolio, sondern auch faire Wettbe- Es geht heute um Verwertungsgesellschaften; das ist werbsbedingungen . Dafür haben wir als Gesetzgeber zu mittlerweile klar . Herr Petzold, Sie haben es angespro- sorgen, und wir werden es mit diesem Gesetzentwurf chen: Was auf Anhieb etwas sperrig klingt, stellt in Wirk- auch tun . lichkeit eine große gesetzgeberische Zäsur dar, und zwar eine Zäsur in sehr positivem Sinne . Das Bundesministe- Dieser Gesetzentwurf markiert aber auch das Ende der rium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Richt- urheberrechtlichen Lethargie in der deutschen Politik . linienumsetzung zum Anlass genommen, das Recht der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Verwertungsgesellschaften komplett neu aufzustellen . Man muss sich nur vor Augen führen, dass das derzeitige Die Urheberrechtspolitik dieser Koalition besteht nicht Wahrnehmungsgesetz über 50 Jahre gegolten hat, um zu aus vollmundigen und im Ergebnis ergebnislosen Ber- ermessen, wie lange uns wahrscheinlich auch das neue liner Reden zum Urheberrecht, sondern sie setzt hand- Gesetz begleiten wird . werklich sauber das Urheberrechtsprogramm der Legis- laturperiode, das angekündigt wurde, um . Es ist kein Geheimnis, dass das Recht der Verwer- tungsgesellschaften selbst für Juristen, die sich intensiv (Beifall bei der SPD) mit dem Urheberrecht beschäftigen, eine besondere Ma- Das ist ein gutes Signal für die Urheber, die Verwerter terie ist, in der sich nur wenige Spezialisten bewegen . und auch für die Nutzer in diesem Land . Die Existenz der Verwertungsgesellschaften im Verbor- genen steht aber in keinem Verhältnis zur ökonomischen Meine Damen und Herren, der Minister hat die De- Bedeutung der Verwertungsgesellschaften für die Kultur- tails des Entwurfs bereits vorgestellt . Lassen Sie mich schaffenden und die Kreativwirtschaft in unsrem Land . noch zwei Anmerkungen hierzu machen . Dieser Entwurf (B) Zwei Zahlen mögen dies verdeutlichen: Die GEMA als enthält auch wesentliche Regelungen zur Erhebung und (D) Verteilung derjenigen Gelder, die unter dem Stichwort die vielleicht in der Öffentlichkeit bekannteste deutsche „Privatkopievergütung“ die urheberrechtlich sensibili- Verwertungsgesellschaft verwaltet jedes Jahr treuhände- sierten Gemüter in der Vergangenheit erregt haben . Auch risch Erlöse über knapp 900 Millionen Euro . Insgesamt jetzt kursieren schon wieder zahlreiche Gutachten zu der verwalten die 13 deutschen Verwertungsgesellschaften Frage, was an diesen Regelungen vielleicht verfassungs- als Treuhänder Einnahmen von über 1,3 Milliarden Euro . widrig sein könnte und was nicht . Damit sind Verwertungsgesellschaften eine wesentli- che Säule der kulturellen und kreativen Landschaft in Ich möchte betonen, dass es uns als SPD in dieser Deutschland, und das – darauf wurde schon hingewie- Frage um einen fairen Interessenausgleich geht . Wenn sen –, obwohl sie in der öffentlichen Meinung nicht un- klar ist, dass ein Vergütungsanspruch zu zahlen ist, je- bedingt das beste Image haben . Aber das sollte nicht dazu doch keine Einigkeit über die Höhe besteht, dann muss führen, dass wir in parlamentarischen Debatten stereoty- einerseits das Insolvenzrisiko der Zahlungsverpflichteten pe Vorurteile bedienen . abgesichert werden, und andererseits muss verhindert werden, dass unnötig Liquidität aus den Unternehmen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten herausgezogen wird . Wir haben dies im Vorfeld des Ge- der CDU/CSU) setzgebungsverfahrens deutlich gemacht, und ich per- sönlich finde, dass der nunmehr vorgeschlagene Weg der Verwertungsgesellschaften arbeiten nicht gewinnori- Sicherheitsleistung, auch wenn diese nicht kostenlos zu entiert . Ihre Einnahmen verwalten sie als Treuhänder . haben ist, hier eine faire Kompromisslinie darstellt . Diese werden an die berechtigten Urheber und Rechte- inhaber ausgeschüttet . Diese verlässlichen Ausschüttun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen sind für viele Kreative der gerechte Lohn für ihre der CDU/CSU) Arbeit . Diese Ausschüttungen sind wesentlicher Teil der Eine zweite Anmerkung möchte ich machen . Wir Existenzgrundlage vieler Urheber, und sie sind damit werden – es ist bereits erwähnt worden – aus Anlass eine wesentliche ökonomische Grundlage für das Kul- der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im turschaffen in Deutschland . Verwertungsgesellschaften Fall Reprobel und der anstehenden Entscheidung des bündeln Rechte und erleichtern damit den Kreativen, Bundesgerichtshofs im Fall Vogel beobachten müssen, die wirtschaftlichen Früchte ihrer Arbeit zu ernten . Sie welche Konsequenzen dies für die betroffenen Verwer- tragen aber auch ganz wesentlich dazu bei, dass Verwer- tungsgesellschaften einerseits und insbesondere für die ter wie beispielsweise Radiosender Rechte effizient und Verlagslandschaft in Deutschland andererseits haben rechtssicher einkaufen können . Um es auf den Punkt zu kann . Wir stehen hier für einen konstruktiven Dialog auf 14806 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Christian Flisek (A) nationaler und europäischer Ebene bereit, aber wir wer- den sich auf Referentenebene befindlichen Entwurf ei- (C) den jetzt erst einmal die höchstrichterliche Entscheidung nes Gesetzes zur Reform des Urhebervertragsrechts . Da des Bundesgerichtshofs abwarten . Das gebietet auch der erkennen wir derzeit nicht die Qualität, wie wir sie hier Respekt vor der Judikative . jetzt sehen . Insofern hoffen wir, dass dieser Entwurf auf dem Weg zum Kabinettsbeschluss noch deutlich nachbe- Meine Damen und Herren, ich möchte mich zum arbeitet wird, damit das hohe Niveau, mit dem wir in die Schluss bei Herrn Bundesjustizminister Heiko Maas und Novellierung des Urheberrechtes eingestiegen sind, auf- auch bei seinem Hause für diesen ausgewogenen, kom- rechterhalten wird . plexen und handwerklich guten Entwurf bedanken . 2016 wird mit Sicherheit das Urheberrechtsjahr dieser Legis- (Beifall bei der CDU/CSU) laturperiode werden . Es beginnt mit einem großen Wurf zum Recht der Verwertungsgesellschaften . Die Kolleginnen und Kollegen haben es schon ange- sprochen – gleichwohl will auch ich es noch einmal sa- Herzlichen Dank . gen –: Das Urheberrecht ist eine relativ trockene Sparten- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) materie . Dennoch besprechen wir dieses Thema zu dieser Zeit hier im Parlament, was einfach etwas damit zu tun Vizepräsidentin Petra Pau: hat, dass es für die vielen Hunderttausend Kreativen in unserem Land – für die Urheber, für die, die schreiben, Das Wort hat der Kollege Marco Wanderwitz für die für die, die malen, für die, die Drehbücher verfassen, für CDU/CSU-Fraktion . Schauspielerinnen und Schauspieler usw .– ein unheim- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lich wichtiges Thema ist, weil sie vom Wert ihrer Arbeit ordneten der SPD) leben können müssen . Das setzt voraus, dass die Rechte, die sie haben, vernünftig wahrgenommen werden .

Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Damit sind wir bei dem Thema „kollektive Rechte- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wahrnehmung“, das im Rahmen der Beratung dieses Zunächst auch von mir, Herr Minister, herzlichen Dank Gesetzentwurfs zu behandeln ist . Kollegin Künast hat für das erste große Urheberrechtsgesetz dieser Legisla- § 35 Absatz 2 dieses Gesetzentwurfs bereits angespro- turperiode; Kollege Flisek hat es schon angesprochen . chen . Auch wir sehen noch Gesprächsbedarf im parla- Wir haben die Raufe reichlich voll in diesem Bereich . mentarischen Verfahren . Hinter die im Gesetzentwurf Deswegen freue ich mich sehr, dass wir nun ans Laufen verankerte Regelung von Gesamtverträgen setzen zu- kommen . Es wird auch Zeit, will ich an dieser Stelle sa- mindest wir noch große Fragezeichen, weil sie einfach (B) gen; missbrauchsanfällig ist, weil sie die Möglichkeit von (D) (Beifall des Abg . Christian Flisek [SPD]) Blockaden in sich birgt und weil davon auch das Thema „ausländische Verwertungsgesellschaften“, die ein beste- denn die Legislaturperiode ist zur Hälfte vorbei . hendes System unterminieren können, berührt ist . Über all das müssen wir im parlamentarischen Verfahren noch Weil es so viel ist, was wir noch gemeinsam machen sprechen . wollen, haben wir 2016 eine Menge vor, was unter an- derem – auch das will ich an dieser Stelle sagen – etwas Des Weiteren war – das hat mein Kollege Stefan Heck damit zu tun hat, dass wir einen erheblichen Reformstau schon angesprochen – das einschlägige Urteil des Euro- in diesem Bereich haben . Das hat wiederum damit zu päischen Gerichtshofes, was Verlagsbeteiligungen be- tun, dass die letzte Legislaturperiode in diesem Bereich trifft, ein, wie man so schön sagt, „Schlag ins Kontor“ . leider verlorene Jahre für das deutsche Urheberrecht mit Wir wollen im parlamentarischen Verfahren prüfen, ob sich gebracht hat . Warum spreche ich das heute hier an? wir mit diesem Gesetz an dieser Stelle Raum für eine Weil wir als Union betonen wollen, dass nicht wir da- nationale Lösung der aufgeworfenen Problematik haben . für verantwortlich sind, sondern diese Verantwortung bei einer Partei liegt, die heute nicht mehr in diesem Klar ist – das hat der Minister zutreffend ausgeführt; Hause sitzt, und bei einer ehemaligen Ministerin, die Herr Minister, wir wollen Sie absolut darin bestärken, heute nicht mehr Justizministerin ist, nämlich bei Frau zu versuchen, in Brüssel zu einer Lösung zu kommen –: ­Leutheusser-Schnarrenberger . Das waren verlorene Jahre Bis es zu einer solchen Lösung gekommen ist, haben wir für die Weiterentwicklung des Urheberrechts . Das will eine Lücke; bis dahin befinden sich unsere Verlage in ich heute hier zumindest festgehalten haben . schwerer Not . Das ist auch für die Kreativen keine gute Schön ist nun, dass es uns gelingt – mit diesem Ge- Botschaft; denn die Verlage sollen das vorhandene Geld setz sind wir jedenfalls schon einmal auf dem richtigen nicht einfach einstecken, sondern damit weiterhin all das Weg –, dass es künftig anders wird . Ich teile absolut die tun, was sie bisher getan haben, nämlich beispielsweise Sicht, dass wir hier ein handwerklich gutes Gesetz vor Produkte wie Hörbücher entwickeln, ausländische Li- uns haben . Wir werden im parlamentarischen Verfahren, zenzen vergeben und Übersetzungen auf den Markt brin- glaube ich, nicht so viele Änderungen vornehmen müs- gen . Hinzu kommt natürlich auch die gesamte Werbung, sen . etwa für Bücher, Stichwort „Markteinführung“ . Ange- sichts dessen meinen wir, dass wir im parlamentarischen Ich will allerdings ein wenig Wasser in den Wein gie- Verfahren intensiv prüfen sollten, ob es uns gelingt, diese ßen, indem ich den Blick auf das lenke, was so im Kö- Lücke zumindest national zu schließen, bis sie auch auf cher ist . Herr Minister, ich verweise beispielsweise auf europäischer Ebene geschlossen ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14807

Marco Wanderwitz (A) Der letzte Punkt, den ich in Bezug auf das Verfahren es für die Kreativen zu kompliziert machen, ihre Rechte (C) der Umsetzung der Richtlinie ansprechen möchte: Der wahrzunehmen . Wenn die Wahrnehmung der Rechte in- Gesetzentwurf sieht eine Lösung vor, was die Sicher- nerhalb einer Verwertungsgesellschaft komplizierter ist heitsleistung betrifft . Die vorgesehene Leistung ist ein als beispielsweise bei der Binnenstruktur einer Aktienge- bisschen weniger umfangreich als die Hinterlegungs- sellschaft, dann, glaube ich, laufen wir Gefahr, dass wir pflicht, die wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen hier überregulieren . Wir sollten eine einfache, eine prak- hatten . Dies halten wir gleichwohl für eine akzeptable­ tikable Handhabung vorsehen und nicht in eine Richtung Lösung, für einen Interessenausgleich zwischen den gehen, die ein Zuviel an Regelung bedeutet . Verwertungsgesellschaften auf der einen Seite und der Geräteindustrie auf der anderen Seite . Allerdings sollte (Beifall bei der CDU/CSU) sich das Ganze dann nicht noch weiter zurückentwickeln, Wir werden auch über die Geräte- und Leermedien- sprich: Ein parlamentarisches Verfahren, das sich in die vergütung zu sprechen haben . Es muss klar und deutlich falsche Richtung entwickelt, wäre für uns kein gangba- gesagt werden, dass die Urheberrechtsreform von 2008, rer Weg . Deswegen an dieser Stelle meine Bitte an die die eine Einigungspflicht zwischen den Organisationen, Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns eher in die zwischen den Urhebern einerseits und den Verwertern andere Richtung denken . Das ist besser, als diesen Weg andererseits, vorsah, sich nicht bewährt hat, dass immer weiterzugehen . noch Dutzende von Schiedsverfahren und Gerichtsver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- fahren offen sind, weil es der Gesetzgeber zu schwer ge- ordneten der SPD) macht hat, sich darüber zu einigen . Deswegen ist die zukünftige Sicherheitsleistung ein Vizepräsidentin Petra Pau: gangbarer und, wie ich meine, auch verfassungsrecht- Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege lich angemessener Mittelweg zwischen dem System, das Dr .V olker Ullrich das Wort . nicht funktioniert hat – nämlich zu sagen: einigt euch! –, und einer Hinterlegungspflicht, die verfassungsrechtlich (Beifall bei der CDU/CSU) bedenklich ist . Ich glaube, mit dieser Sicherheitsleistung sind die Ansprüche der Urheber gegen Insolvenzrisiken Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): hinreichend abgesichert . Trotzdem wird Liquidität nicht Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und in einem Maße entzogen, welches es für die Verwerter Herren! Wir haben in unserem Land ein reiches Kultur- selbst schwer macht, über die Runden zu kommen . Des- leben mit vielen Werken in Wort, Ton, Bild oder Schrift, wegen sollten wir uns auf diese Sicherheitsleistung ei- die von zahlreichen Kreativen geschaffen werden . Auch nigen . (B) wenn viele Werke ideelle Werte haben und oftmals in ih- (D) rem Wert nicht bezifferbar sind, so müssen und sollen Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Ände- die Kreativen doch von ihren Werken leben können und rung in Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH . Das dürfen . Weil die Vergütungsansprüche von Kreativen mit Urteil vom 12 . November 2015 ist ein Urteil, das mit den zu zahlenden Entgelten der Nutzer in Einklang zu unserer Rechtstradition und auch mit unserer Auffassung bringen sind, ist das System der kollektiven Urheber- nicht in Einklang zu bringen ist . Auch Verlage tragen ih- rechtswahrnehmung ein altes und bewährtes System . ren Teil zur schöpferischen Darstellung und zum Urhe- Deswegen werden wir an ihm festhalten . berrecht bei, weil ein Autor ohne die Verlage sein Werk gar nicht an die Öffentlichkeit bringen könnte . Deswegen Das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz hat am 1 . Ja- sollten wir deutlich machen, dass erst durch das Zusam- nuar 50 Jahre seines Bestehens gefeiert . Wir werden es menspiel von Verlagen und Autoren die Autoren, die Ur- durch das Verwertungsgesellschaftengesetz ablösen, das heber, ihre Rechte wahrnehmen können . die wesentlichen Punkte beibehält, weil sie sich bewährt haben . Dazu gehört, dass die Verwertungsgesellschaften Meine Damen und Herren, Kreativität hat in diesem ihre Monopolstellung behalten, dass sie einer staatlichen Land einen hohen Wert; das muss auch so sein . Wir Erlaubnispflicht und Überwachung unterliegen und dass werden mit diesem Gesetz zwei Grundrechte, zwei Ver- sie verpflichtet werden, gemeinnützig zu handeln, nicht fassungsentscheidungen, die wichtig sind, verbinden, für sich Gewinne zu erzielen, sondern Gewinne an die nämlich die Kunstfreiheit und die Eigentumsgarantie . Kreativen auszuschütten . Es sind nicht unerhebliche Deswegen: Lassen Sie uns an diesem Entwurf mit der Summen, die hier zustande kommen . Allein im Jahr 2014 gebotenen Ernsthaftigkeit sauber arbeiten – für die Krea- war es über 1 Milliarde Euro, davon 893 Millionen Euro tiven und für das kulturelle Leben in diesem Land! für die GEMA und 144 Millionen für die VG WORT . Das Vielen Dank . sind Beträge, die es vielen Künstlern ermöglichen, von ihren Werken zu leben und zu profitieren. Das sollten wir (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) in diesem Zusammenhang auch einmal bemerken . Meine Damen und Herren, wir müssen bei dem zur Vizepräsidentin Petra Pau: Beratung anstehenden Gesetzentwurf auf einige Dinge Ich schließe die Aussprache . achten . Es ist ein insgesamt ausgewogener und guter Entwurf . Wir müssen aber Obacht geben und uns fragen, Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- ob wir bei der Frage der Binnenstruktur den Verwer- wurfs auf Drucksache 18/7223 an die in der Tagesord- tungsgesellschaften nicht Regulierungen auferlegen, die nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es 14808 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Vizepräsidentin Petra Pau (A) dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . heren Zahlungsempfänger und die Belange der übrigen (C) Dann ist die Überweisung so beschlossen . Insolvenzgläubiger wieder ins Lot bringen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Bisher können Geschäfte angefochten werden, die bis Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- zu zehn Jahre vor der Insolvenz liegen . Dieser Zeitraum gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- ist für gewöhnliche Zahlungsvorgänge zu lang . Wir wol- serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen len diese Frist auf vier Jahre verkürzen . nach der Insolvenzordnung und nach dem An- fechtungsgesetz (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Drucksache 18/7054 Ich sage dazu: Diese Verkürzung gilt allerdings nicht für Überweisungsvorschlag: Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen . Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Dort muss nämlich niemand geschützt werden . Unrecht Finanzausschuss verdient wahrlich keine Rechtssicherheit . Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Wir wollen auch mehr Sicherheit für Gläubiger schaf- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für fen, die ihren Schuldnern zur Überbrückung Zahlungser- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- leichterungen gewährt haben . So etwas kann das Funkti- nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . onieren der Märkte stärken und soll nicht unnötig bestraft werden . Das ist ebenfalls gesondert geregelt . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Bun- desminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Wir wollen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Maas . mer besser schützen . Sie sollen die Sicherheit haben, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dass sie den Lohn, den sie verdient haben, auch tatsäch- lich behalten dürfen .

