Heinkel He 100 V-1
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Die Heinkel He 100 V-1. Das Foto zeigt die Maschine bereits in modifizierter Form mit vergrößertem Seitenleitwerk, geänderter Kabinenhaube und dem Rumpfrückenkondensator der Oberflächenkühlung. Jagdflugzeug Heinkel He 100 – Jäger der Rekorde von Dr. Volker Koos (ADL) 09.2016 durchgesehene Fassung der Erstveröffentlichung in Klassiker der Luftfahrt 4/2006 Nach dem Scheitern der He 112 suchte Heinkel mit der He 100 den Erfolg. Technisch preschte die He 100 in den Jahren 1937/38 weit nach vorn. Doch wie seiner Vorgängerin He 112 blieb auch diesem Hochgeschwindigkeits- Jagdeinsitzer der wirtschaftliche Erfolg versagt. Mit ihren Geschwindigkeitsweltrekorden eroberte sich die He 100 dennoch einen festen Platz in der Luftfahrtgeschichte. Entstehungsgeschichte Das Ausscheiden der He 112 im Wettbewerb um den Standard-Jäger der Luftwaffe (siehe Bericht über die He 112 in der ADL-Homepage) traf Ernst Heinkel hart. Es kratzte nicht nur an der Firmenehre, sondern auch an dem Selbstverständnis des besonders auf den Begriff „Heinkel-Tempo" stolzen Firmenchefs. Deshalb erarbeitete man bei Heinkel bereits ab Janu- ar 1936 das Projekt P 1035 eines Super V.J. (Verfolgungsjäger) mit DB 601 und Oberflächenkühlung. Die Firmenleitung wusste, dass im Technischen Amt des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) an ein solches Flugzeug gedacht wurde, das al- lerdings als zweimotoriger Entwurf (die spätere Fw 187) bereits bei Focke-Wulf bearbeitet wurde. Ohne Wissen des RLM baute Heinkel eine Attrappe des neuen, zunächst auf 650 km/h Höchstgeschwindigkeit projektier- ten Jägers, der neben zwei Maschinengewehren auch eine 20-mm-Oerlikon-Kanone tragen sollte. Die Reduzierung schädli- chen Widerstandes stand bei der aerodynamischen Auslegung ganz oben. Einer der Kernpunkte dabei war der Verzicht auf herkömmliche Kühler und ihr Ersatz durch eine moderne Oberflächenkühlung. Seite 1 Copyright © Arbeitsgemeinschaft Dt. Luftfahrthistorik www.adl-luftfahrthistorik.de Zur Erprobung des neuartigen Kühlsystems fanden Vorversuche mit einer He 70 statt. Um die Widerstand erzeugenden Kühler für Motoröl und Kühlwasser einzusparen, zog Heinkel weite Teile der Zellenbeplankung zur Kühlung heran. Um gleichzeitig die Gefahr des Wasserverlustes durch Beschußschäden zu verringern, griffen die Ingenieure zur Verdamp- fungskühlung. Das im Motor unter Druck stehende Kühlwasser konnte auf über 100 Grad Celsius erhitzt werden. Beim Austreten des überhitzten Wassers aus dem Triebwerk in den Kühlkreislauf bildete sich Dampf, der in die Kühlzellen der Tragfläche geleitet wurde. Nach der Kondensation wurde das Wasser mit kleinen Elektropumpen wieder in die Kühlkanäle des Motors geführt. Das heiße Motoröl verdampfte in einem Wärmeaustauscher Methylalkohol. Der Alkoholdampf kon- densierte dann in Kühlzellen des Leitwerks. Ab August 1937 lief die Konstruktion des neuen Jägers. Heinkel hatte Lehren aus der Niederlage der He 112 gezogen und achtete besonders auf technische Vereinfachungen und gewichtsreduzierende Strukturen. Zum Beispiel war die vordere Rumpfschale als integrierter Motorträger ausgebildet. Damit sparte Heinkel einerseits das Gewicht eines