Neubearbeitung des Heimatbuchs Brienz (1999), Ausgabe 2011 Impressum Copyright 2011 Gemeinderat und Einwohnergemeinde Brienz

Alle Rechte vorbehalten

Autorenteam 2011: Peter Michel, Ruedi Perren-Roesti, Rudolf Perren-Zurflüh, Peter Wälti Satz und Druck: Thomann Druck AG, 3855 Brienz Einband: Schumacher AG, 3185 Schmitten Brienz Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Gemeindepräsidenten Bewegte Vergangenheit Wir Brienzer Zu diesem Buch Rudolf Perren-Zurflüh Peter Michel Spuren aus dunkler Vergangenheit 65 Brienzerinnen und Brienzer Natur und Naturgewalten vorgestern, gestern und heute 113 Daniel Gutscher Max Gygax Jäger am Rothorn schon – Gemüt und Charakter Rund um Brienz – Grenzverlauf 11 vor 5000 Jahren 69 unserer Vorfahren 113 – Krankheit – Armut – Fürsorge 118 Max Gygax Marc Nussbaumer, André Rehazek – Burger und Hintersassen 123 Natur zwischen Grund und Grat 13 Archäologische Funde auf Chüemad 70 – Abgewandert – ausgewandert 126 – Kultur und Sport – vom Dorfverein Max Gygax Rudolf Perren-Zurflüh zum Musicstar 132 Mit Wildbächen und Lawinen leben 19 Unter den Freiherren 73 Max Gygax Max Gygax Rudolf Perren Eine Brienzer Alp – die Planalp 135 Aus einem Sumpfgebiet wird Kulturland 34 Der Böse Bund und die Kolbenbannerverschwörung 81 Peter Michel Rudolf Perren-Zurflüh Sbrinz – Sbrienz – Brienz? 145 Die Jahrhundertstürme «Vivian» (1990) Rudolf Perren-Zurflüh und «Lothar» (1999) 43 Die Zeit der Glaubensspaltung 84 Max Gygax Wie Brienz zum Schnitzlerdorf wurde 147 Rudolf Perren-Zurflüh Peter Michel Unwetter verändern Dorf und Gegend 50 Strenges Sittengericht 91 Hans Rudolf Hösli Geigenbau in Brienz 156 Rudolf Perren-Zurflüh Wie unsere Gegend die Helvetik Max Gygax (1798–1803) erlebte 103 Verbreitete Plagen und Heilmittel 159

Max Gygax Briensermärt 163

Ruedi Perren-Roesti «Der Brienzer» – unsere Lokalzeitung seit 1896 167

4 Reise zu den Vorfahren Kirche und Schule Brienz in Mundart und Malerei

Peter Wälti Rudolf Perren-Zurflüh Dr. Hans Ruef Bevölkerungs- und Familiengeschichte 175 Unsere Kirche 253 Mundart und Mundartdichtung 333

Peter Wälti Max Gygax Max Gygax Familiennamen von Brienz vor 1780 186 Von der Schule, von Schulhäusern Maler in Brienz – Brienzer Maler 342 und Schulmeistern 258

Unser Dorf Ruedi Perren-Roesti Gegenwart und Zukunft Die Schule Brienz im ersten Jahrzehnt Albert Streich des 21. Jahrhunderts 275 Peter Michel In der Dorfgassen 205 Brienz in Zahlen Statistische Angaben vom Max Gygax Verkehr und Tourismus November 2010 363 Dorf im Wandel 206 Max Gygax Ausblick in die Zukunft 366 Dr. Hans Gugger Vom Verkehr – Geschichte und Das Brienzerhaus 211 Geschichten 281 Anhang Max Gygax Max Gygax Unser Quai – ein Phönix aus der Asche 228 Vom Geissenstall zum Parkhotel Masse und Gewichte * 369 Giessbach 306 Glossar, Worterklärungen * 371 Rudolf Perren-Zurflüh Personenregister * 379 Von Wasser, Abwasser und Elektrizität 237 Peter Michel Orte, Örtlichkeiten, Gewässer * 386 Axalp – iisi Achsalp 325 Sachregister * 394 Ruedi Perren-Roesti Quellen- und Literaturverzeichnis * 401 Feuerwehrmagazin und neue Sporthalle 246 Bildernachweis 405 Dank 406

* Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Personen sind im Anhang aufgeführt Beilagen und werden im Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in weiteren Verzeichnissen einsehbar. Landeskarte «Brienz» 1:25 000 Im Buch erwähnte Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei Ortsplan mit Flurnamen 1:5000 beigefügten Karten lokalisieren.

5 Vorworte

Kurt Schild Peter Flück, Gemeindepräsident Ausgabe 1999 Herbst 2011

Der Gemeinderat von Brienz hat eine Autorengrup- Liebe Brienzerinnen und Brienzer sich unser Dorf entwickelt hat. Die verschiede- pe beauftragt, ein Heimatbuch Brienz zu schaffen, nen Themen werden Jung und Alt ansprechen. in dem versucht wird, Wesentliches und Eigenarten unserer Region, unseres Dorfes und seiner Bewoh- Die erste Ausgabe des Heimatbuches BRIENZ Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass wir ner einfühlsam, aber sachlich und auch selbstkritisch von 1999 ist dank grosser Nachfrage seit eini- uns immer wieder mit der Geschichte befassen aufzuzeigen. ger Zeit ausverkauft. Anstelle eines Neudrucks und daraus lernen. entschied sich der Gemeinderat für eine Neu- Dem Begriff Heimat muss dabei nicht etwas von selbstzufriedener Sesshaftigkeit oder kurzsichtiger auflage. Diese Lösung bietet Vorteile in vielerlei Unser Dorf am See soll auch in Zukunft als Überheblichkeit anhaften, wie es in unserer Gesell- Hinsicht. Einerseits konnte die interessante und Wohn-, Arbeits- und Ferienort attraktiv bleiben. schaft häufig der Fall ist. Im Gegenteil – diese Lek- bewegende Dorfgeschichte in den bestehen- Lebensraum mit zeitgemässen und schutzbie- türe kann für viele eine Anregung sein für die Aus- einandersetzung mit ihrer alten oder neuen Heimat den Kapiteln ergänzt und fortgeschrieben wer- tenden Infrastrukturen, mit zukunfsgerichteter und dadurch eine zeitgemässe Beziehung zu diesem den. Das Unwetter von 2005 und dessen Fol- Ortsplanung und bedarfsgerechten Verkehrser- Begriff schaffen. gen mit den Wasserbauprojekten Trachtbach schliessungen, gute Anschlüsse an den öffent-

Dieses Buch erinnert an Vergangenes, zeichnet und Glyssibach und dem neuen Feuerwehrma- lichen Verkehr und der Ausbau der National- nach, wie sich Heutiges entwickelt hat und wagt gazin. Aber auch die grossen Projekte wie der strassen sind wichtige Voraussetzungen dazu. zuletzt einen Ausblick in die nahe Zukunft. In vielen Neubau der Mehrzweckhalle und die neue Wenn es den Behörden und der Bevölkerung Sachgebieten werden Themen behandelt, die bei Al- Quaigestaltung sind nun in die Neuauflage inte- gelingt, den bereits hohen Standard weiter zu ten und Jungen auf Interesse stossen dürften. Dabei wird zugunsten von Charakteristischem auf Vollstän- griert und illustriert. Die wertvollen neuen Bei- entwickeln, so profitieren neben dem Touris- digkeit verzichtet. Schwarzweisse und mehrfarbige träge , wie die Bevölkerungs- und Familienge- mus auch die vielen ortsansässigen Hand- Bilder, Kartenausschnitte und Grafiken unterstützen schichte und die Familiennamen von Brienz vor werksbetriebe, welche auch ausserhalb der und bereichern die Texte. 1780, befassen sich mit der Entwicklung und Region Brienz Aufträge ausführen. Besondere Der Autorengruppe Max Gygax, Peter Michel und der Zusammensetzung der Einwohner und den Beachtung schenken wir weiterhin unserer in- Rudolf Perren ist es hervorragend gelungen, einen ersten Erwähnungen der heutigen Burgerge- takten Landschaft, dem See und ganz generell Überblick über die Geschichte, die Institutionen und die Aufgaben der Gemeinde darzustellen. schlechter von Brienz. Diese Informationen er- unserer Umwelt. Vor allem müssen wir offen öffnen bisher unbekannte Einblicke in unsere sein, um den grossen Herausforderungen der Möge das vorliegende Buch, für dessen Zustande- Vergangenheit. Mit der Aufarbeitung der Schule Zukunft gerecht zu werden. kommen allen Mitarbeitenden, von der Autorengrup- Brienz, der Axalp und der Burgergemeinde pe bis zum Drucker, herzlich gedankt sei, einen mög- lichst weiten und wohlwollenden Le­serkreis finden wird das neue Buch abgerundet. Auf besonde- Ich danke und gratuliere vorab dem Autoren- und Ausdruck des Strebens der Brienzer sein, auch res Interesse wird die wertvolle Karte mit den team zum neuen Heimatbuch. Besten Dank künftig mit Weitsicht und Geschick unserer Dorfge- Flurnamen stossen. So liegt nun die Geschichte an alle Beteiligte, die Hilfe und Unterstützung meinschaft zu dienen. unseres Dorfes hoch aktuell vor. Alle interes- geleistet haben. Es ist mein Wunsch, dass das sierten Leserinnen und Leser können sich mit vorliegende Werk auch dazu beiträgt, allen Kurt Schild der Vergangenheit, den Besonderheiten und Brienzerinnen und Brienzern aufzuzeigen, dass Gemeindepräsident Herbst 1999 Eigenarten unseres Dorfes und unserer Region wir auch künftig mit Weitsicht und Geschick im auseinandersetzen. Das Buch erinnert an Ver- Gesamtinteresse unserer Dorfgemeinschaft gangenes und zeichnet gleichzeitig auf, wie dienen.

6 Zu diesem Buch

Max Gygax (†) Ruedi Perren-Roesti Ausgabe 1999

Brienz wird urkundlich, wie wir seit dem 850-Jahr- Zu vielen dieser Entwicklungen und Ereignisse bietet Zur überarbeiteten Neuauflage 2011 Jubiläum wissen, im Jahr 1146 erstmals erwähnt. das vorliegende Buch vertiefte Informationen. Unmög- Es dürfte aber zu jener Zeit schon länger bestanden lich allerdings wäre eine umfassende Darstellung aller haben, denn die sonnige Lage auf den Schuttkegeln Brienz betreffenden Veranstaltungen und Einrichtun- Vom «Brienzer Heimatbuch» von Mühlebach und Trachtbach, die die Möglichkeit gen, da das Buch Be­schränkungen unterliegt, die vom zum Buch «Brienz» zu landwirtschaftlicher Nutzung boten, der durch den vorgegebenen Umfang, dem Preis u.a. diktiert werden. Ein neuer Buchtitel und ergänzende Kapitel See und die Nähe wichtiger Pässe begünstigte Han- Das führte dazu, dass die Autoren die gegenwärtigen sollen das Brienzer Ortsbuch auf den neusten delsverkehr und wohl auch die im einst fischreichen Verhältnisse bewusst weniger eingehend be­leuchtet See sich anbietende Nahrungsquelle haben jedenfalls haben, da anzunehmen ist, dass gerade die jüngeren Stand bringen. Naturereignisse, der Sturm schon in sehr früher Zeit zur Be­siedlung eingeladen. Leser das politische, wirtschaftliche und kulturelle Ge- Lothar Ende Jahr 1999 und die Unwetter im schehen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit August 2005, prägten das letzte Jahrzehnt und Einen entscheidenden Aufschwung, wenn auch mit miterlebt haben, während zeitlich schon recht lange Unterbrechungen wegen Kriegen und Wirtschafts­ zurückliegende Ereignisse weniger präsent sein dürf- werden ausführlich dargestellt. krisen, erfuhr Brienz mit dem Einsetzen des Fremden- ten, auch wenn sie bis heue nachwirken. Trotz dieser verkehrs. Die durch Rousseau, Haller u.a. entfachte Beschränkung – eine unterhaltsame und anregende Wer Näheres über die Bevölkerungsgeschich- Begeisterung für die Natur und das einfache Leben Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegen- der Land- und Bergbevölkerung führte auch dem wart unseres Dorfes verspricht das vorliegende Hei- te, die Lebensverhältnisse in vergangenen Zei- Berner Oberland bald Scharen von vermöglichen Rei- matbuch allemal! ten und die Vergangenheit der Brienzer Burger- senden zu, die befördert, beherbergt, geführt und un- familien erfahren will, wird im neuen Kapitel terhalten sein wollten. Mit all diesen Dienstleistungen «Reise zu den Vorfahren» viel Interessantes vor- war Geld zu verdienen. Davon profitierten Wirte und Die Arbeitsgruppe: Fuhrleute, Schiffer und Schifferinnen, die giessbach- Max Gygax, finden. süchtige Besucher über den See ru­derten. Ihren Teil Peter Michel, Grosshöchstetten vom touristischen Kuchen schnitten aber auch die An- Rudolf Perren, Brienz Ganz weit in die Vergangenheit zurückzubli- denkenschnitzler ab, die nach Christian Fischers Idee Holzwaren herstellten, zuerst mit weniger, später mit cken, kann auch spannend sein. So erläutert gezielter Ausbildung, mit immer besserem Geschick Die Mitautoren: der Kantons-Archäologe die aktuellsten Er- und Geschmack. Dr. h.c. Hans Gugger, kenntnisse zu Funden am und Hans Rudolf Hösli, Brienz Es setzte dann die Dampfschifffahrt ein, Gast­häuser Dr. phil. Hans Ruef, Oberried oberhalb «Chüemad» (Axalp). und Hotels schossen aus dem Boden, Bahnen wur- den gebaut über den Brünig, aufs Rothorn, nach In- Mit dem Bau der Sporthalle beim Dorfschul- terlaken. Mit den verbesserten Verkehrsmöglichkei- haus und dem Feuerwehrmagazin im Kienholz ten wuchs die Zahl der Touristen und die Nachfrage nach Dienstleistungen. Das führte zu steigendem setzte Brienz weitsichtige Akzente in seiner Wohlstand und zum Aufblühen des Gewerbes, wobei Baugeschichte. aber eine um­weltzerstörerische Industrialisierung zum Glück unterblieb. Die schneesichere Axalp entwickelte sich zu einem kleinen Wintersportzentrum, der Giess- Wie es Ausgewanderten mit Brienzer Wurzeln bach mit dem erneuerten Parkhotel zu einem alt-neu- in der Ferne ergangen ist und was den berühm- en Anziehungspunkt, ebenso wie die Nostalgie-Bahn ten amerikanischen Flottenadmiral Bieri mit aufs Rothorn und das einzigartige Freilichtmuseum . Brienz verbindet, verrät dieses Buch.

7 In einem eigenen Kapitel erhält auch die Axalp ihren besonderen Platz.

Brienz ist stolz auf sein Kulturschaffen und sein Vereinsleben: Mit Katharina Michel, dem Schwei­ zer Musicstar 2009, mit Sport-, Musik-, Thea- ter- und weiteren Vereinen wird das Bild der lebendigen Gemeinde abgerundet.

Im Anhang zum Buch befinden sich ausführ­li­ che alphabetische Register zu Personen, Sach­ ­bereichen sowie erklärungswürdigen Be­griffen. Erwähnte Orte des Brienzer Gemeindegebiets und der näheren Region lassen sich dank zwei beigefügten Karten geografisch einordnen (Orts­plan mit Flurnamen, Massstab 1: 5000 und Landeskarte 1: 25 000, Blatt «Brienz»).

Die Arbeitsgruppe 2011: Peter Michel (Grosshöchstetten) Ruedi Perren-Roesti (Brienz) Rudolf Perren-Zurflüh (Brienz) Peter Wälti-Maurer (Münsingen)

Mitautoren: Dr. Hans Gugger, (Ittigen, †) Dr. Daniel Gutscher (Bern/ Brienz) Max Gygax, Autor Ausgabe 1999 (Bern, †) Hans Rudolf Hösli (Brienz) Dr. Hans Ruef (Oberried)

8 Natur und Naturgewalten Vier Gefahrenherde, die der Brienzer Bevölkerung lange zu schaffen machten, sind deutlich zu erkennen: der Glyssibach, der Trachtbach, der Aarboden und die Rieseten. Rund um Brienz – Grenzverlauf

Max Gygax

Das ist wörtlich zu nehmen! Es geht tatsächlich darum, unsere Gemeinde, dem Grenzverlauf folgend, zu umrunden. Im Gelände dürfte dies einem äusserst anspruchsvollen, mit grossen Schwierigkeiten gespickten Unternehmen gleich-­ kommen, das vom gewöhnlichen Feld-, Wald- und Wiesenwanderer nicht zu bewältigen wäre, da wenige gut begehbare Partien immer wieder abgelöst werden von fast unpassierbaren Ge- bieten mit schroffen Gräten und heiklen Fels- wänden, die selbst gewiegte Alpinisten auf eine harte Probe stellen. Zu bedenken ist auch der Zeitaufwand, der gut und gerne vier und mehr Tage in Anspruch nähme.

Wir machen uns das Abenteuer etwas leichter, indem wir der Gemeindegrenze auf der Karte folgen und so wenigstens gedanklich bestehen, was die meisten physisch gar nicht nachvollzie- hen könnten. Dazu brauchen wir das Blatt 1209 «Brienz» der Landeskarte 1:25 000 und für je ein kleines Randgebiet im Norden und Süden die Anschlussblätter 1189 «Sörenberg» und Über diese Felsen herunter verläuft die Gemeindegrenze (zwischen Urseren und Dirrengrind, Blick Richtung Westen). 1229 «». Gemeinde Brienz zu. Darauf zieht sie sich etwa und zum Kemmeribodenbad weist, erreichen Unsere Umrundung beginnen wir am Seeufer einen Büchsenschuss weit einen Graben hin- wir zugleich den westlichsten Punkt der Ge- (564 m) ungefähr 400 m vor der Stras­sen­ auf, biegt unvermittelt nach links und quert auf meinde Brienz. Von nun an folgen wir der Was­ brücke, die am Dorfeingang von Ebligen über einer Höhe von 1440 m den Naterwald. Dem ser­scheide des Brienzergrats über Tannhorn den Mattengraben führt. Gleich geht es sehr Waldrand entlang steigen wir durch eine Runse und Briefenhorn zum Rothorn (2349 m), wobei steil durch das Dorniwäldli aufwärts über Pkt. Richtung Salibiel bis zum Weg, der von der vom Tannhorn an der Grat Brienzerboden von 1095 ins Vorsessli, wo wir uns schon auf glei- Rotsch­alp her kommt. Der angenehme, hier luzernischem trennt. cher Höhe wie die Planalp befinden. ohne viel Auf und Ab verlaufende Pfad bringt uns durch stotzige ehemalige Wildheumäder Wäre bis zum Rothorn unsere Begehung zwar Die March teilt den oberen Teil dieser von Scha- bis unter die Ällgäulücke hoch über Ebligen. Mit sehr anstrengend aber nicht unmöglich ge- fen genutzten Weide mitsamt den Hütten der der Lücke auf 1918 m, die hinunter zur Emme wesen, dürfte der nächste Abschnitt auch

11 alpintechnisch routinierte, gut ausgerüstete Von dort fällt die March steil ab gegen das Dieser wird erreicht im Unterholz, ungefähr 500 m Berg­stei­ger vor grosse Probleme stellen! Wir Schweiffi zum Bödeli, folgt dem Giessbach bis westlich der Schiffstation Giessbach. Ein Ruder- steigen zu­erst ab über den Südgrat des Lischboden und dem Fuss der Falkenflue zum ­boot brächte uns in einer knappen halben Stun- Rothorns bis zur Twärenegg und weiter bis obersten Teil des Botchenhalses. Auf einer de auf die andere Seeseite zum Aus­gangspunkt halbwegs zum Dirrengrind. Über abschüssige schnurgeraden Linie wird nachher der Bauwald unserer Grenzbegehung zurück, die uns gröss- Kalkfelsen, rutschige Schuttmassen zuerst, schön halbiert, der Hograt so umrundet, dass tenteils durch eine wildschöne Berg­landschaft dann über ausgesetzte, fast senkrechte Plat- die Alp den Iseltwaldnern zufällt, und schliess- und nur sehr beschränkt über gut gangbares tenfluchten westlich des Simmelers taucht die lich zieht sich die March mit unregelmässigen Gelände geführt hat. Grenze in die Tiefe, um sich dann am Ostrand Ausbuchtungen durch Wald und Fels hinunter (Landeskarte «Brienz» 1: 25 000 im Anhang des der Sitschenen bis an den Dorfrand von Glys- zum See. Buches.) sen hinunterzuziehen. Durch das Bryschwäldli und das Riiti gelangen wir hinter das Altersheim im Birgli und zur Schoren, queren den Lamm- bach und die Lauenen hinter den obersten Häu- sern im Kienholz bis zum Studenwald, von wo an die Grenze gegen Süden kehrt, bei Pkt. 731 den Ballenberg überschreitet und unter der Flue den Aareboden erreicht.

Bis zum Balmhof verläuft sie dann in der mit kleinen Abweichungen im Cheer und im Eyelti. Bei Pkt. 575 wenden wir uns südwärts und folgen der Bezirksgrenze zum Oberhasli zuerst durch den Talboden, dann weglos em- por durch Wald und Fels bis nach Chienzen über der Alp Hinterburg. Wir behalten unsere Richtung bei und gelangen über einen Vorgipfel auf die Oltschiburg, hinunter zum Sattel und gleich wieder hoch hinauf zum Axalphorn. Über das Grätli und die Äbeflue gehts zum Gärsten- horn, wo die Grenze weit nach Osten ausholt, um über den Wildgärst und die Wart mit dem Schwarzhorn (2927 m) den höchsten Punkt zu erreichen. Über dessen Süd­westgrat folgen wir der Wasserscheide Wid­derfeldgrätli­ – Ritzengrätli und Mittagswand zum Gas­sen­ horn, wo die Gemeinden Brienz, Iselt­wald und Grindelwald sich treffen.

Brienzergrat: links Kanton Luzern, rechts Kanton Bern (Flugaufnahme: Brienzer Rothorn, Gipfel mit Hotel Rothorn Kulm, Blick Richtung Osten).

12 Natur zwischen Grund und Grat

Max Gygax

Das Gemeindegebiet von Brienz, wie übrigens Stein­wüs­ten, Bergmatten und Alpweiden, mit aber auch in lockeren, sonnigen Wäldern gedei- auch seine unmittelbare Nachbarschaft, zeich- Wäldern unterschiedlicher Prägung, Schluch- hen noch leider fast ausgerottete Orchi­deen, wie net sich aus durch eine vielfältige Pflanzen- und ten, mehr oder weniger überwachsenen Geröll- der Frauenschuh, während anderseits die auf Tierwelt. Das ergibt sich ganz natürlich durch feldern, Wild­bachgräben und sogar einigen der Sonnseite fehlende Hirschzunge feuchte, die verschiedenen Höhenstufen, reicht doch Feucht­gebieten, neben landwirtschaftlich ge- schattige Felsen auf der Brienzerberg­ seite­ be- der Naturraum vom bloss 570 m über Meer lie- nutztem Boden. Diese mannigfaltigen Erschei- vorzugt und dort noch weit verbreitet ist. Auf genden Aareboden bis hinauf in fast 3000 m nungen erfüllen hervorragend die unterschied- Bergwiesen und in der Felsregion entfaltet sich hohe Fels­regio­nen mit völlig anderen Lebens­ lichsten An­sprüche der einzelnen Pflanzen und die ganze farbenreiche Pracht der Alpenflora, die bedin­gungen als im Tal. Tiere an die ihnen zusagenden Lebensräume. während der Dauer des Berg­frühlings den Blu- menfreund immer wieder in Erstaunen versetzt. Neben den vorwiegend nach Süden orientier- Reiche Tier- und Pflanzenwelt Nicht zu übersehen ist allerdings, dass auch bei ten, trockenen Hängen des Brienzergrates So treffen wir denn hier, neben den botanisch uns die alpine Pflanzen­welt, nicht zuletzt infolge weist das Giessbach-Axalp-Gebiet mit den unergiebigen, von der Landwirtschaft bean- der immer besseren Erschliessung auch abgele- sich bis zum Schwarzhorn erstreckenden Al- spruchten Flächen der tieferen Lagen, auf un- gener Gebiete, Schäden und Einbussen erlitten pen und Felsbas­tionen auch viele gegen Nor- gedüngte Magerwiesen mit einer grossen Ar­ten­- hat, die Schutz­massnahmen nötig machen, um den gerichtete Lagen auf. Das ergibt eine aus­ fülle von Blumen, Gräsern und selten geworde- das Ver­schwinden besonders begehrter Blumen serordentlich ab­wechslungsreiche Gliederung nen Schmetterlingen. An trockenen Stellen, über- zu verhindern. Diesem Zweck diente z.B. das des Gemein­de­gebiets mit fast vegetationslosen wachsenen Schuttgebieten, wie etwa im Dorni, Edel­weiss-Schutzgebiet Brienz-.

Gelber Enzian, Gentiana lutea. Alpenaster, Aster alpinus. Flühblume, Primula auricula.

13 geiers, des früher gnadenlos verfolgten Läm- mergeiers, der in der Gegend einst heimisch war.

Neben bekannten, überall vorkommenden Tier­ arten bilden Feuchtgebiete, wie etwa die Jägglis-­ glunte, gern aufgesuchte Biotope für Amphibi- en und Wasservögel. In höheren Lagen treffen wir bei Regenwetter häufig auf den Alpensala- mander. Weniger leicht zu entdecken sind, aus- Steinböcke am Rothorn. genommen vielleicht die Ringelnatter, andere Schlangen wie etwa die Viper. Dieses Reptil, Bereits vor dem Luchs war der Steinbock wie- das einst an steinigen Sonnenhängen, unter der heimisch geworden bei uns. Nachdem die- anderem im Dorni ziemlich häufig vorkam, wur- ses leicht zu jagende, von viel abergläubischem de früher von einem darauf spezialisierten Brimborium umwobene Tier um die Mitte des Eine Seltenheit in unseren Bergwäldern: Schlangenfänger eingefangen und zur Her­ vorigen Jahrhunderts in den Schweizeralpen der Auer- oder Urhahn. stellung von Serum an die Universität Bern ge- verschwunden war, wurden Anstrengungen liefert. unternommen, es wieder einzubürgern. Zucht­ Auch eine beeindruckende Fauna findet sich versuche im Tierpark St. Gallen verliefen erfolg- zwischen Grund und Grat; angepasst wie die Luchs und Steinbock wieder heimisch reich. Das ermunterte 1913 einige Naturfreunde Pflanzen an einen naturgegebenen Lebens­ Aufwarten kann das Gemeindegebiet von Brienz zur Gründung des Alpenwildparks raum, der die verschiedenen Anforderungen an schliesslich mit zwei Tierarten, dem Luchs und am Fusse des Harders. Sie setzten sich zum Nahrung, Unterschlupfmöglichkeiten, Brutplät- dem Steinbock, die hier ein Umfeld antreffen, Ziel, das imposante Wappentier auch im Berner ze u.a. zu befriedigen vermag. In abgelegenen, das ihrer Lebensweise bestens entspricht. Oberland wieder einzubürgern. von Ausflüglern und Waldarbeitern nur wenig gestörten Bergwäldern finden Rauhfusshühner Von dem in unserem Land ausgestorbenen Die guten Zuchtergebnisse ermöglichten 1921 noch Bedingungen, die ihnen zusagen. Wer die Luchs wurden 1971 zwei aus der Tschechei die Aus­setzung von fünf Tieren aus dem eige- Standplätze kennt, kann mit Glück einen far- stammende Exemplare jenseits des Brünigs im nen Bestand, ergänzt durch zwei weitere aus benprächtigen Auerhahn beobachten und eben- Melchtal ausgesetzt mit Bewilligung des Bun- St. Gallen. Die am Harder in die Freiheit entlas- so den kleineren Spielhahn. Dieses Birkwild des und des Kantons Obwalden. Wenig später senen Steinböcke und -geissen wanderten hält sich vorwiegend an der Baum­grenze auf, wurde ein weiteres Paar bei Alpnach in die Frei- bald einmal ab ans Augstmatthorn. Dank weite- wo sich der Hahn mit dem leierförmigen Schwanz heit entlassen, und ähnliche Aktionen erfolgten, ren Auswilderungen und idealen Bedingungen während der Balz gut beobachten und vor auch illegalerweise, in anderen Kantonen. Da an den sonnigen, mit Felsen durchsetzten Steil­ allem hören lässt. der Luchs ein sehr grosses Revier beansprucht, hängen, die das Steinwild hier vorfand, vergrös­ wanderten Nachkommen der in Obwalden aus- serte sich die Kolonie bis 1934 auf über hundert Zu den Standvögeln in der Region gehört heute gesetzten Tiere in benachbarte Gebiete ab und Tiere. Diese starke Vermehrung führte dann noch der Steinadler, der in den Jagd­bann­be­ wurden vereinzelt auch in den Bergwäldern ob dazu, dass sich ein Teil der Herde gegen das zirken unter Gemsen und Murmeltieren ein aus- Brienz festgestellt, nicht unbedingt zur Freude Brienzer Rothorn verzog und dort ähnlich güns- reichendes Beuteangebot findet. Vorläufig noch der Jäger, die eine Ver­ringerung des Rehbe- tige Verhältnisse vorfand wie am Augst­matt­ Wunsch bleibt die Wiederansiedlung des Bart- standes durch den Luchs befürchten. horn. Jedenfalls entwickelte sich der Bestand

14 überaus gut und zählte zeitweise bis hundert- versucht. Dieses Verständnis darf umsomehr Der See ist weit mehr als nur ein Gewässer: Un- vierzig Tiere, zur Freude der Berggänger und erwartet werden, weil der Steinbock mit über wägbar, geheimnisvoll, mit handfesten Tat­sa- Ausflügler, die Steinböcke und -geissen aus viertausend Exemplaren im Alpenraum wieder chen nicht zu begründen, bestimmt und prägt nächster Nähe beobachten und ihre auch im fest vertreten ist und heute nicht mehr zu den die offene Seelandschaft zweifelsohne wesent- schwierigsten Gelände unwahrscheinlich siche­ gefährdeten Arten gerechnet werden muss. lich den Charakter und die Gemütslage ihrer re Gangart bewundern können. Anwohner. Von Reisenden und eingehenden Der See Kennern von Brienz und Brienzern, wie z.B. Die erfreuliche Entwicklung der Stein­bock­ Ein völlig anderer Raum, neben den alpinen und dem oberländischen Forstmeister und späteren kolonie am Rothorn zeigte allerdings auch voralpinen Gebieten, erschliesst sich uns mit Regierungsrat Karl Albrecht Kasthofer (1777– Schattenseiten. Dazu gehören die Schäden, die dem See. Trotz seiner begrenzten Ausdehnung 1853) wurde immer wieder das froh- und frei- mit dem grossen Bestand zusammenhängen. vermittelt er ein Gefühl von Weite, die aber sinnige (hier nicht politisch gemeint!) Wesen der Wohl finden die Tiere im Sommer genügend überschaubar und ruhig bleibt. Damit steht er in Brienzer hervorgehoben, ihre offene, aufge­ Futter an den über den Alpweiden liegenden, scharfem Gegensatz zu den steil aufstreben- schlos­sene und zugängliche Art. für das Vieh unzugänglichen Steilhängen und den Bergflanken, die ihn auf beiden Seiten ein- heute nicht mehr genutzten Wildheumädern fassen und begleiten. Das Dorf mit seinen das Der Brienzersee ist ein Alpenrandsee, entstan- (Hochgraswiese); problematisch wird die Nah- Ufer säumenden, aber auch immer höher die den in einem trogförmigen Tal mit steilen Ufern, rungssuche dann, wenn in der Höhe die Vege- Hänge hinaufkletternden Behausungen bildet fast ohne flache Übergangszonen. tation ruht, im Winter. Jetzt steigt das Steinwild sowohl Mitte wie Übergang zwischen den bei- in tiefere Lagen ab, oft bis in die obersten Vor- den so verschiedenen Räumen. sassen, um sich dort im Frühling am ersten Grün gütlich zu tun. Noch bedeutender ist der Schaden, der dem Wald durch das Steinwild erwächst, vor allem in den Auf­fors­tungen der Wildbachverbauungen. Dort sind die ohnehin unter besonders schweren Umständen auf- wachsenden Neuanpflanzungen gefährdet. Nachteilig ist auch der Verbiss älterer Na­del­ bäume und der Schaden, der durch das Fegen mit dem mächtigen Gehörn an Tannen und Legföhren entsteht.

Es mag dem Tierfreund und Naturschützer un- sympathisch sein; eine Begrenzung des Be­ standes, sei es durch Wegfangen und Aus­ setzen an einem andern Ort, oder durch ge- zielte Abschüsse, lässt sich oft nicht umgehen und erfordert ganz einfach auch Verständnis für die Anliegen des Försters, der mit seiner Arbeit unten liegendes Kulturland und bewohnte Ge- biete vor Lawinen und Wildbächen zu schützen Blick über den westlichen Dorfteil, das Änderdorf.

15 Seine Fläche beträgt etwa 30 km2, die grösste von noch guter Qualität dar, das unter Umstän- Die beim Brienzersee wenig ausgeprägte und Tiefe 260 m. Im Gegensatz zu den bedeutend den auch einmal zur Trinkwasser­ver­sorgung damit unbedeutende flache Uferzone wurde weniger tiefen Mittellandseen gefriert er nicht, in An­spruch genommen werden muss. Die zusätzlich noch durch Veränderungen aller Art weil die im Ver­hältnis zur Oberfläche sehr gros­ Wassererneuerung dauert, so unglaublich das geschmälert. Meliorationen, Entsumpfungen, se Tiefe eine genügende Abkühlung verhindert. klingt, mehr als drei Jahre, was darauf zurück- Auf­­schüttungen, Ufermauern, Kiesentnahmen Das gilt mit einer einzigen Ausnahme aus jün- zuführen ist, dass einerseits die Lütschine und Wasserstandsregulierungen haben nach gerer Zeit, an die sich ältere Brienzer vielleicht wenig dazu bei­trägt, anderseits die Aare den und nach den grössten Teil der ursprünglichen noch zu erinnern vermögen: Am Morgen des See in Längsrichtung wie in einer riesigen un- Ufervegetation vernichtet. So sind die nie sehr 21. März 1942 überzog eine dünne Eisschicht sichtbaren Röhre durchfliesst, ohne dabei die ausgedehnten, aber einst doch vorhanden ge- nach lang anhaltender Kälte den See, eine Eis- Uferregionen links und rechts stark in diesen wesenen wichtigen Schilfbestände am oberen schicht, die allerdings vor Mittag schon wieder Durchfluss und damit in die Wasser­umwälzung Seeufer verschwunden, womit viele Vögel und geschmolzen war. einzubeziehen. Fische ihres natürlichen Lebensraums beraubt wurden. Auch mit einer botanischen Besonderheit kann Die meisten Leute machen sich kaum Ge­danken der Brienzersee aufwarten: An einer bestimm- über unseren See; sie nehmen ihn hin als Wichtig als Nahrungsquelle und Versteck für ten Stelle steigt die sonst nur in alpinen Regio- Selbstverständlichkeit, als einladenden Erho- viele Jungfische waren auch die verschiede- nen heimische Alpenrose bis auf das Niveau lungsraum für Einheimische und Besucher und nen, früher allgemein verbreiteten, unterge- des Sees herunter, was wohl einmalig ist in der etwa noch als Lebensraum für Wasservögel und tauchten Laichkräuter mit ihren unter der Was- Schweiz! Fische. Tatsächlich stellen aber die mehr oder seroberfläche wuchernden Dickichten; sie sind weniger gut zu beobachtenden Tiere und die ebenfalls nicht mehr vorhanden... Erstaunlich ist der im See gespeicherte Was- immer seltener werdenden Wasserpflanzen nur servorrat; er beträgt rund drei Milliarden m3 und einen kleinen Teil der von der Uferzone bis in die Ebensowichtig wie die gut sichtbaren Wasser- stellt damit ein einzigartiges Wasser­reservoir Seetiefe vorkommenden Arten dar. pflanzen ist das Plankton, dessen Vielfalt sich erst unter dem Mikroskop erschliesst. Man ver- steht darunter die winzigen Pflanzen und Tier- chen, die frei im Wasser schweben, nur getrie- ben von Strömungen. Vom pflanzlichen Plank- ton ernährt sich das tierische, das wiederum als Nahrungsgrundlage für junge und ältere Fische dient und damit am Anfang einer Nahrungsket- te steht, die mit einem Felchenmenu in einer Brienzer Seewirtschaft ihren Abschluss finden könnte.

Von Fischen und vom Fischfang Damit wären wir bereits bei den Fischen, von denen einige Arten für Berufs- und Sportfischer immer noch von Bedeutung sind. An erster Stelle sind hier die Felchen zu nennen, besser Feuchtgebiet Jägglisglunte. bekannt unter den Namen Albock, Balchen und

16 Brienzlig, einer Zwergfelchenart, die wahr- 10 – 20 Tonnen auf, während die Sportfischer scheinlich wegen des gegenüber früher besse- immerhin 1– 3 Tonnen herausziehen. Balchen ren Nahrungsangebots über ihre ursprüngliche versammelten sich früher in unwahrscheinlich Kümmerform hinausgewachsen ist. Sie müs- dichten Schwärmen vor dem Giessbach und sen frü­her in riesigen Mengen vorgekommen wurden massenhaft gefangen mit madenbe- sein, wird doch von Fängen berichtet, wo in ei- stückten Angeln, oft zwei, drei Stück miteinan- nem Zug tausende von Brienzligen ins Netz ge- der! Seeforellen und Saiblingen versucht der gangen sein sollen. Geräuchert galten diese Sportfischer mit Löffeln und Wobblern beizu- Kleinfelchen als Leckerbissen; sie wurden aber kommen; auf gleiche Weise oder mit einem Kö- auch gesotten und den Schweinen verfüttert, derfischchen wird auch der Hecht zum Anbiss wenn Massenfänge nicht anders verwertet verlockt. Dieser recht rar gewordene Raubfisch werden konnten. leidet besonders unter dem Verschwinden der Blässhuhnnest; die Eier sind fast hühnereigross. Schilfbestände, wo er seinen Laich ablegen Felchen waren immer die Brotfische der weni- konnte. Recht guten Fang verspricht auch heute noch gen noch am Brienzersee tätigen Berufsfischer; die Fischerei auf Trüschen, einen schuppenlo- sie werden erbeutet mit Grund- und Schweb- Mit zum Rückgang beigetragen hat auch das sen, grünlich marmorierten Fisch, der in be­ netzen, wobei erstere wegen der steil abfallen- ständige Abnehmen und teilweise sogar Ver- trächtlicher Tiefe besonders vor der Aaremün- den Ufer nur beschränkt eingesetzt werden schwinden von Weissfischen, von denen sich dung lebt. Die Zeiten sind allerdings vorbei, wo können, im Gegensatz zu den in der See- Raubfische zur Hauptsache ernähren. So tref- mit Setzschnüren, die oft über hundert mit weite freitreibenden Schwebnetzen. Nachge- fen wir heute den Hasel, der einst in Unmengen Würmern beköderte Angeln aufwiesen, am stellt wird den Felchen aber auch von den vorkam, nur noch selten an, Bläulige (Silberlin- Morgen dutzendweise Trüschen eingeholt wer- Sportfischern, die mit der Gambe (System aus ge), die in gewaltigen Schwärmen zu Tausen- den konnten, darunter solche von mehr als mehreren Haken und Schnüren) und viel Ge- den und Abertausenden im ufernahen Ober­ einem Kilo Gewicht! Die Trüsche galt und gilt duld an ausgewählten Plätzen zum Erfolg zu flächenwasser vor dem Quai dahinzogen, ver­- bei Kennern als Delikatesse, und es ist durch- kommen hoffen. Die Erträge bewegen sich in schwanden fast von einem Tag auf den andern, aus nachvollziehbar, dass die Gnädigen Herren einer recht grossen Bandbreite; für die Berufs­ ungefähr zur Zeit, als die Kläranlage in Betrieb zu Bern für bestimmte Anlässe beim Landvogt fischer weist die Statistik einen Jahresfang von genommen wurde. Schon vorher waren aus in Interlaken jeweils ein Fass Brienzersee- ebenso unerklärlichen Gründen die grossen trüschen bestellten. Alande ausgeblieben, die zwischen Glyssi- und Lammbach zur Laichzeit im seichten Wasser Ausgestorben ist leider der Aal, dem auf seiner gut zu beobachten waren und gerne auf rote Wanderung vom Meer her so viele Hindernisse Kirschen anbissen. den Weg versperren, dass er unseren See nicht mehr erreicht. Der letzte Aal, an den sich der Zu Raritäten geworden sind auch die Egli, die Berichterstatter zu erinnern vermag, ging Mitte einst unter jedem Ruderboot, um jeden Pfahl der Zwanzigerjahre dem damaligen Schützen- und unter jedem Quaibrücklein in Scharen wirt Eggler an die Angel. Der schlangenähnliche standen und zusammen mit den Bläuligen die Fisch, schon zu jener Zeit eine Seltenheit, wur- Fischerlaufbahn vieler Brienzer Seebuben ein- de ein paar Tage lang in einem Zuber im Garten leiteten, die mit einfachster Ausrüstung die Trüschen sind nachtaktive Fische, die vom Laich des Restaurants ausgestellt und lockte viele über kleine Fische alles fressen. schuppige Beute zu überlisten suchten. Zu­schauer an.

17 Heid Sorg zum See! Der Brienzersee gehörte lange zu den saubers- Diese fatale Entwicklung zu unterbrechen, den ten Gewässern unseres Landes, was er vor al- Lebensraum See in seiner natürlichen Vielfalt, lem seinem geringen Angebot an Nährstoffen mit seinen handgreiflichen materiellen wie ide- und dem damit im Zusammenhang stehenden ellen Werten zu erhalten, gehört zu den wich- hohen Sauerstoffgehalt zu verdanken hatte. tigsten Aufgaben einer Seegemeinde. Verges- sen wir nicht: Es ist leichter und billiger, zu Wie der Rückgang und das Verschwinden eini- einem gesunden See Sorge zu tragen; aber ger Fischarten und weitere Anzeichen zeigen, sehr schwer und oft nicht mehr möglich, einen hat der einstige Glanz Flecken bekommen. kranken See noch zu retten! Gegenüber früher hat die Algenentwicklung sehr stark zugenommen, was jedem Beobach- ter auffällt, der bei einigermassen klarem Was- ser einen Blick auf den Seegrund werfen kann, vielleicht bei der Schiffländte zu Tracht oder irgendwo vor dem Quai. Grüne Fadenalgen überziehen weithin die Steine, und den ehemals hellen, sauberen Sand-Schlammboden be- deckt ein Algenteppich, von dem sich gele- gentlich grosse Fladen ablösen und dann an der Oberfläche treiben.

Schuld an dieser Erscheinung tragen die Nitrate und Phosphate, die von intensiv landwirtschaft- lich genutzten Flächen und – trotz Kläranlagen – von Abwässern dem See zugeführt werden und dessen zunehmende Düngung bewirken. Damit steigt aber das Wachstum organischer Materie, deren Abbau und Zersetzung viel Sau- erstoff verbraucht; das vorher bis fast auf den Seegrund damit angereicherte Wasser wird sauerstoffarm – der See beginnt zu kränkeln.

Brienzersee, Blick Richtung Westen.

18 Mit Wildbächen und Lawinen leben

Max Gygax

1 2 3 4 5 6 7

Brienzer Wildbäche von links nach rechts: Ofenbielen(1)- und Hellgraben(2), Mühlebach(3), der aufgeforstete Trachtbach(4), der mächtige Glyssibachgraben(5), der gut aufgeforstete und verbaute Schwanderbach(6) und der gewaltige Lamm­bachgraben(7).

Der Brienzergrat zwischen Augstmatthorn und für kürzere oder längere Zeit unterbrochen wer- Kessel zwischen Dirrengrind und Briefenhorn. Wylerhorn gilt als klassisches Lawinengebiet. den. Eine verheerende Lawine ging am 11. Ja- So zerstörte eine gewaltige Lawine im Winter Die extrem steil nach Süden abfallenden, in den nuar 1954 auch bei Ebligen nieder; der Gast­- 1950/51 auf der Rotschalp 13 Hütten, nachdem oberen Partien unbewaldeten Bergflanken er­ hof «Hirschen» wurde dabei zerstört und die schon ein paar Jahre vorher im Gwandwald möglichen ein fast ungehemmtes Abrutschen Verkehrslinien von haushohen Schneemassen und in der Stetzendi grosser Schaden entstan- des Schnees und damit das Entstehen mächti- blockiert. den war. Verhängnisvoll wirkte sich ein Lawi- ger Staub- und Grundlawinen, die durch tief nenniedergang am 30. Januar 1942 aus, wurde eingeschnittene Runsen und Gräben oft bis in Gegen Brienz zu nimmt die Gefahr von Lawi- doch dabei im Dorni Peter Gander verschüttet den See niederfahren. Berüchtigt sind beson- nengängen etwas ab; für das Dorf bilden sie und konnte nur noch tot geborgen werden. ders die Lawinenzüge von Oberried, wo immer keine Bedrohung. Betroffen sind vor allem die Lawinenabgänge im erwähnten Gebiet hinter wieder die Staatsstrasse und die Eisenbahnlinie hochgelegenen Gebiete wie Rotschalp und der dem Dirrengrind beschädigten oder zerstörten

19 mehrmals die Chüemadbrücke der Rothorn- bahn, bis die Geleise dann auf einen Erddamm mit neuer Linienführung verlegt wurden.

Die Lawinenschäden an Wäldern und Gebäu- den riefen nach Schutzmassnahmen, um wei- teres Unheil zu verhüten. So sicherten Spalt- keile die wieder aufgebauten Hütten auf der Rotschalp, und schon vom Tal aus sichtbar sind die umfangreichen Verbauungen am Tanngrin- del, wo un­zählige Aluminium-Schneebrücken in den An­riss­zonen ein Abgleiten des Schnees verhindern sollen. Auf einer Fläche von 5 Hekt- aren stehen rund 400 solcher Bauelemente. Daneben wird auch versucht, durch Aufforstun- gen einen wi­der­standsfähigen Schutzwald her- anzuziehen, der sich einmal Lawinenniedergän- gen entgegenstemmen könnte. Der «Brotbach» brachte neben Geröll auch Verdienst! Gefürchteter als die Lawinen waren im über- bauten Dorfgebiet noch vor verhältnismässig schwerwiegende Auswirkungen auf den Was- legenheitsarbeit verschaffte. Nicht von unge- kurzer Zeit die Wildbäche, die Brienz, das Kien- serhaushalt. Versuche haben gezeigt, dass eine fähr wurde die Bachtalen früher fast anerken- holz und das benachbarte Schwanden mehr- Wassersäule von 1 dm Höhe im Waldboden nend als «Brotbach» bezeichnet. Das ist schon mals heimsuchten. Sie gehörten und gehören innert zwei Minuten versickert, auf Weideboden lange Vergangenheit; Geschiebesammler und immer noch zu den schwierigsten Objekten von erst nach zwei Stunden! Damit wird klar, warum Verbauungen verhindern das Eindecken der Wildbachverbauungen im ganzen Alpengebiet. Regen auf Weiden und natürlich erst recht auf Strasse mit Schutt, und sollte es ausnahmswei- Dies hängt zusammen mit der ungünstigen Fels oberflächlich abläuft und sich bei starken se doch dazu kommen, dann sorgen moderne geologischen Beschaffenheit des Einzugsge- Niederschlägen zu reissenden Bächen sam- Baumaschinen in kurzer Zeit für die Räumung. biets; vor allem aber auch mit der einstigen meln kann. Raubwirtschaft an den Waldungen. Mühlebach*(3) Bachtalen Nähern wir uns Brienz von der Bachtalen her, Rücksichtslose Kahlschläge zur Vergrösserung Vom Wildbach bei der Bachtalen, wohin sich so fällt uns, vor allem zur Zeit der Schnee- der Alpweiden rissen tiefe Wunden in den Wald, der Ofenbielen*(1)- und der Hellgraben*(2) entlee- schmelze, der Mühlebach auf, der aus einer der über seine Regenerationsmöglichkeiten ren, ging zwar kaum je Gefahr aus für Mensch Felsschlucht zuoberst in der Planalpfluh fast hinaus auch beansprucht wurde durch den und Vieh; die Eisenbahn verläuft hoch über 100 m in die Tiefe stürzt. Führt er viel Wasser, Holzverbrauch für die lange praktizierte Her- dem gefährdeten Gelände auf einem Viadukt bietet er einen gross­artigen Anblick, der dem stellung von Milchzucker aus der Schotte. und wird von Wasser- und Schuttmassen nicht des Staubbachs – das sei ohne lokalpatrioti- Enorme Mengen Holz erforderte auch der Bau betroffen. Überschwemmt mit Schlamm und sche Überheblichkeit ge­sagt – mindestens von Hütten, Zäunen, Trögen, Wasserleitungen Geschiebe wurde einzig die Staatsstrasse, was ebenbürtig ist. Bei längerer Trockenheit ver- usw. Diese Übernutzung des Waldes hatte arbeitslosen Brienzern eine willkommene Ge- siegt der Mühlebach allerdings, um dann bei

20 * siehe Abbildung «Brienzer Wildbäche», S. 19. Massen von Geröll mit, zum Teil mächtige Ge- leiteten Holzkännel vom Stauseelein aus das steinsbrocken. Wasser einer Schreinerei zu, wo es eine Turbine antrieb. Über Wasserräder verfügten ferner die Das im Unterlauf gemauerte Bachbett ver- Rybi, eine Mühle, eine Knochenstampfe, eine mochte den Schutt vorerst noch in den See zu Drechslerei und zuunterst die damalige Sägerei. leiten. Das änderte sich, als zwei Stunden spä- ter ein weiteres Gewitter noch mehr Nieder- Trachtbach*(4) schläge brachte und noch mehr Steine mitge- Man traut dem heute so mager und harmlos rissen wurden. Nun wurde nämlich der Boden daherrinnenden Trachtbächli kaum zu, den mäch­ des befes­tigten Bachbetts zerstört, was zur ti­gen Schuttkegel geschaffen zu haben, auf Folge hatte, dass grosse Blöcke liegen blieben. dem sich grösstenteils das Dorf erstreckt; er Dahinter staute sich das Geschiebe bis auf die beginnt beim Rauenhag, fällt fächerförmig und Höhe des Eisenbahnübergangs, und der Müh- gleichmässig zum See ab auf einer Fläche von lebach trat über die Ufer. Ein Teil floss in den etwa einem Quadratkilometer. Einschnitt, in dem die Bahnlinie verläuft, und strömte durch den Dorftunnel bis nach Tracht. Der Trachtbach mit seinem überaus steilen, mit Beidseits des Baches wurden die Gärten zu Felsen durchsetzten Einzugsgebiet gilt als ge­ einem grossen Teil verwüstet, die Bachschale zähmt und hat den Schrecken verloren, den Der Mühlebach im Sonntagskleid. weithin stark beschädigt. Die Brücke der Staats- er einst mit seinen verheerenden Ausbrüchen strasse beim See wurde weggespült, die Säge- Hochgewittern, die sich über dem weiten, fast rei mit Schutt überführt. Nur mit Mühe gelang unbewaldeten Bergkessel entladen, der vom es der Feuerwehr, mit Sperren die angrenzen- Dirrengrind, dem Rothorn und dem Briefenhorn den Häuser zu schützen. umschlossen wird, zu einem wilden Wasser an- zuschwellen, zu einem gefährlichen und früher Das Gewitter wirkte sich übrigens auch auf die unberechenbaren Gesellen, der den westlichen Bachtalen aus, wo Schlamm und Steine die Dorfteil bei der Kirche mehrmals in Mitleiden- Seestrasse auf eine Länge von 150 m eindeck- schaft gezogen hat. ten, so dass der Verkehr für die Fuhrwerke und die damals noch nicht sehr zahlreichen Autos Letztmals war das der Fall am 1. August 1922. erst zwei Tage später wieder aufgenommen Nach einem klaren Sommermorgen, gefolgt werden konnte. von einem schwülen Nachmittag, zog gegen Abend ein heftiges Gewitter auf mit schwerem Nicht unerwähnt bleibe, dass der Mühlebach Platzregen und Hagel. Betroffen war vor allem als einziger der Brienzer Wildbäche auch dem die Plan­alp mit dem dahinterliegenden ausge- Betrieb gewerblicher Anlagen dienstbar ge­ dehnten Einzugsgebiet des Mühlebachs, wo in macht wurde. Da der Bach aber im Sommer bei einigen Gräben noch alter Lawinenschnee lag. längerer Trockenheit versiegte, wurde er in Re- Schmelzwasser, zusammen mit dem starken genzeiten und während der Schneeschmelze in

Regen, liessen den Mühlebach sofort anschwel- einem kleinen Staubecken zurückgehalten. Bis Blick von der Schwanderfluh in die Trachtbach-Aufforstung len. Das Hochwasser riss neben Holz auch zum Bahnbau 1912, und teilweise noch später, (Urseren und Baalen).

21 verbreitete. Dies dank den Verbauungen im Ein- zugsgebiet der Baalen, der unteren und oberen Urseren. An die Begründer und Förderer dieser für Brienz lebenswichtigen Schutzbauten erin- nern im hochgelegenen Felsentor südwestlich des Dirrengrinds zwei Gedenktafeln. Die eine ist dem eidgenössischen Forstinspektor Dr. F. Fank­hauser gewidmet, die andere Forstmeister E. Dasen. Zur Zähmung des Trachtbachs durch Auf­forstungen beigetragen hat auch Forstmeis­ ter Ad. Müller; ihn ehrt eine weniger bekannte Gedenktafel in der unteren Urseren.

Sicherheit vor Murgängen und Wassergrössen verbürgen neben den Verbauungen der ehe- maligen Wildheumähder und Schutthalden in der oberen Urseren die nun mehr als hundert- jährigen Aufforstungen mit Fichten und Lärchen im Einzugsgebiet des Ritzgrabens, des Baalen- mads und in den Baalengrinden. Der Trachtbach kommt! Zeichnung von Ludwig Vogel (1788 – 1879) Die damaligen An­pflanzungen entwickelten sich zu geschlossenen Beständen, die heute nach einem heftigen Gewitter ein Murgang «Nachdem es seit dem 27. Oct. mit weniger Unter- auch forstwirtschaftlich genutzt werden kön- noch bedeutende Schäden an, indem die Stras­ brechung hier geregnet und auf den Alpen geschneyt hatte, war für uns Dienstag der 2. diess ein Tag und nen. Vorteilhaft für die Gemeinde, auch in finan- senbrücke beim Gasthof Steinbock weggeris- eine Nacht der Schrecken und des Jammers. Am zieller Hinsicht, war die Abtretung der stark ge- sen wurde. 1. fiel Schnee die Menge bis zum See hinab. Abends schädigten Aufforstung in der oberen Urseren fing der Wind an aus Südwest zu wehen, Schneelau- inen fielen häufig in den Bergen, und es regnete über an den Staat anno 1974. Eine wichtige Mass- Vor der Erstellung der jetzigen Bachschale gab alle Höhen. Alle Gewässer wuchsen zu einer furcht- nahme zur Verhinderung von Schäden bei es mehrmals verheerende Ausbrüche des ge­ baren Höhe an, der Trachtbach drohte auszutreten, Hochwasser war schon 1871 im Anschluss an fährlichen Wildbachs mit unwiederbringlichen und man eilte dorthin, um von Brienz und Tracht die Katastrophe von 1870 ergriffen worden, Landverlusten und Opfern auch an Menschen- Unglück abzuwehren. Am 3. Nachmittags erfolgte am Ufer desselben gegen den Berg zu ein Erdrutsch, nämlich der Bau eines gross dimensionierten, leben. 1824 traten Trachtbach und Mühlebach fiel in den Bach, und mit demselben stürzten nun befestigten Bachbetts, das sich 1200 m lang gleichzeitig über die Ufer, und ihre Schlamm- Felsstücke von mehreren Klaftern, eine Menge vom Austritt des Trachtbachs aus den Ritzgrä- ströme flossen beim Haus «Uf dr Muur» in der kleinere und dichter Schlamm gegen uns zu. Alles floh. Ein sehr grosses Felsstück setzte sich unweit ben bis in den See hinunter zieht. Nähe der Kirche vereint in den See. Ein anderer des Ausflusses in den See in dem Bette fest und warf Arm des Trachtbachs tobte durch das gewöhn- den Schlamm- und Steinstrom über das rechte Ufer Das für Fr. 48 000.– erstellte Werk hat sich be- liche Bett und richtete in der Wydi schwere gegen den äussersten Teil des Dorfes, die Wydi ge- nannt, umgab da einige Häuser ganz mit Schlamm, währt; es kann auch aussergewöhnliche Was- Verwüs­tungen an. Der damalige Dorfpfarrer, durchbrach zwei andere und stürzte wie ein wan- ser- und Geschiebemassen problemlos in den David Wyss, verfasste für den «Schweizerbo- dernder Berg in den See. See ab­führen. Einzig im Sommer 1894 richtete ten» folgenden anschaulichen Bericht:

22 Im untersten Haus von Wydi befand sich Peter Flück, Stein erbaute Pfarrhaus keine Sicherheit mehr ge- Einen anschaulichen Bericht zu diesen Ereig- ein allgemein geschätzter Mann von 32 Jahren, eben währt, und die kalte Kirche wäre der einzige Zu- nissen liefert uns der damals 14-jährige Hans im Begriff, mit seiner braven Frau, drey Knaben und fluchtsort für die unglücklichen Leute gewesen. Bey einer Weibsperson, die zufällig im Hause war, in ein anbrechendem Tag sah man, dass die Erdbrüche im Kienholz, der spätere Vorsteher der Schnitzler- Schiff zu fliehen. Der ältere Knabe wollte nicht mit Bette des Baches immer höher liegen blieben und schule. Das Wohnhaus seiner Eltern stand see- und floh auf eine andere Seite, den mittleren nahm die Schlammströme näher gegen das Dorf zuwiesen, wärts der Spanischen Weinhalle, der Vorgän- der Vater bey der Hand und jene Frau den jüngsten, und hätte nicht die gütige Vorsehung dem Regen gerin des Ho­tels de la Gare und heutigen fast zwei Jahre alten auf den Arm. Aber kaum waren Einhalt gethan, so wäre fast das ganze Dorf Brienz sie auf dem Schiff, so ereilte sie der Schlammstrom, ein Raub der Verwüstung geworden. Doch jetzt Adlers, etwa in der Gegend des heutigen öst­ zertrümmerte das Schiff und versenkte sie alle. Franz schon ist sie schrecklicher, als keine Beschreibung lichen Tunnelportals. Kienholz berichtet: Gross­mann, ein bey solchen Vorfällen stets thätiger, sie schildern kann. Bey 40 Ju­charten gutes Land kühner, zugleich aber sehr vorsichtiger und für ande- sind verschüttet, und die theils zerstörten, theils mit re besorgter Mann, floh eben von einer einbrechen- Schlamm umringten Wohnungen in der Wydi bilden «Im Spätherbst 1870 hatte es langanhaltend und den Scheuer gegen den See zu, sah das Unglück, einen höchst traurigen Anblick. Ihre armen, gröss- zum Teil in frisch gefallenen Schnee geregnet. Dann bemerkte eine Person, die sich an einem Stück Holz tentheils sehr armen Bewohner haben nun bey An- erfolgten oberhalb des hinteren Ritzgrabens bedeu- aus den Fluthen emporzuarbeiten suchte, munterte näherung der strengen Jahreszeit ihr Hausgeräthe, tende Erd- und Felsrutschungen, die sich für einige sie durch das Versprechen seiner Hülfe auf, entklei- Kleider und Lebensmittel verloren, und das Dorf ist Zeit im Graben stauten, um dann in der Schreckens- dete sich, sprang in die wilden, trüben Wellen, unvermögend, ohne fremde Hülfe dem ausgetrete- nacht vom 31. Oktober auf den 1. November auf ein- schwamm auf sie zu, ergriff sie, brachte sie glücklich nen Trachtbach seinen behörigen Lauf wieder anzu- mal loszubrechen. an’s Land und erkannte in ihr seine Schwägerin, des weisen, die verschütteten Güter so viel möglich wie- unglücklichen Flücks Ehefrau. Noch einmal sprang er der urbar zu machen und die zerstörten Häuser Es war finster und trübe. Mein Bruder und ich schlie- ins Wasser, um auch die Übrigen zu retten, konnte aufzubauen. fen auf der hinteren Seite des Hauses. Plötzlich er- aber keines mehr erblicken… Indessen dauerte der wachten wir ob einem furchtbaren Lärm. Es hörte Regen fort und folgten immer grössere und kleinere Allgemeine Teilnahme flösst die durch den wackeren sich zunächst an, als ob von einem Sturmwind die Erdbrüche dem ersten nach, und da nun die Gefahr Franz Grossmann mit Gottes Hilfe gerettete Witwe Fensterläden am jenseitigen Holzhaus, dem heutigen immer mehr den grössten Theil des beynahe von und tiefgebeugte Mutter ein. Sie, die in einem furcht- Hotel de la Gare, aufs heftigste auf- und zugeschla- 1000 Seelen bewohnten Dorfes bedrohte, floh bey baren Augenblick alle die Ihrigen vor ihren Augen in gen würden. Dazwischen hörten wir schreiende einbrechender Dunkelheit der gröss­te Theil der Ein- den Wellen versinken sah, trägt mit frommer Gotter- Menschenstimmen. Kaum waren wir recht wach, wohner in das Pfarrhaus und die um die Kirche lie- gebenheit ihren schrecklichen Verlust. Die Armen wurde heftig am Boden unserer Kammer geklopft, genden Häuser. Hätte jenes Felsstück den Strom haben an Haus und liegenden Gütern, wohl an die und Vater rief mit aufgeregter Stimme, wir sollten so- links abgetrieben, so würde das Dörflein Tracht bis 2000 Fr. Werth, den grössten Theil ihrer Habe verlo- fort aufstehen, es gehe furchtbar wüst, der Tracht- hart an die Dächer eingeschlammt worden seyn, und ren, und das ganze Dorf nimmt Antheil an ihrem bach sei übergefallen und verwüste das ganze die Einwohner wären wahrscheinlich in den schönen Unglück.» Trachtgebiet. Zimmern des Wirthshauses, welche ihnen die allge- mein bekannte, brave und gütige Wirthin als die Als wir hinunter kamen, war unsere Stube bereits beste Zufluchtsstätte angewiesen, nicht mehr sicher dicht von Nachbarsleuten besetzt, die hier Schutz gewesen. suchten, annehmend, unser Haus sei vorderhand Auch 1870 und 71 kam es am Trachtbach zu nicht gefährdet, da es in Folge der Strassenkorrekti- Die Vorgesetzten stellten während der Nacht dem schlimmen Verheerungen. Gartenland, das sich on erhöht stand. Wir fanden nur noch auf der oberen Bache nach Wachen auf, welche neue Erdbrüche mit von der Trachtbachmündung bis zur Grube hin- Ofenplatte Platz. Das war nun ein Jammer und eine Angst. Einige weinten, andere beteten, wieder ande- Nothschüssen anzeigen sollten. Um Mitternacht war zog, verschwand dabei im See, wohl als Folge eine Stunde alles still, und der Regen hörte auf. Eini- re liefen erregt aus und ein, und wir Kinder duckten ge Flüchtlinge fassten Muth und wollten wieder nach von Unterspülung, was zur heutigen, weit land- uns vor Schrecken in eine Ofenecke. Mein Vater Hause zurückkehren, kaum aber waren sie dort, als einwärts reichenden Bucht führte. brachte immer trostloseren Bericht herein. Obschon sich am Trachtbach neues Getöse erhob, und die er sich bei der herrschenden Dunkelheit nicht genau Nothschüsse stärker als nie erschallten; sie eilten da- orientieren konn­te, sah er doch, dass der Bach arge In Mitleidenschaft gezogen wurde auch das da- her schnell wieder an ihre Zufluchtsörter zurück, um Verheerungen anrichtete. Der Morgen enthüllte dann dort den Anbruch des Tages zu erwarten. Aber auch malige Schulhaus zu Tracht (später Druckerei ein schreckliches Bild der Verwüstung. um die Kirche herum hatten wir den furchtbar ange- Gossweiler); die Schuttmassen drangen in das Obschon unser Haus vollständig umflutet war und schwollenen Planalpbach in der Nähe, und wäre Gebäude ein, und die Schulzimmer erlitten dieser ausgebrochen, so hätte selbst das fest in der Strasseneinschnitt hinter der Wohnung hoch mit grosse­ Schäden.

23 Schuttmassen angefüllt war, sahen wir, dass vorerst Deutlich erinnere ich mich noch, wie eines Tages ein Glyssibach*(5) für uns wenig zu fürchten war. Desto wüster sah es ganzer Trupp Unterwaldner erschien, um die Strasse Wer vom Fluhberg aus Richtung Schwanden weiter unten aus. Die Postpferdestallungen und gros­ und Häuser freischaufeln zu helfen. Wiewohl die ver- sen Wagenremisen lagen in Trümmern, die ganze heerten Landstücke nach und nach wieder urbari- spaziert, bemerkt linkerhand an der Strasse in Strasse war angefüllt mit Überresten dieser Bauten, siert werden konnten, erhielt dieses Gebiet seither Schwanden einen Brunnen, verziert mit dem die tief im Schlamm und Schutt steckten. Beim doch ein ganz anderes Aussehen.» Gemeindewappen. Es zeigt, heraldisch stili- Tagesgrauen konnten die Postpferde mit knapper siert, drei Bäche: den Glyssibach, Schwander- Not und grossen Anstrengungen aus dem Schlamm Der Turnplatz, später Viehschau- und heute Park- gerissen werden. Später wären sie umgekommen. platz, musste einige Jahre später mit grossen Kosten bach und Lammbach. Alle drei galten lange als Ferner sahen wir, dass alle Trachthäuser bis zum aus dem Schutt gegraben werden, daher die hohen berüchtigte, unberechenbare Wildwasser, wel- 1. Stock und oft drüber hinaus im Morast steckten. Mauern auf zwei Seiten. Wir folgen weiter den Auf- che immer wieder die auf ihren Schuttkegeln zeichnungen von Kienholz: Auch erfuhren wir, dass Leute nur mit Mühe und Le- liegenden Siedlungen heimgesucht und dort bensgefahr gerettet wurden. Schweine und Ziegen «Die zweite Katastrophe im Frühjahr 1871 war viel gewaltige Schäden verursacht hatten. konnten nur durch Aufbrechen von Stubenböden weniger verheerend, da der Bach näher dem See befreit werden. Das alte und das damals neue Schul- ausgebrochen ist und der Murgang daher weniger haus stund auch mehrere Meter tief im Murgang. Der Land überfahren konnte. Immerhin fiel derselben das Die Angst vor weiteren Verheerungen ist heute Zeichensaal und das Schulzimmer des Lehrers von grosse Wohnhaus der Familien Hans, Peter und Kas- gewichen, weil planmässige Schutzmassnah- Bergen lag bis zur Höhe der Bänke und Tische im par Huggler, deren Schmiede- und Schlosserwerk- men seit 1912 unkontrollierbare Ausbrüche ver- Schlamm, ebenso der untere Gang und die Abtritte. stätten zum Opfer, sowie die Hälfte eines der Familie Röter gehörenden Hauses auf der Westseite des Die prächtigen Matten mit dem reichen Obstbaum- Baches. bestand waren total verwüstet. Ein Wohnhaus mit Schreinerwerkstätte am Fuss der Gippihalde gele- Diesmal erfolgte der Ausbruch am Tag, und man gen, ist in der Nacht samt der schlafenden Familie konnte vom sicheren Port aus zusehen, wie die ge- Hiltbrand plötzlich weggerissen worden. Während nannten Gebäude langsam erdrückt, verschlungen Vater und Kinder sonderbarerweise durch den Mur- und in den See hinaus geschoben wurden. Die Be- gang seitwärts auf das Trockene geschoben wurden wohner haben sich rechtzeitig gegen den See hinun- und unversehrt blieben, konnte die Mutter erst meh- ter retten können. rere Tage später aus dem Schutt gegraben werden. Die Schlamm- und Schuttmassen erstreckten sich Auf der Westseite der Bachmündung befand sich ein bis weit vor das Hotel Kreuz hinaus. Das Gastzimmer grosser schöner Seegarten, der mehreren Familien an der westlichen Ecke (Schne­ckenloch) war auch gehörte. Derselbe versank während der Übermurung gänzlich aufgefüllt, ebenso zum Teil die Keller. plötzlich fast senkrecht in den See, spurlos ver- schwindend, so dass hier eine Bucht entstand. Als wir es nach einiger Zeit wagen durften, über das Steingeröll und trockenen Schlamm hinauf zu gehen, Weil der Schlammstrom durch die Strasse bis zum sahen wir, dass unser Trachtli für immer zerstört war, Bären floss und auch die Trachtbachbrücke wegge- da der Bach gerade oberhalb dieses Landstücks rissen war, ist auch diesmal der Verkehr auf dersel- ausgebrochen war. ben längere Zeit unterbrochen gewesen, so dass dieser fast ausschliesslich per Schiff erfolgen musste.» Weil die Strasse als einziger Verkehrsweg vor unse- rem Haus bis vor das Kreuz für lange Zeit unpassier- bar war, blieb keine andere Möglichkeit, als den Fussgängerverkehr durch den Schulhausgang und Die beiden eindrücklichen Berichte erinnern an Abtritt zum Kreuz hinunter zu leiten, zu welchem die Bedrohung, der das Dorf früher ausgesetzt Zweck auf der ehemaligen schönen Trachtmatte Bretter über den Schutt gelegt wurden. Der Wagen- war, eine Bedrohung, die heute doch weitge- verkehr war für längere Zeit eingestellt, und der Gü- hend gebannt ist durch bauliche und forstliche tertransport konnte nur per Ruderboot oder Dampf- Massnahmen, die sich bewährt, aber auch ge­ schiff erfolgen. Oberstes Einzugsgebiet des Glyssibachs mit Legföhren waltige Kosten verursacht haben. und alten Waldresten.

24 * siehe Abbildung «Brienzer Wildbäche», S. 19. Starke Gewitter liessen den Glyssibach von aus Mehl, Wasser und Salz, gebacken in einer jeher zu einem ungestümen Wildwasser an- Eisenpfanne, ohne Fett! Trotzdem war die An- schwellen, das ungeheure Massen von Ge- stellung als Verbauungsarbeiter mit einem schiebe talwärts führte. Oft genug wurde das Stundenlohn von 70 Rappen eine so gesuchte gemauerte Bett, das den Bach auf den letzten Beschäftigung bei der damals herrschenden 300 m in den See leitet, im untersten Teil rand- Arbeitslosigkeit, dass die ledigen Arbeiter alle voll aufgefüllt, und es bedurfte dann harter zehn Tage ausgewechselt wurden, während die Arbeit der Fluhbergler Wasserwehr, die Brü- Verheirateten den ganzen Sommer über blei- cken von Eisenbahn und Staatsstrasse vor dem ben durften. Damit sollte möglichst vielen er- Verschüttetwerden zu schützen. Noch vor 100 möglicht werden, in der trostlosen Krisenzeit Jahren getraute sich, abgesehen von einem doch etwas zu verdienen. Unter härtesten Be- Schweinemäster, kaum jemand, in der Nähe dingungen legten diese Verbauungsarbeiter des Glyssibachs zu bauen; die Angst vor einem buchstäblich die Grundsteine zu dem kühnen katastrophalen Ausbruch sass den Leuten seit Unternehmen, die Brienzer Wildbäche unter Generationen zu tief in den Knochen. Kontrolle zu bringen und damit die Dorfbewoh- ner vor katastrophalen Überschwemmungen Heute allerdings steht auf dem Schuttkegel des zu bewahren. Glyssibachs zwischen Brienz und Schwanden Hier beginnt der Glyssibach. Haus an Haus, ja, selbst das Altersheim wurde 1980 wurde in Hinsicht auf die stets drohende fast neben dem Bach gebaut. Diese Entwick- Gefahr die Stelle eines Verbauungsförsters für hindert haben, wie sie 16 Jahre früher beim lung ist das Ergebnis jahrzehntelanger, syste- das «Staatsgebiet der Brienzer Wildbäche» ge- Lammbach eingetreten sind. matischer Arbeit im Einzugsgebiet des Glyssi- schaffen. Dieser mit allen Seiten der vielfältigen bachs, wo Lawinenanrisse gesichert, Schutt- Aufgabe vertraute Fachmann ist während der Am Beispiel des Glyssibachs sei hier etwas halden terrassiert und damit versucht wurde, Sommermonate auch im obersten Einzugsge- näher aufgezeigt, wie ein Wildbach gezähmt die Erosion zu verhindern oder doch einzudäm- biet des Glyssibachs tätig mit einer bergge- wird; sinngemäss gilt das auch für andere Wild- men. Als das Werk kurz vor dem 1. Weltkrieg wohnten Gruppe von Verbauungsarbeitern, bäche. angefangen wurde, waren ungezählte Hinder- meist Italienern. Sie errichten Sperren und Ter- nisse zu überwinden, angefangen bei der Fi- rassen, um das Abrutschen von losem Geröll Das schwer zugängliche Einzugsgebiet beginnt nanzierung bis zum Bau von Wegen und Unter- zu stoppen. am Grat, der sich in ungefähr 2000 m Höhe von künften in einem hochgelegenen und äusserst der Twärenegg gegen den Dirrengrind hinzieht. schwierigen Ge­lände. Gegen Süden fallen, nur gerade im obersten Viertel durch eine weniger stark geneigte Die Männer, die während der grossen Weltwirt- Schuttterrasse unterbrochen, fast senkrechte schaftskrise der Dreissigerjahre in der «Ver- Felswände, sehr steile Plattenfluchten und buwwig», mehr schlecht als recht bezahlt, ar- Was­serrunsen fast 1000 m tief ab. Unten fängt beiteten, lebten unter sehr primitiven, heute der Glyssibachgraben wie ein riesiger Trichter kaum mehr vorstellbaren Verhältnissen in dürf- allen Regen auf, der sich auf diese nackte Berg- tigen Hütten und mit einfachster Verpflegung. flanke er­giesst, und auch allen vom Wasser mit- Der Verfasser erinnert sich noch an den legen- gerissenen Schutt. dären «Urseren-Tanggel», eine Omelette nur Alte Sperrmauer mit typischen Zerfallserscheinungen.

