Beiträge Zur Romanischen Philologie Des Mittelalters Band II
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Beiträge zur romanischen Philologie des Mittelalters Editionen und Abhandlungen Herausgegeben von Hans-Wilhelm Klein Band II \J( v UNTERSUCHUNGEN ZU DEN AL TFRANZOSISCHEN üBERSETZUNGEN DER DISTICHA CATONIS von Ernstpeter Ruhe MAX HUEBER VERLAG MÜNCHEN Die Drucklegung dieser Untersuchung wurde durch einen Zuschuß des Landes Hessen ermöglicht. Hueber-Nr. 6573 1. Auflage 1968 © 1968 by Max Hueber Verlag, München Gesamtherstellung : Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung 9 A. Expositio Remigii super Catonem 16 B. Übersetzungen des XII. Jahrhunderts 33 I. Anonymus 33 1. Autor 33 2. Lateinische Vorlage 34 3. Altfranzösische Vorlage 36 4. Übersetzung 38 a. Umfang der Übersetzung 38 b. Vokabeln 41 c. Formenlehre 47 d. Satzlehre 51 e. Stilistische Bemerkungen 56 f. Änderungen 58 g. Auslassungen 71 h. Zusätze 77 ll. Everard 93 1. Autor 93 2. Lateinische Vorlage 98 3. Altfranzösische Vorlage 101 4. Übersetzung 102 5. Wirkung 107 III. EHe de Winchester 117 1. Autor 117 2. Lateinische Vorlage 119 3. Altfranzösische Vorlage 122 4. Übersetzung 125 5. Wirkung 136 C. Übersetzungen des XIII. Jahrhunderts 148 IV. Adam de Suel 148 1. Autor 148 2. Lateinische Vorlage 150 3. Übersetzung 152 4. Wirkung 165 V. Jehan du Chastelet (oder: de Paris) 175 1. Autor 175 2. Lateinische Vorlage 176 3. Altfranzösische Vorlage 177 4. Übersetzung 182 5. Wirkung 191 VI. Prosa-Anonymus 193 1. Autor 193 2. Lateinische Vorlage 196 3. Altfranzösische Vorlage 197 4. Übersetzung 199 5. Wirkung 209 D. übersetzungen des XIV. Jahrhunderts 211 VII. Jehan le Fevre 211 1. Autor 211 2. Lateinische Vorlage 214 3. Altfranzösische Vorlage 217 4. Übersetzung 220 5. Wirkung 228 Schluß 233 Anhang: Quedam dicta Catonis per antifrasim exposita 236 Literaturverzeichnis 245 (L'oubli) - C'est le sort de toutes ces anciennes versions (de Caton), dont la recherche, n'est presque plus reservee qu'aux Bibliothecaires, & a certains curieux qui les estiment plus, a cause de leur antiquite & de leur rarete, que pour aucune perfection reelle. AbM Goujet, Bibliotheque franfoise ou Hisloire de la litt/rature franfoise, t. 9 (1745) p.9 Einleitung * "Kein buch hat eine so unbedingte herrschaft über den gesammten occi- dent geübt, wenige sind so blind verehrt worden."l Dieses Urteil über die Disticha Catonis, das mit der Meinung aller Philologen seit der Renaissance übereinstimmt, charakterisiert die Beliebtheit dieses Textes im Mittelalter. Sie erklärt sich vor allem aus der Bedeutung der Disticha für den lateini- schen Elementarunterricht, in dessen Lektürekanon sie den ersten Platz er- hielten. Der anonyme Text, der in nachklassischer Zeit vor dem Ausgang des In. Jahrhunderts verfaßt wurde, wie ein Zitat bei Lactanz beweist,2 wurde seit dem IV. Jahrhundert3 Cato zugeschrieben.' Die Identifizierung mit ei- nem der historischen Catones, die in gleicher Weise moult sages· und moult senez6 waren und deshalb als Verfasser der Spruchsammlung in Frage kom- men konnten, wurde zwar bereits von Remigius von Auxerre, wenn auch mit falschen Argumenten, in seiner Expositio super Catonem abgelehnt,? jedoch von den letzten altfranzösischen Übersetzern wiederaufgenommen. 