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) braucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und In Zukunft sollen Lohnzahlungen nicht mehr angefoch- Herren! Eine der wichtigsten Aufgaben des Rechts be- ten werden können, wenn das Geld spätestens drei Mona- steht darin, Sicherheit zu schaffen . Rechtssicherheit te nach der Arbeitsleistung gezahlt worden ist . bringt Ordnung in unser Leben . Zu dieser Sicherheit ge- (B) hört dann auch Kontinuität . Was heute gilt, soll grund- Und schließlich wollen wir auch Gläubiger schützen, (D) sätzlich auch morgen noch Bestand haben . die zur Zwangsvollstreckung gegriffen haben . Was sie mithilfe des Vollstreckungsrechts erlangt haben, sollen (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sie nicht aufgrund des Insolvenzrechts wieder herausge- Das wäre schön!) ben müssen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir Si- cherheit und Kontinuität im Geschäftsverkehr, indem wir Meine Damen und Herren, neben diesen Einschrän- das Recht der Insolvenzanfechtung behutsam reformie- kungen des Anfechtungsrechts wollen wir auch noch auf ren . andere Weise die Belastungen für den Geschäftsverkehr reduzieren . Wir wollen die Verzinsung des Anfechtungs- Durch die Anfechtung kann ein Insolvenzverwalter anspruchs neu regeln . Das niedrige Zinsniveau auf dem Vermögenswerte in die Insolvenzmasse zurückholen, die Geldmarkt und die deutlich höheren Verzugszinsen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Ver- das Gesetz vorsieht, verleiten manche tatsächlich dazu, mögen des Schuldners geflossen sind. Das ist ein wich- ihre Anfechtungsansprüche später als möglich geltend zu tiges Instrument, um vor allen Dingen sicherzustellen, machen . Auch solche Fehlanreize wollen wir beseitigen . dass alle Gläubiger gleichbehandelt werden . Es soll ver- hindert werden, dass sich Einzelne vor einer Insolvenz Wir schlagen außerdem vor, dass das Insolvenzan- die Rosinen herauspicken . tragsrecht der Gläubiger gestärkt wird . Belastungen Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdings durch die nachträgliche Anfechtung lassen sich ja auch auch die Kehrseiten der Anfechtung gezeigt . Wer mit ei- dadurch vermeiden, dass insolvenzreife Unternehmen nem Unternehmen Geschäfte macht oder dort als Arbeit- rechtzeitig vom Markt genommen werden . nehmer beschäftigt ist, also Lohn empfängt, kann nicht Meine Damen und Herren, mit diesen behutsamen sicher sein, dass er sein Geld dauerhaft behalten kann . Reformen erhalten wir das wichtige Recht der Insolvenz­ Wie ein Damoklesschwert schwebt über ihm das Risiko, anfechtung, aber wir steuern auch punktuell nach . Wir dass er das Geld wieder herausgeben muss, wenn das Un- machen die komplexe Materie vor allen Dingen für die ternehmen später in Insolvenz gerät und ein Insolvenz­ Praxis leichter handhabbar, und wir sorgen damit den- verwalter die Zahlung anfechtet . noch für mehr Rechtssicherheit . Das kommt auch dem Diese widerstreitenden Interessen – Rechtssicherheit Ansehen des Insolvenzrechtes insgesamt zugute . Es soll einerseits und Sicherung der Insolvenzmasse anderer- eben kein Damoklesschwert sein, das über Arbeitneh- seits – sind zweifelsfrei aus der Balance geraten . Hier merinnen und Arbeitnehmern und lauteren Geschäfts- setzt unser Entwurf an . Wir wollen die Interessen der frü- partnern schwebt, sondern ein juristisches Skalpell, das Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14809

Bundesminister Heiko Maas (A) dafür sorgt, dass Markt und Wirtschaft gesund bleiben Zum Glück für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- (C) und gerecht funktionieren . nehmer hat das Bundesarbeitsgericht die Anfechtungen der Gehaltszahlungen durch die Insolvenzverwalter nicht Vielen Dank . länger geduldet . Es wandte die Insolvenzordnung unter (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Achtung tragender Verfassungsprinzipien wie des Sozi- alstaatsprinzips an und erhöhte den Schutz der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer . Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Richard Pitterle von der Fraktion Die Trotz dieser Entscheidung wurden weiterhin Lohnzah- Linke hat jetzt das Wort . lungen durch Insolvenzverwalter angefochten . Sie berie- fen sich auf die Rechtsprechung eines anderen Oberge- (Beifall bei der LINKEN) richts: Der Bundesgerichtshof für Zivilsachen warf dem Bundesarbeitsgericht vor, die Grenzen der Verfassung Richard Pitterle (DIE LINKE): verlassen zu haben und den gesetzgeberischen Willen zu missachten . Daher sind wir als Gesetzgeber gefordert, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegin- nen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Stellen gesetzliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmerin- Sie sich Folgendes vor: Sie arbeiten seit einigen Jahren nen und Arbeitnehmer zu verabschieden . in einem kleinen Familienunternehmen . Es herrscht ein (Beifall bei der LINKEN) angenehmes Betriebsklima . Kollegen und Kolleginnen treffen sich auch in der Freizeit. Die Tür der Chefin oder Die Argumente der Gegner einer solchen Regelung des Chefs ist immer offen . Eine durchaus realistische überzeugen nicht . Die beschworene heilige Kuh der Vorstellung! Wie wir im Zuge der Erbschaftsteuerdebatte Gläubigergleichbehandlung mag ein altrömisches Prin- immer wieder gehört haben, sind kleine Familienunter- nehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft; denn sie zip sein . Doch nicht altrömische Prinzipien, sondern das beschäftigen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Grundgesetz ist unser Maßstab . Das Gleichbehandlungs- nehmer . gebot des Artikels 3 Grundgesetz ist im Lichte des Sozi- alstaatsprinzips anzuwenden . Und während Forderungen Stellen wir uns weiter vor: Im Unternehmen wird seit von Banken und Großgläubigern häufig nur Rechnungs- einiger Zeit gemunkelt, dass es dem Unternehmen nicht posten in der Buchführung sind, ist Arbeitslohn für Ar- gut ginge . Die Aufträge würden wegbrechen, Kreditge- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlicht existenziell . ber ließen sich Zeit mit Zusagen, Vertragspartner mahn- Der Gesetzgeber ist gefordert, Schutz nach Schutzbe- (B) ten Zahlungen an. Die Chefin oder der Chef räumt ein, dürftigkeit zu gewähren . Der BGH meint, es wäre da- (D) dass es Probleme gibt: Das Gehalt werde gezahlt, aber bei Aufgabe des Staates, sozialrechtliche Schutzlücken wohl später, wohl weniger . Wenn sich alle anstrengten, durch staatliche Leistungen auszugleichen . Für die Linke den Gürtel enger schnallten, dann sei die Krise aber bald ist es die Aufgabe des Staates, unter den Gläubigern eine überwunden . gerechte Verteilung zu regeln . Leider wird die Krise nicht überwunden . Nach Mona- (Beifall bei der LINKEN) ten des Zitterns steht der Insolvenzverwalter in der Tür . Und er bringt ein paar Briefe mit: keine Dankes- oder Im Steuerrecht wird nach Leistungsfähigkeit besteu- Motivationsschreiben, sondern Zahlungsaufforderungen, ert . Auch das Insolvenzrecht muss sich bei der Verteilung Aufforderungen an die Belegschaft, die letzten nach- daran orientieren . Es kann nicht Aufgabe der Arbeitneh- gezahlten Gehälter unverzüglich zu erstatten, damit sie allen Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur merinnen und Arbeitnehmer sein, den Topf für Banken Verfügung stünden . Die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- und Großgläubiger wieder aufzufüllen, um dann zum nehmer seien Schuldner der Insolvenzmasse, da sie die Bittsteller beim Staat zu werden . prekäre Situation ihres Unternehmens schließlich ge- kannt hätten . Der vorliegende Entwurf ist ein wichtiger Anstoß . Lassen Sie uns in den Beratungen dafür sorgen, dass Das mag wie eine Räuberpistole klingen . Oder? Aber den Ansprüchen, wie sie im Regierungsentwurf zur das ist seit der Insolvenzrechtsreform 1999 gesetzliche Insolvenz­ordnung von 1992 formuliert werden, Rech- Realität und Praxis . Zuvor galt Jahrzehnte das sogenann- nung getragen wird . Dort heißt es – ich zitiere –: te Arbeitnehmerprivileg der Konkursordnung . Danach blieben rückständige Lohnforderungen der letzten sechs Insolvenzrecht soll, wie alles Recht im demokra- Monate unangetastet . Forderungen der Arbeitnehmerin- tischen und sozialen Rechtsstaat, einen gerechten nen und Arbeitnehmer waren gegenüber anderen Gläubi- Ausgleich schaffen, den Schwächeren schützen und gern bevorrechtigt . Mit der Insolvenzrechtsreform wur- Frieden stiften . den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einfachen Gläubigern degradiert, die auf sich gestellt gegen Vertre- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ter von Banken und Großgläubigern in den Verteilungs- kampf um den Trog mit den Vermögensresten geschickt (Beifall bei der LINKEN – Dr .Patrick wurden . Man kann sich vorstellen, wer da den Kürzeren ­Sensburg [CDU/CSU]: So viel Lob der Lin- gezogen hat . ken für eine Initiative der Union!) 14810 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Meine Damen und Herren, für das Insolvenzverfahren (C) Das Wort hat die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-­ ist es typisch, dass es um Verteilungskonflikte geht. Was Becker für die CDU/CSU-Fraktion . der eine für sich zusätzlich verlangt, würde auf Kosten des anderen gehen . Aber hier kommt noch etwas ande- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- res hinzu . Die Verunsicherung und die Sorge vor einer ordneten der SPD) späteren Rückforderung führen in der Praxis zu weniger Flexibilität, weniger unkomplizierter Unterstützung der Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Firmen untereinander bei erkennbar guter Prognose . Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen wissen: Zunehmend sind die Lieferanten Die Koalition legt heute – endlich, möchte man sagen – diejenigen, die sich um die Finanzierung kümmern und einen Gesetzentwurf vor, der die Anfechtung von frühe- Einblick darin haben, wie ein Unternehmen aufgestellt ren Zahlungen eines Schuldners betrifft, die im Falle der ist . Sie wissen, ob das Unternehmen deshalb in der Krise Insolvenz zurückverlangt werden . Da an dieser Stelle die ist, weil ein eigener Schuldner wiederum ausgefallen ist, Sache aus dem Ruder gelaufen ist, hat sich die Union seit es aber in der Substanz völlig gesund ist, oder ob etwas Jahren für eine Neuregelung starkgemacht und vor allem anderes dahintersteckt . Insofern ist eines klar: Wenn ein auch in den Koalitionsverhandlungen dafür gesorgt, dass Lieferant davon ausgeht, dass ein Vorschuss noch Sinn das zum Programm dieser Regierung wird . macht, weil er davon überzeugt ist, dass das Unterneh- (Beifall bei der CDU/CSU) men aus der Krise kommt, dann dürfen wir vom Liefe- ranten doch nicht verlangen, dem ein Ende zu setzen, Wir werden mit diesem wichtigen Gesetz Vertrauen einen Insolvenzantrag zu stellen und dem Unternehmen und Planungssicherheit für viele Unternehmen wieder- den Todesstoß zu geben . Das würde zu mehr unnötigen herstellen, die in den vergangenen Jahren aufgrund einer Insolvenzen führen und damit einen zusätzlichen wirt- Fehlentwicklung in der Praxis vieler Insolvenzverwal- schaftlichen Schaden anrichten, dem auf der anderen ter, die von der Rechtsprechung nicht korrigiert wurde, Seite überhaupt kein Vorteil gegenübersteht . mit unvermuteten hohen Rückforderungen konfrontiert worden sind, die sie selber an den Rand ihrer Existenz Das ist der Grund, weshalb diese Praxis unisono kriti- gebracht haben . siert wird, und zwar auch von Verbänden, die sowohl auf der Seite eines begünstigten Gläubigers als auch eines Im Zentrum steht die sogenannte Vorsatzanfechtung Schuldners oder eines Gläubigers, für den sich daraus nach § 133 der Insolvenzordnung . Ihr liegt der an sich im Einzelfall ein Nachteil ergibt, stehen könnten . Hier richtige und nachvollziehbare Gedanke zugrunde, dass geht es um Vertrauen, einem Wert im Geschäftsverkehr sich kein Gläubiger einen Vorteil verschaffen darf, wenn an sich . (B) sich beim Schuldner eine Krise abzeichnet . Deshalb ord- (D) net § 133 der Insolvenzordnung an, dass Zahlungen, die (Beifall bei der CDU/CSU) in der Absicht, Gläubiger zu benachteiligen, erfolgten, Deshalb ist es wichtig, dass wir für den redlichen zurückgeholt werden können, wenn dies für den Gläubi- Geschäftsverkehr die Frist für eine Anfechtung auf vier ger, der begünstigt ist, erkennbar war, und zwar mit einer Jahre verkürzen und dass die Regelung hinsichtlich der Frist von bis zu zehn Jahren . Vermutung über die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit Was aber in der Praxis daraus geworden ist, geht weit gesetzlich geändert wird: Es wird klargestellt, dass eine über diese sinnvolle Intention hinaus . In der Praxis wer- Zahlungserleichterung, die ein Gläubiger dem Schuld- den völlig übliche und gesamtwirtschaftlich erwünschte ner gewährt, allein noch kein Indiz für die Kenntnis des Verhaltensweisen auf diese Weise sanktioniert . Schon Gläubigers ist . eine bloße Ratenzahlungsvereinbarung, die der Gläubi- Wichtig ist – es wurde schon angesprochen –: Die ger mit dem Schuldner trifft – oft sind das Vertragspart- Arbeitnehmer werden in einer besonderen Weise unter- ner über Jahre hinaus, die in einer Vertrauensbeziehung stützt, ohne dass wir ansonsten in die Struktur des In- zueinander stehen –, soll ausreichen, dass eine erfolgte solvenzrechts eingreifen . Wir nehmen hier eine Lösung und gerechtfertigte Zahlung hinterher wieder zurückab- auf, die das Bundesarbeitsgericht vorgezeichnet hat, und gewickelt werden kann . Das geht dann doch zu weit . sichern sie ab, indem wir sie gesetzlich regeln . Der Lohn, Handwerker, Lieferanten, aber auch die Arbeitnehmer der innerhalb von drei Monaten für geleistete Arbeit ge- sind auf diese Weise unter Druck gesetzt worden in einer zahlt worden ist, ist nun der Anfechtung entzogen, im nicht mehr akzeptablen Art und Weise . Deshalb müssen Wege der Subsumtion unter das Bargeschäft . Ich glaube, wir handeln . das ist eine intelligente Lösung, um hier zu einem effek- (Beifall bei der CDU/CSU) tiven Schutz gerade der Arbeitnehmer zu kommen, die besonders darauf angewiesen sind, darauf vertrauen zu Wir müssen wissen: Zahlungserleichterungen von Lie- können, ihren ausgezahlten Lohn behalten zu dürfen . feranten, aber auch Zugeständnisse aus der Belegschaft sind üblich, um zum Beispiel saisonale Schwankungen Für mich ist für die weiteren Beratungen aber noch oder eine erkennbare vorübergehende Krise zu überbrü- eines wichtig: Wir müssen darauf achten, dass wir dem cken . Es würde an der Realität des Wirtschaftslebens vor- Insolvenzverfahren nicht insgesamt mangels Masse den beigehen, den Gläubiger faktisch dazu zu zwingen, einen Boden entziehen; denn das Insolvenzverfahren hat sei- Insolvenzantrag zu stellen und nicht dem Vertragspartner nen spezifischen Wert. Es gehört zur Marktwirtschaft, zu helfen . Das funktioniert nicht und würde zusätzlichen dass ein Unternehmen, das nicht mehr wettbewerbsfähig Schaden anrichten . ist, vom Markt verschwindet und abgewickelt wird . Da Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14811