25 Mit Sperrmauern aus Drahtkörben wird der steile Ein ausgesetzter Arbeitsplatz. Blick hinunter in einen verbauten und aufgeforsteten Teil Schuttstrom zum Stillstand gebracht. des Glyssibachgrabens.

Wurden diese Sperren früher als Trockenmau- schaffenheit, Lage, Besonnung, Wasserhaus- diesen von mangelndem Humus geprägten ern gebaut, was den Nachteil hatte, dass sie halt und wahrscheinlich noch andere, unbe- Höhenlagen herrschen. – Überaus eindrücklich durch Schneedruck und Steinschlag immer kannte Einwirkungen beeinflussen Wachstum wird dies dem Berggänger vor Augen geführt wieder beschädigt oder sogar zerstört wurden, und Gedeihen. Nur lange Erfahrung und Beob- auf dem Weg vom Felsentor zum Schwanderort so hat sich heute ein bedeutend wirksameres achtung, ergänzt durch wissenschaftliche Un- oder beim wildschönen Aufstieg durch den Verfahren durchgesetzt: Drahtkörbe verschie- tersuchungen und Erprobung im Labor und «Simmeler», der von Baalen aus 600 m höher in dener Grössen werden sorgfältig mit Steinen Gelände, führen zu einigermassen befriedigen- den eben erwähnten Weg einmündet. gefüllt, verankert und unten, oben und seitlich den Ergebnissen. miteinander verbunden. Die geringe Überlebensquote der Gehölze von Von 1915 bis 1997 wurden allein im Verbau- nur 10% kann übrigens noch nicht als Dauerer- Die so entstandenen kubischen Blöcke liegen, ungsgebiet des Glyssibachs 1,4 Millionen Ge­ folg gelten; vor einigen Jahren gingen unerwar- je nach dem gewünschten Zweck, in mehreren hölze angepflanzt, wie die folgende Forststatis- tet eine Menge Legföhren zu Grunde, die vor Lagen aufeinander und bilden Hindernisse für tik ausweist, die auch Auskunft gibt über Art 60 Jahren gesetzt worden waren und sich präch- den fliessenden Schutt, die stabiler sind und und jeweilige Anzahl der gesetzten Bäumchen. tig entwickelt hatten. Eine Pilzkrankheit, der länger halten als Bruchsteinmauern. Um zu ver- schwar­ze Schneeschimmel, hatte in kurzer Zeit meiden, dass der rostfreie Draht der Körbe Nadelholz Laubholz ganze Bestände erfasst und sie zum Verdorren durch Steinschlag zerschnitten wird, werden Fichten 224263 Stück Bergahorn 62 656 Stück und Absterben gebracht. die so errichteten Sperren mit Steinplatten und Lärchen 3510 Stück Alpenerle 332630 Stück

Schutt gut abgedeckt. Zwischen den einzelnen Arven 1690 Stück Weisserle 70806 Stück Bei der Begrünung des trockenen, nährstoffar- Drahthindernissen werden später die zum Ste- men Schuttbodens hilft auch die Wissenschaft Bergföhre 94385 Stück Vogelbeere 14447 Stück hen gebrachten Schuttpartien begrünt und mit mit. Beobachtungen und Experimente von Bo- Legföhre 371079 Stück Mehlbeere 13331 Stück geeigneten Gehölzen bepflanzt. tanikern haben gezeigt, dass sich Wundklee im Weiden 186880 Stück fast humusfreien Geröll als Pionierpflanze aus- übr. Nadelholz 4215 Stück übr. Laubholz 49 500 Stück Aufforstungen in Lawinen- und Wildbachgebie- gezeichnet eignet, ebenso siedeln sich Alpen- ten gehören zu den schwierigsten Aufgaben leinkraut, Gipskraut, Bergesparsette, Zypres- des Försters. Es gibt nämlich kaum eine Holz- An- und aufgewachsen sind von diesen Setzlin- senwolfsmilch u.a. gerne an nicht mehr art, die von vornherein mit Aussicht auf Erfolg gen keine 10%! – Das beweist wohl am deut- rutschenden Stellen an. angepflanzt werden kann. Gestein, Bodenbe- lichsten, welch harte Umweltbedingungen in

26 Die Glyssibachverbauung ist ein überzeugen- Ringen der Verbauungsarbeiter mit den Natur- en und sichereren Ort ansiedeln könnten. Der des Beispiel für die unerlässliche Zusammenar- gewalten hoch über dem Dorf verdanken. Handel scheiterte aber am Widerstand der Be- beit von Forstleuten, Bauarbeitern und Botani- – Eine gewisse Bedrohung bleibt übrigens beim troffenen, die ihr Dorf nicht aufgeben wollten; kern; eine Zusammenarbeit, in die sich auch Glyssibach bestehen; das im Mittellauf nicht re- hingegen liessen sich einige bewegen, nach noch der Pilot einschaltet, denn die Materi- gulierte Bachbett erhöht seine Sohle ständig Oberschwanden umzuziehen. Wie wenig vor altransporte zu den meist weglosen, weit abge- durch den Nachschub von Schutt, besonders 200 Jahren der Zusammenhang zwischen legenen Arbeitsplätzen unter dem Dürrengrind aus dem sogenannten Chänelli. Damit kann die Wald und Wildwassern im Bewusstsein der erfolgen heute fast ausnahmslos mit dem Heli- Gefahr eines seitlichen Ausbruchs Richtung Leute verankert war, geht aus der Bemerkung kopter. Er versorgt die Stützpunkte Baalen, Ur- Schwanden nie ganz ausgeschlossen werden. von Oberförster Kasthofer hervor, der ein paar seren, Irtschellen, Gibelegg, Chäseren und auf Jahre nach der Katastrophe von 1797 kritisierte: Hofstettergebiet Stelli, während die Unterkunft Schwanderbach*(6) Wurmegg auf einer Abzweigung vom Gum- Das Einzugsgebiet des Schwanderbachs liegt «Die Leute von Schwanden sind nicht klüger gewor- menalpsträsschen aus erreicht werden kann. an der jäh abfallenden Südostflanke des Rot­ den; nach wie vor verwüsten sie die schützenden Wälder im Gebirge oder lassen sie durch die Ziegen horns und der Alp Gibelegg. Diese wurde in verwüsten, und nach wie vor denken sie wenig nach Die Arbeit in den Verbauungsgebieten spielt den Jahren 1904 –1906 vom Staat angekauft, über die Natur und die Kräfte des Wassers...» sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab; die um sie wieder aufzuforsten. Unbestossene Dorfbewohner merken kaum etwas davon, und Weiden und ungenutzte Wildheumäder schaf- den wenigsten ist bewusst, dass sie die Sicher- fen nämlich einigermassen gute Voraussetzun- Auch im 19. Jahrhundert erlebte Schwanden heit vor Überschwemmungskatastrophen und gen für einen verlangsamten Wasserabfluss; noch mehrmals Ausbrüche der drei Dorfbäche, Murgängen nur dem unermüdlichen, zähen sie ersetzen da­mit ein Stück weit den fehlenden ohne dass diese bedeutenden Schaden anrich- Wald. Da die Hangerosion im erwähnten Gebiet teten. Das veranlasste Bewohner von mögli- zudem nur gering ist, fehlen tiefe aufgerissene cherweise bedrohten Wohnstätten gleichwohl Gräben, aus denen Erde und Steine wegge- zum Umzug nach Glyssen, das noch 1870 auf schwemmt werden könnten. Diese günstigen der Siegfriedkarte nur als Flurname erscheint. Voraussetzungen erleichtern die Anpflanzung Gemäss einer Auskunft des Grundbuchamtes der in Verbauungen bewährten Gehölze. Der Interlaken/Oberhasli wurden dann im Oktober Oberlauf des Schwanderbachs weist denn 1890 einige Schwander Eigentümer von 11 Par- auch die ausgedehnteste und zusammenhän- zellen in Glyssen, und Pfandtitel von 1891 auf gende Aufforstungsfläche auf, was den Was- mehrere dieser Grundstücke lassen darauf serabfluss günstig beeinflusst. Eine Gefährdung schliessen, dass sie zu dieser Zeit wenigstens durch den früher gefürchteten Wildbach ist teilweise überbaut wurden. Die Besiedlung von heute fast nicht mehr vorstellbar. Glyssen hat also nicht bereits nach der Kata­ strophe von 1797 stattgefunden, sondern erst Grosse Verwüstungen richtete der Schwander- hundert Jahre später. bach 1797 an, als er gleichzeitig mit dem Glyssi- bach und Lammbach ausbrach. Wasser und Ein bedeutender Bergsturz am Schwander- Schlamm zerstörten 37 Gebäude und über- bach ereignete sich am 14. April 1901. Aus den führten viel Kulturland. Die Berner Regierung Brü­chen rutschten Gesteinsmassen von un- wollte den Schwandern ihre Güter für 12 000 gefähr einer Million m3 in die Schlucht des Absterbende Legföhren mit Schneepilzbefall. Kronen abkaufen, damit sie sich an einem neu- Schwanderbachs ab und ergossen sich über

* siehe Abbildung «Brienzer Wildbäche», S. 19. 27 den anrichtete an Aufforstungen und Wald, wo- bei im Brunni, unterhalb des Aegerdis auch noch ein Stall zerstört wurde. Für Verbauungs- arbeiten bildet die eine knappe Stunde über dem Aegerdi liegende Irtschellen einen wichti- gen Stützpunkt, sowohl für Arbeiten im Gebiet des Schwander- wie des Lammbachs. – Kurio- sitätshalber sei noch vermerkt, dass bis 1975 ein vom Staat besoldeter Hirt hier ein paar Kühe sömmerte, um die Arbeiter mit Milch zu versor- gen!

Lammbach*(7) Der Lammbachgraben, mehrere hundert Meter tief in die Bergflanke eingeschnitten, wird auf der rechten Seite begrenzt durch die Irtschel- len, den Treichi- und Satzwald, links durch die Gummenalp und die Hofstetter Vorsess. Er gilt neben dem Illgraben im Wallis mit Recht als einer der mächtigsten Wildwassergräben un- Rothorn und Dirrengrind vom Aegerdi aus. Davor die gelungene Aufforstung des Schwanderbachs. seres Landes. In die weichen, schiefrig-merge- ligen Ge­steinsschichten, die zudem stark zer- das Sträss­chen nach Oberschwanden. Der riesiger Bergsturz anbahne, der den ganzen klüftet sind, vermochte sich das Wasser im Schaden hielt sich in Grenzen; damit aber bei Berg­rücken des Aegerdi erfassen könnte. Be- Verlauf von Jahrhunderten immer tiefer einzu- allfälligen weiteren Abstürzen das Dorf Schwan- kannte Geologen wie Kissling und Prof. Heim fressen. Dabei entstanden auf beiden Seiten den nicht in Mitleidenschaft gezogen würde, untersuchten die Spalte, die sich zeitweise bis des Grabens äusserst steile Schutthalden mit erfolgte der Bau des massiven Ablenkdammes zu einem Zentimeter im Tag verbreiterte, und ständig nachrutschendem Material. Anhaltende am nordöstlichen Dorfausgang, eines kostspie- schlugen vor, auf alle Fälle Vorbereitungen zu Regenfälle, Ge­witter und die Schneeschmel- ligen Bauwerks, das sich glücklicherweise noch treffen, um Schwanden zu evakuieren. Merk- ze transportierten es talwärts und bildeten nie zu bewähren hatte. würdigerweise und ohne sichtbaren Anlass schliesslich den riesigen Schuttkegel, der sanft hörte aber kurz darauf die Bewegung des be- gegen das obere Brienzerseeufer abfällt, die Für Ungewissheit und begründete Angst sorgte waldeten Hangs unterhalb der Spalte auf; diese Lauenen, auf der die Dörfer Hofstetten, lange Zeit die sogenannte Aegerdi-Spalte. Um verbreiterte sich nicht weiter. 1910 konnte Prof. Schwanden und Kienholz ganz oder wenigs- 1840 zeigte sich etwas nördlich von Pkt. 1260 Heim nur feststellen, dass der drohende Berg- tens zum Teil sich erstrecken. (Landeskarte 1:25 000 Blatt 1209 Brienz) plötz- sturz sich stabilisiert hatte und keine akute lich eine Erdspalte von fast einem Kilometer Gefahr mehr bestand. Seit jeher war diese Gegend von Ausbrüchen Länge zwischen dem Lammbachgraben und und Murgängen des Lammbachs gefährdet. So dem Gebiet des Schwanderbachs. Diese Spal- Das gleiche kann nicht behauptet werden von wurde 1499 das damals bedeutende Kienholz, te wurde im Lauf der Jahre immer breiter, und den Lawinen. So löste sich im Januar 1968 an das von Bern und den Eidgenossen im Bun- es musste befürchtet werden, dass sich hier ein der Twärenegg eine Lawine, die grossen Scha- desbrief von 1353 zum gemeinsamen Tagungs-

28 * siehe Abbildung «Brienzer Wildbäche», S. 19. ort betimmt wurde, durch einen verheerenden deckte, die dank Wein und Käse überlebt hat- Dabei wurde auch der im Graben zehn und Murgang zerstört und fast zehn Meter hoch mit ten. Der Greis soll kurz nach der Rettung ge- mehr Meter hoch liegende alte Schutt erfasst Schutt und Schlamm eingedeckt. Die Katastro- storben sein, der Knabe blieb am Leben, und und mitgeschoben. Beim Austritt aus dem Gra- phe ist in Einzelheiten nicht einwandfrei belegt; um das wundersame Ereignis zu verewigen, ben war die Mure nicht breiter als acht Meter sie dürfte aber mit grosser Wahrscheinlichkeit wurde sein bisheriger Name Schneiter geän- und floss mit einer Geschwindigkeit von etwa stattgefunden haben. dert in Kienholz. 120 m pro Minute. Dieses Tempo verminderte sich, je mehr der Schuttstrom sich nach beiden Eine freilich unbewiesene Überlieferung meldet, Doch nun zur Lammbachkatastrophe! Der Win- Seiten verteilte und dabei Wasser verlor. Bald einem Boten aus dem Hasli, der häufig das ver- ter 1895/96 brachte mit milder Witterung gros­ floss er so langsam, dass die Bauern das Gras schüttete Dorf habe passieren müssen, sei auf- se Niederschläge, die sich mit wenig Unter­ mähen und wegschaffen konnten, bevor es zu- gefallen, dass sein Hund jedesmal an der glei- brüchen bis in den Mai fortsetzten. Dadurch gedeckt wurde! Gegen neun Uhr erreichte der chen Stelle stehen blieb und laut bellend die wurde das ohnehin unstabile Gestein des zähe Murgang die Staatsstrasse Brienz – Mei- Erde aufkratzte. Schliesslich wurde dort nach- Lammbachgrabens stark durchnässt, so dass ringen, die er drei Meter hoch zudeckte. Gegen gegraben, bis man auf ein Kellergewölbe stiess, sich am Rufisatz, einer Geländerippe, die von Mittag staute er sich dann an der etwas weiter in dem man einen Greis und einen Knaben ent- der Gummenalp in den Graben hinunterreicht, unten verlaufenden Bahnlinie, die hier auf einem ein Erdschlipf von schätzungsweise 300 000 m3 Damm liegt. – Der Schaden dieses Murgangs löste und in den Graben rutschte. Das Bachbett war beträchtlich; drei Häuser steckten tief im wur­de dabei auf eine Länge von 200 m fast 50 m Schlamm, ebenso Obstbäume bis fast an die hoch verschüttet, was den Abfluss des Was- Kronen, und über hundert Hektaren Gärten, sers verhinderte. Das war am 26. Mai 1896. Die Matt- und Wiesland waren verwüstet. Bewohner von Oberschwanden stellten wohl fest, dass der Lammbach plötzlich kein Wasser Die gleich nach dem Murgang angestellten Un- mehr führte, machten sich aber keine Sorgen tersuchungen der Geologen Kissling und von darüber, da sie annehmen durften, die nieder- Steiger erachteten einen weiteren, überra- gegangenen Schuttmassen würden, wie schon schenden und damit katastrophalen Bergsturz, oft, nach und nach vom Bach abgetragen oder der zu einer unberechenbaren Gefahr für die sich verfestigen. auf der Lauenen liegenden Dörfer hätte werden können, als unwahrscheinlich. Nicht auszu- Das traf jedoch dieses Mal nicht zu. Am 31. Mai schliessen wa­ren dagegen weitere Murgänge morgens um halb vier wälzte sich ein mächtiger aus dem mit Hang­erosionsschutt angefüllten Strom von Schlamm, Erde, Steinen, Schnee Lammbachgraben. und Holz aus dem Graben und über die Laue- nen hinunter gegen das Kienholz, den östlichs- Tatsächlich trafen diese bereits nach zweiein- ten Dorfteil von Brienz. halb Monaten ein. Vom 20.– 23. August 1896 und am 2. September wälzten sich erneut Was war geschehen? Hinter den in den Graben Ströme von Schlamm und Steinen gegen das gerutschten Erdmassen hatte sich ein See ge- Kienholz und zwangen 48 Familien zur Räu- bildet, der den ungewollten Staudamm innert mung ihrer Wohnungen. Scheunen wurden zer- Lammbachgraben mit Rothorn. In der Mitte Weg zur stört, verschiedene Gebäude stark beschädigt. Irtschellen (links). Über dem Weg alte Verbauung und gut weniger Tage so zu durchnässen und zu lo- gedeihende Aufforstungen. ckern vermochte, dass er in Bewegung geriet.

29 30 1. Bahnhof Brienz 5. In Brüchen 6. Lammbach-Abstürze 7. Wylerhorn 8. Oberschwanden 9. Unterschwanden 10. Burgstollen 11. Fluhberg 12. Austritt Lammbach 13. Schutzmauern 14. Lauenen 15. Glyssibach 1 6. Schwanderbach 17. Lage Hofstetten 18. Ob 19. Wirtshaus «Tell» 2 0. Bahnlinie verschüttet 21. Verlassene Häuser 2 2. Remise «Tell» 23. Haus im Schlamm 24. Ehem. «Bellevue» 25. Ballenberg 2 6. Zerstörtes Haus 27. Meiringenstrasse 2 8. Gelber Schild 29. Rieseten 3 0. Prov. Schiffländte

31 Nachgedacht wurde selbstverständlich auch, wie sich solche Katastrophen künftig verhin- dern liessen. Forstleute übten scharfe Kritik an den Brienzern, die ihre Schutzwälder leichtsin- nig abgeholzt hätten. Gefordert wurden Auf- forstungen in den bergsturzbedrohten Gebie- ten und an rutschgefährdeten Hängen; dem Unsinn, den Bergen immer mehr Kulturland und Weiden abzutrotzen, die dann doch nicht rentieren, müsse ein Riegel geschoben werden.

Kurz, die Rolle des Waldes, nicht nur als Schutz vor Lawinen, sondern auch zur Verhinderung der Erosion und als Wasserspeicher, wurde in Erinnerung gerufen. Die Geologen arbeiteten Gutachten aus, die dann zu grosszügigen Ver- bauungen und Aufforstungen führten. Neben dem Kanton beteiligte sich auch der Bund an den Kosten. In einer Botschaft vom 23. Februar 1897 an die Bundesversammlung wurde der Der Murgang des Lammbachs. Der Graben links ist eine Seitennische des Schwanderbachs, wo 1901 fast eine Million Beitrag an die Verbauung des Lammbachs und Kubikmeter Schutt abstürzte. des Schwanderbachs so begründet:

Unter den Augen zahlreicher Neugieriger (Katas- Ende des Trümmerfeldes der Brünigzug, den «...Ohne Verbauung des Lammbachs und des trophen-Tourismus gab es schon damals!) man nach Überschreiten einiger Schlammströ- Schwanderbachs wird Kienholz und zum Teil Schwanden dem allmählichen Untergang preisge- schob die langsam fliessende Mure die Remise me erreichen musste. Wo früher die Bahn auf geben. Brünigbahn und Brünigstrasse bleiben in des Hotels «Tell» samt Tanzsaal und allem In- einem zwei Meter hohen Damm mitten durch hohem Masse gefährdet und die Kommunikation ventar hinunter bis an den Bahndamm, ohne Äcker fuhr, durchquert sie heute auf eine Länge nach dem oberen Aaretal mit Grimsel- und Susten- auch nur die Hängelampen zu beschädigen! von 350 m eine bis auf Geleiseniveau ange- strang unsicher. Die Vornahme dieser Verbauung ist daher ein Gebot absoluter Notwendigkeit.» Ein Augenzeuge der Ereignisse berichtet: häufte Wüstenei von Steinen und Schlamm. Die Strasse wurde vollständig zerstört; durch Holz- «Während mehrerer Tage, bis Mittwoch den stege ist die Verbindung wieder notdürftig her- Dieses Gebot gilt noch immer. Im Siedlungsge- 26. August früh, waren Bahn und Strasse un- gestellt.» Die Bereitschaft, den schwer betroffe- biet Brienz, Schwanden, Hofstetten wohnen terbrochen, der Verkehr war nur per Schiff über nen, meist sehr armen Leuten im Kienholz zu heute gut 4000 Einwohner, teilweise im unmit- den See möglich. Die zahlreichen, mit dem helfen, die nicht einmal ihre Kartoffeln hatten telbaren Bereich der erwähnten Wildbäche. Dampfboot in Brienz angekommenen Reisen- ernten können, war im ganzen Kanton gross. Zum Schutze der Bevölkerung, der Verkehrs- den wurden eingeladen, drei grosse Trajekt- Lebensmittel und Geld wurden gespendet; wege und der Siedlungen mit allen lebensnot- schiffe zu besteigen, auf welchen sie mittelst vom Kegelklub bis zur Berner Liedertafel wollte wendigen Einrichtungen müssen bauliche und eines Schleppdampfers ans obere Ende des niemand zurückstehen. forstliche Arbeiten in den Einzugsgebieten wei- Sees geführt wurden. Hier wartete am östlichen tergeführt werden.

32 Nach der Lammbachkatastrophe von 1896 gab und bündig: «Das Kienholz ist die Kosten und Wohnquartier, und kein Mensch fürchtet sich es allerdings auch andere Stimmen! Pessimis- Mühen einer unendlich schwierigen Verbauung mehr vor einem Lammbachausbruch, im Ge- ten forderten allen Ernstes, das Dorf Kienholz nicht wert.» genteil! Eher trifft zu, was ein witziger Schwan- einfach zu räumen und aufzugeben. Das urbare der so formuliert hat: «D Brienser hein bald Land und die Häuser, wurde vorgerechnet, sei- Der gute Mann sah zu schwarz; die Massnah- zwenig Wildbäch fir drunder z buwwen.» en kaum Fr. 200 000.– wert, wogegen die Ver- men der Verbauungsfachleute und der Förster bauungen, die erst noch keine absolute Sicher- haben Früchte getragen. Dort, wo vor hundert heit böten, auf anderthalb Millionen zu stehen Jahren ein breiter Schuttstrom die «Lauenen» (Dieses Kapitel wurde vor dem Unwetter 2005 verfasst. Vgl. dazu Kapitel «Unwetter verändern Dorf und Gegend» kämen. Ein Korrespondent äusserte sich kurz verheerte, erstreckt sich jetzt ein schönes S. 50–63)

Die verschüttete Brünigbahnlinie im Kienholz. Museum für Kommunikation, Bern

33 Wie aus einem Sumpfgebiet Kulturland wurde

Max Gygax

Wer heute vom obern Ende des Brienzersees mit dem Auto oder mit der Bahn gegen Meirin- gen fährt, durchmisst eine ausgedehnte Ebene, in der sich neben einem Militärflugplatz schö- nes Wiesland und Äcker weithin erstrecken. In einem weitgehend ausbruchsicheren, mit Hoch­ wasserdämmen ge­schützten Bett fliessen die milchigtrüben Gletscherwasser der Aare dem See zu, während Seitenkanäle die von Norden und Süden herabstürzenden Bergbäche auf- fangen und sie, wo es möglich ist, in die Aare, oder dort, wo der Hochwasserdamm dies nicht zulässt, direkt in den Brienzersee ableiten.

Bis weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts bot das untere Haslital freilich ein ganz anderes Aare, Eisenbahn und Nationalstrasse im entsumpften Aarboden. Bild! Eine versumpfte, mit Schilf und wertlosem Riedgras bestandene, immer wieder über- gen eine Entwicklung einleiteten, unter der die schwelle bekundeten Brienzer und Hasler; sie schwemmte Ebene, die bei Hochwasser die Gegend über Hunderte von Jahren zu leiden staute nämlich den Abfluss der Aare aus dem ganze Gegend in einen einzigen See verwan- hatte. Zwei Ursachen seien hier kurz beleuch- See. Das wirkte sich verhängnisvoll aus, weil delte, aus dem oft nur noch die Bäume und tet. dadurch der Seespiegel um fast zwei Meter Scheunen herausragten, reichte vom Fuss des stieg, was zur Folge hatte, dass der Aarelauf Kirchets bis zum Brienzersee. Einen eindrück- Die Schwelle bei zwischen Meiringen und dem Brienzersee mit lichen Begriff von den damaligen trostlosen Schon vor 1450 errichteten die Mönche des seinem sowieso schon sehr geringen Gefälle Verhältnissen im Aareboden vermitteln Ansich- Klos­ters Interlaken in der Aare bei Unterseen noch mehr verlangsamt und gehemmt wurde. ten zeitgenössischer Künstler, so unter anderen eine Schwelle. Diese diente zum Betrieb von eine Umrissradierung von J. L. Aberli. Wasserrädern für gewerbliche Zwecke, aber Abgeholzte Bergwälder auch zum Fischfang, indem sich die aus dem Ebenso bedenklich wie die Unterseenschwelle Das war nicht immer so; noch anfangs des Thunersee aufsteigenden Alböcke, eine sehr war die von der Obrigkeit geduldete Raubwirt- 15. Jahrhunderts überzog gutes Mattland den geschätzte Felchenart und beliebte Fastenspei- schaft in den Bergwäldern. Zwecks Verhüttung Talgrund und lieferte auch genügend Winterfut- se, vor dem Hindernis stauten und dann leicht der in den Haslibergen vorkommenden Eisen- ter für das Vieh. In mehreren, heute verschwun- gefangen werden konnten. Für die Gottesmän- erze errichteten die Gnädigen Herren von Bern denen Siedlungen wohnten Bauern, die mit ner ging die Rechnung auf, berichten doch ver- Eisenschmelzen in Bürglen, Kaisten und im Vieh­zucht und den Erzeugnissen der Milchwirt- schiedene Chronisten von Fischzügen, bei de- Mühlethal. Zum Betrieb der Öfen wurde den schaft ein rechtes Auskommen hatten. Das än- nen oft Tausende von Alböcken in die Netze Pächtern erlaubt, jährlich mehr als tausend derte erst, als zu wenig überdachte Handlun- gerieten. Weniger Freude an der Unterseen- Klafter Holz zu schlagen. Das hatte verheeren-

34 de Folgen für den Wasserhaushalt. Der durch und den Lauf der Aare im Haslital zu begradi- Tieferlegung des Brienzersees und die Aus- den abgeholzten Wald bedingte, ungehemmte gen. Wohl wurden Fachleute mit der Ausarbei- trocknung der versumpften Ländereien» zustan- Wasserabfluss riss Rasen und Erde mit sich, tung von Plänen betraut, aber im Grossen Rat de kam. Es war aber auch höchste Zeit zu grub tiefe Runsen, welche seitlich und nach sorgten Einwände und Ausflüchte über Geld- handeln, denn daran, dass es sich bei den hinten erodierten und sich zu Wildbachgräben mangel und dringlichere Aufgaben dafür, dass Überschwemmungen und der Versumpfung entwickelten, in denen bei Gewittern die reissen- vorläufig nichts geschah. des Aarebodens um eine unvermeidliche, den Wasser Massen von Schlamm und Steinen schicksalshafte Heimsuchung handle, glaubte talwärts wälzten. Dieses Geschiebe wurde dann Neue Hoffnung keimte auf, als 1831 das kon- niemand mehr. Peter Ober, der verdiente in der Talebene abgelagert und füllte das Bett servative Patrizierregime abgelöst wurde durch Förderer Interlakens als Kurort, schrieb 1858 in der Aare auf, weil die träge Strömung es nicht eine liberale Regierung, in der – wie man hoffte seinem Reiseführer «Interlaken und seine Um- mehr wegzubringen vermochte. Durch die Ab- – nun wirklich Volksvertreter sässen. Tatsäch- gebungen»: lagerungen erhöhte sich das Flussbett ständig, lich schien sich nun etwas zu bewegen; auf so dass die Aare schon bei geringen Hochwas- Betreiben oberländischer Grossräte wurde ein «Sehr bald unterhalb Meiringen sieht man weit sern regelmässig über die Ufer trat. Das Was- für die Ämter Interlaken und Oberhasli wichti- ausgedehnte Flächen, die mit einiger Anstrengung und Sorgfalt der Cultur zugänglich ge­macht werden ser, das nicht mehr in das alte Bett zurückflies­ ges Werk projektiert: Es ging um die Schiffbar- könnten, versumpft oder höchstens noch Pferdefut- sen konnte, bildete stehende Tümpel und machung der Aare zwischen Thuner- und Bri- ter hervorbringend. Die Tieferlegung des Brienzer- verwandelte die Ebene mit der Zeit in ein enzersee und, damit verbunden, um die schon sees und eine Correction der Aare an einigen Stellen Sumpfgebiet, das keine erspriessliche landwirt- lange geforderte Absenkung des Brienzersees, eines solchen Werkes hat man längst eingesehen, aber die betreffenden Gemeinden sind ohne nach- schaftliche Nutzung mehr zuliess. Damit wurde von der man sich auch eine Behebung der Ver- haltige Unterstützung von Seite des Staates nicht im einigen der am meisten heimgesuchten Sied- sumpfung des Haslitals versprach. Stande, es auszuführen. Man beschäftigt sich ge- lungen schon bald die Exis­tenzgrundlage ent- genwärtig mit vorbereitenden Arbeiten zu dieser Entsumpfung; hoffentlich werden dieselben mit der- zogen; so musste beispielsweise das Dorf 1834 wurde die Regierung beauftragt, die Vor- jenigen Energie betrieben, welche das nützliche Bürglen in der Gegend des heutigen Hirsi auf- arbeiten für das Werk einzuleiten. Da der Auf- Unternehmen verdient.» gegeben werden. trag aber mit Einschränkungen und Vorbehal- ten gespickt war, blieb es ein weiteres Mal bei Trotz dem Bau von Dämmen und Schwellen blossen Absichtserklärungen. Die Ursachen Wie Ober in seiner Kritik antönt, hatten die Ar- durch die Grundbesitzer und Bäuerten, welche der erneuten jahrelangen Verzögerungen wa- beiten bereits begonnen, die zur Ausräumung sich dabei fast ruinierten, konnten die in kurzen ren vor allem finanzieller Art; eine Rolle als und Regulierung der Aare im Bödeli dienten Abständen auftretenden Überschwemmungen Bremser spielte wohl auch der seit 1837 im Re- und den Spiegel des Brienzersees um etwa ei- nicht verhindert werden. Bei den Betroffenen, gierungsrat sitzende Rudolf Schneider, der als nen Meter senkten. Und schliesslich genehmig- welche den Verheerungen machtlos ausgelie- «Vater der Juragewässerkorrektion» in die Ge­ te der Grosse Rat, vierzig Jahre nach der ersten fert waren, machte sich das Gefühl breit, im schichte einging und wahrscheinlich mehr Wert Bittschrift, ein Dekret, das die Aufgaben der Kampf gegen die Wassersnot auf verlorenem darauf legte, sein Lebenswerk zur Rettung des Haslitalentsumpfung so umschrieb: Posten zu stehen und vom Staat im Stich ge- Seelandes zu verwirklichen, als die nicht unbe- – Korrektion der Aare vom Brienzersee bis lassen zu werden. schränkten finanziellen Mittel zu verzetteln zur Lamm; durch ein weiteres grosses Unternehmen. – Entwässerung des Talbodens durch Versprechungen und Verzögerungen zweckmässige Kanäle; Ein Beispiel dafür liefert die Behandlung einer Das Gesetz von 1854 – Verbauung und Aufforstung der Bittschrift vom März 1826, in der die Regierung So dauerte es denn nochmals 20 Jahre, bis im Geschiebe führenden Wildbäche; aufgefordert wird, den Brienzersee abzusenken November 1854 endlich das «Gesetz über die – rationelle Flureinteilung.

35 Beginn der Korrektionsarbeiten Verteilschlüssel, der auf 100 Jucharten einen der für rasche Entscheidungen in besonderen Diesmal blieb es nicht bei einer wirkungslosen Vertreter vorsah: Fällen zuständig war und für die Ausführung der Absichtserklärung; das Werk galt als im öffent- Meiringen 25 von der grossen Entsumpfungskommission lichen Interesse liegend und wurde unverzüg- Brienz 6 gefass­ten Entschlüsse zu sorgen hatte. lich begonnen. Am 6. Mai 1864 schrieb der Re- Brienzwiler 1 gierungsrat des Kantons Bern an den Statthalter Hofstetten 1 Dieses engere Gremium zählte vier Mitglieder; des Oberhaslis: neben den Haslern Arnold Brügger, Notar, und Für Brienz nahmen Einsitz in dieser sogenann- Kaspar Egger, Wirt, waren darin vertreten Gross­ «Nach dem Gesetz über die Tieferlegung des Brien- ten Entsumpfungskommission: rat Johannes Flück von Brienz und alt Grossrat zersees und die Austrocknung der anliegenden Län- – Michel Peter, Gemeindepräsident Johannes Schild aus Brienzwiler. Als Experten dereien vom 23. November 1854 wird die Korrektion – Kehrli Jakob, Lehrer und Amtsrichter der Hasleaare und die Entsumpfung des Haslethales zur Prüfung und Verbesserung der verschiede- vom Brienzersee aufwärts bis nach Meiringen als – Stähli Kaspar im Oberdorf nen vorgeschlagenen Projekte amteten im Auf- zweiter Teil des Gesamtunternehmens bezeichnet. – Huggler Matthäus, alt Präsident trag des Regierungsrates die bekannten Was- Um die Interessen der an dem Unternehmen bethei- – Flück Jakob, alt Präsident, am Nussbaum serbauingenieure La Nicca, Bridel und Aebi. ligten Grundeigentümer zu vertreten und den ausfüh- renden Behörden in der Förderung und Leitung an – Flück Johann, Grossrat, am Fluhberg Regierungsrat Weber betreute als Entsump- die Hand zu gehen, soll ... eine Kommission einge- fungsdirektor das Unternehmen. setzt werden.» Als Präsident der Kommission von Amtes we- gen bestimmte der Regierungsrat den Statthal- Fragen und Abklärungen ter des Bezirks Oberhasle, Balthasar Otth. Da Nach den vorstehend aufgeführten organisato- Diese Kommission bestand aus 33 Mitgliedern, eine Kommission von 33 Mitgliedern verhältnis- rischen Vorarbeiten setzte sich die Entsump- die von den am Unternehmen betroffenen mässig wenig beweglich ist, ordnete die Regie- fungskommission mit den Experten in Verbin- Ge­meinden gewählt wurden nach folgendem rung an, einen kleineren Ausschuss zu bilden, dung zur Abklärung wichtiger Fragen über

«Plan Topographique vom Lauff der Aar im Ober-Hasli Thal bis zum Brientzer See. Auffgenommen im Dezember 1764.»

36 tung dieser und weiterer Fragen sollte ein Gut- achten der Experten liefern, die zusammen mit dem Ausschuss eine mehrtägige Begehung der betroffenen Gegend unternahmen. So wur- de der vom Brienzersee bis zur Wilerbrücke provisorisch abgesteckte Aarekanal besichtigt, ferner die rechtsseitig in die Aare einmünden- den Wildbäche bis zu ihren Quellen auf dem und Mägisalp in Augenschein ge- nommen und schliesslich noch der obere Teil des zu entsumpfenden Ge­biets von der Wiler- brücke bis zur Lamm.

Wenn die Kommission gehofft hatte, es werde nun zügig vorwärtsgehen, so sah sie sich bald Verlauf von Aare und Strasse auf Brienzerboden vor der Aarekorrektion 1866 –1876. (Ausschnitt aus Dufourkarte 1864) enttäuscht. Die Stellungnahme der Experten liess ungewöhnlich lange auf sich warten, und Strom­richtung, Gefälle, allfällige Profile des le, die Reihenfolge der Arbeiten und als schwie- unterdessen verschlimmerte sich die Versump- Aa­rekanals bei Hoch-, Mittel- und Niederwas- rigsten Punkt, die Kosten im Normalfall und bei fung des Aarebodens weiter. Im Spätherbst ser, Ufersicherungen, die Verwendung des nötigen Änderungen, die sich im Verlauf der 1865 riss der Kommission die Geduld, und sie Aushubs, die Verbauung der seitlichen Wildbä- Korrektionsarbeiten vielleicht als notwendig er- beauftragte ihren Sekretär, Notar Brügger, dem che, die nötig werdenden Entsumpfungskanä- weisen sollten. Grundlagen für die Beantwor- Entsumpfungsdirektor, Regierungsrat Weber,

37 einen ungeschminkten Brief zu schreiben, in chen, liegt dieses Jahr fast den ganzen Sommer gen und Ab­tausch sowie beim Erwerb von dem die tiefe Besorgnis über die verzweifelte über die Talfläche hin und versandete viele hundert Gebäuden und Festsetzung von Entschädigun- Jucharten. Gegenwärtig wird vom Aareschwellenbe- Lage und die unverständliche Untätigkeit der zirk eine Telle von Fr. 22.– vom Tausend erhoben und gen für zeitweise in Anspruch genommene Ob- Experten zum Ausdruck komme. Der Brief sei die Schwellen sind vom diesjährigen Hochwasser so jekte als unparteiische Instanz zu entscheiden hier auszugsweise zitiert, spiegelt er doch die hergenommen, dass in Aussicht steht, noch einmal hatte. Stimmung der ständig nur vertrösteten Bevöl- so viel bezahlen zu müssen, wenn nur das Allernot- wendigste gemacht werden soll. Ja, Herr Direktor, kerung sehr klar: wir sind hier in einer traurigen Enge, denn es ist zu Dieser Kommission wartete eine heikle und befürchten, dass in kurzen Jahren die Geschiebemas­ zeitraubende Aufgabe, galt es doch, nur für das sen sich so aufstauen, dass die Aare schon ober­- Herr Direktor! erste Teilstück vom See aufwärts bis zum halb des Bürglennollens in die Matten ausbrechen Gewiss eine der unangenehmsten Aufgaben ist, den wird. Deswegen, Herr Direktor, kommt die Kommis- «Obern Kehr» die häufig auseinandergehenden Behörden immer wieder mit Reklamationen in den sion zu Ihnen und hofft zuversichtlich, Sie möchten Ohren zu liegen, allein hier bricht die Not Eisen und Interessen von 88 Grundbesitzern zu berück- Ihren Einfluss geltend machen für dieses gemeinnüt- das mag im vorliegenden Falle als Entschuldigung sichtigen und auftretende Meinungsverschie- zige Werk und energisch einschreiten, um die ohne- dienen. hin schon finanziell zu stark gedrückte Bevölkerung denheiten zu schlichten. Wie durch ein Wunder nicht stehenden Fusses ihrem Ruin zu überlassen. verwandelte sich nämlich schier über Nacht Ihnen, Herr Direktor, wird noch in Erinnerung sein, Sie möchten ferner dem nächsten Grossen Rat das dass vor einem Jahr in Ihrer Anwesenheit die Exper- versumpftes, wenig einträgliches Land in sol- Dekret zur Sanktion vorlegen und Ihren hierseits nie ten HH. La Nicca und Bridel die für die Aarekorrek- ches von bedeutendem Wert und löste damit in Zweifel gezogenen guten Willen einsetzen, die tion und Haslethalentsumpfung aufgenommenen Herren Experten zur Abgabe ihres Befindens aufzu- auch entsprechende Entschädigungsforderun- Pläne mit der Lokalität Punkt für Punkt verglichen fordern. haben, um darüber ihr Befinden abzugeben. Ihre gen aus. damals der Kommission unter verschiedenen Malen Mit Hochachtung! ausgesprochene Ansicht und entschiedene Haltung Die Schätzungskommission, die Grundsteuer- in dieser Angelegenheit berechtigte zu den schöns- Für die Aarekorrektions- u. Entsumpfungskommission ten Hoffnungen. Sie, wie die HH. Experten und die schatzung und Kaufpreise der vergangenen Der Präsident: Otth Kommission, waren vom besten Geiste beseelt und Jahre mit den Forderungen verglich, stellte fest, Der Sekretär: Brügger man hegte die Erwartung, es werde nächstens mit dass diese plötzlich um mehr als die Hälfte hö- den Arbeiten begonnen und der Grosse Rat zur Aus- her lagen. Auf solche Begehrlichkeiten liessen sprechung eines Dekrets über Abzahlung und für Erkennung des üblichen Beitrags an die Korrektions- sich weder die Schätzer noch die Entsump- arbeiten angegangen. Was niemand dachte, erfolg- Es geht endlich vorwärts fungskommission ein, da sonst Hunderttau- te, indem nun mindestens ein Jahr abgelaufen ist, Das Schreiben wirkte; schon im Januar 1866 sende von Mehrkosten das Werk von Anfang ohne dass die Sache nur um einen Schritt dem Ziele näher gerückt wäre. Hier frägt man sich, wo das sto- lag der Entwurf zum gewünschten Dekret vor, an unzumutbar verteuert hätten. cke, die Kommission wird interpelliert, kann aber die das die Modalitäten der Aarekorrektion und der gewünschte Auskunft nicht geben, bloss ist gerücht- Entsumpfung regeln sollte, und nach der An- Die angedrohte Enteignung mit ungewissen weise zu uns gekommen, es fehle an dem Befinden nahme durch den Grossen Rat stand dem Be- der HH. Experten, dasselbe sei noch nicht eingege- Kosten sorgte dann dafür, dass die Grundei- ben. Was in der Sache wahr ist, weiss man nicht, das ginn des Unternehmens nichts mehr im Wege. gentümer doch einlenkten, umso mehr als die aber ist richtig, wenn nicht bald geholfen wird, der Kommission dem Regierungsrat vorschlug, es ganze Talboden zu Grunde geht. …Früher gingen Die Gemeinden Meiringen, Brienz, Brienzwiler sollten die Expropriationsentschädigungen, um Jahre vorüber, ohne dass man Einbrüche hatte, jetzt hat man deren alle Jahre und in letzter Zeit deren und Hofstetten bewilligten die Aufnahme eines eine Verzögerung der Arbeiten zu vermeiden, mehrere im gleichen Sommer. Man hätte vermuten Darlehens von Fr. 800 000.– bei der Eidg. Kas- direkt vom Obergericht festgelegt werden. sollen, die Technik werde Mittel finden, diese Übel- se. Eingesetzt wurde auch eine aus neutralen stände zu heben, weil vorauszusehen war, ...dass die Ge­schie­bemassen bedenkliche Umstände hervor Fachleuten ausserhalb der Amtsbezirke Inter- Ungeachtet dieser Schwierigkeiten begann das rufen müssten. Die Aare, an zwei Orten ausgebro- laken und Oberhasli bestehende Schätzungs- Werk planmässig und schritt gut voran. Gegen kommission, die bei Landankäufen, Abtretun- Ende des Jahres 1867 war das erste von

38 schliesslich acht Baulosen beendet, trotz eines von Flurwegen und Brücken, wobei abzuwägen Viel Aufwand und viel Ärger brachte auch das Hochwassers, welches das Tal bis hinauf nach war zwischen den Interessen der Landbesitzer dem Unternehmen gehörende Land. Der Ertrag Hausen in einen einzigen See verwandelt hatte, und den entstehenden Kosten. Wieviele Augen- an Gras und Erlenholz, soweit es nicht gefrevelt der stellenweise bis an die Baumkronen reichte! scheine, Sitzungen, Besprechungen mit allen wurde, musste jährlich öffentlich versteigert Beteiligten dazu nötig waren, geht aus unzähli- werden, oft in bis zu hundert kleinen Abschnit- Die naturbedingten Erschwernisse verhinderten gen Protokollen hervor, da – menschlich ver- ten, die gelegentlich kaum einen Franken ab- indessen das planmässige Fortschreiten der sich ständlich – jeder zuerst auf seinen eigenen Vor- warfen! Auch das war Aufgabe des Ausschus- nun talaufwärts verlagernden Arbeiten nicht, teil bedacht und nur selten von vornherein zu ses; ebenso wie später nach Beendigung eines ebensowenig verursachte der Ausbruch des Zugeständnissen an die Allgemeinheit bereit Bauloses die Verpachtung oder der Verkauf deutsch-französischen Krieges von 1870 / 71 war. Als wichtiger Erschliessungsweg wurde des nun nicht mehr benötigten Terrains. nen­nenswerte Verzögerungen. Verantwortlich übrigens damals die Strasse oben am See ge- da­f­­­­ür war in erster Linie der Ausschuss, der baut mit der eisernen Aarebrücke, an die sich Dem Unternehmen nicht eben förderlich waren sich mit täglich neu auftauchenden Widrigkei- ältere Brienzer noch erinnern. Zuständig für die- die verschiedenen Hochwasser während der ten zu be­fassen und sie möglichst schnell zu ses Werk, das auch den Brienzerberg leichter Bauzeit. Die angerichteten Schäden an schon lösen hatte. Auseinandersetzungen ergaben zugänglich machte, war die Gemeinde, die vom fertig erstellten Anlagen hatten aber auch einen sich mit den Bauunternehmern, den Landei- Aarekorrektionsunternehmen mit einem Beitrag Vorteil; sie verrieten, wo noch Mängel zu behe- gentümern und den kantonalen Behörden, gar unterstützt wurde. ben oder bessere Lösungen nötig waren. So nicht zu reden von den Sorgen, welche die erwiesen sich an einigen Orten die steinernen Geldbeschaffung bereitete. Ohne auf Einzelhei- Zu wehren hatte sich der Ausschuss auch ge- Flussböschungen als zu niedrig, was darauf zu- ten einzugehen, seien hier einige der unzähli- gen die missbräuchliche Verwendung der Kanä- rückzuführen war, dass sich die Aare, wie an gen kleineren und grösseren Aufgaben er- le und des neuen Aarelaufs. Kaum waren diese sich erwünscht, ihr Bett selber austiefte, dabei wähnt, die den Ausschuss kaum je zur Ruhe fertiggestellt, entdeckten Waldbesitzer und aber ein Abrutschen der Streichschwellen ver- kommen liessen: Holzhändler die bequemen und billigen Was- ursachte. Diese mussten mit grossem Aufwand serwege und versuchten, darauf Holz seewärts erhöht werden, damit nicht das Vorland wegge- Er hatte die Ausführung der angeordneten Ar- zu flössen, was zu Schäden an den noch nicht schwemmt und die Hochwasserdämme unter- beiten zu überwachen. Da ein Baulos in der Re- genügend verfestigten Uferböschungen führte. spült würden. gel dem billigsten Anbieter zugesprochen wur- Mit Recht wurde diese Flösserei verboten. de, lag für diesen die Versuchung nahe, bei der Hauptsorge – die Finanzen Ausführung unzulässig zu sparen. Tatsächlich Beinahe zu einer Neuauflage früherer Streitig- Die Hauptsorge des Unternehmens waren und kam es immer wieder zu Beanstandungen keiten kam es auch mit den Betreibern der Un- blieben die Kosten. Nötige Mehrbauten, wie die durch den Ausschuss, der in den meisten Fäl- terseenschwelle, die den Abfluss des Brienzer- Verlängerung der Aarekorrektion, die ursprüng- len nach zähem Feilschen durchsetzte, dass sees regelte. Im Juli 1874 wurde die regie- lich nur bis zur «Leelenen» unterhalb Meiringen mangelhafte Bauten, die nicht den vereinbarten rungsrätliche Entsumpfungskommission zum vorgesehen war, schliesslich aber bis zur Lamm Abmachungen entsprachen, auf Kosten der fünften Mal dringend ersucht, bei der Baudirek- weitergeführt wurde, verteuerten das Werk Unternehmer verbessert wurden. tion dahin zu wirken, den Brienzersee nicht so ebenso wie der zusätzliche Reichenbachkanal, weit aufzustauen, dass die Anpflanzungen gerecht- und ungerechtfertigte Entschädigungs- Durch den neuen Aarelauf und die vielen Kanä- oben am See ersaufen und die Strömung der ansprüche und viele nicht veranschlagte aber le wurde Grundeigentümern im Talboden der Aare noch eine Viertelstunde aufwärts verlang- nötige Arbeiten. All dies erhöhte die Ausgaben Weg zu ihren Ländereien abgeschnitten oder samt wird. und erforderte ständig neue Geldmittel. stark erschwert. Das erheischte die Erstellung

39 Anfänglich sah die Kostenverteilung für die Kor- Die undankbare Aufgabe der Einteilung und Mit einem weiteren Staatsbeitrag und der Um- rektion der Aare, die Entsumpfung und die da- Schätzung der Grundstücke oblag dem Aus- wandlung der erwähnten Restschuld in eine mit im Zusammenhang stehende Sanierung schuss, der mit zwei weiteren Schätzern ergänzt feste Anlage mit billiger Verzinsung und einer der seitlichen Wildbäche sowie die Flureintei- wurde, zu denen auch Amtsrichter Michel von vierzigjährigen Amortisationsfrist konnte aber lung und die Flurwege wie folgt aus: Brienz gehörte. Fatal wirkte sich in dieser Be- schlussendlich eine Lösung der finanziellen ziehung der deutsch-französische Krieg aus, Probleme gefunden werden, würdig dem er- Die Grundeigentümer übernehmen im Verhält- indem der Regierungsrat in Anbetracht «der folgreich in die Zukunft weisenden Werk. nis zum Mehrwert ihres entsumpften Landes bösen Zeit» für die Jahre 1870 und 1871 auf den – zwei Drittel der Kosten der Aarekorrektion; Bezug der Beiträge der Landeigentümer ver- Erfolgreiche Entsumpfung ­– sämtliche Kosten der Entsumpfungskanäle; zichtete, bzw. sie für diese Zeit sistierte. Von grosser Wichtigkeit für die Grundbesitzer – ein Drittel der Wildbachverbauungen und im untersten Teil der Aarebegradigung, d.h. vor Aufforstungen der vom Rosenlaui und dem Als dann bis Ende 1872 plötzlich Fr. 110 000.– allem auch für die Brienzer, waren die verschie- Hasliberg kommenden Gewässer; aufzubringen waren, gab es Schwierigkeiten denen Binnenkanäle. Diese leiteten die Neben- – sämtliche Kosten für die neue Flureinteilung und Unmut. Einerseits setzten sich die mit dem wasser direkt in den See, da sie nicht mehr der (Güterzusammenlegung) und die Flurwege. Einzug beauftragten lokalen Behörden bei den beidseitig mit Hochwasserdämmen eingefass- Schuldnern nicht durch, und anderseits leiste- ten Aare zugeführt werden konnten. Der Kanton übernimmt ten einige einflussreiche Grundbesitzer passi- – ein Drittel der Aarekorrektion, verbunden mit ven Widerstand; jedenfalls wurde die Sum­me Die ausgedehnte Ebene südlich der Aare wurde einem Drittel für Verbauung und Aufforstung von Fr. 110 000.– bei weitem nicht erreicht. und wird entwässert von einem Hauptstrang, der Wildbäche; der unter der Bezeichnung «Kanal» auf der Lan- – ein weiteres Drittel der Verbauungs- und Neben dieser Manifestation schlechten Willens deskarte vermerkt ist. Er mündet im «Brunnen» Aufforstungskosten; muss allerdings festgehalten werden, dass sich in den See und gilt als ausgezeichneter Forel- – alle wegen der Aarekorrektion nötigen viele Schuldner grossen finanziellen Schwierig- lenbach, was für seine gute Wasserqualität Verlegungen von Strassen und Brücken; keiten gegenüber sahen, die verständlich wer- spricht. – die Kosten der technischen Oberleitung. den, wenn die Kosten des 1876 mehr oder we- niger beendeten Werkes betrachtet werden. Der Gurgenkanal sammelt die Quellen und Ent- Dieser Finanzplan, der sich auf mutmassliche sumpfungswasser zwischen Aare und Ballen- Kosten von Fr. 1 300 000.– bezog, erwies sich Auf den 31. Dezember 1880, als die endgültige berg vom Ägelsee im Talgut bis in die Lauimat- aus Gründen, wie sie hier z.T. dargelegt wur- Schlussabrechnung vorlag, betrugen die Total- ten im Kienholz und führt sie parallel zur Aare den, sofort als unrealistisch. Insbesondere kosten der Aarekorrektion und Entsumpfung beim heutigen Kieswerk in den See. In einem klappte es mit den Einzahlungen der Grund- rund drei Millionen Franken. – Nach Abzug der weiteren Kanal fliesst der von Hofstetten her eigentümer überhaupt nicht. Diese hätten ab- Beiträge und Subventionen von Kanton und kommende Fulbach, der bis ins Kienholz dem gestufte Beiträge entrichten sollen, wobei ihr Bund sowie der bis dahin geleisteten Zahlun- Nordwestrand des Ballenbergs folgt. Er lagerte Land je nach Lage und Beschaffenheit in drei gen der Grundbesitzer verblieb für diese noch früher sein Geschiebe direkt im alten Aarelauf Klassen eingeteilt worden wäre, für die pro Ju- eine Restschuld von ungefähr Fr. 1 200 000.–, ab. Da dies nach der Korrektion nicht mehr charte Fr. 20.– bis 40.– verlangt wurden. eine untragbare Last, machte sie doch pro Ju- möglich war, blieben bei schweren Gewittern charte fast Fr. 380.– aus! Diese Kosten drohten Geröll und Schlamm auf den Matten liegen, das sonst so gelungene Werk zu entwerten, bis er in einer künstlichen Schale beim alten weil sie die nackte Existenz vieler Landeigentü- Aaregg in den See geleitet wurde. mer in Frage stellten.

40 Entsumpfung und Naturschutz In einem Gutachten, das 1875 im Hinblick auf eine Bundessubvention verfasst wurde, stellten Sachverständige bereits fest:

«Werfen wir noch einen Blick ins Haslital, durch wel- ches die Aare einst ... verheerend hinabwogte, so sehen wir nun diesen Wildstrom, in einem künst- lichen Kanal eingeschlossen, sanft und gleichförmig dahinfliessen; die Talfläche von ungefähr 15 Quadrat- kilometern ist von der Versumpfung und Zerstörung erlöst und infolge Verbesserung des Bodens und des Klimas eine überraschende Landesverschönerung erzielt und Vorteile errungen worden, welche nicht nur der er­wähnten Talschaft, sondern der Gesamt- schweiz zum Nutzen und zur Ehre gereichen.»

Gerade auch für die Brienzer besteht kein Zwei- fel, dass sich das Werk trotz fast erdrückender Kosten bewährt und mehr als gelohnt hat. Es verbesserte sich nicht nur der Gesundheitszu- stand der Bevölkerung, sondern vor allem blie- Ein letzter Zeuge des früheren Aarelaufes – die «Jägglisglunte». ben die Überschwemmungen aus, die Jahr für Jahr riesige Schäden verursacht hatten. Waren licher Heimwesen mit Wohnungen, was nach Jahreszeit Hunderte von Zelten und Wohnwa- früher die Bewohner der Talebene vor den zer- und nach zu der landwirtschaftlichen Überbau- gen, die einen wesentlichen Anteil an der touris- störerischen Wassern an die höher gelegenen ung führte, wie wir sie heute im Aarboden zwi- tischen Belebung und Vermarktung des Frem- Hänge geflüchtet, setzte nun, nach vollendeter schen Krummeney und See kennen. Damit ver- denkurorts Brienz beanspruchen. Aarekorrektion, eine umgekehrte Bewegung wandelte sich das der Aare abgerungene Land ein; es galt, das jetzt vor Überschwemmungen in verhältnismässig kurzer Zeit in Wiesen, Äcker, Erhalten geblieben ist glücklicherweise ein letz- gesicherte Land zu urbarisieren, anzubauen Getreidefelder und Gärten, kurz: in eine Kultur- ter Zeuge, der an die Zustände in der Aareebe- und nach und nach fruchtbar und ertragreich landschaft. ne vor der Korrektion erinnert. Etwa 500 m zu machen. oberhalb der jetzigen Aaremündung erstreckt Aufgefüllt, trockengelegt und wie der Militär- sich in süd­östlicher Richtung zwischen Aare Der mit Sand angereicherte Schwemm­boden flugplatz der landwirtschaftlichen Nutzung ent- und Kanal ein schilf- und binsenbewachsenes bot dazu günstige Voraussetzungen. Wichtig zogen wurde fast 100 Jahre nach der Aare- Sumpfgebiet, die sogenannte «Jägglisglunte». war auch, dass schon bald einige Land­ korrektion eines der letzten verbliebenen Sie zeigt ein ziem­lich ursprüngliches Stück des eigentümer beschlossen, sich im Talboden an­ Sumpfgebiete, nämlich das Aaregg, die frühere alten Aa­relaufs und bildet mit der von Büschen zusiedeln, um ihre Grundstücke rationell be­ Aaremündung, wo sich vor dem Seesträsschen und Bäumen umstandenen Wasserfläche eine wirtschaften zu können. Vielerorts entstanden zwischen dem «Labrator» und dem Fulbächlein einzigartige Naturlandschaft in der meliorierten, Scheunen und Ställe und besonders im Ge- ein grosses Schilfgebiet erstreckte. Heute ste- einförmigen Ebene. meindegebiet von Brienz eine Anzahl bäuer- hen auf diesem Areal während der warmen

41 Für die Tier- und Pflanzenwelt stellt die «Jägglis- menden weissen und gelben Seerosen. Leider «Um einen Teil des alten Aarelaufs zu bewahren und glunte» ein wichtiges Refugium dar, auch wenn sind auch diese botanischen Kostbarkeiten ver- als Lebensraum der natürlichen Pflanzen- und Tier- welt zu erhalten, wird die untere ‹Jägglisglunte› als verschiedene um die Jahrhundertmitte beob- schwunden, aus Gründen, die noch nicht ein- Naturschutzgebiet unter staatlichen Schutz gestellt.» achtete Arten heute leider verschwunden sind. deutig feststehen. Viele Vögel finden hier ein ungestörtes Brut- revier und Aufenthaltsgebiet für kürzere oder Die «Jägglisglunte» steht heu­te unter Natur- Im Zusammenhang mit dem Bau der linksufri- längere Zeit, so Fischreiher, Rohrdommel, Hau- schutz, nachdem ihr mehrmals Ge­fahr drohte, gen Brienzerseestrasse N8 kam es zu einer bentaucher und verschiedene Entenarten. aufgefüllt oder für andere Zwecke verwendet zu autobahnbedingten Landumlegung, bei der die werden. So bestand 1951 die Absicht, hier das gesamte «Jägglisglunte» vom Staat erworben Nicht sicher belegt war das von einzelnen Na- Aushubmaterial von umfangreichen Stollenbau- wur­de. Damit konnte das Schutzgebiet von bis- turfreunden behauptete Vorkommen des Fisch- ten abzulagern. Die Schwellengenossenschaft her 72 auf 200 Aren erweitert werden. Die Kos- otters, der lange in der Schweiz als ausgestor- Aarboden als Vertreterin verschiedener Grund- ten für den Landkauf wurden durch staatliche ben galt. Einen zusagenden Lebensraum bildet eigentümer bot der Direktion der eidgenössi- Naturschutzmittel und einen Beitrag des Bun- das Biotop auch für Ringelnattern, die beson- schen Bauten das Terrain an, was aus ihrer des gedeckt. In Staatseigentum gelangte bei ders während der Paarungszeit gut beobachtet Sicht verständlich war, da mit einer Auffüllung dieser Gelegenheit auch der «Brunnen» mit werden können. Von Bedeutung war früher Kulturland von viereinhalb Jucharten hätte ge- einem sehr kalten Grundwasseraufstoss. Das auch der kleine Verbindungskanal zwischen der wonnen werden können. Dem Vorhaben er- Gebiet gilt als geologisches und hydrologisches «Jägglisglunte» und dem See, das sogenannte wuchs aber aus der Bevölkerung lebhafte Op- Naturdenkmal. «Enten- oder Hechtenbächli»; es bildete lange position, und dem Gemeinderat wurde eine die wahrscheinlich einzige und letzte Laichstelle Initiative unterbreitet mit dem Begehren, die Die Erhaltung der «Jägglisglunte» ist mit der für Hechte im ganzen Brienzerseegebiet. «Jägglisglunte» unter Schutz zu stellen. Unterschutzstellung allein nicht gewährleistet. Die Belastung durch Nitrate aus den umliegen- Der Berichterstatter erinnert sich jedenfalls Verhandlungen der eingeschalteten kantonalen den landwirtschaftlich genutzten Flächen und noch lebhaft, wie er als Bub in den Zwanziger- Forstdirektion führten vorerst zu keinem Ergeb- die zunehmende Verlandung erfordern ständi- jahren in diesem Bächli einen grossen Hecht nis. Als dann aber ein paar Jahre später die ge Überprüfung und behutsame Pflege. Das erwischte, der sich in einer Brente versteckt Auffüllung dieses Überbleibsels des alten Aare- lässt sich verantworten und darf auch etwas hatte, die von einem Bauern zum «Gschwallen» laufs publiziert wurde, kam Bewegung in die kosten, weil das Schutzgebiet uns Nachfahren ins Wasser gelegt worden war. Dass wir Buben Angelegenheit, und die Naturfreunde, die sich vor Augen führt, wie das versumpfte Gelände und auch erwachsene Fischer in der Glunte für das zu schützende Gebiet einsetzten, fan- zwischen Meiringen und dem Brienzersee auch Elritzen (Grundelli) fingen, sei nur neben- den nun auch kräftige Unterstützung beim einmal ausgesehen haben mag. bei bemerkt. Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee. Nachtrag: Das seit 1880 erstellte Bauwerk zur Erwähnenswert ist auch die Flora in diesem Schliesslich kam ein Vertrag zustande zwi- Begradigung und Kanalisierung der Aare weist alten Aarelauf und im Hechtenbächli. Es würde schen der Forstdirektion, der Schwellengenos- inzwischen verschiedene Mängel auf. Dadurch zu weit führen, alle festgestellten Pflanzenarten senschaft und der Gemeinde Brienz, mit dem ist die Hochwassergefahr gestiegen. Insbeson- hier namentlich aufzuzählen; bemerkt sei im- der untere Teil der «Jägglisglunte» im Halte von dere das Hochwasser von 2005 hat zu erheb­ merhin, dass die Professoren Ritz und Welten zwei Jucharten dem Staat verpachtet wurde. lichen Schäden geführt. Deshalb informiert der um die Jahrhundertmitte über fünfzig verschie- Am 2. August 1968 fasste der Regierungsrat Kanton im Frühjahr 2011 über umfangreiche dene Wasser- und Sumpfpflanzen fanden, dar- den Beschluss: Sanierungspläne. unter die in der ganzen Region nur hier vorkom-

42 Die Jahrhundertstürme «Vivian» (1990) und «Lothar» (1999)

Rudolf Perren-Zurflüh

Sturm «Vivian» (1990) Februar 1990. Nach milden, schneearmen Win- Wolken von Wasserstaub, die der Sturm bis Um 16.45 Uhr fiel im Dorf der elektrische Strom termonaten nahte von Nordwesten her ein weit in die Gassen hinauf jagte. Packend war aus. Strassen und Gassen hüllten sich in ge- Sturmtief, das unserer Gegend am 14./15. Feb- es, dem wuchtigen Wechsel von Anrollen, Auf- spenstisches Dunkel, und wer auf Ölheizung ruar ausgiebige Regenfälle brachte. Am Än­ prall, Zurückgleiten und neuem Anlauf zuzu­se­ angewiesen war, hüllte sich bald in warmes derberg verschütteten mehrere Erdrutsche die hen. Im Sturm- und Regenschatten des «Bären» Zeug. Küchenkomfort schrumpfte bei Kerzen- Axalp- und die Giessbachstrasse. Wellenschlag stehend, spürte ich durch die dicken Gummi- licht und Spirituskocher auf Schutzhüttenbe- hob und verschob an verschiedenen Stellen die sohlen hindurch den Boden bei jedem Wellen- quemlichkeit zusammen. Nachts lauschte man Kronensteine der Quaimauer. schlag erzittern. Werden die alten Quaimauern dem Geheul des sich steigernden Sturms. Man solchen Riesenkräften standhalten? verspürte das Zittern des Hauses, hörte das Auf diese Regenstürme folgten einige unzeitge- mäss warme Frühlingstage. Aber schon nahte neues Unheil: Sturmtiefs, die vom Nordwest- Atlantik über Island und Skandinavien zogen, verlegten ihren Weg vom 23. an mehr und mehr nach Süden. Am 26. verwüsteten Orkane Nord- deutschland und vom 27. früh an fegten Stürme auch über Süddeutschland und die Schweiz hinweg.

Vivian tobt! Schon am Morgen des 27. Februar wälzten sich unter der schweren, tief hängenden Wolken­ decke lange, weissgesäumte Wellenkämme den bleigrauen See herauf. Stossweise peitschten Regenruten gegen die Hauswände. Auf dem Gang ins Dorf brachten einen heftige Wind­ stösse aus dem Tritt. In den Gassen lagen erste Ziegelscherben. Fensterläden hatten sich los- gerüttelt und schlugen gegen Hauswände. Auf dem Quai rutschte und flog abgerissenes Astwerk um die Wette mit allerlei kollernder, scheppernder Sturmbeute: ein Blechkessel, eine Giesskanne, Körbe … Meterhohe Wellen prallten mit dumpfem Donnern gegen die Quai- mauern, schossen hoch und zerstoben zu Gewalt der Wellen am 27. Februar 1990.

43 Ächzen und Krachen im Gebälk, das Klappern und Rutschen der Ziegel auf dem Dach und ihr Zerscherbeln am Boden – sofern man vor Schlimmerem verschont blieb.

Sein Zerstörungswerk In den Morgenstunden des 28. Februar erlahmte der Orkan. Die Dämmerung liess Folgen seines Wirkens erkennen: Auf den Dächern werkten Hausbewohner und Helfer mit Ziegeln und Pla- chen. Strassen und Trottoirs waren mit Scher- ben aller Art, zerschlagenen Blumentöpfen und anderem «Strandgut» übersät. In Gärten und Hofstätten lagen entwurzelte Bäume auf zer- brochenen Staketenzäunen. Während unter dem Fluhberg Bautrupps die Hauptstrasse räumten, stauten sich Autos zu langen Kolon- nen. Die Zentralbahn fuhr nicht. Cars verkehr- Unterspülter Parkplatz Lindellen. ten zwischen Meiringen und Interlaken. Die Gebäudeversicherung des Kantons Bern «Vivians» waren sie nicht mehr gewachsen. Besonders schwer hatten die Dächer des musste in unserer Gemeinde schliesslich an Unpassierbar war der Quai an seinem west­ Altersheims und zweier Häuser im Kienholz ge- die Reparaturen von 627 beschädigten oder lichen Zugang: Die Mauer vor der «Lindellen» litten. Dort und anderswo ragten First und zerstörten Gebäuden 3,9 Mio. Franken auszah- war zerschlagen und hinterspült bis weit unter Dachsparren leer in den Regenhimmel. In der len. den dünnen Asphaltbelag des Parkplatzes. Wydi hatte der Sturm einen Dachflügel losgeris- Beim «Löwen» hatten sich die Wellen bis an den sen und über die Strasse auf das Gasthaus Gross waren auch die Schäden in den Wäldern: Fuss der Hotelterrase eingefressen und dabei «Steinbock» versetzt. Ein Blechdach des «Ster- Am Änderberg fielen breite Schneisen auf, in die Rohre der Kanalisations-Hauptleitung, die nen» war gar über zwei Strassen und drei denen die Tannen wie Streichhölzer wirr durch- durch den Quai verläuft, weggerissen. Tiefe Häuser hinweg gesegelt und lag nun in der einander lagen. Über dem Hohgrat liessen ein- Einbrüche wies der Strandweg auch vor dem Schulhausstrasse. An der reformierten Kirche zelne in den Wolkenhimmel ragende, zerzauste Änderdorf auf. Kabel, Leitungsdrähte und das waren Schäden im Betrag von 23 000 Franken Tannen ahnen, dass auch der Bauwald arg Wurzelgewirr unterspülter Bäume lagen frei. entstanden. Herumfliegende Trümmer hatten heimgesucht worden war. Was in den Brienzer Ruhebänke hatten den Boden unter den Füs­ im Kienholz die Tanksäule einer Garage zusam- Gemeindewäldern sonst in 30 Jahren von Men- sen verloren und waren abgerutscht. Die Wel- mengeschlagen. Nachdem der Orkan die schenhand an Holz geschlagen wird, vermoch- len hatten eine zwei Meter breite Schwelimauer seeseitigen Fenster der Buchhandlung Mäder te der Sturm in einer Nacht zu Fall zu bringen! (Wellenbrecher) und die lange Schweli beim eingedrückt hatte, platzten auf deren Stras­ «Bären» zerstört. Vom Schiffschopf bis zum senseite die Schaufenster. Auch im Aarbo- Besonders stark hatte der Uferweg vor dem «Sternen» und vor der Grueben waren strecken­ den hinterliess «Vivian» grosse Schäden an Dorf, unser Quai, gelitten. Während 75 Jahren weise die Mauerkrone und das Eisengeländer Wohnhäusern, landwirtschaftlichen Gebäuden hatten seine Mauern den Unwettern im Gros­ weggerissen. und an Bäumen. sen und Ganzen standgehalten; dem Ansturm

44 Zerstörter Quai vor dem Änderdorf. Beim Kohlplatz östlich der Trachtbachmündung.

Die in den See vorspringende Trachtbachmün- Katastrophengebiet Brienz nützlicher Frist zu bewältigen. Um 11 Uhr berie- dung war auf ihrer Westseite von den Wellen Schon am 27. Februar wurden Gemeinde­ ten Gemeinderat und Chefbeamte mit dem frontal und mit voller Wucht getroffen worden; instanzen in Alarmbereitschaft versetzt. Am Regierungsstatthalter und einem Vertreter der auf einer Länge von 80 m waren die Mauern Nachmittag kamen die Baugruppe und die kantonalen Zentralstelle für Katastrophenhilfe zerschlagen, Teile des Quais abgerutscht, die Forstequipe zum Einsatz, ab 17 Uhr wurden die zu treffenden Sofortmassnahmen: Brienz Kanalisationsrohre lagen frei. Vor dem Kohl- Teile der Wehrdienste aufgeboten. Strassen wurde zum Katastrophengebiet erklärt. Eine platz lasteten entwurzelte Bäume auf Ruder- waren von umgestürzten Bäumen, herabgeris- Katastrophen-Organisation mit Krisenstab ord- booten. Scheinbar weniger gelitten hatten die senen Leitungsdrähten, Steinen und Ziegeln zu nete in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat Quaimauern vor Tracht, aber Risse und Sen- räumen. Der Verkehr musste geregelt werden. die vordringlichsten Massnahmen an: Räumung kungen im Weg deuteten auch hier auf verbor- Beschädigte Dächer und eingedrückte Fenster und Sicherung der Strassen, Sicherung des gene Schäden. Wie bei der Bärenschweli hatte waren provisorisch abzudichten. Ein Kamin- Quais vor weiteren Schäden, Aufgebote von auch bei der Schiffländte in Tracht Treibholz als brand verlangte fachmännische Hilfe. Aus dem Mannschaften, Beschaffung von Transportmit- Sturmbock gewirkt, und auf der vor wenigen Altersheim mussten 22 Bewohner evakuiert teln, Materialien usw. Jahren instand gesetzen Plattform der Schiff- werden. Nach Nachteinbruch erschwerte der ländte hatten die Wellen die Pflästerung aufge- Stromausfall die Hilfeleistungen. 4600 m3 Steinblöcke, vorwiegend aus dem rissen. Steinbruch Ballenberg, wurden als Wellenbre- Am 28. früh traf sich das Büro des Gemeinde- cher vor die zerstörten Quaimauern versetzt. Zum grossen Glück hatte die Sturmnacht keine rats zu einer Begehung mit anschliessender Schon am 1. März waren die am stärksten ge- Menschenleben gefordert. Lagebeurteilung. Ergebnis: Die gemeindeeige- fährdeten Stellen fürs Erste geschützt, Staats- nen Mittel reichten nicht aus, um die dringlichs- strasse und Trottoirs bis ins Kienholz instand ten Reparatur- und Sicherungsarbeiten innert gestellt und gereinigt.