separaten Motor- trägers, andererseits konnte so die Motorverkleidung aerodynamisch optimal um den Motor geschnitten werden. Eine Konstruktion übrigens, die sich auch in der North American P-51 Mustang wiederfindet. Beim ersten fertiggestellten Flügel in der bei Heinkel ausgearbeiteten Plattenbauweise erzielten die Ingenieure trotz der Oberflächenkühlung und der dicht- genieteten Tanks eine Gewichtseinsparung von 62,1 Prozent bei den Einzelteilen und 57 Prozent bei den Nieten. Gut 700 Km/h sollte der neue Jäger erreichen Am 1. Oktober 1937 stellte Heinkel das neue Projekt Generalmajor Ernst Udet und seinen leitenden Referenten vor. Unter der am 23. Oktober vom RLM freigegebenen Typennummer He100 reichte das Unternehmen zum Monatsende ein Angebot zur Lieferung von drei V-Flugzeugen (Werknummern 1901 bis 1903) beim Ministerium ein. Die am 27. Oktober fertigge- stellte Baubeschreibung ging von etwa 700 km/h Höchstgeschwindigkeit aus. Von vornherein plante Heinkel, mit der neu- en He 100 die bestehenden Geschwindigkeitsweltrekorde über 3, 100 und 1000 Kilometer anzugreifen und den absoluten Rekord der italienischen Macchi MC 72 von 709,2 km/h zu überbieten. Das erste Versuchsmuster He 100 V-1 im „Ur- zustand“ unmittelbar nach der Fertigstellung, noch ohne Anstrich, ohne Rumpfrückenkon- densator und mit kleinem Seitenleitwerk. Seite 2 Copyright © Arbeitsgemeinschaft Dt. Luftfahrthistorik www.adl-luftfahrthistorik.de Mitte November 1937 plante man, für die Rekordflüge die He 100 V-1 zu verwenden und wollte für eine eventuelle spätere Verbesserung der eigenen Bestwerte noch ein viertes V-Muster bauen, und zwar mit auf elf Quadratmeter verringerter Flügelfläche. Das Angebot sollte General Udet bei seinem Besuch im Dezember vorgelegt werden. Bei diesem Besuch Udets am 16. Dezember 1937 einigten sich die Verhandlungspartner aber darauf, die ersten beiden Flugzeuge vorrangig für die vorbereitende Flugerprobung auszulegen, wobei die spätere militärische Ausrüstung mit berücksichtigt, aber vorläufig nicht eingebaut werden sollte. Die He 100 V-3 sollte dagegen als reine Rekordmaschine mit verkleinertem Tragflügel, strömungsgünstigerer Kabinenhaube und tiefer gelegtem Höhenleitwerk ausgelegt werden. Weiter sah der Plan nun vor, die V-4 als Musterflugzeug für den Serienbau mit voller Bewaffnung, also mit einer Motorkanone und zwei Flügel- Maschinengewehren, zu nutzen. Kühlprobleme beim ersten Testflug Der Bau des ersten Prototyps wurde vom Technischen Direktor Heinrich Hertel stark forciert, um zum 50. Geburtstag des Firmenchefs am 24. Januar 1938 fertig zu sein. Am 22. Januar 1938 flog Chefpilot Gerhard Nitschke die He 100 V-1 (Wnr.1901, D-ISVR) ein. Aber schon nach neun Minuten musste er den ersten Testflug abbrechen, als Wasserdampf aus den Entlüftungsleitungen der Oberflächenkühlung drang. Für Heinkel standen zunächst die Erprobung der neuartigen Verdampfungskühlung und die Erzielung möglichst hoher Re- kordgeschwindigkeiten im Vordergrund. Nach anfänglichen Problemen wurden zusätzliche Kühlzellen in den Rumpfrük- ken der V-1 integriert. Doch auch im März 1938 dauerten die Probleme mit der Verdampfungskühlanlage an. Auf Grund der Testerfahrungen mit der V-1 wurde die Seitenflosse der V-2 