8 Von der Unsicherheit, die im ganzen Mittelalter andauerte, kann am besten die * Die vorliegende Untersuchung wurde im Juni 1966 von der Philosophischen Fakultät der Universität Gießen als Dissertation angenommen. Der Verfasser möchte an dieser Stelle Professor Dr. H.-W. Klein danken, der ihm bei der Arbeit stets seine wertvolle Unterstützung zuteil werden ließ, ebenso Professor Dr. H.-R. Jauß, der durch seine vielfachen Anregungen die Arbeit wesentlich gefördert hat. 1 Zarncke, Cato, p. 198. I cf. M. Boas, Neue Catobruchstücke Il, in: Philologus 75 (1918) pp. 175-176; cf. ferner: M. Boas, Cato und die Grabschrift der AI/ia Potestas, in: Rheinisches Museum für Philologie 81 (1932) pp. 178-186. 8 Brief des comes archiatrorum Vindicianus an Kaiser Valentinian: Quod cum pali coepisset injirmus, flens et gemens il/ud Catonis saepe dicebat: "Corporis exigua medico committe jideli" (Il, 22,2),. ego autem dico: el perito. (zitiert nach Boas ed., p. LXXIII) • Zu der irrtümlichen Angabe des Vornamens Dionysius, die vor allem durch Scaliger Verbreitung fand und z. B. noch im Grand Larousse enryclopidique, Paris 1960, t. 2, p. 715, col. 1 wiederaufgenommen wird, cf. M. Boas, Woher stammt der Name Dionysius Cato?, in: Philologische Wochenschrift 50 (1930) pp. 649-656. fi Adam de Suel. v. 18: Cato Uticensis; cf. S. 154. 8 Adam de Suel, v. 7: Cato Censorius; cf. S. 154. ? Er stützte sich auf Stellen aus der praefatio von Buch II, die jedoch erst später interpoliert wurde, cf. S. 10; 17. 8 cf. S. 180; S. 200; S. 213, Anmerkung 1. 9 sich stets verlängernde Liste von Autoren einen Eindruck vermitteln, die von den Glossatoren als Verfasser der Disticha in Betracht gezogen wurden: Quidam dicunt quod Tullius hoc opus composuit et ut magis autenticum haberetur, nomine Catonis intitulauit ... Quidam dicunt quod Seneca hoc opus composuit, alii quod Iohannes Criso[ s]thomus ... (p, fol. 6v); alii dicunt quod quidam uir re- ligiosus ad instructionem humane uite hoc opus composuit et quia religiosi est quemlibet diligere ad modum filii ideo quem- libet filium suum specialem uocat in hoc libro. (h, fol. 1ra) Das Werk umfaßte ursprünglich vier unterschiedlich umfangreiche Bücher von Distichen (I = 40 Dist.; II = 31 Dist.; III = 24 Dist.; IV = 49 Dist.), die von einer an den Sohn gerichteten Widmungsepistel in Prosa (EpistIlla) eingeleitet wurden. Im frühen Mittelalter wurde dieser Prolog nicht mehr auf das Gesamtwerk bezogen, sondern nur noch als Vorwort zu Buch I be- trachtet.i Für die übrigen drei Bücher wurden dementsprechend eigene praejationes nachgedichtet, die ihre spätere Zufügung durch formale Unge- schicklichkeiten verraten.2 Die Bezeichnung praecepta in der Epistllla, die , sich ursprünglich auf die Distichen bezog, im Mittelalter aber nicht mehr , ein adagillm, sondern ein kurzgefaßtes Gebot bezeichnete,· führte zur Ein- fügung von 56 Sprüchen in Prosa von meistens zwei Wörtern (Breves Sen- tentiae), die zusammen mit der Epistlila als pars prosaica die Bezeichnung Cato Parolis im Gegensatz zur pars metrica (Cato MagnIls ) erhielten. In die- ser Form lagen die Disticha bereits Remigills (IX. Jh.) vor; sie wurde in den folgenden Jahrhunderten ebensowenig modifiziert wie die Reihenfolge der Sprüche, die nur bei den Breves Sententiae nicht einheitlich blieb. "Die Grundlage der vorgetragenen Lebenslehre ist ein gemäßigter Stoi- Z!