45 Dorf und Kienholz konnten wieder mit elek­ Lagerung, Verkauf und Abtransport des gerüs- Holznutzung und damit der Verkaufsertrag trischem Strom versorgt werden; am 3. März teten Holzes die Forstorgane. Neben kleineren reduziert, der Pflegeaufwand hingegen blieb erhielten Engi und Giessbach, am 9. auch Axalp Unfällen verlief einer leider tödlich. – In den Jah- gross. wieder Strom. Nach aufwendigem Räumen und ren 1992 – 96 entstanden 7000 m3 Folgeschä- provisorischem Instandstellen durch Forst­ den (Käferholz). Die Wiederaufforstungsarbei- Revierförster Weber verweist aber auch auf equipe und Luftschutz war die Axalpstrasse ab ten wurden 2002 abgeschlossen. Holzverkauf positive Folgen: Verjüngung der überalterten 6. März abends wieder offen. Noch vor Ostern und Subventionen brachten 8,8 Mio. Franken Wälder, Aufforstung mit standortgerechten war der Quai auf seiner ganzen Länge mit Fels- ein. In den nächsten Jahren aber wurden die Baumarten, Abschluss der Walderschliessung. blöcken oder Pfählen gesichert. Am 11. April konnte der Krisenstab, der während 6 Wochen in unzähligen Sitzungen und Begehungen die Notmassnahmen geplant und geleitet hatte, dem Gemeinderat seine Auflösung beantragen.

Die Folgen des Unwetters beschäftigten die Behörden aber noch während Jahren: Nach sorgfältiger Planung begann 1993 der Wieder- aufbau des Quais. Bis zum Jubiläumsjahr 1996 entstand unter Ausnützung der winterlichen Seetiefstände eine neue, schöne Strandwegan- lage mit Bootshäfen und breiten Treppen zum See hinab (S. 56, 234 f.).

Enorm waren die Kosten, die der Sturm innert weniger Stunden verursacht hatte: Die Sofort- massnahmen (Sichern, Räumen usw.) ver- schlangen 850 000 Fr. Die Wiederherstellung des Quais (Planen, Projektieren, Ausführung) kostete schliesslich 12,2 Mio. Fr.

In den zerstörten Wäldern standen die Forst- gruppe der Gemeinde, Unternehmer, jugosla- wische Waldarbeiter und Zivilschutz in oft schwierigem Gelände vor schier unentwirrbaren Zuständen. Auf rund 140 ha Schadenfläche lagen 50 000 m3 Windfallholz, von denen 45000 m3 gerüstet und abtransportiert wur- den. 5000 m3 blieben zugerüstet liegen. Bis 1993 dauerten die Räumungsarbeiten, die 6,250 Mio. kosteten. Bis 1992 beschäftigten Brandwald im Giessbachtal.

46 Sturm «Lothar» (1999) Knapp neun Jahre später überfiel uns wieder ein Jahrhundertsturm.

Hatte sich «Vivian» während mehreren Tagen von Norden langsam auf unser Land zu bewegt, so tauchte «Lothar» am 26. Dezember 1999 überraschend innert Stunden von der Bis­caya herauf, verursachte in Frankreich, in Süddeutsch­ land, in der Schweiz und bis nach Österreich hinaus schwere Schäden. 110 Menschen kos- teten der Sturm und später die Räumungs­ arbeiten das Leben.

Über die Schweiz fegte er von 10 bis 12.30 Uhr hinweg. Im Flachland wurden Spitzengeschwin­ digkeiten von 140 bis 160 km/h gemessen, hier in Brienz 181 und auf dem Jungfraujoch gar 249 km/h! Innerhalb von 2 ½ Stunden verur- sachte «Lothar» in der Schweiz für 760 Mio. «Lothars» Zerstörungswerk an Dächern… Franken Waldschäden und für 730 Mio. Schäden an Gebäuden und an Fahrhabe. Am schwers­ten betroffen war das Mittelland; die Süd- und Süd- ostschweiz blieben verschont.

Hier in Brienz blies an jenem nachweihnacht­ lichen Sonntag vorerst der Föhn. Gegen Mittag aber wälzte sich die Sturmfront von Westen her den See herauf. Bald fegten heftige Windstösse über die Dächer, wirbelten durch die Gassen, rissen mit, was nicht niet- und nagelfest war. Meterhohe Wellen prallten wuchtig gegen die Quaimauern, wälzten sich die Ländten hoch, beschädigten und versenkten Boote. Im Dorf und im Kienholz räumte «Lothar» Ziegel von den Dächern, riss gar ganze Dächer los. Zerrissene Leitungsdrähte hatten Stromausfall zur Folge. Im Tierpark auf dem Fluhberg zerstörten stür- zende Bäume das eben neu erstellte Rothirsch- gehege und beschädigten die Volière. … forderte erste Schutzmassnahmen und grosse Räumungsarbeiten.

47 Fluhbergwald: Bäume knickten wie Streichhölzer. Zerstörungen im Tierpark.

Gestürzte Bäume sperrten auch die Axalp- und Nach dem Sturm bot sich am Nachmittag ein Angesichts der grossen Waldschäden erteilte andere Strassen. Auf dem Campingplatz See- erster Überblick über sein Zerstörungswerk. Im der Gemeinderat Revierförster Hanspeter bucht warf der Sturm Wohnwagen um; einer Dorf mussten noch vor dem frühen Einbruch Weber Kompetenz, deren Aufarbeitung zu or- wurde gar über die steile Böschung hinauf auf der Nacht die nötigsten Instandstellungs- und ganisieren und zu leiten: Fach- und Hilfskräfte das Bahngeleise gehoben. Auf Axalp setzte Schutzmassnahmen getätigt werden. In den waren einzustellen, Lagerplätze und Zufahrts- «Lothar» die Skilifte für einige Tage ausser folgenden Tagen und Wochen räumten Bau- wege mussten angelegt werden. In schwer Betrieb. equipen der Gemeinde die Strassen und Plät- zugänglichem oder gefährlichem Gebiet wur- ze. Auf beschädigten und zerstörten Dächern den Helikopter für Transporte eingesetzt. Bei In den Waldungen hinterliess «Lothar» 10 000 m3 werkten Zimmerleute und Dachdecker. Strom- den Räumungsarbeiten in steilem Gelände be- Windfallholz. Grosse Flächenschäden, wie «Vi­ leitungen wurden geflickt. An Gebäuden und in schädigte Steinschlag die Druckleitung zum vian» sie 1990 hinterlassen hatte, verursachte Gärten waren Sturmschäden so weit möglich Kraftwerk Giessbach. «Lothar» neun Jahre später nicht, er fällte «nur» zu beheben, gefällte Bäume mussten wegge- wenige oder einzelne Bäume in allen Wäldern. räumt werden. Der grosse Anfall von Holz weitherum erschwer­ te dessen Verkauf und drückte den Preis. Nach Auch auf seinem weiteren Weg ins Haslital hin- der Holzerei räumten Zivilschutz, Militär und terliess der Orkan schwere Schäden. viele freiwillige Helfer in den Monaten April bis

48 Juni und im September die Schadenplätze. Anschliessend besorgte die Forstequipe die nötig gewordenen Pflanzungen: In Fichten-­ wäldern (Axalp und Bauwald) mit Fichten, in Mischwäldern mit Buchen, Ahorn und Linden. Die beschädigten Waldstrassen wurden wieder instand gestellt.

Die Räumungs- und Instandstellungsarbeiten auf unserem Gemeindegebiet verschlangen Rie­ sensummen: Der Gebäudeversicherung Bern wurden 767 Schadenfälle gemeldet, die eine Gesamtschadensumme von 3,129 Mio. Franken zur Folge hatten. In den Wäldern verschlang die Verarbeitung von 10 000 m3 Fallholz 1,2 Mio.; Wiederherstellung und Bau von Strassen bean- spruchten 150 000 Fr.; die Wiederbewaldung kostete 75 000 Fr.; Gesamtschadensumme im Forstwesen: 1,425 Mio.

Der Erlös aus dem Holzverkauf im Betrage von 700 000 Fr. und 780 000 Fr. Subventionen er- möglichten einen Beitrag an geschädigte Wald- So wütete «Lothar» auf dem Campingplatz Seebucht. besitzer von 55 000 Fr. Gross war beide Male die Hilfsbereitschaft: Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Den beiden Jahrhundertstürmen kann aber Nachbarn leisteten erste Hilfe. Freiwillige Helfer Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- auch Positives abgewonnen werden: Altes und unterstützten die harte Arbeit der Baugruppe, sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im Baufälliges wurde nach dem Orkan durch Neu- der Forstequipe, der Wehrdienste und der Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- es, Dauerhaftes ersetzt. Dem Bau- und Repa- Zivilschutzleute. Die Hilfe vieler auswärtiger teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte raturgewerbe brachten die Stürme Arbeit und Freiwilliger, Vereine, Schulklassen, Zivilschutz- Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen Verdienst. Nach «Lothar» wurde das Rothirsch- detachemente und des Militärs unterstützte sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren. gehege im Fluhberg gleichzeitig repariert und und verkürzte die Räumungs- und Instandstel- erweitert. Der nach «Vivian» wieder aufgebaute lungsarbeiten wesentlich. Gedacht sei auch der und verschönerte Quai hielt «Lothars» Wellen- grossen finanziellen Unterstützung von Bund, schlag stand. Kanton und der vielen Spender. – Wir Brienzer haben viel zu danken.

49 Unwetter verändern Dorf und Gegend

Rudolf Perren-Zurflüh

Das Unwetter im August 2005 Hatten bis 1896 immer wieder schwere Unwet- sperrt die Zufahrtsstrassen aus dem Hasli und Ab 13 Uhr wird der Pikettzug an gefährdeten ter unsere Gegend verwüstet, so waren wir seit­ droht die Bahnlinie zu unterspülen. Dann bre- Stellen eingesetzt. Der Motorspritzenzug wird her von grösseren Wildwasserschäden ver- chen ihre Dämme zwischen Meiringen und um 18.50 Uhr aufgeboten, um überflutete Keller schont geblieben. Aufforstungen, Verbauungen Unterbach, später auch bei Brienzwiler. Dort leer zu pumpen. Die drei Motorspritzen reichen und die gemauerten Bachschalen, mit Hilfe von werden Wiesen und Äcker im Talboden über- bald nicht mehr aus, um überall zu helfen. Re- Bund und Kanton erstellt, hatten unser Dorf schwemmt. vierförster Hanspeter Weber rekognosziert die während hundert Jahren vor schweren Aus­ Lage oben im Rutschgebiet des Trachtbachs, brüchen bewahrt. Wir fühlten uns sicher. – Zu- Wehrdienstkommandant Roland Casagrande, wo sich vorläufig noch nichts verändert hat. Im erst die Stürme «Vivian» und «Lothar», dann das schon um 3.40 Uhr früh durch Anrufer alar- See vor den Bachmündungen häuft sich der Unwetter und die Ausbrüche des Tracht- und miert, bietet seine Offiziere auf. Sie besichtigen Schutt bis zurück in die Bachschalen. Um Glyssibachs im August 2005 überraschten und die zu dieser Zeit noch in ihren Mauerbetten to- 22.50 beginnt der Trachtbach von der Mün- belehrten uns. senden Bäche. Zu zweit gehen sie dann im dung an aufwärts überzulaufen Die dortigen Aarboden von Haus zu Haus die Anwohner an- Anwohner werden evakuiert und in der Dorf- Damals herrschte wechselhaftes, meist regne- zuweisen, mit ihrem Vieh zum Auszug bereit Turnhalle untergebracht, die vorsorglich bereits risches Wetter. Die Bäche führten viel Wasser, zu sein. 900 Sandsäcke werden vorsorglich ab- als Notunterkunft hergerichtet worden ist. Auch der Seespiegel stieg. Vom 20. August an goss gefüllt. Gemeinderatspräsident Peter Flück be- die Schale des Glyssibachs füllt sich immer hö- es fast dauernd wie aus Kübeln. Am 21./22. Au- rät mit dem Wehrdienstkader Lage und Mass- her mit Geröll. gust verursachte das Unwetter schwere Schä- nahmen. Die Bäche werden überwacht. den im Simmen- und Kandertal. In Thun und Bern trat die Aare über die Ufer.

In der Nacht von Montag auf Dienstag, den 23. August kurz nach 4 Uhr verschütten unter- halb Brienz die Bachtalen und der Hirscheren- graben die Staatsstrasse. Auch die andern Bäche sind stark angeschwollen, wälzen to- send Schutt talwärts. Sie lagern ihre schwere Fracht, des hohen Wasserstandes wegen, im See nahe ihrer Mündung ab. Im Aarboden dringt steigendes Grundwasser in Keller. Spä- ter quillt die Aare in ihr Vorland zwischen den Dämmen über. Im Kienholz droht der sonst harmlose Fulbach überzufliessen und reisst ein Brücklein weg. Ab 16 Uhr fliesst die Aare stel- lenweise über ihre Dämme, überflutet und Der Glyssibach überflutet den Dorfteil unter dem Fluhberg und das Birgli.

50 Viele Anwohner verfolgen das bedrohliche Ge- schehen im Schutz ihrer Regenschirme. Ein Bagger versucht beim Gemeindehaus den Durchfluss zu sichern. Dies gelingt aber nur unvollständig. Deshalb beginnt auch hier die Evakuierung der Anwohner.

Gemeinderatspräsident Flück und Wehrdienst- kommandant Casagrande beschliessen, das für ausserordentliche Lagen vorgesehene Ge- meindeführungsorgan (GFO) aufzubieten. Dem GFO gehören an als Stabschef Gemeindeprä­ sident Peter von Bergen, sein Stellvertreter Hans Linder, Gemeinderat Peter Ernst, Informa- tionschef Andreas Staeger, Gemeindeschreiber Thomas Dräyer, Wehrdienstkommandant Ro- land Casagrande, Wehrdienstvizekommandant Peter Messerli, Zivilschutz-Abschnittskomman- Überschwemmter Aareboden (oben links), vom Glyssibach überflutetes Birgli- und Fluhbergquartier. dant Alpenregion Peter Steiner und die Sekre- tärin öffentliche Sicherheit Therese Fischer.

Der See ist am Aaregg über die Ufer getreten. Um 23 Uhr werden dortige Anwohner mit Trak- toren bei überfluteter Strasse in Sicherheit ge- bracht. Auch der Quai steht unter Wasser.

Um 23.22 Uhr heulen die Sirenen: Alarm für die Gesamtfeuerwehr. Um 23.45 Uhr bricht der Glyssibach aus und überflutet das angrenzende Quartier. In letzter Minute können zwei Bau­ maschinen und das Feuerwehrgerät im nahen Magazin gerettet werden; eine Baumaschine wird verschüttet. Ab Mitternacht alarmieren Vi- zekommandant Peter Messerli und seine Leute auch die Anwohner oben am Glyssibach von Haus zu Haus und fordert sie zum Auszug auf. Kurze Zeit später bricht die Stromversorgung zusammen. In fast allen Dorfteilen herrscht fins- tere Nacht. Verschobenes und zerstörtes Haus am Glyssibach.

51 Mittwoch, den 24. August: Um 1.30 Uhr wird erstaunt festgestellt, dass im verwüsteten Bett des Glyssibachs fast kein Wasser mehr fliesst. Doch später ertönt plötzlich wieder ein Tosen und Grollen, und ein hoher Stoss Geschiebe wälzt sich über Bachbett und bebaute Umge- bung, drückt die hinter dem Gemeindehaus parkierten Autos an dessen Hinterwand hoch und ergiesst sich hinab zum See.

Auch der Trachtbach, nun schon zurückgestaut bis hinauf zur Dindlenbrücke, überflutet und ver­ wüstet anstossende Dorfbezirke. Die Wehr- dienstleute, durch die beiden Bäche getrennt, versuchen mit all ihren Mitteln Schutt und Wasser einzudämmen und abzuleiten und das Schadengebiet zu begrenzen. Schutt des Glyssibachs türmt Autos am Gemeindehaus auf. Während der ganzen Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch werden gefährdete Dorfteile eva- Eingeschlossen und fast nur über den See er- Im Umfeld der beiden Bäche sind Wiesen und kuiert. Die betroffenen Anwohner suchen und reichbar ist das Gebiet zwischen den ausge- Gärten überflutet, stehen Häuser im Schutt finden Unterschlupf bei Verwandten und Freun- brochenen Bächen. oder sind (auf der Ostseite des Glyssibachs) den, in beiden Turnhallen, in der Zivilschutz­ durch das Bachgeschiebe vollständig zerstört. anlage Kienholz, im Saal des Hotels Kreuz. Um 05.45 Uhr versuchen die Führungsorgane Die Wehrdienste, Freiwillige und Baumaschinen Notstromaggregate werden beschafft und ver­ einen ersten Überblick zu gewinnen: Vom sind vom Birgli bis zum Hotel Bären im Einsatz. sorgen die Notunterkünfte mit Licht. Freiwillige Lammbach bis östlich des Trachtbachs ist Nun wird auch der Zivilschutz aufgeboten. Hel- Helfer besorgen erste Verpflegung. Wohngebiet verschüttet. Die gefährdeten Quar- fer aus Nachbargemeinden stellen sich ein und tiere sind evakuiert. Die Wasserversorgung werden eingesetzt. Patrouillen überwachen die Auch das Altersheim muss nachts um 3 Uhr funktioniert nur noch in den unteren Dorfteilen; evakuierten Dorfteile. evakuiert werden. Seine Bewohner finden im Trinkwasser muss abgekocht werden. Im Aar- Schulhaus Hofstetten Notunterkunft, können boden steht das Wasser halbmeterhoch; die Gegen 9 Uhr ist die Lage an beiden Bächen so aber schon am Mittwoch wieder in ihr Heim Strassen- und Bahnverbindungen von und weit unter Kontrolle, dass mit der Strassenräu- zurückkehren – allerdings nur für einen Tag! nach Brienz sind unterbrochen. mung begonnen werden kann. Bis die Strassen frei sind, müssen Baumaschinen von einem Da im dreigeteilten Dorf die Verkehrswege Der anbrechende Mittwoch lässt die Unwetter- Dorfteil in den andern via Interlaken um den durch die beiden reissenden Bäche gesperrt folgen erkennen. Der Regen hat nachgelassen, See herum verschoben werden. Acht 20-Ton- sind und die Verbindung erschwert ist, arbeiten aber die Bäche tosen und spritzen noch immer nen-Baumaschinen und fünf 10-t-Bagger sind seit Mittwoch früh je ein Kommandoposten im über Schutt und Steine. Lange Tannenstämme schliesslich beschafft und eingesetzt. Zum Schulhaus Dorf und in der Zivilschutzanlage im Trachtbach und riesige Felsblöcke im Glyssi- Glück sind Mühlebach und Lammbach nicht Kienholz. bach zeugen von gewaltigen Wasserkräften. ausgebrochen.

52 Gemeinderatspräsident Flück und die Wehr- sein Schuttwasser durch die Dorfteile Tracht, Mutter und Tochter werden Dienstag, den dienstkommandanten Casagrande und Mes- Wydi, Gärbi und Schiffschopf, vom Bahnhof 6. September, unter grosser Anteilnahme zu serli überblicken und fotografieren bei einem bis zum Hotel Bären. Der See erstreckt sich Grabe getragen. Helikopterflug das Schadengebiet: weit in den Aarboden hinein und überflutet Bahnhofplatz und Quai. Die Räumungsarbeiten sind ununterbrochen im Am Glyssibach sind Teile des Baalenhangs ins Gange. In den Notunterkünften verpflegen und Bachbett abgerutscht. Bei Unterschwanden ist Um 10 Uhr bestimmt der Führungsstab die betreuen freiwillige Helfer und Helferinnen und der Bach ausgebrochen. Bachbett, Schwan- Prioritäten für das weitere Vorgehen: ein Betreuungsteam mit Frau Dr. Barbara Hoch- derstrasse und angrenzendes Gebiet sind hoch 1. Hauptstrasse öffnen. strasser und den Pfarrersleuten Steege und verschüttet. Allein am Glyssibach sind 11 Häu- 2. Bachbette räumen. Siffert die Evakuierten. Informationschef An­ ser zerstört und 24 beschädigt. 3. Nebenstrassen erschliessen. dreas Staeger benachrichtigt Bevölkerung und 4. Privatland und Häuser freilegen. Presse fortlaufend mit Bulletins über die Lage Wohngebiet im Birgli und am Fluhberg, die Der private Motorverkehr im Dorf wird zuguns- und allfällige neue Verhaltensvorschriften. Strassen, das Bahngeleise und das Strandbad ten der räumenden Lastwagen stark einge- sind mit Schutt überflutet. Die Fussgängerbrücke schränkt. Donnerstag, 25. August: In beiden Schadenge- unten am See und die befahrbare Brücke oben bieten wird geräumt, gesprengt und repariert. am Schwandergässli sind weggerissen. Das Unwetter hat zwei Tote gefordert: Um 11 Uhr Da der Wetterbericht wieder Regen ankündigt, werden die Schwestern Sigrist aus den Trüm- werden die Anwohner am Glyssibach aus ihren Der Trachtbach weist Rutschungen im Ritzwald mern ihres zerstörten Hauses im Birgli gebor- bisherigen Notunterkünften nach Oberried in und einen begrenzten Ausbruch am Rauenhag gen, die eine verletzt, die andere tot. Ihre Mut- die dortige Zivilschutzanlage verbracht, und auf. Bei beiden Strassenbrücken gestaut, fliesst ter wird erst am Donnerstag tot aufgefunden. dort versorgt und betreut. Auch die Bewohner des Altersheims müssen nochmals evakuiert werden, diesmal auf den Hasliberg in die Reha- Klinik.

Bundespräsident Samuel Schmid und Regie- rungsrätin Dora Andres besichtigen die Scha- dengebiete und anerkennen die gute Arbeit unserer Behörden und ihrer Helfer.

Im Gemeindeführungsorgan muss Stabschef Peter von Bergen aus gesundheitlichen Grün- den durch Kurt Schild abgelöst werden. Der Stab wird ergänzt durch Werner Flück (Ressort freiwillige Helfer), Willy Fuchs (Betreuung und Beratung), Hansruedi Müller (Polizei), Werner Grünig (Stabschef-Stellvertreter) und Peter Zumbrunn (Koordination Räumung).

Vom Trachtbach verwüstete Quartiere Gärbi, Wydi und Tracht.

53 In den nächsten Tagen stabilisierte sich die Lage zusehends. Die Anrissgebiete beider Bäche wurden weiterhin Tag und Nacht über- wacht. Ab Freitag, den 26. August stand Militär zur Verfügung und wurde bei der Räumung und zur Überwachung eingesetzt. Soldaten und an- dere Helfer räumten den See von Schwemm- holz. Evakuierte konnten nach und nach in die bewohnbaren Häuser zurückkehren. Trinkwas- serleitung, Postzustellung und Schulunterricht setzten wieder ein. Die nach Oberried Evakuier- ten konnten nach drei langen Tagen am Sonn- tag heimkehren.

Die Glückskette erklärte Sonntag, den 31. Au- gust zum Sammeltag für Brienz. Radio und Fernsehen unterstützten die Aktion mit Repor- tagen aus dem Schadengebiet.

Die Unwetterfolgen beschäftigten Führungsor- gane und Behörden noch während vielen Wo- chen und Monaten: Die Räumungsarbeiten ka- men dank der Hilfe von Militär, Zivilschützern, Feuerwehren und zeitweise bis zu 300 freiwilli- gen Helfern gut voran, konnten aber bis Winter- Trachtbach-Geschiebe dringt weit ins Dorf hinein. einbruch nicht vollständig abgeschlossen wer- den. Strassen und Wege, Wiesen und Gärten Den durch das Unwetter Geschädigten bot Be- Aber wir haben auch diesmal viel Hilfe erfahren: waren bis Ende September geräumt; das Dorf treuer Willy Fuchs Hilfe in Versicherungs- und Bund und Kanton halfen mit Beratern, Militär gewann sein früheres Gesicht grösstenteils zu- Entschädigungsfragen und bei der schwierigen und Hilfsmaterial und beteiligten sich an den rück. Am Glyssibach erinnerten Schuttmassen Suche nach Bauland. Kosten. 36 Feuerwehren schickten Hilfsdeta- und die Grundmauern zerstörter Häuser noch chemente. Zivilschützer, Soldaten, Schulklas- lange an die Unglücksnacht. Das Unwetter hat in wenigen Stunden viel Un- sen und freiwillige Helfer leisteten Tausende von heil verursacht. Zwei Tote sind zu beklagen. Am Tagewerken. Glückskette und Spender ermög- Für gute Benachrichtigung der Bewohner wur- Glyssibach verloren Anwohner Hab und Gut, lichten einen Fonds, aus dem Geschädigte un- de weiterhin mit Bulletins und Mitteilungen in andere erlitten Schäden an Gebäuden und terstützt werden konnten. – Wir danken! der Lokalzeitung gesorgt. An mehreren Infor- Land. Insgesamt wurden in unserer Gemeinde mationsanlässen orientierten Behördevertreter 245 Gebäude beschädigt. Die Schadensumme aus Gemeinde und Kanton, Geologen, Fürsor- beträgt 26,5 Millionen Franken. ge-, Versicherungs- und andere Fachleute die Umfassender berichten über dieses Geschehen und seine Folgen Andreas Staeger und Mitautoren im Buch Dorfbevölkerung. «DIE VERÄNDERUNG, Unwetter 2005», Brienz 2006.

54 Region Brienz im August 2005 – ein Katastrophengebiet.

55 Neu belebter Quai Schon kurz nachdem der von «Vivian» zerstörte Strandweg wieder aufgebaut und mit Sitztrep- pen zum See und dem neu gestalteten Hafen beim Hotel Bären belebt worden war, diskutier- te man da und dort über eine weitere Ausge- staltung der Anlage. War von den Spenden für die Wiederherstellung des Quais nicht noch Geld übrig?

Eine Spezialkommission arbeitete im Auftrag des Gemeinderates an der Neugestaltung. Der sehr moderne Vorschlag mit Betonmauern, künstlerisch gestalteten Wegbegleitern und einem Bühnenschiff auf dem Kohlplatz war in der Bevölkerung umstritten. Mit einer Initiative wurde eine Abstimmung zum Projekt und die Ausarbeitung einer Überbauungsordnung ver- Wasserspiele auf dem Quai beim Bärenplatz. langt. Diese Initiative wurde im März 2002 mit grossem Mehr angenommen. Der Gemeinderat Quai dem Stimmvolk in einer ausführlichen Ab- Geplant oder bereits ausgeführt sind folgende setzte eine neue Planungsgruppe ein. stimmungsbotschaft vor. Der Strandweg mit Arbeiten: Der Ländteplatz ist Empfangsraum seinen Plätzen und den geplanten Neuerungen unseres Strandwegs. Er ist von der Hauptstras­ Deren Mitglieder besichtigten Quaianlagen in war mit Text, Plänen und Zeichnungen an- se, vom Bahnhof und von der Schiffländte her der Ostschweiz, planten weiter und unterbrei­ schaulich dargestellt. Vorgesehene Verbesse- zugänglich. Seine Parkplätze sind von der Fuss­ teten im September 2004 der Gemeindever- rungen im Bereich Strandweg Glyssibach – gängerzone klar abgegrenzt. Seeseits führt eine sammlung konsultativ ein Vorprojekt, das Zu- Strandbad – Lammbach wurden erklärt. breite Treppe vom Platz zum erweiterten Boots- stimmung fand. hafen hinunter. Die neue, rechteckige Ummau- Ein Wegleit- und Informationssystem sollte den erung des Hafens wird vom Quai und von der In enger Zusammenarbeit eines Planungsteams Quai Fremden und Einheimischen erschliessen. vorderen Anlegestelle der Schiffländte aus be- der Firma Moeri & Partner, Bern, mit dem Ge- An die Gesamtkosten von 5,7 Millionen Franken gehbar sein. Ein Neubau könnte später den meinderat nahmen die Ideen langsam Gestalt würde die Gemeinde dank Subventionen, Spen­ Kiosk mit Billetverkauf der BLS, ein kleines an. Wir Brienzer erhielten bei mehreren Orien- ­dengeldern und weiteren Beiträgen noch Restaurant mit schützendem Vordach und die tierungsanlässen Einblick ins entstehende Pro- 515 000 Fr. zu leisten haben. Toiletten vereinigen. jekt. Wir wurden zur Mitarbeit ermuntert; Anre- gungen und Kritik wurden entgegengenommen An der Urnenabstimmung am 28. September Auf dem Kohlplatz erinnert an unsern Dichter und verarbeitet. 2008 gewann diese Vorlage die mehrheitliche Albert Streich (1897 – 1960) das von Arnold Zustimmung der Brienzer. Damit konnte unser Huggler (1894 –1988) geschaffene, von den Das schwere Unwetter im August 2005 verzö- Quai weiter ausgestaltet werden. Brienzer Frauen 1969 gestiftete Denkmal «Vre­ gerte diese Arbeiten. Aber im Juli 2008 stellte neli». Eine Bootrampe und Treppen ermög­ der Gemeinderat das Neugestaltungsprojekt lichen den Zugang zum See.

56 Auf diesem Platz sollen Musikanlässe, Theater- Fischerbrunnenplatz: Der zu Ehren Christian für den Quaiwärter, eine auch Behinderten zu- aufführungen und Dorffeste stattfinden kön- Fischers (1789 –1848), des Begründers der gängliche Toilette und einen überdachten War- nen. Er soll mit mobilen Bühneneinrichtungen Brienzer Holzschnitzerei 1923 von Hans Hugg- teraum. Den Bootsplatz schützt die begehbare und einer Tee­küche im dortigen Gemeindema- ler-Wyss geschaffene Brunnen wurde auf den Mauer vor Wellenschlag. gazin ausgestattet werden. Seine definitive Quai veschoben und kommt damit besser zur Ausgestaltung muss mit dem bevorstehenden Geltung. Rabatten mit Bäumen trennen die Neu gestaltet wird der westliche Zugang zum Ausbau der Trachtbachmündung koordiniert Parkplätze von der Fussgängerzone. Eine Reihe Quai, die Lindellen. Der 1992 nach dem Sturm werden. neu gepflanzter Bäume wird Schatten spenden. «Vivian» dort angelegte kleine Bootshafen wird Der See ist von diesem Platz aus nicht zugäng- zugeschüttet und dadurch die Fussgängerzone Der Bärenplatz erhielt schon nach dem Sturm lich, aber die Dorfländte der BLS-Schiffe ist erweitert. Westseits wird eine begehbare Schweli­ «Vivian» mit dem umgestalteten Hafen ein neues nahe. mauer einen neuen, etwas grösseren Boots­ Gesicht. Blumenrabatte längs der Hauptstras­ hafen schützen. Die nahe Kirche auf dem se und Bäume beleben ihn. Vom geplanten Kin- Am frisch geteerten Rössliplatz besteht entlang Burgstollen, das altehrwürdige Pfarrhaus, das derspielplatz auf der Ostseite steht bereits ein der Strasse ein Grünstreifen mit vier jungen Geburtshaus des Dichters Heinrich Federer Kletterhäuschen, und auf der dortigen Treppe Bäumen. Am östlichen Rand des Platzes um- (1866 – 1928) und der neue Hafen zeichnen den zum See sind Wasserspiele installiert. fasst ein neuer Bau mit Flachdach ein Magazin Westeingang unseres Strandwegs aus. Die Er- neuerungsarbeiten sind seit Herbst 2008 im Gange.

Informationstafeln und Wegweiser werden die Besucher leiten und auf besondere Orte und Sehenswürdigkeiten auf dem Quai und im Dorf hinweisen. Mit dem Rundgang «Auf dem Holz- weg» werden die vielfältigen Beziehungen un- seres Dorfes und seiner Bevölkerung zum Holz aufgezeigt. Ausgewählte Werke unserer Kunst- schaffenden bereichern künftig vermehrt die An­ lage. Kinderspielplätze, Brunnen, Wasserspiele, gepflegte Grünanlagen und die vielen Zugänge zum See gestalten den Quai zum Erlebnisbe- reich. Bänke und andere Sitzgelegenheiten und die Terrassen und Seegärten der Gaststätten laden schon jetzt zum Ausruhen und Verweilen ein.

Das demnächst hundertjährige Bauwerk mit seinem schönen Ausblick auf See und Berge erfährt eine Bereicherung und Verjüngung.

Quai mit Fischerbrunnen, Blick westwärts zur Kirche.

57 Neue Wildbachverbauungen überprüft. Verbesserungen konnten so noch Die Lehrerbrücke wurde bachaufwärts ver- Den durch die ausserordentlich massiven Nie- berücksichtigt werden. Schon im Herbst 2007 schoben und das Durchflussprofil dabei erhöht. derschläge im August 2005 angeschwollenen wurden die ausgearbeiteten Projekte den be­ Damit kam die 1. Etappe schon im Herbst 2009 Wildbächen und den Murgängen waren die be- teiligten Schwellenkorporationen von Brienz, zu ihrem Abschluss. stehenden Verbauungen nicht mehr gewachsen. Schwanden und Hofstetten zur Genehmigung Werden solche Wetterlagen wegen der Klimaer­ vorgelegt. Frühjahr 2010: Von der Lehrerbrücke abwärts wärmung künftig häufiger auftreten? Wie kann bis zur Hauptstrasse wird am Bachkorridor und unsere Gegend vor solch extremen Ausbrüchen Die Bauherrschaft obliegt der Schwellengenos- an Schutzmauern im Siedlungsgebiet gearbei- der Wildbäche geschützt werden? – Vor solchen senschaft Brienz, Präsident: Andrea Andreoli. tet. Beim Bachübergang in der Dindlen wird Fragen standen wir nach der Unglücksnacht anstelle der Brücke eine Furt erstellt. Die Tracht- vom 22./23. August 2005. Das enge und steile Grabengebiet beider Bä- bach-Brücke der Kantonsstrasse kann bei Stau­ che musste vorerst mit Strassen erschlossen gefahr seewärts verschoben und ihr Durch­lass Schon bei der Bewältigung des Schadenereig- und für Lastwagen und Baumaschinen zu- dadurch vergrössert werden. Nun wird die nisses (siehe S. 50–54) hatten die Behörden gänglich gemacht werden. Hauptstrasse links des Bachs seewärts erwei- von Gemeinde, Kanton und Bund eng zusam- tert, damit der Verkehr gegebenenfalls über die mengearbeitet. Nun beauftragte das kantonale Verbauungsarbeiten am Trachtbach verschobene Brücke und den rechtsseitigen Tiefbauamt ein Spezialistenteam der Firmen Im Frühjahr 2008 begannen die Arbeiten am Parkplatz umgeleitet werden kann. NDR Consulting Zimmermann, Thun, und Nie- Trachtbach unter der Oberleitung von Ingenieur derer + Pozzi, Uznach, mit einer «lokalen Andrea Pozzi. Die Realisierung soll in 3 Etappen Verbauungsmassnahmen am Glyssibach lösungsorientierten Ereignisanalyse» (LLE). In erfolgen: Mit der Leitung der umfangreichen und sehr un- intensiver Zusammenarbeit mit den Gemeinden terschiedlichen Arbeiten am Glyssibach konn­ten Brienz und Schwanden, mit kantonalen und 1. Erschliessung durch Strasse, Schutz- und die Ingenieure Mätzener und Wyss im Frühjahr eidgenössischen Fachstellen wurde untersucht Sicherungsbauten im Ritz und am Oberlauf. 2009 beginnen. Geplant ist, dieses Projekt in und aufgezeichnet, was sich in den verhängnis- 2. Korridor von der Lehrerbrücke bis und mit zwei Etappen, unterteilt in sieben Baulose bis vollen Stunden und Tagen im Gebiet der Wild- Hauptstrasse. 2013 zu verwirklichen. bäche abgespielt hatte. Das Ergebnis dieser 3. Ausmündung von der Hauptstrasse bis LLE diente den Ingenieuren und Behörden als zum See. Im Undersitsch wird ein mächtiger Damm bei Grund­lage für die Planung neuer Hochwasser- Murgängen das Bachgeschiebe wieder zurück schutzmassnahmen. Ein massiver Schutzdamm aus Steinblöcken in den Glyssibach leiten. Damm, Überleitrinne war bereits nach der Katastrophe am Rauen- und Ausleitbauwerk sind im Bau. Die oberhalb Die Planungsarbeiten für die Schutzprojekte hag erstellt worden. Nun entstand im Ritzgra- der bisherigen Bachschale erstellte Dosierstre- am Tracht- und Glyssibach begannen schon im ben eine grosse Sperrmauer. Sie und starke cke hat sich bei schweren Regenfällen bereits August kurz nach der Unglücksnacht. Es wirk- (Draht-) Ringnetze, in Abständen quer in die mehrfach bewährt. Hangsicherungen und Draht­ ten mit der Geomorphologe Markus Zimmer- Gräben gespannt, sollen Geschiebe auffangen netze schützten während der Bauphase mann, die Ingenieure Ruedi Mätzener und Peter und die Wucht der Strömung mindern. Unten Arbeitsplätze und Anlagen vor Rutschungen Wyss, Ingenieur Andrea Pozzi, weitere Fachleu- am Rauenhag verhindern der 40 m lange Ele- und Steinschlag. te und Vertreter von Bund, Kanton und beider fantenzaun längs dem rechten Bachbord und Gemeinden. Die geplanten Schutzbauten wur- Mauerdämme einen Ausbruch. Sie schützen Das Siedlungsgebiet wird mit starken Schutz- den von der Hochschule für Technik Rappers- das Dorfgebiet an der Alpgasse und oberhalb mauern links und rechts des Baches gesichert. wil an Geländemodellen im Massstab 1: 50 des Schulhauses. Dies und die Verbreiterung des Bachgerinnes

58 bedingt Verlegungen der Strasse nach Schwan- Für das Projekt Trachtbach rechnet man mit den und Glyssen, wovon auch erdverlegte Kosten von 14 Mio., für die Schutzbauten am Werkleitungen (Wasser- und Stromleitungen) Glyssibach sind 35 Mio. Franken budgetiert, to- betroffen sind. tal somit 49 Mio. Franken.

Bei der bisherigen Eisenbahnbrücke nahe der Bachmündung in den See konnte sich Ge- schiebe bei extremen Hochwassern stauen. Sie musste ersetzt werden. Seit Frühjahr 2009 wurde bergseits neben der alten Brücke der neue Brückentrog erstellt und dessen Einbau vorbereitet. Am 30. Oktober mitternachts wur- de nach minuziöser Planung die alte Brücke abgebrochen und der 340 Tonnen schwere Brückentrog um 9 m seewärts zum Bahndamm verschoben. Nach dem Einbau der Geleise, der Fahrleitungsmontage und abschliessenden Ar- beiten konnte der Bahnbetrieb am 2. November früh wieder aufgenommen werden. Weitere Arbeiten an den Widerlagern der Brücke, die Erweiterung und Sicherung der Bachmündung durch neue Flügelmauern und die Erstellung des Raubettgerinnes kommen planmässig vor- an.

Dass die neuen Schutzbauten nicht nur rein technische Zweckbauten, sondern auch ein Kul­ turgut sein werden, darum bemüht sich Land- schaftsarchitekt Daniel Moeri bei deren Planung und Ausführung: Mauern werden gegliedert, mit Natursteinen verkleidet, mit Baumnischen belebt. Längs der Bachschale bleibt begrünter Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Die neuen Wildbachverbauungen sind ein grossartiges, beispielhaftes Werk, das wir un- sern Behörden aller Stufen, den Ingenieuren, Technikern, Baufachleuten und Bauarbeitern zu verdanken haben. Das Ausleitbauwerk Undersitsch wurde 2010 fertig gestellt.

59 2005 2010

Gebäude der Gemeindeverwaltung beim Glyssibach am 25. August 2005.

2005 2010

Blick vom See zum Glyssibach.

2005 2010

Einmündung der Schwanderstrasse in die Hauptstrasse.

60 2005 2010

Bachbett des Glyssibachs im Gebiet Undersitsch.

2005 2010

Bachbett des Trachtbachs beim Restaurant Steinbock.

61 Hochwasserschutz Glyssibach: Bauarbeiten.

62 Bewegte Vergangenheit Reiterschild mit Wappen des Ritters Arnold von Brienz, aus Seedorf Uri, heute im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich. Ältester Wappenschild der Schweiz. Spuren aus dunkler Vergangenheit

Rudolf Perren-Zurflüh

1996 feierten wir «850 Jahre Brienz». So alt ist die Planalp hinterlassen. Als er sich vor etwa 10 000 Flussufern. Sie trieben neben Jagd und Fisch- Urkunde, in welcher der Ortsname «Briens» erstmals Jahren aus unserer Gegend zurückzog, lösten fang bereits Ackerbau, hielten Hund, Rind, auftaucht. «Briens» heisst es dort, nicht «Brienz». Wir Schaf, Ziege und Schwein als Haustiere. Sie sprechen den Dorfnamen hier also immer noch so sich an den Talhängen Erdrutsche. Der See aus, wie er 1146 gelautet hat. folgte dem Gletscher auf dessen Rückzug bis kannten Töpferei und Weberei. Nicht im Was- nahe an den Fuss des Kirchet, dem Felsriegel ser, sondern am Ufer errichteten sie ihre Pfahl- Schaut man noch weiter zurück, werden schriftliche zwischen Meiringen und . Unsere bauhütten. Reste solcher Siedlungen wurden Nachrichten aus unserer Gegend immer spärlicher. Wo Geschriebenes fehlt, können Gerätschaften, Gegend war wohl lange Zeit nicht besonders an den Seen im Mittelland und auch bei Thun Waffen, Schmuck oder gar Siedlungsreste aus vor- einladend, und zudem lag sie abseits vom gefunden, nicht aber an unserem See. Dass geschichtlichen Zeiten Licht ins Dunkel der Vergan- Durchgangs- und Siedlungsgebiet des Mittel- jedoch jungsteinzeitliche Menschen auch durch genheit bringen. Auch unsere frühen Vorfahren haben bestimmt solche Spuren hinterlassen, aber landes. unsere Gegend gezogen sind, oder dass sie hier hat man bisher nur wenig gefunden. Erdrutsche sich kürzere oder längere Zeit da niedergelas- haben zugedeckt, die fünf Wildbäche, auf deren Altsteinzeitliche Menschen, Neandertaler, ha- sen haben, kann auf Grund folgender Funde Schuttkegeln unser Dorf steht, haben immer wieder angenommen werden: In Meiringen wurde in begraben oder weggeschwemmt, was allenfalls ben in Höhlen in der Stockhornkette oberhalb wertvolle Aufschlüsse bieten könnte. Boltigen, Oberwil und Erlenbach Spuren hinter- einem «Pflanzblätz» ein Steinbeil gefunden. Als lassen. Die Fundstellen liegen auf 1845, 1230 neolithisch gelten auch die Steinkistengräber Am ehesten wären Funde wohl noch ausserhalb der und 1810 m Höhe. Sind solche Höhlenbären- mit Skeletten in Hockerstellung, auf die man Bach- und Rutschgebiete möglich: Am Änderberg, unter Balmen, in Höhlen und an andern geschützten jäger auf ihren Jagdstreifzügen wohl auch in beim Bau der Brienzerseebahn 1913 bis 1915 in Orten. Funde sind unbedingt dem Archäologischen unsere Gegend gelangt? An Höhlen und Unter- der Ursisbalm, Gemeinde Niederried, gestos­ Dienst in Bern zu melden, damit Grabungen und ständen hätte es in entsprechenden Höhen- sen ist. Oben im Dorf entdeckte Bestandesaufnahmen fachmännisch ausgeführt werden können. Auch Gewässer-, Flur- und Orts- lagen nicht gefehlt. Bisher hat man hier aber man gar jungsteinzeitliche Siedlungsreste. namen können über die frühe Besiedlung unserer keine altsteinzeitlichen Spuren gefunden. – Speerspitzen aus Feuerstein wurden in Matten, Gegend, über Sprache und Brauchtum damaliger Sicher nicht in unsere Gegend gekommen sind in Brienz auf Chüemad am Fusse des Tschin- Brienzer Auskunft geben. Sprachforscher wissen gels und am Rothorn (s. S. 69) gefunden. Herkunft und Entwicklung von Namen und andern die Rentierjäger, die gegen Ende der letzten Wörtern um Jahrtausende zurück zu verfolgen. Sie Eiszeit, etwa vor 14 000 bis 10 000 Jahren von suchen nach deren ursprünglicher Bedeutung, und Westen kommend, den Jura und die Nord- Bronzezeit (um 1800 –750 v.Chr.): Ein grosser sie erkennen, ob ein Flurname z.B. alemannischen, schweiz durchstreiften. – Im 8. und 7. Jahr- Fortschritt war die Entdeckung, dass Erze ge- römischen, keltischen oder gar vorindogermani- schen Ursprungs ist. tausend v.Chr. scheinen mittelsteinzeitliche schmolzen und zu Metallwerkzeugen gegossen Jäger und Fischer in den Jura, ins Mittelland und gehämmert werden können. Diese Erfin- und sogar bis ins Simmental vorgedrungen zu dung gelang wahrscheinlich in Kleinasien. Vor Wann erste Siedler sich in unserer Gegend nie- sein. Auch von ihnen fehlen im übrigen Ober- etwa 4000 Jahren, noch in der Jungsteinzeit, dergelassen haben, ist ungewiss. In der letzten land bisher Spuren. sollen erste Kupfergegenstände aus dem Mit- Eiszeit füllte der Aaregletscher unser Tal zeit- telmeerraum in unser Land gelangt sein, und weise bis auf eine Höhe von mehr als 1500 Me- In der Jungsteinzeit (ca. 3000 –1800 v.Chr.) war um 1800 v.Chr. wurden Erzeugnisse aus Bron- tern über Meer. Er hat Findlinge beim Kurhaus unser Land stark bewaldet. Damalige Men- ze, einer Legierung von Kupfer und Zinn, mehr Axalp und unter dem Schyberg, aber auch auf schen siedelten gerne an offenen See- und und mehr verbreitet. Da in unsern Gegenden

65 kaum ausreichende Mengen von Erzen gewon- der Besiedlung, gesellschaftliche Struktur und nen werden konnten, müssen Rohmaterial und damaliges Geschehen sagen die bisherigen Fertigprodukte durch Tauschhandel eingeführt Funde wenig oder nichts aus. Dass Bronzeleute worden sein. Dass aber geschickte Handwer- auch unsere Gegend aufsuchten, ist belegt, ker auch hierzulande bronzene Werkzeuge, aber eindeutige Beweise für eine dauernde Waffen und Schmuck zu giessen und zu for- Besiedlung der oberen Seegegend und des men verstanden, beweisen Gussformen aus Haslitales fehlen noch. Aus vorkeltischer Zeit Sandstein und Lehm. Geräte aus Stein, stammen zahlreiche Gewässernamen, u.a. Knochen, Horn und Holz blieben bei der vor- Aare, Simme und Saane, deren ursprünglichen wiegend Ackerbau und Viehzucht treibenden Sinn die Sprachforscher mit «in Bewegung set- Bevölkerung weiterhin im Gebrauch. zen», «rinnen», «fliessen» deuten, sowie Kander und Lütschine mit der Bedeutung «weiss», Wie in der Jungsteinzeit waren auch in der «leuchtend», «hell». Bronzezeit See- und Flussufer bevorzugte Siedlungsräume. Aber auch Anhöhen wurden Eisenzeit (750 – 58 v.Chr. – erste Jahrzehnte besiedelt und oftmals mit Wällen, Mauern und nach Christus: Um die Mitte des 8. Jahrhun- Holzwerk gesichert. Nächstliegendes Beispiel derts v.Chr. begann Eisen die Bronze im Raum einer solchen befestigten Höhensiedlung ist die zwischen Alpen und Jura zu verdrängen. Eisen- Bürg bei Spiez, wo man Geräte aus Feuerstein, erz war, im Gegensatz zu Kupfer und Zinn, anderem Gestein und Knochen aus der späten auch in unserem Land zu finden. Jungsteinzeit, darüber Dolchmesser und Haus- Bronzedolch, gefunden auf Axalp. geräte aus Bronze sowie verzierte Tonscherben Infolge einer Klimaänderung stiegen in der älte- gefunden hat. – Ihre Toten begruben die dama- 1930 fanden Bauarbeiter an der Grimsel ein ren Eisenzeit (Hallstatt-Kultur, 750 – 450 v.Chr.) ligen Menschen in Hockerstellung oder ausge- bronzenes Votivbeilchen, wahrscheinlich die die Seespiegel. Ufersiedlungen wurden aufge- streckt in Flach- oder Hügelgräbern. Später Weihegabe eines Passwanderers, der sich geben; die immer noch mehrheitlich bäuerliche wurden Tote auch kremiert; die Knochenreste damit in der unwirtlichen Gegend den Schutz Bevölkerung wohnte wohl in Einzelgehöften. bestattete man zusammen mit Beigaben in höherer Mächte erwirken wollte, und 1969 sties­ Hügelgräber mit reichen Beigaben und befes- Urnen. sen Kristallsucher in einer Felsspalte nahe der tigte Fürstensitze lassen vermuten, dass Häupt- Grimselpasshöhe auf ein weiteres Bronzebeil. lingsfamilien sich Reichtum und Herrschafts- In unserer Gegend sind bisher nur vereinzelt Diese Funde beweisen, dass der Pass damals rechte erworben hatten. Aus Griechenland und bronzezeitliche Relikte entdeckt worden: Auf schon begangen war. In der Städlen, nahe Italien eingeführte Waren beweisen regen Han- der Axalp fand Adolf Schild-Simon 1930 eine Niederried, fand man in einem Frauengrab del. Im Oberland fehlen bisher Funde aus der Bronzedolchklinge, die einst mit 4 Nieten in Armringe aus farbigem Glas, Fingerringe aus älteren Eisenzeit. Hat die Klimaverschlechte- einem Griff aus vergänglichem Material befes- Silber und Bronze und Fibeln (Gewandnadeln). rung die wohl ohnehin nicht zahlreiche Bevöl- tigt war. Vom Südhang des Grindelgrates über Verschiedene Einzelfunde auf dem Bödeli las- kerung vertrieben? Rosenlaui, 2130 m ü.M., stammt eine Bronze- sen vermuten, dass sich dort bronzezeitliche axt. Waren es herumstreifende Jäger oder Siedler niedergelassen haben. – Am Thuner- Keltische Kultur prägt die jüngere Eisenzeit (La- Schafhirten, die ihr Gerät dort oben verloren see, wahrscheinlich auf dem Bödeli, vielleicht Tène-Kultur, ab etwa 450 v.Chr.) in unserem haben? Beim Hausenstein unweit Meiringen lag gar im Raume Ringgenberg/Niederried haben Lande. Bisher nahm man an, die Kelten oder unter Geröll ebenfalls ein Bronzedolch. Bronzeleute gewohnt. Über Dauer und Dichte Gallier seien, vor den nachdrängenden Germa-

66 nen weichend, aus Süddeutschland in unser schen den Seen), aber auch Frutt (Sturzbach, römischer Weganlagen fand man in der Rugen­ Land eingewandert. Nun vertreten Forscher die Einschnitt), Gummi und Gummen (Mulde). au (Interlaken). In der unterirdischen Kirche Ansicht, das Keltentum sei «an Ort und aus der von Meiringen liegt vor dem romanischen bestehenden Bevölkerung» nach und nach er- Römerzeit (58 v.Chr. – erste Jahrzehnte n.Chr. Hochaltar eine behauene Steinplatte, von wachsen, möglicherweise im Zusammenhang – 460 n.Chr.): Bedrängt durch die Germanen der man vermutet, sie stamme aus einem mit der Ausbreitung einer neuen Religion. – aus dem Norden, beschlossen die Helvetier, römischen Bauwerk. – Galloromanischen Ur- Griechische Schriftsteller und der römische nach Gallien, an die untere Garonne, auszu- sprungs sind Flurnamen wie Funtenen (Quelle, Feldherr Gajus Julius Cäsar geben erstmals wandern. Der römische Feldherr und spätere Brunnen), Gorgen, Gurgen (Quelle, Wasserstru- schriftlichen Bericht über die Celtoi oder Gallier. Kaiser Gajus Julius Cäsar schlug sie 58 v.Chr. del), Urserli, Urseren (von Ursus, Bär), Gampelli Sie seien von hohem Wuchs, mit blondem, bei Bibracte, in der Nähe von Autun (Burgund) (Campus, Feld), Planalp, Rotschalp, Chäseren, strähnigem Haar. Die Frauen stünden den Män- und zwang sie, in die eben verlassene Heimat Alpiglen, Alpogli (kleine Alp), Tschingel (Gürtel, nern weder in Leibesgrösse noch Stärke nach. zurückzukehren und die vor dem Auszug ver- Felsband), Tracht (ziehen, schleppen) und Kir- Sie seien sehr kriegerisch, aufbrausend und brannten Wohnstätten wieder aufzubauen. chet (Kehren). Aus dem Wortschatz der Sennen wild, aber von einfacher Gemütsart und ohne Römische Soldaten und Beamte kamen aber haben u.a. Käse, Turner (Drehgalgen, an dem Bosheit. – Reich verzierte Gewandfibeln, Gür- erst zur Zeit um Christi Geburt in unser Land. das Chäschessi hängt), Vollen (grosser Trichter), telschnallen, Schwertscheiden, kunstvoller Sie – und später auch ausgediente Legionäre Gasteren (Schlafstätte der Sennen) und Figler Bronze- und Goldschmuck, Ornamente mit – bildeten eine dünne Oberschicht in der wei- (Schweinekoben) lateinische Wurzeln. Zusam- stark stilisierten Tierelementen beweisen terhin keltischen Bevölkerung. men mit den hier in höheren Lagen recht häufi- Schönheitssinn und Kunstfertigkeit. Kelten wa- gen Flurnamen romanischen Ursprungs lassen ren gute Ackerbauer, Viehzüchter und ge- Eine rund 250-jährige Friedenszeit unter römi- sie schliessen, dass unsere Alpweiden schon in schickte Schmiede; sie prägten Münzen, kann- scher Herrschaft brachte unserem Land Si- galloromanischer Zeit bestossen wurden. ten die Töpferscheibe und die eiserne Pflugschar. cherheit, eine blühende Wirtschaft und regen Handel. Das Mittelland und wichtige Alpenpäs- Um 260 n.Chr. durchbrachen die Alemannen Zu den Kelten zählten verschiedene Völker- se wurden mit guten Strassen erschlossen. erstmals den römischen Grenzwall in Süd- schaften und Stämme, die sich aber nie zu ei- Städte mit Tempeln, Theatern und Arenen, deutschland und drangen über den Rhein in nem festen keltischen Staat zusammenschlos- Villen (Landsitze) mit Bad, Heizung, Mosaiken Helvetien ein. Städte und Villen plündernd und sen. Im schweizerischen Mittelland wohnten und Wandmalereien entstanden. Die Einheimi- zerstörend zogen sie durchs Mittelland und gegen das Ende der jüngeren Eisenzeit Helve- schen übernahmen lateinische Sprache und über die von den Römern erschlossenen Alpen- tier. Grabfunde beweisen, dass das Aaretal von Kultur; keltische Überlieferung und römische pässe, kehrten aber wieder in ihre Heimat zu- Thun an abwärts recht dicht besiedelt war. In Zivilisation vermischten sich zu galloromani- rück, nachdem sie bei Mailand von den Römern unserer Gegend zeugt bisher einzig das er- schem Wesen. geschlagen worden waren. Die Römer gaben wähnte Frauengrab bei Niederried von jener Süddeutschland auf, verlegten ihre dortigen Zeit. Zwei Armringe und ein Schmuckgehänge Unsere Gegend blieb wohl länger keltisch, Truppen hinter den Rhein und befestigten das aus Glas, drei Fingerringe aus Silber und bevor lateinische Sprache und Brauchtum auch linke Rheinufer mit Kastellen. Um die Mitte des Bronze und zwei Bronzefibeln hatte man der unser Tal erreichten. Die lange Friedenszeit kam 4. Jahrhunderts folgten weitere Alemannenein- Verstorbenen ins Grab mitgegeben. Keltische aber sicher auch ihr zugute. Münzfunde auf fälle. Die galloromanische Bevölkerung, durch Wurzeln haben in unserer Gegend u.a. die dem Bödeli, in Niederried, am Hasliberg, auf Raubzüge reduziert, baute zerstörte Städte und Orts- und Flurnamen Brienz (von *brig- = er- dem Kirchet und in Innertkirchen stammen aus Dörfer kleiner und enger wieder auf und suchte höht), Axalp (von *aksa = Weide), Interlaken (frü- römischer Zeit. In Unterseen stiess man auf sie mit Ringmauern vor neuen Alemannenein- her auch Inderlappen), von *enter lopas = zwi- römische Gräberfelder mit Beigaben. Spuren fällen zu schützen.

67 Wie hat wohl unsere Gegend den Alemannen- wie Planalp und Teiffental ausgewichen? – Seit Eisenmesser und Teile von Gürtelschnallen. zug um 260 und die unruhigen zwei Jahrhun- gut zwei Jahrhunderten hatten sich Alemannen Aus einem Seitenkanal der Aare bei Interlaken derte danach erlebt? Weder Urkunden noch und Galloromanen im Mittelland kennen gelernt stammt eine eiserne Lanzenspitze. In Unter- Funde berichten aus dieser Zeit. Sind Plünderer und vermutlich auch schon vermischt. Wenn es seen stiess man an der oberen Gasse auf bis an den oberen Brienzersee gelangt? Wohl hier anfänglich auch zu Auseinandersetzungen Gräber aus der Zeit um 890. Wann wurde wohl kaum. Aber zumindest indirekt werden damali- zwischen Ansässigen und Zuzügern gekommen der Inschriftstein mit Runenzeichen im Tänneli ge Brienzer vom Zusammenbruch römischer sein mag, wird man sich wohl im Verlaufe eini- am alten Axalpweg beschriftet? Unbestimmt ist Kultur mitbetroffen worden sein. ger Generationen zusammengefunden haben. auch das Alter des Skelettgrabes, auf das man Man lernte voneinander. Die wachsende ale- in Brienz 1932 beim Bau der Feldstrasse nahe Alemannische Siedler kommen: 401 n.Chr. fie- mannisch sprechende Bevölkerung übernahm deren Kreuzung mit der Alpgasse stiess? Die len Goten unter Alarich in Oberitalien ein. Die von den Ansässigen die Alpwirtschaft und meisten unserer Orts- und Flurnamen sind römischen Legionen in Helvetien wurden zu damit verbundene Bräuche, Ausdrücke und deutschen Ursprungs, was natürlich nicht heisst, deren Abwehr benötigt. Mit den Soldaten zogen Flurnamen; die wahrscheinlich nicht zahlreiche dass sie alle aus der Alemannenzeit stammen. auch die römischen Beamten ab. Die Rhein- Urbevölkerung übernahm mit der Zeit Brauch- Als alt werden viele auf -ingen und –igen en- grenze stand den Alemannen offen. Aber erst tum und Sprache der dominierenden Zuzüger dende Ortsnamen angesehen. Die Alemannen um die Mitte des Jahrhunderts drangen sie und ging in diesen auf (s. S. 67). benannten Siedlungen mit dem Namen des erneut über den Grenzfluss. Sie siedelten sich Anführers oder Gründers der dort wohnenden sippenweise zuerst in der Nord- und Ost- Hielten die ersten alemannischen Siedler noch Sippe. So könnte Ebligen «bei den Leuten des schweiz an. Es scheint, dass dort bald galloro- an ihrem alten Götter- und Geisterglauben fest, Obilo» bedeutet haben, Meiringen «bei denen manische Helvetier, z.T. in befestigten Orten, oder hatten sie sich schon früher zur christ- des Meiers», eines grundherrlichen Beamten, und alemannische Zuzüger nebeneinander lichen Lehre bekehren lassen? Den Toten Waf- Bönigen «bei der Sippe des Bôno». Alt seien in lebten. Im Verlaufe des 6. und 7. Jahrhunderts fen und anderes ins Grab mitzugeben, war ein der Regel auch Namen wie Hausen und Husen. liessen sich Alemannen im Nordjura und im heidnischer Brauch, der mit der Christianisie- Die Namen mit –wil und –wiler sollen später Mittelland bis in die Gegend um Bern nieder, rung erlosch. Gräber mit Beigaben auf dem entstanden sein, als der ursprüngliche Sied- und wahrscheinlich um 700 erreichten erste Bödeli stammen also noch aus heidnischer lungsraum erweitert wurde. Orts- und Flur- deutschsprechende Ansiedler das Nordufer Zeit. Andererseits stiess man in unter bezeichnungen wie Schwand, Schwanden, unseres Sees. der heutigen Kirche auf das Gemäuer einer Schwendi, Rüti und Brand verraten, wo unsere Taufkapelle aus dem 5./6. und auf Fundamente Vorfahren dem Wald schwendend, reutend und Galloromanisch und alemannisch Sprechende einer Kirche aus dem 7./8. Jahrhundert. – Wann mit Feuer Land abgerungen haben. Au und Ey werden auch hier wohl noch längere Zeit ne- stand wohl auf unserem Burgstollen ein erstes bezeichnen Land am Wasser, Sumpfgebiet. Aus beneinander gelebt haben. In welcher Weise? Gotteshaus? Auch aus jener Zeit ist man hier der althochdeutschen Sprache der Alemannen Sagen berichten, erste Anwohner hätten nicht bisher nur auf vereinzelte Funde gestossen: haben sich unsere von Tal zu Tal verschiedenen im Tale, sondern auf umliegenden Bergterras- In Oberried konnte ein Grab mit Skelett ins Mundarten entwickelt. sen gelebt. Ob sich dies auf die Alemannen 7./8. Jahrhundert datiert werden. In , beziehen lässt? Wäre nicht eher möglich, dass hinter der Ruine Unspunnen, stiess man 1895 Suche nach Spuren aus dunkler Vergangen- sich die Neusiedler die günstigsten, zugäng- auf Gräber mit Skeletten und Beigaben: eine heit: Funde und Namen bieten nur begrenzten lichsten Siedlungsräume aussuchten, solche, Gürtelschnalle, Zierknöpfe und Armringe aus Einblick in damaliges Zeitgeschehen am obe- die schon Kelten oder Galloromanen bewohnt Bronze, fünf Skramasaxe (Kurzschwerter), drei ren Brienzersee. Viele Fragen bleiben vorläufig hatten? Sind Ortsansässige vor den Eindringlin- Eisenmesser und Halsschmuck. Auf dem Moos- unbeantwortet, manche werden es wohl für gen auf die ihnen bekannten Höhenterrassen bühl bei Matten fand man drei Skramasaxe, immer bleiben.

68 Jäger am Rothorn schon vor 5000 Jahren

Daniel Gutscher

Die Menschen des Neolithikums sind uns vor allem als «Pfahlbauer» an den Seeufern be- kannt. Spätestens aber seit den sensationel- len Funden der Gletscherleiche des Ötzi in Oberitalien und der Funde vom Schnidejoch in der Lenk wissen wir, dass Jäger bereits in der Zeit zwischen 5000 und 2000 vor Christus in die einsamen Hochalpentäler aufgebrochen sind. In diese Gruppe wichtiger Zufallsfunde gesellt sich seit 2009 eine 23 x 18 Millimeter grosse Pfeilspitze, welche deutsche Wanderer zwischen dem Oberen Stafel/Schonegg und Rothorn-Kulm fanden und vorbildlich auf der Brienzer Gemeindekanzlei deponierten, welche den Archäologischen Dienst des Kantons Bern beizog.

Das aus einem fremdländischen, graugrünen, leicht durchscheinenden Stein gefertigte Stück dürfte als Pfeil von einem Bogen aus verschos- sen worden sein. Das Geschoss muss sein Ziel 23 mm verfehlt haben und ging verloren. Trefferge- schosse wurden immer mehrfach verwendet, fehlgeleitete eingesammelt. Sicher hat auch un- ser Schütze seinen verschossenen Pfeil im ho- hen Gras des Steilhanges gesucht: zu kostbar war die von weither importierte steinerne Spit- ze. Wir sehen den verärgerten Schützen vor un- serem innern Auge, doch: Sein Leid ist unsere Freude. Dank dem verlorenen Stück kann sich die Gemeinde Brienz – neben der Lenk – am äl- testen Jagdbeleg im Berner Oberland erfreuen. Die neolithische Pfeilspitze vom Brienzer Rothorn.

69 Archäologische Funde auf Chüemad

Marc Nussbaumer, André Rehazek

Archäologische Funde erklären ein spätmittelalterliches alpines Pferch- system (13. –15. Jahrhundert) Auslöser der Aktivitäten des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern auf der Axalp war der Beschluss der Bergschaft Axalp, eine der beiden «uralten» Melk-Hütten von der Alp Lit- schentellti ins Schweizerische Freilichtmuseum auf dem Ballenberg zu transferieren.

Im Jahre 2001 wurden die beiden Bauten un- tersucht und konnten durch die Dendrochrono- logie in die Jahre 1501 bzw. 1519 datiert wer- den. Sie sind die bislang ältesten bekannten Melkhäuschen im Berner Oberland (Abb. 3). Dabei wurden in der Umgebung nicht nur wei- tere Hüttenstandorte vermessen, sondern eine komplette Vorgängersiedlung wiederentdeckt. Oberhalb der Flur «Chüemad» fiel den Archäo- logen vor Ort im Gelände und noch deutlicher bei der Auswertung von Flugbildern (Abb. 1) ein ausgedehntes System von Trockenmauern und Ruinen von Hütten auf. Die Überreste gehören zu einem sog. Pferchsystem; «Pferch» bedeutet Einfriedung, eingezäunte Fläche (Abb. 2). In je- Abb. 1: Luftaufnahme des Pferchsystems auf «Chüemad» auf der Brienzer Axalp. dem der insgesamt elf erkennbaren Pferche konnten nachts Tiere zusammen getrieben fall, dass der Ort in der mündlichen lokalen zwei C-14-Datierungen aus Gebäude 1 vorge- werden und waren so überschaubar und vor Überlieferung noch heute «Bärengehege» heisst. nommen werden (siehe folgende Seite). Sie Wölfen und Bären geschützt. Randlich war an Nach ersten Inventarisationsaufnahmen wurde bestätigen zusammen mit ganz wenigen Scher- jedem Pferch eine aus Trockenmauerwerk ge- 2003 eine Testgrabung durchgeführt. Ihr Ziel ben von Keramikgefässen, dass das Pferchsys- fügte Hütte platziert. Ihr Grundmass von rund war es, Alter und Erhaltungszustand der Sied- tem in der Flur «Chüemad» überwiegend in 3 x 3 Metern reichte gerade für die Platzierung lungsreste zu ermitteln. Die Untersuchungen dem Zeitraum zwischen dem 13. und dem 15. des Käskessis am Turner über der Feuerstelle beschränkten sich auf die Fläche von Gebäude Jahrhundert benutzt wurde. und das Lager des Hirten. Es ist wohl kein Zu- 1 und fünf Sondagen in Zone 1. Dabei konnten

70 Die archäologischen Befunde auf «Chüemad» willkommene Zeugen der Ernährung und Tier- nen und ausgelaugten Knochen können wir belegen damit erstmalig für den Kanton Bern haltung der damaligen Hirten. Im folgenden folgern, dass diese wohl längere Zeit an der die ins frühe Hochmittelalter zurückreichende Beitrag, den das Naturhistorische Museum Oberfläche gelegen haben. Pferchwirtschaft, welche ursprünglich zur Söm- Bern für den Archäologischen Dienst des Kan- merung der Schafe und Ziegen betrieben tons Bern verfasste, wurde untersucht, was die Hausrind wurde. Vom 13. Jahrhundert an, im Zuge der knöchernen Tierreste zur Stützung der ersten Mit einem Fundanteil von annähernd 70% do- Umstellung von der rein privaten Ernährungs- Erkenntnisse beitragen können. minieren Überreste von Rindern alle anderen vorsorge auf eine exportorientierte Milchwirt- Tierarten bei weitem. Es konnten mindestens schaft und Käseherstellung, gewann dann Die Tierknochen drei neugeborene Kälber nachgewiesen wer- allerdings die Rinderzucht allmählich an Bedeu- Gesamthaft gelangten 229 Tierknochen zur den. Es kann nicht ausgeschlossen werden, tung. Als Absatzgebiet für den Brienzer Käse Untersuchung, davon konnten ca. 80% auf die dass es sich hier um Totgeburten oder um Tie- kommen vor allem die Märkte von Interlaken Tierart bestimmt werden. Die Knochen zeigen re, die nur ein paar Tage oder Wochen alt wur- und Bern in Betracht. mehrheitlich Wurzelspuren, teilweise waren sie den, handelt. Im weiteren scheinen die auf- vor der Reinigung sogar noch mit Wurzeln be- gefundenen Skelettelemente von ausgewach- Die Sondagen und die kleine Flächengrabung haftet, was auf eine oberflächennahe Ablage- senen Tieren zu stammen. Zerlegungsspuren erbrachten eine grosse Zahl an Tierknochen – rung schliessen lässt. Aus einigen ausgebliche- fehlen vollständig.

645 750 645 800 645 850 645 900 645 950 Hausschwein 173 100 Vom Hausschwein stammen insgesamt 17 N 0 50m Knochen, unter ihnen allein 15 Rippen. Zerle-

2 gungsspuren sind nur an einer Rippe vorhan- den; somit ist der direkte Nachweis des Ver- Zone 2

1840 zehrs erbracht. Hinzu kommen die indirekten

Zone 6 Nachweise, die vor allem durch die Dominanz

173 050 der «Rippli» gegeben sind. 6

1850 11 Ziege und Schaf 1860

1880 1870 Von den beiden kleinen Hauswiederkäuern, die anhand ihrer Knochen nur schwer auseinander 1 9 zu halten sind, ist auf der Axalp nur die Ziege Zone 1 5 sicher belegt. Die wenigen gefundenen Kno- 173 000 Zone 4 Wassertränke chen lassen kaum eine Altersangabe für die Tiere zu. Es scheint sich mehrheitlich um aus- 10 gewachsene Tiere gehandelt zu haben. Bear- 4 7 beitungsspuren, die auf eine Zerlegung zum 3 Zone 5 Verzehr schliessen lassen, sind nicht vorhan- 8 Zone 3 den. Die Knochen stammen nicht von guten, 172 950 Fleisch tragenden Stücken.

Abb. 2: Plan der Alpwüstung «Chüemad» auf der Brienzer Axalp mit Angabe der Pferche (hellgraue Zonen) und der elf nachweisbaren Hüttengrundrisse.