vergrößert. Heinkel hoffte dabei weiter, mit überragenden Leistungen einen Serienbauauftrag zu bekommen. Das zweite Versuchsflugzeug (He 100 V-2, Wnr. 1902, D-IUOS) flog erstmals am 17. Mai 1938, im darauffolgenden Monat auch die V-3 (Wnr. 1904, D-IDGH). Nach dem Einfliegen erhielt die V-2 Abgas-Rückstoßdüsen, eine kleinere und windschnittigere Kabinenhaube und einen besonderen Hochgeschwindig- keitspropeller mit schmaleren Blättern. Störende Fugen und Vertiefungen in der Zellenbeplankung wurden verspachtelt, der Antennenmast abgenommen und die ganze Oberfläche poliert, um den Widerstand so weit wie möglich zu verringern. Die He 100 V-2 D-IUOS vor einer He 114 auf dem Werkflugplatz in Rostock-Marienehe. Am Pfingstsonntag, dem 5. Juni 1938, erflog Ernst Udet mit diesem Flugzeug mit 634,47 km/h über eine geschlossene 100-km-Strecke einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Landflugzeuge. Genau 9 Minuten und 27,4 Sekunden benötigte er für das zweimalige Durchfliegen der Strecke zwi- schen dem Ostseebad Müritz und Wustrow. Da- mit war der vorherige Rekord der italienischen Breda 88 um rund 80 km/h überboten. Dieser Rekordflug des General-Luftzeugmeisters war Ernst Heinkel gratuliert Ernst Udet zu dem Weltrekord, den er am mindestens seit April vorbereitet worden. Pfingstsonntag 1938 mit der He 100 V-2 über die geschlossene 100- Kilometer-Strecke erflog. Seite 3 Copyright © Arbeitsgemeinschaft Dt. Luftfahrthistorik www.adl-luftfahrthistorik.de Die von Ernst Heinkel in seinem Buch „Stürmisches Leben" geschilderte und gern kolportierte Geschichte vom spontanen Entschluss Udets, bei einem zufälligen Besuch in Rostock den Rekord selbst zu fliegen, ist eine reine Erfindung! Udet den Weltrekord fliegen zu lassen, war eher Heinkels Versuch, die He 100 doch noch neben der Bf 109 in den Dienst der Luft- waffe zu bekommen. Dazu gehörten auch die Bezeichnung He 112 U, unter welcher der Rekord angemeldet wurde, und die Flugvorführung beim Hitler-Besuch in Barth am 13. Juni 1938. (oben): Die He 100 V-3 D-IDGH auf dem Heinkel-Flugplatz in Rostock-Marienehe. (links): Von vorn läßt sich das breite Fahrwerk des Heinkel- Jägers gut erkennen, welches ge- genüber dem der Bf 109 wesent- liche Vorteile bot. Auf diesem Foto trägt die He 100 V-3 eine aufgeklebte fiktive Luftwaffen- Bemalung. Während sich mit der He 100 V-4 (Wnr. 1903) der Serienprototyp noch im Bau befand, liefen im Juni 1938 die Arbeiten für den Bau der vom RLM georderten Vorserie von 25 He 100 A-0 an. Inzwischen hatte es bei den V-Flugzeugen mehrmals Probleme gegeben, vor allem mit den Fahrwerken und wegen zu hohen Kühlwasserverlusts. Im August ging die He 100 V-3 verloren, als Gerhard Nitschke wegen eines klemmenden Fahrwerksbeins mit dem Fallschirm aussteigen musste. Im Ok- tober knickte bei der einen Monat zuvor eingeflogenen V-4 eine Fahrwerkshälfte weg. Spätestens Anfang September 1938 stand im RLM fest, dass eine Beschaffung der He 100, mit Ausnahme der Versuchsflugzeuge und der Nullserie, nicht beab- sichtigt war, „da stetige Fortentwicklung der Bf 109 truppenmäßig günstiger“ sei. Im Juli 1938 rüstete Heinkel die He 100 V-2 erstmals mit einer Motorkanone und zwei Flächen-MGs aus, um den Jäger auch waffenseitig für