Das Deutsche Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt. Ein Mediengestütztes
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16 Museumsporträt Museumsporträt 17 Unter den Verkehrsmuseen bieten neben den Museen zur Geschichte des Flugverkehrs die Eisenbahnmuseen in der Regel die imposantesten Das Deutsche Exemplare an historischen Fahrzeugen. Nicht nur die schiere Größe der Hauptexponate räumt diesem Museumstypus eine besondere Position hinsichtlich Sammlungs- und Ausstellungsstrategien ein, Dampflokomotiv sondern auch die vielfach geübte Praxis von Schaufahrten, bei denen die Fahrzeuge im realen Einsatz auf der Schiene erlebbar werden. Museum in Neuen- Die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, die aus restauratorischer Sicht ohnehin mit kritischem Auge betrachtet werden muss, kann dabei aber manchmal andere, weniger spektakuläre Formen der markt Präsentation in den Hintergrund rücken. In Neuenmarkt hat der Träger die Chance, welche sich nach einer Ein mediengestütztes „Eisenbahnerlebnis“ bedeutenden Erweiterung der Freiflächen und der Inaussichtstellung erheblicher Zuschussmittel eröffnete, dazu genutzt, eine Sanierung großer Teile der historischen Betriebsanlagen vorzunehmen und das Julia Uehlein/ Georg Waldemer Vermittlungsangebot außerhalb von Schaufahrten deutlich zu ver- bessern und zu erweitern. Georg Waldemer Historisch Gewachsenes im Dreiklang: Museum, Schiefe Ebene, Eisenbahnerdorf Seit den sogenannten „Pfingstdampftagen“ ist nach starker Er- weiterung und Umgestaltung das 1977 eröffnete Deutsche Dampflokomotiv Museum im oberfränkischen Neuenmarkt wieder zu den gewohnten Zeiten geöffnet. Dieses Museum bietet nun im Kern eine spannende Präsentation von Originalexponaten, die unter zeitgemäßen museumsdidaktischen und szenografischen Gesichtspunkten neu in Szene gesetzt wurden. Ziel dieser Er- neuerung war es u. a., über technikaffine Besucherinnen und Besucher hinaus verstärkt weitere Zielgruppen für die Themen dieses Spezialmuseums zu interessieren. Der Standort des Deutschen Dampflokomotiv Museums bildet ein echtes Alleinstellungsmerkmal unter den Eisenbahnmuseen in Bayern und darüber hinaus: Das Museumsgelände umfasst gegenwärtig mit seinen rund 100.000 m² Fläche den Großteil des ehemaligen Bahnbetriebswerks Neuenmarkt-Wirsberg, auf dem sich ein Ringlokschuppen mit vorgelagerter Segmentdrehscheibe, weitere Betriebsgebäude für Pflege- und Reparaturarbeiten an den Fahrzeugen sowie Gleisanlagen und ein sogenannter „Kohlenhof“ erhalten haben. Dort wurde der Tender der Lok mit Kohle befüllt, diese mit Wasser betankt und nach der Fahrt in der Schlackegrube gesäubert. Der Lokschuppen ist quasi die Garage der Lokomotive, nebst Werkstatt für kleinere Reparaturen und Ausbesserungs- arbeiten. Das historische Bahnbetriebswerk liegt direkt gegenüber dem Bahnhof Neuenmarkt-Wirsberg, der als Talstation für die in der Geschichte der Eisenbahn in Deutschland sehr wichtige, so- genannte „Schiefe Ebene“ fungiert. Diese Eisenbahn-Steilstrecke der ehemaligen Ludwig-Süd-Nord-Bahn gilt als technische Meisterleistung ihrer Zeit. Bereits im Jahre 1848 fertig gestellt, Ringlokschuppen des Bahnbetriebswerks mit Segmentdreh- wurde mit dieser aufwändig geschaffenen Trasse bis zur