71 Wildtiere mit der Einführung der Labkäserei im Spätmit- Gämse, Fuchs und Maulwurf sind anhand je ei- telalter, d.h. kaum vor dem 15. Jahrhundert ein. nes Knochens nachgewiesen. Die Jagd war Erst die grossen Mengen an Schotte legten den zwar schon im Mittelalter ein Privileg der Ober- Hirten die Haltung einiger Schweine nahe, de- 1858.00 schicht, was jedoch die Hirten in der Einsamkeit nen sie als Futter diente. müM der Hochalpen nicht daran hindern konnte, ge- legentlich zum «Eigengebrauch» eine Gämse Zusammenfassung zu jagen. Im vorliegenden Bericht werden einige Ergeb- nisse der archäologischen und archäozoologi- Interpretation der Befunde schen Untersuchungen der verlassenen Flur 6 Die Knochen aus der Fundstelle «Chüemad» und Siedlung Brienz-Axalp «Chüemad» vorge-

lassen sich vermutlich mindestens drei Grup- stellt. Die Spuren datieren in den Zeitraum vom 1858.00 müM 5 pen von Knochenfunden zuweisen, die aus 13. bis ins 15. Jahrhundert. Unter den geborge- 4 ganz verschiedenen Gründen und Umständen nen Tierknochen sind vor allem Rind, Schwein auf der Axalp abgelagert worden sind. und Ziege (ev. Schaf) nachgewiesen. Die Unter- suchungen lassen den Schluss zu, dass auf 012m Es kann sich erstens um Mutterkühe handeln, «Chüemad» Rinder und Ziegen gemeinsam auf die hochträchtig den beschwerlichen Alpauf- der Alpweide gehalten wurden und mitgebrach- 4 trieb bewältigen mussten und dann bei einer tes Schweinefleisch als Proviant für die Älpler

Fehlgeburt ihr Kalb verloren. Das Kalb könnte diente. Ziel war die Milchgewinnung zur Käse- 5 N auch innerhalb weniger Tage infolge Krankheit herstellung. Wir gehen dabei von der mit einfa- 2 oder Unfall gestorben sein. chen Mitteln zu bewerkstelligenden Produktion 3 1 von Sauermilch-Käse aus, der im Wesentlichen Zweitens fallen die Knochen jener Tiere an, die auf dem einheimischen Markt abgesetzt wur- zu irgendeinem Zeitpunkt auf der Alp lebten, de. Anders auf der Nachbaralp «Litschentellti» auf natürliche Weise verendeten und nach ih- in der unmittelbaren Umgebung «Chüemad»: rem Tod in den Boden gelangten. Die in einer gestaffelten Gruppe von ursprüng- lich mindestens fünf Hütten angeordneten Und dann rechnen wir alle Tiere, die zur Fleisch- Melk­hütten sind eindrückliche Zeugen des radi- gewinnung geschlachtet und verzehrt wurden, kalen Wandels in der Alpwirtschaft des 15. einer dritten Gruppe zu. Bei den aufgefundenen Jahrhunderts hin zur systematischen Rinder- Tierknochen stellt sich dabei die Frage, ob sie zucht und der damit einsetzenden exportorien- von Tieren stammen, die auf der Alp gehalten tierten Labkäseproduktion. und geschlachtet wurden oder Reste von mit- gebrachtem Proviant darstellen. Zu dieser Gruppe sind die Schweinerippen zu zählen. Da andere Schweineknochen fehlen, dürfen wir schliessen, dass damals auf der Alp selber noch keine Schweine gehalten wurden. Die Abb. 3: Melkhütten auf der Axalp. Die untere Hütte befindet Schweinehaltung setzte auf unseren Alpen erst sich heute im Freilichtmuseum Ballenberg.

72 Unter den Freiherren

Rudolf Perren-Zurflüh

Drei Jahrhunderte lang gehörte unsere Gegend zu Die Herren von Opelingen Das Geschlecht der Opelingen besass Güter in einer Freiherrschaft, die sich sonnseits des Tales In einer lateinisch abgefassten Urkunde aus Uri und Unterwalden, im Oberhasli, am Brien- vom Marchgraben westlich von Goldswil bis an die Hasli-March (Grenze) und schattseits von da über dem Jahre 1146, die im Stadtarchiv Bern aufbe- zersee, im Wallis und im Seeland. Zwei Genera- den Änderberg bis gegen erstreckte. Sie wahrt wird, ist Brienz erstmals erwähnt: Egelolf tionen später scheint der Besitz auf vier Enkel stiess um die Mitte des 12. Jahrhunderts am untern von Opelingen schenkt Güter in Nugerol, Wavre Diethelms aufgeteilt worden zu sein: Kuno und See-Ende an Gebiet des landhungrigen Klosters In- und Champreyé (zwischen Bieler- und Neuen- Arnold von Brienz teilten sich in Güter am Brien- terlaken. burgersee), die ihm und seinem Bruder Diet- zersee, im Oberhasli und in Uri, Rudolf und Mächtige Nachbarn im Bödeli waren ferner die Frei- helm gehören, dem Kloster Frienisberg. Den Heinrich von Raron erhielten Gebiet im Wallis herren von Oberhofen, später deren Nachfolger, die Bruder entschädigt er für dessen Anteil mit und, zumindest später, auch im Simmental. Herren von Eschenbach und Wädenswil, die Herren von Weissenburg, die Kyburger und die Habsburger. seinen Eigengütern Raron und «Briens». – Die Nachbar im Osten war das damals noch reichsfreie Schenkungsurkunde wurde in ausgefer- Unsere Gegend muss schon vor 1146 Eigen Hasli, und über den Brünig bestanden rege Verbin- tigt, wo Herzog Konrad von Zähringen zu dieser begüterten Familie gewesen sein. Wo dungen zu Unterwalden. Gericht sass (s. S. 67). lag der Stammsitz derer von Opelingen? Der Ungewiss ist, wie und wann unsere Gegend in den Besitz der Herren von Opelingen (Vorfahren der Frei- herren von Brienz und Ringgenberg) geriet.

In jener Zeit sicherten sich Könige ihr Reich und die Gefolgschaft hoher Adeliger, indem sie ihnen Grund- besitz und Herrschaftsrechte zu Lehen gaben. Das Lehen blieb im Obereigentum des Königs, der vom Belehnten Hof- und Kriegsdienste verlangen konnte. Adelige besassen somit oft neben den Alloden (Eigengüter), Grund und Rechten, die sie ererbt oder erworben hatten, auch Land und Rechte als Lehen ihrer Herren. In ihren Herrschaftsgebieten sorgten sie für Sicherheit und Recht und bezogen Dienstleistun- gen und Abgaben von ihren Untertanen.

Unter der damaligen Bevölkerung gab es freie Bau- ern, die auf eigenem Boden wirtschafteten. Der Frei- herr konnte sie zu Kriegsdiensten aufbieten. Hörige lebten und arbeiteten auf Eigentum oder Lehen des Freiherrn. Sie hatten diesem Bodenzinse und andere Abgaben zu entrichten; zudem waren sie zu Fron- diensten verpflichtet.

Urkunde von 1146, in der «Briens» erstmals erwähnt wird (5. Wort von rechts in der 5. Zeile).

73 Unterwaldner Historiker Robert Durrer (1867 – Der Name Walter von Brienz erscheint in einer Es scheint, dass die Herrschaft Brienz ur- 1934), der die Geschichte der Freiherren von einzigen Urkunde: Er und seine Frau Idda sprünglich Reichslehen war, dass die Herren Brienz und Ringgenberg erforscht hat, vermu- verzichten 1250 vor dem Ammann und der von Brienz ausser dem fernen Kaiser keinem tet, das Geschlecht nenne sich weder nach Gemeinde Hasli auf ihre Rechte an den Gütern, Oberherrn unterstanden. 1231 suchte Kuno Ebligen noch nach , sondern nach die Arnold dem Lazariterkloster Seedorf ge- seinen Besitz zu sichern, indem er von König einem Ort Opplingen, heute Oppli genannt, bei schenkt hat. Die Freiherrschaft Kunos (†1240), Heinrich VII. die Reichsvogtei über sein Gebiet Silenen in Uri. des eigentlichen Herren von Brienz, umfasste erwarb. (Heinrich vertrat nördlich der Alpen sei- zur Hauptsache das Gebiet der heutigen nen Vater, Kaiser Friedrich II., der sein Reich von Die Freiherren von Brienz Kirchgemeinden Brienz und Ringgenberg so- Sizilien und Süditalien aus regierte.) Unser Kirchhügel, der Burgstollen, trägt seinen wie einige zerstreute Güter. Namen zu Recht Noch anfangs des 19. Jahr- Freiherr Kuno hatte im Augustinerkloster Interla- hunderts waren westlich der Kirche Mauerreste Das Oberland gehörte damals mit der West- ken einen land- und machthungrigen Nachbarn. der einstigen «Freiherrenburg» zu sehen. Viel schweiz zum Reichsland Burgund. 1190 erho- Er liess wohl nicht von ungefähr in Ringgenwil mehr als ein fester Wohnturm hatte neben der ben sich die burgundischen Adeligen gegen – so nannte sich das Dorf vor dem Burgbau – Kirche kaum Platz. Die Sage berichtet von den Reichsstatthalter Berchtold V. von Zährin- eine ansehnliche Feste bauen und verlegte einem unterirdischen Fluchtweg von der Burg gen. Dieser zog, nachdem er seine Gegner aus seine Residenz näher an die gefährdete Gren- zum See hinunter. – Nach diesem festen Sitz der Westschweiz bei Payerne besiegt hatte, im ze. Die Burg wird 1240 erstmals urkundlich er- benannten sich im 12. Jahrhundert die Freiher- Frühjahr 1191 ins Oberland und schlug dessen wähnt. Kuno und seine Nachkommen nannten ren Arnold, Kuno und Walter von Brienz. Ihre Adel bei Grindelwald. Hat Freiherr Kuno am sich nun Vorahnen haben vermutlich um 1140 anstelle Aufstand teilgenommen, oder wusste er sich eines hölzernen Kirchleins auf dem Burgstollen vom Streit fernzuhalten? Grindelwald wurde Freiherren von Ringgenberg ein steinernes Gotteshaus erstellen lassen, gebrandschatzt; unsere Gegend scheint ver- und Vögte von Brienz dessen Längsmauern noch heute Teil unserer schont geblieben zu sein. 1236 stritt Kuno sich mit der Augustinerpropstei Kirche sind. um den Kirchensatz von Sigriswil. Ein Schieds- Um 1212 schenkte Kuno der Benediktinerabtei gericht entschied zu Gunsten des Gotteshau- Arnold besass einen Hof in Brienz und zahlrei- Engelberg den Kirchensatz von Brienz: Das ses. – Im September 1240 schenkten er und che Güter im Oberhasli und in Uri. Er nahm am Kloster erhielt damit das Recht, die Priesterstel- sein Sohn Philipp «auf offener Strasse» zu Kreuzzug Kaiser Barbarossas 1189 – 93 ins le zu besetzen und das Kirchengut zu verwalten Goldswil für ihr Seelenheil und als Sühne für Heilige Land teil und kehrte als Ritter zurück. und zu nutzen. Sieben Jahre später bestätigten Bedrängungen dem Kloster das Patronatsrecht 1197 gründete er das Lazariterkloster Seedorf Kuno, sein Bruder Rudolf von Raron und des- über die dortige Kirche. Zugleich verkauften in Uri, das noch heute besteht, und stattete es sen Sohn auf dem Kirchhof von Visp diese sie dem Kloster Eigengüter in Goldswil und mit Grundbesitz in Uri und im Hasli aus. Sein Schenkung vor Engelbergs Abt Heinrich. Heim- Ringgenberg für 50 Pfund und ein Pferd. Unter Schild mit dem steigenden Löwen auf blauem gekehrt liess Kuno die Kirchgenossen von den Vertragszeugen wird ein Uolricus de oder grünem Grund wurde im von ihm gestif- Brienz in der Kirche versammeln, um auch Swandon (Schwanden) genannt. Erzwangen teten Kloster aufbewahrt, kam um 1884 in ihnen die neuen Obrigkeitsverhältnisse bekannt die Kyburger diesen Handel? Sie behaupteten, Privatbesitz und ist heute im Landesmuseum in zu geben. Daraufhin betreute das Kloster En- Kuno habe ihnen das Goldswiler-Patronat und Zürich ausgestellt. (Auf ihn bezog sich der He- gelberg während mehr als 300 Jahren unser Eigengüter seinerzeit verkauft und von ihnen als raldiker Peter Flück, als er 1943/44 das neue Gotteshaus und dessen Gemeinde. Lehen zurück erhalten. Sie bestätigten im März Brienzerwappen schuf, s. S. 63.) 1241 Schenkung und Verkauf.

74 Kuno musste versprechen, die Einwilligung an Trift, sowie unterhalb Meiringen in Balm, unter Eid aus, dass seit Kunos Zeiten die Herr- seiner Gattin Mechthild und der andern Kinder Bürglen und Tschinglen. schaft und die Dorfleute von Ringgenberg und Rudolf und Adelheid innert sechs Wochen bei- Niederried in diesen Wäldern Holz geschlagen zubringen. – Von da an galten die Herren von Zu Philipps Zeiten wechselten Bättenalp und hätten. Doch in beiden Fällen entschieden Ringgenberg als Vasallen der Kyburger. Hinterburg ihre Besitzer: 1253 kaufte das Klos- Schiedsgerichte zu Gunsten des Klosters. – ter Interlaken den Freiherren von Eschenbach Unter den damaligen Zeugen begegnen uns Gegen Ende 1240 starb Kuno. Nachfolger wur- eine Hälfte der Alprechte auf Bättenalp ab, und heutige Namen: P. ab Egglon (Abegglen), de sein Sohn Philipp I. (†1291), der zusammen Philipp verkaufte dem Sohne des Leutpriesters K. Risser, C. im Hofacker (Hobacher?). mit seinem Bruder Rudolf die Freiherrschaft von Hasli (Meiringen) den Hof in Brienz, der während eines halben Jahrhunderts regierte. Ritter Arnold gehört hatte, zusammen mit der 1305 und 1306 wird Planalp erstmals urkund- Philipp und seine Geschwister scheinen später Alp Hinterburg für 72 Bernpfund. lich erwähnt: Die Freiherren von Thurn aus dem die Rechtmässigkeit des 1240er-Handels er- Wallis siedelten dort Untertanen aus dem Löt- neut angefochten zu haben, aber im Mai 1248 1291 starb Philipp. Sein Bruder und Mitregent schental an. Neun Lötscher kauften für 165 muss Philipp versprechen, Interlaken nicht mehr Rudolf war schon sechs Jahre zuvor verschie- Pfund Kapital und 18 Pfund jährlichen Zins ei- zu befehden. Noch 1256 rügt Graf Hartmann den. nen Teil der «Wisa» (Wies) genannten Hofstatt in der Jüngere von Kyburg Rudolf von Ringgen- Brienz und den dazugehörigen Teil von Planalp. berg erneut, weil er sich mit dem Kloster um Philipps Sohn und Nachfolger Johann (†1331) Verkäufer waren Ritter Conrad von Bach und Goldswil gestritten habe. Im gleichen Jahr ver- verstand es, seine Freiherrschaft durch stürmi- seine Brüder Burchard und Ulrich von Hasli. zichtet Schwester Adelheid gegen 8 Pfund sche Zeiten zu steuern. Mit ihm hat das Freiher- Der unterste Alpstafel, die Husstatt war damals Pfennige auf ihre Ansprüche, und 1258 über- rengeschlecht von Ringgenberg seinen Höhe- wenigstens teilweise ganzjährig bewohnt. Es gaben Propst Burchard von Interlaken und Ru- punkt erreicht. mag anfänglich zu Reibereien zwischen Brien- dolf, Vogt von Brienz, den Streit endlich einem zern und Lötschern gekommen sein. Letztere Schiedsgericht zum Entscheid. Dieses spricht Seit 1240, als sein Grossvater Kuno dem Klos- bestimmten jedenfalls, dass ein Lötscher, der den Kirchensatz von Goldswil dem Kloster zu. ter Güter in Ringgenberg und Goldswil abgetre- sein Recht und seinen Anteil am Gute auf Seit 1259 unterschreibt Philipp als Ritter. Hat er ten hatte, herrschte in beiden Dörfern Unsi- Planalp verkaufen wolle, diese zuerst einem wohl an Kriegszügen teilgenommen? cherheit über Marchen (Grenzen) zwischen Verwandten, dann einem andern Planalp-Löt- Gemeindeland und Klosterbesitz. Eine erste scher, dann dem Verkäufer im Hasli oder einem Die Freiherren besassen immer noch verstreute Amtshandlung Johanns war es, dort im Mai Talgenossen aus dem Wallis anbieten solle. Grundstücke und Rechte ausserhalb ihrer Herr- 1291 unter Beizug von Zeugen und Geschwo- Brienzer kamen als Käufer erst zuletzt in Frage. schaft am See. Nach der Jahrhundertmitte ver- renen beider Parteien Allmend, Privatland und kauften und verschenkten Philipp und Rudolf Klosterbesitz auszuscheiden und zu vermar- In den Urkunden aus der Zeit zwischen Herbst solchen abgelegenen Besitz in Nidwalden, in chen. 1303 und Frühjahr 1308 fehlen Name und Sie- Wyttenbach, Niedergurzelen und Sigriswil. Sie gel Johanns von Ringgenberg, dann erscheint kauften dagegen um 1270 vom Lazariterorden Weitere Zwiste mit dem Kloster Interlaken be- er als Ritter. Wo ist er wohl zum Ritter geschla- die Güter im Oberhasli, die Arnold von Brienz trafen Rechte an der Alp Iselten von ringgen- gen worden? Hat er an König Albrechts Zug dem Kloster Seedorf geschenkt hatte, für 20 bergischen Eigenleuten, die in Gsteiwiler wohn- nach Böhmen 1306 teilgenommen? Hat er auf Mark Silber zurück. Im Hasli waren in ringgen- ten, sowie Holzrechte in den Wälder jenseits dem Rückweg in seinem Geleit einen Böhmen bergischem Besitz Güter und Rechte in Botti- des Sees zwischen Iseltwald und Bönigen. Im mitgebracht? Aus Böhmen, auch Beheim ge- gen und Wiler schattseits (bei Innertkirchen), im zweiten Handel sagten vierzig Zeugen – freie nannt, könnte Werner Behein stammen, der Gadmertal und in dessen südlichem Seitental Bauern, Vogtsleute und Hörige des Klosters – 1334 urkundlich erwähnt wird. Haben er und

75 seine Söhne vielleicht in der Gegend der Gasse Heer des Grafen Otto von Strassberg über den ser noch die Ringgenberger hatten die Macht, gewohnt, die wir «Behämerren» (Behämsgasse) Brünig gegen die Waldstätter. Nach dem Sieg ihr Recht durchzusetzen. nennen, und die vielleicht einst «bin Behämer- am Morgarten rächten sich die Unterwaldner ren», «bei den Böhmern» geheissen hat? am Kloster, indem sie plündernd und brand- Am 11. Juli 1334 übergaben die versammelten schatzend bis nach Grindelwald, Iseltwald Dorfleute von Brienz «willeclich und wolbù- Als Anfang Mai 1308 König Albrecht I. bei Win- und ins Klostergebiet einfielen und dacht, mit unserz herren und vogtz willen, her disch ermordet wurde, griff Habsburg aus grossen Schaden anrichteten. Die Propstei Johans von Rincunberg und siner Sune, her Rache auf den Besitz oberländischer Adeliger. rächte sich ihrerseits mit einem Raubzug nach Johans ritter und Philippen jungherren», dem Bern erneuerte hierauf sein Bündnis von 1275 , und der Streit dauerte Jahre. Erst Johann Jossi, einem unehelichen Sohn des mit dem Reichsland Hasli und nahm Johann Ende September 1332 kam durch Vermittlung Freiherrn, die Othmarschwendi (Schweibenalp) von Ringgenberg in sein Burgrecht auf. Dem Berns ein Waffenstillstand und im September zu Nutzen und Eigen. Unter den Anwesenden Freiherrn kam der Schutz Berns vor den hab- 1333 ein Friedensvertrag zustande. Der Scha- werden genannt: «Wernher Behein (s. S. 75) gierigen Habsburgern, die nach dem Erwerb den des Klosters wurde auf 1000 Mark Silber und sine sune …, Uelli und Heini von Teufental Unterseens seine Nachbarn geworden waren, geschätzt. Die Propstei bezahlte ihren Gegnern (Teiffental), Heini und Uelli Schilt …» Wie «willig gelegen. um des Friedens willen 300 Pfund Entschädi- und wohlbedacht» und zu welchem Preis die gung. Johann von Ringgenberg steht im Ver- Übergabe erfolgte, steht nicht in der Urkunde. Im Oktober 1310 zog der neuernannte König trag von 1333 mit seinen Söhnen Johannes Heinrich VII. von Luxemburg von Bern aus nach und Philipp an der Spitze der Zeugen. Die Freiherren von Weissenburg, durch Schul- Rom, wo er sich zum Kaiser krönen liess. den und Wucherzinse bedrängt, drückten das Johann von Ringgenberg scheint mitgeritten zu Ritter Johann nahm auch am Romzug König Hasli mit harten Steuern. Ermuntert durch Hilfs- sein. – Seinen Zug nach Rom hatte König Hein- Ludwigs von Bayern 1327– 31 teil. Der Chronist versprechen der Unterwaldner, erhoben sich rich finanziert, indem er Reichsgut verpfändete. Justinger berichtet: «Des ersten einer von Ring- die Hasler im Frühjahr 1332. Die versprochene So verlor auch Hasli 1310 seine Reichsunmittel- genberg waz under allem adel, fürsten, herren, Hilfe blieb aber aus, und die Aufständischen barkeit (Es war nicht mehr als freies Reichsland rittern und knechten, so vor zyten mit einem unterlagen bei Bönigen der Übermacht der direkt dem König unterstellt.), als dieser die römschen künge und keyser ze Rome warent uf durch Gotteshausleute verstärkten Weissen- Landschaft den Freiherren von Weissenburg der Tiferbrugge der beste und behub mit siner burger. Bern, mit dem Hasli verburgrechtet, als Pfand für 184 Mark versetzte. manlichen getat dem keyser sin sach.» – Ob konnte damals seinen Bundesgenossen nicht sich der Bericht auf diesen oder den früheren beistehen, weil es selber in einen Krieg ver- Gefahr drohte der Freiherrschaft erneut zur Zeit Romzug Johanns bezieht, ist allerdings unsi- wickelt war. des Morgartenkrieges zwischen Habsburg/Ös- cher, doch scheinen Johann und seine Söhne terreich und den Waldstätten, ihren Nachbarn Philipp und Johann (II.) sich die Achtung des Im Frühjahr 1334 aber rückten die Berner aus, im Westen und Osten. Johann erkannte die zum Kaiser gekrönten Bayern errungen zu ha- besiegten die Weissenburger in einem raschen Gefahr: Er vermittelte vor Ausbruch des Krieges ben: 1335 übertrug dieser dem Ringgenberger Feldzug und lösten deren Pfandschaft mit 1600 1315 einen Waffenstillstand zwischen dem und dessen Sohn Philipp (II.), seinem «lieben Pfund ab. Von nun an war Hasli bernisches unter habsburgische Herrschaft geratenen Diener», die Reichslehen von Wyssenau und Gebiet. Die Talschaft konnte sich aber eine Kloster Interlaken und Unterwalden. Die Unter- Wengen und die Zehnten von Sigriswil. gewisse Selbständigkeit wahren: Bern bestä- waldner versprachen, des Klosters Leute und tigte Hasli seine bisherigen Rechte, seine Gut bis zum 25. Dezember nicht zu schädigen, Im gleichen Jahr ermächtigte der Kaiser beide Landsgemeinde und die Wahl seines Landam- wenn sie sich vom Streit fernhielten. Mitte Freiherren gar, alle in Burgund anfallenden manns aus eigenen Reihen. November zogen aber Klosterleute mit dem Reichslehen einzuziehen, aber weder der Kai-

76 Am Laupenkrieg Berns 1339 gegen Freiburg und den burgundischen Adel scheinen die Frei- herren von Ringgenberg nicht teilgenommen zu haben, im Gegensatz zu Hasli, das der be- drängten Stadt zu Hilfe eilte.

Wieder geriet die Freiherrschaft zwischen zwei Fronten, als sich 1348 die Gotteshausleute in den Lütschinentälern, auf dem Bödeli, im Hab- kerntal und auf gegen das Kloster erhoben. Unterwalden schürte das Feuer und versprach den Aufständischen Hilfe. Ursache der Rebellion waren die harten Steuern, die das verschuldete Kloster unerbittlich eintrieb. Zu- dem hatten die Mönche die Aare bei Unterseen gestaut, um dort besser fischen zu können. Dadurch stieg der Seespiegel. Die flachen Ufer- partien im Bödeli und der Talboden oberhalb des Sees bis gegen Meiringen hinauf versumpf- ten. Wertvolles Kulturland ging verloren. Hasli widerstand aber den Verlockungen Unterwal- dens, und Johann von Ringgenberg hielt seine Untergebenen zurück. Das Kloster rief Bern zu Hilfe. Die Stadt sah ihren Einfluss im Oberland durch Unterwalden bedroht und wäre wohl auch ohne den Notschrei des Klosters einge- schritten. Der Chronist Justinger meldet, die Berner seien ausgezogen, hätten die Aufrührer auseinandergetrieben und Wilderswil verbrannt. Als Unterwaldner den Aufständischen zu Hilfe eilen wollten, seien sie bei Brienz zurückge- schlagen worden. – Im Februar 1349 mussten sich die Klosterleute Bern unterwerfen. Sie hat- ten eine Busse von 1860 Pfund zu entrichten und künftig Bern Heerfolge zu leisten.

1351 starb Johann von Ringgenberg. Er hatte nicht nur sein Herrschaftsgebiet zu erhalten gewusst und seinem Geschlecht Ansehen er- Minnesänger Johann von Ringgenberg (Figur links) in der Manessischen Liederhandschrift, Heidelberg, 14. Jahrhundert. worben, er war auch als Minnesänger hervor-

77 getreten: In der Manessischen Handschrift, der Im März 1353 schloss Bern mit den Waldstät- Nicht sehr lange danach muss Philipp gestor- berühmtesten deutschen Liedersammlung des ten einen ewigen Bund. Die Waldstätte waren ben sein. Sein älterer Sohn Petermann († ca. Mittelalters, ist «her Johans von Ringgenberg» Bern im Laupenkrieg zu Hilfe geeilt. Das Bünd- 1390) erbte die zerrüttete, verarmte Herrschaft. in einem Bild und mit 18 Sprüchen vertreten. nis sicherte zudem das engere Oberland Zur Hälfte an das von Bern beherrschte Kloster Der Berner Predigermönch Ulrich Boner wid- vor den Unterwaldnern. Im Bundesbrief wurde verpfändet, durch Belehnungen an Bernburger mete «dem erwirdegen (ehrwürdigen) man von das Kienholz als gemeinsamer Tagungsort und durch Petermanns Burgrecht mit dem Ringgenberg hern Johan» seine Fabelsamm- bestimmt. War das Kienholz – wie die Sage bernischen Thun hatte sie ihre Selbständigkeit lung «Der Edelstein». behauptet – mit seiner Sust damals noch der faktisch an Bern verloren. bedeutendere und grössere Ort als das Kirch- Unter seinem Sohne Philipp II. († ca. 1375) be- dorf Brienz? Wie weit das Ansehen der verarmten Freiherren gann der Abstieg des Freiherrengeschlechts. gesunken war, zeigen Aussagen von Herr- Die Kriegszüge Johanns, seine Schenkungen 1372 stritten sich Brienzwiler und die Dorf- schaftsleuten aus Kundschaftsrodeln: Peter- und sein standesgemässer Haushalt hatten schaften von Meiringen, Isenbolgen, Husen mann bietet Untertanen, die ihn aufgesucht ha- das freiherrliche Vermögen zum Schwinden und Stein um Alprechte am Wilervorsass. ben, Käse, Brot und Wein an, denn er vermöge gebracht. Philipp musste kurz nach dem Tode Schultheiss und Rat von Bern entschieden zu dies, und er sei nicht so arm, wie man wähne. seines Vaters die westliche Hälfte seiner Herr- Gunsten der Hasler. Philipp als ursprünglicher Ein Besucher entgegnet, er wisse das wohl; er, schaft samt der Burg zur Deckung seiner Lehensherr scheint nicht mitgewirkt zu haben. Petermann, habe noch für 1000 Pfund Stauden Schuld von 200 Pfund dem Kloster Interlaken Auch wenn seine Lehensträger eigenmächtig in seinen Waldungen. – Zwei Unterseener fah- verpfänden. Ringgenberger Mannlehen veräusserten, wur- ren nach Oberried und beginnen im Wychel zu de Philipp erst nachträglich oder überhaupt holzen. Auf die Frage eines Brienzers, wer ihnen Aber nicht nur die Propstei, auch Berner und nicht um seine Einwilligung gebeten. hier zu holzen erlaubt habe, antworten sie: Der Thuner Bürger sicherten sich ringgenbergi- von Ringgenberg. Da weist sie der Brienzer ab: schen Besitz. Jakob von Seftigen erwarb 1351 Im Oktober 1374 hält Arnold Huninger, Am- Der «hett da nùt ze erloben, holtz, twing und das Dorf Wiler (bei Innertkirchen) und das Satt- mann zu Brienz, auf Weisung und in Anwesen- ban wer ir» (... Befehls- und Strafgewalt gehör- lergut im Hasli. Mörisried (Schried) kaufte Ulrich heit Junker Philipps und von Gemeindevertre- ten ihnen, den Brienzern). – Diese scheinen sich von Signau. 1359 ging das Dorf Hofstetten tern aus Ringgenberg Gericht. Philipp bestätigt überhaupt Vorrechte angeeignet zu haben. Als als Mannlehen an Heinrich von Resti, Peter der Gemeinde Ringgenberg das Recht, auf Petermann den Bann über seine Wälder erneu- Grimenstein und Arnold Miescher. Peter Swap Tschingelfeld zu alpen. Dabei dürfen sie und erte, tat er dies nur von der Planalpfluh an west- und Wernher Schilling nahmen 1361 das Dorf ihr Vieh in der ersten Nacht in der Wychelmatte wärts; die Wälder um Brienz scheinen frei ge- Brienzwiler als Mannlehen für 550 Florenti­ner­ ruhen, um am nächsten Vormittag die Alp zu blieben zu sein. Kamen aber Flösse oder Boote gulden. Ruof vom Bache verkaufte die Planalp, erreichen. – Werden sie auf Tschingelfeld von mit Holz aus seinen Wäldern den See herab, den Einenwang und die Wies 1382 für 23 Gul- Schnee überrascht, dürfen sie einen Tag und fuhr Petermann mit seinen Knechten in einem den dem Kloster Interlaken. Zeugen: Heinrich eine Nacht unter die Balm auf der Brau auswei- Nachen, der unterhalb seiner Burg immer be- von Teuffental (Teiffental) und Clous im Schlattin chen. Hält der Schnee länger, so sollen sie mit reit lag, hinaus und beschlagnahmte den Raub. (Schlatti). 1368 fasste das Kloster Interlaken ihrem Vieh in die Wychelmatte abfahren und «... etzlichen (etlichen) liesse er es wider, etzli- auch in Hofstetten Fuss, verkaufte aber 1374 dort drei Tage und Nächte bleiben dürfen. (Un- chen ouch nit.» dortige Zinsrechte – 35 Mütt Dinkel, 10 Fast- ter den Zeugen: Ruof Huninger in der Engi, nachtshühner, 20 Sommerhühner, 200 Eier oder Uolrich Schilt.) Im Spätherbst 1380 erhoben sich Herrschafts- 10 gute Alböcke (Felchen) – um 1000 Pfund leute gegen ihren Herrn. Von übermässigem an einen Bernburger weiter. Holzschlag war schon früher die Rede. Nun

78 scheinen auch Abgaben und Steuern verwei- Kriegsfall mit den Haslern auszuziehen hätten. Wie lebten unsere Vorfahren unter den gert worden zu sein. Auch diesmal scheuerte Damals bot Bern seine Verbündeten zum Freiherren von Brienz und Ringgenberg? Unterwalden das Feuer und nahm die Aufstän- Schlussgang gegen die Kyburger und zur Bela- Sonderlich hart scheint deren Herrschaft meist dischen in sein Schirm- und Landrecht auf. gerung von Burgdorf auf. nicht gewesen zu sein. Zwar berichtet die Sage – Petermann, der sonst als milder Herrscher von einem gewalttätigen Freiherrn auf der galt, zog nach erfolglosen Verhandlungen ge- 1386 nahm Bern Petermann ins Stadtrecht auf. Schadburg. Auch wurden Vogtleute der Ring- gen Brienz, den Herd des Aufruhrs. Mit Feuer Der Freiherr musste dagegen geloben, der Stadt genberger, die auf Klostergebiet in Iseltwald und Schwert habe er die Rebellen gezüchtigt. mit Burg und Leuten gehorsam zu sein, alljähr- wohnten, von Philipp und Rudolf um 1250 mit Auf seiner Strafexpedition scheint ihm Thun lich 2 gute Gulden Steuern zu entrichten und übermässigen Steuern geplagt, bis sie sich los- mit Hilfstruppen beigestanden zu sein. – Nun mit seinen Wehrfähigen dem Aufgebot Berns zu kauften. Aber als Nachbarn der reichsfreien eilten die Unterwaldner den Aufrührern zu Hilfe. folgen ohne Kosten und Schaden für die Stadt. Hasler und Unterwaldner sowie der rebellieren- Gemeinsam überfielen und plünderten sie die den Gotteshausleute hätten unsere Vorfahren, Burg Ringgenberg. Den Freiherrn überraschten Kurz vor oder nach Jahresende 1390/91 starb die sich wenig später gegen das Kloster und sie beim Fischen. Nachdem sie seine Burg in der letzte Ringgenberger Freiherr. Seine beiden Bern erhoben, ein despotisches Regime kaum Brand gesetzt hatten, führten die Unterwaldner noch jungen Töchter, Beatrix und Ursula, erb­- so lange geduldet. Petermann und einige seiner Knechte als Ge- ten die Herrschaft je zur Hälfte. Vormünder aus fangene über den Brünig. – Jetzt griff aber Bern der Verwandtschaft, später die Erbtöchter mit Mit Kriegsdiensten hatten die Freiherren ihre ein: Es klagte im April 1381 vor einer Tagsat- ihren Ehemännern, übten die noch verbliebe- Untertanen wenig belastet; auf ihren Zügen mit zung zu Luzern gegen die Unterwaldner. Die nen Herrschaftsrechte aus der Ferne aus. Bea- den Kaisern folgte den Ringgenberger Rittern Verhandlungen verliefen zäh. Nachdem ein trix von Ringgenberg heiratete Junker Heintz- ein kleiner Tross. – Unter dem Regiment der Schiedsgericht nicht zum Ziel gelangt war, ent- mann von Bubenberg und wurde die Mutter beiden Töchter Petermanns und deren Vor- schieden Gesandte von Luzern, Zürich, Uri und des Berner Schultheissen Heinrich von Buben- münder werden sich die Untertanen weitere Schwyz Mitte 1381: Petermann von Ringgen- berg. Nachdem ihr erster Gatte 1407 gestorben Ellbogenfreiheit verschafft haben. Ein Beispiel: berg und seine Mitgefangenen sind freizulas- war, heiratete sie Rudolf von Baldegg. Mit ihm «...als er (Petermann, nach der Gefangenschaft) sen. Was die Unterwaldner Petermann, seiner zusammen verkaufte Beatrix ihren Teil der Herr- gan Thun kam, do brechen si in die Hölzer Frau und seinem Gesinde aus der Burg geraubt schaft für 3250 rheinische Gulden und 100 hieniden und hùwen ab.» Zehnten und andere haben, sollen sie ihnen zurückgeben. Die Herr- Pfund im April 1411 dem Kloster Interlaken. Abgaben werden sie auch nicht spontaner ent- schaftsleute sind aus Unterwaldens Landrecht – Ursula von Ringgenberg vermählte sich mit richtet haben. zu entlassen: Sie sind weiterhin ihrem Herrn zu Jungherr Heymo Rich von Freiburg, nach des- Gehorsam und Abgaben verpflichtet. Der ge- sen Tod mit dem Aarauer Bürger Heinrich von Zu einer beachtlichen Verbesserung ihres Erb- genseitige Schaden wird gleichgeschlagen und Wilberg. Als auch ihr zweiter Gatte gestorben rechts entschlossen sich die Brienzer ange- alle Feindschaft soll abgetan und in Freund- war, verkaufte auch sie ihren Teil der Herrschaft sichts des um 1400 drohenden schwarzen schaft verwandelt sein. Der gedemütigte Frei- Ringgenberg im März 1439 dem Interlakner Todes, der Pest. In dieser schrecklichen Seu- herr Petermann kehrte aber nicht in seine ver- Kloster für 4600 rheinische Gulden. Damit kam che sahen unsere Vorfahren eine Strafe Gottes brannte Burg zurück. Er nahm Wohnsitz in die Freiherrschaft Ringgenberg/Brienz voll- für Sünde und Unrecht. Die Kirchgenossen «ze Thun. ständig in den Besitz der Augustinermönche, Briens, ze Oberriet, ze Eblingen, im Kienholz, ze die vorher schon wesentliche Teile als Lehen Tüffental (Teiffental), ze Hofstetten, ze Wiler am Im Januar 1383 bestimmte Bern, dass die oder zu Eigentum erworben hatten. Oberherren Brünig (Brienzwiler), ze Swanden, uffe Mörisriet wehrfähigen Brienzwiler, für deren Aufgebot aber waren Schultheiss und Räte von Bern, die (Schried) und ander erber lùten obnan und eigentlich wohl Petermann zuständig war, im Schirmherren des Klosters. undnan» versammelten sich in ihrer Not in der

79 Kirche zu Brienz. Sie gelobten «mit uffe erhab- Wie die Brienz/Ringgenberger führten auch sie nen henden got und siner lieben muter Marien, eine Schnalle (Ringgen) im Wappen. Sie stan- und allen gottes heiligen», künftig sollten bei den im Dienste des Abts von Disentis. In Urkun- Erbteilungen die Verwandten mütterlicherseits den erscheinen 1283 Rudolf als Zeuge und nicht mehr benachteiligt, sondern den Ver- Anton und Johannes als Bürgen des Abts. wandten des Vaters gleichgestellt sein, damit Christoph von Ringgenberg versah 1424 gar «si ihres grossen zornes gegen uns armen lùten für die Region Schams den Bundesbrief des vergesse und die grossen freisse (Gefahren, Grauen Bundes mit seinem eigenen Siegel. Im Schrecken) des todes an uns wende.» Dieser 16. Jahrhundert scheint auch der Bündner Beschluss wurde urkundlich festgehalten. Zweig derer von Ringgenberg ausgestorben zu sein. Neben Land- und Alpwirtschaft boten Handels- verkehr und Schifffahrt damaligen Brienzern Verdienst. Die Sust im Kienholz war ein wichti- ger Umschlagplatz im Verkehr über den See und die Pässe Brünig, Grimsel und Gries. 1397 schlossen Bern, das Wallis und das Pomat, die italienische Talschaft jenseits des Gries, einen Vertrag über den Säumerdienst und die Siche- rung des Verkehrs über die Pässe.

Vor mittelalterlichem Aberglauben und Hexen- wahn waren auch unsere Vorfahren nicht gefeit: Leute in Brienzwiler hatten 1431 eine Haslerin wegen Hexerei verklagt. Zum Glück für die Frau wies der Rat in Bern unter Schultheiss Rudolf Hofmeister die Kläger ab und büsste sie wegen Verleumdung.

Die Freiherren von Ringgenberg in Graubünden scheinen von unsern Freiherren abzustammen. Bei Zignau im Vorderrheintal steht noch der Turm ihrer Burgruine Ringgenberg aus der Zeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts.

80 Der Böse Bund und die Kolbenbannerverschwörung

Rudolf Perren-Zurflüh

genberg leer; die Erbtöchter Beatrix und Ursula Die Schiedsentscheide scheinen nur vorüber- Eine stürmische Zeit! Schwyz und Zürich stritten sich waren im fernen Aargau verheiratet. Ihre Unter- gehend Ruhe gebracht zu haben, und es gärte nach dem Tode des letzten Grafen von Toggenburg tanen genossen die gelockerte Herrschaft. Dem nicht nur in der Herrschaft Ringgenberg/Brienz. 1436 um dessen Gebiet zwischen Walen- und Zürichsee. Beide Parteien riefen die Eidgenossen zu nahen Kloster unterwarf man sich nicht gern: Als Bern des Alten Zürichkriegs wegen im April, Hilfe. Als sich diese nach vergeblichen Vermittlungs- Seine Aareschwellen bei Unterseen liessen das im Juni und wieder im August 1444 auch im versuchen an die Seite von Schwyz stellten, rief Land an beiden Seeenden versumpfen, das Klostergebiet Truppen aufbot und später noch Zürich 1442 deren Erzfeind Österreich zu Hilfe. Ein während sechs Jahren immer wieder aufflammender Kloster riss gierig Land und Rechte an sich, und zusätzliche Steuern erhob, schwoll der Unmut Krieg verwüstete weite Gebiete in der Ost- und hinter ihm stand das mächtige Bern. Streit mit in den kriegsgeplagten Gemeinden an. Nordschweiz, bis die erschöpften Gegner 1450 end- der neuen Herrschaft war absehbar. lich Frieden schlossen. Bern zögerte lange, versuch- Zu Beginn des Jahres 1445 brach Aufruhr aus, te zu vermitteln. Im Mai 1443 erklärte es Zürich und den Österreichern den Krieg. In mehreren Feldzügen Zwei Beispiele: vorerst besonders gegen die Propstei. Im Feb- kämpften Bernertruppen im Freiamt, im Fricktal und Im März 1430 stritten sich Propstei und Herr- ruar zogen Gotteshausleute vor das Kloster und im Zürichbiet. schaftsleute um Gebühren, Pflichten und Rech- verlangten die Herausgabe ihrer Freiheitsbriefe.

Als das Kloster Interlaken seine von den Freifrauen te. Bern griff ein. Es liess «Gewohnheitsrechte» Der Propst rief Bern zu Hilfe, und dieses schickte von Ringgenberg erkauften Herrschaftsrechte und der Untertanen weitgehend gelten: Den 3. Pfen- in aller Eile Truppen aus Thun, die den bedräng- Abgaben voll durchzusetzen versuchte, erwachten nig bei Landverkäufen haben nur Wegziehende ten Mönchen Luft verschafften. Anfang März unter den Herrschaftsleuten Unmut und Widerstand. – Der Alte Zürichkrieg verursachte drückende Las- und Auswärtige, nicht aber Einheimische zu stellten Schiedsboten aus Thun und den unbe- ten: Bern bot mehrmals Truppen auf, für deren Aus- entrichten. Tagwerke haben ihrer Herrschaft teiligten Ämtern des Oberlandes fest, die Props- rüstung und Sold der Mann und die Gemeinde selber nur diejenigen zu leisten, die dies bisher tun tei habe alle ihre Urkunden, Zinsbücher und Rö- aufzukommen hatten. Tote und Verletzte waren zu mussten. Die Wälder gehören der Obrigkeit, del vorgelegt und versichere, keine andern Akten beklagen. Bern, tief verschuldet, zog ungewohnte Kriegssteuern ein. Erregung breitete sich über das aber die Herrschaftsleute dürfen weiterhin Bau- zu besitzen, die den Aufständischen dienlich ganze Oberland aus. Alter Drang nach Freiheit und und Brennholz für den Eigenbedarf schlagen. sein könnten. Die Gotteshausleute klagten aber Selbständigkeit erwachte neu. Ihre Amtsleute wählen die Brienzer und Ring- weiter, das Kloster, selber von allen Steuern be- genberger aus ihrer Mitte mit Handmehr; die freit, habe als Herrschaft gegenüber seinen Un- Herrschaft hat nur das Bestätigungsrecht. Wer tertanen versagt: Es habe diese gegen die Auf- Interlakens Untertanen rebellieren bisher Steuern entrichtet hat, soll dies weiterhin gebote, Steuern und Handelsbeschränkungen 1411 und 1439 hatte das Kloster Interlaken den tun, es sei denn, er könne seine Steuerfreiheit Berns nicht geschirmt. Am 22. – 24. April ent- Erbtöchtern der Freiherren von Ringgenberg urkundlich belegen. schied ein Schiedsgericht, nachdem es beide ihre Herrschaft samt allen Rechten, Gütern, Parteien angehört hatte: 1. Die Gotteshausleute Lehen, Leuten, Zinsen und Zehnten für teures 1432 stritten sich Brienzer und Kloster, weil die- sind dem Kloster zu Recht untertan und zu Ge- Geld abgekauft. Wie die Propstei nun die er- ses von allen Grundstücken Steuern verlangte. horsam verpflichtet. 2. Die von Bern erhobenen worbenen Herrschaftsrechte ausüben und die Da die Brienzer Briefe vorlegen konnten, ent- Kriegssteuern gelten als «Schenkung», nicht als Abgaben eintreiben wollte, stiess sie bei ihren schied Schultheiss Hofmeister, wer Güter mehr bleibende Abgaben, und 3. Von Bern verfügte neuen Untertanen auf Widerstand: Seit drei als 10 Jahre frei und ledig zu eigen besessen Zölle und Handelsbeschränkungen werden Jahrzehnten stand die Freiherrenburg in Ring- habe, brauche diese nicht zu versteuern. aufgehoben.

81 Der Spruch konnte die Kläger, die auf die Her- Der Bund kontrolliert und koordiniert die Aufge- Die Landschaft Hasli hatte sich bisher von den ausgabe von Freiheitsbriefen gehofft hatten, bote der verbündeten Gemeinden. Bei einem Unruhen ferngehalten. Im Frühjahr 1447 erhob kaum voll zufrieden stellen. Unter den Brienzern Aufgebot durch Bern will man nicht direkt dort- sich nun auch dort Aufruhr unter der Führung und Ringgenbergern wuchs zudem das Miss- hin ziehen, sondern man besammelt sich in des Landammanns Peter Dietrich, und bald trauen, als das Kloster Burg und Herrschaft Thun, um da das weitere Vorgehen zu beraten. zeigte sich auch in Brienz und auf dem Bödeli Ringgenberg/Brienz – den Unruheherd – kaum Gab es unter den Bundesgenossen Meinungs- erneut Widerstand. Da reisten im Februar einen Monat später, am 17. Juni 1445, den Ber- verschiedenheiten? Aus dem Bundesbrief ist Schultheiss Rudolf Hofmeister und Ratsherr nern für 7800 rheinische Goldgulden verkaufte. ersichtlich, dass zuerst ein zeitlich unbeschränk- Hetzel nach Interlaken, Brienz und Meiringen, ter Bund vorgesehen war; die Begrenzung auf wo es ihnen gelang, die Unzufriedenen zu be- Gemeinsam handeln! – Der «Böse Bund» 21 Jahre wurde nachträglich eingetragen. Der ruhigen. Die Rädelsführer hatten sich ausser Im Schiedsgericht, das im April die Klagen der Brief ist zudem unfertig geblieben; der übliche Landes in Sicherheit gebracht; ihre Güter wur- Gotteshausleute anhörte und beurteilte, sassen Schluss fehlt. den eingezogen. auch Boten der Landschaften Saanen, Ober- und Niedersimmental, Spiez, Aeschi, Frutigen Als im Sommer 1445 Rheinfelden belagert Hensli Schumacher und sein und Oberhasli. Am 2. Mai, keine zehn Tage wurde, bot Bern wieder Truppen auf. Nun regte Kolbenbanner nach dem Schiedsspruch in Interlaken, schlos- sich offener Widerstand: Bestärkt wohl durch Brienz hatte schon im Konflikt mit dem Kloster sen Abgeordnete aus eben diesen Landschaf- ihren Bund, säumten die Oberländer zuerst, als Unruheherd gegolten. Von Brienz ging ab ten und von Beatenberg bis an die Haslimarch und als sie schliesslich doch ausrückten, 1446 erneut ein Aufstandsversuch aus. (Grenze zu Hasli) – aber ohne Frutigen und benahmen sie sich im Felde undiszipliniert, Hasli – in Aeschi einen Bund auf 21 Jahre mit raubten und plünderten zum Schrecken der Dass die verhasste Klosterherrschaft weiterhin dem Zweck, gemeinsam gegenüber ihren Her- dortigen Bevölkerung. bestand, dass der Bund von Aeschi so schmäh- ren und Obern aufzutreten. Hatten die unzu­ lich aufgelöst und aufgegeben worden war, friedenen Gotteshausleute sich während den Am 9. Juni 1446 stellten die Kriegsparteien muss hier und anderswo Groll und Erbitterung Schiedsverhandlungen mit den Boten aus dem nach zähen Verhandlungen in Konstanz die geschürt haben. Auch der Brienzer Hensli westlichen Oberland verabredet? Kämpfe ein, und 1450 schlossen sie Frieden. Schumacher, Sohn eines aus der Vogtei Offen- Der Alte Zürichkrieg war zu Ende. Während der bach Zugewanderten, konnte sich mit den ge- Der Bund sah vor: Abgeordnete der beteiligten bedrängenden Kriegszeit hatten Schultheiss gebenen Umständen nicht abfinden. Er war Landschaften besammeln sich alljährlich an ei- und Rat zu Bern auf den Widerstand im Ober- kein unbeschriebenes Blatt: Wegen Unbot- nem Sonntag im Mai zur Beratung gemein- land behutsam reagiert. Dass aber Talschaften mässigkeit gegenüber Vater und Behörden war samer Anliegen gegenüber ihren Obrigkeiten. von Saanen bis zum Brienzersee sich zusam- er gefangen gesetzt, dann wegen seiner Verletzt ein Bundesglied Gehorsamspflichten menschlossen, um gemeinsam zu handeln, Jugend 1440 vorzeitig entlassen worden. Er gegenüber seinen Obern, sollen die Verbünde- das ging ihnen zu weit. Sie baten die Eidgenos- musste damals Urfehde schwören: Falls er ten die rebellierende Gemeinde zur Ordnung sen um Vermittlung. Ein Schiedsgericht befand rückfällig würde, sollte er keine Gnade finden. weisen; wird aber ein Bundesglied von seiner am 28. August 1446 ganz im Sinne Berns, der Trotz seines Eids versuchte er nun, unter Un- Herrschaft ungebührlich behandelt, sollen die «Böse Bund» sei rechtswidrig und ungültig. zufriedenen eine Verschwörung anzuzetteln. Bundesgenossen ihm beistehen. Die verbün- – Die Bundesgenossen fügten sich wohl oder In Luzern liess er ein Banner herstellen, das auf deten Gemeinden verpflichten sich gegenseitig, übel dem Spruch. Einzig Saanen, das nicht weissem Grund einen schwarzen Kolben zeig- ihren Herren nicht mehr Kriegsdienst zu leisten, Untertan, sondern Bundesgenosse Berns war, te. Zu dieser Fahne sollten seine Gesellen als sie dazu rechtlich verpflichtet sind. Freiwilli- erneuerte sein Burgrecht mit Bern erst 1452 schwören. Er scheint Gleichgesinnte gefunden ge Kriegsleistungen muss der Bund bewilligen. nach zähem Ringen. zu haben; von Verbindungen nach Frutigen,

82 Spiez, Sigriswil, ins Obersimmental und nach Der Versuch, das Oberland zu vereinigen und Saanen wird berichtet. 1447 kam Bern der Ver- zu verselbständigen, war missglückt: Nie fan- schwörung auf die Spur; mehrere Teilnehmer den sich alle Talschaften zu gemeinsamem, wurden verhaftet. Diese gestanden, sie hätten zielbewusstem Vorgehen. Zwielichtige Gestal- beabsichtigt, jegliche Herrschaft zu beseitigen ten wie Hensli Schumacher drangen beim Volk und das ganze Oberland zu befreien. Von nicht durch und wurden erwischt oder vertrie- Brienz seien «am meisten dabey.» – Heimlich ben. Bern gelang es, die um sich greifende Un- gingen die Umtriebe weiter. Hensli Schumacher ruhe durch Schiedsgerichte und geschicktes warb eifrig für seine Sache und trieb Geld für Verhandeln zu dämpfen. die Fahne ein: «Schilt, ir sond (sollt) üch zu uns machen und helfen, die kolben baner uffen (äuf- Im Januar 1457 kaufte das Kloster Interlaken nen), so tund ir recht. ... unsser ist ein grosse die «beruhigte» Herrschaft Ringgenberg/Brienz geselschafft ...» Auf Planalp stahl er im Herbst von Bern für 7800 Gulden zurück, zum selben 1450 «by nacht und by nebel» ein Schaf, dem Preis wie es 12 Jahre vorher den ehemaligen er daheim das Fell abzog. Vermutlich wollte er Unruheherd verkauft hatte. mit dem geschundenen Tier vordemonstrieren: Seht, so behandeln uns unsere Oberen! – Der Diebstahl blieb nicht lange unentdeckt; Kada- ver und Fell wurden gefunden.

Schumacher floh ins Entlebuch hinüber. Auf Verlangen Berns wurde er dort gefangen ge- nommen. Bern hiess den Unterseener Schult- heissen im Januar 1451 einunddreissig Zeugen einvernehmen, die zum Teil fast gleichlautend von Schumachers Umtrieben, vom Banner und vom geschundenen Schaf berichteten. Diese «Kundschaft» übermittelte Bern der Luzerner Regierung, worauf der Rebell nach einem Prozess zum Tode verurteilt und enthauptet wurde. – Als Luzern den Bernern die Rechnung für Prozess und Hinrichtung stellte, schrieben Schultheiss und Rat zurück, solches zu ent- Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): schädigen sei unter Eidgenossen nicht üblich, Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- und Luzern werde Bern «in desglichen und sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im noch mereren sachen» auch «unverdrossen Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- willig finden.» teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

83 Die Zeit der Glaubensspaltung

Rudolf Perren-Zurflüh

der Bibel zu predigen. Der Zwist zwischen alt- brierten im Gotteshaus auf dem Burgstollen Christliche Welt im Wandel Im Mittelalter verband die mächtige römisch-katholi- und neugläubigen Geistlichen, unter der Hand die Messe, teilten das Altarsakrament aus, sche Kirche ihre Gläubigen über alle Landesgrenzen verbreitete Druckschriften und Niklaus Manuels nahmen Reuigen die Beichte ab, tauften die hinweg. Sie bestimmte mit ihrer Glaubenslehre, mit (Maler und Berner Staatsmann 1484 –1530) Neugeborenen, segneten die Ehen ein, spen- Kirchenbräuchen, Buss- und Feiertagen, aber auch Fastnachtsspiele fachten die Glaubensdiskus- deten Sterbenden die letzte Ölung. Armut und durch Unterricht, Armen- und Krankenfürsorge den Glauben, das Weltbild und den Alltag des Volkes. sion unter Stadtbürgern und Landvolk an. Hunger, Unwetter und Missernten, Seuchen- Was Papst und Konzilien als wahr erkannt und fest- Wachsende Unruhe und Streit versuchte die züge und früher Tod drohten damals immer gelegt hatten, galt auch für Wissenschaft und Ge- Regierung einzudämmen, indem sie einerseits wieder und galten als Strafe Gottes. Die Kirche lehrte. Musik und bildende Kunst dienten ihr und ihrem Gottesdienst. mit Mandaten bestimmte, was in Kirchen- und bot den Bedrängten von ihrem Gnadenschatz Glaubenssachen zu gelten habe. Andererseits Vergebung, Stärkung und Trost. Sie drohte den Im Zeitalter der Renaissance und der Entdeckungen erkundete sie durch Ämterbefragungen die Sündern mit Fegfeuer und Verdammnis, den (14.–16. Jahrhundert) erwachte eigenständiges, selbstbewusstes Denken. Auch an die bisher all- Stimmung im Volk, liess die Untertanen mitbe- Gläubigen bot sie Heilsgewissheit und Gebor- mächtige Kirche und Teile ihrer Lehre wagte sich nun stimmen und sicherte sich so deren Rückhalt. genheit. Kritik: John Wiclif (1320 –1384) in England, Jan Hus – Bern wurde sowohl vom reformierten Zürich (1369 –1415) in Böhmen, Girolamo Savonarola als auch von den katholischen VII Orten um- Nun erklärten die Neuerer, das Heil könne nicht (1452–1498) in Florenz und andere forderten Refor- men. Hus und Savonarola büssten ihren mutigen worben. Es vermied lange einen eindeutigen durch die Vermittlung der Kirche und gute Widerspruch mit dem Feuertod. Glaubensentscheid und suchte zu vermitteln, Werke, sondern nur durch die Gnade Gottes um ein Auseinanderfallen der Eidgenossen- errungen werden. Die Bibel, bisher in Latein Zu Beginn des 16. Jahrhunderts begünstigte der Unwille unter Geistlichen und im Volk gegen kirch- schaft zu verhindern. Als aber die altgläubigen und Laien kaum zugänglich, war nun durch liche Missstände tiefgreifende Reformen; der Buch- Orte auf eine Entscheidung drängten und droh- Luthers deutsche Übersetzung für alle lesbar druck ermöglichte die rasche Verbreitung von Schrif- ten, sich direkt an die bernischen Untertanen im Volk verbreitet. Sie sei alleinige Grundlage ten und Gedanken. Martin Luther (1483 –1546), Pro- fessor der Philosophie und Theologie in Wittenberg, zu wenden, gewannen die Neugesinnten in bei- des Glaubens. Als unbiblisch verwarfen sie die löste mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen den Räten die Mehrheit. Nach der Disputation Autorität des Papstes, die Messe und fünf der (31. Oktober 1517) ungewollt die grosse Erneue- in Bern erliess die Regierung am 7. Februar sieben Sakramente, die Verehrung von Heiligen rungsbewegung der Reformation und Gegenrefor- 1528 ihr Reformationsmandat und setzte die und Reliquien, die Lehre vom Fegfeuer, den mation aus. Glaubenserneuerung zuerst behutsam, dann Ablass und anderes, das dem Kirchenvolk bis- auch mit Gewalt durch. her vertraut und hilfreich gewesen war. Wie Die Reformation in Bern haben unsere Vorfahren die neue Lehre auf- Schon 1518, ein Jahr nach Luthers Thesenan- Alte Kirche – neue Lehre genommen? schlag, tauchten in Bern die ersten Lutherschrif- Brienz unterstand kirchlich seit 1212 dem ten auf. Bald fand die neue Lehre Anhänger Benediktinerkloster Engelberg (s. S. 74). Dieses Glaubensmandate und Volksbefragungen unter Geistlichen, unter Stadtbürgern und auch verwaltete das Kirchengut, es bezog von den Spätestens durch die Mandate und die Volks- in den Räten. Berchtold Haller, seit 1520 Leut- Kirchgenossen Zehnten und andere Abgaben, befragungen der Obrigkeit wurden unsere Vor- priester am Münster, mit Zwingli im Briefwech- sorgte aber auch für den Unterhalt und die fahren ins Ringen um den rechten Glauben sel, begann wie dieser das Evangelium nach Ausstattung der Kirche. Seine Priester zele­ einbezogen.

84 Als das Theologengezänk auch im Volk zu Ver- Volksbefragung bestätigte und ergänzte die Die Wende naht unsicherung, Zwist und gegenseitigen Schmä- Regierung ihr Mandat «Viti et Modesti» im April Im April 1527 errangen die Neugesinnten Berns hungen führte, erliess die Regierung am und im November: Bilder der Mutter Gottes und in beiden Räten die Mehrheit. Nun galt es, auch Namenstag der Heiligen Vitus und Modest der Heiligen, Fastenvorschriften und Ehelosig- das Landvolk für den neuen Glauben zu gewin- (15. Juni 1523) ihr erstes Glaubensmandat. Es keit der Priester bleiben, Übertretungen und nen. Die Regierung ging behutsam vor: In einer war an die Geistlichen und Amtsleute gerichtet, Schmähungen sollen bestraft werden. weiteren Volksbefragung hatten die Untertanen sollte den Streit entschärfen und befahl den zu entscheiden, ob das erste, kürzere Glau- Priestern, nur das heilige Evangelium nach dem Nun scheint es auch in unserer Gegend gegärt bensmandat «Viti et Modesti» vom Juni 1523 alten und neuen Testament zu predigen und zu haben: Im Juni 1524 erhielt der Statthalter oder das erst vor einem knappen Jahr be- alles andere, sei es von Luther «oder anderen von Unterseen Befehl, einen «priester vengkli- schworene Pfingstmontagsmandat gelten solle. Doctoribus», beiseite zu lassen. chen (gefangen) harab (nach Bern) zu fertigen», Boten hatten den Versammelten beide Man- und ein halbes Jahr später sollte der Propst von date zu verlesen und ihnen mitzuteilen, dass die Im Oktober 1523 verlangt Bern von Engelberg, Interlaken zwei Knaben, die Heiligenbilder zer- Obrigkeit das erste Mandat bevorzuge. Ob die dass der bisherige Kilchherr von Brienz, der schlagen hatten, durch «den schulmeister mit Mehrzahl der Versammelten wohl zu beurteilen aus verdienter Ursache die Pfründe verloren der ruoten strichen lassen.» – Im August 1525 vermochte, worum es ging? – Ringgenberg / habe, abgesetzt und sein Nachfolger in Ruhe klagte der Brienzer Kilchherr Marx in Bern, «wie Brienz antwortete am 16. Mai: «Wir der aman gelassen werde. – Was war wohl die «verdiente ein grosser abgang an siner pfruond beschä- (Ammann, Gemeindevorsteher) und ein ganzi Ursache» für den Entzug der Pfründe? chen» und bittet um Hilfe. Bern setzte sich bei gmeind hie zuo Briens, in der herschaft Ring- Engelberg für ihn ein, weil «er inen (den Brien- genberg ... hand einhelenklich geraten und ist Im April 1524 befragte die Obrigkeit die Ämter, zern) fast wert und anmuetig» sei. och einhelig, dass mir an (ohne) alle widerred wie sie sich im Gespräch mit den Eidgenossen unsren glouben setzen und halten uf die wort der «Lutherschen Lehr» wegen verhalten solle. Als die eidgenössische Tagsatzung auf Mitte gotz und das ewig ewangilium, und was man Die in Interlaken versammelten Untertanen Mai 1526 zu einem Glaubensgespräch nach darus mag erfinden göttlichs und grechz.» – Die antworteten, dass «wir ouch fürhin als bishar Baden aufbot, befragte Bern seine Untertanen Gemeinde Hasli entschied sich für das erste begären, wie unser altvorder in dem christ- erneut, «wess ir üch hienach des gloubens halb Mandat. – Deutlich lautete die Antwort von In- lichen glouben und wäsen gläbt haben, dass halten, ... und besonders, ob ir die heiligen terlaken: Nichts solle gepredigt werden, als wir fürhin ouch darumb stärben wellen, und sacrament, wie von alter har die gebrucht sind, «das heilig, würdig, heilsam gotzwort luter, chlar nit dem Luther noch sine jünger, oder ander ... fürer wellind in bruch und übung lassen beliben und heiter on alle menschliche leer, pot und zu- volgen.» Sollten hier die Mutter Gottes und die und halten.» Die Herrschaft Ringgenberg wollte satz», wie es durch altes und neues Testament Heiligen geschmäht, die Fasten gebrochen «by dem mandat beliben und altem bruch, (es festgelegt sei. werden oder Geistliche sich verehelichen, wür- wäre denn) mine herren wisen si denn darvon.» den die Fehlbaren angezeigt. – Auch die Hasler wollten «beliben by irem alten Ende Mai wies die Regierung ihre Amtsleute zu bruch und gäben minen herren gewalt.» – Nach Stadt und Land an, das Mandat «Viti et Modesti», Im gleichen Sinne antwortete Unterseen. dieser Umfrage bestätigte der Rat in Bern seine dem die Mehrheit der Ämter zugestimmt hatte, Auch Hasli meldete, dass dort keine neuen früheren Erlasse und verlangte, dass ihnen «ge- von der Kanzel verlesen und an den Kirchentü- Bräuche die alten löblichen Sitten ersetzten. strax» und ohne Widerrede nachgekommen ren anschlagen zu lassen. Wenn Luther auch «guoter ler ustrukt» und werde. Auf die Artikel dieses «Pfingstmontags- alles mit der Bibel belegt, «so will uns doch mandats» verlangte der Rat von seinen Unter- Unterdessen hatten da und dort Geistliche bedunken, dass nit vil guoter frucht darus ent- tanen den Treueid. sich verheiratet, und Priester ersuchten die sprungen sye, sunder vil unornung ...» Nach der Regierung in einer Bittschrift, ihnen die Ehe zu

85 gestatten. Um hierüber zu entscheiden, wurden Bern bekennt sich zum neuen Glauben Brienz zwischen kirchlicher und die Gemeinden gegen Ende September 1527 Am dreiwöchigen Glaubensgespräch im Janu- weltlicher Obrigkeit schon wieder zusammengerufen. – Interlaken ar 1528 in Bern nahmen mit Zwingli, Bullinger, Von der katholischen kirchlichen Obrigkeit En- und Ringgenberg antworteten unbestimmt, das Vadian und Ökolampad die stärksten neuge- gelberg und dem befreundeten Unterwalden heilige Gotteswort solle ohne allen Men- sinnten Denker teil, während ebenbürtige Ge- einerseits, der reformierten weltlichen Obrigkeit schentand an den Tag gebracht, und diesem genspieler die Einladung Berns ausschlugen. Bern andererseits bedrängt, rangen unsere solle mit Worten und Werken nachgelebt wer- Der Ausgang der Disputation zugunsten der Vorfahren hart um den rechten Glauben. Viele den. «... üwer gnaden wysheit denn das selbig neuen Lehre stand im Voraus fest. hielten fest zur römischen Kirche, sie entsetzten ouch bas verston kann und mag, denn (als) wir sich über Reden und Taten der «Ketzer». Wer schlechten unwüssenden leyen.» – Unterseen Am 7. Februar 1528 erliessen Schultheiss und vom erneuerten Glauben erfüllt war, berief sich beschied eindeutiger: Weil Ihr den Seelsorgern Räte zu Bern ihr Reformationsmandat: Von der auf die Bibel und verwies auf Missstände im Eheweiber erlauben wollt und weil sie dies aus Kanzel ist das reine Wort Gottes nach der Bibel bisherigen Kirchenwesen. Von Zweifeln hin- der Schrift begründet haben, folgen wir Eurem zu verkünden. Die Bischöfe verlieren auf berni- und hergerissen, bangten manche um ihr See- Rat. – Die Mehrheit der Hasler dagegen wollte schem Gebiet ihre kirchlichen Rechte; die lenheil. Wie der Glaubensstreit auch Familien ihren Seelsorgern die Ehe nicht gestatten, Geistlichen sind ihnen nicht mehr unterstellt. auseinander riss, berichtet sogar eine Sage. räumte jedoch ein: «Was aber bi üch und sunst Messe, Heiligenbilder und Fastengebote wer- den üwern das mer (Mehrheit) wird, mügend den abgeschafft. Den Priestern ist die Ehe ge- Der Berner Disputation vom Januar 1528 war wir och wol erliden.» – Nachdem sich 18 Ämter stattet. Die Regierung wird das Kirchenwesen der Brienzer Pfarrer Marx trotz obrigkeitlichem gegen und nur 9 für die Priesterehe ausgespro- neu regeln. Die Klöster, die Bern bereits 1527 Aufgebot ferngeblieben. Die Regierung kündig- chen hatten, entschied der Rat noch im Okto- bevogtet hatte, sollten aufgehoben werden. Sie te ihm die Pfründe und bestimmte Ende März ber, auf die Geistlichen sei weiterhin zu achten, durften keine Novizen mehr aufnehmen, doch an seiner Stelle Herrn Jörg von Interlaken als dass sie sich nicht verehelichten noch Huren wurde es Mönchen und Nonnen freigestellt, bis Prediger. hielten. – In Gsteig, Goldswil und andernorts an ihr Lebensende in ihrem Kloster zu bleiben. hatten diese aber bereits Frauen geheiratet Auf den 24. Februar liess die Regierung in den Im April scheinen Neugläubige Altar und Heili- oder zu sich genommen. Ämtern «was von vierzechen jahren uf manns- genbilder aus der Kirche entfernt zu haben, bilder sind» versammeln. Nachdem Boten der aber noch im gleichen Monat mahnte Bern die Dem Propst zu Interlaken wurde Ende Oktober Regierung kontrolliert hatten, ob die Versamm- Brienzer, endlich von der Messe zu lassen. noch befohlen, den Fehlbaren die Pfründe zu lung vollzählig sei, verlasen und erklärten sie die künden. Aber bereits Anfang November ent- Artikel des Reformationsmandats. Da die Stadt Als die Landsgemeinde von Hasli am 7. Juni schied die Obrigkeit, der Fall des verheirateten Bern diese Neuerung eingeführt habe, wün- mit 151 zu 111 Stimmen beschloss, beim alten Leutpriesters von Gsteig sei «angestellt (ver- sche die Regierung, dass auch alle Untertanen Glauben zu bleiben, liessen auch die Brienzer schoben) biss uff die disputatz.» Und als der die Reformation annähmen. Wer nun dem Man- Altgläubigen wieder einen Priester aus Unter- Kilchherr zu Hasli «des amman Halters tochter dat zustimme, solle bei den Boten stehen blei- walden kommen, «der die götzen widerumb dem Vatter an (ohne) wüssen zu der ee genom- ben; wer es ablehne, solle nebenaus treten. – ufgricht und allda mess gehalten hat». Bern be- men», versuchte Bern, den erbosten Vater und Sich von den Boten der Obrigkeit abzusetzen, schwerte sich in Unterwalden und schickte Bo- dessen Verwandte in Unterwalden zu besänfti- brauchte wohl Überzeugung und Mut. In Inter- ten ins Hasli und auch nach Brienz, wo «sondrig gen und vertröstete sie ebenfalls auf einen Ent- laken stimmte die Mehrheit, wie in den meisten und gemeinlich vyl zwytracht» herrsche. Sie scheid nach der Disputation in Bern. Ämtern, für die Reformation, Frutigen und sollten von den Rückfälligen eine Entschuldi- Obersimmental wollten beim alten Glauben gung fordern und Gehorsam verlangen. bleiben.

86 Aber im Juli kam Abt Barnabas Bürki von En- ten. Als die Klöster Ende Juli 1527 von Bern drohte, steigerte die Erbitterung unserer Vor- gelberg gar selber nach Brienz, um die Kirchge- bevogtet und 1528 aufgehoben wurden, hoff- fahren. Sie verlangten in einer schriftlichen Be- nossen im alten Glauben zu bestärken. Berns ten unsere Vorfahren auf Befreiung von Herr- schwerde vom 1. April 1528 die Beseitigung Obrigkeit sicherte hierauf den neugläubigen schaft und Steuerlasten der Propstei. Der alte verschiedener Übelstände und eine Verminde- Brienzern seinen Schutz zu und schrieb dem Traum, frei und selbständig wie die Nachbarn in rung der Abgaben. Als Bern die Beantwortung Abt, sie bedaure, dass er gekommen sei, um Unterwalden und Hasli zu werden, erwachte auf später verschob, erhob sich offener Aufruhr. die Messe zu lesen. Das könne sie nicht dulden. neu. Aber ihre Zwietracht verhinderte Einigkeit Schmähreden gegen Bern wurden laut. Man Wenn er aber Gottes Wort nach ihrer Auffas- und zielbewusstes Handeln. lasse sich nicht mit Gewalt zum neuen Glauben sung verkünde, dürfe er bleiben. Auf dieses An- zwingen. Der Brienzer Ueli Schryber postulier- gebot konnte der Abt nicht eintreten. Er musste Wie schon 1348 beim damaligen Aufstand ge- te, «die Oberlender ... möchten woll ein (eigener) schliesslich Berns Machtwort weichen. Die gen die klösterliche Herrschaft (S. 77), 1381 ort der Eydgnoschaft werden.» Am 23. April schöne Messkleidung der Brienzer Leutpries- beim Aufruhr gegen ihren Ringgenberger Frei- überfielen Gotteshausleute und Brienzer das ter, die er nach Engelberg mitnahm, wird dort herrn (S. 78) und 1445 – 47 in den Unruhen, die Kloster und begannen zu plündern. im Kloster noch heute aufbewahrt. – Ende Juli zum «Bösen Bund» führten (S. 82), suchten und schickte die Regierung wieder Herrn Jörg aus fanden die Aufständischen beim befreundeten Am folgenden Tag zogen tausend Mann aus in Interlaken nach Brienz, «ein versuchens mit ihm Unterwalden Hilfe. der Absicht, zusammen mit andern Unzufriede- thuon», und kurz darauf mahnte sie den hiesi- nen in Bern ihre Begehren durchzusetzen. gen Ammann bei seinem Eid, die Ungehorsa- Bern, seit 1224 Schirmherr des Klosters Interla- Auch eine Schar Hasler war aufgebrochen, men zurechtzuweisen und zu strafen. ken und seit 1275 mit Hasli verbündet, betrach- liess aber ihr Banner in Brienz zurück und gab tete das Oberland als seine Domäne. Es schritt später an, sie hätten vermitteln wollen. Vor Thun Als Gerüchte umgingen, Unterwaldner und alt- jedesmal ein, wenn Unterwalden diesseits des gelang es einer Ratsdelegation aus Bern und gläubige Hasler hätten in Grindelwald Gleich- Brünigs mitwirkte, und auch diesmal war der Vermittlern, die Aufrührer anzuhalten. Als Bern gesinnte versammelt, als Unterwaldner selb- Übergriff Unterwaldens für Bern Anlass, sich im einen Rechtstag und Gnade anbot und als zwölft wieder einen Messpriester nach Brienz Oberland durchzusetzen. Zuzug aus den andern Talschaften ausblieb, brachten, und als im Hasli auf den 2. August gar trat die Schar den Rückweg an. eine Landsgemeinde einberufen wurde, schick- Aber der Unwille gegen das Kloster gärte wei- te die Regierung einen Boten ins Hasli und nach ter. Als auch unter den Mönchen Zwietracht Im Mai übertrug die Regierung die Schlichtung Brienz, schrieb nach Luzern und verhandelte ausbrach, reiste der bedrängte Propst Trachsel des Streits einem Schiedsgericht. Dieses tagte mit Unterwalden, um Aufruhr und Einmischung mit einigen Chorherren nach Bern und übergab in Interlaken und gewährte den Klosterunterta- von aussen zu verhindern – ohne sichtlichen das Kloster am 13. März 1528 dem Rat. Noch nen manche Erleichterung. So sicherte es den Erfolg. Die Spannung trieb der gewaltsamen im gleichen Monat nahm eine Delegation der Brienzern ihre «friheiten, harkomenheit, guoten Lösung zu. Obrigkeit in Interlaken den Vermögensbestand gewonheiten und gewerden» zu. Es erliess den auf und liess Siegel, Urkunden, Zinsbücher, Landbesitzern in Wyler, Hofstetten, Schwanden, Der Aufstand Silbergeschirr und Kleinodien nach Bern bringen. Kienholz, Ober- und Niederried, deren Grund- Das Ringen um den rechten Glauben erregte stücke Wildwasser verschüttet hatten, 100 Pfund die Gemüter und weckte Widerstand. Zu offe- Die Erkenntnis, dass Bern sich als Rechtsnach- der geschuldeten Jahreszinsen, und der Am- nem Aufruhr aber führte der Streit um das ver- folgerin des Klosters betrachtete, dessen Herr- mann von Brienz sollte anstelle der bisherigen hasste Kloster Interlaken, dessen Steuern als schaft samt Abgaben beanspruchte und des- Klosteralmosen vom Landvogt alljährlich 4 Mütt drückend empfunden wurden und dessen sen Vermögen nach Bern entführte, dass die Dinkel und 2 Zentner Ziger für die Armen der Aareschwellen fruchtbaren Talboden versumpf- erhoffte Befreiung und Entlastung zu zerrinnen Kirchgemeinde beziehen können.