Elisabeth Winkelmeier-Becker (A) macht es einen Unterschied, ob das in einem geordneten mehr anfechtbar sein sollen . Der Vorschlag hat folgenden (C) Verfahren durch den Insolvenzverwalter gemacht wird Hintergrund: Wenn Gläubiger ihre berechtigte Forderung oder ob einfach nur unsortiert Aktenordner und volle in jahrelangem Rechtsstreit endlich tituliert haben und Schubladen mit Rechnungen entsorgt werden . Es geht dann mit hohem Zeit- und Kostenaufwand vollstrecken, dann auch darum, Ansprüche zu klären . Es geht zum ist nicht einzusehen, dass sie so behandelt werden, als Beispiel auch darum, Zeugnisse für Arbeitnehmer aus- ob ihnen dieses Recht nie zugestanden hätte . Problema- zustellen . All das muss in einem geordneten Verfahren tisch dabei ist aber, dass das jetzt auch für alle öffent- geschehen . Schon deshalb müssen wir dafür sorgen, dass lich-rechtlichen Gläubiger wie Finanzämter und Sozial- das Insolvenzverfahren nicht ausgetrocknet wird . Wir versicherungsträger gelten soll, die sich ihre Titel selbst müssen überlegen, ob es richtig ist, dass alle Titel, die erstellen und vollstrecken können . Mit Einführung der vollstreckt werden – egal, woraus sie resultieren –, privi- Insolvenzordnung hatte man sich bewusst von dieser Fis- legiert werden sollen . kusprivilegierung verabschiedet, um Insolvenzverfahren frühzeitiger zu ermöglichen, wenn noch genug Masse zur Vizepräsidentin Petra Pau: Verteilung bzw . Chancen zur Fortsetzung des Unterneh- Kollegin Winkelmeier-Becker, Sie müssen die weite- mens vorhanden sind . ren Vorschläge vertagen . Sozialversicherungsträger und Finanzämter sind die wichtigsten Insolvenzantragsteller . Wenn diese nun die Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Möglichkeit erhalten, bis zum bitteren Ende unanfecht- Ich bin froh, dass die Bedeutung unserer heutigen bar zu vollstrecken, haben sie kaum noch Interesse an Debatte nicht daraus resultiert, dass wir viele Insolvenz­ einem frühzeitigen Insolvenzantrag . verfahren hätten . Wir haben den geringsten Stand an In- solvenzverfahren seit der Einführung der Insolvenzord- (Dr . [SPD]: So ist es ja nung . Trotzdem ist es dieses Thema immer wieder wert, nicht!) an Verbesserungen zu arbeiten . Die Union macht das je- denfalls sehr gerne, im Interesse der Unternehmen und Im Ergebnis werden damit wieder mehr Privatgläubiger der Arbeitnehmer . leer ausgehen, so wie früher nach der Konkursordnung . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich denke, Sie sollten die Vorschläge der Verbände über- nehmen und die Privilegierung auf gerichtlich erlangte Vizepräsidentin Petra Pau: Vollstreckungstitel beschränken . Das Wort hat die Kollegin Katja Keul für die Fraktion Kommen wir zu den Änderungen in § 133 Insolvenz­ (B) Bündnis 90/Die Grünen . (D) ordnung . Danach soll der Gläubiger, dessen berechtigte Forderung vom Schuldner erfüllt wird, nur noch dann Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mit einer Anfechtung rechnen müssen, wenn er die ein- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und getretene Zahlungsunfähigkeit kannte . Kenntnis von Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlägt drohender Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr reichen . die Bundesregierung Änderungen an der Insolvenzord- Dieser zusätzliche Schutz ist angemessen und nachvoll- nung vor, die insbesondere das Anfechtungsrecht betref- ziehbar . Ob es aber darüber hinaus auch noch angemes- fen . Parallel dazu sollen im Anfechtungsgesetz entspre- sen ist, gleich bei jeder Ratenzahlungsvereinbarung zu chende Änderungen für Anfechtungen außerhalb eines vermuten, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit Insolvenzverfahrens vorgenommen werden . nicht kannte, finde ich zumindest zweifelhaft. Hier bleibt Aber was ist das Anfechtungsrecht eigentlich? Es die Expertenanhörung abzuwarten . dient dazu, zu verhindern, dass bei einer Insolvenz ein- zelne Gläubiger bessergestellt werden, weil sie früh Mit der Änderung des § 142 Insolvenzordnung sollen Informationen über die finanziellen Verhältnisse des die sogenannten Bargeschäfte konkretisiert werden, also Schuldners haben und daher noch kurz vor der Insolvenz die Geschäfte, bei denen eine Gegenleistung unmittelbar ihr Geld eintreiben können . Das Anfechtungsrecht dient bezahlt wird, wie vor allem beim Arbeitslohn. Das finde somit der Gläubigergleichbehandlung . Dennoch soll die- ich richtig . Gerade in Bezug auf Arbeitnehmer war es an ses Recht nunmehr an mehreren Stellen eingeschränkt der Zeit, die umfangreiche höchstrichterliche Rechtspre- werden, um überlange Unsicherheiten über den Bestand chung zum Zwecke der Rechtsklarheit im Gesetz aufzu- eines Rechtsgeschäftes zu vermeiden . nehmen . Jetzt kann es jeder schwarz auf weiß nachlesen: Der Lohn für Arbeitsleistungen der letzten drei Monate Unproblematisch und zu begrüßen ist zunächst einmal ist vor der Anfechtung sicher . die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre ab Insolvenzantragstellung . Nach vier Jahren sollte Nicht ganz so klar ist leider die Ausnahmevorschrift . klar sein, ob eine Leistung zurückgezahlt werden muss Hat der Arbeitnehmer erkannt, dass der Arbeitgeber un- oder nicht . Auch die Verknüpfung der Verzinsung von lauter handelte, soll der Anfechtungsschutz nicht gelten . Rückzahlungsansprüchen an die üblichen Verzugsvo­ Aber was bitte ist „unlauter“? Warum man jetzt hier raussetzungen ist nicht mehr als fair . wieder einen neuen Begriff einführt, der erst wieder im Kritisch ist aber die künftige umfassende Privile- Wege der Rechtsprechung konkretisiert werden muss, er- gierung von Vollstreckungsmaßnahmen, die dann nicht schließt sich mir nicht . Ich denke, auf diese Ausnahme 14812 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Katja Keul (A) sollten Sie schlicht verzichten oder zumindest auf leiten- gibt und das deshalb weitgehend anerkannt ist, auch in (C) de Angestellte beschränken . seiner Konzeption . Es wurde in den letzten Jahren aller- dings ausgebaut, weil wir den Gläubigerschutz an ande- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rer Stelle, bei den Gesellschaften, zurückgefahren haben . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Insofern ist es nicht ganz überraschend, dass wir jetzt Am Ende schlagen Sie noch eine Änderung vor, die auch hier über die Grenzen nachdenken . mit dem Anfechtungsrecht nichts zu tun hat: Gläubiger Herr Pitterle hat gesagt, in einem Bereich, was die An- sollen schneller und leichter einen Insolvenzantrag stellen fechtung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer angeht, können als bisher . Bislang konnte ein Schuldner den In- hat sich seit der Konkursordnung etwas geändert . Das solvenzantrag eines Gläubigers einmal abwenden, indem ist richtig . Die Konkursordnung sah ein spezielles Pri- er die Forderung doch noch bezahlt, wenn nicht bereits vileg für die Arbeitnehmer vor, das in dieser Weise jetzt ein Insolvenzantrag in den letzten zwei Jahren gestellt nicht mehr existiert . Aber die Zahl der Anfechtungen von worden war . Diese Möglichkeit soll für den Schuldner Lohnzahlungen hat nicht etwa wegen der Einführung jetzt gänzlich entfallen . Begründet wird dies insbesonde- der Insolvenzordnung zugenommen, sondern aus einem re damit, dass Sozialversicherungsträger schneller eine ganz anderen Grund, nämlich weil die Sozialversiche- Klärung der Zahlungsfähigkeit herbeiführen sollen . Im rungsträger der Sache nach durch eine etwas versteckte Ergebnis kann dann aber jeder Gläubiger eines säumigen Sonderregelung – § 28 e SGB IV – privilegiert wurden . Schuldners ohne weitere Voraussetzungen jederzeit eine Insofern gibt es einen Zusammenhang mit dem, was Frau insolvenzgerichtliche Entscheidung in der Sache veran- Keul angesprochen hat, mit der Privilegierung der So- lassen . Ich frage mich schon, ob das wirklich praktikabel zialversicherungsträger . Darauf komme ich gleich noch sein wird und nicht einfach zu einer unnötigen Mehrbe- einmal zu sprechen . lastung der Insolvenzgerichte führt . Leider liegen gerade zu diesem Punkt kaum schriftliche Stellungnahmen der Diese Regelungen – ich betone es noch einmal – sind Verbände vor, sodass wir auch hier die Expertenanhö- im Grundsatz richtig . Sie dienen der Verwirklichung des rung abwarten müssen . Gläubigerschutzes und haben deshalb eine hohe ord- Fazit: Der Gesetzentwurf ist eine gute Diskussions- nungspolitische Bedeutung . Allerdings ist die Reichwei- grundlage . Allerdings sollte auch dieses Gesetz keines- te umstritten . In einem zentralen Punkt sind die Regelun- falls aus dem Parlament so herauskommen, wie es hi­ gen zu Recht auf Kritik gestoßen . Dabei geht es um die neingekommen ist . Regelung des § 133 Insolvenzordnung, um die sogenann- te Vorsatzanfechtung . Leistungen, die bis zu zehn Jahre Vielen Dank . vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückliegen, können zurückgefordert werden, und das eigentlich nur (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) bei Vorsatz . Die zehn Jahre wären nicht so schlimm, und bei der LINKEN) wenn nicht der Begriff „Vorsatz“ von der Rechtspre- chung ausgelegt, will heißen: abgemildert worden wäre . Vizepräsidentin : Das bedeutet für die Gläubiger, die Adressaten dieser Vielen Dank, Katja Keul .– Nächster Redner in der Insolvenzanfechtung, dass sie ziemlich überraschend Debatte: Dr . Heribert Hirte für die CDU/CSU-Fraktion . mit solchen Rückforderungen konfrontiert werden . Das wollen wir ändern . Es ist richtig, dass wir das ändern . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- In der Koalitionsvereinbarung haben wir vereinbart, dass ordneten der SPD) wir im Interesse des Mittelstandes und im Interesse der Arbeitnehmer in diesem Punkt mehr Rechtssicherheit Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): herstellen wollen . Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Liebe Zuhörer! Es sind an diesem Freitagnachmittag ja ordneten der SPD) nicht mehr ganz so viele . Zunächst einmal: Worum geht es eigentlich bei diesem Gesetzentwurf zur Reform des Aus diesem Grunde adressiert der Gesetzentwurf zu Insolvenzanfechtungsrechts? Die Insolvenzanfechtung Recht drei Bereiche, in denen Änderungen vorgenom- dient dazu – wir haben es schon einmal gehört –, so- men werden: genannte vorinsolvenzliche Vermögensverschiebungen rückabzuwickeln . Wer also etwas aus einem später insol- Zum einen geht es um Änderungen bei der schon an- vent gehenden Unternehmen herausbekommen hat, muss gesprochenen Vorsatzanfechtung . Die Frist, die bisher es unter bestimmten Voraussetzungen an den Insolvenz- zehn Jahre beträgt, soll, jedenfalls für wesentliche Teile, verwalter zurückführen, wenn er es innerhalb bestimm- auf vier Jahre verkürzt werden . Es soll dabei auch die ter Fristen vor der Insolvenz bekommen hat . Das dient Kenntnis, die der andere, der das Geld bekommen hat, dazu – auch das hat der Minister richtigerweise gesagt –, hat, erhöht werden . Er muss wissen, dass die Insolvenz die Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfah- schon eingetreten ist . Es soll nicht mehr nur ausreichen, ren sicherzustellen . Es soll nicht derjenige einen Vorteil dass er von einer drohenden Insolvenz Kenntnis hat . haben, der noch kurz vor der Insolvenz seine Schäfchen ins Trockene gebracht hat . Zweitens . Zahlungserleichterungen, die irgendwann einmal im Vorfeld gewährt wurden, sollen nicht mehr Um es deutlich zu sagen: Das ist nicht etwa neu, son- dazu führen können, dass man sein Geld zurückgeben dern das ist ein Rechtsinstitut, das es seit der Römerzeit muss . Über die genaue Formulierung – auch das ist schon Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14813