Berg- scheibe. station Marktschorgast ein Höhenunterschied von 158 m über- Seite 16: Die Dampflokomotive 10 001 im Ringlokschuppen mit wunden. Dazu waren u. a. gewaltige Steinwälle vonnöten, die neuem Museumslogo. halfen, den Anstieg der Schiefen Ebene möglichst gleichmäßig auf die vorhandene Strecke von 8 km zu verteilen. Im Bahn- betriebswerk Neuenmarkt standen für die Züge, die den Anstieg meistern sollten, zusätzlich anzukoppelnde Schiebe- und Zug- lokomotiven bereit. Das dritte historisch gewachsene Element des „Eisenbahn- erlebnisses Neuenmarkt“ bildet die Ortschaft Neuenmarkt selbst. Diese ursprünglich rein landwirtschaftlich geprägte Siedlung erfuhr durch den Bahnhof und das daran anschließende Be- triebswerk des neuen Fortbewegungsmittels Eisenbahn eine tief- 18 Museumsporträt greifende Umgestaltung. So errichtete man beispielsweise große Wohnblocks mit Werkswohnungen in nächster Nähe zum Arbeits- platz. Die Bevölkerungszahl nahm schnell zu, der wachsenden Zahl von Reisenden bot bald ein Hotel die Möglichkeit zur Über- nachtung. Die Eisenbahner errichteten auch ihre eigenen Kirchen: evangelisch und katholisch, für jede Glaubensrichtung eine eigene. Dieser Dreiklang aus ehemaligem Bahnbetriebswerk, der Schiefen Ebene und dem Eisenbahnerdorf Neuenmarkt bildet die Besonderheit der räumlichen Situation des Deutschen Dampflokomotiv Museums. Bei der Neukonzeption verfolgte man konsequenter Weise das Ziel, dieses Spezifikum als Allein- stellungsmerkmal deutlicher als bisher herauszuarbeiten und er- lebbar zu machen. Die Idee dieser Dreigliedrigkeit ist auch im neu gestalteten Logo mit seinen drei gelben Pfeilen auf schwarzem Grund ab- lesbar. In überdimensionalem Format rahmen sie das Museums- areal ein und markieren damit für vorbeifahrende Zugfahrer und Besucher des gegenüberliegenden Bahnhofs die Ausdehnung des großflächigen Areals. Neukonzeption im Ringlokschuppen: Vom er- sten „Aha-Erlebnis“ zum „Dampflokprofi“ Eine Besonderheit des Deutschen Dampflokomotiv Museums ist die Anzahl und Typenvielfalt seiner Großexponate. Die Sammlung enthält mehr als 30 Lokomotiven bekannter Baureihen und darf ihrem Umfang nach als einzigartig in Deutschland gelten. Diesen Schwerpunkt der Präsentation zu wahren, aber durch eine didaktisch überarbeitete Konzeption neu zu interpretieren, war das Ziel der Umgestaltung. In diesem Zusammenhang wurde ent- schieden, innerhalb des 15-ständigen Ringlokschuppens nur noch 11 Lokomotiven aufzustellen und damit auch die Möglichkeit einer variablen Nutzung zu schaffen. Die derzeitige Auswahl bietet dem Besucher eine chrono- a „Vesperecke“ – Pausensituation im Bahnbetriebswerk. logische Reihung der schwarzen Giganten, in der die Ent- b Der „Kanzlerwagen“ mit Besucherbahnsteig und Kinosituation. wicklung der Dampflok anschaulich wird. Das älteste Modell ist der sogenannte Glaskasten aus dem Jahre 1908. Die jüngste Lok stammt aus dem Jahr 1956: Von der Baureihe 10, die dieses Fahr- zeug repräsentiert, wurden damals nur zwei Stück gebaut. Da die Schwesterlokomotive nicht erhalten ist, besitzt das Museum mit seiner „10 001“ das einzige noch existierende Exemplar dieser Reihe. Zwischen diesen beiden Eckpunkten treffen die Besucher auf neun weitere Lokomotiven, die beispielsweise