87 Brienzer Messegwand, das Abt Barnabas Bürki 1528 ins Kloster Engelberg rettete.

Die Unzufriedenen liessen sich durch diese Im September versammelten sich Gotteshaus- könnten. Die Aufständischen antworteten nicht. Zugeständnisse nicht beruhigen. Im August er- leute in zu einer Landsgemein- Sie versammelten sich am 22. Oktober auf der mahnte die Regierung den Ammann von Brienz de. Sie warfen dem Propst Trachsel vor, er Höhenmatte in Interlaken und beschlossen, auf bei seinem Eid, die Ungehorsamen zu bestra- habe das Kloster widerrechtlich an Bern über- dem alten Glauben und ihren Freiheiten zu be- fen und dafür zu sorgen, dass «brieff und sigel geben. Grindelwalder meldeten, im Wasser- harren. Recht wollten sie nur von den VII katho- und ir zuosagen» eingehalten würden. Die Has- turm zu Luzern lägen Urkunden, die bewiesen, lischen Orten annehmen. ler sicherten der Regierung ihren Gehorsam zu, dass sie freie Gotteshausleute wären «und me bedauerten die unter ihnen herrschende Zwie- dan ir hern rechtens darzuo (am Kloster) hättin.» Schon am 9. Oktober hatte die Regierung in tracht und baten die gnädigen Herren, «sy by Am 27. September forderte eine weitere Lands- Bern gerüchteweise von Unterhandlungen der altem bruch beliben ze lassen; noch ein kurtzi gemeinde die Verwaltung des Klosters für sich Rebellen mit Unterwalden vernommen. In Sar- zyt die wal (zwischen altem und neuem Glau- und verlangte von der Regierung in Bern, sie nen stünden vier Geschütze bereit, und «were ben zu) lassen.» solle ihre Rechte auf dieses vorlegen, damit der win in (wäre der Wein eingebracht), so wür- man darüber verhandeln könne. Zwei Tage den die änet dem Brünig ins land zien.» Später Aber Bern schickte neuerdings Boten, die den später zerstörte eine Schar Hasler und Brienzer verlautete, Aufständische hätten die Feste Gehorsamen Schutz versprachen und auf dem die Aareschwellen der Mönche bei Unterseen. Wyssenau besetzt und bewachten den Weg Rückweg auch in Brienz «der mess und unru- über Beatenberg, Nun schickte Bern Niklaus wen halb» zum Rechten sehen sollten. Land- Am 5. Oktober schrieb die Regierung an Hasli, Manuel mit Mannschaft und vier Geschützen vogt Hübschi in Interlaken wurde ermahnt, «gut Brienz, Ringgenberg und Interlaken und bot nach Oberhofen, liess das Schloss Thun beset- sorg han, wo sich etwas erheben wellt, dass du den Aufständischen auf den 26. Oktober erneut zen und bot im Emmental und andernorts Trup- uns berichtest by tag und nacht.» einen Rechtstag in Thun an, damit Schiedsrich- pen auf. Die Räte ernannten Schultheiss Hans ter aus den bernischen Ämtern Recht sprechen von Erlach zum Kommandanten und mahnten

88 Zürich und die Nachbarorte, zum Zuzug gerüs- Am gleichen Morgen verjagte Bischof mit eini- Kosten zu bezahlen. Zum Beweis, dass «wir vyl tet zu sein. Auf ein Vermittlungsangebot von gen Gesellen die im Kloster verbliebenen Auf- me zu barmhertzikeit dann strenge geneigt sy- Freiburg und Solothurn ging die Regierung ständischen in einem unblutigen Handstreich. end», wollen die gnädigen Herren den von den nicht ein. Aufwieglern Verführten verzeihen. Die rechten Das Strafgericht Matzenmeister aber sollen nach ihren Misse- Am 28. Oktober brach eine Schar von 800 Un- Am 2. November traf auch die bernische Haupt- taten bestraft werden. terwaldnern mit ihrem Banner auf, um den Auf- macht mit mehr als 5000 Mann auf dem Bö- ständischen zu Hilfe zu eilen. Bannerträger war deli ein. Auf Weisung der Regierung wurden die Schon am 6. November entschied die Obrigkeit Kaspar von Flüe, ein Enkel des Einsiedlers im Unterwaldner nicht verfolgt. in Bern, das Lager im Oberland sei abzubre- Ranft. Am 29. kamen sie in Brienz an, und am chen und die Truppe zu entlassen. nächsten Tag besetzten sie Unterseen, das zur Nun begann die Suche nach den «Matzenmeis- Regierung gehalten hatte. tern», den Anführern und Aufwieglern. Soweit Aus Aussagen von Gefangenen im Hasli, in der sie nicht nach Unterwalden oder ins Wallis ent- Wyssenau und in Bern sowie von andern Zeu- Am 30. brach das bernische Schützenfähn- wichen waren, wurden sie gefangen genom- gen ermittelte die Regierung die Haupttäter: chen unter Hauptmann Bischof in Thun zu Fuss men und «peinlich (unter Folter) befragt», so Barthlome Trachsel, der Bruder des Propsts, und zu Schiff auf. Abends, nach der Landung auch Ammann Abegglen und Schilt von Brienz. zur Vierteilung verurteilt, wurde Ende Novem- beim Neuhaus, ordnete er seine Schar für den Eine starke Abteilung mit Büchsenschützen ber «uss gnaden» in Bern enthauptet. Der Lau- Angriff auf Unterseen. und leichtem Geschütz erhielt Befehl, Brienz terbrunner Christian Kolb wurde im Mai 1529 in und Wiler am Brünig zu besetzen. Interlaken gevierteilt. Der angesehene Hasler Bei den Aufständischen scheint wenig Kampf- Hans im Sand floh zuerst nach Unterwalden. lust geherrscht zu haben. Schon die letzte Auf den 4. November hatten sich alle Männer Als er heimkehrte, wurde er im Mai 1530 ge- Landsgemeinde vom 22. Oktober hatte be- aus Hasli, Brienz/Ringgenberg und dem Klos- fasst und enthauptet. Seinen Kopf liess Bern schlossen, «keinen gwalt z’bruchen.» Wenige tergebiet in Interlaken auf der Höhenmatte ein- nahe der Kantonsgrenze am Brünig auf eine Tage später erklärten die Rebellen sich gar zufinden. Dort verkündete Schultheiss von Er- Stange stecken. Unterwaldner ersetzten das bereit, den von der Regierung angebotenen lach den Versammelten unter Geschützdonner Haupt durch einen Katzenkopf und brachten es Rechtstag in Thun zu beschicken. Und als Ver- das Urteil der Regierung in 12 Artikeln: Im Hasli in die Kirche von Sachseln. mittler aus Basel, Luzern, Niedersimmental und und im ehemaligen Klostergebiet gilt der neue Saanen eingriffen, liessen sich die etwa 1300 Glaube. Rädelsführer sind an Bern auszuliefern. Die Brienzer Ammann Schilt und Abegglen ga- Gotteshausleute, Hasler und Unterwaldner zum ben bei der Befragung an, sie hätten versucht, Rückzug über die Aare ins Kloster bewegen. Hasli und Interlaken haben Banner, Fähnlein- Hasler und Unterwaldner vom Aufbruch abzu- und Landessiegel an Bern abzugeben. Land- halten. Als die Unterwaldner über den Brünig Bischof konnte Unterseen mit seinen 300 Mann rechte und Freiheiten werden kraftlos erklärt, gekommen seien, hätten sie die Obrigkeit in kampflos besetzen. Die Unterwaldner mögen Bern bestimmt das Recht. Die Aufständischen Bern benachrichtigen wollen, seien aber in sich angesichts solcher Unentschlossenheit haben die zerstörten Aareschwellen auf eigene Oberhofen aufgehalten und verhaftet worden. gefragt haben, ob ein Krieg gegen den Bun- Kosten wieder zu errichten. Als «überwunden desgenossen Bern mit unabsehbaren Folgen und gewunnen lüt mit dem schwerdt» haben Ueli Schryber von Brienz floh zuerst nach Lu- zu rechtfertigen sei. Sie zogen am 1. November die Versammelten Bern Gehorsam zu schwö- zern, wo er drohte, er wolle mit einem Fähnlein früh, als Winterwetter einbrach, unter dem Vor- ren. Ohne Wissen und Willen der Obrigkeit dür- von Gesinnungsgenossen «syner zyt ins land wand ab, der Heimweg über den Brünig könnte fen sie keine Versammlungen mehr einberufen. vallen», da sie hier noch viele Freunde hätten. ihnen durch Schnee versperrt werden. Sie haben Bern die durch sie verursachten Im Oktober 1530 ritt Schryber durch Payerne.

89 Vermutlich wollte er bei den dortigen berni- Weil eine Obrigkeit von Gott zur Handhabung schen Truppen dienen, wohl in der Hoffnung, des Guten und zur Strafe des Bösen eingesetzt begnadigt zu werden. Aber die Obrigkeit be- sei, erliess die Regierung «zur Ehre Gottes und dauerte, dass man ihn nicht festgenommen zur Pflanzung von Ehrsamkeit und Züchtigung hatte und verbot ihm ihr Gebiet mit der War- erstlich unserer selbst und hernach aller Unse- nung, dass er ohne Gnade gerichtet würde, rer zu Stadt und Land» Sittenmandate, die der wenn er sich erwischen lasse. Nachdem er Pfarrer von der Kanzel zu verlesen hatte: über auch in Genf vergeblich verhandelt hatte, das Schwören und die Gotteslästerung, das tauchte er in Kappel auf, und Zürich setzte sich Zu- und Übertrinken, das Spielen, über die Klei- bei Bern vergeblich für ihn ein. – Wo mag seine dung und das Waffentragen, über Wirtshaus- Irrfahrt geendet haben? schulden und anderes mehr.

Nachdem der Aufstand gescheitert war und In jeder Kirchgemeinde wachte über Predigt- der Widerstand gebrochen schien, bemühte besuch und Sitten ein Chor- oder Ehegericht. sich die Regierung, das Zutrauen der Unterta- Dessen «heimliche eegäumer» erspähten und nen zurückzugewinnen. Gefangene wurden auf rapportierten Vergehen gegen Sitte und Vor- Bürgschaft oder bedingungslos freigelassen. schrift. Einen Einblick in die Tätigkeit unseres Einen Grossteil der beschlagnahmten Güter Chorgerichts auf dem Burgstollen bietet dieses Landesflüchtiger erhielten die nahen Verwand- Buch auf den folgenden Seiten. ten zurück. Hasli und Interlaken wurden Banner und Fähnlein bald wieder ausgehändigt, aber ein Ammann hatte sich künftig «statthalter uns- res vogts zu Inderlappen» zu nennen.

«Zu handhab des guoten und straf des bösen» Nach dem Zusammenbruch des Aufstands und unter dem Eindruck des Strafgerichts auf der Höhenmatte nahmen auch Frutigen und Obersimmental den neuen Glauben an. Nun bemühten sich Schultheiss und Räte zu Bern, die neue Kirche aufzubauen und zu festigen. In einem «getruckten büchlin», das jeder Pfarrer Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): für einen Batzen kaufen musste, wurden Nacht- Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- mahl, Taufe und Ehesachen geregelt. Anstelle sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im der Messe trat der Predigtgottesdienst. Am Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Sonntag und an drei Wochentagen verkündete Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte der Pfarrer das Gotteswort nach dem alten und Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen neuen Testament. sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

90 Strenges Sittengericht

Peter Michel

Eine neue Behörde – ihre Aufgaben, «Die Chorrichter söllend nit allein befälche (Befehl) ihre Tätigkeit haben, uff die eesachen (Ehesachen) zeachten, son- ders in gmeyn ob allen unseren christlicher disciplin, Nach der Reformation übernahm die bernische gmeyner zucht und erbarkeyt satzungen mit höchs- Obrigkeit anstelle der katholischen Kirche die tem flyss und ernst zehalten und die uberträtter Aufgabe, das Volk zu einem christlichen, gott- derselbigen, es syend wyb oder manns personen, gefälligen Leben anzuleiten. Mit vielen religiös zebeschicken, zerechtfertigen (verurteilen) und nach lut der satzungen und mandaten zestraffen, als da be­gründeten Mandaten suchte sie zu Stadt und sind gotts­lesterer, sagner (Segner), tüffelsschweerer, Land eine «Reformation der Sitten» durchzu- mutwillige versumer und verachter der predigen füh­ren, um der aufkeimenden Lebenslust und dess heiligen göttlichen worts und heiligen sacra- menten, ungehorsamme der elteren (den Eltern Ge­nussfreude des ausgehenden Mittelalters gegenüber), hurer, eebrächer, kuppler, trunckne lüt, Schran­­ken zu setzen. Sie sah sich als Statthal- tänzer, offentliche wu­cherer, spiler, unnütze mues- terin Got­tes auf Erden, fühlte sich somit durch- siggänger, die so uppige kleider tragend, uff kilch- wyhnen louffend, in mumme­ryen und fassnacht aus mitverantwortlich für die Sünden ihrer Un- butzen wyss (vermummt) umbloufend, fassnacht tertanen und glaubte, später auch für diese füwr machend, nachtliche un­fugen anrichtend oder Rechenschaft ab­legen zu müssen. spaat in zächen (beim Zechen) biss in die nacht verharrend, liederliche winckelwirt und was sonst derglychen mer ergerlicher lütten sind, die christen- Es lag nahe, für diese Erneuerungsaufgabe die licher zucht und erbarkeit zu wider han­d­lend». Kirche heranzuziehen. Über die Pfarrer war die Obrigkeit ja in allen Städten und Dörfern ihres Die «Chorgrichts-Satzung» wurde von Zeit zu Zeit Gebietes vertreten. Man schuf und gab den Was für Leute in den nach der Reformation im angepasst, ergänzt und neu aufgelegt. Diejenige von 1743 umfasst mit dem Register 150 Druckseiten. Pfarrherren eine neue Behörde zur Seite: das ganzen Kanton eingesetzten Chorgerichten für Sie war gut durchdacht und zeigte dem Pfarrer und Chorgericht. Jede Kirchgemeinde musste acht die Einhaltung der Sittenordnung verantwort- den Chorrichtern genau, wie sie sich in allen möglichen Situationen zu verhalten hatten. bis elf ehrenwerte, geachtete Männer bestim- lich sein sollten, bestimmte die Obrigkeit in men, die nun mit dem Pfarrer zusammen ein ihrem Mandat. Die Chorgerichte mussten mit Sittengericht bildeten. Dieses hatte die Auf- «alten, erbaren und touglichen personen (selbst- «Nach der predig ist der gantzen manschaft der gabe, die Leute in der Kirchgemeinde «mehr verständlich kamen da nur Männer in Frage), Kilchhöri stillzustehen befohlen worden, hernach wurde mir als Scriba des Chorgerichts befohlen, die und mehr zu wahrer Furcht Gottes und Aus- deren straf und warnungen by den andern pflichten der Chorrichteren wie des Chorweibels ab- übung christlichen Lebens und Wandelns zu ettwas gelten mögend», besetzt werden. – Man zulesen, so ich gethan, die formul vorgesprochen, da leiten.» schaute in der weitläufigen Kirchgemeinde alle Chorrichter nachgesprochen und den eyd mit aufgehobenen händen zu Gott andächtig prestirt. Brienz darauf, dass möglichst jedes Dorf im – Gott verleihe ihnen tapferkeit, muth, treüw und eif- Im «Christenlich Mandat» von 1587 sind die Chorgericht vertreten war. Der Landvogt führte fer, für Gottes Ehr dazustehen und der eingerissenen Aufgaben der Chorgerichte genau umschrie- die Chorrichter in ihr Amt ein und vereidigte sie Corruption nach best ihrem vermögen zu steuren.» ben: jedes Jahr neu vor der versammelten Kirchge- meinde. – Ein Pfarrer schreibt im Protokoll:

91 den Gemeindeobmann, heute würden wir sa- Eine wichtige Aufgabe der Chorrichter war es gen den Gemeindepräsidenten, ins Chorge- nun, den Predigt- und vor allem den Abend- richt delegiert. mahlsbesuch zu überwachen. Viele Eintragun- gen in den Chorgerichtsmanualen zeigen, dass Am 17. November 1710 wurden zum Beispiel immer wieder Leute vermahnt oder bestraft nachfolgende Personen im Anschluss an den werden mussten, weil sie zu wenig fleissig oder Gottesdienst von Landvogt Steiger vor der ver- überhaupt nicht in der Kirche erschienen. sammelten Predigtgemeinde als Chorrichter be­stätigt und wieder vereidigt: Gleich nach der Reformation sah die Obrigkeit 1. Peter Michel, Statthalter, Brienz eine wichtige Aufgabe darin, die Leute in der 2. Bendicht im Baumgarten, Obmann zu Stadt Bern und «dero Lande» in der Kenntnis Im Archiv der Kirchgemeinde Brienz sind die Protokoll- Schwanden der Bibel zu fördern und sie zur Gottesfurcht aufzeichnungen, man nennt sie Manuale, aufbewahrt. Sie 3. Ullrich Schilt, Obmann zu Wyler und zu einem wahrhaft christlichen Lebens- bieten demjenigen, der bereit ist, sich in die oft sehr persönlichen Handschriften der Protokollführer einzulesen, 4. Caspar Huggler, zu Wyler wandel an­zu­leiten. Zu diesem Zweck richtete viele interessante Angaben über das Dorfleben in den 5. Melcher zur Fluh, Sekelmeister zu Brienz sie die Kinderlehre ein. Kinder und Jugendliche vergangenen Jahrhunderten. 6. Melchior Mäder, Obmann zu Hofstetten bis zum 20. Altersjahr mussten sie besuchen. Das Chorgericht trat in der Regel etwa alle 14 7. Melcher Huggler, zu Brienz Sie fand jeden Sonntag um ein Uhr mittags Tage nach der Sonntagspredigt zusammen, 8. Melcher Schilt, alt Kirchmeyer zu Brienz wenn ein dringendes Geschäft es verlangte, hie 9. Melcher Brunner, Kirchmeyer zu Brienz und da auch an einem Werktag. Den Vorsitz 10. Heinrich Steiner, Obmann zu Oberried hatte der Obmann der Gemeinde Brienz, der 11. Ullrich Flück, der Weibel, zu Brienz Statthalter. Der Pfarrer war bei den Verhandlun- gen in der Regel die treibende Kraft und diente Sie mussten «vor der gemeynd in gegenwürtig- als Schreiber und Protokollführer. Den obrig- keyt dess predicanten und amtmanns den eyd keitlichen Vorschriften und den Pfarrherren, die thun, damit die gantze gmeynd hören und ver- im verlangten Chorgerichtsmanual (im Archiv nemmen möge, was ihr ampt und gwalt zestra- der Kirchgemeinde Brienz stehen sechs dicke fen, ouch wie sy ihnen zu gehorsammen schul- Bän­de) über alle Verhandlungen zuverlässig dig und pflichtig syend.» Buch führten, ist zu verdanken, dass wir ganz genau über alle Geschäfte, die ab 1587 im Die Predigt war das wichtigste und beste Mittel, Chorgericht behandelt wurden, im Bild sind. um die Vorschriften der Obrigkeit in Bezug auf – Der Chor­weibel bot zu den Sitzungen auf und die Sittenzucht bekanntzumachen, und des- war für den Vollzug der Gerichtssprüche und halb wurde im 16. und 17. Jahrhundert ausser das Eintreiben der gesprochenen Bussen ver- am Sonn­tag gleich auch am Montag, Mittwoch antwortlich. und Freitag gepredigt. Und der Besuch dieser Predigten wurde obligatorisch erklärt! Von je- Es war eine verantwortungsvolle, aber wohl dem Haushalt musste mindestens ein Mitglied Hausväter waren nicht nur dafür verantwortlich, dass nicht gerade leichte und angenehme Aufgabe, er­scheinen. Was das für die Leute von Oberried Kinder und Jugendliche von 6 bis 20 Jahren am Sonntag die Kinderlehre besuchten; sie mussten auch dafür Chorrichter zu sein. Vielleicht hat man deshalb und Brienzwiler bedeutet hat, kann man sich sorgen, dass sie an Sonntagen nicht mit Altersgenossen im 17. und 18. Jahrhundert immer mehr einfach leicht vorstellen! «zusammenliefen.»

92 statt, im Winter im Schulhaus, im Sommer in der Kirche. Pfarrer und Lehrer lösten sich in der Leitung ab. Es wurden der Berner und der Hei- delberger Katechismus erläutert. Immer wieder mussten Kinder und oft auch deren Eltern vor Chorgericht geladen werden, weil sie die Kinderlehre nicht oder nicht fleissig genug besuchten.

Lebenslanges Lernen wurde durch das soge- nannte Examen der Alten sichergestellt. Haus- mütter, Hausväter, aber auch ledige und ver- witwete Personen wurden viermal im Jahr, je 14 Tage vor den Abendmahlsfeiern, sonntags nach der Kinderlehre in den wichtigsten Glau- bensfragen unterrichtet und dann auch geprüft! – Diese Examination scheint nicht beliebt ge- wesen zu sein, denn immer wieder mussten viele Männer und Frauen wegen unfleissigen Besuchs vermahnt werden. So wurden am 17. Januar 1673 nach dem Gottesdienst 30 Männer und 6 Frauen in der Kirche zurück- behalten und scharf censuriert (bestraft), am Chorrichter: «La gseh, Hans, was hesch de du azbringe?» 29. Dezember 1726 sogar 56 Personen. Hans: «Ihr Herre, es isch nadisch e wüeschti Sach, mer wei so weni als müglech dervo rede.» Weil sich in der Kirchgemeinde Brienz wohl die meisten Leute mehr oder weniger gut kannten, wird es mitunter peinlich und nicht sehr angenehm gewesen sein, vor den Chorrichtern, die ja auch aus der Kirchgemeinde stammten, aussagen zu Die Schule war eine ausgesprochene Kirchen- müssen. Das oben stehende Bild hat Prof. Dr. Rudolf Gmür, Bern, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. schule. Die Kinder mussten vor allem den Kate- chismus auswendig lernen. Auch hier musste gen und Ab­klärungen waren oft kompliziert, Gesetzes nicht nur bis nach Thun hinunter das Chorgericht unzählige Vermahnungen und unangenehm und nahmen viel Zeit in Anspruch. reichte, war es vor einigen hundert Jahren wohl Strafen wegen «unfleissigen Schulschikens» – Eine Ehe konnte nach der Reformation grund- leichter als heute, in gewissen Situationen ein- aus­sprechen. sätzlich aufgelöst werden. Sie durfte aber fach zu verschwinden, und von dieser Möglich- niemals «ohne nothdringende Ursache, kei- keit mach­ten in eine Krise geratene Ehemänner Viel zu tun hatten die Chorrichter über Jahrhun- neswegs aber aus unzulässigen Gründen» auf- immer wieder Gebrauch. Auch Unvermöglich- derte hinweg mit Ehe- und Vaterschaftshän- gehoben werden. Das Chorgericht versuchte keit, Un­tüchtigkeit zu ehelicher Pflicht und un- deln. Sie mussten in diesen Sachen allerdings oft über Jahre hinweg, streitige Eheleute mitein- heilbare Krankheit konnten Scheidungsgründe nur Abklärungen treffen und Voruntersuchun- ander zu versöhnen. sein. gen füh­­ren. Sie konnten selbst keine Eheauflö- sungen und Kindszuweisungen beschliessen. Ein klarer Scheidungsgrund waren der erwiese- Ehen durften geschlossen werden, wenn «der Oberste In­­stanz war da das Obere Chor- oder ne Ehebruch und auch die «bösliche und mut- Knabe das sechszehende und das Mägdlein Ehegericht in Bern. Doch die Voruntersuchun- willige Verlassung.» Auch wenn das Auge des das vierzehende Jahr zurückgelegt» hatte.

93 Hingegen hatte der Vater oder der gesetzliche lange Erzählungen anhören, Beklagte einver- Schwangere «die bestellten Genisstmänner Vertreter ei­nes Ehewilligen das sogenannte nehmen, Verhöre veranstalten und den Sekre- dessen berichten lassen, damit sie sich ohne Zugsrecht, das Recht, eine vielleicht allzu tär Berichte schreiben lassen. Besonders kom- Verzug bey ihr» einfanden. Wenn sie das Auf- schnell gegebene Ehe­versprechung «zu hin- pliziert wurden die Verhandlungen immer dann, bieten der Genisstmänner versäumte, wurde dern und zu zernichten, ehe der Knab und das wenn Kläger und Beklagte mit Beiständen und die Paternitätsansprache (Vaterschaftsklage) Mägdlein das vier und zwanzigste Jahr ihres Fürsprechern antraten. – In den «Ehegerichts- vom Chorgericht nicht weiter behandelt, und Alters angetreten» hatten. So steht es in den Satz­ungen» war genau vorgeschrieben, was zu das Kind blieb ihr mit allen Folgen. Satzungen von 1787. Die Ordnung von 1529 tun war: hatte ein Mündigkeitsalter von 20 Jahren fest- Und nun weiter: gelegt. – Eheversprechungen, entweder schrift- «Eine unverehelichte schwangere Weibs­person soll lich oder «in Gegenwart zweyer un­verwerflicher ihre Schwangerschaft, so bald ihr solche bekannt «In den Geburtsschmerzen sollen die zwey Ge­nisst­ seyn mag, und zwar längstens im siebenten Monat, Zeugen mündlich» abgegeben, wa­ren rechts- männer sie ernstlich vermahnen, nach ihrem besten dem Richter oder dem Pfarrer oder einem Chorrich- Wissen und Gewissen den wahren und einzigen Va- gültig und verbindlich, und bei Vaterschaftskla- ter des Orts, da sie wohnt, mit allen Umständen der ter ihres zu gebährenden Kindes anzuzeigen. Nach gen wurde das schwangere Mädchen immer Zeit und des Orts der Schwängerung und zugleich der Ge­nisst soll das Chorgericht des Orts, innert 14 gleich gefragt, ob ein Eheversprechen vorliege. den Vater des Kindes anzeigen.» Tagen Zeit, die genisstliche Aussage der Klägerin Eheversprechungen wurden natürlich nicht im­ dem be­klagten Vater an dem Ort seines Aufenthalts bekannt machen lassen. Ist der Beklagte der Ankla- mer in Gegenwart der Eltern gemacht, sondern ge geständig, so wird die Sache an das Obere Ehe- sehr oft an einem Märit (Markt), nach Weinge- Wenn der Angeklagte nichts von einer Vater- gericht einberichtet und ihme das Kind Namens, nuss in einer Wirtschaft, auf der Alp, in einem schaft wissen wollte oder diese in Frage stellte, Heimats und Erhaltung halben zugesprochen; doch soll die Mutter solches sechs Monat lang erhalten Stall, mit oder oft ohne Zeugen. musste das genisstliche Examen bestellt wer- und besorgen, gegen sechs Kronen Ammenlohn, so den: Zwei ehrbare Männer, meistens waren der Vater, nebst allen andern dieser Sache halb er- Ein heiratswilliges Paar musste sich «an dreyen es Chorrichter, wurden beauftragt, der Geburt gangenen Kösten, bezahlen wird.» auf einander folgenden Sonntagen, sowohl in beizuwohnen. Wenn diese nahte, musste die bey­der Verlobten Heimat, als an dem Ort ihres Aufenthalts» von der Kanzel herab verkünden lassen, ehe es vor den Traualtar treten durfte. – Eine interessante Einzelheit: 1725 wurde das Gebot der Obrigkeit von der Kanzel verlesen, wonach jeder Mann oder Jüngling vor der Ehe- schliessung einen vom Amtmann ausgestellten Schein mit der Bestätigung vorweisen müsse, dass er «eine zweylötige Flinte, Bajonett, so man an das Rohr stosset, Patronentäschen und Dägen, einen grauen Rock mit roten Aufschlägen, rote Hosen und rote Strümpfe» besitze! «Den 18. Sept. stellete sich obgemelltes ehepaar wieder vor Chorgericht, da Peter Moser als Beystand des Weibs Margreth Forer vorstellete, dass Hans Schildt nicht nur dem lezt über ihn gemachten Schluss nicht nachgelebet u. Er besserung vor Im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert waren Sich bliken lassen, sonder auch bisshar gleichsam ärger als zuvor sich aufgeführt Vaterschaftsklagen das Hauptthema der Chor- hatte, auch begehre er eine frische weittläuffige klag wieder Schildt (...?) Die ganze Antwort dess Schildts bestunde in dem begehren auf eine andere Zeit gerichtssitzungen. Die Chorrichter mussten sich auf alle wieder ihn angebrachte klägde zu antworten.»

94 Schriftmuster aus dem Chorgerichtsmanual (Originalgrösse): «Sie wieder neürer verlassung Ihres Manns beschuldiget ist und worü- «Den 30. May (1723) – Erschinnen Ullrich Stüpfer von ber die anwesende Chorrichter geurtheilet, es söllen Zwey aus Ihrem Wyler der Eheansprechende Anna mittel nach Marschenried sich verfügen, disen Ehestreit alda genauw Steiger, mit hinzu (...?): bejahen, das untersuchen und so es mögl. in güte beylegen, massen doch ja die be- Mensch habe ihme einen Nasenlumpen klagte aus grosser einfalt und ebenfahls wegen Ihres schlechten ge- auf die Ehe hin geben – worauf das hörs sich nimmer recht zu verantworten wisse in der Kirchen, und nach Mensch antwortet, Es habe ihm denselbigen ...» ghaltener untersuchung befand es sich, dass die allgemeinen Klägden, so dises streitige Ehepaar eines über das andere vorbrachte, meistentheils für gleich Es ist nicht überall leicht, sich in die oft sehr persönlichen Schriften der Protokollführer, gehalten ja des Weibes Ihre noch für die stärkern und villeicht begrün- meistens waren es die Pfarrherren, einzulesen. Besonders schwierig ist es, wenn die deteren angemerkt werden könten, insbesondere der, dass der verwendete meist selbst gemachte Tinte schlecht oder die (Gänse-)Feder nicht frisch Flük als ein listiger und gschleinder Kerl seiner Trachsel allerl. Fall- geschnitten war. strike gelegt hatte, um Ihne zu verlassen...»

Dann kam noch die nach den Satzungen vor- strafen (sich entschuldigen vor versammelter gestellt, ob sie bezahlen oder absitzen wollten geschriebene Hurerey-Strafe: eine fünftägige Ge­meinde) und dann Gefangenschaft bis zu (10 Schilling Busse oder 1 Stunde Gefängnis). Ge­fangenschaft für den Beklagten und die ledi- drei Tagen. – Das Haus, in dem die Gefängnis- ge Mutter. Ob diese mit oder ohne Kind ins Ge- strafen abzusitzen waren, stand mitten im Dorf, Die Leute aus der Kirchgemeinde, die vom fängnis musste, steht nirgends geschrieben. an der Stelle, wo heute an der Hauptstrasse Oberen Chorgericht in Bern zu längeren Strafen Jedenfalls gab es in der Kefi (Gefängnis) an der 107 der westliche Teil des Hauses Metzgerei verurteilt worden waren (5 Tage, 14 Tage, drei Hauptstrasse sicher keine Abteilung für Frauen Egli steht. Hans Egli hat das sogenannte Land- Wo­chen), mussten in der Regel auch im Dorf- mit Kleinkindern. – Besondere Aufwendungen jägerhaus von der Kirchgemeinde erworben, im gefängnis abbüssen. – Wer die Leute im Ge- ergaben sich für das Chorgericht, wenn der Be- September 1976 mit seinem daneben stehen- fängnis betreute und wie sie betreut wurden, klagte keinen festen Wohnsitz hatte, wandern- den Haus abgebrochen und das heutige Ge- kann leider nicht mehr rekapituliert werden. der Handwerker, Angehöriger eines anderen schäftshaus (Metzgerei und sechs Wohnungen) Kantons oder gar Ausländer war. erbaut. – Die Kefi muss bis ins 19. Jahrhundert Immer wieder mussten sich die Chorrichter mit recht gut belegt gewesen sein, denn man ent- Spielern befassen. Es ging beim Kartenspiel Die Strafkompetenzen der Chorgerichte waren nimmt den Manualen, dass die Chorrichter und beim Kegeln offenbar immer um Geld. Die klar abgegrenzt. Sie durften Ermahnungen und immer wieder «Gefänknussstraffen» ausspra- Spieler vergingen sich dabei in den Augen der Verweise (Censuren) aussprechen, Geldstrafen chen. Meistens wa­­­­­ren diese recht kurz: eine Obrigkeit gegen das Gebot «Du sollst nicht be- festlegen, die recht hoch und damit einschnei- halbe Stunde, zwei Stunden, 12 Stunden usw. gehren, was dein Nächster hat.» Das gleiche dend sein konnten, auch sogenannte Schand- Und oft wurden die Delinquenten vor die Wahl Gebot wur­de beim Stehlen immer wieder über-

95 treten. Es wurde sozusagen alles gestohlen, gemacht worden sind. – Auf der ersten Seite was man wegtragen oder -führen konnte: Nah- des ersten Manuals steht: rungsmittel wie Brot, Milch, Käse, Ziger, Obst, Trauben, Rü­ben, Kabis, Erbsen, Fische, Honig, Nüsse, Brannt­wein, Wein, Salz, Haustiere vom «Acta oder Eegrichtrodel der Kilchen zu Brienz angefangen Huhn bis zum Rind, Hosen, ein Gewand, Hand- 1587 jar durch Joannes Liecht schuhe, Tuch, Hüte, Schuhe, Schürzen, ein Alp­ der selben Zyt vorstender der selbigen Kilchen.» kessi, Milchgeschirr, Heu, Mist, Streue, ein Heuschroter, Schlitten, Kuhketten, Schindeln, Holz, Werg, Hanf, Garn und natürlich Geld. Und jetzt zu einzelnen Themen: – Wenn man die Einvernahmen der ertappten Schelme studiert, bekommt man das Gefühl, Besuch der Predigt und der Kinderlehre dass da und dort, besonders wenn es um Ess- Ludi Banwart von Wyler stand am 23. Juli 1587 waren ging, Kinder im Auftrag ihrer Eltern sün- vor Chorgericht, weil «sin dochter und sin huss­ digten. Offenbar gab es Jahre, in denen die frouw so liederlich zkilchen kömind.» Banwart Versorgung mit Lebensmitteln für ärmere Leute entschuldigte sich, «er heige äben noch ein nicht einfach war. Suntag übersächen», aber er werde Tochter und Hausfrau «fermanen, dass sie fürhin Eltern, die in der Kindererziehung nicht mehr müsstind flissiger sin, sigint nun ein zittli krank ein und aus wussten, Leute im Dorf, die von gsin.» – Uli Fischer ist am 20. April 1628 «um Kindern «bösen Bescheid» bekamen, wenn sie 20 Schilling gstrafft worden sines liederlichen Wer zu verschiedenen Malen nicht in der Predigt erschien, diese zurechtweisen wollten, suchten beim Predig gans halben.» – Am 31. Mai 1629 muss- wurde in Liebe ermahnt, dem Gottesdienst fleissiger beizuwohnen. Wenn die Ermahnung nichts brachte, wurden Chorgericht Hilfe. Viele Klagen, die diesbezüg- te «Anna Döni, Hans Egglers wyb, in die kefi von Insolente vor Chorgericht citiert, bei der Obrigkeit verzeigt, lich im Manual aufgezeichnet sind, könnten wägen sines liederlichen Kilchen gans.» gebüsst und bestraft, in manchen Fällen mit Gefängnis. heute oder gestern gemacht worden sein. Aber hier war man vor einer Instanz, die noch etwas Am 12. Juni 1701 stand Christen Bürchli von Eltern die grosse Verantwortung, die sie durch unternehmen konnte und recht wirksame und Schwanden vor den Richtern, «weil er erklagt abhaltung ihrer Kinderen von den Kinderlehren gefürchtete Strafkompetenzen hatte. word­ en, dass er am Sontag anstatt in die Kin- auf sich zeü­chen, zu gemüht geführt und sind derlehr zu gehen, Blatten geschossen habe.» für diss als das erste mahl darmit heimge- Beim Durchblättern der Manuale stossen wir Weil er fest versprach, sich zu bessern, wurde lassen worden, mit bedreüwen, so sie sich auf viele kleine, an sich vielleicht unwichtige er nur «mit einer guten Vermahnung angese- nicht besseren, selbige mit gefangenschafft Vermerke, wie man sie in keinem Geschichts- hen.» – Am 11. August 1715 musste Hans Ur- oder sonsten ohne schonen zu straffen.» – Am buch findet. Wir lernen Pfarrherren und Chor- bats Margreth «wegen unfleissigen Kinderlehre 27. November 1707 wurde Maria Michel wegen richter kennen und Männer, Frauen und Kinder, gehens, ungeachtet es offters gewahrnet wor- unfleissigen Besuchs der Schule und Kinder- die sich vor ihnen verantworten müssen. Wenn den, durch den Schulmeister gezüchtiget wer- lehre in Gefangenschaft ge­setzt. man sich richtig in diese Aufzeichnungen hin- den.» – Am 29. Juni 1721 erschienen 28 Kinder einliest und die Sorgen und Aengste der dama- mit ihren Eltern vor Chorgericht, weil sie im Be- Sonntagsheiligung ligen Bewohner unserer Kirchgemeinde kennen such der Kinderlehren unfleissig waren. «Diese Auch über die Einhaltung des Gebotes der lernt, glaubt man sich plötzlich in die Zeit sind samtlich we­gen ihres erzeigten unfleisses Sonntagsheiligung mussten Chorrichter und zurückversetzt, in der diese Protokollnotizen censuriert und son­derlich den anwesenden Pfar­rer wachen und hatten da immer wieder

96 Übertretungen zu bestrafen. So wurde Peter Wie einzelne Dorfbürger, auch wenn sie nicht Eine Woche später mussten Melcher Stäli und Schilt von Ried am 30. August 1618 eine Busse gewählte Aufseher waren, das Chorgericht bei Leni Kerli vor dem Chorgericht erscheinen und von 20 Schilling auferlegt, weil er «am suntag seiner Aufgabe unterstützten, zeigt folgende sich verantworten. Melcher sagte, «er sige wol gehöüwet und intreit», obschon er sich ent- Geschichte: Man ahnte oder wusste offenbar, etwan dahin (in Leni Kerlis Haus) gangen, heige schuldigte, «er heige gmeint, es wölle rägnen.» dass Leni Kerli, Hans Bönigers Frau, ein Ver- aber nit gwüsst, ob ihr man daheim sige oder – Caspar Schilt, der Pfister (Bäcker) von Wyler, hältnis mit Melcher Stäli hatte. Da gab es nun nit, sige auch da, als er vermeine, nüt bösses wurde am 24. August 1623 bestraft, weil «er am zwei Männer, Caspar Egler und Uli Schilt, die gschen und vergangen.» Leni Kerli aber ist «be­ suntag mehrteils bache», der Schiffmann Hans Leni Kerlis Haus recht eigentlich bewachten, kantlich gsin, ja, es sige leider gschen, sy heige Winter am 22. Dezember 1639, «wyl er am son- wenn Hans Böniger nicht zu Hause war. Caspar sich mit ihm vergangen und höchlich gfält, ja tag wyn obsich gefürt», und Beat Heger ist am meldete dem Chorgericht am 8. Herbstmonat auch umb gnad bätten und ihren eheman Hans 25. Mai 1646 «fürgehalten worden, wie das er 1616: «Er heige das zum andermal gsen, das Böniger, das er ihren verzichen und vergän wöl- sölle am Heiligen Pfingst Sontag vor der Predig der Melcher Stäli zu des Bönigers frouwen, als le, welches er ihren zugseit und versprochen ja, ein schaff geschoren haben.» der Böniger nit anheimsch gsin, sunder in der mit dem vorbhalt, wen sy sich besseren wölle.» forsatz (Vorsäss) uber nacht glägen, in dess Trotzdem wurde sie mit Melcher Stäli zusam- Heimlicher/Ehegöummer Bönigers huss inhin gangen und die tür angentz men dem Landvogt verzeigt und wegen Ehe- Da die in der Gemeinde gut bekannten Chor- beschlossen, zum anderen sige er aber einist bruchs bestraft. richter und der Pfarrer nicht unbeobachtet kon, als der Böniger jensit dem see gsin, und über­all herumgehen und Übertreter der Gebote geklopft, do sige die thür angentz uffgangen, er Es interessiert zu vernehmen, dass einem «Ver- aufspüren konnten, wurden zusätzlich ein paar aber, der Melcher Stäli, sige inhin gangen, sy leider» (Angeber) der dritte Teil der Busse, die Männer als Zuträger (Heimlicher, Ehegöummer) aber, des Bönigers frouw, sige gewar worden, ein von ihm Verleideter zahlen musste, ausge- bestimmt. «Uff dem 7 dag May 1587» wurden dass etwan vorhanden sige, sy in aber nit richtet wurde! Auch die Chorrichter wurden für «dry heimlich Ehegöummer erwelt, flyssig uff- mögen gsen von wägen der finsteren nacht, do ihre Arbeit entschädigt: Jedes Jahr wurde vom sächen zehalten. Die sälben sind Peter am heige sy gägen in, dem Caspar Egler, griffen Pfarrer oder vom Statthalter die Chorgerichts- Acher zu Wyler, Balzi Schilt zu Brienz, Hans und also unverschampter wyss wöllen erfaren, büchse geöffnet und der dritte Teil der einge- zum Stein zu Riedt.» Die Leute im Dorf wussten wer da zugägen sige, er aber sige hinder sich gangenen Bussengelder unter die Richter ver- also nicht, wer ein Heimlicher, ein Denunziant träten, dass sy in nit het mögen ergriffen. Uber teilt. war und sie bei einem Chorrichter wegen das hat der Uli Schilt züget, dass er einmal uff irgendeines Fehlers anzeigte. Vielleicht war ja der wacht gsin, und als er bi des Hans Bönigers Ehestreit sogar der Nachbar so einer! Heini Zwald von huss wöllen füröber gan, do sige der Melcher Viele Ehepaare kamen vor das Chorgericht, Schwanden versuchte, Ehegöummer zu entlar- Stäli auch kon und sige zu der thür gangen und weil der eine oder der andere Ehepartner zu ven und kam deshalb am 19. Mai 1588 vor klopft, do sige im angentz uffgethon worden klagen hatte. So stellte das Chorgericht am Chorgericht, wahrscheinlich von einem Ehe- und die thür hinder ihnen wider zubeschlossen, 23. September 1616 fest, dass das Ehepaar göummer angezeigt. «Ist im fürghalten worden, aber das liecht, welches er zufor gsen, sige an- Melcher ab Planalp und Veronica Stüpfer, «in wie dass er ouch etwan nächtlicher wyss um- gentz ussglöschen worden – er aber sige sin grosser uneinigkeit läbend, ja er sy schlage, er her gange, und alsbald etwan göimer entlarv, strass zogen.» geantwortet, es syge wol zum theil war, aber derhalben er in einem bössen argwon und zwif- sy heige also ein böss mul, dass er nit für fel sige, damit er nun uss dem zwiffel kömme, könne, ja wen er sy schon schlan wölle, so were sölle er sich znacht daheimen finden lassen.» sy sich gägen im, far im in bart, sy aber gseit, er heige ire kinder uss dem huss triben, das möge sy nit liden, er widerum gseit, wen er

97 gange gon wercken, so heisse sy die kinder nüt Lüten vernommen, sy angentz zu ihren sägen, ankeren, dass dises nit mehr gschen müsse, thun, sunder spare als nur uff ihn und wen er sy heige das in das hertz inhin erlogen. Ob- und hats also mit grossem dank angenom- schon von der arbeit köme und hungerig sige, schon ir vatter das ghöre, so säge er nüt und men.» so koche sy im nüt, wen sy mit den kinden were das sinen kindern nit, sunder glimpfte ih- gässen heige.» Was hat da das Chorgericht nen dazu. Er sich zum theil wöllen versprächen, Margret Büler von Wyler, Melcher Schilts Frau, gemacht? Es hat die beiden «von disem unge- aber gar läüws, auch die zwen knaben nüt dar- vernachlässigte ihre Kinder. Sie wurde am bürlichen läben abgemanet und zur besserung wider können sägen, sunder ihre stiefmuter 28. Herbstmonat 1617 vor Chorgericht gefragt, vermant, ja wo ein solches mehr von ihnen klagt umb verzichung gebäten, und sy also widerum «wie es köme, das sy vilmalen etwan am mor- wurde, werde man es dem Herren Landvogt vereinbaret, mit angehenckter tröuwung (Dro- gen hinweg gange und drincke, aber die kind anzeigen, dass er sy nach ihrem verdienen hung), wo sy dises mehr von im und sinen dahein lasse, also das die kind etliche malen straffe.» – Noch böser ging es beim Ehepaar kinden klagen wurde, man ihn wider dahin blut nackendig uff die gassen usshin kömind Claus Murri und Barbli Sulzer von Wyler zu. Am schicken wölle, wo er harkon syge.» Offenbar und schriend, wo ist min muter, also das sy die 19. Mai 1588 standen sie vor dem Chorgericht. war Ida Lüthis Mann, Andres Wider, ein Zuge- nachburen müssind anlegen und sy spisen. «Im ist fürghalten worden, wie dass er möchte zogener. Auch über das, wen etwan metzger in dem in grosser uneinigkeit mit siner frouwe läbe, si wirtshuss sigend, sy angentz by ihnen und schlache, stosse, rouffe. Daruff er geantwortet, Uli Schribers Schwägerin beklagte sich am lasse also ihre kind sitzen. Sy um verzichung es möchte wol etwan so gangen sin, vermeint 16. Februar 1617 über Uli, «wie er sy einmal so gbäten, sy wölle sy besseren, ist also uff ihr aber, wichtige ursachen ghan han, als er heige mit ruchen worten angfallen von wägen ihres verheissen hin ein tag und ein nacht in gfangen- si gheissen, si sölli neuis mist uff den hanff thun, kinds, das es namlich nit sines bruders sige, schaft gleit worden.» das heige si nit than, sunder uff den acher las- sunder unehelig. Er aber dessen nit bekantlich sen füren. Daruff er erzürnt ein mistgabel zückt gsin, sunder gseit, er heige sins bruders kind Müssiggänger/Herumschweifer und Iren ein ryppe entzwei gschlagen. Item so ein streichli gän von wägen etlicher worten, sy Müssiggänger sah man nicht gerne. Am hat er ouch klagt, wie dass er einmal von der aber das nit wöllen liden, sunder wüst darab 20. Oktober 1588 stand Stefan Wimmiser vor arbeit khon, hungrig gsin und gärn gässen hät- gethan, er gseit, ich han rächt zu mines bruders dem Chorgericht, ein junger, starker Bursche. te, do sige er in znäben gaden gange, da fleisch kind das selbig zestraffen, oder aber wens nit Ihm wurde vorgehalten, «dass er gäng in unser gfunden, das Im am morgen übrig bliben, das mines bruders kind ist, so sag es, so will ichs kilchhöri umhar schlumpe, und man aber nit heige er gno und gässe. Doruff heige si im gflu- nit straffen. Wessen er nit hat können löügnen.» säche, dass er sich anstellen und werken wolle, chet, er sige ein sölicher fraass, dass ims diser Uli wurde vermahnt und musste 5 Schilling sunder man erfare wol, dass er sich nächtlicher oder iäner gsägnet, doruff heige er aber zu Iren Busse bezahlen. wyl mit unserer juget inlasse und die anfüre, griffen und Iren ein streich oder zween gäben. um brot zkarten und dspilen. Daruff er khein Uff sölichs sind si bedi zur besserung gwisen Den 18. März 1616 ist Hans zum Stein von antwort khonnen geben, sunder sich schuldig worden.» Schwanden «fürghalten worden, wie das syne erkhent, aber um gnad bätten, er wolle sich zwey knabli so böss, so unzogen sigend, dass zbekere und einem meister dienen. So ist ein- Kindererziehung sy den alten lüten schnöden bescheid gäben, hällig im Chorgricht bschlossen worden, dass Ida Lüthi kam mit der Erziehung ihrer Stiefkin- sy schölmen heissen und dergleichen, worum wo er sich inert 8 dagen nit zu einem meister der nicht zurecht und bat das Chorgericht am er ihnen das nit were und sy darumb straffe. Er schicke, man in gfänklich annämmen (gefangen 21. April 1616 um Hilfe. Sie klagte über ihren um gnad gebäten und sich also entschuldiget, nehmen) und unserem herre lantvogt zuschi- Mann und dessen Kinder, wie diese «gägen er ghöre gar übel (welches auch ist), er wüsse cken werde.» Man hört dann nichts mehr von ihren nit thüeind, was sy schuldig sigend, also nüt darum, aber wil er das ietz vom Chorgricht ihm. Offenbar hat die Warnung gewirkt. wen sy ihnen etwas were, das sy von guten verston müsse, welle er allen müglichen flyss

98 Argwohn/Verdacht Am 4. Juni 1615 standen Caspar Balmer, Peter Am 12. Oktober 1589 mussten Jakob Schilt, Schilt und Greti Muschi vor den Chorrichtern. Hannes Gertz und Matheus Lämlin vor Chor- Sie wurden gefragt, «worum sy nächtlicherwis gericht erscheinen, weil sie «nachts uf den zesamen schlüffen. Sy geantwortet, sy sigend Gassen umschweiffind, unruw und fil gschrys nur einmal znacht bi einanderen gsin und trun- anrichtind, welches sy zum theil gelougnet, zum ken, beten derwägen um verzichung und ver- theil bekantlich sin müssen.» Es wurde ihnen heissen, sy wöllend sich dessen abthun und gedroht, das nächste Mal werde man sie dem sich besseren.» Sie wurden mit der Drohung Landvogt überweisen. entlassen, «wo sy solches mehr thun würden, würde man sy dem herren Landvogt zuo- Am 5. Januar 1590 sind «vor chorgricht Hans schicken.» Doman und Anni Stäli, noch lidige personen, Das Haus, in dem im Verlauf der Jahre unzählige erschinen, ist inen fürghalten worden, wie dass Dass die Heimlicher fleissig ihres Amtes walte- Delinquenten aus unserer Kirchgemeinde ihre Strafen si dag und nacht einander nachgangindt, waz ten und überall herumspionierten, sieht man abzusitzen hatten, steht nicht mehr. Es stand mitten im Dorf, an der Stelle der heutigen Metzgerei Egli. Hans Egli si mit ein anderen zhandlen und zthun heigint, am Eintrag über Madlen Blum. Sie musste den hat das «Landjägerhaus» von der Kirchgemeinde erworben, oder ob si einanderen die ehe verheissen. Chorrichtern am 11. August 1589 erklären, wa- im Jahr 1976 mit seinem danebenstehenden Haus abgebrochen und das heutige Geschäftshaus mit der Sölichs si beide gar nit bkantlich. Uff sölichs rum «si im abwesen ires eemanns insonders Metzgerei und sechs Wohnungen erbaut. – Aufbewahrt hönd wir inen inbunden, dass wo si einander nit nächtlicher wyss buben zuzieche, denen essen wurde eine feste Tür aus dem früheren Gefängis. zur ehe gnomme, dass si einanderen müssig und trinken gäbe, die uss und inlasse, si aber gangint, domit argwon und böse ergernuss widersprochen, es sige nüt, jedoch dessin Am 30. November 1617 stand Jakob Bartli nicht fermiden blibe und sölle fürthin kheins sin wo bkantlich gsin, die buben kömend wol zu irer zum ersten Mal vor dem Chorgericht. Man er- das ander sige.» junkfrouwen Margret Achermann und dorfind öffnete ihm, «wie klag von ihm käme sines um- bi iren, si aber belade sich dessin nüt.» schweifens, das er keinem meister diene, ja et- Ulrich Schriber wurde auf den 28. August 1603 wan auch sich inlasse zespilen, und ouch wie er vor das Chorgericht zitiert «und imme fürghal- Auf den 4. Mai 1589 wurde die Hebamme Els- nächtlicher wil sige gsen worden, dass er ein ten worden, dass er Anna Müller, Jacob Müllers bet Schilt vor die Chorrichter zitiert, «und ist Iren leiteren treit und in ein huss heige wöllen stigen Ehefrouw nachgange, und vil in ihrem huss im fürghalten worden, wie dass si filmalen uffe in zu einer frouwen. Des meister halben hat er abwäsen ires Ehemans gsen und gfunden das Kienholtz gange und sich etwas fyrtäg- geantwortet, es sige war, er wölle aber einen wurde. Daruff er geantworet, er thüge da nüt licher dan sunst in bruch bekleide, villich von suchen. Des spilens halben hat er glöügnet, für unerlichs. Er wurde aber nun zum anderen mal Ires fründes Peter Enderlins wägen im desto das mit der leiteren ist er bekantlich gsin, es ernstig vermant, sich also ze halten, damit diser bass ze­gfallen, mit dem si den ouch gar vil sige da jung volck gsin, er und etlich knaben argwon vermiden werde.» gmeinsame heige, dass schier etwas anders ze heigen auch inhin wöllen, man heige ihnen aber argniperen. Daruff si bekantlich, si gange vil- nit wöllen uffthun, do heige er ein leiteren gnon Eva Fischer musste vor dem Chorgericht er- malen in das Kienholtz zu irem fründt Peter und wöllen gsen, wer da sige, sunst heige er scheinen, weil «von im klagt werde, dass es Änderli, aber alles mit guten ehren, diewyl man nüt bösses im sinn ghan. Ist davon abgemanet mit­hin etwan nächtlicher wil mit den söümeren aber das an Iren hasse, so khenne si wol des worden von wägen des unglücks das daruss trinke, welches im übel anstande. Es dessen nit fürlicher sine müssig gan.» entspringen möchte und vermant, das er einem können absin und gseit, es heige gmeint, es ehrlichen meister dienen sölle und zur warnung schade nüt, wen es bezale, was es esse und um 10 Schilling gstrafft worden.» trinke.»

99 Brotkontrolle Immer wieder kontrollierten die Chorrichter das Brot, das verschiedene Bäcker in der Kirchge- meinde verkauften.

«Uff den 6ten dag ougsten 1592 ist vor Chorgricht Caspar Schilt, der pfister, erschinen und imme fürghalten worden, wie dass er hop- fen in das brot thüge. Sölichs er gelougnet. Ist darvon abzestan fermant worden, dann wo sölichs me im brot funden wurde, er dessin übel entgälten wurde.» – Am 16. Juni 1633 wur- de Peter Furer «um 10 schillig gstrafft, das er sin brot, welches er verkouft, nit gnug bachen lasst, das noch inwendig teig ist, so man es zer- houwt.» – Am 18. Oktober büssten die Richter den Bäcker Heger um 2 Pfund, «das er also unsuber mit dem brotbachen umgadt.» – Den 4. Dezember 1642 ist das Brot der verschiede- nen Bäcker «gschouwet worden, und wyl et- was mangels darinn erfunden, ist Christen Schlappach und Bat Heger jeder umb ein Pfund gestrafft, Joseph Custor aber und Peter Die schon im 16. Jahrhundert im Chorgerichtsmanual immer wieder erwähnte wichtige Warenumschlagstelle Tracht, an der Fuhren jeder umb 10 schilling.» – Nur wo verhandelt, gehandelt und im Wirtshaus zum Kreuz oft über den Durst getrunken wurde. Das Aquatinta-Blatt von Johann Jakob Wetzel mag um 1820 entstanden sein. zwei Monate später, am 5. Fe­b­ruar 1643, wurde Bat Heger wieder gebüsst, «wyl er wider alle vermanung das brodt ein fiertili zu klein gmacht Tabakverbot Eine deutliche Sprache! Trotzdem musste Hans und dem Hrn Landvogt umb die buss zuerkent Die Obrigkeit hatte den Tabakkonsum in jeder Thurner am 21. November 1659 vor dem Chor- worden.» – Schon am 26. Februar des gleichen Form in ihren von der Kanzel herab verlesenen gericht erscheinen. «Wyl er Tabak gesoffen, ist Jahres kam der unverbesserliche Bat Heger Mandaten streng verboten. Es hiess darin: «Es ihm ein Guldi zegäben uferlegt worden.» Gesof- wieder zur Kasse: Der Statthalter und der solle das nicht nur unnöhtige und darbey ein fen – Pfarrer und Chorrichter wussten wohl Seckelmeister waren den Bäckereien nach- gross Gelt auss dem Land zeuhende, sondern selber noch nicht so recht, wie der Tabak kon- gegangen, und wieder hatten sie festgestellt, auch dem Menschen an seiner Leibs- und sumiert wurde. – Fünf Wochen später, am «das Bat Heger umb etwas die minderen Gemüthsgesundheit schadende, gefahrliche 13. Januar 1660, stand Melcher Mäder vor gmacht.» Heger musste jetzt bezahlen, was und unanstendige Raucken und Kauen des Chorgericht, «wyl er in Hans Michels, des Win- die beiden Inspektoren im Wirtshaus «vertan» Ta­backs jedermänniglichen, ohne Unterschied schenken huss zu Wyler, getabacket, unange- hatten. Mann- und Weibspersonen, jung und alten, es sechen das er fürgewendt, er habe es von seye was Stands es wolle, als ein landschäd- krankheit wegen gethan.» Er bezahlte 1 Pfund. liches Übel verbotten seyn.»

100 – Und etwas später kamen die Dealer, wie wir Und ihm fürghalten worden, wie dass es an ei- ist ihm auch noch zur straff 20 Schilling uffgleit solche Leute heute nennen würden, die ent- nem suntag in Jacob Fischers kheller gangen, worden.» deckt hatten, wie man leicht Geld verdienen und ein knab (Pauli Schilts Peter) nachen gan- konnte: Am 27. Januar 1665 wurde Hans Ring­ gen, ein wil in dem kheller bin im verharret. Uf «Den 14 tag Aprilis 1634 ist Trini Wyss vor ysen bestraft, «wyl er 1 Pfund Tabak ins land söliches es der sach bkantlich gsin, ja es sige Chorgricht erschinen, ihm fürghalten sin unver- gebracht.» Im gleichen Jahr versuchte Jacob wol in kheller gangen, da dschlaffen, es heige schamp­t­­e, das es sinen schwager ungeschücht Thurners Frau in Brienz, von einer Rolle Tabak aber den knaben nit heissen nachen khommen. vor den lüten offentlich küsset, davon ernstlich zu verkaufen. – Nun nahm das Tabakrauchen Uff das im zum bscheid worden, wo man abgemanet und um 10 Schilling gstrafft.» und -kauen überhand. Bis 1677 hat es im Ma- sölichs me innis wärd», werde es vor dem nual 46 diesbezügliche Eintragungen! – Die ers- Landvogt antreten müssen. Am 20. und am 27. Oktober 1667 stand Caspar te Frau, die in Brienz öffentlich geraucht hat und Schneyters Sohn vor den Richtern. Er musste dafür am 20. Oktober 1672 bestraft worden ist, «Uff dem 18 Novembris 1599 ist Caspar Flü- sich für eine Dummheit verantworten, er war war Greti Frutiger. Anni Schilt, Stein Ullis Toch- mann mit seiner dochter vor Chorgricht gsin am Sonntag während der Predigt in ein frem- ter, wurde 1677 als erstes Mädchen an einem und im, dem Caspar, fürghalten worden, sin des Haus hineingegangen. Erkenntnis des Sonntag beim Tabaken er­wischt und «in die dochter khönne noch nicht rächt bäten, dass Chorgerichts: «es solle nachgeschlagen wer- gfangenschafft erkennt.» uns wunder name, ob er doch bäten könne. den, wie alt er seye, und nach befindung ent- Daruff er mit der dochter angfangen bäten, weders mit gefangenschafft gestraft oder von Ein paar Jahrzehnte später gab es im Seeland aber aso zimlich abgangen. Daruff er vermant dem weybel offentlich mit ruten gehawen wer- Tabakpflanzungen. Das Rauchen, Tabakkauen worden, sin dochter flissiger zur kinderlere und den.» und -schnupfen wurde billiger, es wurde von zum bätten zu halten.» den Tabakkonsumenten nicht mehr so «vil gelt Am 7. April 1715 musste ein Knabe von Ried unnutzigklich verbruucht und ussem land Am 7. Dezember 1666 standen Ulli Porter und bestraft werden, «wyl er dem Hans Nufer all- verüsseret.» Deshalb gab die Regierung den seine Tochter vor Chorgericht. dorten ins hauss gebrochen und zum dritten aussichtslosen Kampf gegen die Tabakver- mahl speiss genommen. So ist erkent worden, braucher halbwegs auf. 1709 wurden die bishe- «Den Ulli aber habend wir geheissen bätten, dass er durch den Schulmeister vor den Kinde- rigen Verordnungen von den Gnädigen Herren der es zwar gekont, aber syn bös meitlin hat ren zum Exempel mit der Rute solle gezüchtiget dahin erläutert, «dass wir den nothdürftigen nit ein einiges Vatterunser bätten können, ist werden.» und ge­mässigten gebrauch des tabaks, sofehr lumpengsind.» solches nit offentlich beschicht, zulassen, dar- Mutwillige, dumme Zerstörer gab es schon vor gegen aber von einer jeden persohn, welche Den 31. Weinmonat 1619 musste Gabriel 200 Jahren. Den 16. März 1710 mussten sich des tabaks im rauken oder schnupfen gebrau- Schmid vor dem Chorgericht erklären, «was die ein paar junge Burschen von Brienz vor dem chen thäte, dessenthalb jährlichen ein Pfund ursach gsin, das er den knaben also übel Chorgericht verantworten, weil sie «nächtlicher bezogen werden solle.» gschlagen namlich mit einem schit und im das- wys den dorfbrunnen zu Schwanden verderbt selbige ob dem ruggen zerschlagen, auch über haben.» Der Pfarrer schrieb weiter: «ein Ehrbar- Verschiedenes das ihn mit füssen gstossen, das er 8 tag keit (Chorgericht) hat mich angsprochen, das Vielleicht hat ein Heimlicher mit folgender Ge­ blauw mosen ghan. Er geantwortet, der knab ich die gsellen für mich citiere und nach mei- schichte ein paar Schilling verdient: heige sin Maxli mit steinen gworffen, heige der- nem gutbefinden mit ihnen handlen solle.» halben gmeint, er heige gut rächt ghan. Ist aber «Uff den 28. Septemb. 1590 vor chorgricht er- erkänt worden, dass man das dem Herren schin ein meitlin genampt das Bäler Marien. Landtvogt sölle anzeigen, das er ihn straffe und

101 Am 13. Februar 1774 musste vor der Ehrbarkeit mit der gfangenschafft abzubussen, gaben aber Thomann wird der Reihe nach auf etwa sechs folgendes oberchorgerichtliche Schreiben ver- lieber das gelt.» verschiedene Arten geschrieben: Doman, lesen werden: «Eure Angehörige Anna F., der Do­men, Domman, Dommen, Thoman und Wir schon unterm 26sten October 1769 die Es interessiert, dass die Chorrichter in Brienz schliess­lich Thomann. Der Name Cherli verän- Stadt verboten haben, ist Uns heute abermals praktisch nie etwas gegen «uppige Kleider» dert sich zu Kerli und dann zu Kehrli. – Weitaus als eine umherschweifende Dirne vorgestellt (Mandat von 1587) unternehmen mussten. Bei am meisten treffen wir in den Manualen auf den worden. Wir haben sie fort und in ihr Heimat ihren Kollegen in Langnau war das, wie man in Familiennamen Schild (bis genau 1813 immer gewiesen und ihr die Betretung der Hauptstadt den dortigen Chorgerichtsmanualen lesen Schilt geschrieben), dann kommen die Namen und des Stadtbezirks auf immer und unter Be- kann, ganz anders. – Immerhin: In Brienz wurde Stähli, Michel und Flück. – Man stösst in den drohung schmählicher Bestrafung verboten. am 15. November 1715 Susanna Wilhelm «umb Chorgerichtsmanualen nicht auf alle 26 Burger- Dessen Wir Euch andurch zu Eurem Behelf 10 Schilling gestrafft, wyl es wider gethane geschlechter. – Man findet fast keine Überna- nachrichtlich verständigen wollen. Geben den Wahrnung ein unanständiges halsduch im men oder noch heute gebräuchliche Zunamen. 3. Hornungs 1774.» Gottesdienst getragen.» Melcher zur Fluh von Das mag damit zusammenhängen, dass die Ried und Josef Kehrli von Brienz trugen in der Pfarrherren als Sekretäre des Chorgerichts Am 21. September 1710 sind «Jacob zur Fluh Kirche «unanständige Kappen.» Was ist ein immer von auswärts kamen. von Ried, Melcher Fischer von Brienz und Hans unanständiges Halstuch? Wie sehen unanstän- Fuchs von Brienz mit scharpfer Censur angese- dige Kappen aus? Ging das unter «uppige Klei- Die Frage nun, was die gross angelegte Volks- hen worden, wyl sie an einem Sontag an Arni der»? Bernhard Ruff, «von der jugend auf in erziehung, der unablässige, sehr aufwendige mit den Papisten geschwungen.» An einem der armuth erzogen», kam plötzlich mit einem Kampf der bernischen Obrigkeit gegen die Sonntag durfte man so oder so nicht schwin- «taffetigen Halsduch» in die Kirche. Weil er die Weltlust, das Spielen, das Tanzen, das Trinken, gen. Aber dann schon gar nicht mit Papisten 10 Schilling Busse nicht erlegen wollte, wurde gegen die Geselligkeit unter jungen Leuten bei- (Katholiken)! er in die Ge­fangenschaft gesetzt. der Geschlechter im 16., 17. und 18. Jahrhun- dert gebracht hat, kann wohl nicht eindeutig Es war offenbar Brauch, dass eine Braut, wenn Hans Fischer war dem Chorgericht im Novem- beantwortet werden. In mancher Hinsicht ha- sie zur Hochzeitsfeier die Kirche betrat, einen ber 1706 noch Bussgeld schuldig. Nun bot er ben die in bester Absicht erlassenen Vorschrif- Brautkranz trug. Eine schwangere Braut aber durch den Weibel dem Chorgericht «gspötts- ten sicher Frucht getragen: Man sieht aus den durfte keinen Kranz mehr tragen! – Am 18. Sep- weis» ein Zigerstöckli an. Die Chorrichter lies­ Chorgerichtsmanualen, dass man für viele tember 1712 wurden gleich drei junge Frauen sen aber nicht mit sich spassen und setzten ihn Leute feste Leitplanken setzen musste. Aber gebüsst: Anna Studer von Wyler «wegen allzu- ins Gefängnis. «Ist erkent worden, dass er darin man erkennt auch, dass die angestrebte Diszi- früher Kindbetti und weil sie den Krantz getra- verbleiben solle, biss er abgeschaft habe.» plinierung oder gar eine Umerziehung der Dorf- gen ohnangesehen sie zuvor ist gewarnet wor- gemeinschaft durch das Chorgericht kaum den», dann Elsbeth Schmoker von Schwanden, Schlussbemerkungen erfolgt ist. «puella (Mädchen) mit 4 ohren, wegen allzufrü- Die Vor- und Familiennamen wurden von den her Kindbetti, dennoch sie im tüechli den Kirch- ersten Protokollführern ohne Konsequenz mit gang gehalten», und endlich Margreth Gfeller, kleinen oder grossen Anfangsbuchstaben ge­ auch puella mit 4 Ohren, «wyl sie im krantz er- schrieben, wie es gerade kam. – Dass sich für schinnen und allzufrühe Kindbetti gehabt.» Alle viele Namen im Verlauf der Jahre eine andere, drei wurden zu empfindlichen Bussen verurteilt. neue Schreibweise durchgesetzt hat, kann an Margreth Gfeller und ihr Mann, «wyl sie etwas einigen Beispielen besonders gut gezeigt wer- arm sind, wurde die wahl gelassen, den fähler den: Der heute gebräuchliche Familienname

102 Wie unsere Gegend die Helvetik (1798–1803) erlebte

Rudolf Perren-Zurflüh

Ab 1789 verhalf die Französische Revolution neuen den Auszug, und am 1. Februar wurden hier worfen. Dort bewährte sich die 1. Grenadier- Ideen zum Durchbruch: Freiheit der Gedanken, der und im Hasli die Füsiliere (Landwehr) gemustert kompanie unter Hauptmann Niklaus Friedrich Rede und des Glaubens, Gleichheit aller Bürger vor und auf Pikett gestellt. Man war hier gewillt, dem Recht, Volksherrschaft, Trennung der Staats- von Mülinen. gewalt in gesetzgebende (Parlament), ausführende das Vaterland zu verteidigen. So baten auch (Regierung) und richterliche Behörden. zwei junge Brienzer, Peter Michel und Johan- Ihren Hauptstoss führten die Franzosen in drei nes Schilt, die wegen einer Schlägerei des Kolonnen bei und Thörishaus über Diese Ideen wurden auch hierzulande in aufge- schlossenen Kreisen diskutiert. In den schlecht ver- Landes verwiesen waren, die Gnädigen Herren die Sense. Es gelang ihnen, die Berner zu über- walteten Gemeinen Herrschaften, bei der rechtlich in Bern um Begnadigung, «damit sie als wakere raschen und bis vor Niederwangen vorzudrin- und wirtschaftlich benachteiligten Landbevölkerung Männer helfen können, das Vaterland, so der- gen, doch wurden sie nach harten Kämpfen der Zunftstädte, unter sich «mindern Rechts» fühlen- den Bürgern und Untertanen der Patrizierorte fanden malen in Gefahr stehet, mit ihren Brüdern zu über die Sense zurückgejagt. sie Anklang. In Bittschriften, Verschwörungen und verteydigen, für welches sie gerne Gut und Aufständen versuchten Unzufriedene seit 1723 sich Blut aufopfern werden.» Als sie am Morgen des 5. März den heftigen mehr Freiheit und Gleichheit zu verschaffen, aber die Obrigkeiten beharrten auf ihren Vorrechten und un- Gefechtslärm aus der Gegend von Neuenegg terdrückten solche Bestrebungen mit harten Strafen. Das 1. Bataillon des Oberländer Regiments 12 vernahmen, eilten die Grenadierkompanie von mit den Auszügern aus dem Oberhasli und der Mülinen und die Scharfschützenkompanie Ausbruch und Verlauf der Französischen Revolution Kirchgemeinde Brienz marschierte in den Gatschet durch den Forst und über Spengel- wurden von Regierenden und Untertanen in der Eid- genossenschaft wahrgenommen, aber erst beim Raum Murten und bezog dort mit den andern ried zu Hilfe. Wie sie aber oberhalb Neuenegg Herannahen der französischen Heere brach die alte Truppen der 1. Division Stellung. Auf einen lan- ankamen, war Bern bereits gefallen und der Ordnung zusammen. Ab Januar 1798 besetzten gen Monat des zermürbenden Wartens auf Krieg zu Ende. Die Nachricht vom Falle Berns französische Truppen Genf, den Jura und die Waadt. Im März kapitulierten Freiburg und Solothurn und den Angriffsbefehl folgte am 3. März der über- erregte auch bei unsern Kriegern Erbitterung Bern fiel nach Gefechten bei Büren, , raschende Angriff der Franzosen. Freiburg und und Zorn. Die Einheiten lösten sich auf und die Grauholz und Neuenegg. Solothurn kapitulierten. Die Truppen um Murten Soldaten liefen heimzu. waren nun in ihren Flanken bedroht; sie wurden an die Sense und Saane bei und Güm- So überstanden die Brienzer und Oberhasler Die Brienzer und Hasler im Feldzug 1798 menen zurückbefohlen. den 98er-Feldzug ohne Verluste – im Gegen- Wer im Berner Münster die Ehrentafel der 1798 satz zum 2. Bataillon, das sich aus den Ämtern im Kampf gegen die Franzosen gefallenen Sol- In der Nacht vom 4. auf den 5. März griffen die Interlaken und Unterseen rekrutierte, und das in daten durchliest, stösst auf zahlreiche Namen Franzosen auch die Sense-Saane-Stellung der der Nacht des 2. März bei Lengnau schwere aus unserer westlichen und südlichen Nach- Berner an. Verluste erlitt. barschaft, nicht aber auf solche aus unserer Gegend. – Warum? Bei Gümmenen kam es zu einem nächtlichen Auf der Flucht in Brienz Artillerieduell, das unsere Soldaten heil über- Die zögernde Haltung der Regierung vor Ende Januar 1798, als die Franzosen bereits standen. Bei Laupen drang der Feind im Schutz Kriegsausbruch, die Propaganda der Franzo- in der Waadt und vor Biel standen, erliess die der Dunkelheit über die Sense ins Städtchen, sen und ihrer Freunde, der unglückliche Aus- Berner Regierung das allgemeine Aufgebot für wurde aber wieder über den Fluss zurückge- gang des Verteidigungskampfes und die Ver-

103 luste an Gefallenen und Verletzten erregten Bewaffnete Burschen bedrohten sie bei der Eine neue Zeit – die Helvetik im Volk und bei der Truppe den Argwohn, ihre Abfahrt. Auch bei ihrer Ankunft in Brienz lief Die vom Basler Peter Ochs und französischen Obrigkeit hätte sie verraten. Meuternde Sol- erregtes Volk zusammen. Statthalter Fischer Regierungsmännern schon im Januar 1798 daten erschossen zwei patrizische Obersten; besorgte ihnen einen Handkarren fürs Gepäck entworfene Verfassung der «einen und untheil- General von Erlach wurde bei von und drei Träger für die Kinder. Unterwegs nach baren hevetischen Republik» war der damali- betrunkenen Oberländer Landstürmern er- Brienzwiler nahm man ihnen den Karren mit gen Verfassung Frankreichs nachgebildet. Sie schlagen. dem Gepäck weg und erpresste Geld von ih- schloss die Staaten, zugewandten Orte und nen. Weil der Brünig gesperrt war, zogen sie gemeinen Herrschaften der alten Eidgenossen- Schultheiss Niklaus Friedrich von Steiger, der weiter nach Meiringen, wo eine arme Frau mit schaft zu einem zentralistischen Einheitsstaat am 5. März bis zuletzt bei den Truppen im sieben Kindern den Erschöpften Suppe und zusammen, der von einem fünfköpfigen Direk- Grauholz ausgeharrt hatte, floh mit seinem Nachtlager bot. Dort vernahmen sie vom ge- torium regiert wurde, – Was brachte sie unserer Kammerdiener Christian Dubi ins Oberland. waltsamen Tod des Generals: Gegend? Nachdem sie in Unterseen bei Oberamtmann Gruner übernachtet hatten, wollten sie vom «Là il entra un soldat revenu depuis peu de Der Wunschtraum des Brienzer Rebellen Ueli Zollhaus (heute Interlaken Ost) per Schiff nach temps de l’armée. Il venait pour nous espion- Schryber (s. S. 87) und vieler damaliger Ober­ Brienz weiterreisen. An der Ländte wurden sie ner, et se mettant devant nous, il raconta toute länder, «die Oberlender ... möchten woll ein ort von heimgekehrten Soldaten als «Landverkäu- l’histoire de l’affreux assassinat de M. d’Erlach (Kanton) der Eydgnoschaft werden», wurde nun fer» beschimpft und bedroht. Zufälligerweise en nous fixant du blanc de ses yeux. Il n’est pas verwirklicht: Um das mächtige Bern zu schwä- trafen sie dort auf den Landweibel von Brienz, possible de dire ce que nous avons souffert chen, wurde das Oberland abgetrennt und zum Peter Schilt, der mit Dubi in einem Berner Regi- dans ce cruel moment.» selbständigen Kanton mit der Hauptstadt Thun ment in Holland gedient hatte. Dieser stellte ernannt. Aus der bisherigen Landvogtei Interla- sich vor die Flüchtlinge und ermöglichte ihnen Hauptmann Niklaus Friedrich von Mülinen, ken entstanden die drei Distrikte Interlaken die Weiterreise. In Brienz übernachteten sie im Kommandant der 1. Grenadierkompanie, mar- (Hauptort Wilderswil), Unterseen und Brienz. «Bären». Schultheiss von Steiger zahlte seinen schierte und fuhr, nachdem er bei Neuenegg Das Oberhasli konnte seine Landsgemeinde Kammerdiener aus und reiste mit einem hiesi- vom Falle Berns erfahren hatte, mit einem Teil beibehalten. Gegen Ende März 1798 konnte gen Begleiter, den ihm Statthalter Fischer be- seiner Einheit nach Interlaken. Dort wurde auch jede Kirchgemeinde in einer Urversammlung sorgt hatte, bis Lungern und von dort über er von Bewaffneten bedroht. Seine Grenadiere ihre Wahlmänner ernennen, die vom 29. bis 31. Lindau am Bodensee nach Augsburg, wo er standen zu ihm, und Leutnant Peter Schilt von März im Rathaus Thun tagten. Diese ernannten 1799 starb. Brienzwiler half ihm, sich mit seiner Frau und in die Behörden der «einen und un­theilbaren ihren fünf Kindern zu treffen. Er fand mit seiner helvetischen Republik» vier Senatoren, acht Frau Margarethe von Erlach, die Gattin des Familie in Brienz Unterkunft, und er konnte von Grossräte und einen Richter in den obersten Generals, war mit ihren dreieinhalbjährigen hier aus Frau von Erlach und ihren Angehörigen Gerichtshof. Sie wählten ferner die dreizehn Zwillingsbuben, einer verheirateten Tochter und zu ihrem Gepäck und zur Rückreise nach Bern Kantonsrichter und fünf Mitglieder der kantona- einer viereinhalbjährigen Enkelin vor Kriegsaus- verhelfen. – (Von Mülinen wurde 1803–1806 len Verwaltungkammer. Aus dem Distrikt Brienz bruch ins Oberland, nach Bönigen gezogen. und 1814 bernischer Schultheiss, 1818 und wurden alt Statthalter Johannes Fischer in Als dort die Nachricht von der Niederlage des 1824 Landammann der Schweiz.) den Grossen Rat, alt Gerichtssäss Peter Schilt, 2. Bataillons bei Lengnau und von den vielen Brienzwiler, ins Kantonsgericht und alt Leutnant Toten und Verletzten bekannt wurde, mussten Kaspar Stähli, Brienz, in die Verwaltungkammer die beiden Frauen mit ihren Kindern Bönigen gewählt. fluchtartig verlassen.