§Jllus; sie ist nicht eben tiefgründig, aber klar und leicht faßlich. "4 Die Sprüche sind aus der Erfahrung des täglichen Lebens abgeleitet. Diese All- tagsklugheit ist nicht auf die Norm sittlicher Vollkommenheit ausgerich- tet, sondern will bei der pragmatischen Bewältigung der Welt den Weg wei- sen. In bunter Reihe folgen die Aufforderungen, sich in Urteil und Tat zu mäßigen, angesichts des Todes Gelassenheit zu bewahren, in Unglück und Armut die Geduld nicht zu verlieren, sein Gut sorgsam zu hüten, aber nicht dem Geiz zu verfallen, alten Streit zu vergessen und nichts auf Gerüchte zu 1 Diese Entwicklung wurde von Boas nachgewiesen, cf. Epistola, p. 26 sqq. 2 cf. Boas, Epistola, p. 26. • In den interpolierten praefationes wird die Bezeichnung praecepta für die Distichen noch beibehalten, cf. Boas, Epistola, p. 27. , De Boor, Geschichte, p. 387. 10 geben, sowie die unablässige Mahnung, fleißig zu lernen und seine Kinder ebenso tüchtig zu erziehen. Der Grundpfeiler der zwischenmenschlichen Beziehungen ist das Vertrauen, wie es sich in der Freundschaft ausdrückt; das größte Interesse muß jedoch immer dem eigenen Ich gelten. Alle Ge- bote gelten ausschließlich dem Mann; die Frau, der stets mit Mißtrauen zu begegnen ist, bleibt ein negativer Faktor in seinem Leben. Religiöse Fragen werden nur selten berührt. Die wenigen heidnischen Ele- mente wurden im Laufe der frühen Texttradition weitgehend getilgt, aber nicht durch die entsprechenden Begriffe der christlichen Weltanschauung ersetzt: Für die christlichen Leser waren alle Aussagen mühelos im Sinne ihres Glaubens zu verstehen. Die Kontroverse, ob Cato Heide oder Christ gewesen sei, konnte nie entschieden werden, da die entsprechenden An- spielungen im Text nicht eindeutig sind. Der banale Gehalt wird in einfacher, leichtverständlicher Sprache formu- liert, die nur selten ein ungewöhnlicheres Wort zuläßt.! Durch die Wieder- holungen gleicher Formen und Satzstrukturen2 wird die Lektüre leicht ein- tönig. Dieser stilistische Mangel konnte jedoch nur die "Fassbarkeit und Erlernbarkeit" der Sprüche erhöhen.· Die Untersuchung der Metrik ergibt das gleiche Bild: Die knappe strophische Einheit der zwei Hexameter des Distichons' wird meistens gleich gefüllt.5 In dieser wenig anspruchsvollen Form und Aussage waren die Disticha Catonis die geeignete Lektüre für den Anfangsunterricht, die die Schüler in gleicher Weise mit den Regeln der lateinischen Grammatik und guter Moral vertraut machen konnte. Hierbei störten auch nicht die Strophen, die in offenem Widerspruch zu moralischen Prinzipien Betrug und Unaufrichtig- keit predigten: I 26 Qui simulat verbis nec corde est fidus amicus, tu qui fac simile: sic ars deluditur arte. 6 III 3 Productus testis, salvo tamen ante pudore, quantumcumque potes, celato crimen amid. Wie die Expositio des Remigius und die späteren Scholien zeigen, wurde der Ausweg hier in einer anderen Satztrennung7 oder der Konfrontierung 1 cf. IV 42, 2: offtciperdus; praef. 11, 2: mage; IV 42, 1: magc carior. • cf. im einzelnen Skutsch,