Dr. Heribert Hirte (A) angesprochen worden – müssen wir allerdings noch ten“ vorgeschlagen, eine Reihe von gesellschafts- und (C) nachdenken; das ist zu evaluieren . insolvenzrechtlichen Aspekten zu regeln . Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag: Drittens . Richtig ist auch, dass das sogenannte Barge- schäft – § 142 Insolvenzordnung – erweitert wird, und Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrecht zwar klarstellend erweitert wird, in Aufnahme der Recht- im Interesse der Planungssicherheit . . sowie des sprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anfechtbarkeit Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- von Lohnzahlung an Arbeitnehmer . Allerdings müssen mer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen . wir noch ein bisschen schauen, ob jetzt auch innerhalb Kernstück der Regelungen heute ist daher die Verbes- dieser Norm die Gleichbehandlung hergestellt ist . Auch serung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der darüber werden wir noch nachzudenken haben . Insolvenzordnung . Hier gab es oft Probleme, nicht zu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) letzt – das wurde ja schon von einigen Rednern angespro- chen – durch die unterschiedlichen Rechtsprechungen Völlig unstreitig, wenn ich das hier Revue passieren des Bundesarbeitsgerichtes, des Bundesgerichtshofs – lasse, ist, dass der Zinslauf bei der Rückforderung jetzt und nicht zu vergessen – die zahlreichen obergerichtli- ab Verzug einsetzen soll und nicht etwa nur, wie es im chen Entscheidungen zu den Haftungsansprüchen von Augenblick der Fall ist, ab Eröffnung des Insolvenzver- Insolvenzverwaltern, wenn sie in der gängigen Praxis fahrens . Auch das hat dazu beigetragen, dass Adressaten früherer Jahre nicht angefochten haben; denn Rechtsge- einer solchen Insolvenzanfechtung mit den Forderungen schäfte mit dem Schuldner unterliegen bis zu zehn Jahren überrascht werden konnten . Das wird jetzt anders . Das ist rückwirkend der Anfechtung . ein wichtiger Punkt . Wir hätten diesen Punkt meines Er- achtens schon viel, viel früher regeln können, als wir am Lassen Sie mich kurz die häufigsten drei Beispiele Anfang der Legislaturperiode gesagt haben, wir könnten nennen, in denen dies zum Tragen kam . mit kleinen Detailänderungen das Problem schon lösen . Erstens . Arbeitnehmer vereinbaren mit ihrem Betrieb, Das sind einige wesentliche Punkte . der sich in Schieflage befindet – manchmal ist dies noch Ein Punkt ist zweifelhaft . Das ist der Punkt, dass nicht ersichtlich –, dass sie für ein geringeres Gehalt ar- auch Deckungen und Sicherungen, die man im Wege der beiten, um nach Insolvenzeröffnung nicht nur zu erfah- Zwangsvollstreckung erreicht hat, privilegiert werden, ren, dass der Arbeitsplatz weg ist, sondern nun auch noch also von der Insolvenzanfechtung ausgenommen werden erfahren, dass bereits gezahltes Gehalt an den Insolvenz- sollen . Denn das betrifft jedenfalls in der Praxis vor al- verwalter zurückzuzahlen ist . len Dingen Forderungen des Fiskus und der Sozialver- Zweitens . Handwerker, meist kleine und mittelstän- sicherungsträger . Wenn die nicht mehr anfechtbar sind, (B) dische Unternehmer, gestatten ihren Lieferanten, mit (D) obwohl die Beteiligten genau wussten, dass es sich um denen sie schon lange in Geschäftsbeziehungen stehen, ein insolventes Unternehmen handelt, heißt das, dass die Stundungen oder Ratenzahlungen, um deren Liquidität Insolvenzmasse so ausgedünnt wird, dass am Ende nicht und letztendlich die Geschäftsbeziehung zu erhalten . Der mehr genügend Masse zur Eröffnung der Verfahren zur Geschäftspartner geht in Insolvenz, und es passiert, dass Verfügung steht . Ich stimme der Kollegin Keul, die sehr die Zahlungen an den Insolvenzverwalter zurückzuzah- deutlich darauf hingewiesen hat, ausdrücklich zu . Das len sind . würde mich mit großer Sorge erfüllen . Darüber müssen wir nachdenken, unter anderem auch deshalb, weil sonst Drittens . Ein Gläubiger bemüht sich, wegen mangeln- anschließend nicht mehr genügend Geld für die Arbeit- der Zahlung bei Gericht ein Urteil zu erwirken, beauftragt nehmer, für einen Sozialplan, zur Verfügung steht . den Gerichtsvollzieher, und der vereinbart ordnungsge- mäß, so wie es das Gesetz will, eine Ratenzahlung . Am Es gibt noch genügend zu beraten . Auf diese Beratun- Schluss bleibt der kleine Unternehmer auf den Kosten gen freue ich mich . sitzen, weil er zurückzuerstatten hat . Vielen Dank Ihnen allen . Alle drei Fälle führen zu Ergebnissen, die im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schlimmsten Fall sogar die Existenzgrundlage der betrof- ordneten der SPD) fenen Gläubiger ernsthaft bedrohen, weil die Rückforde- rungen bis zu zehn Jahre danach erhoben werden können . Verständlich ist das nicht – und gerecht allemal nicht . Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Dr .Hirte .– Nächster Redner: (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Dr . Brunner für die SPD . CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, nachzujustieren, der CDU/CSU) wo es notwendig ist, gleichzeitig aber möglichst wenig in die Systematik der Insolvenzordnung einzugreifen, Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): das unternimmt der heute in erster Lesung vorliegende Gesetzentwurf . Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren und Kern der Änderung, die ausdrücklich Vermögensver- Gäste, die Sie an diesem Freitagmittag auf den Zuhörer- schiebungen oder Bankrotthandlungen ausnimmt, weil rängen ausgeharrt haben! Die Koalitionsparteien haben diese keine Privilegierung verdienen, ist die Beseitigung in dem Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestal- von Rechtsunsicherheiten bei Arbeitnehmerinnen und 14814 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Dr. Karl-Heinz Brunner (A) Arbeitnehmern . Es geht dabei – das wurde bereits ange- Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) sprochen – um die Kodifizierung der Rechtsprechung des Vielen Dank, Kollege Brunner .– Der letzte Redner in Bundesarbeitsgerichts . dieser Debatte ist Philipp Graf Lerchenfeld für die CDU/ CSU-Fraktion . Außerdem wollen wir, um das Vertrauen von Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken, verdien- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ten Arbeitslohn auch behalten zu dürfen, einen Teil der Vorsatzanfechtung in das Bargeschäftsprivileg einbe- ziehen . Nach § 142 Absatz 1 der Insolvenzordnung soll Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): die Anfechtung nur noch möglich sein, wenn erstens der Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schuldner unlauter handelte und zweitens der Gläubiger Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf soll den dies auch erkannte . Wirtschaftsverkehr und die Arbeitnehmer von Unsicher- heiten im Insolvenzverfahren entlasten, die eben gerade Zudem wollen wir die Anfechtungsfrist von zehn auf durch die Praxis des Insolvenzverfahrens in den letzten vier Jahre verkürzen . Jahren stark hervorgerufen wurden . Wenig interessensgerecht fand ich auch die bisheri- Es ist Ziel der Reform, die Insolvenzanfechtungen in ge Regelung zur Verzinsung des Anfechtungsanspruchs, bestimmten Punkten neu zu ordnen, wie von vielen schon weil sie Anreize zu dessen verzögerter Geltendmachung dargestellt worden ist, die Gläubiger in ihren Rechten zu schaffte . Deshalb sollen, wie im Gesetzentwurf vorgese- stärken, sodass übermäßige Belastungen des Geschäfts- hen, die Zinsen begrenzt werden, indem sie den allgemei- verkehrs und gleichzeitig vor allem auch Rechtsunsi- nen schuldrechtlichen Verzugsregeln unterstellt werden . cherheiten bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vermieden werden können . Es sollte dabei allerdings Mein Dank an dieser Stelle, meine Damen und Her- nicht aus den Augen verloren werden, dass das große Ziel ren, geht vor allen Dingen an Sie, lieber Justizminister der Reform der Konkursordnung im Jahre 1994 darin be- Heiko Maas, für diesen Entwurf und die konstruktiven stand, anstelle der damals üblichen Zerschlagung der in Lösungsansätze . Ich hoffe, dass bei der öffentlichen An- Krise geratenen Unternehmen vor allem die Möglichkeit hörung noch viele konstruktive Vorschläge zu den noch der Fortführung der Unternehmen in den Vordergrund zu wenigen offenen Fragen kommen . Ich sage dies deshalb, stellen . Dieses Ziel hat sich bewährt, und es sind in den weil ich glaube, dass an einigen Stellen noch Diskussi- letzten Jahren viele Unternehmen und damit auch viele onsbedarf besteht . So glaube ich, dass der Vorschlag im Arbeitsplätze erhalten worden . Alle Änderungen, die wir Referentenentwurf aus Ihrem Haus, Herr Minister, ledig- an der Insolvenzordnung vornehmen, müssen sich des- (B) lich den zivilprozessualen, also auf dem Rechtsweg er- halb an diesem Ziel messen lassen . (D) strittenen Titeln ein Privileg in der Zwangsvollstreckung einzuräumen, also denjenigen, die einen Zahlungsbefehl Während der Insolvenz eines Unternehmens verändert oder ein Urteil erwirken wie der einfache Handwerker, sich grundsätzlich das Recht des Gläubigers auf Vollstre- sachgerecht und angemessen war . ckung seiner Forderung . Ziel ist die Sicherstellung der gleichmäßigen Befriedung aller Gläubiger . Konsequen- (Beifall des Abg . Dr . Heribert Hirte [CDU/ terweise können deshalb Zahlungen, die vom Schuldner CSU]) in der Krise geleistet worden sind, zurückgefordert wer- den, damit die Gelder dann gleichmäßig auf alle Gläubi- Dass jedoch jetzt, vermutlich bei der Ressortabstim- ger verteilt werden können . mung, durch Streichung des kleinen Wortes „gerichtlich“ quasi durch die Hintertür die alten, aus der Konkursord- Die Frist für diese Rückforderung betrug zehn Jahre . nung bekannten Fiskal- und Sozialversicherungsprivile- Man muss sich nun einmal vorstellen, was das bedeutet: gien wieder Einzug halten könnten – auch als Ausstands- Im Laufe von zehn Jahren kann es leicht passieren, dass verzeichnisse, die im einfachen Weg erstritten werden, sich ein Unternehmen, das in der Krise war, einigerma- bekannt –, dient weder der Sache und, wie ich glaube, ßen erholt und dann wieder in Konkurs oder Vermögens- schon gar nicht der Masse . verfall gerät . Aber eine Rückforderung konnte, obwohl jeder gewusst hat, dass es dem Unternehmen wieder (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie deutlich besser geht, zehn Jahre lang geltend gemacht der Abg . Dr . Heribert Hirte [CDU/CSU] und werden . Das ist ungerecht, und das führt nicht dazu, dass Richard Pitterle [DIE LINKE]) man mit den Gläubigern vernünftig umgeht . Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . freue ich mich, auch nach den Wortbeiträgen und Reden Dr . Karl-Heinz Brunner [SPD]) des heutigen Tages, auf einen intensiven Gedankenaus- tausch, auf gute Anregungen in der öffentlichen Anhö- Diese Frist wird durch den Gesetzentwurf nun auf rung am 24 .Februar und gute Ergebnisse bis zur zweiten vier Jahre verkürzt, und die Kenntnis der drohenden und dritten Lesung . Zahlungsunfähigkeit wird durch die Kenntnis der ein- getretenen Zahlungsunfähigkeit ersetzt . § 142 Insol- Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . venzordnung, der die Bargeschäfte betrifft, wird klarer formuliert, und die Arbeitnehmerrechte werden dadurch (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gestärkt; das ist von allen Vorrednern schon ausführlich CDU/CSU) dargestellt worden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14815

Philipp Graf Lerchenfeld (A) Wichtig sind in diesem Zusammenhang natürlich auch Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkri- (C) die Zinsforderungen, für die nunmehr die allgemeinen minalisieren Grundsätze gelten und die nicht mehr, wie bisher, eine Sonderstellung erhalten sollen . Drucksache 18/6652 Überweisungsvorschlag: Problematisch sehe ich die im Gesetzentwurf vorge- Innenausschuss (f) sehene Neuregelung des § 131 Insolvenzordnung, nach Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz dem für alle Zwangsvollstreckungen und damit auch für Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe die sogenannten Zwangsgläubiger der Tatbestand der b) Erste Beratung des von den Abgeordneten ­Volker Inkongruenzanforderung entfallen soll . Eine behutsame Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, wei- Änderung des Gesetzes ist das eigentlich nicht . teren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- (Beifall des Abg . Dr . Heribert Hirte [CDU/ NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs CSU]) eines Gesetzes zur Entkriminalisierung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus Genügt es nicht, den Tatbestand der Inkongruenzanforde- rung nur auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Drucksache 18/6346 Verfahren erlangten vollstreckbaren Titels zu erreichen? Überweisungsvorschlag: Es entsteht somit ein großer, wirklich großer Vorteil Innenausschuss (f) für öffentlich-rechtliche Gläubiger, da diese ihre Forde- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz rungen ja auch meist selbst titulieren können . Sie erhalten Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für damit einen zeitlichen Vorzug vor privaten Gläubigern, die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- und der allgemeine Grundsatz der gleichmäßigen Be- nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen . friedigung aller Gläubiger kann damit eindeutig gestört werden . Es muss auch befürchtet werden, dass dadurch Ich bitte diejenigen, die sich – warum auch immer – wieder mehr Verfahren mangels Masse abgewiesen wer- nicht unmittelbar für dieses Thema interessieren, den den, weil man schlicht und ergreifend nicht mehr über anderen die Möglichkeit zu geben, der Aussprache zu die erforderliche Masse verfügt, um das Verfahren über- folgen . haupt zu eröffnen . Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an Ulla (Dr . Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben!) Jelpke für die Linken . Wichtig ist auch – ich glaube, damit sollten wir uns (Beifall bei der LINKEN) (B) in den Beratungen noch ernsthaft beschäftigen –, eine (D) vernünftige Übergangsregelung für die Verfahren, die Ulla Jelpke (DIE LINKE): bereits laufen, zu schaffen . Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einer- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) seits garantiert das Grundgesetz Flüchtlingen die Prü- fung eines Asylantrages, andererseits wird gegen die Ich denke, hier haben wir in den Beratungen noch eine Flüchtlinge aber ein Ermittlungsverfahren wegen uner- große Aufgabe vor uns . laubter Einreise eingeleitet, wenn sie ohne Reisepass und Ich hoffe, dass wir den Grundsatz, den ich eingangs Visum zu uns kommen, um Asyl zu beantragen . genannt habe – die Fortführung des Unternehmens muss Ich meine, man erkennt auf den ersten Blick, wie ab- Vorrang vor der Zerschlagung des Unternehmens ha- surd diese Gesetzeslage ist . Deswegen fordern die Linken ben –, in den anstehenden Beratungen beachten, und ich heute in ihrem Antrag, klarzustellen, dass Asylsuchende, wünsche uns zu diesem Zweck gute Beratungen . die zu uns kommen, nicht kriminell sind, sondern völlig Vielen Dank . im Einklang mit unseren Gesetzen handeln . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der LINKEN) ordneten der SPD) Jedes Jahr führt die Bundespolizei Zehntausende von Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise durch . Vizepräsidentin Claudia Roth: Alleine im vergangenen Jahr waren es bis August 118 000 Danke schön, Graf Lerchenfeld .– Damit schließe ich Verfahren, und inzwischen dürften es noch einige mehr diese sehr lehrreiche Debatte . sein . Nach dem Gesetz steht darauf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr . Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/7054 an die in der Tagesordnung auf- In der Realität wird aber nur 1 Prozent der Beschul- geführten Ausschüsse vorgeschlagen .– Es gibt dazu kei- digten tatsächlich verurteilt; denn nach internationalem ne anderweitigen Vorschläge . Dann ist die Überweisung Recht dürfen Asylsuchende nicht wegen illegaler Einrei- so beschlossen . se belangt werden . Deswegen werden fast alle Verfahren wieder eingestellt, sobald die Beschuldigten ihren Asyl- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf: antrag gestellt haben . Mit anderen Worten: Die Polizei a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla wird vom Gesetz gezwungen, Verfahren einzuleiten, die ­Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, weiterer zu 99 Prozent nur für den Papierkorb sind . Mit dieser Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Verschwendung der Arbeitszeit muss man – auch vor 14816 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Ulla Jelpke (A) dem Hintergrund der enormen Belastung der Polizei – ren Haft auf Bewährung verurteilt und muss eine hohe (C) endlich einmal aufhören . Geldstrafe zahlen . Wir meinen, völlig zu Unrecht . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Marian Wendt [CDU/CSU]: Der Richter aber nicht!) Wir müssen einsehen: Flüchtlinge haben überhaupt keine andere Chance, als unerlaubt hier einzureisen, Für uns Linke ist die Rettung von Menschen aus Not eine wenn sie Asyl beantragen wollen . achtbare Tat . Menschen zu retten, ist vorbildlich . Man darf sie nicht unter Strafe stellen . (Marian Wendt [CDU/CSU]: Natürlich! Kon- tingente!) Ich weiß, Sie von der CDU/CSU werden hier vor al- len Dingen gleich wieder von einer fatalen Signalwir- Es ist deshalb doch völlig absurd, ihnen diese Einreise kung sprechen . Ich will Ihnen dazu sagen, dass ich das strafrechtlich vorzuhalten . für Quatsch halte. Wer Gründe hat, zu fliehen, bleibt nicht weg, weil es hier ein Ermittlungsverfahren wegen Ich zitiere einmal den Bundesvorsitzenden des Bun- illegalen Grenzübertritts gibt . Es gibt keinen vernünfti- des Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz . Er sagt: gen Grund dafür, Flüchtlinge und ihre Helfer wegen an- Wir gewähren ein grundgesetzlich verankertes geblich unerlaubter Einreise zu kriminalisieren . Wer das Asylrecht, haben aber so gut wie keine Möglich- will, dem geht es nur darum, seine Ressentiments gegen keit geschaffen, damit Betroffene dieses Recht auch Flüchtlinge zu pflegen. wirklich und auf legalem Wege in Anspruch neh- Wir sagen: Entlasten wir die Polizei und die Ermitt- men können . Stattdessen kriminalisieren wir Asyl- lungsbehörden, entkriminalisieren wir die Flüchtlinge, bewerber systembedingt . nehmen wir die Asylgarantie des Grundgesetzes ernst . Der Vorsitzende des BDK im Bundeskriminalamt, Ich danke Ihnen . Andy Neumann, sagt: (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Die Kriminalpolizei in die Pflicht zu zwingen, Hun- NIS 90/DIE GRÜNEN) derttausende Vorgänge zu bearbeiten, die juristisch folgenlos bleiben und menschlich fragwürdig sind, Vizepräsidentin Claudia Roth: ist angesichts der brutalen Überlastung der Polizei in Bund und Ländern ein Skandal . Vielen Dank, Ulla Jelpke . – Nächster Redner in der Debatte ist Marian Wendt für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der LINKEN) (B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) Auch die Gewerkschaft der Polizei teilt diese Ansicht und sagt, es sei unsinnig, die unerlaubte Einreise und den Marian Wendt (CDU/CSU): unerlaubten Aufenthalt strafrechtlich ahnden zu wollen . Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „… ein Es kommt wirklich selten vor, dass die Linke mit den Staat ohne Grenzen gibt sich selbst auf“ . – Das ist ein Polizeigewerkschaften einer Meinung ist, aber hier ist schöner kurzer Satz des Herausgebers der Zeitung Die das auf alle Fälle so . Welt, Stefan Aust, in einem Artikel der letzten Tage . Ein Staat ohne Grenzen gibt sich selbst auf – oder anders for- Ich meine, wir sollten wirklich die Konsequenzen da- muliert: Ein Staat, der diese Grenzen gar nicht schützt, raus ziehen und die unerlaubte Einreise endlich aus dem gibt sich selbst auf .– Ein europäisches Grenzregime, das Strafrecht herausnehmen; denn Flüchtlinge sind nicht il- wir im Rahmen von Schengen vereinbart haben, entbin- legal hier . Wenn Sie das auch juristisch klarstellen, dann det uns auch weiterhin nicht von der Kontrolle unserer ist das ein wichtiges Signal an die Flüchtlinge und auch nationalen Grenzen . Auch wenn es keine stationären an unsere Gesellschaft . Grenzkontrollen mehr gibt, wie wir sie noch vor 15, 20 oder 25 Jahren hatten, bleibt der illegale Grenzübertritt in Die Linke geht in ihrem Antrag noch einen Schritt die Bundesrepublik Deutschland weiterhin strafbar . weiter . Wir fordern nämlich auch die Entkriminalisie- rung von Menschen, die Flüchtlingen beim unerlaubten (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie in jedem Grenzübertritt helfen; denn diese Helfer riskieren bislang Land!) eine Haftstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren . Bis Ich sage Ihnen: Die illegale Einreise ist auch aus guten Mitte September 2015 wurden 2 653 sogenannte Schleu- Gründen strafbar . Ich führe in meiner Rede gerne die we- ser festgestellt . sentlichen Punkte dazu auf: Um es gleich klarzustellen: Es geht uns hier nicht um ( [DIE LINKE]: Jetzt sind die bandenmäßigen Schleuser, die Leib und Leben von wir gespannt!) Schutzsuchenden aufs Spiel setzen und dafür auch zu Recht bestraft werden . Uns geht es um die aus humanitä- Den in der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbarten ren Gründen Handelnden, um Menschen, wie beispiels- Schutz vor Strafverfolgung bei illegaler Einreise kön- weise Hanna L ., der ein syrischer Christ ist, in Essen lebt nen die meisten Flüchtlinge in Deutschland gar nicht in und seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 270 Men- Anspruch nehmen . Sie sind nämlich grundsätzlich über schen aus seiner syrischen Heimat geholfen hat, aus der sichere Drittstaaten eingereist – und eben nicht unmit- dortigen Hölle herauszukommen . Er wurde zu zwei Jah- telbar aus einem Gebiet, in dem sie gefährdet sind . So Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14817