104 An der Spitze des Kantons stand kein Regie- Der Stolz, dass Brienz Distriktshauptort und Im Hasli, wo die Erbitterung über den Entwaff- rungsrat und kein Grosser Rat wie heute, son- Sitz eines Distriktsgerichts im Kanton Ober- nungsbefehl des Generals Schauenburg gross dern einzig Regierungsstatthalter Samuel Jo- land wurde, die Aussicht auf neue Freiheiten war, fanden sie nun Gehör. Dort begann man neli aus Boltigen, der für die Ausführung der und Rechte, die Enttäuschung über den an- sich für den Auszug zu rüsten, und in Meiringen Gesetze und Anweisungen der helvetischen geblichen Verrat der bisherigen Obrigkeit, viel- fiel der Freiheitsbaum. Die helvetisch gesinnten Regierung, des Direktoriums, zu sorgen hatte. leicht auch der Wunsch, die schmähliche Nie- Brienzer aber verhielten sich wiederum abwei- Er ernannte für jeden der dreizehn oberländi- derlage gegen die Franzosen zu vergessen, send. Hier hatten die Behörden gemäss Befehl schen Distrikte einen Unterstatthalter, der wie- mögen die Begeisterung der Brienzer für die des Generals Schauenburg bereits 800 Ge- derum in seinem Bezirk die von oben erhalte- neue Ordnung erklären. Auf dem Platz beim wehre eingesammelt. Die Innerschweizer, die nen Befehle durchsetzen musste. «Bären» stand bald ein mit bunten Bändern ge- unterdessen Zuzug aus Uri und Glarus erhalten schmückter Freiheitsbaum, und mit patrioti- hatten, behändigten diese zur Abgabe bereiten Brienzer Unterstatthalter wurde Peter Gross- schen Reden und Tanz feierte man hier den Waffen. Die Brienzer scheinen sich angesichts mann, Landmann und alt Richter. Sein Distrikt Beginn einer neuen Zeit. der Übermacht damit abgefunden zu haben. Brienz umfasste die beiden Munizipalitäten Am 1. Mai zogen die Innerschweizer über den Brienz (Gemeinden Brienzwiler, Hofstetten, «Helvetische» Brienzer Brünig ab, um den Schwyzern gegen die anrü- Schwanden, Brienz, Ebligen, Oberried) und Die neue Verfassung stellte den Gottesdienst ckenden Franzosen zu Hilfe zu eilen. Ringgenberg (Gemeinden Niederried, Ring- unter Polizeiaufsicht. Pfarrer und Priester durf- genberg, Goldswil). Die beiden Munizipalitäten ten keine Staatsämter bekleiden und waren von Ernüchterung: Einquartierungen und entsprachen also gebietsmässig den Kirchge- der Urversammlung der Bürger ausgeschlos- Requisitionen (Beschlagnahmungen) meinden; nach ihren Aufgaben und Rechten sen. Diese kirchenfeindlichen Vorschriften und Am 11. März 1798 schrieb der französische können sie als Vorgänger der heutigen Einwoh- andere Bestimmungen des neuen Grundgeset- Kriegsminister an General Schauenburg: «Ich nergemeinde gelten. Der Munizipalität Brienz zes erregten in der katholischen Innerschweiz melde Ihnen, dass es die Absicht des Direktori- standen vor Daniel Michel als Präsident und Empörung. Urner, Schwyzer, Nidwaldner, Zu- ums (Regierung Frankreichs) ist, dass unsere Johann Dellenbach als Sekretär. Präsident der ger und Glarner verweigerten den verlangten Truppen von dem Lande ernährt werden, das Gemeinde Brienz war Peter Schilt, alt Haupt- Eid auf die neue Verfassung und begannen zu sie besetzt halten.» mann und Weibel, als Sekretäre wirkten Mel- rüsten. chior Stähli und Johann Dellenbach. Der Absicht wurde entsprochen: Am 23. April 1798 kamen rund tausend Unter- Laut Befehl vom 12. April 1798 hatte das Ober- Die Stimmberechtigten der Kirchgemeinde waldner Landstürmer über den Brünig, um land Vorräte für 5000 Mann und 500 Pferde auf Brienz nahmen die neue Verfassung nach zusammen mit den Haslern und Brienzern 14 Tage anzulegen, dazu ein Depot mit weite- Mitte März in einer Urversammlung an. Das gegen die Franzosen auszuziehen. Schlecht ren Reserven. Ende Mai sah sich die Verwal- Grundgesetz versprach allen Schweizerbürgern bewaffnet, scheinen sie keinen verlässlichen tungskammer Oberland gezwungen, pro Ge- Sicherheit, Aufklärung (Erziehungswesen), un- Eindruck gemacht zu haben. Sie fanden weder meinde einen «freiwilligen» Beitrag von 150 veräusserliche persönliche Freiheit, Gewissens- im Hasli noch hier Kriegswillige und zogen un- Kronen innert drei Wochen einzufordern, zahl- freiheit, Pressefreiheit, Schutz des Privateigen- verrichteter Dinge wieder ab. bar in Geld oder in fetten Rindern. – Noch am tums und die Möglichkeit, auf Grundbesitz 28. Mai hatte Munizipalitätsschreiber Dellen- lastende Zinsen und Dienstbarkeiten loszukau- Aber schon vier Tage später rückten 1300 Unter- bach dem Regierungsstatthalter gemeldet: «In fen. Sie untersagte erbliche Gewalt und Vor- waldner und Schwyzer bis nach Hohfluh, Meirin- unserem Bezirk der Municipalitait Brienz sind rechte. gen, Brienzwiler und Brienz vor, diesmal in bes- noch keine französischen Truppen, weder sich serer Ordnung und mit besserer Bewaffnung. aufhaltend noch Passiert.»

105 Unterdessen hatte General Schauenburg Meiringen bis Brienz. Sie hätten nach dem kam von Thun die Meldung, am 27. würden Schwyz, Uri, Glarus und Zug nach verlustrei- Kriegsplan von General Reding zusammen mit «180 Fuhr-Pferde mit 90 Führern oder vielleicht chen Kämpfen zur Kapitulation und zur Annah- Zuzügern aus dem Oberland gegen Bern vor- mehr und tags darauf eben so viel durch euere me der Verfassung gezwungen. Nur Nidwalden rücken sollen, fanden aber auch diesmal keine Gegend reisen, denen sowohl Quartier, Bestal- weigerte sich weiterhin und rüstete zum Ab- Hilfe und zogen Anfang Mai wieder über den lung, als die Fouragerationen geliefert werden wehrkampf. Ende August/Anfang September Brünig ab. muss, – wir tragen Eüch demnach auf zu sor- 1798 zog Schauenburg im Entlebuch und in gen, dass solches in Bereitschaft stehe.» – Von unserer Gegend Truppen zusammen, um in Im Mai zogen immer wieder französische und den 30 Ochsen, die der Kanton Oberland ins Nidwalden einzufallen. Von Brienz bis Meirin- helvetische Truppen durch unsere Gegend, die ausgehungerte und gebrandschatzte Ober- gen wurden Soldaten und Pferde in Biwaks, Quartier, Verpflegung, Fuhr- und Trägerdienste wallis schicken sollte, traf es einen auf Brienz. Ställen und Scheunen, Offiziere in Gast- und beanspruchten. Die Munizipalität hatte hierfür – Für eine Getreidefuhr von Pontarlier nach Wohnhäusern einquartiert. Schiffer und Fuhr- zu sorgen und die Leistungen vorläufig zu be- Iferten (Yverdon), für die französischen Truppen leute hatten für das Militär Transportdienste zu gleichen. Die Truppe bezahlte, wenn überhaupt, in Villeneuve und am St. Bernhardsberg, für die leisten; Lebensmittel für die Mannschaft und mit «bons», Gutscheinen, die der Verwaltungs- Fahrzeugparks in Altdorf und Aarau waren Futter für die Pferde waren zu beschaffen. kammer, dem Kriegskommissär oder sonst ei- Fuhrleute, Pferde und Fuhrwerke zu stellen. Als ner Stelle zur Abrechnung einzureichen waren. Säumer und Bastrosse am Grossen St. Bern- In der Nacht vom 8. auf den 9. September Das klappte oft nicht. In einem Schreiben klagte hard desertierten und heimkehrten, mussten marschierten die Truppen ab, um über den die Munizipalität Brienz dem Regierungsstatt- innert drei Tagen die gleiche Anzahl zweispän- Brünig den Nidwaldnern in den Rücken zu fal- halter: Wir sind «überrascht, dass wir keine nige Fuhrwerke nach Thun geschickt werden. len. Nach einem langen Tag zäher Kämpfe erlag bons erhielten, viele alte unbezahlte kösten.» das tapfere Volk der zehnfachen Übermacht. Im Juni 1799 sah sich sogar das französische Die Franzosen, die schwere Verluste erlitten Anfang August 1799 stellten sich in unserer Hauptquartier in Lenzburg veranlasst, mit ei- hatten, rächten sich mit rücksichtslosen Plün- Gegend die Halbbrigaden Loison und Gudin nem Schreiben an die Regierungsstatthalter die derungen und Brandschatzungen. bereit, um über Susten und Grimsel zum Gott- oft willkürliche Requisition von Pferden durch hard vorzustossen. Am 4. August schrieb die französisches Militär zu regeln. – An die Kaser- Im Kriegsjahr 1799 drangen Österreicher und Munizipalität: «Bürger Statthalter, seit neun ne Thun sollte der Distrikt im April 1801 sechs Russen über den Rhein und den Gotthard und Wochen ist unsere Kirchgemeind mit der Ein- Betten, «nämlich 6 Spreuer Sek, 6 Haupt Kis- besetzten vorübergehend die Ostschweiz und quartierung beschwert, ohne die Execution- sen, 24 Leinlachen und 6 Decken» liefern. Wo Teile der Innerschweiz. Sie wurden aber von Truppen gerechnet, die vorher hier durchmar- diese hernehmen? Die Munizipalität schob das General Masséna in der 2. Schlacht bei Zürich schiert sindt, die auch schon ziemliche Kosten Gesuch der Burgergemeinde Brienz zu. Die (26. September) geschlagen, so dass bis und Fuhrungen veranlasst haben. ... Nicht sel- gesetzte Frist verstrich; Thun reklamierte; Statt- Jahresende wieder die ganze Schweiz von den ten geschahe es, dass wir 16 bis 30 Schiff für halter Grossmann meldete, «das Er ärnstliche Franzosen besetzt war. Die Ostschweiz und Militär zu führen hatten.» Vermahnung geben solle der 6 Bethe nach Graubünden litten schwer unter Einquartierun- Thun zu liefern, indeme der blesierten Franken gen, Plünderungen und Kämpfen. Und so ging es weiter: Vom 1. April bis 20. No- ihmer anwachsen, mit bedrohung, weigernden vember 1799 lieferten die Distrikte Oberhasli Falls die Kantonsverwaltung es der Regierung Unsere Gegend blieb zum Glück von Kampf- 26 491 Pfund, Brienz 28 185 Pfund und Interla- anzeigen werde.» Brienz bat Ringgenberg um handlungen verschont, bekam das Kriegsjahr ken und Unterseen 23 535 Pfund Heu an die Mithilfe. Ringgenberg verwies auf seine frühe- aber auch zu spüren: Ende April besetzten wie- französischen Truppen, Heu, das den Bauern ren Bettenlieferungen an ein Lazarett. Nach der Innerschweizer Truppen die Gegend von im nächsten Winter fehlte. – Am 26. Mai 1800 langem Hin und Her und nachdem die Forde-

106 rung nach sechs Betten trotz Hinweis auf die in Brienz grassierende «Ryssend Gallen ruhr» im Juli ultimativ wiederholt worden war, beauftrag- te die Munizipalität nach weiteren Schreiberei- en im September den Brienzwiler Kantonsrich- ter Schilt, die Betten vorläufig in Thun zu beschaffen; man werde ihm die Auslagen zu- rückerstatten. Dank Schilt kam das Geschäft im Oktober zum Abschluss. – Requisitionen und Einquartierungen folgten sich weiterhin. Aus Schreiben der Munizipalität Brienz: «Der Gemeind Verwaltung Sekelmeister, welcher auch den Kilchöri Sekel ... bedient, hat zu zah- len verweigert, weil er für das alte noch nicht bezahlt seye.» ... «Niemand findt sich mehr, so etwas ohne baar Geld zu machen, ... Die be- dekten Schiff, welche nur Armen angehören, und die Hueffschmiede für die Pferthe, keiner will mehr, ohne baar Geld einen Finger regen.» ... «Die Franken (Franzosen) befehlen, die hiesi- gen Bürger überschreyen uns, die wir beyden blosgestelt sindt.» – Wieviel konnte da von der ursprünglichen Begeisterung für die neue Zeit noch geblieben sein?

Überforderte Behörden und Bürger Vor dem Umsturz hatten die Brienzer fast nur die ihnen vertrauten und durch Satzungen geregelten Angelegenheiten ihrer Burgerge- meinde, der Bäuerten und Alpgenossenschaf- ten selber geordnet. Die helvetischen Ober- behörden gingen nun tatkräftig und mit viel Idealismus ans Werk. Aber die Munizipalbeam- ten, ungeübt in ihrem Amt, kamen mit den vielen neuen Gesetzen und Erlassen, Schat- zungen und Erhebungen, Listen und Tabellen schlecht zurecht. Missverständnisse und Ver- säumnisse, Rückfragen und Mahnungen verur- sachten der Munizipalität und ihren vorgesetz- Der Obereinnehmer des Kantons Oberland mahnt am 20. Juli 1799 die Munizipalität Brienz, die Schätzung der Liegenschaft ten Behörden unergiebige Schreibereien. voranzutreiben und droht mit Strafmassnahmen. Im Briefkopf Wilhelm Tell mit Knabe und die Maxime «Freiheit – Gleichheit.»

107 «Unser Innerliche Beschaffenheit ist der gordi- nicht die gehörigen Fähigkeiten besizen und Das klägliche Ende sche Knoten ...» schreibt die Munizipalität sich nicht von Jugend an darin geübt haben ... War es anfänglich eine Ehre gewesen, von den im August 1799 an die Verwaltungskammer. zu bestrafen. Die Streitbarkeit (Kargheit), der Mitbürgern mit einem Amt betraut zu werden, «... wurden die Sachen so verworren, ... das wir Ertrag, das Klima unseres Ländchens haben so führten die Beschwernisse bald dazu, dass uns selbsten nicht zu raten wussten. ... Alle solches nicht zugegeben.» Oft gingen die sich kaum noch jemand freiwillig zur Verfügung Last wird auf die Municipalitait gewelzt.» Für die Munizipalen selber von Haus zu Haus, um von stellen wollte. Oberbehörde war der Verkehr mit den schreib­ Säumigen Geld einzutreiben. Vielmals wurden ungewohnten «Beamteten» ohnehin oft müh- sie beschimpft, manchmal sogar tätlich ange- Am 20. September 1799 konnten durch die sam. Das Distriktsgericht Brienz meldete der griffen. Schliesslich kratzten die Munizipalen Urversammlung in der Kirche Brienz die Präsi- Munizipalität im April 1799, man habe ihr eine Restanz gar unter sich zusammen, um die denten, Sekretäre, Stimmenzähler und Wahl- Schreiben mehrmals gelesen, «aber wir müs- «Execution» (Bestrafung) abzuwenden – die männer der sechs Gemeinden noch gewählt sen Euch gestehen, dass wir den eigentlichen dann doch erfolgte: Im Juli 1802 waren wieder werden. Aber schon am 1. Mai 1800, als drei Sinn desselben nicht fassen können.» Bodenzinsen, Steuern und Konzessionsgebüh- Mitglieder der Munizipalität durch das Los aus ren ausstehend. Ende Monat platzte dem ihrem Amt entlassen und ersetzt werden soll- Die Gnädigen Herren hatten sparsam regiert; Obereinnehmer der Kragen: «Heute haben wir ten, «begehrten auch die übrigen Mitglieder, ihre Steuern war man gewohnt gewesen. Der 5 Personen Militair Executionstruppen über­ aus genugsamen Gründen, ihre Entlassung.» neue helvetische Staat war fast ein halbes Jahr komen,» steht im Protokollbuch. Diese fünf Erst nachdem die Versammlung jedem Mitglied ohne Einnahmen. Erst am 17. Oktober 1798 Mann logierten und tafelten auf Kosten der eine jährliche Besoldung von 12 bis 20 Kronen erschien das erste Auflagengesetz. Es brachte Munizipalität im Trachtgasthaus (heute Hotel bewilligt und zudem versprochen hatte, «ihre eine stattliche Menge von zum Teil ungewohn- Kreuz), bis die Abgaben am 11. August beisam- befehle ... ohne Wiederrede anzunehmen,» kam ten Steuern: eine Kapital- und Territorialsteuer, men waren. Und hintendrein hatte Brienz noch die Wahl zustande. eine Häusersteuer, eine Erbschaftssteuer, Ge- die Fahrt der unwillkommenen Gäste hin und tränkesteuern, Handänderungsgebühren, eine zurück zu bezahlen. Vom Frühjahr 1801 an erschienen einzelne Luxussteuer auf goldene Uhren, Spielkarten, Munizipalen nicht mehr zu den Sitzungen. Zur Hunden, Pferden, Kutschen und Dienstboten. Unzufriedenheit herrschte nicht nur bei uns. Abstimmung über die neue Verfassung im Mai Dazu kamen Gastwirtschafts-, Handels- und Der Regierungsstatthalter befahl, Dorfwachen 1802 bemühten sich ganze 37 Bürger aus der Gewerbepatentgebühren, Kriegssteuern für aufzustellen, und mehrmals erkundigte er sich Kirchgemeinde zur Urne. Die 838 Ferngeblie- die französischen Truppen und weitere beson- wegen Gerüchten von bevorstehenden Unru- benen wurden als «stillscheigend Annehmen- dere Abgaben. hen nach der Stimmung in der Bevölkerung. de» gezählt. «Unser Dorf und Distrikt verhielte sich bey jeder Die Munizipalität hatte all diese Gelder einzu- Gärung Ruhig, aber das Übel frass unter sich. Im Juni 1802 weigerte sich Johann Zurflüh, die fordern. Dies war eine äusserst mühsame ... Auf diese Weise sindt wir gezwungen, Laut Wahl zum Munizipalen anzunehmen. Andere Pflicht. Bargeld war nicht nur bei den Ärmsten über unsern Zustand zu klagen, ... und die er- taten es ihm gleich. «Es wird wohl keiner mehr Mangelware. Die geforderten Beträge kamen bitrung gegen ein andern nur ihmer mehr und das beschwerliche Amt annehmen, wenn jeder kaum je fristgerecht zusammen. Verwaltungs- mehr über Hand nehmen muss,» antwortete die sich dessen entschüttlen kann,» schrieb die kammer und Steuerbeamte mahnten, drohten Munizipalität im August 1799. – Zu offenem Auf- Munizipalität in ihrem Bittschreiben um obrig- mit Strafen. Die Munizipalität bat um Verständ- ruhr, wie in andern Gegenden des Oberlandes, keitliche Hilfe. nis: «Wir können nicht glauben, des gesezge- kam es hier auch später nicht, aber die Erbit- bers wille seye, in solchem geschäft Unbewan- terung der Bürger und der Gemeinden gegen derte Bergbewohner, ... aus grund weil sie den Sündenbock Munizipalität wuchs.

108 Am 7. September meldet der Munizipalitätsprä- Die Mehrheit der Brienzer mag nach den fünf sident Michel dem Vize-Statthalter des Dist- stürmischen Jahren die Aussicht auf Ruhe und rikts: «... das die Munizipalitait niemals vollstän- Ordnung begrüsst haben. Die neuen Ideen dig, weder der Abplanalp noch der Zurflühe ... aber – Freiheit der Gedanken, der Rede und Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): nicht erschienen, und (sich) gegenwärtig keine des Glaubens, Gleichheit aller Bürger vor dem Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- sizende Beamte, als der Präsident, Hollenwe- Gesetz, Mitbestimmung durch Volksherrschaft, sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im ger, Fuchs und Gander befinden, die andern Gewaltentrennung – schliefen nur scheinbar Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- (sind) abgetreten. Hiemit wird Euch angezeigt, ein; drei Jahrzehnte später setzten sie sich im teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte das aussert für den Staat die Munizipalitait Kanton Bern durch; 1848 wurden sie nach dem Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen nicht mehr existieren wird.» – Sie serbelte wirk- Sonderbundskrieg auch in der Eidgenossen- sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren. lich ihrem Ende entgegen. schaft verwirklicht.

Seit 1800 kriselte es auch im helvetischen Direktorium und im Parlament. Innert drei Jah- ren folgten sich fünf Staatsstreiche. Napoleon, der sich inzwischen zum ersten Konsul und Regenten Frankreichs emporgeputscht hatte, zog die französischen Besatzungstruppen im August 1802 aus unserem Lande zurück. Ende Oktober kam es zu Unruhen und zum Bürger- krieg. Die helvetische Regierung wich von Aar- au nach Luzern, dann nach Bern, floh schliess- lich nach Lausanne. Nun griff Napoleon erneut ein. Er liess seine Truppen wieder in Helvetien einmarschieren, beschied Abgeordnete der sich streitenden Parteien nach Paris und diktierte ihnen eine neue Verfassung, die Mediationsakte. – An die von Napoleon nach Paris einberufene «Consulta» reiste neben den Abgeordneten der Parteien, Kantone und Städte auch der Sager und Müller Christian Flück von Ebligen.

Die Helvetik, die so hoffnungsvoll begonnen hatte, stand an ihrem unrühmlichen Ende. Das Oberland kam wieder zu Bern. Im Schloss Interlaken residierte wieder ein bernischer Oberamtmann.

Kartenausschnitt aus dem Jahr 1813 (aus: Wyss, Reise ins Berneroberland, 1813)

109 110 Wir Brienzer Brienzerpuurli, Original Zeichnung von Gustav Huggler Brienzerinnen und Brienzer – vorgestern, gestern und heute

Peter Michel

Seit dem Jahr 1996 wissen wir alle, dass unser Volkszählungen, wie man sie in unserer Zeit Rudolf Nöthiger, Pfarrer in Ringgenberg von Dorf 1146 zum ersten Mal in einer Urkunde er­ kennt. Exakte, von der Regierung befohlene 1770 bis 1783, über seine und die Kirchgemein­ wähnt worden ist. Wir wissen aber auch, dass und organisierte Zählungen gibt es erst seit de Brienz verfasst. Wir werden im folgenden die Siedlung Brienz sehr viel älter ist als die 1850. immer wieder die Darstellungen der beiden erste schriftliche Fixierung ihres Namens. Sie Pfarrherren zitieren. könnte, wie Albert Streich in seinem Aufsatz Interessierte Pfarrherren haben aber schon vor «Von Brienz und Brienzerleuten» sagt, eine der Jahrhunderten notiert, wieviele Schäfchen sie Prof. Dr. Christian Pfister von der Universität ersten Siedlungen des Berner Oberlandes sein, zu betreuen hatten. So verdanken wir die ersten Bern hat in den letzten Jahren in der Daten­ da sie im Schnittpunkt von wohl lange vor 1146 zu­verlässigen Daten über unsere Gemeinde samm­lung BERNHIST mit seinen Studenten begangenen Bergübergängen (Brünig, Grim­ dem Pfarrherrn Samuel Thüring Gruber, der alles verfügbare Zahlenmaterial aus den ver­ sel, Susten) liegt. Wie gross unser Dorf im Jahr von 1763 bis 1784 in Brienz gewirkt hat. In sei­ schie­densten Sachgebieten für die Gemeinden 1146 war, wieviele Leute darin lebten und wohn­ nem Pfarr­be­richt an die Regierung in Bern vom unseres Kantons gesammelt. Die grafische ten, ist uns nicht bekannt. Es gab ja damals 19. Nov­ember 1764 finden sich viele interes­ Darstellung basiert in erster Linie auf Daten und noch keine Tauf- und Totenrödel, keine Pfarrer sante Zahlen und gut formulierte Feststellun­ Angaben, die uns von seinem Institut zur Verfü­ oder Gemeindeschreiber, die genau über die gen. Einen ähnlichen, aber wesentlich umfang­ gung gestellt worden sind. Bevölkerung Buch führten, natürlich auch keine reicheren Bericht hat Grubers Kollege Johann

Brienzer Wohnbevölkerung Gemüt und Charakter unserer Vorfahren Wir stützen uns bei der Beschreibung auf den 3500 vorne erwähnten Aufsatz von Albert Streich, auf die Berichte der Pfarrherren Gruber und Nöthi­ 3000 ger und auf die Chorgerichtsmanuale.

2500 Albert Streich: «Es scheint, dass die Brienzer (zur Zeit ihrer Feudalherren) ein ruhiges, wohl­ 2000 behütetes Völklein gewesen sind. Man sagt, Seeanwohner gediehen von Gemüt heiterer als 1500 andere, offenbar weil eine weite, offene Fläche mit viel­fältigem Licht- und Farbenspiel einen 1000 ermunternden Einfluss ausübt und überhaupt das Was­ser es in sich hat, zu beruhigen und die 500 Be­sinnlichkeit anzuregen. Vielleicht lässt sich der Gegensatz zwischen der Arbeits- und Ge­ 0 schäftstüchtigkeit,­­ dem Selbständigkeitsgefühl

1700 1730 1764 1780 1798 1818 1837 1846 1850 1856 1860 1870 1880 1888 1900 1910 1920 1930 1941 1950 1960 1970 1980 1988 1990 1999 2010 und -bestreben unserer Seeanwohner einer­

113 seits, und dem Gemüthaften, das sich in Spie­ leidet, sehr haushälterisch, aber doch gastfrei­ len, im Singen und Musizieren anderseits lebhaft gebig; aber nicht im höchsten Grad arbeitsam, zu äussern vermag, auf die einfache Formel auch nicht lasterhaft und ausschweifend, sehr bringen: Hier der steinige, tückische, mühsam gottesdienstlich, aber auch abergläubisch; da­ zu bezwingende und einengende Berg, da die von zeugen ihre alten Gebräuche. Darauf halten ruhige, lichtvolle, aufheiternde Fläche des Sees.» sie sehr viel und sind davon nicht abzubringen.» – Streich stellt beim Brienzer einen gewissen An einer anderen Stelle seiner Schrift lesen wir: Stolz fest, «der ihn besonders vor einem Frem­ «Ihr Gemütscharakter zeigt Verschlagenheit, den nicht aus sich herausgehen lässt, der oft Arg­wohn, Misstrauen, Eigennutz, Rachgier, samt schwere wirtschaftliche wie seelische Not stand­ grosser Einbildung von sich selbst. Der Ober­ haft verschweigt und Versuchen der Gleich­ länder opfert seinem Ehrgeiz, aber auch seiner schaltung mit der übrigen Welt beharrlich die Rachsucht alles auf; nimmt man ihn bei der Ehre, Stirne bietet.» Er äussert sich auch zum Zwist so kann man alles mit ihm ausrichten, tritt man zwischen Bauern und Schnitzlern, unter des­ aber derselben zu nahe, so ist er unversöhnlich.» sen Einfluss sich Ende des 19. Jahrhunderts das Zusammenge­hörigkeitsgefühl unter den Johann Rudolf Wyss schreibt in seinem Bericht Dorfbewohnern ge­lo­ckert hatte. «Wenn es aber über eine Reise in das Berner Oberland im Jahr galt, Werke der Ge­meinschaft zu schaffen, die 1816: «Die Lernbegierde ist kein Charakterzug in der Richtung eines wohnlicheren Ausbaues dieses Volkes, im Gegenteil wird, wie bei den des Dorfes und des Schritthaltens mit der Zeit meisten Bergvölkern, alles auf Bequemlichkeit lagen, oder wenn sie sich aus irgendeinem eingerichtet, und was man nicht tun muss, wird Grunde veranlasst sahen, sich gegen einen in der Regel nicht getan.» Angriff von aussen her verteidigen zu müssen, Junge Brienzerin (Karl Girardet, um 1840). dann waren sie weniger mehr Schnitzler und In den Chorgerichtsmanualen der Kirchge­ Bauern, als welche sie sich im eigenen Hause dass dieselben zu allen gemeinen Berufen und meinde hören wir fast ausschliesslich von Leu­ entzweit hatten, sondern Genossen einer Dorf­ Handwerken tüchtig wären. Allein die Lage des ten, die sich etwas haben zuschulden kommen schaft, die bei sich selbst zum Rechten sahen Ortes, die Beschaffenheit des Landes und die lassen. Die Richter hatten fast jeden Sonntag und eine Einmischung Fremder nicht duldeten.» übrigen Umstände machen, dass die Einwoh­ Übertretungen der recht strengen Sittengeset­ ner die alte Lebensart beibehalten und keine ze zu beurteilen. Sie hatten es mit Tänzern, Pfarrer Gruber stellt seinen Schützlingen im Lust zu neuen Versuchen weder in Ansehung Rauchern, kleinen Dieben, Kartenspielern, Jahr 1764 ein gutes Zeugnis aus: «Die Einwoh­ des Landbaues, noch nach Handwerken, als Unruhestiftern, Lüg­nern, Faulenzern, Gottes­ ner füh­ren eine anständige Lebensart. Sie be­ deren, die unumgänglich notwendig sind, von dienst- und Schuleschwänzern, aber auch mit fleissigen sich überhaupt der Häuslichkeit und sich blicken lassen und ohne Zwang kaum Ehebrechern, Säufern und Betrügern zu tun. Sparsamkeit.» Weniger gut tönt es, wenn er im dazu zu bringen wären.» – Man kann aber aus den Protokollen kaum Auftrag der Regierung die Bereitschaft und die etwas Besonderes oder Typisches über Cha­ Gaben der Brienzer in Bezug auf Umstellungen Im Jahr 1780 beurteilt auch Pfarrer Nöthiger die rakter und Eigenart der Be­völ­kerung von Brienz und Neuerungen im Arbeitsprozess beurteilt: Brienzer: «Ihre Sitten sind hier meist noch un­ herauslesen. Leute, die sich nicht an die Vor­ «Was die Gaben derselben betrifft, so sind sie verderbt einfältig und natürlich, dabei ehrbar, schriften halten wollten und straffällig wurden, wenigs­tens so gut als die der übrigen Einwoh­ höflich, manierlich, sittsam und bescheiden, gab es ja wohl in allen Kirchgemeinden des ner des Lan­des, und es ist nicht zu zweifeln, dienstbar, da wo ihr Eigennutz nicht darunter Kantons.

114 Geschäften und der Mithilfe in der Viehwirt­ Zeit durch Erdbrüche verschüttet wird. Unge- schaft zuliess, mit Kind und Kegel auf die son­ bautes Land ist fast keins. Wo nur eine Handvoll nigen und im ganzen fruchtbaren Äcker und Erde liegt, die zur Fruchtbarkeit bequem ge­ Äckerlein, die der Wildbach nur zu oft verschüt­ macht werden kann, so wird ein Versuch dazu tete und welche die Brienzer immer wieder aus vorgenommen.» Schutt und Steinen neu erstehen liessen.» Pfarrer Nöthiger meldet, dass es 1780 in Brienz Pfarrer Gruber rühmt in seinem Bericht die 700 Kühe, 55 Pferde, 700 Schafe, 500 Geissen Brienzer Bauern und wundert sich, «wie ge­ und gegen 350 Schweine gegeben hat. Und schickt sie sein müssen, dem Land wohl abzu­ das in einem Dorf mit 896 Einwohnern, 208 warten; indem fast alle Güter in dem fruchtbars­ Haushaltungen und 138 Häusern! Aber wir ver­ ten Stande sich befinden und meistens einen nehmen auch, dass unter den 896 Einwohnern dreifachen Raub (= Ernte) geben. Welches um schon «alle Künste, Handwerker und Gewerbe, so viel mehr zu bewundern ist, da das Land die je auf einem Dorf angetroffen werden, zu durchgehends kaum eine Handbreit guten finden sind.» Er zählt auf: Es gab in Brienz im Grund hat und an vielen Orten noch von Zeit zu Jahr 1780 einen Müller, drei Schmiede, drei

Bergbauern und Gewerbler Viehbestand der Einwohnergemeinde Brienz Unsere Vorfahren bestritten ihren Lebensunter­ halt seit Urzeiten als kleinere oder grössere Pferde Rindvieh Schafe Schweine Ziegen Bergbauern. Sie waren in Bezug auf das Essen und ihre sonstigen Bedürfnisse so weit wie mög­ 1400 lich Selbstversorger. Albert Streich schreibt: «Den bäu­erlichen Betrieb besorgte das Man­ 1200 nenvolk, die Wartung und Pflege des Rindviehs, der Ziegen und Schafe. Im Frühling trieb der 1000 Bauer seine Viehhabe auf die Alpen und söm­ merte dort unter Verhältnissen, die seine Lebensweise im Tal an Einfachheit und An­ 800 spruchslosigkeit noch übertrafen. Das Käsen, der Handel mit Vieh und dem einmal weit über 600 die Grenzen der Heimat bekannt und beliebt gewesenen Brienzerkäse, dann das Heuen, 400 das Emden und Streuesammeln, winterüber auch das Fällen und der Taltransport des Hol­ 200 zes aus den Bergwäldern, ge­hörten weiter zu den Obliegenheiten des stärkeren Geschlechts. Das Weibervolk ergänzte den bäuerlichen Be­ 0 1780 1847 1866 1886 1911 1918 1936 1946 1966 1978 1983 1988 1998 2010 trieb durch acker- und gartenbauliche Tätigkeit. Es zog, soweit es die Zeit neben den häuslichen

115 Berufstätige in der Bevölkerung der Gemeinde Brienz Herdäpfel und Ziger Professor Albert Hauser schreibt, in unserem

Dienstleistung Landwirtschaft Gewerbe Land hätten bis Ende des 18. Jahrhunderts 1100 verschiedene Breiarten das gebräuchlichste

1000 Essen gebildet. Im Agrargebiet des Mittellan­

900 des habe man vor allem Hirse-, Haferbrei und Bohnenmus gegessen, während in den Hirten­ 800 gebieten der Haferbrei durch Milchmus ersetzt 700 worden sei. Das Morgenessen soll aus Milch 600 und Ziger, oft mit einer Zugabe von getrockne­ 500 ten Früchten, bestanden haben.

400

300 Nach Nöthiger war die Nahrung unserer Vor­ fahren (um 1780) «ganz einfach und ländlich: 200 Käs, ge­dörrter Ziger, Herdäpfel, samt Käsmilch 100 und Zugemüs, und an Sonntagen geräuchert 0 Fleisch darzu, wie auch Obst und Gartenfrüch­ 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2010 te, alles von ihrem eigenen Produkt; Brot und Für diese Zusammenstellung stehen uns leider nur die Zahlen ab 1920 zur Verfügung. Wein wird hier sehr sparsam gebraucht, doch nicht so der Käs. – Vielleicht ist in dem ganzen Bernbiet keine Gegend, da die Erdfrüchte bes­ Zimmerleute, einen Drechsler, einen Tischler, Leute mit Brot. Was aber der Salpetergraber, ser und vollkommener hervorwachsen, und mit einen Radmacher, einen Schiffmacher, zwei der Salpetersieder, der Salpetermacher und deren Pflanzung man sich mehr Mühe gibt, Gerber, zwei Schneider, drei Schuster, einen der Köhler (Kohl­platz!) zu tun hatten, können wir als eben hier. Die Pflanzplätze werden aller Or­ Kammmacher, einen Arzt, ein Tavernenwirts­ uns wohl nicht mehr so richtig vorstellen. ten stark gedüngt, jede Beunde (eingehegtes haus und eine ord­ entliche Post. Grundstück) wird zweimal des Sommers ange­ Auch wenn die meisten dieser Berufsleute ne­ pflanzt und genutzet, und die gemeinsten Gar­ Aus dem Chorgerichtsmanual vernehmen wir, benbei vielleicht noch Kleinlandwirte waren und tengewächse sind Kabis und Köhl, Rüben und dass es in unserem Dorf schon vor 1780 neben etliche von ihnen als Ausserkantonale oder gar Rüblin, Fieselärbs und Trähärbs, das sind Ste­ den Bauern spezialisierte Berufsleute gab: da Ausländer nur vorübergehend in Brienz ge­wirkt ckenbohnen, Groppene oder niedere Bohnen arbeiteten in der Metallbranche neben dem haben, zeichnet sich doch ab, dass gegen und grosse Säubohnen, die zu Mehl gemahlen Schmied ein Messerschmied, ein Hammer­ Ende des 18. Jahrhunderts das Gewerbe als zur Schweinetränke gebraucht werden; vor­ schmied, ein Hufschmied, ein Kessler, ein Nag­ Er­werbs­zweig neben der Landwirtschaft immer nehmlich aber die Erdäpfel, die hier eine beson­ ler, ein Schlosser, ein Treichlenlöter und ein mehr an Bedeutung gewann. dere Stelle verdienen.» Chug­legiesser. Weiter sind ein Seiler, ein Satt­ ler, ein Tischmacher, ein Sager, ein Reuter, eine Eine ganz bedeutende Umschichtung in der Er­ Und Nöthiger gibt den Erdäpfeln in seiner Netzestrickerin vermerkt. Vier Pfister, die immer werbsstruktur unserer Dorfbewohner brachte Schrift wirklich eine besondere Stelle, denn er wieder vor Chorgericht erscheinen mussten, dann das Aufkommen des Fremdenverkehrs hat ja wohl selber erlebt, dass gegen Ende des weil ihr Produkt in Bezug auf das Gewicht nicht und der Holzschnitzerei im 19. Jahrhundert. 18. Jahrhunderts das Aufkommen der Kartoffel den Vorschriften entsprach, versorgten die Das wird aber an anderer Stelle dargestellt. die Ernährungsgewohnheiten ziemlich stark

116 Den Bestand an Obstbäumen bezeichnet Nöthiger als beträchtlich, sowohl in bezug auf die Menge als auch auf die Qualität. Apfel- und Birnbäume gab es offenbar schon vor Jahrhun­ derten von allerlei Sorten, und Nöthiger weiss: «Beide Gattungen werden meist aus dem Em­ mental hergeholt, weil die Erfahrung lehrt, dass sie aus einem kälteren in ein wärmeres Klima müs­sen versetzt werden.» Gedörrte Birnen und Äpfel waren eine billige Nahrung und ersetzten vielfach das teure Brot. Meistens wurde das Obst von den Hausfrauen selber gedörrt, in ei­ genen oder in gemeinsam mit anderen Familien betriebenen Dörrofenhäuschen.

Zahlreich waren auch die Kirsch-, Zwetschgen- und Pflaumenbäume. In vielen Haushaltungen brannte und verkaufte man Kirsch- oder Zwetsch­genwasser. Nöthiger rät: «Man muss das Kirsch­wasser kaufen, ehe die Zwetschgen reif sind, wenn man ächtes haben will, sonst wird es untereinander vermischet; es ist dann Ziegen gab es in den Zwanzigerjahren noch mehrere Hundert im Dorf - und der Geisshirt kannte sie alle! auch gut und stark, behält aber doch seinen Geruch und ist sehr kältend.» verändert hat. Professor Albert Hauser spricht gegraben und zwar alles kniend, mit kleinen da von einer «Kartoffelrevolution». Man habe Gjätheulein, die kleinen von den grösseren ge­ «Die Bienenzucht wird hier sehr stark getrieben. damals in Brienz zwei verschiedene Sorten söndert und auf Haufen in Keller geschüttet, Es gibt Haushaltungen, die sich bis 50 Körbe Kartoffeln ge­kannt, vernehmen wir von Nö­ die kleinen samt den grössten, die oft weit über halten», schreibt Nöthiger. Honig war bis ins thiger: frühe weisse und späte rote. Erstere ein Pfund im Gewicht halten zur Mästung der 17. Jahrhundert der einzige Süssstoff, den man steckte man Mitte März und erntete gegen Schweine, die mittelmässigen aber zur Speise kannte. Erst dann wurde er langsam durch den Ende August, die anderen wurden gegen Ende gebraucht. Bei starkem Heumangel werden Zucker abgelöst. Mit dem Zucker kam auch der April gepflanzt und im Oktober eingebracht. auch die Kühe mit Erdäpfeln gefüttert. Die bes­ Kaffee auf, der auf dem Tisch nach und nach ten Erdäpfel werden im Kienholz gepflanzt, weil die Milch verdrängte. Allerdings war er langezeit «Sie werden hier in Gruben von einem halben sie in blossem ge­düngtem Sand wachsen; der noch sündhaft teuer: Man bezahlte für das Schuh tief und einem Schuh breit voneinander in der Tat, wenn er wohl gebauet wird, für die Pfund Kaffeebohnen den Wochenlohn eines Ar­ gesteckt, eine Scholle mageren Dünger von Erdäpfel, die einen lockeren Grund mangeln, beiters, und ein Nachfolger Nöthigers schrieb: Schafen, Geissen oder Schweinen darauf ge­ der beste Boden ist.» «Der mehr und mehr überhand nehmende legt und mit der Erde wieder zugedeckt. Durch Missbrauch des Kaffeegetränks ist auch als den Sommer hindurch dient das Kraut den eine Quelle der Verarmung der Oberländer an­ Kühen zum Futter. Im Oktober werden sie zusehen.»

117 Dem vielseitig interessierten Pfarrer Nöthiger Gegebenheiten anzupassen, kam durch und Besonders schlimm war, dass man nicht wuss­ ver­danken wir auch Angaben über die Produk­ brachte es vielleicht sogar zu einem gewissen te, wie sich die Pest verbreitete, was man dage­ tion sowie die Ein- und Ausfuhr einiger Produk­ Wohlstand. Schlechte, ertragsarme Jahre, Na­ gen tun konnte. Man glaubte an eine Heimsu­ te: So kamen in Brienz im Jahr 1780 1000 Zent- turkatastrophen, Unfälle und Krankheit brach­ chung Gottes, und die Obrigkeit in Bern wusste ner Käse in den Handel. Davon wurden 660 ten aber immer wieder Unsicherheit und Not. nichts Besseres, als ihren Untertanen zu emp­ Zentner ausgeführt. Ferner wurden 82 Zentner Erst in der neueren Zeit wurde durch verbes­ fehlen, sie müssten eifrig und ernsthaft Busse Hanf und Flachs, 3000 Liter Kirschwasser und serte An­baumethoden, durch Rationalisierung, tun und inbrünstig beten. Wir können nicht ge­ 2250 Liter Nussöl produziert. Namhafte Ein­ bessere Erschliessung des Dorfes und durch nau belegen, wieviele Brienzer den Pesttod nahmen ergaben sich aus dem Käse- und neue Verdienstmöglichkeiten die Situation der starben, aber wir wissen, dass sie im Pestsom­ Viehverkauf: Nöthiger schätzt sie auf 31 600 Dorfbürger entscheidend verbessert und weit­ mer 1400 im Got­teshaus zusammentraten und Pfund. Er setzt dieser Summe die Ausgaben gehend gesichert. Gott und die Gottesmutter Maria baten, sie der Brienzer für Zucker, Kaffee und Tabak ge­ möchten doch die Pest zurücknehmen. Als genüber – 10 600 Pfund. Krankheit – Armut – Fürsorge Gegenleistung er­klär­ten sie sich bereit, das Vor Jahrhunderten durchzog immer wieder die mütterliche Erbrecht dem väterlichen anzupas­ Für das Dorf von Selbstversorgern war die Pest ganz Europa und auch unser Land. Der sen! – Besonders schlimm wütete die Pest im Si­cherheit und die Qualität der Ernährung vom Schwarze Tod, wie jene fürchterliche Krankheit 16. Jahrhundert: Es sind Pestzüge verzeichnet Boden, vom Klima, aber auch vom Fleiss und auch genannt wurde, raffte in den Jahren 1348/ für die Jahre 1564, 1577, 1579, 1581 und 1595. der Arbeitsbereitschaft der Bewohner bestimmt. 49 in Europa ein Viertel der gesamten Bevölke­ – Man weiss heute, dass Rattenflöhe Infek­ Wer gesund und bereit war, sich den oft harten rung (25 Millionen Menschen) dahin. tionsträger der Beulenpest wa­ren. Bei der Lun­ genpest erfolgte die Ansteckung über die Atemwege. Es kam zu Pestbeulen und zu schwarzem Auswurf. Kurz vor dem Tod färbten sich Zunge und Lippen schwarz. Deshalb nannte man die unheimliche Seuche auch den Schwarzen Tod.

In manchen Regionen unseres Landes starb ein Drittel der Einwohnerschaft innerhalb weni­ ger Monate. – Besonders schlimm trat die Pest im Haslital und in Grindelwald im Sommer 1669 auf. Der Landvogt von Interlaken meldete der Regierung, im Haslital seien 1300 Tote zu be­ klagen. An einem bestimmten Tag sollen in Meiringen 50 Personen bestattet worden sein. Umliegende Dörfer mieden jeden Verkehr mit den verseuchten Gebieten und stellten an ihren Grenzen Wachen auf. Dass diesen Wachtpos­ ten nicht immer bewusst war, was für einen wichtigen Dienst sie leisten mussten, sehen wir Ob diese Brienzer Kinder schon alle schwimmen konnten? aus einigen Eintragungen im Chorgerichtsma­

118 nual: Am 11. Juli 1669 «ware fürbracht worden, Die Krätze habe junge und alte Leute befallen Die staatliche Gesundheitskommission legte das Hans Streipf uff der wacht einem von Hasli «wegen den vielen gesalzenen Speisen und ge­nau fest, wer in der Krankenanstalt oder Not­ habe die Hand gereckt. Item solle Melcher Nüs­sen und weil man sich nicht reinlich genug fallstube aufgenommen werden durfte: Schein­ Zenger uff der wacht auch einem von Hasli die hält.» tote, Leute mit langdauernden Ohnmachten, Hand gereckt haben. Item das Anthoni Schöni mit Schlag­flüssen, Vergiftungen, schweren Ver­ zu ei­nem in Grindelwald gangen uff dem grad Fast jedes Jahr habe im Spätsommer und im letzungen, eingeklemmten Brüchen usw. Strik­ ob Iselwald und hirmit auch wider Gebott ge­ Herbst die rote Ruhr grassiert, «welches Übel te abgewiesen wurden Kranke mit chronischen handelt.» Am 22. August 1669, die Seuche war ver­mutlich von der Abwechslung von Hitze und Leiden, Schwindsüchtige, Wassersüchtige, mit am Ausklingen, wurde Caspar am Achers Frau Kälte herrührt; denn so gross immer die Hitze an­steckenden Hautkrankheiten, Geschwüren, von Wyler vor das Chorgericht zitiert, «wegen des Tages im Sommer und Herbst ist, da Bein­frass und Fisteln Behaftete. – Den meis­- dass sie das wachen gegen denen von Hasli die Gegend ringsherum mit Steinfelsen einge­ ten Patienten, die heute in den Spitälern ge­ der Seüch halber ein narren werck gescholten.» schlossen ist, so kühl ist es doch morgens und pflegt werden, blieben somit um die Mitte des – Das war der letzte Seuchenzug in unserem abends wegen den beständigen Bergwinden.» 19. Jahrhunderts die Tore des Krankenhauses Lande. Soviel wir wissen, ist Brienz selber von verschlos­ sen.­ der Pest nie in dem Masse heimgesucht wor­ Weiter berichtet Nöthiger: «Sehr viele Männer den wie etwa Grindelwald oder Meiringen. sind auch mit Leistenbrüchen behaftet, weil sie Auch als 1849 in Meiringen eine Kran­kenstube wegen Mangel der Kärren und Pferden, die sie eröffnet wurde, änderte sich für die Brienzer Bevor sich Pfarrer Nöthiger (1780) über Krank­ in einer Berggegend auch nicht gebrauchen wohl nicht viel. Man lebte, litt und starb meis­ heiten äussert, stellt er fest, dass die Brienzer könnten, grosse Lasten heben und tragen müs­ tens in den engen Stuben des eigenen Heims. im Grossen und Ganzen gesund seien. «Ihre sen; auch ihre Gedärme von den vielen Milch­ äusserliche Bildung und Leibskonstitution ist speisen verschlammt werden. Sehr viele, die im In den Akten des Staatsarchivs in Bern steht, meist gross, stark, wohlgewachsen, von ner­ Alter sterben, enden ihr Leben mit der Brust­ dass am 31. Dezember 1801 einem Johannes vosten und schlanken Gliedern und gesunder wassersucht: davon vielleicht die Ursache ist, Stoller, Arzt in der Munizipalität Brienz, das Natur; werden meistens alt, und viele leben auf dass sie ihren Leib und Käsmagen selten reini­ Pa­tent zur Ausübung des Arztberufs erteilt 80, 90 und mehr Jahre, wozu die gesunde Luft, gen, hingegen allzu oft und zu stark Ader las­ worden ist. – Im Gemeinderatsprotokoll vom einfache Nahrung, harte Arbeit und mässige sen.» 12. Februar 1838 lesen wir, dass ein Arzt Mett- Lebensart das meiste beiträgt.» ler verschiedenen Brienzern Rechnung gestellt Über die Versorgung der Kranken in unserer hat. Ob Mettler in Brienz Wohnsitz gehabt hat, Eine herrschende Krankheit war nach Nöthiger Ge­meinde im 18. und 19. Jahrhundert ist nur ist nicht angegeben. – Mehr vernehmen wir «das kalte Weh oder Fieber, davon vielleicht wenig zu vernehmen. Es gab in der Kirchge­ über Dr. Bühler, der wahrscheinlich von 1846 nicht ein einziger Bewohner dieser Gegend frei meinde Brienz weder Siechenhaus noch Kran­ bis 1869 in unserem Dorf gewirkt hat. Er muss­ gewesen ist, und sie meist im Sommer über­ kenstube. Und sicher hat kaum eine Person te immer wieder bei der Gemeinde vorstellig fällt. Verursacht wird das kalte Weh dadurch, aus Brienz im 1823 im Kloster Interlaken einge­ werden, damit diese ihm sein Wartgeld (wahr­ dass sie dannzumal bei ihrer Arbeit der ge­ richteten «Spittel für Arme und Landstreicher» scheinlich ein festes Entgelt) von Fr. 280.– aus­ wohnten warmen Milch entbehren müssen, in Aufnahme ge­funden, denn es gab dort für zahle. Am 28. Dezember 1869 beschloss die der Hitze oft schlechtere Trünke kalten Wassers Kranke aus den beiden Amtsbezirken Interla­ Gemeinde, ihm Fr. 200.– und 8 Klafter Buchen­ tun, stark schwitzen und darauf sich wieder er­ ken und Oberhasli zuerst nur drei Betten. Erst holz zu geben. – Er war noch nicht ein Arzt der kälten. Sie wissen sich aber gemeiniglich durch 1835 bewilligte der Grosse Rat die Aufstockung hohen Preise: Für seine Leistungen gegenüber einen derben Rausch von rotem Wein dies Fie­ auf sechs Betten. der Magdalena Fischer verlangte er Fr. 1.25, für ber zu vertreiben.» seine Bemühungen um Peter Müller Fr. 3.45.

119 Dem Gemeinderatsprotokoll vom 22. Juli 1897 par Lüthi), kaufte es für Fr. 10 588.– und richtete entnehmen wir, dass der Rat dem Krankenver­ sich dort ein. – Zu erwähnen ist ferner, dass im ein Fr. 15.– für die Anschaffung eines Kranken­ Jahr 1908 Dr. Baumgartners Vater, Albert tragtuches, das ungefähr Fr. 30.– kosten sollte, Baumgartner, als Pfarrer nach Brienz gewählt bewilligt hat. wurde und diese Pfarrstelle bis 1926 versah. – Im Jahr 1918, drei Jahre nach dem Tod seiner Am 3. Oktober 1898 wurde laut Gemeinderats­ erst 42-jährigen Frau, vernahm man plötzlich protokoll im Rat die Arztfrage diskutiert. Im und ungern, Dr. Baumgartner wolle Brienz ver­ Dorf waren offenbar viele Leute der Meinung, lassen, weil ihm die Praxis zu umfangreich und Dr. Sul­ser erfülle seine ärztlichen Pflichten nicht zu schwer geworden sei. Schliesslich gelang es in ge­nü­gender Weise. Der Gemeinderat unter­ aber dem Gemeinderat und den Abgeordneten nahm vor­läufig nichts, da er nicht sicher wuss­ der verschiedenen Gemeinden, ihn von seinem te, ob er in dieser Sache aktiv werden musste. Plan abzubringen. – Er wirkte weiter als kompe­ Schon drei Wochen später hatte er aber eine tenter und beliebter Dorfarzt, und dank der tat­ von 60 Dorfbürgern unterzeichnete Petition auf kräftigen Hilfe seiner zweiten Frau Rosa Hauser dem Tisch, in der verlangt wurde, der Gemein­ konnte er bis ins hohe Alter praktizieren. Am derat möge Schritte zur Berufung eines zweiten 28. März 1952 wurde er im Helvetia-Saal zum Arztes un­ternehmen, das Bedürfnis hierfür sei Ehren­bürger von Brienz ernannt. Der Gemein­ fühlbar und klar. Schon am 29. Oktober brachte Dr. Albert Baumgartner (1874 –1956), Arzt in Brienz ab 1900, deratspräsident Hans Fischer würdigte das er das Ge­schäft vor die Gemeindeversamm­ 1952 zum Ehrenbürger von Brienz ernannt. lang­jährige unermüdliche Wirken des Arztes, lung und liess sich dort den Auftrag geben, lung des Ge­meinderates von Brienz, Dr. Albert der bei Wind und Wetter, Tag und Nacht seinen durch eine geeignete Publikation einen weite­ Baumgartner war allen genehm, und die Ge­ Patienten Hilfe brachte und sehr bescheiden ren Arzt für Brienz zu suchen. meinderäte Kuster und Huggler wurden beauf­ Rechnung stellte. – Dr. Albert Baumgartner tragt, ihm das unverzüglich mündlich mitzutei­ starb am 14. Juli 1956. Verschiedene Dorfbürger schlugen vor, der Ge­ len. meinderat solle Dr. Albert Baumgartner, den Am 2. November 1911 wurde im Gemeinderat Neffen des 1894 verstorbenen Brienzer Pfar­ Am 21. Januar 1899 liess Dr. Baumgartner den die Anregung besprochen, man sollte durch ein rers Heinrich Baumgartner, anfragen, ob er sich Gemeinderat wissen, er sei gesonnen, die Be­ Inserat Töchter aus der Gemeinde auffordern, eine berufliche Tätigkeit in Brienz vorstellen rufung anzunehmen und sich in Brienz nieder­ den Krankenpflegeberuf zu erlernen. Die Kurs­ könnte und vielleicht daselbst wirken möchte. zulassen. Er machte allerdings den Vorbehalt, kosten würde die Armenbehörde übernehmen. Da die Auskünfte, die der Gemeinderat bei den dass er sich noch nicht endgültig binden lasse, Und am 3. Februar 1919 bewilligte der Rat Berner Professoren Kocher, Niehans und Sahli weil er doch zuerst sehen müsse, ob die Praxis 3 Ster Brennholz für die Abhaltung eines Kran­ über Dr. Baumgartner eingeholt hatte, sehr gross genug sei und ob die Verhältnisse ganz kenpflegekurses im Saal des Hotels Kreuz. güns­tig lauteten, nahm er unverzüglich mit die­ allgemein seinen Erwartungen entsprechen sem Verbindung auf. Dr. Baumgartner soll bei würden. Frau Johanna Mathyer wurde als Krankenpfle­ diesem ersten Kontakt erklärt haben, um die gerin angestellt. Ihr Monatssalär betrug Fr. 120.– Stelle in Brienz bewerben werde er sich nicht, Das war offenbar der Fall, denn er bewarb sich und der Gemeinderat beschloss, zahlungsfähi­ aber er lasse sich allenfalls berufen. Am 2. Ja­ im Jahr 1903 um das der Gemeinde gehörende gen Kranken Rechnung zu stellen und an die nuar 1899 geschah die Berufung: Die Abgeord­ Hugglerhaus an der Äusserstgasse (heute prak­ Re­gierung ein Gesuch um einen Beitrag an die neten der Kirchgemeinde folgten der Empfeh­ tiziert und wohnt in diesem Haus Dr. med. Kas- Be­soldung der Krankenschwester zu richten.

120 Im Jahr 1918 suchte die Grippe unser Land und auch unser Dorf ganz bös heim. Sie scheint in zwei Wellen aufgetreten zu sein. Nach vielen Krankheits- und Sterbefällen im Hochsommer flaute sie etwas ab, dann gab es im November die zweite Krise. Wegen der hohen An­ste­k- kungsgefahr erliess die Regierung in Bern ein Versammlungsverbot, die Ortspolizeibehörde untersagte die Teilnahme an Beerdigungen, der Turnverein durfte seinen Unterhaltungsabend mit Tanz nicht durchführen, der Brienzermärt wurde abgesagt und der Schulbeginn hinaus­ geschoben. In unserem Dorf waren trotz der Vorbeugungsmassnahmen etliche Tote zu be­ klagen. – Als die Grippeepidemie im Februar 1919 endlich ziemlich abgeklungen war, ersuch­ te der Ge­mein­derat die Sanitätsdirektion, das Versammlungsverbot und die diesbezüglichen Vorschriften für Brienz aufzuheben. Der Regie­ rungsrat ging aber nicht darauf ein. Er ordnete vielmehr an, man müsse alle Vorschriften noch einmal publizieren.

Krank sein, arbeitsunfähig sein, bedeutete in vielen Fällen Armut. Im 17., 18. und 19. Jahrhun­ dert gab es in Brienz wie im ganzen Kanton viele Leute, die arm waren und unterstützt wer­ den mussten. Der Staat stand im Grossen und Gan­zen dem Problem der Armut hilflos gegen­ über. Im Verwaltungsbericht für die Restaura­ tionszeit (1815) steht: «Arme habt ihr allezeit bei euch; so ist es, und so wird es wohl bleiben. Kein Philosoph wird die Armut wegvernünfteln; keine Verfassung und keine Organisation wird sie he­ben.» Dann wird im gleichen Bericht den Armen vorgehalten, sie seien an ihrer Armut zum grossen Teil selber schuld, sie seien ar­ beitsscheu, und man erkenne bei ihnen «den im Bergland vor­herrschenden Hang zum Müssig­ gang». Linder Idali (1876 –1961) und Viktor (1872 –1965), ein Geschwisterpaar, alt geworden in grösster Anspruchslosigkeit.

121 Mit ei­nigen Massnahmen bekämpfte der Staat Dann war die Frage zu beantworten, wie die «Den 17. Octob. 1641 ist dem Peter Eggler, Symp­tome der Armut, aber nicht die Gründe. ganz elenden Leute und die dürftigen Greise dess sigristen sunn, von der spend wuchendt­ So erliess er Gesetze gegen den Bettel, gegen verpflegt würden. Gruber erklärt: «Es wird für lich für 2 Batzen brodt umb Gottes Willen ver­ den übermässigen Aufwand für schöne Kleider, dieselbigen alle pflichtmässige Sorge getragen, günstiget worden.» ge­gen das Spielen um Geld und das übereilte dass ihnen an der nötigen Nahrung und Pflege Heiraten Besitzloser. Immerhin machten die nichts fehle. Zu dem Ende werden auf ihre «Den 22. Mai 1642 ist Jaggi Durners frouwen gnädigen Herren von Zeit zu Zeit Umfragen und Unterhaltung anstatt der 6 Kronen 20 Batzen, und kindren alle wuchen für 2 batzen spend­ liessen sich sagen, wie es mit den Unterstüt­ die ihnen aus der Hauptsumme zustehen, bis brodt erloubt worden.» zungsbedürftigen und der Fürsorge in den Ge­ auf 25 und mehr Kronen verwendet. Wodurch meinden stand. Einer solchen Umfrage verdan­ dann denen übrigen Armen ein namhaftes ab­ «Den 12. Winmonats 1645 habend wir Chor­ ken wir die folgenden Angaben, die der Bericht geht; sie werden aber auf andere Weise ent­ gricht gehalten und Jacob Thurner darvor von Pfarrer Samuel Thüring Gruber (1764) ent­ schädigt, dass sie dabey keinen Verlust leiden.» be­schickt, ihme fürgehalten, wie das er vil in hält: – Ob es den Armen an Lust oder Gelegenheit wirtshüseren sige und alwägen gärn etwas zur Arbeit fehle, wollten die Herren in Bern wei­ unrichtiges mit den lütten anfange, habe aber Die Gesamtzahl der Einwohner der Kirchge­ ter wissen. «Keines von beiden kann mit Grund die spend und könne ein gut handwerk, dem­ meinde («Summ beyder Geschlechter») gibt er gesagt werden», antwortet Gruber. «Die meis­ selbigen sölle er obligen, und wo er dieses nit mit 1724 an. Dann «Zustand des Armuths: 133 ten hiesiger Ar­men befleissigen sich der Arbeit­ enderen und verbesseren wölle, so werde man Kinder armer Eltern, 7 Waysen, 46 Elende von samkeit und führen ein geschäftiges Leben. ihm die spend nid lenger gäben.» mittleren Jahren, 14 Alte.». Auf die Frage, ob die An Gelegenheit zur Arbeit kann es ihnen son­ Anzahl der Armen wirklich gross sei, verweist er derlich jetzo um so viel weniger fehlen, da zu «Den 21. Nov. 1651 ist auch die Jacobe Sulliger, auf die obenstehenden Angaben und schreibt, denen weitläufigen Verrichtungen, die die Le­ Ulli Schilts wib, für Chorgricht kommen und der es gebe nur 40 Handreichungsbedürftige und bensart der Einwohner erfordert, noch dieses spend (wyl sie kinder und arm) begärt, deren 26 gänzlich Arme, zusammen 66, so dass un­ hinzukommt, dass in dasiger Gegend eine wir sie nach umbfrag erlaubt, und ist auch flissi­ gefähr der 25ste Mensch arm sei. Das Spend­ Manufactur und Wollenspinnerei aufgerichtet ger z’Kilchen z’gahn vermahnt worden.» gut für die Armenfürsorge bestehe aus 13500 worden, die mit Recht eine Quelle und ein nütz­ Pfund. «Dasselbe wird theils zu 4, theils zu 5 liches Mittel zur Ernährung der Arbeitslosen «Den 26. Augusti 1682 sind alle arme, deren von 100 verzinset, die sämtlichen Zinsen davon oder zu beschwerlichen Verrichtungen untüch­ über die 20 in diser kilchhöri, denen die Spend belaufen sich auf 180 Kronen. Von dieser Sum­ tiger Armen genennt zu werden verdient.» zegäben erkendt worden, einer ieden person me werden im Durchschnitt jährlich für die ge­ namlich alle wochen umb 1 batzen brot, vor meinen Bedürftigkeiten der Armen ausgegeben Pfarrer Nöthiger ergänzt (1780): «Ihre Armen Chorgricht vermandt worden, flissiger die pre­ 130 Kronen. Die überschiessenden 50 Kronen halten sie nebst der obrigkeitlichen Beisteuer digen götlichs worts zebesuchen.» werden meis­tens an neue Kapitalien gelegt.» und ihren geringen Gemeind-Armengütern wie auch durch bestimmte Abgaben in Geld und «Den 8. Decembs 1682 wurde citiert und er­ Dazu kamen Na­turalgaben aus dem Kloster In­ Lebensmitteln, wie nicht weniger durch Zutei­ schinnen Elsi Schilt, sonst Schnäder Elsi ge nant,­ terlaken und von den Herren der Landalmosen­ lung ge­meiner Pflanzplätze und durch ihre vie­ welche nit laugnen können, dass sy die spend kammer, so dass in der Kirchgemeinde jährlich len persönlichen besonderen Almosen.» an zweien orten, namlich by Hans zur Fluh zu 436 Kronen 22 Batzen 2 Kreuzer verteilt wer­ Ebligen, und Peter Fischer, dem Müller, empfan­ den konnten. Das machte pro Kopf der 66 Ar­ Den Chorgerichtsmanualen entnehmen wir, gen. Ist erkent worden, dass wo sy dem einten men 6 Kronen 20 Batzen. dass immer wieder Gesuche um Unterstützung dass brot nit zahle biss uff nechstkünf­tigen Meyen, durch Spendgelder zu behandeln waren: solle sy mit gfangenschafft gestrafft werden.»