einzelne Typen wie Güterzuglok und Personenzuglok repräsentieren. Der angesprochene Raumgewinn kommt auch einer ein- drucksvollen medialen Präsentation des hier beauftragten Ge- staltungsbüros Atelier Brückner, Stuttgart, zu Gute: Eine auf Träger des Museums: die Größe der Dampflok 39 230 exakt angepasste Projektion Zweckverband aus Bezirk Oberfranken und Landkreis Kulmbach zeigt eine Animation des Vorgangs der Umwandlung von Hitze (je 45 %) sowie Gemeinde Neuenmarkt (10 %) zu Dampf und schließlich auf die mächtigen Treibräder über- Wissenschaftliche und didaktisch-pädagogische Museums- tragenen Bewegungsenergie, unterlegt mit den entsprechenden konzeption: Geräuschen. Damit wird unmittelbar anschaulich, was innerhalb Volker Dietel, Andreas Petrak und Julia Uehlein der Lokomotive geschieht. Wie sich in den ersten Monaten nach Aussstellungsgestaltung: der Eröffnung bereits gezeigt hat, findet diese Präsentationsform Atelier Brückner, Stuttgart besonderes Interesse unter den Besucherinnen und Besuchern Gesamtkosten: aller Alterstufen. 7,5 Mio. € (Baumaßnahme und die Neukonzeption in vier Teil- Eine Zeitleiste aus zehn großformatigen Tafeln mit Infografik projekten) zur Eisenbahngeschichte nimmt formal das Halbrund des Lok- Mitarbeit und Unterstützung: schuppens auf bildet ein dominierendes Element innerhalb des Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (Georg Gebäudes. Die Darstellung beginnt mit der Fahrt des „Adlers“ im Waldemer), Servicestelle des Bezirks Oberfranken für Museen Jahr 1835 und endet 1977, als in der BRD die letzten Dampfloks (Prof. Dr. Günter Dippold, Barbara Christoph), Verein der außer Betrieb genommen wurden. Freunde des Deutschen Dampflokomotiv Museums e. V. (Vors. Ein wichtiges Ziel der Konzipienten war es hier, dem historisch Pfarrer Stefan Stauch), Gernot Dietel, Roland Fraas, Jürgen Interessierten Aspekte und Rückwirkungen zwischen Eisenbahn- Goller, Tobias Richter, Dr. Rainer Riedel geschichte und politischer Geschichte zu bieten. Der Besucher Museumsporträt 19 kann nun technische Begriffe wie Verbunddampflok, Heißdampf- Selbstversorgung mit Gemüse und Obst wichtigen Eisenbahner- kessel und nahtlose Reifen den geschichtlichen Ereignissen gärten. gegenüber stellen. Dreht er sich um, so sieht er entsprechende In Ergänzung des Dampflokomotivenmuseums und des Rund- Lokomotiven aus der gerade erkundeten Zeit. Damit ist eine gangs durch das Eisenbahnerdorf Neuenmarkt-Wirsberg soll bis Klammer zwischen historischer Einordnung und dem jeweiligen zum Frühsommer 2014 noch ein Lehrpfad entlang der eindrucks- Großexponat gegeben. vollen Ingenieursleistung „Schiefe Ebene“ geschaffen werden. Wer sich im Ringlokschuppen intensiver mit technischen Damit entsteht der oben erwähnte Dreiklang zwischen Museum, Aspekten der Dampflok auseinandersetzen will, kann dies auf Gemeinde und Schiefer Ebene – in didaktisch für den Besucher einem speziellen „Technik-Pfad“ tun. Ein aufgeschnittener, aufbereiteter Form. originaler Nassdampfkessel bildet dessen Auftakt. Ergänzend hat man zwei Medienstationen in den Rundgang integriert, die tiefer Depotneubau und Inventarisierung in technische Details einführen. Als Vorstufe und im Zusammenhang mit der Neuausrichtung Dem Arbeitsplatz Bahnbetriebswerk