Marian Wendt (A) viel zur Rechtslage. Schutz finden sie auch in Österreich Dass wir über die Mittel verfügen, um die öffentliche (C) und in Slowenien, auf dem Balkan oder in anderen Staa- Sicherheit wieder herzustellen, haben wir bereits unter ten, aus denen sie hierher eingereist sind . Deutschland ist Beweis gestellt . Ich erinnere an den G‑7‑Gipfel . Da hat- umgeben von sicheren Drittstaaten . Das ist nun einmal so ten wir ordentliche Einreisekontrollen, wegen unserer geografischen Lage. Dass wir in Deutsch- land dennoch zurzeit eine so große Menge an Menschen (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sehr hohe!) aufgenommen haben und diese nicht wegen illegaler Ein- ohne dass unsere Freiheit in Europa oder der lokale Grenz- reise bestraft werden, ist ein der humanitären Situation verkehr gefährdet waren oder gar die Rechtsstaatlichkeit geschuldeter Umstand . infrage gestellt wurde. Die Effizienz dieser temporären (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Grenzkontrollen rund um den G‑7‑Gipfel brauche ich, GRÜNEN]: Nein, das folgt aus Artikel 31 der denke ich, nicht näher zu erläutern . Darüber haben wir Genfer Flüchtlingskonvention! Das ist keine im Innenausschuss intensiv diskutiert und haben die Dis- Wohltat, das ist internationales Recht, Herr kussion mit einem positiven Ergebnis beendet . Wendt!) Zusätzlich ginge mit der entkriminalisierten und damit Die Bundesregierung hat am 4 .September 2015 erkannt, letztlich nicht zu kontrollierenden Einreise die Aufgabe dass die Situation in Budapest und in den Regionen Süd- des Schutzes des deutschen Staatsgebietes einher . In An- osteuropas zu kippen droht . Wir erinnern uns alle an die betracht der Tatsache, dass die europäischen Außengren- Bilder vom Budapester Bahnhof . Deshalb haben wir aus zen nicht hinreichend geschützt werden, wäre dies ein europäischer Solidarität unsere Grenzen geöffnet . Diese fataler Fehler . Katastrophensituation vom 4 .September kann aber kein Dauerzustand sein, und wir sind bereits dabei – wie die Ihre Stoßrichtung hin zu Grenzen ohne jede Kontrolle Kontrollen in Österreich und in Sachsen mittlerweile lässt sich auch in einem anderen Lichte betrachten . Die belegen –, Stück für Stück wieder zu einem geordneten Signalwirkung wäre nämlich verheerend . Verfahren zurückzufinden. Auch Zurückweisungen – das (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie haben offen- haben wir in den letzten Tagen erfahren – findenstatt und sichtlich nichts verstanden!) machen die Grenze Stück für Stück sicherer . Die Genfer Flüchtlingskonvention kann daher kein Argument sein, Gerade jetzt, da die Zahl der Flüchtlinge wenigstens lang- den illegalen Grenzübertritt in die Bundesrepublik zu sam zurückgeht, wäre es geradezu sträflich, weitere An- entkriminalisieren . ziehungsfaktoren einzurichten . Die Entkriminalisierung der illegalen Einreise mag in Ihren Augen vielleicht kei- Das Argument der Linken, nen großen Effekt haben und sogar gut sein . Aber die An- (B) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ein gutes reizstrukturen für die Menschen, gerade nach Deutsch- (D) Argument!) land zu kommen, sind vielfältig . Die illegale Einreise straffrei zu stellen, wäre ein solcher Anreiz ebenso wie man sollte als entlastendes Element für die deutschen die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . Behörden illegale Einreise straffrei stellen, weil dieser Straftatbestand ohnehin durch die Genfer Flüchtlings- (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- konvention, das EU-Recht und das Grundgesetz aufge- NEN]: Ach!) löst würde, geht also fehl . Man könnte auch sagen: Wir schaffen einfach das Asylverfahren ab . Das wäre auch Andererseits würden wir den Migrationsdruck auf un- eine Form von Entbürokratisierung, aber keine Form von sere europäischen Nachbarn erhöhen, wenn Deutschland Rechtsstaatlichkeit . auf einmal anfangen würde, alle Grenzen zu öffnen . Wer litt denn zunächst unter dieser vermeintlichen Grenzöff- Ferner gehen Sie in Ihrem Antrag auf Grenzkontrollen nung, wie Sie sie hier beschrieben haben? Die Nachbar- ein . Sie wollen, dass der Bundestag die Bundesregierung staaten auf dem Balkan, die von all denen, die hier nach auffordert, von grenzsichernden Maßnahmen abzusehen . Deutschland kommen, durchquert werden . Auch das Diese Forderung halte ich – aus den eben genannten wäre ein Aussetzen von europäischer Solidarität . Gründen, so die mangelhaft gesicherten Außengrenzen der EU – für naiv bis gefährlich . Vielmehr brauchen wir Der Tod der 71 Syrer in einem ungarischen Lkw im bessere, effizientere Grenzkontrollen. Sie sollten- tem August letzten Jahres in Österreich ist uns allen eine porär und stationär durchgeführt werden sowie auch Mahnung . Deswegen haben wir am 4 .September 2015 Schleierfahndungen und sogenannte Binnengrenzkon­ richtig gehandelt . Schleusung zu entkriminalisieren, trollen umfassen . (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Humanitäre (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wollen Sie die Schleuser!) Mauer wieder?) auch für diejenigen, die in diesem Geschäftsfeld aus an- – Wir wollen keine Mauer, meine Damen und Herren . geblich edlen Motiven tätig sind, können wir nicht zulas- Die Linkspartei kennt sich da ja bestens aus . sen . Die Hilfe zur illegalen Einreise ist und bleibt straf- (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bar, und das ist auch gut so . NEN]: Die Reflexe funktionieren!) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Wir wollen aber eine Kontrolle derer, die in unser Land GRÜNEN]: Wenn die Haupttat nicht strafbar kommen . ist, bleibt auch die Beilhilfe nicht strafbar!) 14818 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Marian Wendt (A) Einen viel klügeren Schritt – darauf möchte ich nach der Pull-Faktoren und auch in Bezug auf die Kontrolle­ (C) der ganzen Analyse eingehen – haben wir gestern Abend derer, die ankommen . Denn wir müssen es vielleicht unternommen, um wieder zu sicheren Grenzen zu kom- noch einmal klar sagen: Die Mehrheit der Menschen, die men . Mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz haben zurzeit an unsere Grenze strömen, kommen aus Gebie- wir eine echte Entlastung für alle Behörden geschaffen, ten, die normalerweise einem zweistufigen Visaverfahren die mit der Bewältigung der Flüchtlings- und Asylkrise unterliegen, das insbesondere eine nachrichtendienstli- betraut sind . Es ist doch ein Hauptanliegen Ihres Antrags, che Kontrolle zum Bestandteil hat . dass wir die Behörden entlasten und dass wir der Polizei wieder mehr Möglichkeiten geben, die Grenzen wirklich (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE zu sichern und nicht nur Papier zu verschieben . GRÜNEN]: Dass es nicht strafbar ist, heißt nicht, dass sie nicht trotzdem gehen müssen! (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ha- Was ist denn das für ein Unsinn?) ben Sie verstanden!) Deswegen reduzieren wir mit dem Gesetz den Aufwand Deswegen kommen wir mit unserem Datenaustausch- dort, wo er wirklich anfällt . Wir wissen künftig, wer verbesserungsgesetz genau zu dem Ziel, das Sie fordern, kommt . Wir wissen, wer bei uns ist . aber ohne unsere Staatlichkeit aufzugeben . Wir sichern unsere Grenze, sorgen für eine ordentliche Registrierung, (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das wissen wir und wir werden auch in Zukunft in Abstimmung mit un- auch so!) seren europäischen Partnern dafür sorgen, dass wir zu Und es ist uns auch klar, ob Terroristen unter den An- einem kontrollierten Grenzzustand kommen – ohne die kommenden sind . Damit können wir auch besser unter- Freiheit, die Reisefreiheit, die Wirtschaftsfreiheit und scheiden, wer Hilfe braucht und wer nicht . die Dienstleistungsfreiheit, in Europa aufzugeben – und trotzdem allen Menschen, die hier leben wollen und des Bei der Registrierung und Aufnahme von Flüchtlingen Schutzes – auch unseres Schutzes – bedürfen, Hilfe ge- und Asylbewerbern, vor allen Dingen bei der Abwick- währen . lung der Verfahren, besteht derzeit ein Engpass; darin sind wir uns sicherlich einig . Da besteht Handlungsbe- ( [SPD]: Das ist ein Trug- darf, den wir mit Mitteln der digitalen Verwaltung ange- schluss!) gangen sind . Es freut mich daher, dass wir das ängstliche Datenschutzdenken aus der Zeit des Volkszählungsgeset- Wir werden in den anstehenden Beratungen weiter zes ablegen und uns etwas trauen . über den Gesetzentwurf und den Antrag debattieren . (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Danke . (B) NEN]: Da haben Sie noch gar nicht gelebt, (D) Herr Wendt! – Mechthild Rawert [SPD]: Wie (Beifall bei der CDU/CSU) alt waren Sie denn da?)

Sie haben sich dankenswerterweise bei der Abstimmung Vizepräsidentin Claudia Roth: über das Datenaustauschverbesserungsgesetz enthalten und damit Ihre Unterstützung für dieses Gesetz gezeigt . Vielen Dank, Kollege Wendt .– Nächster Redner in der Debatte: Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen . Das Kerndatensystem, auf das fast alle mit der Unter- bringung, Betreuung und Erfassung betrauten Behörden zugreifen können, ist ein mutiger Schritt . Die Mittel der Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): modernen Verwaltung zu nutzen, sollte für unsere nor- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber malen Verwaltungsprozesse beispielhaft sein . Dort sind Kollege Wendt, das mit dem Strafrecht haben Sie nicht wir vielleicht noch nicht mutig genug . Aber wir werden ganz verstanden . dieses gute Beispiel als Blaupause nehmen können . Die lückenlose Erfassung all derer, die Schutz in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschland suchen, und derer, die sich hier illegal und bei der LINKEN – Marian Wendt [CDU/ aufhalten, ist vor dem Hintergrund der Ereignisse der CSU]: Aber Sie!) vergangenen Monate geboten . Die leider mittlerwei- le zahlreichen Anschläge in Frankreich, die Ereignisse Dass man es nicht zur Straftat macht, dass jemand illegal von Köln, Hamburg, Istanbul und anderen europäischen die Grenze übertritt, heißt noch nicht, dass er sich legal Städten sowie die Lage im Nahen Osten erfordern eine hier aufhalten darf, wenn er kein Flüchtling oder Tourist Zusammenarbeit und einen besseren Datenaustausch un- ist und kein Visum hat . Wenn er keinen entsprechenden serer Sicherheitsbehörden . Grund für den Aufenthalt und keinen entsprechenden Ti- tel hat, dann muss er unabhängig von der Strafbarkeit der (Beifall bei der CDU/CSU) illegalen Einreise selbstverständlich das Land verlassen . Das Datenaustauschverbesserungsgesetz ist dazu die nö- Dass diese Rechtsfolge nicht mehr gegeben ist, wenn wir tige Grundlage . das aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen, wird damit nicht bewirkt . Lassen Sie mich also zusammenfassen: Eine Entkrimi- nalisierung der illegalen Einreise wäre aus verschiedenen (Manfred Grund [CDU/CSU]: Es gibt dann Gründen ein Fehler: wegen der falschen Anreize, wegen diese Rechtsfolge nicht mehr!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14819