122 «Den 2. Juni 1709 ist Susanna zum Bach er­heben. Sie sei notwendig, erklärte er, weil der überaus grossen Bevölkerung, welcher im be­trewt (bedroht) worden in gfangenschafft ge­ sonst kaum mehr die notwendigsten Ausgaben Verhältnis zu der Kopfzahl wenig kultiviertes setzt zu werden, wofern sie ins künftig hinder­ be­stritten werden könnten. – Als Dr. Bühler am und kulturfähiges Land zu Gebote steht, ist es ruks einer Ehrbarkeit (hinter dem Rücken des 5. Mai 1849 dem Gemeinderat Arztrechnungen diesem Verein (gemeint ist wohl die Armenkom­ Chorgerichts) nach Bern für die Almusen Cam­ im Betrag von Fr. 91.–, die arme Gemeinde­ mission) gelungen, dem so sehr überhand ge­ mer gehe und sich beklage, wie sie gethan, als bürger nicht bezahlt hatten, übergab, wurden nommenen Bettel Schranken zu setzen und wann mann ihra kein Handreichung verschaf­ zwei Gemeinderäte ausgeschossen, die mit denselben ganz niederzuhalten, und doch wird fen, und also mit der schandtlichen unwarheit Dr. Büh­ler markten mussten. Dr. Bühler erhielt für die Armen auf eine humane Weise gesorgt. umbgangen, auch gegen die gmeind sehr un­ dann eine Schuldverpflichtung der Gemeinde Freilich besteht dort die sehr einträgliche Indus­ dankbar erzeigt.» für den Be­trag von Fr. 75.–, zahlbar bis zum trie der Holzschnitzerei, welches bei dem herr­ nächsten Brienzermärt! schenden Verdienste die Aufgabe des Armen­ Weil der Gemeinderat sich auch im 19. Jahr­ vereins er­leichtert, indem der Geber leichter hundert immer wieder mit Armen und Unter­ Alleinstehende arme Leute schickte man auch geben kann und der Arme dagegen weniger zu stützungsgesuchen zu befassen hatte, setzte etwa in den Umgang. Sie mussten oder durften nehmen braucht.» er eine spezielle Armenkommission ein. Viel­ sich in einer festgelegten Reihenfolge bei Fami­ leicht wurde auf deren Vorschlag die Suppen- lien an den Tisch setzen, wo es genug zu essen Arme, unterstützungsbedürftige Leute und die anstalt gegründet, von der Albert Streich in sei­ gab. – Peter Thomen erschien am 2. Juni 1849 Armenkommission gab es weiterhin. So wurde nem Aufsatz «Von Brienz und Brienzerleuten» vor dem Gemeinderat und verlangte «Verpfleg­ noch während Jahren das sogenannte Armen­ schreibt: «Um dem durch das Fehljahr 1846 geld, um ab dem Umgang zu kommen». Zwei holz verteilt, und im Jahr 1904 bat der Frauen­ verursachten Notstand zu begegnen, errichtete Gemeinderäte gingen dann mit dem Umgän­ verein den Gemeinderat, er möge die Oberbe­ die Gemeinde im Winter 1846/47 eine Suppen­ gerrodel den betreffenden Familien nach und hörde um einen Beitrag an die Kosten der anstalt; es wurde an arme Familien unentgelt­ fragten, ob sie nicht lieber pro Tag zwei Batzen Unterstüzung verschämter Armer ersuchen. lich, an andere auf Wunsch gegen spätere Zah­ be­zahlen wollten, als Thomen weiterhin zu ver­ lung, Suppe verabreicht.» – Schwer verständlich pflegen. Burger und Hintersassen und hart dünkt uns, dass die Hintersassen ge­ Schon im 13. und 14. Jahrhundert, zu einer mäss Gemeinderatsbeschluss vom 1. Februar Am 2. Februar 1850 erschien Mamma Schild Zeit, über die wir noch keine Pfarrerberichte 1847 vom Suppenbezug ausgeschlossen wa­ vor dem Gemeinderat und bat um Unterstüt­ und genaue Angaben über die Besiedlung ren! – Wir wissen nicht, ob die Suppe damals zung. Es wurde beschlossen, ihr 10 Batzen zu unserer Gegend haben, fanden sich dort, wo auch schon so gut und schmackhaft war wie geben und ihre Schuhe auf Gemeindekosten sich Leute niedergelassen hatten, Vertreter von diejenige, die man heutzutage im Winter jeden reparieren zu lassen. Das Reisegeld hingegen, Familien und Gruppen zusammen, um mitein­ Samstagmorgen bei der Suppenanstalt abho­ das sie verlangte, um ihre Base Susanna Rolli in ander über die Nutzung der Wälder, des Bach­ len kann. Jedenfalls er­schien am 5. März 1847 Uetendorf besuchen zu können, verweigerte wassers, des Weidelandes zu verhandeln, um Katharina Thöni vor dem Gemeinderat und man ihr. Grenzen festzulegen, über das Wetter und den brachte an, sie möge die Suppe nicht vertragen Wildbestand zu sprechen und auch sonstige und wünsche daher, «anderwertig Lebensmitel Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Erfahrungen auszutauschen. Es gab da sicher zu erhäben.» die Schnitzerei und der Fremdenverkehr immer bald auch gemeinsam genutzte Einrichtungen mehr Verdienstmöglichkeiten brachten, ging es wie Allmenden, Verbindungswege und Brun­ Am 5. August 1848 beschloss die Gemeinde­ wohl den Brienzern ganz allgemein besser. nen. Wenn solche Leute zusammentraten oder versammlung auf Antrag des Gemeinderates, Je­denfalls konnte der Regierungsstatthalter in sich zusammensetzten, um verbindliche Abma­ eine besondere Armensteuer (Armentelle) zu seinem Amtsbericht von 1855 feststellen: «Bei chungen zu treffen, darf man wohl von ersten

123 genossenschaftlichen Vereinigungen, von Ur­ oft unklar, wer sich um welche Arme zu küm­ Heimatschein einlegen.» – Ulli Widmer, ein genossenschaften sprechen. – Solche Genos­ mern hatte. Eine klare Situation schuf erst die Hintersass zu Hofstetten, wurde am 27. Janu-­ senschaften mögen sicher im Raum Brienz und grundlegende Bettelordnung von 1676. Jeder ar 1713 ermahnt, seine Kinder fleissiger in die ebenfalls in anderen Gegenden am Brienzersee und jede wurde in eine Gemeinde eingewiesen. Schule zu schicken und …ist ihm andeütet wor­ entstanden sein. Landbesitzer, Taglöhner und Hintersassen wur­ den, dass er sich widerumb in sein Heimath den dort heimatberechtigt, gemeindegenössig, begeben solle.» – Am 3. April 1734 kam ein Im 15./16. Jahrhundert gab es mit dem An­ wo sie gerade zur Zeit wohnten, mochten sie Schreiben des Chorgerichts in Thun an das wachsen der Bevölkerung in unserem Land, im ortsgebürtig oder zugezogen sein. Man kann Chorgericht in Brienz, «darin bekannt gemacht Kanton Bern, im Oberland und in der Kirchge­ wohl sagen, dass mit dieser Regelung im Staat wird, dass sich eine Dirne aus Brienz daselbst meinde Brienz eine Schicht von Leuten, die kein Bern die Einwohnergemeinden entstanden. Die im Wirtshaus zum Löwen aufhalte, allwo sie Land besassen und keine Arbeit fanden. Sie Obrigkeit in Bern ergänzte das Gesetz von 1676 durch einen Mann ihrer Heimat solle abgeholt schlugen sich als Gelegenheitsarbeiter und durch die Bettelordnungen von 1678 und 1680. werden. Dieser Nachricht zufolge ist die Veran­ Taglöhner durch, waren aber mit ihren Familien Darin regelte sie die Freizügigkeit. Wer seine staltung getroffen worden, selbige abzuholen.» je nach Jahreszeit auf Wohltätigkeit und Bettel Heimatgemeinde verliess, musste sich einen angewiesen. Im Dorf waren sie neben den orts­ Heimatschein ausstellen lassen und war dann In Brienz wurden durch die erwähnten Erlasse gebürtigen Landbesitzern geduldete Ungenos­ am neuen Wohnort Ausburger oder Hintersass, die unten mit ihren Wappen aufgeführten Fami­ sen. Einwohner ohne Burgerrecht. lien als Burger heimatberechtigt.

Die eidgenössische Tagsatzung sah die Not­ Mit den erwähnten Gesetzen war nun klar­ Im Jahr 1900 wurde einem Interessenten, der wendigkeit, sich mit der Frage, was man für die gestellt, dass die Gemeinde nur für Leute ver­ sich für die Aufnahme ins Burgerrecht interes­ Armen tun könnte, zu befassen und kam 1551 sorgungspflichtig war, die als Burger in ihrer sierte, mitgeteilt, dass die Burgergemeinde be­ zum Schluss, dass jeder Kanton und in jedem Gemeinde wohnten oder als Ausburger, wenn schlossen habe, niemanden mehr als Burger Kanton die Kirchbehörden für ihre Armen sor­ sie aus ihrer Gemeinde weggezogen waren, aufzunehmen. gen müssten. Deshalb legte die Regierung des einen Heimatschein vorweisen konnten. – Die Staates Bern in der Bettelordnung von 1571 Folge dieser Regelung war, dass die Gemein­ Trotzdem wurden aus besonderen Gründen fest, dass die Kilchhören (Kirchgemeinden) ihre den unverzüglich die Aufnahme ins Burgerrecht 1868 die Familien Hirsch und Schmidlin und Bettler zu Hause versorgen und sie nicht als erschwerten und dafür die blosse Niederlas­ 1905 die Familie Walz eingeburgert. Dann erga­ Bettler durch das Land streichen (Landstrei­ sung erleichterten. Bloss Niedergelassenen ben sich bis 1988 keine Änderungen mehr. cher) lassen sollten . gegenüber verpflichtete man sich zu nichts. – 1988 wurde aber dann durch das neue Ehe­ Man musste kein Burgerrecht mit ihnen teilen recht bestimmt, dass gebürtige Burgerinnen, Es zeigte sich aber bald, dass dieses Gesetz und konnte sie weg weisen, wenn sie zu Klagen die mit einem Schweizer Nichtburger verheira­ nicht oder zu wenig Abhilfe schaffte. Immer Anlass gaben oder unterstützt werden muss­ tet sind, ein Gesuch um Wiedereinburgerung noch und immer wieder zogen Bettler durch ten. stellen können. Ferner: Wenn ein Ausländer das Land. Man verscheuchte fremde Bettler eine Brienzer Burgerin heiratet, erlangen er und durch Landjagden (Landjäger), und wer zum Drei Eintragungen aus dem Chorgerichtsmanu­ seine Nachkommen automatisch das Brienzer zweiten Mal als Bettler aufgegriffen wurde, be­ al mögen das zeigen: Christen Hari, aus der Burgerrecht. Und: Seit 2004 können in Brienz kam ein Brandmal aufgezeichnet. Es gelang Lenk gebürtig, wurde am 3. November 1709 wohnhafte Kinder von gebürtigen Burgerinnen aber trotz dieser Massnahmen nicht, die Bett­ vom Chorgericht unserer Kirchgemeinde «zur und einem Nichtburger als Vater auf Gesuch lerei einzudämmen. Da es die im heutigen Sinn besserung angemahnt, und sofern er sich by hin eingeburgert werden, sofern sie noch nicht organisierten Gemeinden noch nicht gab, war uns noch länger aufhalten wolle, solle er ein volljährig sind.

124 Wir verweisen auf das Buch Chronik der Burgergemeinde Brienz von Erich Schild, Thomann Druck AG, Brienz 1996, dem wir für unsere Darstellung viele Angaben entnommen haben.

Erich Schild schreibt in seiner Chronik: «An der Schweiz. Nach französischem Muster wurde Einwohnergemeinde und Burgergemeinde Spitze der Burgergemeinde stand der Amt­ nun ein neuer Gemeindetyp eingeführt, die so­ Die Burgergemeinde blieb in Brienz aber neben mann oder Untervogt. Dieser beriet sich mit genannte Munizipalität. Das war die Geburts­ der Einwohnergemeinde bestehen. Sie behielt angesehenen Mitbürgern. Dieses Gremium stunde der Einwohnergemeinde. Damit änderte ihren Land- und Waldbesitz und war weiterhin verwaltete den Besitz der Burgergemeinde und sich auch die Stellung der Burgergemeinde: für die Armenpflege zuständig. Erst als die hatte die Aufsicht über die Allmenden, den Wald, Sämtliche Dorfbewohner wurden nun zu Aktiv­ Napoleon-Aera vorbei war und 1815 die Res- den Wegunterhalt und den Wasserhaushalt.» bürgern und konnten an der Gemeindever­ taurationsverfassung in Kraft trat, rückten alte sammlung über die anstehenden Geschäfte Strukturen, die sich bewährt hatten, wieder in Mit der Niederlage des Staates Bern und der beraten und abstimmen. Es gab keine Hinter- den Vordergrund. Und schliesslich erliess der alten Eidgenossenschaft wurde Frankreich ge­ sassen mehr. Staat dann in der Regenerationsverfassung von zwungenermassen in mancher Hinsicht das 1831 neue Vorschriften über die Besitzverhält­ Vor­bild für unseren Kanton und die übrige nisse zwischen Einwohner- und Burgergemein­

125 den. Burgergemeinden durften nur noch dort «Der Weitsicht unserer Vorfahren, ganz speziell Auswanderungsjahrhundert) noch für das überleben, wo gesonderte Burgergüter vorhan­ der Amtsträger, die jahrelang die Geschicke der 20. Jahrhundert exakte Zahlen vor. den und zu verwalten waren. Das war für Brienz Burgergemeinde als Burgerrat, Burgerratsprä­ der Fall. Aber erst 1855 wurden dann bei uns sident, Burgerschreiber oder Burgerkassier Wir entnehmen aber der Festschrift zum die Besitzverhältnisse zwischen Einwohner- geleitet haben, ist es zu verdanken, dass aus 100-jährigen Bestehen der Amtsersparniskas­ und Burgergemeinde endgültig geregelt und der ehemals armen Bäuert eine wohlhabende se Oberhasli in Meiringen (verfasst von Dr. Ger- festgelegt. Burgergemeinde geworden ist. Es wird an den hard Winterberger im Jahr 1960), dass allein Nachfolgern liegen, dieses wertvolle Erbe zu zwischen 1880 und 1882 aus dem Amtsbezirk Im Kanton Bern gibt es heute noch 200 Burger­ bewahren und mit dem kostbaren Besitz sorg­ Oberhasli 275 und aus dem Bezirk Interlaken gemeinden. Einzelne davon sind wohlhabend sam und verantwortungsbewusst umzugehen.» 600 Personen nach Übersee ausgewandert (wie z.B. Brienz), andere kämpfen um das Über­ Dieses Schlusswort findet sich auf der letzten sind. In unserem Kanton stellten sich die Ober­ leben. Unsere Burgergemeinde überweist jedes Seite der erwähnten Darstellung von Erich länder mit diesen Zahlen an die Spitze der Aus­ Jahr einen Beitrag an die Kosten der Fürsorge­ Schild. wanderer. einrichtungen, für die jetzt der Kanton auf­ kommt. Darüber hinaus unterstützt sie als Zum Schluss noch eine interessante Zusam­ Gerhard Winterberger listet gleich auch Gründe Land- und Liegenschaftsbesitzerin direkt und menstellung, die wir auch dem Buch von Erich auf, die die Auswanderer angetrieben haben indirekt mit grossen Beiträgen die Einwohner­ Schild entnommen haben: könnten, unser Land zu verlassen. gemeinde. Unzählige Veranstaltungen und An­ – Die kultivierbare Bodenfläche in unserer Ge- lässe von Behörden und Vereinen kamen in den Im Jahr 1852 lebten und wohnten im «Schnitz­ meinde war zu klein, um die anwachsende letzten Jahrzehnten in den Genuss von finanzi­ lerdorf Brienz» 440 stimmberechtigte Burger Bevölkerung durch ihre Produkte zu ernäh- eller Unterstützung durch die Burgergemeinde. (darunter 96 Schnitzler). 1920 waren es 513 (174 ren und dass sie dabei vielleicht auch noch Schnitzler), 1930 425 (84 Schnitzler), 1992 306 etwas hätte erübrigen können. Die Landreserven werden zu äusserst günsti­ zu 7. – Stirbt unser Dorf als «Schnitzlerdorf Bri­ – Denn erst nach 1875 verwandelte sich das gen Bedingungen an hier ansässige Leute ver­ enz» aus? Sicher nicht. Aber es wird offenbar durch die Entsumpfungsarbeiten in verhält- geben und ermöglichen so mancher Familie ein immer schwieriger, als Schnitzler zu bestehen nismässig kurzer Zeit der Aare oberhalb des Eigenheim zu erstellen. Auch das einheimische und sich als Schnitzler sein Leben zu verdie­ Brienzersees abgerungene Land in eine Kul- Gewerbe profitiert von der Abgabe von günsti­ nen. turlandschaft (siehe Beitrag «Wie aus einem gem Land, wenn es darum geht, einen Betrieb Sumpfgebiet Kulturland wurde» von Max aufzubauen oder zu vergrössern. Die aus der Abgewandert – ausgewandert Gygax, Seite 34–42). Abgabe von Land resultierende Bautätigkeit Unter den alteingesessenen Brienzern wird es – Unmittelbarer Anlass zur Auswanderung kommt dem einheimischen Gewerbe zugute. kaum eine Familie geben, die nicht mehr oder waren wohl auch die Hungerjahre von 1841 Die günstige Abgabe von baureifem Land weniger weit entfernte Verwandte in Ostschwei­ bis 1852. Der Graswuchs war schlecht, es dämpft die Baulandpreise in der ganzen Ge­ zerkantonen, in Deutschland, in Frankreich, in gab wenig Korn und Kartoffeln. Die Kartoffel- meinde und beugt der Spekulation zu grossen Nord- oder Südamerika hat und vielleicht noch krankheit stellte sich ein, was eine richtige Teilen vor. Viele Infrastrukturprojekte der Ge­ Beziehungen zu ihnen aufrecht erhält. Hungersnot zur Folge hatte. meinde Brienz haben sehr stark von Landabga­ – Der grössere Teil der aus dem Kanton Bern ben der Burgergemeinde profitiert oder wurden Wenn man zurückschaut und die Statistik stu­ auswandernden Personen gehörte der in der dadurch überhaupt erst ermöglicht. diert, sieht man sofort, dass Brienz zeitweilig Landwirtschaft tätigen Bevölkerung an. Der ein Auswandererdorf war. Leider liegen uns aber andere Teil war aus Handwerkern und Arbei- für unsere Gemeinde weder für das 19. (das tern zusammengesetzt. Diese klagten über

126 Verdienstlosigkeit in ihren Berufen, jene spür- ten schon die Konkurrenz des Auslandes in der Industrie und der Maschinen im eigenen Land. – Nicht unwichtig waren die vorwiegend güns- tigen Nachrichten der in Übersee neu Ange- siedelten und die Versuchung, bereits ausge- wanderten Bekannten und Freunden nach- zuziehen. – Dann waren da auch die Anpreisungen der verschiedenen Ausreiseagenturen in allen mög­lichen Zeitungen. (Siehe: Inserat im «Brienzer» rechts.)

Wohl brachten die aufblühende Schnitzerei und der Tourismus neue Arbeitsplätze und Ver­ dienst, aber eben doch nicht für alle, die von besseren Lebensbedingungen träumten. So verwundert es nicht, dass auch in Brienz viele Ein Inserat im «Brienzer» (1913) dem verlockenden Werbespruch «Dort an des Mississippi Strand winkt dir ein neues Vater­ Die bernische Obrigkeit verbot die Auswande­ ge zur Auswanderung ermunterten, um sie los­ land. Hast dort dich einmal satt gegessen, ist rung nicht, warnte aber vor ihren Gefahren. zuwerden. Der Gemeinderat von Brienz wie der Europa bald vergessen» erlagen und mit Kisten, Denn viele, die hoffnungsvoll auszogen, er­ Burgerrat hatten sich im 18., aber besonders im Säcken und Bündeln aufbrachen und versuch­ reichten ihr Ziel nicht, kamen mittellos in die 19. und sogar noch im 20. Jahrhundert immer ten, in einem fernen Land, wo es ihnen besser Heimat zurück und fielen der Fürsorge zur Last. wieder mit Unterstützungsgesuchen auswan­ gehen würde als in der zu eng gewordenen Hei­ Und gerade wegen der Fürsorgepflicht gab es derungswilliger Bürger zu befassen. mat, eine neue, bessere Existenz aufzubauen. im Kanton Bern auch Gemeinden, die Bedürfti­ Da steht zum Beispiel im Jahr 1868 ein J. Flück vor dem Burgerrat und bittet um Unterstützung, weil er mit seinen Söhnen nach Nordamerika auswandern will. Die Fahrtaxe für die Überfahrt von Hamburg aus hat er schon entrichtet. Nun fehlt ihm aber noch das Geld für die Reise nach Hamburg. Sein Haus im Kienholz hat er nicht verkaufen können. Der Rat schenkt ihm Fr. 30.– und schiesst ihm weitere Fr. 30.– vor. Flück reist mit seinen Söhnen ab, seine Frau bleibt zurück. Sie kann das Haus schliesslich doch verkaufen und reist nun ihrem Mann und den Söhnen nach. Auswanderung nach Übersee; Wandgemälde von Arnold Brügger in Meiringen. Der Vorschuss von Fr. 30.– wird ihr geschenkt.

127 Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 1.11.1846: tet werden, dass die nächsten Verwandten der 1884 stellt der Schnitzler J. Thomann, der nach Es erschienen Hans Stähli und Peter Abplanalp Magdalena Wyss erst im 5. oder 6. Verwandt- Chile auswandern will, beim Burgerrat das Ge­ anbringend, Peter Abplanalp wäre vorhabens, schaftsgrade zu ihr stehen und zudem selbst such um eine Beisteuer von Fr. 100.– an seine nach Amerika zu gehen und verlange vom aus der ärmeren Klasse seien und dass der Ge­ Reise. – Der Rat tritt nicht darauf ein, aber er Abnutz (Burgernutzen) 150 Kronen, um die Rei­ meinderat in gegenwärtiger Zeit ebenfalls keine macht Thomann darauf aufmerksam, dass ihm sekosten bestreiten zu können, wofür die Ver­ Unterstützung erkennen könne. sein Recht auf der Kienholzallmend nach seiner wandten gutsprechen würden. – Auf diese Abreise noch fünf Jahre lang gehöre. Er könne Bedingung hin hat der Gemeinderat das Unter­ Im Protokoll der Burgergemeinde finden wir aus es für fünfmal Fr. 20.– vermieten oder der Bur­ stützungsgesuch genehmigt. dem Jahr 1872 folgende Notiz: Einem Emigran­ gergemeinde abgeben. Damit komme er auf ten und seinem Bruder, die in sehr armen Ver­ die geforderten Fr. 100.–. Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 4.5.1846: hältnissen leben, wird für die Reise nach Süd­ Peter Abplanalp stellt sich mit dem Vogt Kaspar amerika Fr. 60.– gesprochen und ihrer Mutter, Am 4. Mai 1903 ersucht der Sägenfeiler Johann Michel und brachte an, er sei vorhabens, nach die Witwe ist, Fr. 40.–. Damit ist allen zur Aus­ Thomann den Gemeinderat um einen Beitrag Nordamerika auszuwandern und verlange da­ wanderung geholfen. – Der Familie wird aber von Fr. 400.– für seine Auswanderung zu seinen her die Handbietung des Gemeinderats, was die Niederlassung in Amerika verweigert. Der Söhnen in Chile. Er verspricht, diese Summe einstweilen verschoben wurde mit dem Auf­ Regierungsrat des Kantons Bern stellt das später zurückzuzahlen. – Der Gemeinderat will trag, er solle Käufer für seine Liegenschaften Gesuch an die Burgergemeinde Brienz, dem über das Schweizer Konsulat in Valparaiso zu­ suchen. Schweizer Konsulat in Buenos Aires Fr. 790,78 erst abklären, ob die drei Söhne ihren Vater auf­ für die Rückreise der Familie zu überweisen. – nehmen wollen. Am 1. Juni erscheint Thomann Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 1.2.1847: Das Geld wird überwiesen, und die Familie wieder vor dem Rat und muss vernehmen, Es erschien Hans Schild als Vogt des Peter kehrt wieder nach Brienz zurück. dass die Antwort des Konsuls noch aussteht. Schild, anbringend, sein Vögtling wolle nach Am 3. August bittet er nur noch um einen Bei­ Amerika auswandern und wünsche von seinem Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 20. 8. 1884: trag von Fr. 20.–, den ihm der Rat bewilligt. – Vermögen ca. 150 Kronen zu erheben. Der Die Familie des in Bürglen, Amtsbezirk Nidau, Fünf Tage später kommt ein Schreiben des Gemeinderat entspricht dem Gesuch, da Hans wohnenden Caspar Stähli von Brienz gedenkt, Konsuls mit der Mitteilung, dass die drei Brüder Schild eine Sicherstellung an den Gemeinderat diesem nach Amerika zu folgen. Pfarrer Funk das Reisegeld für den Vater schicken werden. ausstellt. von dort fragt an, ob die hiesige Gemeinde ärmeren Auswanderern Unterstützung verab­ Aus dem Protokoll der Burgergemeinde (1888): Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 16.10.1848: folge. – Michel Peter beantragt, einmal eine «Da dieses Jahr etliche Burger auswandern Ein Schreiben vom Direktor der Justiz und Ausnahme zu machen und der Familie unter wollen, wird beschlossen, jedem Familienvater, Polizei des Kantons wird verlesen, worin dem Anwendung seiner Kompetenz Fr. 50 als Unter­ der Europa verlässt, Fr. 30.– zu verabfolgen.» Regierungsstatthalteramt Interlaken zu Handen stützung zu verabreichen. Mätzener und Hirsch des Gemeinderats von Brienz angezeigt wird, sprechen sich dagegen aus, indem daraus Kon­ Im «Brienzer» vom 15. Februar 1902 ist zu le­ dass sich in Lyon eine gewisse Magdalena sequenzen entstehen könnten. Nach Diskus­ sen: «Wegen Auswanderung werden von jetztan Wyss, Bendichts Tochter von Brienz, in dürfti­ sion wird der Antrag Michel zum Beschluss bei Unterzeichnetem allerlei Hausgeräte und gen Umständen befinde, weshalb sie sich an erhoben. Ferner wird erkennt, die Verwandten Werkzeuge verkauft. – Caspar Fuchs, Gerbi.» den Schweizerischen Konsul in Lyon gewandt Stähli in Kenntnis zu setzen mit dem Bedenken, Im «Brienzer» vom 12. April 1902: «Letzten Don­ habe, um Auskunft zu erhalten, ob sie von ihren eine Unterstützung wäre genehm. nerstag verreisten von Brienz und Brienzwiler Verwandten oder der Gemeinde Unterstützung wieder 11 Personen nach den Vereinigten Staa­ erwarten könne. – Beschluss: Es soll geantwor­ ten von Nordamerika.»

128 Ein Inserat im «Brienzer» vom 1. Oktober 1902: Und da noch ein Ausschnitt aus einem Bericht Überwältigend interessant ist für uns natürlich «Die schönste und beste Fahrgelegenheit nach eines Emigranten im «Brienzer» vom 28. Juni die Lebensgeschichte des amerikanischen Flot­ New York, besonders für Auswandererfamilien, 1902: «Die Mutter ist bei meiner Schwester auf tenadmirals Bernhard H. Bieri. Die schweizeri­ bietet die Expedition des Norddeutschen Loyd der Farm, wo es sehr schön ist, und wo sie lebt sche Abstammung lässt sich eindeutig nach­ in Bremen. Ab Basel jeden Donnerstag mit wie Gott in Frankreich. Da lebt man alle Tage weisen: Des Admirals Grossvater wurde laut Schnellzug abend 5 Uhr 25 Minuten in direktem besser als in der Schweiz am Neujahr.» Geburtsregister am 19. Mai 1836 in Schangnau Spezialwagen ohne Wagenwechsel bis Bre­ geboren, siedelte aber später nach Brienz über, men. Ab Bremen jeden Samstag mit den Post­ Von weniger guten Erfahrungen einer Auswan­ wo er eine Bäckerei eröffnete. Sein Sohn Bern­ dampfern des Norddeutschen Loyd, welche derergruppe lesen wir im «Brienzer» vom 5. Ap­ hard, des Admirals Vater, erblickte 1858 in sich durch grösste Ordnung, Reinlichkeit und ril 1902: «In den nächsten Tagen wandert eine Brienz das Licht der Welt. Er absolvierte das beste Verpflegung auszeichnen.» Anzahl Personen nach Amerika aus, um dort Lehrerseminar, wurde Lehrer und wagte dann ihr Glück zu suchen; andere, welche es in der mit seiner Gattin den Sprung nach Amerika Die Firma Rommel meldet am 27.Juni 1904, neuen Welt nicht gefunden haben, werden in hinüber, wo er sich in Walnut Lake im Staate dass der Schnelldampfer «La Lorraine» nach nächster Zeit zurückkommen. – Von einer Aus­ Minnesota ansiedelte. Dort wurde der Familie einer Reisedauer von 6 Tagen und 6 Stunden wanderungsgruppe, die letzten Herbst unser am 24. Juni 1889 ein Söhnchen geschenkt, das glücklich in New York angekommen sei. Land verliess, werden acht Personen wieder wie Vater und Grossvater auf den Namen Bern­ heimkehren. Das Heimweh soll bei ihnen der hard getauft wurde. Bernhard III machte Karri­ Die «Amerikanische Schweizerzeitung» berich­ Hauptgrund für die Rückwanderung sein. Drei ere bei der Kriegsmarine, der US-Navy, und tet im Oktober 1902 von zwei tapferen Frauen von ihnen, welche vor einem Jahr abreisten, wurde bis zum Admiral befördert. namens Fuchs, die in Arroyo, Pensilvanien, woh­ sind nun froh, ihre eigene Behausung, Grund nen, wie sie einen aufregenden Kampf mit und Boden wieder beziehen zu können; wäre Klapperschlangen bestanden und durch kalt­ das bei allen, welche ausgewandert sind, der blütiges Benehmen Meister blieben. Es ist eine Fall, so würde noch mancher zurückkehren.» schreckliche Überraschung, heisst es dort, ein liebes Kind von einer hochaufgerichteten Klap­ Schade, dass man über die Familien, die da­ perschlange bedroht zu sehen. Ein rascher mals unser Land verlassen haben, nicht mehr Griff rettete das Kind, während die zweite Frau weiss. Was mag aus ihnen, ihren Kindern und das ekelhafte Getier mit einem Beilhieb tötete. Kindeskindern geworden sein? Wenn wir auf der Grafik über die Entwicklung der Wohn­ Eine Erfolgsmeldung aus dem «Brienzer» vom bevölkerung in Brienz feststellen, dass die Ein­ 20. Juli 1904: «Wie amerikanische Zeitungen wohnerzahl ab 1880 bis 1930 zurückgegangen melden, hat letzthin ein Brienzer, Edwin Flück, ist, darf man das wohl nicht allein mit der Aus­ Sohn des im Jahr 1883 ausgewanderten Hein- wanderung nach Übersee erklären. Viele Brien­ rich Flück, in der Bundesstadt Washington das zer zogen auch nur ins Unterland (wie der Vater Staatsexamen als Advokat mit Auszeichnung des Schreibers) oder in andere Kantone unse­ bestanden. Wir gratulieren dem talentvollen res Landes, einfach dorthin, wo sie die Arbeits­ jungen Mann zu diesem schönen Erfolg und möglichkeiten fanden, die es in Brienz nicht zweifeln nicht daran, dass er in seinem Beruf gab. als Rechtsanwalt dem Schweizernamen Ehre machen wird.» US Admiral Bernhard H. Bieri (1889 –1971)

129 In diesem stolzen, behäbigen Bauernhaus in Schangnau wurde Admiral Bieris Grossvater, So wanderte der Admiral an der Seite seines Cousins Peter Bieri, Hotelier auf Axalp, in der später nach Brienz übersiedelte, geboren. Schangnau von Hof zu Hof, um der Reihe nach seine Verwandten zu begrüssen.

Und nun hatte er endlich Gelegenheit, sich Bernhhard III Bieri starb am 10. April 1971 und nach seinen Verwandten in der Schweiz umzu­ wurde auf dem Friedhof Arlington bestattet. sehen. Er parkierte sein Flaggschiff in Genua, wo ihn seine Gattin erwartete, und fuhr dann Auch im 20. Jahrhundert gab es noch Auswan­ per Auto auf die Axalp, um sich während ein derer. So dürfte Jakob Flück und seine Lebens­ paar Ruhetagen im Hotel seines Cousins Peter geschichte älteren Brienzern bekannt sein. Bieri zu erholen. Den Höhepunkt seines dama­ ligen Schweizer Aufenthaltes bildete jedoch Jakob Flück kam 1918 als zweiter Sohn von eine Fahrt nach Schangnau, wo er im Heimat­ Heinrich und Elisabeth Flück-Hofer in Rans­- dorf der Bieris herzlich begrüsst und empfan­ bach in der Nähe von Koblenz zur Welt. Seine Für den betagten Onkel in Schangnau zählte der Besuch gen wurde. Von seinen Verwandten begleitet, Eltern waren 1915 von Brienz nach Deutsch­ seines Neffen aus Amerika bestimmt zu den Höhepunkten warf er hier einen Blick in den Kuhstall und land ausgewandert, und sein Vater war dann an in seinem Leben. schüttelte dort die Hand eines Grosscousins. verschiedenen Gutshöfen als Oberschweizer Nach seiner Pensionierung sei der Admiral alle angestellt. In der Nachkriegszeit verlor sein Er überlebte 1941 den Überfall der Japaner bei zwei drei Jahre in seinem Heimatdorf zu Gast Vater Anstellung und Erspartes, und die Familie Pearl Harbor und übernahm nach der Beendi­ gewesen. Bernhard und seine Frau erzogen kehrte verarmt nach Brienz zurück. gung des Zweiten Weltkrieges als Admiral die zusammen fünf Söhne, von denen vier sich in Leitung der US-Mittelmeerflotte. Die Wert­ einer akademischen Laufbahn auszeichneten, Jakob besuchte dann in seinem Heimatdorf schätzung, welche er in den höchsten Kreisen während einer bei der Marine Karriere machte Primar- und Sekundarschule und 1935 –1937 der US-Army genoss, drückte sich in seiner Er­ und diese auch als Admiral beendigte. die landwirtschaftliche Schule Rütti in Zolli­ nennung zum Berater in Marineangelegenhei­ kofen. Nach dem Abschluss wurde ihm von ten des Präsidenten Roosevelt aus. den Eltern eines Mitschülers auf der Rütti als

130 Adjunkt auf einem grossen Hof in der Nähe von Die Österreicherin Helene Baumgartner, die er Leipzig und nach 1942 eine ähnliche Stelle im inzwischen geheiratet hatte, durfte ihm erst heutigen Slovenien vermittelt. Als dort ein Kolle­ zwei Jahre später folgen. Die Ehe endete 1957. ge von Partisanen hingerichtet wurde, kehrte Ein Jahr später heiratete Jakob Flück die aus er so schnell wie möglich nach Brienz zurück. Laufenburg im Aargau stammende Alice Zum- Er fand Arbeit in der Forstwirtschaft und enga­ steg. – Jakob organisierte und leitete bis 1961 gierte sich auch im militärischen Heimatdienst. verschiedene Käsereien in Wisconsin und über­ siedelte später mit seiner Frau nach Seattle, wo Weil er in der Nachkriegszeit im Raum Brienz er eine Stelle beim Konzern Boeing annahm. keine Arbeitsstelle fand, die seiner Ausbildung Seine Frau fand Arbeit bei den Northwest- entsprochen hätte, spielte er mit dem Gedan­ Airlines. – Seit der Pensionierung leben die bei­ ken, nach Amerika auszuwandern. Da bekam den in Sun City, Arizona, wo sie bis jetzt einen er eher zufällig die Adresse eines US-Soldaten aktiven Ruhestand geniessen und hie und da aus Wisconsin, der sich für ihn verwendete und Brienz und die Schweiz besuchen. ihm eine Stelle als Käser in Wisconsin und ein Jakob Flück (Jahrgang 1918) und seine Frau Alice Immigrationsvisum für die USA vermitteln konn­ besuchten nach der Pensionierung hie und da Brienz und die Schweiz. te. 1947 wanderte Jakob hoffnungsvoll aus.

Jakob Flück als Käser in Wisconsin Jakob Flück bei der Orangenernte

131 Kultur und Sport – vom Dorfverein Kultur Sport zum Musicstar Musikgesellschaft Brienz Turnverein Brienz Zum Dorf gehören unabdingbar auch die ver­ Oberer Brienzersee-Chor Brienz Männerriege Brienz schiedenen Vereine, Gesellschaften, Clubs und Jodlerclub Brienz Damenturnverein Brienz die politischen Parteien. Sie vertreten Anliegen Jodlerclub Bärgecho Frauenturnverein Brienz kultureller, sportlicher, sozialer und wirtschaft­ Jodlerclub Rothorn Schwingersektion Brienz licher Art und erfüllen damit wichtige Aufgaben Brienzer Bildhauer Ringclub Brienz-Oberhasli im gesellschaftlichen Umfeld, Aufgaben, wel­ Kulturelle Vereinigung Brienz und Umgebung Volleyballclub Brienz-Meiringen che die Gemeinde nicht übernehmen kann. Volkshochschule «Haslital» Brienz/Meiringen Fussballclub Rothorn Brienz Verein «Fonds für künstlerischen Schmuck» Platzgerclub Brienz Die bunte Vielfalt dieser Zusammenschlüsse, Trachtengruppe Brienz Fischereiverein Brienz die vom Dramatischen Verein bis zum Platz­ Handharmonikaclub Brienz Ornithologischer Verein Brienz gerclub, von der Pfadfinderabteilung bis zum Dramatischer Verein Brienz Kynologischer Verein Brienz Eisbahnverein reicht, sorgt dafür, dass den un­ Verein «Alt Brienz» Schachclub Brienz terschiedlichsten Be­dürfnissen Rechnung ge­ Komitee Heimatmuseum Brienz Skiclub Brienz tragen wird und praktisch jedermann Gelegen­ Bibliotheksverein Brienz Skiklub Axalp heit findet, sich im Kreis von Gleichgesinnten zu Förderverein Freilichtmuseum Ballenberg Eisbahnverein Brienz bewegen und zu betätigen. Darüber hinaus die­ Verein Kino Brienz Curlingclub Brienz nen alle diese Vereinigungen zweifellos auch der Verein Brienzersee Rockfestival Tennisclub Brienz gesellschaftlichen Integration, führen sie doch Schützengesellschaft Brienz Leute aus unterschiedlichen Schichten zusam­ men.

Aus begreiflichen Gründen muss hier auf eine Darstellung des Zwecks der vielen im Dorf wir­ kenden Organisationen und erst recht der Ver­ einsgeschichte verzichtet werden; dieses Un­ terfangen würde wohl allein einen stattlichen Band füllen. Wir begnügen uns deshalb mit ei­ ner Aufzählung, die aber doch Aufschluss gibt über die vielen Möglichkeiten gesellschaftlicher Begegnungen und Betätigungen in der Dorfge­ meinschaft.

Brienz turnt: Turnverein Brienz am Berner Kantonalturnfest, Juni 2010 in Utzenstorf.

132 Gerätekombination der Jugend, Turnvorstellung 2009.

Schützengesellschaft Kienholz Kleinkaliberschützen Kienholz Jagd- und Wildschutzverein Brienz Naturfreunde Brienz SLRG Thun Oberland, Sektion Brienz Veloclub Meiringen-Brienz Volleyballclub Brienz-Meiringen Unihockey-Club Brienz Brienz jodelt: Jodlerclub Brienz, gegründet 1927, ältester der drei Brienzer Jodlerchöre. Pfadfinderabteilung St. Christophorus, Abtei­ lung Brienz-Meiringen

Verschiedenes Brienz Tourismus Gemeinnütziger Frauenverein Brienz Gewerbeverein Brienz Hotelierverein Brienz Wildparkverein Brienz Obst- und Gartenbauverein Brienz Bienenzüchterverein Brienz Blaukreuzverein Brienz Samariterverein Spitex Brienz und Umgebung Sekundarschulverein Brienz Unteroffiziersverein Brienz Verein «Pro Ballenberg Dampfbahn» Modelleisenbahnfreunde Musicstar 2009 – die Brienzerin Katharina Michel: Die 20-jährige Brienzerin setzt sich gegen über 3000 Mitbewerbende Konsumfrauenverein Brienz durch, gewinnt den vom Schweizer Fernsehen durchgeführten Talentwettbewerb und trägt den Namen ihres Heimatdorfes Suppenhaus Brienz singend in die ganze Schweiz hinaus.

133 Brienzer rocken: Die junge Brienzer Band «Container 6» gewinnt 2006 den nationalen Band-Wettbewerb «Mobile Act», einen Plattenvertrag und tritt als Vorband des ame- rikanischen Weltstars Christina Aguilera im Hallenstadion Zürich auf. Von links nach rechts: Christoph Kiser, Kaspar Hösli, Christian Perren, Thomas Glatthard.

Brienz spielt Theater: Die Gruppe «Brienzipiell» wurde 2008 von Nicole Ferretti-Müller gegründet und ist Teil des Dramati- schen Vereins Brienz. Im Kinotheater Brienz organisieren die Improvisationsschauspieler/-innen regelmässig Theatersport- Shows. Zwei Teams treten gegeneinander an und improvisieren nach Vorgaben aus dem Publikum einmalige Geschichten mit viel Witz und Charme! Die Gruppe «Brienzipiell» hat sich auf dem Schweizer Markt des Improvisationstheaters einen Namen gemacht. V.l.n.r: Monika Fankhauser, Florian Gsteiger, Nicole Ferretti, Jeannette Müller, Caroline Reusser, Kathrin Ming, Barbara Müller und Andreas Widmer.

Brienzer Heavy Metal: Die Brienzer Band «Reign of Silence» ist mit ihrer Musik weit über die Region hinaus bekannt geworden. Von links nach rechts: Lukas Huggler, Sandro Trauffer, Samuel Fischer, Alexandre Eggenberg (hinten); Brienz musiziert: Die Musikgesellschaft Brienz feiert im August 2010 ihr 150-jähriges Bestehen. Dominic Ruef, Christoph Fuchs (vorne).

134 Eine Brienzer Alp – die Planalp

Max Gygax

R omEYE, Muttern und Adelgras die Qualität der Milch und der daraus gewonne­ Kräutern, von denen die drei bekanntesten ein­ DAS Beste ist, was Chueli frass. nen Produkte wie auch auf den Gesundheits­ leitend erwähnt wurden. zustand der gealpten Tiere günstig aus. Nach Den einheimischen Landwirten und in beschei­ Aussagen des bekannten Botanikers und Be­ Da ein auch nur oberflächliches Eingehen auf denerem Masse auch auswärtigen stehen in­ gründers der Lehre von den Pflanzengesell­ die Besonderheiten der fünf Alpen im Gemein­ nerhalb der Gemeindegrenzen von Brienz fünf schaften, Prof. C. Schröter (1855 –1939), sind debezirk einen Umfang annehmen würde, der Al­pen offen zur Bestossung: die Vorzüge der alpinen Weide unbestritten, weit über die Möglichkeiten eines viele Themen auch wenn es bis jetzt nicht gelungen ist, diese be­rührenden Heimatbuches hinausgeht, wird auf der Schattseite südlich des Sees alte Erfahrung auf ihre letzten Ursachen zurück­ hier der Lebensraum «Alp» mit seinen topogra­ – Axalp zuführen. Eine ausschlaggebende Rolle spielt fischen und wirtschaftlichen Aspekten am Bei­ –­ Hinterburg aber zweifellos die in höheren Lagen vorherr­ spiel der Planalp dargestellt. –­­ Tschingelfeld schende Flora mit würzigen, nährstoffreichen auf der Sonnseite gegen den Brienzergrat – Rotschalp – Planalp.

Diese seit Jahrhunderten genutzten Bergwei­ den erfüllen eine wichtige wirtschaftliche Auf­ gabe, indem sie die schmale Futterbasis im Tal und in den Vorsassen ausweiten bis fast an die Grenze des produktiven Landes, das nach dem Wegfall der früheren Wildheuerei ausschliess­ lich noch als Viehweide dient. Die Nutzung der Alpen er­laubt eine grössere Viehhaltung, als wenn sich diese nur auf das im Tal geerntete oder zugekaufte Futter beschränken müsste. Diese Feststellung wird erhärtet durch die Tat­ sache, dass der Ertrag der schweizerischen Alpweiden insgesamt dem Futterbedarf von mehr als 100 000 Grossvieheinheiten entspricht!

Ein weiterer Vorteil der Alpung von Vieh hängt zusammen mit der besonderen Zusammenset­ zung des Futters. Dieses wirkt sich sowohl auf Greesgi (unten) mit Fahrweg zum Rinderbiel (Mitte) und Gummi (links). Oben in der Mitte Lanziszennd und Galtviehweide Lanzis.

135 Lage Im Stafel Mittlisten sollen Waffen gefunden Und underdessen ischt e junga Diese Genossenschaftsalp liegt im wesent­ worden sein, u.a. hätten Sammler von Enzian­ Chiehirt, waa nen eggangen ischt, dem Milibach nah disinha gschprungen, lichen in einem weiträumigen Kessel, der im wurzeln dort ein altes Schwert ausgegraben. der Huusstatt zue, was hescht was gischt. Norden abgeschlossen wird durch den Ab­ H. Gusset, dessen 1856 veröffentlichter Schrift Dert springt är in en Hitten inhi, schnitt des Brienzergrats vom Rothorn bis zum «Die Alpenwirtschaft» wir diese Angaben ver­ nimmd gschwind es Volli von der Wand, Briefenhorn, im Westen vom Grat, der sich vom danken, erzählt eine Sage über diese Alp­ springt gägen ds Birchelli embrinhi; und z vordrischt uf der Felsewwand Briefenhorn herunterzieht zum Einewang und fehden. In einer hübschen Mundartballade hat da gsehd är, wie im Dorf deniden schliesslich im Osten und Süden durch den auch Hans Wyss (Unterbach) das Thema unter grad d Chilchliit us der Chilchen gähn, Grat vom Rothorn über die Twärenegg und den dem Titel «D Mordstijen» behandelt. Er erzählt wie si im allerbeschten Friden no hie und da bin enandren stähn. Dirrengrind über das Felsentor (Pkt. 1798.3) von einem Überfall der Unterwaldner, bei dem Är hed si grad etschlossen ghäben, hinunter ins Blattmad zur Alplicken und zum nur ein junger Hirt mit dem Leben davonkommt hed ds Volli aggsetzt z hinderfir Mülibach. Das umschriebene Gebiet ist haupt­ und ein Hüterbub, der verschont wird, um den und druf due grieft uf Liib und Läben dir ds Volli, wie-n-es Sprachrohr dir: sächlich Weideland, das von steilen, abschüs­ Viehräubern im Nebel den Rückweg zu zeigen. sigen Halden oder «Brauen» und teilweise von «Luggi, Luggi, die gueti Chue Felspartien durchzogen ist. Bewaldet ist nur ein ischt gägen Underwalden zue!» kleiner Teil der Alp, da frühere Rodungen die Einige Strophen aus dem fast zweihundertzeili­ Das gheeren d Liit im Doorf deniden, siis Meitschi bchennd nen an der Stimm; Waldflächen stark dezimiert haben. gen Gedicht seien hier zitiert: Äs brieled: «O, das ischt miin Uelli, o leufid gschwind und hälfid imm!» Eine alte Siedlung Und alls waa mag e Stäcken trägen, leuft raass etz gägen Planalp zue. Die Planalp wird in verschiedenen Kaufbriefen Daa chund eismals z Mälchesziiten, bereits am Anfang des 14. Jahrhunderts er­ waa niemmen daa dran gsinned hed, Und gleitig hei si si due ggordned, wähnt. Dass die Planalpgüter schon früher e Stoos von Underwaldnerliiten fir d Underwaldner den z empfahn. Doch dänen isch nid sinnigs worden, ganzjährig bewohnt waren, ähnlich wie das desinha von der Twärenegg. Die fään gar schiitzli daa an huusen, das’s hiit nen no chennt schlächt ergahn; Teu­fental und die Othmarschwendi (Schwei­ alls, was si bschtriichen, riere s z tood. verlään si ganz uf ds Biebels Leitig bengüter) auf der anderen Talseite, gilt als Äs tued sa vor gheim Frävel gruusen; und gähn ma nahi uberal sicher. Darauf deutet auch der Flurname «Hus­ ds ganz Läger färbt si bluetigroot. und meinnen schon si siigen gleitig etz umhi den im Heimattal. statt» hin, wo noch um 1850 ein sogenanntes Druf hei si gnun, was si hein bschtrichen, Daa gseh si bletzli, wela Schrecken! Heidenhaus mit der Jahrzahl 1207 gestanden Chäs, Anken, mengi scheenni Chueh, En ganze Stoos bewaffnet Liit, haben soll. Von den erwähnten Bergsiedlungen und hei si umhi obsi gschtrichen, die ggräched siin, mid ihnen z fecken, der Bueb vorab, de Wwengen zue. wär ender etz am Bode lliid. aus, so wird angenommen, wäre dann später Da ischt en dicka Näbel gsässen. Si hei si nid lang chenne wwehrren, das Seeufer in der Gegend des heutigen Dorfes Das ischt dem Bueb due gäbigs chon; und d Brienser gäben ghein Pardon, gerodet und in Besitz genommen worden. är het si z retten nie vergässen, si chennen lang si tiir verschweerren, und wa si ufen Graad sii chon si wellen nie meh umhi chon. geid är due hinderhi, statt virhi, Wie andere Alpen auch war die Planalp in alten und d Underwaldner all ma nah, Wär gfange wwurd, där ischt verlooren, Zeiten Gegenstand von Streitigkeiten zwischen «Etz miesse mmer», seid är, «daa dirhi, dem Tod verfallen ohni Gnad; Unterwaldnern und Brienzern, die sich gegen­ den gid’s es den enandrennah.» nid menga gsehd meh ds Wiillerhooren, So gäh si uf der gliiche Siiten, me zeigt nen etz en andra Pfad. seitig das Vieh raubten, was gelegentlich zu waa si etz grad siin obsi chon, So hed där Tag mid Schrecke ggended, blutigen Auseinandersetzungen führte. emmumhi nidsi; däne Liiten fir d Underwaldner bsunders no. ischt das bi wiit nid d Sinnen chon. Si hei si siit dämm nie meh gchinnted, siin däwäg nie meh ummhi chon.

136 Sonderfall, der zurückzuführen ist auf einen Tauschhandel: Die Rotschälpler erhielten das Recht, im Vorsommer hier während 14 Tagen zu weiden gegen die Abtretung eines Teils des Blattenwaldes an die Bergschaft Planalp.

Nach dem Abweiden von Usweid und Eine­ wang wird in den zweiten Stafel gezügelt, der das Grees­gi und Mittlisten umfasst. Diese Weiden liegen auf einer Höhe von ungefähr 1600 m. Auf die Nutzung weist auch der Flur­ name Chüemad hin, der eine ziemlich flache Geländepartie zwischen den genannten Hüt­ tenstandorten be­zeich­net.

Die obersten, nämlich auf einer Höhe von durchschnittlich 1800 m gelegenen Weiden von Greesgi mit mittlerem Stafel, rechts unten Usweid. Ober Stafel, Rinderbiel und Gummi bilden den dritten Stafel. Eigentümerin der heutigen Planalp ist die Berg- Genaue Vorschriften regeln die Nutzung und schaft Planalp. Vor der Reformation gehörten Be­wirtschaftung der Alp, vom Düngen über das Die Weideflächen werden planmässig genutzt. Teile der Alp dem Kloster Interlaken, das sie kaum mehr betriebene Bergheuen bis zum So grasen die Milchkühe getrennt vom Galt­ durch Schenkungen, Vergabungen, Kauf und Beringen der Schweine und dem Erstellen von vieh*, das am Tanngrindel, im Blattmad und im andere Übereinkünfte erworben hatte. Nach Alpgebäuden. Stolli sowie in den obersten Partien unter dem der Einführung des neuen Glaubens wurde das Rothorn und im Lanzis seine Weideplätze Klos­ter säkularisiert, d.h. seine Besitztümer Drei Stafel findet. gingen über an die bernische Obrigkeit, die sie Genutzt wird die Planalp auf drei Stafeln, begin­ dann späteren Eigentümern verkaufte, sofern nend mit der Bestossung von Usweid und Eine­ Von Kuhrechten sie nicht in Staatsbesitz blieben. Mitglieder der wang. Diese Weiden in einer Höhenlage von Die Planalp ist geseyt für 380 ½ Kühe. Dieser Bergschaft Planalp sind natürliche oder juristi­ 1300 –1500 m dienten im Sommer 1997 als Besatz ist festgehalten in einem sogenannten sche Personen, die wenigstens ein Viertel Kuh- Futterbasis für Seybuch und darf in der Regel nicht überschrit­ recht besitzen. Ein Reglement umschreibt die 167 Kühe ten werden. Damit wird einer allfälligen Über­ Aufgaben der Verwaltungsorgane, nämlich: 11 Maischkühe* nutzung der Weiden vorgebeugt, die längerfris­ ­– der Einungsversammlung 43 Rinder tig zu Ertragseinbussen führen könnte. – der Älplergemeinden der Ausweid 82 Maischen* und der Plan­alp 61 Kälber Auf Usweid/Einewang entfallen 109 ½ Kuh­ ­– des Alpvorstandes oder Bergrats 5 Ziegen rechte, die restlichen verteilen sich auf den mitt­ – der Forstkommission In dieser Aufstellung eingeschlossen sind auch leren und obersten Stafel und die Usweid im – des Bergvogts der Ausweid und der Planalp Tiere, die eigentlich zur Rotschalp gehören; Herbst. – der Rechnungsrevisoren. Einewang und Ausweid bilden nämlich einen

* Vgl. S. 138, 1. Spalte, zweitletzter Abschnitt. 137 Weil auf der Planalp natürlich nicht nur Milchkü­ um 1850 musste ein Alpgenosse, der einem den meisten Alpgenossen durchaus bewusst, he gesömmert werden, ist eine Regelung nötig, Nicht­eigentümer Kuhrechte verkaufen wollte, und es gab Versuche, diesen unbefriedigenden welche die Anteile der verschiedenen Viehgat­ dies in der Kirche öffentlich bekannt machen. Zustand zu ändern. Verhandlungen über eine tungen in Kuhrechten angibt. Gegenwärtig gilt Erst wenn innert 10 Tagen weder ein Alpgenos­ Konzentration auf wenige, gut eingerichtete (mit unbedeutenden Abweichungen zwischen se, noch die Genossenschaft als Ganzes daran Gebäude – im gewünschten Endeffekt auf eine Usweid / Einewang und dem übrigen Alpgebiet) interessiert war, durfte der Handel abgeschlos­ ausgebaute moderne Alpkäserei – blieben aber folgende Umrechnung: sen werden. Gegenwärtig gilt übrigens ein Kuh­ bisher ohne greifbare Ergebnisse, da auseinan­ recht auf der Planalp, inbegriffen die Usweid, derlaufende Interessen eine Einigung verhin­ Kuh 1 Kuhrecht ungefähr Fr. 400.–, ohne Usweid Fr. 300.–. derten. Maischkuh oder Rind 1 Kuhrecht Maische 1/2 Kuhrecht Die Möglichkeit, Kuhrechte zu handeln, erlaubt Die Aufwendungen für die Alpgebäude sind, Kalb 1/4 Kuhrecht auch auswärtigen Interessenten, seien das nun wie schon angedeutet, beträchtlich. Dies vor Schwein 1/4 Kuhrecht Landwirte oder nicht, den Erwerb von Alpantei­ allem aus dem Grunde, weil die bis vor kurzem Ziege oder Gitzi 1/8 Kuhrecht len und damit den Auftrieb von Vieh. Von dieser sehr einfach ausgestatteten Hütten heutigen Schaf bei Rindvieh 1/4 Kuhrecht Möglichkeit wird zurzeit allerdings nur sehr we­ An­sprü­chen in keiner Weise mehr zu genügen nig Gebrauch gemacht, so dass die Planalp vermochten sowohl in Bezug auf zweckmäs­ Eine ältere Unterteilung der Kuhrechte, die da füglich als fast ausschliessliche Brienzeralp be­ sige Einrichtungen wie Wohnqualität. An die und dort noch angewendet wird, rechnet das zeichnet werden darf. Stelle eines primitiven, zügigen und oft kalten Kuhrecht zu 4 Fuss und jeden Fuss zu 12 Haller. «Gligers» auf der «Gasteren» wurden in vielen Ein Schwein zählt demnach 12, eine Ziege 6, Das neue bäuerliche Bodenrecht tendiert übri­ Hütten besondere Schlaf- und Aufenthalts­ eine Kuh 48 Haller. Heute nicht mehr aktuell, da gens auch in der Richtung, den Erwerb von räume eingerichtet, die doch einen behaglichen weder als Zucht- noch Lasttier mehr benötigt: Kuhrechten auf Landwirte zu beschränken. Komfort bieten, der gerade bei schlechtem Wetter sehr geschätzt wird. Die Küche, wo die Pferd, drei- und mehrjährig 3 Kuhrechte Alphütten Milch verarbeitet wird, hat sich ebenfalls ge­ Pferd, zwei- bis dreijährig 2 Kuhrechte Während der Alpsaison werden in den drei wandelt; vom einst finsteren, russigen und rau­ Pferd, ein- bis zweijährig 1 Kuhrecht Stafeln 23 Hütten benützt, nämlich: chigen Raum ist zwar noch der Turner mit dem Füllen 1/2 Kuhrecht Usweid 2 Einewang 2 Käskessi über der Feuergrube geblieben, ob­ Greesgi 6 Mittl. Stafel 2 und 3 Speicher schon auch diese an einigen Orten ausgedient Zur Kennzeichnung der aufgeführten Viehgat­ Ober Stafel 7 Gummi 2 Rinderbiel 2 hat und das Holzfeuer durch Butagas ersetzt tungen sei erwähnt, dass das Kälberalter ein Die grosse Anzahl Hütten, wozu noch einige worden ist. Dieses dient, zusammen mit einem Jahr dauert; ein Rind zwischen dem ersten und Speicher kommen, rührt daher, dass die einzel­ richtigen Kochherd, ebenfalls zum Zubereiten zweiten Jahr ist eine Maische; wird das Rind im nen Alpgenossen ein eigenes Senntum betrei­ der Mahlzeiten. Die dreibeinige Pfanne, in der Verlauf des 2. Jahres trächtig und kalbert im ben mit eigenen Hütten auf jedem Stafel. Damit einmal in der Feuergrube gekocht wurde, ist 3. Jahr, handelt es sich um eine Maischkuh. Als ist ein Problem angeschnitten, das sich auch bereits zur Seltenheit geworden, gesucht und Galtvieh gilt Jungvieh, das noch keine Milch auf anderen Alpen stellte und noch immer stellt: gehandelt von Trödlern ... gibt. Betrieb und Unterhalt so vieler Gebäude wäh­ Die allgemein deutlich verbesserten Wohn- und Die Kuhrechte der einzelnen Genossenschaf­ rend verhältnismässig sehr kurzer Zeit sind ei­ Arbeitsverhältnisse auf der Alp werden ergänzt ter, die im Seybuch verurkundet sind, können gentlich mit einer rationellen Bewirtschaftung durch eine vielseitigere Verpflegung. Bestand vererbt, verkauft oder verpachtet werden. Noch nur schwer zu vereinbaren. Das ist denn auch diese früher, abgesehen etwa von Brot und

138 Kartoffeln, fast ausschliesslich aus den im Alp­ treffenden Ruinen von Hütten, die mit einge­ fallen, de­nen überhaupt kein Ertrag gegenüber betrieb anfallenden Milchprodukten wie Käse, stürzten Dächern und zerfallendem Mauerwerk steht. Schuld an dieser Zwangslage haben u.a. Butter und Ziger, so unterscheidet sie sich heu­ nicht gerade eine Zierde der Alp bilden. gesetz­liche Vorschriften, die eine Umnutzung te nur noch unwesentlich von den Verpflegungs­ und einen Ausbau von Alphütten, z.B. in Ferien­ gewohnheiten im Tal. Möglich wurden all diese Zum Verständnis dieses unerfreulichen Zustan­ häuschen, nur unter sehr einschränkenden Be­ vorteilhaften Veränderungen durch die bessere des mag folgendes dienen: Es kann durch ver­ dingungen gestatten. So problematisch eine zu Erschliessung der Alp und die Motorisierung, schiedene Umstände der Fall eintreten, dass weit gehende Lockerung der Bestimmungen die einen mehr oder weniger problemlosen Zu­ eine Alphütte nicht mehr gebraucht wird. Dabei über Natur-, Heimat- und Landschaftsschutz gang zu allen Stafeln gewährleistet. kommt der Besitzer in die unangenehme Lage, ist, so vorteilhaft könnte sie sich in vielen Fällen entscheiden zu müssen, was mit dem Gebäude aber auch auswirken auf eine vernünftige weite­ Im Zusammenhang mit dem Ausbau und viel­ nun geschehen soll. Auch wenn Aussenstehen­ re Nutzung von alpwirtschaftlichen Gebäuden, leicht einer zukünftigen, gemeinsamen Nutzung de begreiflicherweise an einer zerfallenden Hüt­ die sonst dem Verfall preisgegeben sind. Einem von weniger, aber besser eingerichteten Alp­ te wenig Gefallen finden, gilt es zu berücksich­ Landwirt, der vielleicht ein halbes Dutzend Alp­ hütten sei hier noch auf ein Ärgernis eingegan­ tigen, dass dem Eigentümer kaum zugemutet hütten und weitere Gebäude im Tal zu unterhal­ gen, über das Bergwanderer gelegentlich den werden kann, eine nicht mehr benötigte Hütte ten hat, kann kaum verübelt werden, dass er Kopf schütteln. Es betrifft die da und dort anzu­ weiterhin zu unterhalten, weil dabei Kosten an­ sich nicht mehr um die eine kümmert, für die er aus betrieblichen Gründen keine Verwendung mehr hat, sie aber nicht verkaufen oder umnut­ zen darf.

Der Alpsommer Die Alpzeit richtet sich naturgemäss nach dem Wetter. Der Beginn ist abhängig von der Schnee­ menge des vergangenen Winters, der Schnee­ schmelze und der Sonneneinstrahlung, die zu­ sammen den Graswuchs entscheidend beein­- flussen. Im Grossen und Ganzen dauert sie von Mitte Juni bis Mitte September, durchschnittlich also 90 Tage. Diese verteilen sich auf 10 –14 Tage Usweid / Einewang, 14 Tage Greesgi / Mittlisten und 5 Wochen Ober Stafel / Rinder­ biel / Gummi. Auf der Rückkehr ins Tal oder Vorsass dauert die Weide im 2. Stafel ungefähr 3 Wochen und im untersten Stafel wieder 10 – 14 Tage.

Während der Alpzeit besteht, besonders im obersten Stafel, immer die Gefahr eines Wetter­ umsturzes mit Schneefall und grosser Kälte. Inneres einer Sennhütte vor 200 Jahren nach einem Aquarell von S. Freudenberger. Viele Geräte werden noch heute gebraucht. Das kann dazu führen, dass das Vieh nicht

139 mehr auf die Weide getrieben werden kann und Für die beiden oberen Stafel muss das Holz Trotz der Waldarmut bereitet zum Glück die mit Heu gefüttert werden muss, bis der som­ heraufgeführt werden, da dieses Gebiet völlig Wasserversorgung in den verschiedenen Sta­ merliche Wintereinbruch wieder besserem Wet­ entwaldet ist. Schuld an diesem bedenklichen feln keine besonderen Schwierigkeiten. Quell­ ter Platz gemacht hat. Dienten früher günstig Zu­stand tragen die rücksichtslosen Kahlschlä­ wasser ist im Normalfall, d.h. ohne extreme gelegene Plätze oder dem Vieh unzugängliche ge, mit denen unsere Vorfahren die Alpweiden Trockenheitsperioden, genügend vorhanden, Wildheumäder dazu, einen Heuvorrat für Not­ auf Kosten des Waldes vergrössert haben. Mit­ da die Quellen wohl etwas zurückgehen kön­ fälle anzulegen, so ist dies heute nicht mehr schuldig ist wohl auch die vor Jahrhunderten nen, aber nie ganz versiegen. Prekär ist die üblich. Einmal erlaubt die nicht nur durch die praktizierte Milchzuckerherstellung, bei der die Lage einzig im Gummi, wo ein Reservoir für Tätigkeit auf der Alp in Anspruch genommene Schotte tagelang gesotten wurde, bis sie zu einen genügenden Vorrat sorgt, weil eine zu­ Arbeitskraft des Landwirts nur noch in den sel­ Zucker eindickte. Es liegt auf der Hand, dass verlässige Quelle fehlt. tensten Fällen die schwere und zeitraubende, dies Unmengen von Holz verschlang. ohne Maschinenhilfe zu leistende Wildheuerei, Viel Arbeit zum andern kann heute auf der Planalp be­ Da es lange an Kenntnissen über die Rolle des Die Arbeit auf der Alp ist trotz verbesserter Er­ quem Heu vom Tal heraufgebracht werden, da Waldes im Naturhaushalt mangelte, unterblie­ schliessung, erleichterter Holzbeschaffung und seit kurzem auch Rinderbiel und Gummi mit ben gezielte Aufforstungen, und der in höheren der verschwundenen Wildheuerei nicht einfa­ einem Weg erschlossen sind, der mit gelände­ Lagen ohnehin spärliche natürliche Aufwuchs cher und schon gar nicht leichter geworden. gängigen Fahrzeugen befahren werden kann, litt besonders unter den Ziegen, von denen es Schon vor dem Alpaufzug nimmt das Erstellen und der Ober Stafel von der Rothornbahn ver­ in der Kirchgemeinde Brienz um 1815 gegen der Zäune viel Zeit in Anspruch, ebenso der sorgt wird. 2000 Stück gegeben haben soll. «Obschon Un­terhalt der von Schnee und Lawinen in Mit­ sie», wie der Ringgenberger Pfarrer Nöthiger leidenschaft gezogenen Wege und die Instand­ Wenig Wald berichtet, «in Feld und Wald grossen Schaden stellung von Wasserleitungen und Tränkestellen. Nicht mehr so arbeitsintensiv wie früher ist die anrichten, muss man die Ziegen dulden, denn Die für die Senntümer vorgeschriebene Wärch­ Versorgung mit Holz; dies dank der Kettensäge mit ihrer Milch, mit Käse und Fleisch stellen sie pflicht beträgt für die Usweid 1 Stunde pro Kuh, und den erwähnten guten Transportmöglich­ die wichtigste und oft fast einzige Nahrung der für die Planalp 5 Stunden. Vergütet wird pro keiten, die auf der Planalp ganz besonders ins Armen dar.» Um die gleiche Zeit beklagt der Stunde eine nicht viel mehr als symbolische Gewicht fallen. oberländische Forstmeister Kasthofer auch das Entschädigung von 70 Rappen! Für einen Hal­ Absinken der Waldgrenze, die damals auf der ter mit 20 Kühen, die in der Usweid und Planalp An eigenem Wald, der den heutigen Bedarf an Planalp nur noch bei 1560 m lag, wobei der geetzt werden, ergibt sich ein Wärchsoll von Brenn- und Nutzholz zu decken vermag, besitzt Wald den Namen kaum mehr verdiente, da er 120 Stunden, für die er Fr. 84.– bezieht. die Bergschaft folgende Parzellen: bloss noch aus kaum zehn Fuss hohen Tänn­ chen bestand. Nach Kasthofers Beobachtun­ Auch während der Alpzeit wird für die Pflege – den Untern Wald, einen schmalen Streifen gen reichte der Wald auf der Planalp einst über der Weiden gesorgt. In Hüttennähe wird der im südlich der Usweid; 1800 m hinauf. Oberhalb von Rinderbiel und Stall anfallende Mist verteilt und Wert gelegt auf – ein Waldstück, das die Usweid von Einewang Gummi, bis fast in die Chruteren fanden sich die Bekämpfung der besonders in den Lägern trennt; noch Spuren von Wurzelwerk und Stöcken mit üppig wuchernden Alpunkräuter, von denen be­ – einen Teil des Blattenwaldes (ohne Namen einem Durchmesser von einem Schuh! Bei sonders Hundsbrägel (Alpenkreuzkraut), Brenn­ auf der Landeskarte), der von der Rotschalp Chüemad sollen die Alphütten einst bedeutend nesseln und Blacken an stickstoffgedüngten eingetauscht wurde gegen die erwähnten höher gelegen haben; mit dem Sinken der Plätzen massenhaft gedeihen. Das Ausstechen Weiderechte im Vorsommer. Waldgrenze wurden sie nach unten versetzt, dieser, den Wuchs von wertvollen Futterkräu­ damit man leichter an das nötige Holz kam. tern beeinträchtigenden Pflanzen gehörte einst

140 zu den Pflichten der Hüterbuben, denen so die Das Weidevieh wird nicht mehr überwacht; die che die Herstellung von Käse, Butter und Ziger Arbeit nie ausging. einst unabdinglichen Hüterbuben wurden er­ erfordert. Diese verklärte Sicht stimmt nur in setzt durch Stacheldraht und Elektrozäune, dem Punkt, dass die Milch noch immer – aber Zu den für das Vieh nicht bekömmlichen, leicht zum Teil betrieben mit Solarenergie. Die Sicher­ nicht überall! – auf der Alp verarbeitet wird. giftigen Pflanzen gehören auch der Germer und heit scheint auch so nicht zu leiden; Abstürze Über die Verwertung, die sich seit Jahrhunder­ der schöne, oft fast mannshohe Gelbe Enzian, von Vieh nach Versteigen in ausgesetztem Ge­ ten nur wenig geändert hat, gibt die nachste­ der auf kalkreichen Böden, wie im Rothornge­ lände sind nicht häufiger geworden als früher, hende schematische Darstellung Auskunft, wo­ biet die Regel, massenhaft vorkommt. Aus den und gegen Verluste bei Unwettern oder Stein­ bei die bald unabsehbare Produktepalette der fast armdicken Wurzelstöcken, die ausgegra­ schlag, ausgelöst gelegentlich durch Stein­ modernen industriellen Milchverarbeitung nicht ben, zer­stampft und vergoren wurden, brann­ böcke, wären auch Hüterbuben machtlos. Die berücksichtigt ist. ten die Sammler den bekannten «Jänzener», zum Glück seltenen Schadenfälle treffen den der gegen Magenbeschwerden helfen sollte. Besitzer eines verunfallten Tieres in jedem Fall Der traditionelle Alpbetrieb, wie er jahrhunder­ Heute verbietet das kantonale Pflanzen- und hart, da die Viehversicherung in der Regel nur telang und bis vor kurzem auch auf der Planalp Naturschutzgesetz diese alkoholische Nutzung etwa 70% des Marktwertes deckt. vorherrschte, stellte als wichtigstes Erzeugnis des auffälligen Weideunkrauts. Käse her. Gerade die Gegend von Brienz liefer­ Von Milch und Käse te seit jeher einen ausgezeichneten Bergkäse, Bei der Pflege der Alpweiden hilft gelegentlich Landläufige Vorstellungen, nicht zuletzt auf ro­ der bis nach Italien ausgeführt wurde und von auch die Schule mit, was über die willkommene mantisch-sentimentalen Volksliedern fussend, grosser wirtschaftlicher Bedeutung war. Ob al­ und nützliche Hilfe hinaus den Schülern einen ver­binden das Älplerleben mit einem freien, un­ lerdings der Name «Sbrinz», wie etwa behaup­ wertvollen Einblick verschafft in die den meis­ gebundenen Schönwetter-Dasein, das höchs­ tet wird, tatsächlich auf Brienz zurückzuführen ten fast unbekannte Alpwirtschaft. tens unterbrochen wird durch die Arbeit, wel­ ist, bleibt umstritten.

Stark abgenommen gegenüber früher hat das auf den Alpen beschäftigte Personal. Wenn einst Senn, Hirt, Zuhirt und Hüterbuben die Arbeit unter sich aufteilten, wird diese, in Hin­ sicht auf Kosteneinsparungen, im Extremfall nur noch von einem Mann erledigt. Dank der Erschliessung der verschiedenen Stafel durch Motorfahrzeuge ist es sogar möglich, den Alp­ betrieb gewissermassen vom Tal aus zu bewäl­ tigen. Das ist zwar rationell, bedeutet aber für den Betriebsinhaber eine gewaltige, ja, fast un­ zumutbare Belastung, zusätzlich zu den im Tal anfallenden Arbeiten im Sommer.

Einige Erleichterung verschaffen die mit Benzin­ motoren betriebenen Melkmaschinen, die einen

Ein-Mann-Betrieb erst möglich machen. Schema nach F. Michel: Wirtschaftliche und rechtliche Verhältnisse der drei Brienzer Alpgenossenschaften Axalp, Hinterburg und Tschingelfeld.