Volker Beck (Köln) (A) Das sollten Sie eigentlich bei der Vorbereitung der Rede einstellungen führt; wir haben weiß Gott Wichtigeres zu (C) durchdacht haben . tun. – Da ist der Polizei nur beizupflichten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) und bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Nein! Sie haben sich an Recht und Ge- Aber Sie liegen noch in einem weiteren Punkt falsch . setz zu halten!) Sie haben davon gesprochen, dass wir von sicheren Dritt- staaten umgeben sind . Das ist zwar richtig, es hat aber – Wie bitte? mit dieser Materie nichts zu tun . Das sieht übrigens auch (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie haben sich die Bundesregierung so . In Übereinstimmung mit der an Recht und Gesetz zu halten! Dafür werden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart und des sie bezahlt!) Oberlandesgerichts Düsseldorf vertritt auch die Bundes- regierung die Auffassung, dass der Schutz des Artikel 31 – Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? Ich lasse die Absatz 1 Genfer Flüchtlingskonvention nicht bereits Zwischenfrage zu, Frau Präsidentin . durch die Einreise über einen sicheren Drittstaat verloren (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie haben geht, wenn die Flucht dort nicht schon beendet war . mich gefragt!) (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Die Flucht!) – Wenn Sie keine Zwischenfrage stellen, können wir kein So weit zu der Frage der zwingenden Straflosigkeit für Gespräch führen . Das ist Ihre Entscheidung . Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention bei (Manfred Grund [CDU/CSU]: Meine Ent- der illegalen Einreise . scheidung ist, dazwischenzurufen oder nicht Deshalb ist es doch richtig, zu sagen, dass die Straf- dazwischenzurufen!) taten nach dem Aufenthaltsgesetz in Bezug auf Flücht- linge als kaum vermeidbare Ordnungswidrigkeiten zum Vizepräsidentin Claudia Roth: Zweck der Vorbringung begründeter Schutzersuchen er- Herr Grund hat das Recht, dazwischenzurufen, ohne scheinen . Das muss überwunden werden, weil es keinen anschließend eine Frage zu stellen . Sinn macht . (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ich möchte das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht kriminalisiert haben!) und bei der LINKEN) (B) Trotz der rechtlichen Voraussetzungen, in Deutsch- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (D) land Asyl zu beantragen oder den Flüchtlingsstatus Es ist absurd, dass jeder Flüchtling qua Flüchtlingssta- zu erhalten, existieren nach dem Aufenthaltsgesetz tus beim Grenzübertritt eine Straftat begeht . Das müssen Straftaten, welche nahezu jeden der Antragstel- wir überwinden . ler betreffen . Demnach ist die Einreise ohne einen Es kommt aber noch absurder . Ich habe die Bundes- gültigen Aufenthaltstitel (Visum) per se eine Straf- regierung gefragt, wie es um die Beihilfe von Menschen tat, welche eine polizeiliche Bearbeitung nach sich bestellt ist, die sich ehrenamtlich in Flüchtlingsinitiativen zieht . Gibt der Betroffene seine Absicht kund, in engagieren . Die Bundesregierung kann nicht ausschlie- Deutschland Asyl beantragen zu wollen, zieht dies ßen, dass diese Menschen strafrechtlich belangt werden . keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich, Die Anzahl der Ermittlungsverfahren ist der Bundesre- – das ist auch richtig – gierung in diesem Zusammenhang nicht bekannt . Wir wollen, dass uns die Bürgerinnen und Bürger helfen und dennoch führt diese Gesetzeslage dazu, dass ein sich bei der Aufnahme der Flüchtlinge engagieren, und Großteil der Flüchtlinge in Deutschland durch die setzen sie gleichzeitig bei bestimmten Hilfsmaßnahmen Straftat der illegalen Einreise polizeilich bearbei- der Gefahr aus, strafrechtlich verfolgt zu werden . Das ist tet wird, was auch das Erfassen und Speichern von doch eine absurde Situation . Lichtbildern und Fingerabdrücken umfasst . Dies ist nicht nur enorm zeitaufwendig und personalbin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dend, sondern erscheint unter Berücksichtigung des und bei der LINKEN) Mangels an legalen Einreisemöglichkeiten wider- Es ist nicht so, dass das nicht passiert . Stichwort „Schwe- sprüchlich . dentickets“ – Luise Amtsberg, das ist ein Beispiel aus (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deiner Region –: Die Staatsanwaltschaft überprüfte die und bei der LINKEN) Strafbarkeit von Flüchtlingshelfern in Schleswig-Hol- stein, die Tickets gekauft haben, damit Menschen nach Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen . Das ist Schweden weiterreisen können . aber kein Grünen-Duktus oder Linken-Duktus, sondern (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- das ist ein wortwörtliches Zitat des Bundes der Kriminal- NEN]: Können gleich bei mir anfangen!) beamten, der nämlich sagt: Wir wollen mit so einem Un- sinn nicht unsere wertvolle Arbeitszeit verbringen; wir Das ist doch ein absurder Vorgang . Der Staatsanwalt hat wollen weder Justiz- noch Polizeiressourcen für etwas geäußert, dass es eine rechtlich hochinteressante Frage binden, das ohnehin zu nichts anderem als zu Verfahrens­ sei, ob das strafbar ist oder nicht, auch wenn das im Er- 14820 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Volker Beck (Köln) (A) gebnis nicht entscheidend sei, da die Verfahren wegen handlungsfähige Staat . Es ist unsere Verantwortung, den (C) Geringfügigkeit eingestellt werden . Sind wir denn völlig Staat so zu organisieren, dass er handlungsfähig ist . Ich verrückt geworden, unsere Justiz mit so etwas zu belas- möchte in diesem Zusammenhang einen Gedanken des ten? Justizministers aufgreifen und darauf hinweisen, dass das Recht nur so viel wert ist, wie es durchgesetzt wird . Un- Lassen Sie uns ein Signal setzen: Die illegale Einreise ter diesem Aspekt sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf von Flüchtlingen ist nicht strafbar . Da das so ist, müs- die Frage lenken, wie wir das verfahrensökonomisch so sen auch keine Verfahren eröffnet werden . Nehmen wir gestalten, dass sich die Bediensteten in Polizei und Justiz es also aus dem Strafgesetzbuch heraus! Menschen, die auf das Wesentliche konzentrieren können . Flüchtlinge unterstützen, ohne habgierige und unverant- wortliche Schleuser zu sein, sollen ebenfalls nicht be- Ich habe ausgeführt, dass wir unserer internationa- langt oder der Gefahr ausgesetzt werden, dass ihnen ihr len Verantwortung gerecht werden . Das zeigt unser ge- ehrenamtliches Engagement zu guter Letzt auf die Füße setzgeberisches Handeln im Zusammenhang mit dem fällt . Das wäre eine sinnvolle Maßnahme für Humanität Aufenthaltsgesetz . In Abschnitt 5 dieses Gesetzes wird und Entbürokratisierung . ausdrücklich Bezug auf Artikel 31 der Genfer Flücht- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lingskonvention genommen und dargelegt, dass Arti- und bei der LINKEN) kel 31 Absatz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen unberührt bleibt . Darin haben wir das Wenn wir die Ressourcen unseres Staates nicht für abgebildet, wozu wir uns international verpflichtet ha- sinnloses Zeug wie Ihre konservative Ideologie ver- ben . Wir werden aber die Frage, wie wir das verfahrens­ schleudern, dann können wir guten Gewissens sagen: ökonomisch abbilden, vielleicht auch anders beantwor- Wir schaffen das! – Wenn Sie so weitermachen wie bis- ten können . Darüber werden wir zu reden haben . her, ist das allerdings sehr zweifelhaft . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Bundesregierung selbst hat in ihrer Antwort auf und bei der LINKEN) die Fragen auch der Linken dargelegt, dass im Übrigen nicht die Tatsache der Asylbeantragung, sondern erst der anerkannte Status als Schutzbedürftiger die Straf- Vizepräsidentin Claudia Roth: barkeit wegen unerlaubter Einreise aufhebt . Ich ergänze, Vielen Dank, Kollege Volker Beck .– Das Wort als dass nach weitergehender Auffassung und auch nach der nächster Redner hat Sebastian Hartmann für die SPD . Rechtsprechung klar ist, dass die Genfer Konvention in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten diesem Falle mit der entsprechenden Antragstellung als der CDU/CSU) Strafaufhebungsgrund wirkt . Das gilt auch dann, wenn (B) das Verfahren nachher bestandskräftig abgelehnt wird . (D) Aber danach wird der Ausländer eben ausreisepflichtig, Sebastian Hartmann (SPD): und so haben wir das in unserem Verfahren auch ordent- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten lich geregelt . Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um nicht nur auf den Deswegen finde ich die Überschrift Ihres Antrags Antrag der Linken einzugehen, sondern auch auf die im „Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkriminalisie- Mittelpunkt stehende Frage, wie wir Deutschen in die- ren“ falsch . Wir kriminalisieren Flüchtlinge nicht . Auch ser Lage unserer internationalen Verantwortung gerecht das ist Teil unserer internationalen Verantwortung . Es ist werden . Die Dimension dieser Frage macht es notwen- unredlich, das Ganze hier anders darzustellen . dig, eine Antwort auf mehreren Ebenen zu geben . Es gibt eine internationale Verpflichtung, eine Verpflichtung und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) eine Verantwortung gegenüber unseren Bürgern, aber auch eine Verantwortung gegenüber den Beschäftigten Lassen Sie mich auf den zweiten Punkt des Antrags in Polizei und Justiz . Die Linken greifen einen Aspekt eingehen . heraus . Das ist eine singuläre Betrachtungsweise . Aber ich möchte auf diesen Punkt eingehen und werde Ihnen (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE darlegen, dass wir unserer internationalen Verantwortung GRÜNEN]: Sie bringen sie schon erst einmal gerecht werden . in die strafrechtliche Mühle!) Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde schon ange- – Herr Volker Beck, ich darf Ihren Ansatz aufgreifen und sprochen . Hier ist die erste Verantwortung, die unser Land Sie fragen, wie Sie eben den Kollegen gefragt haben: Ist hat; denn für uns gilt die Genfer Flüchtlingskonvention das eine Zwischenfrage? nicht nur dann, wenn sie nicht zur Anwendung kommt, sondern auch dann, wenn Menschen in unser Land flüch- (Abg . Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE ten und sich auf diese Konvention berufen . Die Ausfüh- GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfra- rung der Bundesregierung, dass die Einreise über einen ge) Drittstaat unter die Genfer Flüchtlingskonvention fällt, ist noch einmal zu unterstreichen . Aber das soll uns nicht

darüber hinwegtäuschen, dass das, vor dem wir stehen, Vizepräsidentin Claudia Roth: uns, unseren Staat und unsere Gesellschaft, vor enorme Gut . Dann fragt die Präsidentin, ob Herr Hartmann es Herausforderungen stellt . Im Mittelpunkt steht daher der möchte, dass Herr Beck eine Zwischenfrage stellt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14821

(A) Sebastian Hartmann (SPD): Fragewunsch eingehen wollte, darauf hingewiesen, dass (C) Ja . Dann werde ich antworten: Vielen Dank . Aber ich ich in meiner Rede dazu Ausführungen machen werde . glaube, wenn meine Ausführungen zu Ende sind und Sie Ich habe jetzt die Gelegenheit, Ihre Frage zu beantwor- dann noch eine Frage haben, können Sie die stellen . ten, und sage, dass es andere Varianten geben wird, als das über die Strafbarkeit zu regeln . Aber es wird darauf (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE ankommen, bestimmte Tatbestände eben auch strafbar zu GRÜNEN]: Jetzt haben Sie gedacht, ich sei so halten . Ich denke dabei zum Beispiel an das Schleusen . feige wie Ihr Kollege!) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie in unseren Gesetz- Vizepräsidentin Claudia Roth: entwurf! Da ist das vernünftig geregelt!) Moment . Das ist jetzt ein Eingriff in das Recht des Kollegen Beck zu einer Zwischenfrage .– Herr Beck Darum muss man sehr genau überlegen, wie man das re- kann jetzt fragen . gelt . Ich möchte auf die Verantwortung gegenüber den Be- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schäftigten der Bundespolizei eingehen . Es wird nach Vielen Dank, Frau Präsidentin, Herr Hartmann .– Ich wie vor den Tatbestand geben, dass jemand die Grenze wollte Sie fragen, ob Sie Ihrer eigenen Logik folgen, übertritt, auch ohne konkreten Bezug zum Flüchtlingssta- wenn Sie die Linken kritisieren . Die Überschrift des An- tus, und damit möglicherweise ein Aufenthalt in unserem trags ist natürlich ein bisschen kursorisch; das gebe ich Land illegal ist . Wenn wir dem Antrag der Linken fol- zu . Aber trotzdem ist die Abfolge doch so: Der Flücht- gen würden, dann könnten wir bestimmte abschreckende ling übertritt die Grenze . Die Polizei stellt den illegalen und generalpräventive Maßnahmen, zum Beispiel gegen Grenz­übertritt als Tatbestand fest . Dann nimmt sie Fin- Menschenhandel oder gegen illegale Beschäftigung, gerabdrücke, macht ein Lichtbild, stellt die Identität fest . nicht mehr treffen . Der Aufenthaltstitel gilt nämlich an Das ist ein Riesenbrimborium, und das alles kostet Geld der Stelle nicht nur für Flüchtlinge . und Arbeitskapazitäten . Ich möchte auch auf den zweiten Gedanken zu spre- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist auch chen kommen. Wir haben die Verpflichtung, einen hand- richtig!) lungsfähigen Staat zu schaffen. Dieser Verpflichtung sind wir hier im Plenum durch eine Vielzahl von Maßnahmen Dann sagt der Flüchtling: Asyl .– Das nimmt die Staats- und einzelnen Paketen – Stichwort „Asylpakete“ – ge- anwaltschaft irgendwann zur Kenntnis, und sie macht recht geworden . einen Stempel auf die Akten mit dem Vermerk „einge- (B) stellt“ . Wir wollen die Verfahren vereinfachen . Darauf haben (D) die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land einen An- Natürlich wird die Person nicht strafrechtlich verfolgt, spruch . Wir wollen nämlich Recht und Ordnung ebenso aber die ganzen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen, wie Sicherheit garantieren . Aber damit haben wir auch die Geld kosten und Ressourcen binden, finden statt. die Verantwortung, geordnete Verfahren, insbesondere Deshalb ist der Antrag zwar, wie ich finde, etwas schlank schnelle und effiziente Asyl- und Anerkennungsverfah- formuliert, aber im Kern trifft der Grundgedanke doch ren, durchzuführen, wobei wir trotzdem unserer interna- die Sache . tionalen Verantwortung gerecht werden müssen .

Vizepräsidentin Claudia Roth: Mit dem Bezug auf das Schengen-System, das nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt werden soll, und die zeit- Herr Hartmann . weilige Einführung von Grenzkontrollen geht es im Kern aus meiner Sicht darum, wieder zu geordneten Verfah- Sebastian Hartmann (SPD): ren zu kommen . Wir müssen wissen, wer einreist . Wir Ich werde mir jetzt redlich Mühe geben, aus Ihren müssen die Identität der Einreisenden feststellen, und wir Ausführungen eine Frage zu extrahieren . müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die bei uns bleiben können, schnell in ein Integrationsverfahren eintreten (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE können . GRÜNEN]: Die ergibt sich aus der Sprachme- lodie!) Was die Forderung angeht, die Sie in Ihrem Antrag ebenfalls gestellt haben, nämlich die Grenzkontrollen Ich darf mit Ihren eigenen Worten, die Sie vor zwei entfallen zu lassen: Dessen bedarf es nicht . Es geht da­ Minuten hier im Plenum verwendet haben, antworten: rum, zu geordneten Verfahren zu kommen . Die illegale Einreise ist nicht strafbar . Das ist nachzu- lesen im Protokoll des Bundestags vom heutigen Tage . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind Das haben Sie selbst in Ihrer Bundestagsrede ausgeführt . Verfechter eines freien und offenen Europas . All dieje- nigen, die meinen, mit immer mehr und immer höheren (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Grenzzäunen das Europa, das auf einem Konzept und ei- GRÜNEN]: Aber diese ganze Ermittlungsauf- ner Idee beruht, sichern zu können, würden das Gegenteil wand passiert doch!) von dem erreichen, was wir ja gerade wollen: ein Europa Sie wollen über die verfahrensökonomische Frage der freien Grenzen . Das setzt aber zwingend die Siche- reden, das heißt darüber, ob dieser Ermittlungsaufwand rung der Außengrenzen voraus . Hierfür werden wir uns gerechtfertigt ist . Ich habe zu Anfang, als ich auf Ihren weiterhin einsetzen . Wir müssen die Kontrollen an dieser 14822 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Sebastian Hartmann (A) Stelle aber vor allen Dingen unter dem Aspekt betrach- dass die Kontrollen eine Wirkung entfalten und eine sta- (C) ten, dass wir zu einer Ordnung im Verfahren kommen tistische Folge haben . wollen, damit wir auch über die erkennungsdienstliche Behandlung vorankommen können . Aber wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, um die Migration in unserem Land zu steuern . Das muss von Hier gibt es einen Unterschied: Die erkennungs- illegaler Einreise und von illegalem Aufenthalt klar ge- dienstliche Behandlung der in unser Land Einreisenden trennt werden . Man kann das eine tun, ohne das ande- entspricht nicht der von Straftätern – das hat die Bun- re zu lassen . Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hat desregierung in ihrer Antwort auf die Fragen der Linken etwas ausgeführt, was leider noch nicht Gegenstand der dargelegt –, sondern es wird analog zum Asylverfah- Debatte war: Er hat in seinen Diskussionsbeiträgen die rensgesetz vereinfacht erkennungsdienstlich behandelt, Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes gefordert . weil erkannt wird, welcher Verwaltungsaufwand damit (Beifall bei der SPD) verbunden ist . Das ist etwas, was die SPD-Bundestagsfraktion schon Ich komme zum nächsten Punkt, nämlich zu unserer seit vielen Jahren fordert . Ich möchte diese Forderung Verantwortung gegenüber den Beschäftigten von Polizei unterstreichen . und Justiz . Wir werden unserer Verantwortung gerecht . Zum einen haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE sehr deutlich dafür eingesetzt, 3 000 neue Stellen bei der GRÜNEN]: Legen Sie doch eins vor! Sie sind Bundespolizei zu schaffen . Wir haben das durchgesetzt, doch an der Regierung!) wir stehen dazu, und wir sind darauf stolz . Dies gibt uns die Gelegenheit, aufgeworfene Fragen (Beifall des Abg . [SPD]) der Strafbarkeit, aber auch Fragen, die Ordnungswidrig- keiten betreffen, zu regeln . Ich glaube, dass wir an dieser Wir haben die Forderung erhoben, 12 000 neue Beschäf- Stelle unserer Verantwortung gegenüber den Bedienste- tigte bei Landespolizeien und Bundespolizei einzustel- ten im öffentlichen Dienst mehr als gerecht werden kön- len. All das dient dazu, dem effizienten Staat die Mög- nen . lichkeit zu geben, handlungsfähig zu sein . Ein Blick nach Österreich zeigt: Dort ist die unerlaub- (Beifall bei der SPD) te Einreise lediglich ein Verwaltungsverstoß; die Sicher- heit der Grenze wird damit nicht in Abrede gestellt . Des- Ich möchte an dieser Stelle aber auch den Bundespoli- wegen werden wir diese Hinweise aufnehmen . zisten, den Landespolizisten und allen Justizbediensteten danken . Mir ist sehr bewusst, dass es zu einer Vielzahl Das ist ein Unterschied zum Antrag der Linken; denn (B) von Überstunden und aufgeschobenen Urlaubstagen hier geht es eben nicht darum, unter der falschen Über- (D) kommt, wenn man hier seiner Verantwortung gerecht schrift der Kriminalisierung von Flüchtlingen eine Ab- werden will . Mein Dank gehört ihnen allen ebenso wie schaffung oder eine Änderung des Gesetzes zu fordern . den Ehrenamtlichen, die sich darum kümmern, dass Wir wollen an dieser Stelle einen ganzheitlichen Ansatz Flüchtlinge, die hier einreisen, aufgenommen und unter- statt eines singulären Ansatzes, und wir wollen das Ver- stützt werden . Danke hierfür! fahren so gestalten, dass sich die Beschäftigten im öffent- lichen Dienst, bei Polizei und Justiz, auf das Wesentliche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten konzentrieren können, nämlich auf die Verfolgung von der CDU/CSU) Straftaten . Wir werden durch effiziente Verfahren und Gesetze (Beifall bei der SPD) diesen Menschen ermöglichen, ihrer Arbeit möglichst gut nachzugehen . Der Antrag der Linken und die Ausfüh- Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wir in rungen des Kollegen Beck haben auf das hingewiesen, den Mittelpunkt der Diskussion stellen wollen . Es ist was der Bund Deutscher Kriminalbeamter gesagt hat, richtig, dass das jetzt ein Ansatz Ihres Antrages ist; aber und wir nehmen diese Hinweise ernst . ich glaube, dass das nur eine Momentaufnahme ist und nur einen einzelnen Punkt betrifft . Wenn wir das tun, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE dann zeigt das unsere Verantwortung, für ein insgesamt GRÜNEN]: Die GdP hat das auch gefordert!) schlüssiges Verfahren zu sorgen . Wenn Sie besorgt sind, dass Flüchtlinge kriminalisiert werden, so kann ich Ihnen Wie bereits ausgeführt, wird der Flüchtling bzw . der versichern, wie ausgeführt: Sie werden nicht kriminali- Asylsuchende, der aufgegriffen wird, erkennungsdienst- siert . Das ist schon beim Verfahrensstand von heute so . lich behandelt . Das bedeutet einen Verwaltungsmehrauf- wand und eine Belastung der Polizei- und Justizbehör- Aber wir brauchen auch eine internationale und eine den . Das will niemand wegdiskutieren . Wir reagieren europäische Regelung, um dies gemeinsam zu lösen . Wir darauf über die Verfahrensvereinfachungen . merken im Schengen-System, dass es ohne eine europäi- sche Lösung nicht gehen wird . Aber allein die Aussage, dass die Fallzahl von 42 000 Fällen im Jahr 2014 auf 90 000 Fälle in den ersten Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede noch einen drei Quartalen im Jahr 2015 gestiegen ist – verwiesen sei Punkt ausführen . Wir müssen dafür sorgen, dass wir in auch auf die 118 000 beanzeigten illegalen Einreisen – dieser Diskussion in Ruhe auch über eine Verfahrensfra- ist keine Aussage, die den Schluss zulässt, dass dieses ge reden . Wir müssen dies so organisieren, dass wir einen Verwaltungsverfahren keinen Sinn hat . Sie zeigt eher auf, handlungsfähigen Staat haben . Darauf verlassen sich die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14823

Sebastian Hartmann (A) Bürgerinnen und Bürger in unserem Land . Das ist unsere sein . Dieser Staat muss wissen: Wer betritt das Staats- (C) Verpflichtung, die wir Flüchtenden gegenüber haben. Ich gebiet? meine auch, dass wir auf dem Weg, unserer internationa- len Verantwortung gerecht zu werden, schon ein Stück (Marian Wendt [CDU/CSU]: Richtig!) weit gegangen sind . Diejenigen, die immer weiter Ver- Wer ist er? Woher kommt er? Was will er? Das kann schärfungen fordern oder das Kurzfristige hektisch in den man nur durch wirksame Grenzkontrollen erreichen . Das Mittelpunkt stellen, werden nicht die unterstützen, die es kann man nur erreichen, indem klar ist: Wer diesen Staat gut meinen, die unseren Staat voranbringen wollen . Für illegal betritt, der begeht eine Straftat . all das brauchen wir einen Staat, der handlungsfähig ist, und eine Gesellschaft, die unterstützt wird . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich danke für die Aufmerksamkeit . Meine Damen und Herren, die mögliche Abschaffung der Strafbarkeit der illegalen Einreise wäre auch das fal- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sche Signal in der jetzigen Debatte . der CDU/CSU) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsidentin Claudia Roth: GRÜNEN]: Sie glauben tatsächlich, die Sy- Vielen Dank, Kollege Hartmann .– Zum Ende dieser rer schauen bei uns ins Aufenthaltsgesetz und Aussprache gebe ich das Wort an Dr .Volker Ullrich – wie erschrecken sich beim § 95? – Gegenruf der immer; das muss sein –, Augsburg . Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die lesen das! Die lernen das auswendig!) (Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann enden Die Humanität in diesem Land ist groß . Unser Herz ist die Gemeinsamkeiten!) groß . Wir helfen über 1 Million Menschen, die im letzten Jahr in dieses Land gekommen sind, um hier Zuflucht zu suchen, um Schutz zu suchen, ja, um vielleicht auch ein (CDU/CSU): Dr. Volker Ullrich besseres Leben zu finden. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 95 des Aufenthaltsgesetzes stellt die illegale Diese humanitäre Geste unseres Landes ist eine groß- Einreise unter Strafe . Es ist eine notwendige und gebo- artige Leistung, die durch ehrenamtliche Helfer, aber vor tene Vorschrift . Das ergibt sich aus dem unmittelbaren allem auch durch die Kommunen zustande gekommen Zweck des Staates selbst. Der Staat hat die Verpflichtung, ist . die innere und äußere Sicherheit für seine Bürger zu ge- Aber so groß unser Herz auch ist, (B) währleisten . Daraus folgt, dass der Staat zur Aufrechter- (D) haltung der staatlichen Ordnung gezwungen ist, und dies (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE setzt voraus, dass der Staat seine Grenzen schützt . GRÜNEN]: Wenn Sie überhaupt eins haben!) (Beifall bei der CDU/CSU) klar wird auch, dass die Kapazitäten dieses Staates be- Der Schutz der staatlichen Grenzen schafft auch den grenzt sind . Wir können das Asylrecht nur in dem Maße notwendigen Ordnungsrahmen . Damit die Grundrechte gewährleisten, wie es uns, den Kommunen gelingt, eine in diesem Staat überhaupt zur Geltung kommen können, menschenwürdige Unterbringung sicherzustellen, und damit Bürger sich in Würde frei entfalten können, damit wie es uns auch gelingen kann, die Integration sicher- sie die Freizügigkeit und ihre Freiheit ausleben können, zustellen . Eine unbegrenzte Zuwanderung richtet sich muss der Staat einen entsprechenden Rahmen setzen . sowohl gegen das, was die Kommunen leisten können, als auch gegen den grundlegenden Grundsatz der Men- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE schenwürde . Deswegen ist eine Begrenzung der Zuwan- GRÜNEN]: Das müssen Sie jetzt noch mit derung notwendig und wichtig . diesen Delikten in Zusammenhang bringen! Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei dieser Denk- Eine Begrenzung der Zuwanderung wird auch von sportaufgabe! Das wird Ihnen nicht gelingen!) den Kollegen der Linken sowie der Grünen gefordert . Ich zitiere: Grenzen schränken also die Freiheit nicht ein, sondern sie erreichen erst, dass der Staat diese Freiheit gewähr- Natürlich gibt es Kapazitätsgrenzen, wer das leug- leisten kann . net, ist doch weltfremd . Unser Staat hat den Schutz an das Schengensystem, Das sagte vor wenigen Tagen , Frak- das die EU-Außengrenzen schützt, delegiert – das ist tionsvorsitzende der Linken . richtig -; das entbindet unseren Staat aber nicht davon, seine Grenzen zu schützen . Deswegen muss klar sein: (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist trotzdem Solange der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinrei- nicht das Thema dieses Antrags!) chend gewährleistet ist, ist die Sicherung der eigenen Ein anderes Zitat: Staatsgrenze keine Option; sie ist eine Notwendigkeit . Wenn wir weiterhin mehr als eine Million Flücht- (Beifall bei der CDU/CSU) linge pro Jahr aufnehmen, halte ich zwar die Unter- Wenn wir über die Notwendigkeit des Schutzes unse- bringung in Containern für machbar, nicht aber die rer Grenzen reden, dann muss auch etwas anderes klar Integration aller in unsere Gesellschaft . 14824 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

Dr. Volker Ullrich (A) Das sagte der Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, Flüchtlingszahlen deutlich zu reduzieren, damit wir Ka- (C) Mitglied der Grünen . pazitäten für die Menschen haben, die unserer Hilfe be- dürfen . Das ist unsere Aufgabe . Darum bitte ich Sie sehr . Meine Damen und Herren, deswegen ist es wichtig, dass dieser Staat auch ein klares Signal aussendet . Das Signal heißt: Wir können die Probleme der Welt nicht lö- Vizepräsidentin Claudia Roth: sen, indem alle Menschen zu uns kommen . Herr Ullrich . (Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Es wollen ja auch gar nicht Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): alle Menschen zu uns! – Volker Beck [Köln] Ihren Antrag werden wir ablehnen . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die einen haben Wagenknecht, die einen haben Palmer, (Beifall bei der CDU/CSU – Abg . Volker und die anderen haben Seehofer!) Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Es gibt eben eine Differenzierung zwischen den Men- schen, die unseres Schutzes bedürfen, und den anderen Vizepräsidentin Claudia Roth: Menschen, die keinen Schutzgrund haben und die unser Land dann auch wieder verlassen müssen . Für eine Zwischenfrage ist es jetzt zu spät . In genau dieser Debatte, in der die Menschen mit gro- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE ßer Sorge darauf schauen, ob es der Politik in Berlin auch GRÜNEN]: Dann würde ich das gerne so sa- gelingt, eine deutliche Reduzierung der Zuzugszahlen zu gen!) erreichen, wäre es das völlig falsche Signal, zu sagen: – Gut . Es geht nach der Geschäftsordnung . Bitte . Die illegale Einreise stellen wir auf einmal straffrei . – Das wäre das falsche Signal, ein Signal, das wir im Au- genblick nicht gebrauchen können . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Ich möchte Sie nach (Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak Ihren letzten Worten schon fragen, ob Sie der Meinung [DIE LINKE]: Meinen Sie, die Flüchtlinge le- sind, dass die Menschen bestraft werden sollten, die in sen vorher die Gesetze, oder was?) Lübeck Geld gesammelt haben, damit Flüchtlinge, die in Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, in der jet- den vergangenen drei Wochen per Fähre von Travemün- zigen Flüchtlingskrise unsere Verantwortung in diesem de nach Schweden gereist sind, die Tickets kaufen konn- Hohen Haus gemeinsam wahrzunehmen . Diese Verant- ten . Ist das Ihrer Ansicht nach illegale Schleuserei oder (B) wortung bedeutet, dass wir den Kommunen und den eh- Beihilfe zu illegaler Schleuserei und damit strafwürdig? (D) renamtlichen Helfern unter die Arme greifen, die so viel Der zuständige Staatsanwalt ist der Auffassung, es für eine humanitäre Visitenkarte für unser Land tun . erfülle zwar den objektiven Tatbestand; mögliche Er- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE mittlungsverfahren würden aber wohl wegen Geringfü- GRÜNEN]: Aber nicht, indem Sie sie mit gigkeit eingestellt werden . Halten Sie diese Einschätzung Strafrecht bedrohen! Da platzt doch Ihre gan- der Staatsanwaltschaft für falsch, und würden Sie der ze Argumentation!) Staatsanwaltschaft anraten, hier rigoros anzuklagen? – Herr Kollege Beck, Vizepräsidentin Claudia Roth: (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Herr Ullrich, bitte . GRÜNEN]: Ja, Herr Ullrich?) (Zuruf von der CDU/CSU: Stehen bleiben, ich bitte Sie, dass Sie hier keine Nebelkerzen zünden . Herr Beck!) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE – Ja, es wäre schon gut, stehen zu bleiben . Das ist ja auch GRÜNEN]: Pyrotechnik ist im Plenum nicht für den Rücken nicht schlecht . – Herr Ullrich . erlaubt! – Heiterkeit)

Sie sprechen davon, wir würden ehrenamtliche Helfer Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): kriminalisieren . Das ist schlichtweg nicht der Fall . Wenn Herr Kollege Beck, wir haben in diesem Land Ge- ein ehrenamtlicher Helfer einem Flüchtling in einer Un- waltenteilung . Deswegen sollte ein Mitglied des Bun- terkunft hilft, ist das zu begrüßen . Wenn es aber darum destages nicht über Ermittlungsmaßnahmen, mögliche geht, einen Flüchtling über die Grenze zu bringen, dann Verfahrenseinstellungen oder auch Anklageerhebungen ist das Schleuserei . Das muss auch bestraft werden . einer Staatsanwaltschaft sprechen . Ich kann Ihnen aber (Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar sagen, dass es keinen Grund für einen Flüchtling gibt, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war das von Deutschland nach Schweden weiterzureisen, weil er denn früher in der DDR mit den Leuten, die auch bei uns schon sicher ist . Und es gibt auch keinen die Flüchtlinge nach Westberlin gebracht ha- Grund, von Österreich nach Deutschland weiterzureisen, ben?) weil der Flüchtling bereits in Österreich sicher war . Meine Damen und Herren, ich lade Sie ein, dass (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber viel- wir gemeinsam an unserer Verantwortung arbeiten, die leicht gefällt es ihm in Schweden besser!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14825

Dr. Volker Ullrich (A) Die Wertentscheidung des Gesetzgebers ist aber folgen- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf (C) de: Der illegale Grenzübertritt ist strafbar . Jemand, der den Drucksachen 18/6652 und 18/6346 an die in der Ta- diesen Grenzübertritt befördert, ist möglicherweise we- gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .– gen Beihilfe anzuklagen . An dieser grundsätzlichen Ent- Sie sind damit einverstanden . Dann sind die Überwei- scheidung des Gesetzgebers wollen und werden wir nicht sungen so beschlossen . rütteln . Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord- (Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak nung . [DIE LINKE]: Aber wir würden das gern! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- GRÜNEN]: Sie können sich nicht so richtig tages auf Mittwoch, den 27 .Januar 2016, 13 .30 Uhr, ein . entscheiden bei dem Fall!) Ich möchte Sie im Herausgehen noch daran erinnern, Vizepräsidentin Claudia Roth: dass an diesem Tag um 12 Uhr hier im Plenarsaal die Danke, Herr Ullrich . – Damit schließe ich die Aus- Sonderveranstaltung aus Anlass des Gedenktages für die sprache . Opfer des Nationalsozialismus stattfindet. Deswegen be- ginnt die Plenarsitzung erst um 13 .30 Uhr . Es wird ja lebendig weitergehen . Die Einladung neh- men wir gerne an . Das wurde von Herrn Binninger ge- Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen ein rade ein bisschen falsch verstanden . Wir haben gedacht, gutes Wochenende . wir gehen zum Wirt; aber es war wohl eine andere Ein- ladung gemeint . (Schluss: 14 .11 Uhr)

(B) (D)

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14827

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Aken, Jan van DIE LINKE 15 .01 . 2016 Malecha-Nissen, Dr . SPD 15 .01 . 2016 Birgit Albsteiger, Katrin CDU/CSU 15 .01 . 2016 Nahles, Andrea SPD 15 .01 . 2016 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 DIE GRÜNEN Poschmann, Sabine SPD 15 .01 . 2016

Daldrup, Bernhard SPD 15 .01 . 2016 Post (Minden), Achim SPD 15 .01 . 2016 Rehberg, Eckhardt CDU/CSU 15 .01 . 2016 Dittmar, Sabine SPD 15 .01 . 2016 Röring, Johannes CDU/CSU 15 .01 . 2016 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 15 .01 . 2016 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 15 .01 . 2016 DIE GRÜNEN

Fuchs, Dr . Michael CDU/CSU 15 .01 . 2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 15 .01 . 2016

Gottschalck, Ulrike SPD 15 .01 . 2016 Scheer, Dr . Nina SPD 15 .01 . 2016

Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 15 .01 . 2016 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 15 .01 . 2016 ­Christian (B) (D) Harbarth, Dr . Stephan CDU/CSU 15 .01 . 2016 Spinrath, Norbert SPD 15 .01 . 2016 Hardt, Jürgen CDU/CSU 15 .01 . 2016 Steffen, Sonja SPD 15 .01 . 2016 Held, Marcus SPD 15 .01 . 2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 15 .01 . 2016 Ilgen, Matthias SPD 15 .01 . 2016 Tank, Azize DIE LINKE 15 .01 . 2016

Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 Veit, Rüdiger SPD 15 .01 . 2016 DIE GRÜNEN Veith, Oswin CDU/CSU 15 .01 . 2016 Jantz, Christina SPD 15 .01 . 2016 Vogler, Kathrin DIE LINKE 15 .01 . 2016 Kapschack, Ralf SPD 15 .01 . 2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 15 .01 . 2016 Kauder, Volker CDU/CSU 15 .01 . 2016 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Wicklein, Andrea SPD 15 .01 . 2016 Kühn (Tübingen), BÜNDNIS 90/ 15 .01 . 2016 Christian DIE GRÜNEN Zdebel, Hubertus DIE LINKE 15 .01 . 2016

Anlage 2 – Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushalts- plans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsge- Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung setz 2016) Der Bundesrat hat in seiner 940 .Sitzung am 18 . De- – Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie zember 2015 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- – Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozial- satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: gesetzbuch und weiterer Vorschriften 14828 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

(A) – Erstes Gesetz zur Änderung des Seearbeitsgeset- Das vorliegende Gesetz entkoppelt die Umsetzung (C) zes eines einheitlichen Lebenssachverhaltes, der in zwei Sozialgesetzbüchern – dem SGB XI als „Teilleistungs- – Erstes Gesetz zur Änderung des Lebensmittelspe- system“ und dem SGB XII als ergänzendes, bedarfs- zialitätengesetzes deckendes System – geregelt ist. Das Gesetz enthält – Gesetz zur Mehrseitigen Vereinbarung vom zudem einseitig Berechnungen zur Entlastung der 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Be- Sozialhilfe. hörden über den automatischen Austausch von 2 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf: Informationen über Finanzkonten Zur Sicherstellung des nahtlosen Übergangs in das – Gesetz zum automatischen Austausch von Infor- neue Leistungsrecht und zur Definition des Leis- mationen über Finanzkonten in Steuersachen und tungsspektrums der Sozialhilfe und deren Abgren- zur Änderung weiterer Gesetze zung zum SGB XI sind die zum 1. Januar 2017 zu- gesagten gesetzlichen Änderungen zeitnah in einem – Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Gesetzentwurf vorzulegen, um die rechtzeitige Ein- Bausparkassen bindung der Länder zu gewährleisten. Dabei sind die – Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen folgenden Aspekte zu berücksichtigen: Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschrif- a) Die Umsetzung der grundlegenden Änderungen ten (Zweites Pflegestärkungsgesetz PSG II) durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz im Be- Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- reich des SGB XII ist umgehend und verbindlich fasst: bundesgesetzlich zu normieren . Eine Schlechter- stellung pflegebedürftiger Menschen, die Sozial- 1 . Der Bundesrat stellt fest: Das vorliegende Gesetz ent- hilfe beziehen, ist dabei sozialrechtlich und sozi- hält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die einen alpolitisch nicht zu vertreten . Beitrag zur Gewährleistung der pflegerischen Versor- b) Vor allem die Schnittstellen zwischen Leistungen gung leisten können . der Pflegeversicherung, Leistungen der Hilfe zur So begrüßt der Bundesrat ausdrücklich die seit lan- Pflege und der Eingliederungshilfe beziehungs- gem von den Ländern geforderte Einführung des weise des angekündigten Bundesteilhabegeset- neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit -ver zes sind eindeutig zu bestimmen . Das bedingt bundenen neuen Begutachtungsverfahrens. Einem klare Regelungen, welche Leistungen vorrangig (B) dringenden sozial- und pflegepolitischen Anliegen oder nachrangig zu gewähren sind . Eine Vorfest- (D) wird dadurch Rechnung getragen. Pflegebedürftigkeit legung zulasten der Träger der Sozialhilfe darf wird künftig auf der Grundlage des Grades der Selb- nicht erfolgen . ständigkeit der Betroffenen weit mehr Lebensberei- c) Die Grenze der finanziellen Belastbarkeit der che als bisher erfassen. Damit geht notwendigerweise Kommunen und Länder als Träger der Sozial- auch die Erweiterung des Leistungskatalogs der Pfle- hilfe ist unter anderem bereits durch die bisheri- geversicherung um pflegerische Betreuungsmaßnah- gen Auswirkungen des demografischen Wandels men, die nun gleichberechtigt neben den bisherigen erreicht . Kommunen und Ländern dürfen keine herkömmlichen Pflegeleistungen stehen, einher. Mehrkosten entstehen . Soweit eine notwendig Die Länder haben in der Vergangenheit wiederholt durchzuführende Ermittlung der Gesamtkosten deutlich gemacht, dass mit der Neuausrichtung des eine Mehrbelastung der Träger der Sozialhilfe er- Leistungsrechts in der weiterhin als Teilzuschuss gibt, ist zur Sicherstellung dieser Kostenneutrali- ausgestalteten Pflegeversicherung gleichzeitig und tät eine Bundesbeteiligung an den entsprechen- untrennbar die Notwendigkeit zur Anpassung der den Kosten vorzusehen oder auf anderem Wege sozialhilferechtlichen Regelungen im Zwölften Buch ein Ausgleich herzustellen . Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit der Klärung der d) Im Rahmen der gesetzlichen Umsetzung der Schnittstellen, insbesondere zur Hilfe zur Pflege und Evaluationsklausel sind die Auswirkungen für zur Eingliederungshilfe, verbunden ist. Dies ist so- die Betroffenen sowie die örtlichen und überört- wohl rechtssystematisch als auch sozialpolitisch un- lichen Träger der Sozialhilfe zu überprüfen und abdingbar, denn zum einen verweisen die Vorschrif- bei Bedarf zu korrigieren . ten im SGB XII umfänglich auf Regelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), und zum anderen Die Länder bieten dem Bund beim Folgegesetz Un- ist eine faktische Rückverengung des künftig breiter terstützung an . gefassten Verständnisses von Pflegebedürftigkeit in – Gesetz für sichere digitale Kommunikation und der Sozialhilfe nicht begründbar. Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Die Länder haben deshalb immer darauf hingewie- Änderung weiterer Gesetze sen, dass vor allem in Bezug auf die rechtlichen und – … Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes finanziellen Folgen die Wechselwirkungen der beiden Systeme SGB XI und SGB XII genau analysiert und – Gesetz zur Änderung des Berufsqualifikations- bewertet werden müssen. feststellungsgesetzes und anderer Gesetze Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14829

(A) – Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktien- eine effiziente Einbindung eines zunehmenden An- (C) rechtsnovelle 2016) teils an fluktuierender Stromerzeugung aus Winde- nergie und Sonne in sichere Versorgungsstrukturen – Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafver- volkswirtschaftlich vorteilhaft unterstützt . fahren (3. Opferrechtsreformgesetz) 2 . Der Bundesrat begrüßt den Beschluss des dringend – Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikus- benötigten Gesetzes zur Neuregelung des Kraft-Wär- anwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsord- me-Kopplungsgesetzes . Der vorliegende Gesetzes- nung beschluss ist nach Ansicht des Bundesrates dazu – Erstes Gesetz zur Änderung des Verkehrsinfra- geeignet, bestehende Verunsicherungen auf Seiten strukturfinanzierungsgesellschaftsgesetzes von Investoren zu beseitigen, Planungssicherheit her- zustellen und einen Zubau von auch klimapolitisch Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- gewünschten KWK-Anlagen anzureizen . fasst: 3 . Er begrüßt insbesondere die Einführung von Vorbe- 1 . Der Bundesrat erkennt das Bemühen des Bundes um scheiden durch die BAFA, da hierdurch Investoren ein einheitliches Buchungssystem für die Ausgaben bereits frühzeitig Sicherheit über die Förderfähigkeit zur Finanzierung der Bundesfernstraßen an . und Förderhöhe ihrer Projekte erhalten und so Finan- 2 . Der Bundesrat betont, dass die im Gesetz enthaltene zierungsentscheidungen auf einer sicheren Grundlage Verfahrensänderung und die damit zusammenhän- gefällt werden können . Ebenso begrüßt er die vorge- gende Übertragung weiterer Aufgaben und Zustän- sehene Besserstellung von Energiedienstleistern und digkeiten an die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungs- Contractoren . Er verbindet damit die Erwartung, dass gesellschaft kein Präjudiz darstellen dürfen bezüglich insbesondere Projekte zur Nahwärmeversorgung und einer Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft Quartierslösungen zukünftig höhere Realisierungs- und damit einhergehenden Abschaffung der Auftrags- chancen haben . verwaltung durch die Länder für die Bundesfernstra- 4 . Gleichzeitig muss der Bundesrat jedoch ebenfalls fest- ßen . stellen, dass im Rahmen der Beratungen des Geset- 3 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die zes im Deutschen Bundestag die Stellungnahme des Länder bei der Erarbeitung von Vorschlägen zur Bundesrates vom 6 . November 2015 (BR-Drucksache Optimierung der Bundesfernstraßenverwaltung eng 441/15 – Beschluss -) lediglich in Teilen berücksichtigt einzubeziehen und keine Vorfestlegungen zu tref- wurde . Wichtige Punkte, die nach Ansicht des Bundes- fen, bevor die Kommission „Bau und Unterhaltung rates die Zubaudynamik deutlich verbessert hätten, ha- (B) des Verkehrsnetzes“, die sich unter anderem mit dem ben keinen Eingang in den Gesetzesbeschluss gefun- (D) Verhältnis von Bund und Ländern bei Planung, Bau den . und Unterhaltung von Fernstraßen beschäftigt, ihre 5 . In diesem Zusammenhang hebt der Bundesrat insbe- Beratungen abgeschlossen hat . sondere die neue Zielsystematik des Gesetzes in § 1 – Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) hervor . Anders als bisher wird dort nun mit absolu- Nr. 1007/2011 und zur Ablösung des Textilkenn- ten Terawattstunden-Größen gearbeitet . So wird eine zeichnungsgesetzes Nettostromerzeugung von 110 Terawattstunden bis zum Jahr 2020 und 120 Terawattstunden bis zum Jahr – Gesetz zur Umsetzung der aufsichts- und berufs- 2025 aus KWK-Anlagen angestrebt . Dies entspricht – rechtlichen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU bei einer gleichbleibenden Nettostromerzeugung in sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorga- Höhe von ca . 592 Terawattstunden (2014) – einem ben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hin- Anteil von 19 Prozent in 2020 und 20 Prozent in blick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen 2025 . Dies stellt zwar eine Verbesserung gegenüber von öffentlichem Interesse (Abschlussprüferauf- dem ursprünglichen Gesetzentwurf dar, bleibt jedoch sichtsreformgesetz – APAReG) deutlich hinter der Forderung des Bundesrates von – Gesetz zur Neuregelung des Kraft-Wärme-Kopp- 25 Prozent an der gesamten Nettostromerzeugung bis lungsgesetzes zum Jahr 2020 zurück, die einer Nettostromerzeu- gung aus KWK-Anlagen von 148 Terawattstunden Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- entspricht . fasst: 6 . Um den Ausbau der KWK nicht weiter abzubremsen, 1 . Mit einem Gesamtwirkungsgrad von über 80 Prozent sollte der Bezug des Ausbauziels von 25 Prozent im leisten KWK-Anlagen einen wichtigen Beitrag für Rahmen der Überprüfung der Zielerreichung des Ge- die hocheffiziente Nutzung der uns zur Verfügung setzes wieder hergestellt werden, zumal mit einem stehenden fossilen und regenerativen Energieträger . wachsenden Anteil dargebotsabhängiger Erneuerba- Zum anderen tragen sie entscheidend zur notwendi- rer Energien an der Stromerzeugung die Bezugsgröße gen Flexibilisierung unseres konventionellen Kraft- der regelbaren Nettostromerzeugungsmenge zuneh- werksparks bei und unterstützen so in kosteneffizien- mend schrumpfen würde . ter Weise die Integration der Erneuerbaren Energien in unsere Energieversorgung . KWK-Anlagen stellen 7 . Unter grundsätzlichen Erwägungen von Vertrauens- zudem eine wichtige und notwendige Verknüpfung schutz und Wettbewerbsgleichheit lehnt der Bundesrat von Strom-, Wärme- und Erdgasversorgung dar, die die nach wie vor vorgesehene Ungleichbehandlung von 14830 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016

(A) bis zum 31 .Dezember 2015 in Dauerbetrieb gegange- ten, regionalen Energieerzeugungs- und -versorgungs- (C) nen modernisierten oder neu errichteten KWK-Anla- strukturen erhalten bleiben muss . Er bedauert, dass im gen gegenüber solchen, die nach dem 1 .Januar 2016 weiteren Gesetzgebungsverfahren seinem Vorschlag, in Dauerbetrieb gehen, ab . Er hält es für erforderlich, die Zuschlagsberechtigung von kleineren KWK-An- dass frühzeitige Investitionsentscheidungen im Sinne lagen auch unterhalb einer elektrischen Leistung von von Energieeffizienz und Klimaschutz nicht schlech- 2 Megawatt wirksam werden zu lassen, nicht gefolgt ter gestellt werden . Auf Grund von gesunkenen Er- wurde . lösmöglichkeiten am Strommarkt droht hierdurch schlimmstenfalls ein Ausscheiden der betreffenden 12 .Die Beschränkung der KWK-Förderung für eigen­ Anlagen aus dem Markt . Dies ist nicht im Sinne der erzeugten und -verbrauchten Strom auf Anlagen mit Zielsetzung des Gesetzes . einer elektrischen Leistung von bis zu 100 Kilowatt sowie auf Anlagen in stromintensiven Unterneh- 8 . Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz wird men (§ 6 Absatz 4 Nummer 1 und 3 KWKG), die die Förderung für Neubau, Modernisierung und Nach- über einen rechtskräftigen Begrenzungsbescheid rüstung von KWK-Anlagen auf Anlagen beschränkt, der BAFA zur EEG-Umlage verfügen, wird ab- die vor dem Jahr 2023 in Dauerbetrieb genommen gelehnt . Gerade mit der Förderung des Baus, der werden . Diese zeitliche Beschränkung der Förderfä- Modernisierung oder Nachrüstung industrieller higkeit von Einrichtungen unter dem KWKG spiegelt KWK-Anlagen für eigenerzeugten­ Strom sind wei- tere Energieeffizienzsteigerungen­ in der Strom- und jedoch nicht die Zielsetzung des Gesetzentwurfs zum Nutzwärmeerzeugung verbunden . Vor dem Hinter- KWK-Ausbau bis zum Jahr 2025 wider . Die Ausbau- grund des Ausbaudefizits bei der Stromerzeugung in ziele für 2020 und 2025 dürfen nicht als Schlusspunkt KWK ist eine Schlechterstellung von eigenerzeug- gesehen werden . Vielmehr müssen die gesetzlichen tem und verbrauchtem KWK-Strom nicht nachvoll- Rahmenbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung ziehbar . so gestaltet werden, dass auch über das Jahr 2022 hi- naus der Anreiz zum Ausbau der Stromerzeugung in 13 .Der Bundesrat stellt fest, dass der der Gesetzesbe- Kraft-Wärme-Kopplung erhalten bleibt, wobei das schluss eine Reihe von Verordnungsermächtigun- Ziel der langfristigen vollständigen Dekarbonisie- gen enthält, die jedoch nicht die Zustimmungsbe- rung der Energieerzeugung nicht gefährdet werden dürftigkeit durch den Bundesrat vorsehen . Gerade darf . vor dem Hintergrund der regional diversifizierten KWK-Landschaft und der damit in den Ländern 9 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, von verankerten Kenntnis über die Situation der Anla- (B) der vom Deutschen Bundestag neu eingefügten Ver- genbetreiber hätte der Bundesrat seine Beteiligung (D) ordnungsermächtigung in § 33 Absatz 2 Nummer 3 an den auf Grundlage der Ermächtigungsnormen zu KWKG keinen Gebrauch zu machen . Die Bundes- erlassenen Verordnungen für sinnvoll erachtet . regierung hat nach Auffassung des Bundesrates zu Recht in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf da- 14 .Der Bundesrat verzichtet auf eine Anrufung des Ver- rauf hingewiesen, dass die Unterstützung von neuen mittlungsausschusses, um ein Inkrafttreten des Geset- oder modernisierten Kohle-KWK-Anlagen einen zes zum 1 . Januar 2016 nicht zu gefährden . Er bittet Widerspruch zum Ziel einer Dekarbonisierung der die Bundesregierung jedoch, im Rahmen der Über- Stromerzeugung darstellt . Nach Auffassung des prüfung der Zielerreichung gemäß § 34 KWKG mit Bundesrates gilt diese Annahme umso mehr für alte den Ländern in den Dialog zu treten und frühzeitig Kohle-KWK-Anlagen, die nicht modernisiert wur- eine Perspektive für die KWK-Technologie, langfris- den . tig auf Basis erneuerbarer Energien, auch über 2025 hinaus zu erörtern . 10 Der. Bundesrat bedauert, dass keine neuen Anreize für die Nutzung von KWK in Industrieprozessen im – Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Gesetz eröffnet wurden, sondern lediglich eine Ver- Rechts des Energieleitungsbaus ordnungsermächtigung beschlossen wurde für den – Gesetz zur Modernisierung des Vergabe- Fall, dass ohne entsprechende Förderung kein Zubau rechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – oder sogar ein Rückgang der Anlagenkapazitäten er- ­VergRModG) folgt . Gerade hier bestehen aus Sicht des Bundesrates große Potenziale zur Nutzung industrieller Wärme/ – Gesetz zu dem Abkommen vom 28. März 2014 Kälte und damit große klimapolitische Potenziale . Er zwischen der Bundesrepublik Deutschland und bittet die Bundesregierung daher, von der genannten der Volksrepublik China zur Vermeidung der Verordnungsermächtigung möglichst umgehend Ge- Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der brauch zu machen und damit positive Marktsignale Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern auszusenden . vom Einkommen und vom Vermögen

11 .Der Bundesrat ist der Ansicht, dass neben dem Aus- Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie bau der KWK im Leistungsbereich oberhalb von gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von 2 Megawatt ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit und einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen die Zukunftsfähigkeit der bestehenden hocheffizien- absehen: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 150 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 15 . Januar 2016 14831

(A) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Wirtschaft und Energie (C) Drucksache 18/5286 Nr . A .8 – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und EuB-BReg 37/2015 Technikfolgenabschätzung (18 .Ausschuss) gemäß Drucksache 18/6240 Nr . A .1 § 56a der Geschäftsordnung KOM(2015)359 endg . Drucksache 18/6607 Nr . A .16 Technikfolgenabschätzung (TA) Ratsdokument 12858/15 Moderne Stromnetze als Schlüsselelement einer nachhaltigen Stromversorgung Ausschuss für Gesundheit Drucksache 18/5948 Drucksache 18/2935 Nr . A .4 Ratsdokument 13558/14 – Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vierter Monitoring-Bericht „Energie der Zu- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur kunft“ Drucksache 18/6855 Nr . A .7 EP P8_TA-PROV(2015)0375 Drucksachen 18/6780, 18/6933 Nr. 1.2

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Änderung des Monitoring-Prozesses «Energie der Zukunft» Drucksache 18/6607 Nr . A .23 Ratsdokument 12667/15 Drucksachen 18/6781, 18/6933 Nr. 1.3 Drucksache 18/6607 Nr . A .24 Ratsdokument 12683/15

Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 18/6607 Nr . A .25 Bericht der Bundesregierung über die Maßnah- EP P8_TA-PROV(2015)0345 men zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Drucksache 18/6607 Nr . A .26 des Bundesvertriebenengesetzes in den Jahren EP P8_TA-PROV(2015)0348 (B) 2011 und 2012 (D)

Drucksachen 17/13777, 18/770 Nr. 30 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 18/5982 Nr . A .50 EP P8_TA-PROV(2015)0265 Bericht der Bundesregierung über die Maßnah- Drucksache 18/6607 Nr . A .27 men zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Ratsdokument 12797/15 des Bundesvertriebenengesetzes in den Jahren 2013 und 2014 Ausschuss für die Angelegenheiten der Drucksache 18/5598 Europäischen Union Drucksache 18/822 Nr . A .38 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Ratsdokument 5866/14 mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- Drucksache 18/822 Nr . A .39 onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Ratsdokument 5867/14 Beratung abgesehen hat . Drucksache 18/1707 Nr . A .9 EP P7_TA-PROV(2014)0430 Drucksache 18/2533 Nr . A .70 Ratsdokument 12424/14 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/5982 Nr . A .52 Ratsdokument 10651/15 Drucksache 18/5982 Nr . A .12 Drucksache 18/5982 Nr . A .53 EP P8_TA-PROV(2015)0273 Ratsdokument 10663/15 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333