141 Albert Thöni: Der Mutschler erheischt sorgfältige Pflege. Nur peinliche Sauberkeit verbürgt guten Käse.

Alpkäserei vom Feuer weggezogen und die Labflüssigkeit des Sennen entsprechen. Ist das der Fall, Da die herkömmliche Alpsennerei auf vielen Al­ beigemischt, die das Verfestigen, bezw. das kommt das Kessi vom Feuer, und der Inhalt pen am Verschwinden ist, mag hier eine kurze Eindicken der Milch bewirkt. Sie verändert sich wird nochmals eine Weile von Hand weiterge­ Darstellung am Platze sein, wie Alpkäse ge­ nach einer guten Viertelstunde zu «Schluck». rührt. Durch die kreisende Bewegung erfolgt wonnen wird und welche Nebenprodukte dabei Mit einer breiten Kelle schöpft der Senn nun ein Absinken der Käsemasse auf den Grund. anfallen. schichtweise «Schluck» von der einen Seite des Nun presst der Käser diese Masse vorsichtig zu Kessis auf die andere, was zu einer Umwälzung einem Klumpen zusammen und hebt sie mit In der Regel, d.h. wenn nicht Vollfettkäse herge­ der Masse führt. Anschliessend wird diese mit dem Kästuch möglichst in einem Gang aus der stellt werden soll, wird die am Abend gemolke­ dem «Brächer», der meist aus einem jungen Syrte, um sie dann in die «Fätteren» zu legen, ne Milch in Gebsen geleert, am Morgen abge­ Tännchen hergestellt wird, zerstossen und ge­ ein niedriges rundes Holzgefäss mit Löchern, rahmt und zusammen mit der frisch gemolkenen rührt und von Zeit zu Zeit die Feinheit des das dem Käse die Form verleiht und die rest­ Morgenmilch ins Käskessi geschüttet. Nachher Bruchs geprüft. Bei dieser Zerkleinerung des liche Syrte ablaufen lässt. Durch mehrmaliges erfolgt die gleichmässige Erwärmung unter ste­ Schlucks scheiden sich Käsemasse und die Umdrehen und sorgfältiges Pressen fliesst wei­ tem Rühren über einem schwachen Feuer, bis grünlich-klare «Syrte». Findet der Käser die ter Flüssigkeit ab, und nach ein paar Stunden die nötige Temperatur erreicht ist. Zur Kontrolle Körnung in Ordnung, wird nach einer kurzen kann der verfestigte Käse aus der Form ge­ braucht der Senn ein Thermometer, wenn er Pause die in der «Syrte» schwimmende Käse­ nommen und später in den Speicher gebracht sich nicht auf sein Gefühl, entweder auf die masse nochmals langsam erwärmt und dabei werden. Die solcherart hergestellten Laibe er­ Hand- oder die Ellenbogenprobe, verlassen mit dem Brecher umgerührt, bis die Käsekörner geben den bekannten «Mutschler». will. Stimmt die Temperatur, so wird das Kessi der Vorstellung oder einer allfälligen Kostprobe

142 Järbkäse kommt nicht in die Fätteren, sondern allerdings noch andere Faktoren eine wichtige sen im Kessi verbleibende Käsmilch oder Syrte zur Formgebung in hölzerne Reifen, und die Rolle, so die verschiedenen Futtergräser, die scheidet nach Beimischung von «Achis», einer Käsemasse wird mit Steinen beschwert. Mit Witterung, der Gesundheitszustand der Kühe Art Scheideessig, Ziger aus, der zu Stöcken ge­ dem Käsen ist die Arbeit des Sennen noch und weitere, oft unbekannte Einflüsse; sie alle formt wird und nicht nur dem Alppersonal als nicht abgeschlossen; zur Pflege und Reifung können die Güte eines Käses im Guten und Speise dient, sondern süss, gesalzen und ge­ gehören das alle zwei Tage nötige Wenden des Schlechten beeinflussen. räuchert viele Liebhaber findet. Käselaibes im Speicher, das Waschen und Sal­ zen. Diese Tätigkeiten verbürgen erst eine gute Nicht unerwähnt seien die bei der Käserei an­ Vielerorts diente die Syrte, die noch wertvolle Qualität, und umgekehrt erleidet auch ein sorg­ fallenden Nebenprodukte: Bei der üblichen Nährstoffe enthält, als Schweinefutter, ebenso fältig hergestellter Käse durch mangelhafte Herstellung von dreiviertelfettem Käse wird die die nach dem Zigern übrig bleibende Schotte Pflege eine bedeutende Qualitätsverminde­ Abendmilch am Morgen abgerahmt und die (Molke), die, wie schon erwähnt, früher etwa zur rung. Neben dem Geschick des Käsers spielen «Nidle» zu Butter verarbeitet. Die nach dem Kä­ Gewinnung von Milchzucker verwendet wurde. Warme Schotte diente aber auch medizini­ schen Zwecken; Molkenkuren wurden bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts z.B. auch in Interla­ ken angeboten. Milch und ihre Produkte liefern aber nicht den einzigen und aus­schliesslichen Alp­ertrag. Ebenso wichtig, wenn auch weniger handgreiflich, ist der Mehrwert von gealptem Jungvieh und Schweinen. Neben ge­sund­heit­ lichen Vorteilen verdienen sie das Prädikat «Aus biologischer Haltung», auch wenn sie vielleicht nicht ganz alle Voraussetzungen erfüllen, die für diese Auszeichnung verlangt werden.

Alpwirtschaft im Wandel Aus den bisherigen Ausführungen geht klar Traditionelle Geräte, wie sie unter verschiedenen Namen in der Alpwirt- hervor, dass die traditionelle Alpwirtschaft stets schaft noch heute verwendet werden: mit grossem Arbeitsaufwand verbunden war A Mälchstuel B Mälchterli und noch ist. Arbeitszeiten von täglich 15 Stun­ C Bränten den und mehr waren durchaus üblich, wenn D Vollen man die Fülle von Verrichtungen bedenkt: Vieh F Chäschessi am Turner K Zigerfischellen zusammentreiben, Melken, Käsen, Reinigen L Brächer von Stall und Milchgeschirr, Käse zum Speicher N Gebsen P Schluckchellen tragen, Salzen und Pflegen, Mist austragen, Q Achisbränten Holzen u.a.m. Teilten sich bis noch vor wenigen R Järb S Gooni (auch M) Jahren mehrere Personen in diese Arbeiten, so U Mälchteren sind es heute wegen Personalmangels und

nach Beschreibung von J.J. Scheuch- Rentabilitätsüberlegungen, die zur Rationalisie­ zer anfangs 18. Jahrhundert. rung zwin­gen, immer weniger.

143 Das gilt auch für die Planalp, wo sich die Älple­ Einige Alpgenossen stellen noch eine be­ verhältnismässig einfach ins Tal zu bringen. Ob rei gründlich verändert hat. Ein Teil der Milch schränkte Menge Käse her für den Eigenbedarf unter diesen Umständen die althergebrachte wird nicht mehr auf der Alp verarbeitet, sondern und für den Verkauf ab Hof an langjährige Alpkäserei überleben kann, muss sich zeigen. nach Brienz in die Hofkühlanlagen gebracht, Kunden. Der Erlös, der gegenwärtig ungefähr Traditionen haben allerdings ein zähes Leben; wo sie jeden zweiten Tag von einer Grossmol­ Fr. 20.– pro Kilo beträgt, deckt kaum alle Kos­ das gibt Anlass zur Hoffnung, dass die seit kerei ab­geholt und dem Konsum oder der in­ ten, gemessen am Arbeitsaufwand, den Inves­ Jahrhunderten praktizierte Milchverarbeitung dustriellen Verwertung zugeführt wird. Senntü­ titionen und anderen Unkosten. Das dürfte ein auf der Planalp wenigstens teilweise erhalten mer, welche alle Sommermilch verkäsen, bilden weiterer Grund sein für den Rückgang der bleibt. heute eine Ausnahme, ebenso fast verschwun­ Käseherstellung auf der Plan­alp und an ande­ den ist die Gewinnung von Butter und Ziger. ren Orten, wo die Möglichkeit be­steht, die Milch

Planalp

144 Sbrinz – Sbrienz – Brienz?

Peter Michel

Aus der umfangreichen Untersuchung, die Dr. nach Brienz brachten, ihn dort von Brienzern gelobt und von den Italjänern Alfred G. Roth, Burgdorf, auf Wunsch der verpacken (tertschen) liessen und Säumer ihn genannt seyndt) werden mit ansehenlichem Schweizerischen Käseunion über das Alter und dann über die Grimsel-Gries-Route nach Italien Gwünn über das Gebürg verkaufft.» Und gleich die Herkunft des Hartkäses Sbrinz gemacht auf den Markt brachten. ergänzt er: «die Underwaldner Käss, die man in hat, leitet er ganz klar seine Meinung ab, dass Weltschenlanden auch Priensskäss heisset.» die Käsebezeichnung «Sbrinz» mit dem Ortsna­ Dann zitiert Roth den Luzerner Chronisten J.L. men Brienz in Verbindung gebracht werden Cysat, der 1645 in seiner Schrift über Nidwal­ Der Zürcher Johann Jakob Scheuchzer, der müsse. den notiert hat: «Von der Vychzucht und Mol­ erste Erforscher des schweizerischen Hochge­ chen habend die Innwohner grossen Nutzen. birges, brachte 1706 den offenbar weit herum Er stellt zunächst einmal fest, dass das Wort, Vil jhres Vychs und Käss (welche insonders bekannten «Priensskäss» ausdrücklich mit dem das «Sbrinz» geschrieben wird, in den Fachkrei­ sen mehrheitlich «Sbrienz» (wie der Ortsname Brienz) ausgesprochen wird.

Folgende Angaben entnehmen wir Roths Mo­ nographie:

Er hat im Bernischen Staatsarchiv Quellen ge­ funden, die besagen, dass schon im 16. Jahr­ hundert im Käsehandel Bezeichnungen wie «Ämmenthaler», «Brientzerkäss», «Sahnerkäs» und «Underwaldner» gebraucht wurden. Wir er­ sehen daraus, dass der Käse offenbar schon vor 400 und mehr Jahren nach seiner Herkunft bezeichnet wurde.

Sehr interessant ist ein Bericht aus dem Jahr 1533, auf den Roth im Staatsarchiv gestossen ist: «Es sigend ettlich von Underwalden mit vilen käsen (gekommen), die sy gan Brientz ge­ fertiget, und denen von Brientz befolchen, Inen dieselbigen ze tertschen. Da sprachen die von Brientz, wie bringend Ir die käs so spat? sy mö­ gend nit mer ze merkt kommen.» Roth folgert Säumer mit zwei Pferden, das links mit Weinfässern und Futter, das rechts mit Käse beladen. aus dieser Notiz, dass Unterwaldner ihren Käse Radierung von Johann Adam Klein, 1844. Stiftung Roth, Burgdorf.

145 Ort Brienz in Verbindung. Roth zitiert aus seiner Auch L.W. Medicus bestätigte 1795: «Aller har­ Kenner der Käseszene» klar zu sein – und ist es in lateinischer Sprache abgefassten Arbeit wie te Käs, der über die Alpen verführt wird, hat in doch nicht eindeutig. Namhafte Romanisten folgt: «Brienz selbst, Ort am gleichnamigen See ganz Italien den allgemeinen Namen von Brienz (Dr. A. Schorta und Prof. Dr. J. Hubschmid) gelegen, gibt den Namen auch dem Brienzer und zwar der Haslithaler, Grindelwaldner und bringen «Sbrinz» mit dem italienischen Wort Käse, welcher allerdings aus dem ganzen Has­ anderer inbegriffen.» «sbrinzo» in Verbindung. Mit diesem Begriff lital nach Brienz zusammengeführt und dann wird in lombardischen Dialekten Hartkäse be­ weiter nach äusseren Orten exportiert wird.» In seiner Arbeit «Auf den Spuren des Käses zeichnet. nach dem Süden» schreibt Quirinus Reichen In einem Reisebericht stellte P.W. Gercken 1989: «Erst im 16. und 17. Jahrhundert setzt Man erinnert sich: Vor einigen Jahren wollte die 1779/83 fest, dass ausser dem Schabziger sich der Lab-Hartkäse in den Hirtenländern auf Käseunion dem Sbrinz aus Marketinggründen noch berühmt seien «die Schweizerkäse aus der Nord­abdachung der Schweizer Alpen unbedingt eine klar bezeichnete Heimat geben. dem Emmenthal im Canton Bern, und die von durch. Der Export dieses Käses nach Süden Die Planalp war da auch im Gespräch, aber Briems daselbst, vorzüglich der Urselerkäse.» bringt ein wenig Wohlstand in die Berggebiete. schliesslich hat eine Alp im Pilatusgebiet das Ganz wichtig ist aber doch das Zeugnis von Jo­ Der Export ist es auch, der dem besonders Rennen gemacht. Deshalb gibt es dort jetzt hann Rudolf Nöthiger, der als Pfarrer 13 Jahre harten Schweizer Käse aus der Innerschweiz wohl eine Sbrinzalp, und man wird interessier­ lang in Ringgenberg gewirkt hat. Er schrieb um und dem Berner Oberland den Namen gab: Die ten Besuchern zeigen, wo und wie der Sbrinz 1780: «Die Käse des hiesigen samtlichen Ober­ Laibe wurden vor der Überquerung der Pässe gemacht wird. landes sind alle unter dem Namen Brienzerkäse in Brienz gesammelt; noch heute klingt dieser bekannt, weil ihre Ablage zu Brienz ist, woselbst Name in der Bezeichnung Sbrinz an.» Zum Schluss sei noch ausdrücklich vermerkt, sie ausgeschiffet und von da weiters verführt dass bei uns für den einheimischen Bergkäse werden.» War also Brienz die Sammel- und Versandzen­ nie die Bezeichnung Sbrinz verwendet worden tralstelle für Käse aus Teilen des Oberlandes ist. Seit jeher gab es bei uns den Rotschalper, Der Schrift «Alt Tracht Brienz» von Ernst Buri und der Innerschweiz und hat als solche dem den Planalper, den Axalper, den Tschingelfel­ entnehmen wir, dass der Grosskaufmann Falci­ gehandelten Käse seinen Namen gegeben? der, den Tieffenthaler usw. Und so wird es hof­ no um 1750 oftmals grosse Warensendungen – Die Sache scheint für Roth und viele andere fentlich bleiben. aus dem Süden herschaffte und dafür bedeu­ tende Käsemengen zu Tracht einlagerte. Er be­ schwerte sich über den Sustmeister und Taver­ nenwirt, weil dieser das Lager nicht fachgemäss betreue. Er lagere die Käselaibe oft wochenlang wie Kalksteine übereinander, wodurch erheb­ licher Schaden erwachse. – Wo «bedeutende Käsemengen» eingelagert werden konnten, vernehmen wir aus einem Inventar über die Grossanlage Tracht aus dem Jahr 1851: Da gab es neben dem Gasthof zum Kreuz und den Wohngebäuden «eine Scheuer zunächst da­ bei» und eine zusätzliche Scheuer auf dem Fluhberg. Hospice de la Grimsel.

146 Wie Brienz zum Schnitzlerdorf wurde

Max Gygax

Vor dem Aufkommen eines eigentlichen Frem­ se im Oberland verbessert werden könnten. denverkehrs lebte in vielen Gegenden des Ber­ 1824 legte er der Ökonomischen Gesellschaft ner Oberlandes ein grosser Teil der Bevölke­ eine Schrift vor, worin er die Haltung von «Ca­ rung in wirtschaftlicher Not, ja bitterer Armut. schemir-Ziegen» anregte. Diese Tiere, die in Betroffen war vor allem das Amt Interlaken, wo Frankreich und Deutschland schon bekannt Bettler scharenweise Almosen heischten. Zur waren, sollten auch in unseren Bergen gut Erntezeit suchten sie das Unterland heim und gedeihen, da sie ur­sprünglich aus den Hoch­ verlangten Geld und Nahrung, oft gestützt auf gebirgen des Tibets stammten und an harte einen Ar­mutsschein, der ihnen von der Ge­ Lebensbedingungen gewöhnt seien. Der Ertrag meinde ausgestellt worden war. ihrer feinen Haare, aus welchen die feinsten und kostbarsten Stoffe verfertigt würden, könnte Die Regierung suchte die sozialen Übelstände eine neue Erwerbsquelle für die Bergbevölke­ zu mildern und setzte dabei vor allem auf neue rung eröffnen. – Kasthofer liess es nicht bei der Verdienstmöglichkeiten. Unterstützt wurde sie Denkschrift bewenden, sondern konnte die in ihren Bemühungen von der Ökonomischen Regierung in Bern dazu bewegen, mehrere Ge­sellschaft, die sich eine Verbesserung der Ziegen und einen Bock zu kaufen. Die Tibet- Landwirtschaft zum Ziele gesetzt hatte, und Ziegen wurden nach Unterseen gebracht und vom Commerzienrat, der Handwerk, Industrie Kasthofer anvertraut, der sie in einem grossen und Gewerbe zu fördern suchte. Gehege am Abendberg weiden liess. Obschon sie sich gut vermehrten und Kasthofer sie auf Dabei kam es auch zu ziemlich ausgefallenen dem Markt unter die Leute zu bringen suchte, Handbrentchen (Simmental, 2. Häfte 18. Jahrhundert) Vorschlägen und Versuchen, wie ein paar Bei­ nahm das mit grossen Erwartungen begonne­ spiele zeigen mögen. Ansprechenden Erfolg ne Experiment bald ein Ende; von einer indust­ und Schnitzen von hölzernen Gegenständen im hatte die Einführung der Klöppelei, die sich an riellen Verwertung des «kostbaren Flaums der Alpengebiet seit jeher einen bevorzugten Platz einigen Orten bis heute gehalten hat. Weniger Caschemirziegen», von der der menschen­ ein. Viele Erzeugnisse dieser uralten Sennen­ bewährte sich die Zucht von Seidenraupen und freundliche Forstmeister geträumt hatte, war kultur, wie verzierte Brenten, Melchtern, Milch­ die damit verbundene Seidenspinnerei; beides keine Rede mehr. geschirre, Buttermodel, Wetzsteinfässer, Melk­ vermochte sich nicht durchzusetzen. stühle u.a. zeugen von grosser handwerklicher Neue Arbeitsplätze Fertigkeit und auch künstlerischem Empfinden. Nur mässigen Anklang fand auch ein Versuch Als erfolgreich und im Gegensatz zu den er­ Die meist in Kerbschnitztechnik ausgeführten des oberländischen Forstmeisters Kasthofer, wähnten Versuchen dauernde neue Erwerbs­ Arbeiten dienten vor allem dem Eigenbedarf der durch seine Tätigkeit mit dem armseligen quelle erwies sich um diese Zeit einzig das oder gingen an Auftraggeber im bäuerlichen Leben der Bergbevölkerung bestens vertraut Schnitzlerhandwerk. Das ist sicher kein Zufall, Umfeld, an Bekannte oder Nachbarn. Sie wur­ war. Als idealgesinnter Menschenfreund mach­ denn unter den vielen Möglichkeiten gestalteri­ den nicht in Massen hergestellt; es fehlte ein te er sich Gedanken, wie die Lebensverhältnis­ scher Ausdrucksformen nahm das Verzieren gesicherter Absatz, und zudem handelte es

147 sich nur um eine Nebenbeschäftigung in der Region typisch und nur hier zu haben war. So kargen Freizeit. Steigender Bedarf an Anden­ berichtet Franz Niklaus König in seinem Buch ken für fremde Besucher schaffte hingegen «Reise in die Alpen» schon vor der ersten Er­ neue Voraussetzungen; einer Ausweitung der wähnung der Brienzer Schnitzler von einem kunsthandwerklichen Betätigung zum eigentli­ geschäftstüchtigen Lauterbrunner, der Löffel chen Beruf stand nun nichts mehr im Wege. geschnitzt habe, um sie den Besuchern des Staubbachs zu verkaufen. Und bekannt war Unterstützung vom Staat erfuhr die Holzbear­ bereits um 1800 Rubis Stockfabrik in Aarmühle, beitung übrigens schon gegen das Ende des wo mit einer eisernen Spitze versehene und 18. Jahrhunderts und zwar aus ganz profanen oben mit einem Gemshorn geschmückte Gründen. Jahr für Jahr flossen nämlich damals Alpenstöcke hergestellt wurden, die für einen 15 000 Pfund in den Schwarzwald für dort her­ Bergwanderer als unentbehrlich galten. gestellte Holzwaren. Um dieses Geld im Land zu behalten und dabei erst noch die eigenen So lag es denn durchaus nahe, dass auch in Bürger zu beschäftigen, erachteten es die Gnä- Brienz, wo sich nach der Jahrhundertwende digen Herren zu Bern als vorteilhaft und nütz­ der Giessbach immer mehr zu einem Anzie­ lich, einen geschickten Holzdruckenmacher hungspunkt entwickelte, versucht wurde, aus aus jener Gegend samt seinen Werkzeugen dem Verkauf von Reiseandenken Nutzen zu kommen zu lassen, «damit er jungen Leuten, ziehen. Diese neue Verdienstmöglichkeit er­ die nur den Sommer hindurch arbeiten, im Win­ kannt und daraus die naheliegenden Schlüsse ter aber brach liegen, die Kunst, hölzerne Dru­ gezogen zu haben, ist das grosse Verdienst von cken, Kellen, Siebe, Blasbälge, Mäusefallen, Christian Fischer (1789 –1848). Er hat die Holz­ Weinhahnen u.s.f. zu verfertigen, lehre. Um un­ schnitzerei nicht eigentlich gegründet, wohl serem Lande diesen Gewinn zu sichern, wür­ Erste Figuren von Christian Fischer. aber ihre gewerbliche Ausübung in die Wege den sich M.G.H. geneigt finden, den herbe­ geleitet, sie zum Beruf für sich und andere schiedenen Schwarzwälder zu unterstützen.» Christian Fischers Pionierrolle gemacht. Mit eigentlicher Schnitzerei hatte das noch Der Landvogt von Interlaken ergriff die Gele­ wenig zu tun; hergestellt wurden Gegenstände Zeitgenossen schildern Fischer als unauffälli­ genheit beim Schopf, was in Anbetracht der des täglichen Bedarfs, die gelegentlich wohl gen Mann, der gelegentlich Tabakspfeifen aus Beschäftigungslosigkeit und der Armut in sei­ mit einigen Verzierungen versehen waren. Da­ Buchsbaum und Horn verfertigte und in recht nem Amtsbezirk sehr verständlich war. Unter mit wurde an die alte Sennentradition ange­ bescheidenen Verhältnissen lebte. Es herrschte der Leitung eines Meisters aus dem Schwarz­ knüpft, die aber nun mit dem Einsetzen des damals vor allem unter der nicht bäuerlichen wald wurden ein paar junge Leute in dem neu­ noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts unbe­ Bevölkerung im Dorf viel Armut, die sich 1816 en Handwerk ausgebildet. Der Betrieb liess deutenden Fremdenverkehrs eine ganz neue noch verschärfte, weil monatelange Regenfälle sich gut an, jedenfalls wurde die Einfuhr von Ausrichtung erfuhr. Die von den Naturschön­ und Schnee bis in den See überall katastropha­ «Holzdrucken» bald verboten, weil die einheimi­ heiten und Merkwürdigkeiten ins Berner Ober­ le Missernten zur Folge hatten. Kartoffeln und sche Produktion nachweisbar den Bedarf zu land gelockten Fremden, meist wohlhabende Getreide verfaulten auf den Äckern, und viele decken vermochte. Leute, nahmen gerne etwas mit heim, was sie Leute litten Hunger, da der Kauf von Lebens­ an die besuchte Gegend erinnerte, sei es eine mitteln fast unerschwinglich wurde. Diese Not Abbildung oder einen Gegenstand, der für die mag mit dazu beigetragen haben, dass Fischer

148 sich nach einem sicheren Einkommen umsah Bernischen Industrieausstellung 1830 für «drei schnitzerei zu fördern, keinen besonderen und dieses mit dem Verkauf von Reiseanden­ Gefässe ausgezeichneter Schönheit» einen Dank; er starb in ärmlichen Verhältnissen. Erst ken an die Fremden zu finden hoffte. Um 1818 Preis in Form einer Silbermedaille und dazu 1923 erfuhr er die ihm zukommende Ehrung fing er an, Eierbecher, Serviettenringe und Do­ noch vier Dukaten in Gold. Seine kunst- und durch den «Fischerbrunnen», ein Werk des sen zu drehen, die er mit Kerbschnitten oder geschmackvoll gearbeiteten Teller und andere Bildhauers Hans Huggler. einfachen Pflanzenornamenten verzierte. Seine Arbeiten, die bei den Fremden guten Anklang Frau Cat­ha­rina, eine Schwester der «Belle Bate­ fanden, verhalfen ihm bald zu einem gewissen Bald nach dem Beginn der gewerblichen lière» Elisa­­beth Grossmann, bot dann diese Wohlstand und erlaubten ihm sogar den Er­ Schnitzerei, die sich anfänglich vorwiegend auf Holzware beim «Bären», «Kreuz» oder Giess­ werb eines Hauses unter dem Fluhberg. die ornamentale Verzierung von Gebrauchs­ bach den immer zahlreicheren Besuchern an. gegenständen beschränkte, wandten sich ge­ Einen Teil übernahm auch der Schulmeister Ein lohnendes Gewerbe schicktere Schnitzler auch der figürlichen Dar­ Kehrli, der sie den Bewunderern der Giess­ Trotz seiner Dienste als Pionier der Brienzer stellung von Mensch und Tier zu. Sie gestalteten bachfälle verkaufte. Die Ware fand schlanken Holzschnitzerei mass sich Christian Fischer nie Szenen aus dem häuslichen und bäuerlichen und andauernden Absatz und trug sofort we­ die Rolle zu, die wir ihm rückblickend zubilligen. Alltag: den Sennen und die Sennerin mit ihren sentlich zur Verbesserung der Lebensverhält­ Von seinen Mitbürgern, die ihn als Musikanten, Gerätschaften, im Stall beim Vieh, den Gross­ nisse im Dorf bei. Fischer soll auch die Werk­ Instrumentenmacher und Heilkundigen schätz­ vater mit Zipfelmütze und Tabakspfeife und den zeuge, die er für seine Arbeit brauchte, selber ten, erntete er für seine Bemühungen, die Holz­ Nationalhelden Tell. Gemse, Hase, Fuchs, das erdacht und hergestellt haben; insbesondere wird ihm die Erfindung des für die Schnitzlerei wichtigen Geissfusses nachgesagt.

Was Fischer nun zum Bahnbrecher der Brien­ zer Holzschnitzlerei machte, war sein Bestre­ ben, auch andere, vor allem junge Mitbürger für das neue Handwerk zu gewinnen. Er nahm ein paar Schüler in die Lehre und wurde dabei unterstützt von der Berner Regierung, die auch dafür sorgte, einigen Lehrlingen den Besuch der Handwerkerschule in Bern zu ermöglichen. Fischer muss ein ausgezeichneter Meister ge­ wesen sein; Neid war ihm fremd, er freute sich sogar, als einige seiner Schüler ihn bald an Kunstfertigkeit übertrafen.

Das war beispielsweise der Fall bei Caspar Huggler, der 1822 als Sechzehnjähriger in die Lehre trat und bei Christian Fischer sowohl drechseln wie schnitzen lernte. Schon nach wenigen Jahren machte er sich selbständig und erhielt als geschickter Schnitzler an der Melchtal-Gruppe von Johann Huggler, ein Prunktstück aus der besten Zeit der Brienzer Schnitzler.

149 Wildschwein, der Auerhahn und der Adler lie­ Der St. Galler Pfarrer K.L. Thomann schreibt in Es war die Zeit, von der Heinrich Federer ferten die Vorlagen zu mehr oder weniger einer Tagebuchnotiz vom Juli 1858 von einem schrieb: «Die Schnitzerei brachte Brot, ja Reich­ gelungenen Jagdszenen, zu denen sich auch Spaziergang durch Brienz: «Ich hatte nun Gele­ tum ins Dorf, war grosse Mode, und kein Eng­ etwa ein Hund gesellte. Der Bär, zwar nicht genheit, in aller Ruhe die vielen Werkstätten für länder begab sich aus dem Berner Oberland, mehr heimisch in den Brienzer Wäldern, wohl Schnitzereien zu betrachten, die hier in fast je­ ohne den bengalisch beleuchteten, siebenstufi­ aber stets gegenwärtig als Wappentier des dem Hause sich finden. Die schönsten Arbeiten gen Giessbach gesehen, einen fettgebratenen Kantons, muss sich unzählige Darstellungen in Holz und Elfenbein, geschnitzelt oder ge­ Brienzeraal verspeist und eine artige Brienzer gefallen lassen: schreitend auf den Hinterbei­ dreht, stehen in geräumigen Magazinen ausge­ Schnitzlerei erworben zu haben.» nen, auf allen Vieren, auf dem Rücken liegend, stellt, und überall ist eine Wohlhabenheit sicht­ musizierend, Schirme und Aschenbecher hal­ bar, die den Beweis leistet, dass diese Industrie Nicht bestritten sei, dass der Aufschwung auch tend, kurz, er wurde mit der Zeit zum meist ge­ nicht ohne guten Erfolg betrieben wird.» Schattenseiten zeitigte. Leute, die mit den Ver­ schnitzten und verkauften Artikel der Branche hältnissen gut bekannt waren, beklagten den und hält als Reiseandenken wie wohl kein an­ In einem Bericht über die oberländische Holz­ Luxus, der sich mit dem Andrang der Fremden deres die Erinnerung an Brienz wach. schnitzerei bestätigt 10 Jahre später auch der breit mache und den idyllischen Charakter stö­ bernische Kantonsbaumeister Salvisberg die re. Andere wiesen diese Kritik zurück und be­ Die zwei Jahrzehnte zwischen 1850 und 1870 vorteilhaften wirtschaftlichen Auswirkungen auf haupteten, ohne den starken Fremdenverkehr brachten eine vorher und nachher nie wieder Brienz und die gesamte Region: «Der Absatz hätte sich die Schnitzerei nie so gut entwickeln erreichte Blüte des Schnitzlergewerbes. Neben der Arbeiten des Holzschnitzlers ist bedeutend. können, und mancher, der damit sein Brot ver­ einer Menge trefflicher Handwerker stachen Es giebt wohl kein bekanntes Land mehr, in diene, wäre sonst im Müssiggang verkommen. durch kunstvolle Arbeiten die Bildhauer Chris­ dem wir nicht Vieles davon antreffen. Von der Natürlich führte der leichte Verdienst zuweilen tian Fischer (Enkel), Heinrich Gusset, Johann armen Hütte an bis zum glänzenden Palast zu unerfreulichen Erscheinungen, doch litt der Ab­plan­alp und vor allem Andreas Baumann giebt es bald wenige Häuser, welche nicht eint biedere Charakter der Bevölkerung kaum dar­ hervor, der bei der Ornamentenschnitzerei oder anders im Gebrauch haben oder für das unter. neue Wege beschritt. Seine Rosenstücke gal­ Auge aufstellen.» ten als Meisterwerke voll Leben und Bewegung; Im Zusammenhang mit dieser glanzvollen und sie dienten vielen als Vorbild und Muster, wur­ Die Bedeutung des blühenden Gewerbes wird einträglichen Periode der Schnitzerei ergab den oft nachgeahmt, aber nur selten erreicht. unterstrichen durch die Tatsache, dass von den sich eine gewisse Zuspitzung des Verhältnisses ungefähr 2000 Personen, die im Oberland als zwischen der bisher tonangebenden landwirt­ An der Spitze aber stand unstreitig Johann Schnitzler tätig waren, 870 in Brienz wohnten, schaftlichen Bevölkerung und den im Schnitz­ Huggler, ein Mann, der sich weitgehend aus ei­ ohne Schwanden, Hofstetten und Brienzwiler! ereigewerbe Tätigen. Der gute Verdienst mag gener Kraft zu einem der genialsten und ge­ Bei der Annahme eines durchschnittlichen diesen oder jenen gelegentlich dazu verführt schicktesten Figurenschnitzler aufgeschwun­ Tagesverdienstes von Fr. 2.50 und 200 Ar­ haben, mit leichter Überheblichkeit auf die sich gen hatte. Ein allen zu­gängliches Werk aus beitstagen im Jahr flossen jährlich weit über bei Wind und Wetter abrackernden Bauern he­ seiner Hand, ein Scharfschütze in voller Uni­ Fr. 400 000.– ins Dorf - für damals eine gewal­ rabzusehen; zu Zerwürfnissen kam es aber form, mit federgeschmücktem Hut, ziert noch tige Summe. Die Hochkonjunktur schlug sich deswegen nicht, weil Kleinbauern sich häufig heute die strassenseitige Fassade des Hotels auch im Dorfbild nieder. Überall zu Seiten der auch als Nebenerwerb der Schnitzlerei zu­ «Schützen» unter dem Fluhberg. wohl unterhaltenen Dorfstrasse standen schö­ wandten und umgekehrt viele Schnitzler immer ne, neue Häuser, die von einem erfreulichen noch der Landwirtschaft nahe standen. Wohlstand ihrer Bewohner zeugten.

150 Einen Niederschlag des konjunkturbegünstig­ Schreiner. Aus Paris beriefen sie tüchtige Zeich­ ten Selbst­bewusstseins der Schnitzler bildet ner und Modelleure, die den Arbeitern Zeichen­ das bekannte Lied vom «Brienserpuurli», in unterricht erteilten, Geschmack und Kunstsinn dem die auf einer schmalen Existenzgrundlage entwickelten. Das grösste Verdienst der Ge­ beruhende An­spruchs­losigkeit der Bergbäuer­ brüder Wirth aber liegt in der Verbindung der lein mit liebevoller Neckerei bedacht wird. Schnitzerei mit der Möbelfabrikation. Damit wurde das Gewerbe nachhaltig belebt, und vie­ Vermarktung le neue Talente konnten sich entfalten. An den Nur kurz sei noch eingegangen auf die Ver­ Weltausstellungen 1859 und 1867 in London marktung der Erzeugnisse der Brienzerschnitz­ und Paris erhielten die in den Wirthschen Werk­ ler; eine Vermarktung, wie sie sich ähnlich auch stätten hergestellten Möbel hohe Auszeichnun­ in Bönigen, Ringgenberg und anderen Dörfern gen. abspielte. Christian Fischers Frau bot einst die Eierbecher, Dosen, Tabakspfeifen ihres Man­ Zeichenschule und Schnitzlerschule nes den Fremden noch persönlich an, was den In diese Zeit der schönsten Blüte der Schnitze­ Nachteil hatte, nur einen kleinen Teil der mög­ rei fällt auch die Gründung einer Zeichenschule lichen Käufer zu erreichen. Eine erweiterte Ab­ in Brienz. Als hoch gestecktes Ziel schwebte satzmöglichkeit bestand darin, den Kellnern den Initianten vor, «technische-künstlerische und Concierges von Hotels und Gaststätten Ausbildung» zu vermitteln und das «Empor­ Holzwaren abzugeben, die dann den Gästen schwingen des Handwerks zur Kunst» vorzube­ angeboten wurden. In einem Reisehandbuch reiten. Der Staat und die Gemeinde teilten sich wurde schon in den Zwanzigerjahren auf den in die Kosten für die Besoldung des Lehrers Gastwirt im Rathaus zu Unterseen hingewie­ Paul Federer (Vater des nachmaligen Schrift­ sen: «Er hat auch eine wohlversorgte Nieder­ Schreibtisch um 1900, 114 x 190 x 53 cm, Preis Fr. 350.– stellers Heinrich Federer); die Gemeinde über­ lage zierlicher Schnitzwerke in weissem Holz nahm dazu die Auslagen für Schulmaterial und mit darauf befindlichen Schweizertrachten. Die­ nun nicht mehr Kunden zu suchen; er lieferte stellte die nötigen Räumlichkeiten zur Verfü­ se hübschen Kunstwerke, die auf jeden Fall seine Ware beim Grossisten ab, und dieser gung. Am Rande sei erwähnt, dass zuerst der sehenswert sind, werden grossenteils im Hab­ übernahm das Risiko für den Verkauf. Solche Einheimische Johann Huggler als Lehrer vor­ kerntal und zu Tracht am Brienzersee verfer­ Magazine und Fabrikunternehmen mit ange­ gesehen war; doch lehnte dieser ab, weil er tigt.» Für den Schnitzler schaute bei diesem stellten Schnitzlern führten in Brienz unter vie­ glaubte, als Autodidakt, der nie eine Kunst­ Verkauf auf Kommissionsbasis oft wenig her­ len anderen Grossrat J. Flück unter dem Fluh­ schule besucht hatte, fehlten ihm die Voraus­ aus; der grössere Teil des Erlöses fiel für den berg, die Gebrüder Kehrli beim Giessbach, setzungen, um einen gründlichen Unterricht zu Vermittler ab. Ed. Hefti und Binder. erteilen.

Mit der Ausweitung der Produktion kam dieser Sehr bekannt war das Etablissement der Ge- Dass der Staat einen Teil der Kosten für die Zei­ primitive und für den Hersteller unvorteilhafte brüder Wirth in der Seematte. Ursprünglich chenschule übernahm, beweist, wie hoch er die Vertrieb nicht mehr in Betracht. Initiative Köpfe Elsässer, kamen sie 1853 nach Brienz, wo sie volkswirtschaftliche Bedeutung des Schnitzler­ eröffneten, häufig in Verbindung mit eigenen einen Handel mit Holzschnitzereien begannen. gewerbes einschätzte. Schon früh gewährte er Produktionsstätten, Verkaufsmagazine, sogar Ein paar Jahre später eröffneten sie eine Fabrik Beiträge für Ausbildungsaufenthalte begabter mit Filialen im Ausland. Der Schnitzler brauchte mit Werkstätten für Schnitzler, Drechsler und Schnitzler im Ausland; Aufenthalte, die immer

151 wieder neue Anregungen vermittelten, die sich Zeichenschule durch eine bessere Einrichtung Über die finanzielle Seite der neuen Schule gibt oft handgreiflich auszahlten. So ermöglichte die zu ersetzen, nämlich durch eine Berufsschule. das folgende – heute fast unglaubliche – Jah­ Regierung Peter Grossmann einen Studien­ Dies drängte sich auf, weil bloss eine umfas­ resbudget 1885 Auskunft, ein Budget, das aufenthalt in Rom beim berühmten Bildhauer sende, praktisch und theoretisch orientierte nicht einmal überzogen wurde! Thorwaldsen. Dessen Hauptwerk, das Löwen­ Lehre dem Gewerbe fähige Arbeitskräfte zufüh­ denkmal in Luzern, wurde dann prompt zu ei­ ren und damit auch die Stellung des Schnitzlers Einnahmen Ausgaben nem beliebten und viel verkauften Sujet einiger gegenüber den Grossisten und vor allem auch Bundesbeitrag Fr. 2500.– Hauptlehrer Fr. 3000.– Brienzerschnitzler! Mit staatlichen Beiträgen gegenüber der ausländischen Konkurrenz ver­ Staatsbeitrag Fr. 3500.– Modelleur Fr. 1000.– wurde auch die Teilnahme an in- und ausländi­ bessern konnte. So entwarf denn der damalige Beitrag Kirchgemeinde Fr. 700.– Vorarbeiter Fr. 1000.– schen Ausstellungen unterstützt, da diese stets Brienzer Pfarrer Heinrich Baumgartner als Ini­ Beitrag der Tech. Zeichnen Fr. 200.– mit Vergleichsmöglichkeiten verbunden waren, tiant zusammen mit dem Gemeinderat und Einwohnergemeinde Fr. 800.– Miete Fr. 800.– neue Ideen vermittelten und damit zur Hebung Regierungsrat Steiger ein Schulreglement. Es Material, des handwerklichen und künstlerischen Nive­ sah eine dreijährige, kostenlose Lehre vor mit Modelle Fr. 1000.– aus beitrugen. Bedeutsam war auch, dass bei einem Eintrittsgeld von Fr. 10.– und einer Kau­ Verwaltungs- solchen Gelegenheiten immer wieder hervorra­ tion von Fr. 50.– pro Lehrling; Material und kosten Fr. 300.– gende Werke von Brienzer Künstlern ausge­ Werkzeuge sollten gratis zur Verfügung gestellt Prämien Fr. 100.– zeichnet und zu stolzen Preisen in alle Welt werden. Unvorher- verkauft werden konnten. Der Förderung des gesehenes Fr. 100.– Nachwuchses diente weiter der Ankauf von or­ Im Herbst 1884 konnte die Schnitzlerschule im Fr. 7500.– Fr. 7500.– namentalen und figürlichen Modellen von aus­ Dachstock des Unterweisungslokals und in ei­ ländischen Kunstschulen, die in der Zeichen­ nem Zeichensaal eröffnet werden. Gearbeitet Schlechte Zeiten schule verwendet werden konnten. wurde im Sommer während zehn, im Winter Gedämpft wurden die zeitweiligen Höhenflüge während neun Stunden täglich. Schulknaben der Holzschnitzerei immer wieder durch politi­ Die Regierung half schliesslich auch mit, als es konnten im Winterhalbjahr freiwillige Zeichen­ sche oder kulturbedingte Krisenzeiten. So führ­ darum ging, die nur freiwillig und von vielen kurse besuchen, ein Angebot, von dem der ten die Kriege der Siebzigerjahre und das damit Schülern leider nur unregelmässig besuchte Verfasser noch 1930 Gebrauch machte. verbundene Ausbleiben ausländischer Gäste zu einem spürbaren Beschäftigungsrückgang. Da­ran änderte auch der Zusammenschluss der Schnitzler zu einer «Allgemeinen Schnitzlerver­ einigung des Berner Oberlandes» nichts. Dage­ gen machte sich bald der Einfluss der neuen Schnitzlerschule bemerkbar, die frische Impul­ se lieferte. Die Herstellung von Ornamenten für Möbel erfuhr starke Förderung, die mit dem Auftrag zur künstlerischen Ausschmückung von Räumen im Berner Rathaus und im Bun­ deshaus belohnt wurde. Die Entwürfe zu die­ sen Arbeiten stammten von den Lehrern Hans Kienholz und Albert Huggler. Versuche der Weltausstellung Paris 1900: Auszeichnung für Brienzer Schnitzereien. Schnitzlerschule mit Brandmalerei, bemalten

152 Als Kuriosum sei noch festgehalten, dass der sen Termin ging sie nämlich in den Besitz des heute noch bestehende Tierpark im Fluhberg­ Kantons über und wurde dem Kantonalen Ge­ wald eine Schöpfung der Schnitzlerschule ist. werbemuseum angegliedert. Damit verminder­ Angehende und ausgebildete Schnitzler fanden te sich nicht nur die finanzielle Belastung der hier Gelegenheit zu Tierstudien, die sich, wie Gemeinde, sondern der Staat bot auch Ge­ Spassvögel behaupteten, gelegentlich im Stoss­ währ, die Schule in wirtschaftlich schlechten ­seufzer Luft gemacht haben sollen: «I schnätze Zeiten weiterzuführen. se anders!» An der Errichtung des Parkes betei­ ligte sich finanziell auch der «Oberländische Diese waren zum Teil schon da und standen Holzschnitzwaren-Industrieverein», der bis 1905 noch drückender bevor. Die grosse Weltwirt­ in dem von alten Brienzern noch jetzt als Indus­ schaftskrise der Dreissigerjahre legte schwere t­riehalle bezeichneten Gebäude die Arbeiten Schatten auf das konjunkturempfindliche G­e­ der Schnitzlerschule verkaufte. werbe und veranlasste viele Schnitzler, den Be­ ruf aufzugeben. Die anderen schlossen sich Kurz vor der Jahrhundertwende (1897) löste ein zusammen zum Berufsverband oberländischer Neubau des Schulgebäudes die Platzproble­ Holzschnitzler (BOH) und versuchten, mit den me, die aus der wieder ansteigenden Schüler­ verschiedensten Massnahmen Arbeit zu be­ zahl erwachsen waren. Der Staat übernahm schaffen. Finanzhilfe der Öffentlichkeit machte 50% der Baukosten für die immer noch von der es möglich, die Schnitzler auch für Holzwaren, Gemeinde getragene Schule. die nicht ohne weiteres abgesetzt werden konnten, sofort zu bezahlen und damit ihre Salatbestecke. Der Grossist verkaufte sie dem Detaillisten Auf die Schnitzlerschule, vor allem auf den Ein­ Existenzbasis zu erhalten. Das Lager, das sich für Fr. 10.– bis Fr. 40.– das Dutzend! Für den Drechsler und fluss der Lehrer Hans und Albert Huggler, geht damals anhäufte, konnte übrigens erst 1943 Schnitzler fiel wenig ab... eine um diese Zeit sich abzeichnende wichtige durch eine Tombola liquidiert werden. Bewährt grundsätzliche Neuerung in der Darstellung hat sich diese Krisenhilfe trotz bedeutender Gegenständen und Heiligenfiguren nach Vorbil­ von Tieren zurück. Eine stilisierte, glatte Ober­ Kosten; es konnte damit ein grosses Potential dern aus dem Südtirol zeigten weitere Möglich­ fläche löste die bisher in naturalistischer Manier an beruflichem Können in bessere Zeiten hinü­ keiten auf zur Überwindung der flauen Beschäf­ ausgeführte Behärung von Bär, Wildschwein, ber gerettet werden; ein Potential, das sonst tigung. Schlecht stand es eine Zeitlang um die Hirsch und anderen Tieren langsam ab. In den verloren gegangen wäre. figürliche Schnitzerei; sie wurde vorübergehend privaten Werkstätten setzte sich dieser Wandel sogar eingestellt. allerdings noch lange nicht durch; als Reise­ Mit neuen Artikeln wie Spielwaren, Schachfigu­ andenken behaupteten sich vor allem die ge­ ren, Festabzeichen, Stammtischfiguren und Nicht vernachlässigt wurden die Beziehungen härten Bärli mühelos gegenüber ihren glatten Sportpreisen konnten wieder Kunden gewon­ zu ähnlichen Schulen im benachbarten Ausland Konkurrenten, und wenn sie heute mehr oder nen werden, ebenso mit den bekannten Weg­ und zum dortigen kunstgewerblichen Schaffen weniger verschwunden sind, dann nur, weil die weisern, mit anatomischen Modellen, Wappen­ allgemein. Studienreisen und Ausstellungsbe­ mit der besonderen Technik des Härens ver­ tafeln und Grabkreuzen. Einige Schnitzler suche, die vom Staat subventioniert wurden, trauten Schnitzler mittlerweile verstorben sind. ver­legten sich auf die Herstellung von Krippen­ sorgten dafür, dass Vorsteher und Lehrkräfte figuren oder widmeten sich ausschliesslich reli­ der Schnitzlerschule neuen Strömungen offen Einen Markstein in der Geschichte der Schnitz­ giöser Kunst. blieben. lerschule bedeutete der 1. Januar 1928; auf die­

153 Wildschwein von Albert Trauffer, nach alter Manier gehärt. Steinbock in Flachschnitt-Manier.

Neue Schule – alte Sorgen Die Schwierigkeiten des Schnitzlergewerbes In den Fünfzigerjahren verschlimmerte sich die Erstaunlich bleibt, dass trotz schwieriger Um­ hiel­ten auch weiterhin an. Es verstärkten sich Lage zusehends; massenhaft eingeführte billi­ stände um diese Zeit ein Neubau der Schnitz­ die Auseinandersetzungen über den Zweck der ge Holzwaren aus dem Südtirol und aus Kunst­ lerschule ins Auge gefasst wurde. Enge Platz­ Schule, ein Streit, der schon früher aufgeflammt stoff gepresste Artikel aus dem Fernen Osten verhältnisse, fehlende Räume für zukünftige war. Ein Teil des Gewerbes verlangte eine ver­ stellten die Wettbewerbsfähigkeit der einheimi­ Aufgaben und die Absicht, auch die Geigen­ mehrte Ausbildung der Schüler in Richtung schen Schnitzerei und damit ihre Existenz in bauschule im gleichen Gebäude unterzubrin­ Souvenirschnitzerei, wo die einheimische Pro­ Frage. Es kam dazu, dass die niedrigen Löhne gen, gaben dann den Ausschlag. Das alte Ge­ duktion den Bedarf mangels Nachwuchs nicht den Jungen keinen Anreiz mehr boten, da ge­ bäude und das noch ältere Kirchgemeindehaus mehr decken konnte. Die Schule suchte der nug Arbeit in besser bezahlten Berufen zu fin­ im «Spitzmättelli» wurden abgerissen, und im Forderung gerecht zu werden mit Heimarbei­ den war. Damit aber drohte der Nachwuchs zu Herbst 1950 konnten Schüler und Lehrer in das terklassen, die sich aber nicht bewährten, da versiegen. Um zu verhindern, dass ausländi­ neue, im Chaletstil erbaute Haus einziehen, die Ausrichtung auf eine sehr enge Produkte­ scher Ramsch wenigs­tens nicht als oberländi­ auch wenn es erst ein Jahr später eingeweiht palette die im harten Konkurrenzkampf nötige sche Schnitzerei gekauft wurde, begann man wurde. Vielseitigkeit und Beweglichkeit kaum förderte. die eigene Produktion mit dem Armbrustzei­ chen zu versehen.

154 ren Vorarbeiten und lässt dem Schnitzler mehr Zeit für schöpferisches, kunsthandwerkliches Schaf­fen.

Nicht zu verkennen ist, dass die Auffassungen von Gewerbe und Handel, die mit der Herstel­ lung und dem Vertrieb von geschnitzten Souve­ nirs beschäftigt sind, und die weniger an einer Massenproduktion interessierte Schnitzlerschu­ le nicht immer in gleicher Richtung verliefen. Wenn die auf den Verkauf von gängigen, nicht allzu teuren Artikeln spezialisierten Geschäfte in Interlaken, Luzern, Arosa und anderswo be­ fürchteten, die Produktion könnte unter dem fehlenden Schnitzlernachwuchs zurückgehen oder schlimmstenfalls versiegen, so ist das zu begreifen. Eine solche Entwicklung wäre aber auch zu bedauern, weil damit vermehrt billigste ausländische Fabrikware einheimisches Kunst­ Arbeit an einer Wurzelplastik, Schule für Holzbildhauerei, handwerk verdrängen und ein traditionelles Ge­ Brienz. werbe, das in Brienz einmal in höchster Blüte gestanden und die wirtschaftliche Entfaltung verpönte Wort zu brauchen) zu genügen. Dazu des Dorfes wesentlich mitgeprägt hat, ver­ gehört sogar die Wiederentdeckung der alten schwinden würde. Diese Bedenken sind nicht Technik des Hä­rens. aus der Luft gegriffen; sie werden unterstrichen durch die Tatsache, dass die Schnitzlerschüler Die Brienzer-Holzschnitzerei ist mehr denn je Ornament-Schnitzerei, Schule für Holzbildhauerei, Brienz. sich nur noch zu einem kleinen Teil aus dem auf Leute angewiesen, die über eine gute Dorf und der Region Brienzersee-Oberhasli Grundausbildung verfügen. Die Spezialisierung Die wich­tigs­te Waffe im Kampf gegen die Billig­ rekrutieren. auf die verschiedenen Bedürfnisse des Han­ anbieter aus dem Ausland waren aber Rationa­ dels bietet dann keine Schwierigkeiten, weil die lisierung und die damit verbundene Kostensen­ Ausblick bedeutenden Schnitzereigeschäfte einen Stamm kung. Was andernorts schon lange angewendet Die Schnitzlerschule hat diese unerwünschte von Kunsthandwerkern beschäftigen, die sie für wurde, fand nun auch bei uns Eingang: Bohr­ Entwicklung erkannt und versucht, ihr durch die meistverlangten und das Gewerbe tragen­ maschinen wurden eingesetzt, die ein Modell vermehrtes Eingehen auf die Bedürfnisse des den Artikel zusätzlich selber weiterbilden. ab­tasten und eine Anzahl Kopien ausfräsen Gewerbes entgegenzuwirken. Ein neues Aus­ konnten, die dann in Handarbeit fertiggestellt bildungsprogramm vermittelt ein umfassendes, wurden. Die Schnitzlerei wird dabei keineswegs solides handwerkliches Können, das alle Teil­ mechanisiert und zur reinen Routinearbeit bereiche beinhaltet und den ausgebildeten herabgewürdigt, wohl aber erleichtert und ver­ Schüler befähigt, den wechselnden Anforde­ kürzt die Bohrmaschine die wenig spektakulä­ rungen auch der Souvenir-Industrie (um das

155 Geigenbau in Brienz

Hans Rudolf Hösli

Mitten im 2. Weltkrieg trafen der Heilpädagoge Später sollten dann ausländische Spezialisten mentenbaus in Brienz bald zerschlug. Erste Prof. Dr. Hanselmann aus Zürich und der Volks­ mit Erfahrung im industriellen Instrumentenbau zögernde Schritte wurden in den späten vierzi­ wirtschaftsdirektor des Kantons Bern, Regie­ angesiedelt werden. Als Trägerschaft für eine zu­ ger Jahren mit einheimischen Holzhandwer­ rungsrat Dr. Gafner, zufällig zusammen. Erste­ künftige Geigenbauschule wurde bereits 1943 kern gestartet. Die Ansiedlung von ausländi­ rer, ein passionierter Geigenliebhaber, befasste der Verein der Freunde der Schweizergeige ge­ schen Spezialisten, ein deutscher Un­ternehmer sich schon lange mit der Idee der Gründung gründet. Adolf König, ein junger, dynamischer wollte fünfzig Facharbeiter und deren Familien einer schweizerischen Geigenbauschule. Der Geigenbauer aus Zürich, konnte für den Aufbau mitbringen, scheiterte schliesslich aber am Vor­ andere suchte Mittel und Wege, einzelnen und die Leitung der Schule gewonnen werden. stellungsvermögen der Brienzer. Die Schule Randregionen seines Kantons neue, sichere Ein knappes Jahr später, am 1. Juli 1944, be­ konnte ihre Rolle, Keimzelle einer diversifizierten Verdienstmöglichkeiten zu erschliessen. Aus gann man an der Schweizerischen Geigenbau­ Instrumentenherstellung zu sein, in so kurzer dieser Be­gegnung entwickelte sich in kurzer schule in Brienz mit 2 Schü­lern aus Brienz und Zeit bar jeder realistischen Voraussetzung nicht Zeit ein konkretes Projekt. Das Ziel war die der näheren Umgebung mit dem Unterricht. gerecht werden. Errichtung einer Musikinstrumentenindustrie im Gebiet Oberer Brienzersee. Eine einfache Dreizimmerwohnung an der heu­ So wurde sie 1952 befreit, ein Produktionsbe­ tigen Adresse Kirchbühl 4 diente der kleinen trieb sein zu müssen und in einen staatlichen Als erster Schritt war die Errichtung einer Lehr­ Gruppe als Schulräumlichkeiten. Der Kanton Betrieb umgewandelt. Sie wurde die Kantonale werkstätte geplant, um einheimische Jünglinge Bern unterstützte das Unternehmen mit jährlich Geigenbauschule Brienz. Unter diesen neuen zu Instrumentenmachern ausbilden zu können. Fr. 4000.–. Rahmenbedingungen konnte sich die kleine Fachschule nun erst entfalten. Bereits 1950 Das Lehrprogramm wurde bewusst breit aus­ fand sie eine neue Bleibe im Erdgeschoss der gelegt, um den angehenden Geigenbauern neuerstellten Kantonalen Schnitzlerschule. Die eine möglichst umfassende Ausbildung zu bie­ Schü­lerzahl nahm stetig zu, und Interessenten ten und gleichzeitig den Anforderungen des da­ und Interessentinnen aus der ganzen Schweiz maligen Marktes mit hauseigener Produktion meldeten sich; 1951 trat erstmals eine junge gerecht zu werden. Geigen, Bratschen, Celli, Frau ihre Lehre in Brienz an. 1968 wurde der in Gamben, Uku­lelen, Balalaikas usw. verliessen Holland ausgebildete Frans van Dijk als zweite in der Folge die Werkstatt. Trotz schöner An­ Fachkraft an der nun bis acht Schüler/-innen fangserfolge konnte die Schule mit Lehrlingsar­ ausbildenden Schule angestellt. 1972 löste ihn beiten dem zunehmenden Druck des wieder Hugo Auchli, im Erstberuf Lehrer und an der erwachenden Wettbewerbs nicht standhalten; Mittenwalder Schule zum Geigenbauer ausge­ die Einnahmen mochten die Aufwendungen bildet, als Fachlehrer ab. 1974 konnte Ulrich nicht zu decken. Im sich nach und nach erho­ Zimmermann, ehemaliger Schüler von A. Kö­ lenden europäischen Instrumentenmarkt der nig, dessen Nachfolge als Schulleiter antreten. Nachkriegszeit findet sich auch einer der Grün­ Erster Standort des Geigenbaus in Brienz: Unter seinem Einfluss beschränkte man sich im «Schweizerische Geigenbauschule», Kirchbühl 4. de, dass sich die Idee des industriellen Instru­ Ausbildungsprogramm fast ausschliesslich auf

156 Geigenbauschule «Am Nussbaum» den Bau von Geigen, Bratschen und Celli. bau der Kantonalen Schnitzler- und Geigen­ Schule ge­wonnen werden. Abgestützt auf eine Nebst dem Neubau von Instrumenten erhielt bauschule; gleichzeitig ging U. Zimmermann in ausführliche Standortbestimmung der Schule, der Bereich Reparaturen und die musikalische Pension. im Vergleich mit der Ausbildungssituation in der Ausbildung vermehrt Gewicht. 1982 erstellte Schweiz wie auch international gesehen, grün­ der Kanton Bern als Folge der Platznot in der Ein Komitee «Rettet die Geigenbauschule dete man im Herbst 1998 die Stiftung «Gei­ Schnitzlerschule im be­nachbarten Glaser-Haus Brienz», koordiniert vom derzeitigen Schulkom­ genbauschule Brienz Am Nussbaum». Als Stif­ Am Nuss­baum, heu­te Oberdorfstrasse 94, eine missionspräsidenten Adrian Glatthard, Fürspre­ tungspräsident stellte sich Prof. Dr. phil. Hellmut massgeschneiderte Ge­bäudeinfrastruktur für cher und Notar in Brienz, zusammengesetzt Thomke aus Allmendingen bei Bern zur Verfü­ die einzige Fachschule für Geigenbau in der aus Politikerinnen und Politikern, Vertretern des gung. Die Stiftung soll in Zukunft den jährlichen Schweiz. 1986 gewann U. Zimmermann seinen Schweizer Verbands der Geigenbauer und Bo­ Fehlbetrag der Schulrechnung auffangen. 1998 ehemaligen Schüler Simon Glaus als Ersatz für genmacher SVGB und kulturell und bildungs­ und 1999 konnten die ersten Schüler/-innen an den in Pension gegangenen H. Auchli. Vierzehn politisch interessierten Personen, nahm sich die Geigenbauschule Brienz, Swiss school of Jahre nach dem Umzug in die schuleigenen der Sache an. Hans Rudolf Hösli, ehemaliger Violin Making, wie die Schule fortan genannt Räumlichkeiten erliess die Erziehungsdirektion Lehrer, später Absolvent der Geigenbauschule wird, aufgenommen werden. Die Geigenbau­ des Kantons Bern 1996 aus Kostengründen die Brienz und seit 1981 als freier Geigenbauer in schule Brienz bietet bis zehn Lernenden Platz Schliessungsverfügung der Abteilung Geigen­ Brienz tätig, konnte als neuer Leiter für die für eine Vollzeitausbildung zum Geigenbauer,

157 In den Räumlichkeiten der Geigenbauschule finden heute auch Musikunterricht der regiona­ len Musikschule, Kurse, Ausstellungen, Vorträ­ ge und Hauskonzerte statt.

Der hohe Ausbildungsstandard der Geigen­ bauschule ist international anerkannt. Anmel­ dungen zur anforderungsvollen Aufnahmeprü­ fung treffen aus der ganzen Schweiz und aus dem Ausland ein. Die Stärke der Geigenbau­ schule Brienz liegt in der Möglichkeit, Schüler/ -innen individuell und intensiv zu betreuen und zu fördern. Die Schule beherbergt eine umfas­ sende Fachbibliothek und die Geigensamm­ lung von Prof. H. Hanselmann.

Was wurde aus der Idee des industriellen Inst­ rumentenbaus in Brienz? Einzig zwei Bogen­ macher aus dem deutschen Markneukirchen fanden nach dem Krieg den Weg nach Brienz. Daraus entwickelte sich in der Zwischenzeit die im Geigenhandel weltweit bekannte Bogen­ werkstätte AG Brienz mit heutigem Standort in Schwanden, die von Johannes und Marianne Finkel geführt wird. In mehreren kleinen Werk­ Letzte Kontrolle eines Cellos durch den Schüler, bevor die stätten (H. R. Hösli, Stephan Schürch, Stefan Lackarbeiten beginnen. Gerny) entstanden ab 1981 in kleineren Stück­ zahlen Geigen, Bratschen, Celli und Gamben. zur Geigen­baue­rin. Zwei Plätze für Praktikanten sollen Kontakt mit andern Schulen und Lernen­ den aus privaten Lehrstätten fördern oder ste­ hen Interessierten aus dem Ausland oder Fach­ leuten in der Weiterbildung zur Verfügung. Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per­ Seit den frühen achtziger Jahren wurden in Bri­ sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im enz gleich viele Frauen wie Männer ausgebildet. Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei­ Wir kennen 1999 keine arbeitslosen Schulab­ teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte gänger. Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

158 Verbreitete Plagen und Heilmittel

Max Gygax

Zur Zeit des 1. Weltkrieges (1914 –18) und noch nach Lungern, wo der weitherum bekannte recht lange darüber hinaus gab es in Brienz nur «Trep­fler» mit allerlei Wässerchen Heilung ver­ einen einzigen Arzt. Die recht weitläufige Kirch­ sprach für Glieder-, Schwind- und Wasser­ gemeinde, zu der alle Dörfer von Oberried bis sucht. Brienzwiler gehörten, wurde medizinisch be­ treut von Dr. Albert Baumgartner. Bei allen, die Hier sei nun die Rede von harmloseren Plagen, ihn gekannt haben oder die von ihm behandelt die noch bis Ende der Dreissigerjahre beson­ wurden, bleibt er in guter Erinnerung als um­ ders unter Kindern weit verbreitet waren. Es gänglicher, zuverlässiger Doktor, der immer zur handelte sich dabei nicht um ernste, lebensbe­ Stelle war, wenn es die Not erforderte. drohende Krankheiten, unangenehm und lästig waren sie aber allemal. Der grösste Teil dieser Seine Patienten, sofern sie nicht zu ihm in die Übel ist heu­te dank wirksamerer Mittel und Praxis kommen konnten, besuchte er daheim, vor allem besserer Hygiene verschwunden. zu Fuss, zu Pferd, mit dem Velo und zuletzt Aus der reichen Fülle von Jugenderinnerungen noch mit dem Auto, einem der ersten im Dorf. eines Brienzer Buben seien ein paar solcher Die Arbeit, die heute von vier Ärzten verrichtet Plagen hervorgeholt, unter denen wir als Kinder wird, erledigte er im Alleingang, allerdings unter mehr oder weniger zu leiden hatten. Rufi – das sehr ansteckende Übel war früher weit verbreitet. etwas anderen Umständen als heutzutage! Rufi hand in einer passenden Geländemulde ver­ Ob die Brienzer frü­her weniger wehleidig wa­ Rufi waren besonders bei Knaben sehr häufig, sorgt, bis diese aufgefüllt und die nächste an ren, bleibe dahingestellt; sicher dachten sie während die Mädchen davon kaum betroffen der Reihe war. Solche «Gischtergruben» gab es kostenbewusster, weil viele gegen Krankheit waren. Es handelte sich dabei um eine Art ei­tri­ beim «To­tengässli» und beim Glyssibach, genau nicht versichert waren, da es an Geld mangelte ger Flechte, die hauptsächlich den Hand­rücken, dort, wo heute das Haus der Gemeindeverwal­ während der damals herrschenden Weltwirt­ Arme und Beine befiel, gelegentlich und beson­ tung steht. schaftskrise, die auch bei uns zu drückender ders unangenehm auch das Gesicht. Die Flech­ Arbeitslosigkeit führte. So brauch­te es denn te bildete zuerst kleine Blasen, die dann zu ei­ Vom zerbrochenen Nachthafen über ausge­ schon recht viel, bis ärztliche Hilfe in Anspruch ner unansehnlichen dicken, gelbbraunen Kruste diente Schirme und zerlöcherte Pfannen bis zur genommen wurde, auch wenn die Tarife kei­ eintrockneten. Allgemein wurde das Übel auf verbeulten Stalllaterne und alten Kleidern, Zei­ neswegs übertrieben hoch waren, zog doch Un­sauberkeit zurückgeführt, was für uns Kna­ tungen und Briefumschlägen mit Marken war der andere Mediziner im Dorf, der alte Zahnarzt ben zweifellos zutraf. Da vor mehr als siebzig dort alles zu finden, was ein Bubenherz reizen Vogt, einen Zahn für einen Zweifränkler! Jahren geordnete Deponien, geschweige denn konnte. So stöberten wir denn oft stundenlang Kehrichtverbrennungsanlagen und ähnliche Er­ in unappetitlichen Dreckhaufen herum auf der Unbedeutenden Übeln und Verletzungen suchte rungenschaften einer fortgeschrittenen Zivili­ Suche nach etwas Brauchbarem. Dass wir uns man mit Hausmitteln beizukommen, und nicht sation noch völlig unbekannt waren, wurde aller dabei Rufi holten, gehörte zum Sammlerrisiko, selten pilgerten Kranke auch über den Brünig Abfall, organischer oder anderer Art, kurzer­ und das nahmen wir bedenkenlos in Kauf.

159 Als Mittel gegen den lästigen, aber kaum litten, wie die Tuberkulose früher etwa genannt ben mussten, was in der Regel die Schrunden schmerzenden Ausschlag diente neben einer wurde. Ich erinnere mich noch sehr gut und mit aufweichte und dann zum Verschwinden schwarzen klebrigen Schmiere auch die nach leichtem Grausen an eine Tante, die, aus dem brachte. Kameraden, deren Väter der Jagd ihrem Hersteller benannte Kälber-Salbe. Beide Sanatorium zurückgekehrt, jeden Mittag einen frönten, behandelten den Hacker auch etwa wurden dick auf die «Rufen» aufgetragen und Löffel gelbliches Hundefett in ihren Teller Suppe mit Dachs-, Fuchs- oder Murmeltierfett. Began­ mit einem Verband abgedeckt. Diese Behand­ rührte zur Stärkung und Vorbeugung gegen nen die Schrunden zu eitern, half ein Pflaster lung und mehr noch die von den Eltern verord­ eine erneute Erkrankung. Ich weiss nicht, was aus flüssigem Tannenharz, Honig, Fett und nete strikte Enthaltsamkeit von weiteren Gisch­ ihr mehr geholfen hat, der Arzt oder das Fett - einigen ge­heimgehaltenen Beimischungen, ter-Pirsch­gängen half meist – bis zur nächsten sie wurde jedenfalls weit über siebzig. die eine heilkundige Frau im Dorf herstellte. An­steckung. – Diese Salbe wurde übrigens später von der In diesem Zusammenhang darf auch noch eine Rebleuten-Apotheke in Bern übernommen und Gfriri und der Hacker oder Hackermann Vorbeugungsmassnahme erwähnt werden, hergestellt. Unter der Bezeichnung «Zug- und Zum Winter, wie wir ihn als Buben erlebten, ge­ welche meine Fluhberg-Grossmutter in Grippe­ Heilsalbe» diente sie bis zu ihrer Verdrängung hörten unabdingbar Frostbeulen, Haut­schrun­ zeiten anwandte. Sie stellte unter die Betten der durch modernere Erzeugnisse der Pharmain­ den und halb erfrorene Zehen; Plagen recht Kinder einen Teller mit Terpentin, der dort blieb, dustrie als verbreitetes Hausmittel gegen schmerzhafter Art und oft mit quälendem bis die Epidemie sich totgelaufen hatte. Wie Schür­fungen, eiternde Entzündungen und Juckreiz verbunden. Gfriri an den Zehen war ein­ und warum das helfen sollte, ist mir noch heute harmlose Hautkrankheiten. deutig auf das damals völlig unzulängliche unerfindlich; Tatsache bleibt, dass die Gross­ Schuhwerk zurückzuführen. Gummistiefel, mutter ihre zwölf Kinder im Grossen und Gan­ Liis Schnee­schuhe und andere wasserdichte Fuss­ zen ohne gesundheitliche Schwierigkeiten durch Wenn diese unerwünschten Schmarotzer hier bekleidung kannten wir nicht; die Eltern hätten den Winter brachte. im Zusammenhang mit Krankheiten erwähnt sie auch kaum bezahlen können. So kauften sie werden, denen wir Buben zeitweilig unterwor­ uns halt am Brienzermärt für den Winter ein Zurück zur Gfriri! Guten Erfolg versprach auch fen waren, so mag das vielleicht übertrieben Paar «Holzbeden», die wohl mit der dicken Soh­-­ Gemschischmalz. Er wurde am heissen Ab­ erscheinen. Es ist es aber nicht. Läuse verur­ le die Kälte von unten gut abschirmten; das bil­ zugsrohr des Kanonenofens erhitzt, bevor man sachten nämlich häufig einen lästigen Juckreiz, lig-dünne Oberleder aber liess jede Feuchtig­ damit über die halb erfrorenen Zehen strich. und durch das Kratzen gab es dann Entzün­ keit durch, und von oben drang erst noch der Ähnliche Hausmittelchen wie gegen Frostbeu­ dungen, die oft nur schwer wegzubringen Schnee in die grob gearbeiteten Schuhe ein. len heilten auch den Hacker. Dieser bildete sich waren. Aber selbst wenn es nicht so weit kam, Die Folge: Man fror bei grosser Kälte gewaltig vor allem auf dem Handrücken, wenn nach um eine unangenehme Plage handelte es sich an die Füsse; die Zehen wurden bald unemp­ dem Hantieren im eiskalten Wasser die Hände trotzdem. findlich, färbten sich rot und blau, und stellen­ nicht abgetrocknet wurden. Gerade das war weise löste sich sogar die Haut ab. aber für uns der Normalfall, wenn wir im winter­ Aufmerksam auf die blutsaugenden Viecher lichen See Groppen fingen oder am gefrorenen wurde meist die Mutter. Wenn wir uns unauf­ Als bewährtes Hausmittel gegen Gfriri diente Trachtbach spielten. Die beissende Kälte verur­ hörlich in den Haaren kratzten, lag der Verdacht Petrol. Damit rieb uns die Mutter die halb erfro­ sachte zusammen mit der Nässe tiefe Schrun­ nahe, es könnten sich unerwünschte Bewohner renen Füsse ein, was in kurzer Zeit wohl Linde­ den an den Händen, die Haut wurde hart wie auf dem Kopf einquartiert haben, und dann rung verschaffte, gelegentlich aber auch höl­ Holz und sprang auf, was empfindlich weh tat. erfolgte eine Inspektion, bei der die Mutter lisch brannte. Zum Einreiben gebraucht wurde meist fündig wurde. Läuse, die in den Haaren ferner Hundsschmutz. Dieser spielte auch eine Die Mutter verschrieb beim Hacker Glyzerin, herumkrabbelten, waren zwar nicht immer zu wichtige Rolle für Kranke, die an Schwindsucht mit dem wir die Hände mehrmals täglich einrei­ entdecken, ganz sicher aber die an den Haaren

160 klebenden Eier, die Nissen. Mit einem beson­ Die gleichen Mittel linderten und heilten auch Übel abhelfen konnten, sei’s mit Handauflegen, deren Kamm liessen sie sich herausstrählen, das Umleuffi oder den Wurm, wie die Entzün­ Bestreichen oder mit einem unverständlich ge­ aber leider nicht alle. Die Entlausung verlangte dung und Vereiterung der vordersten Finger­ murmelten Sprüchlein. Nirgends wie bei den eine Radikalkur, bei der der Vater die Hauptrolle glieder ge­nannt wurden. Daneben versprachen Warzen spielte dabei der feste Glaube an die spielte. Er schnitt nämlich mit einer Tondeuse, auch Um­schläge mit Zwiebeln guten Erfolg. Wirksamkeit der angewandten Mittel eine aus­ mit Handbetrieb selbstverständlich, unseren schlaggebende Rolle; Zweifler waren selber ungezieferverseuchten Kopfschmuck einfach Wärzi schuld, wenn die Warzen allen Anwendungen ratzekahl weg! Damit war dann der Weg frei für Ob Warzen, diese hornigen Hautwucherungen, trotzten. die Fortsetzung der Prozedur, die darin be­ ansteckend sind oder sonstwie übertragen stand, den Schädel, soweit Haare darauf wuch­ werden, weiss ich nicht, wohl aber, dass wir Pitscher sen, mit Schmierseife einzusalben und diese Buben damit stets gut bedient waren, sei’s an Beim Pitscher, veterinärmedizinisch Glatzflech­ möglichst lange einwirken zu lassen. Das Ab­ den Händen oder im Gesicht. Wir unterschie­ te genannt, handelt es sich eigentlich um eine waschen und Spülen mit warmem Wasser den zwei Arten: gewöhnliche Warzen, die leicht Viehkrankheit, verursacht durch den Erreger sorgte dann für einen erfolgreichen Abschluss zu vertreiben waren, und die hartnäckigeren Trichophyton verrucosum. Das charakteristi­ der Behandlung. Auf bluttgeschorenen Buben­ Dornwarzen. sche Krankheitsbild besteht in runden, kleine­ köpfen blieb, zu­mindest bis die Haare nachge­ ren und grösseren haarlosen Stellen, die sich wachsen waren, kein Platz für Läusekolonien. Zur Bekämpfung benötigten wir keinen Arzt; in z.T. überschneiden und mit glänzenden grauen – Wenn wir nach er­folgter Entlausung am jeder Hecke, an jeder Trockenmauer wuchs im Schuppen bedeckt sind. In der Regel beginnt nächsten Tag plötzlich kahlköpfig die Schule Überfluss das Warzenkraut, wie das Schöll­ die Krankheit, die vorwiegend Jungvieh, d.h. besuchen mussten, sah jeder gleich, was pas­ kraut allgemein bezeichnet wurde. Den orange­ Kälber und Rinder befällt, an Kopf oder Hals. siert war, und wir hatten dann für den Spott roten Saft, der beim Abreissen aus dem Sten­ Bekämpft wird der Pitscher, weil die erkrankten nicht zu sorgen. gel abgesondert wird, tupften wir auf die Tiere unter Juckreiz leiden und ihre gesunde Warzen, die dann meist nach kurzer Zeit ver­ Entwicklung und Leistungsfähigkeit herabge­ Eissen schwanden. setzt werden. Dr. med.vet. Paul Flück in Meirin­ Eissen, kleine Furunkel an Beinen und Armen, gen, dem ich diese Angaben verdanke, nennt gehörten vor siebzig Jahren zu unserem Bu­ Gelegentlich versuchten wir es auch mit auch gleich die Mittel, welche die Schulmedizin ben­alltag wie die Finger zur Hand. Für ihre Häu­ schwarzen Waldschnecken, die wir über die gegen die Glatzflechte anwendet. Es sind dies figkeit dürften die gleichen unhygienischen Warzen kriechen liessen, und auch das half! – das Abtöten der Pilze auf der Haut mit Tätigkeiten eine Rolle gespielt haben wie für die Noch besser war allerdings, die Schnecken antimykotischen Salben und Tinkturen; Entstehung von Rufen. Allzu ernst genommen nachher an einem Dorn aufzuspiessen und dort – gründliche Desinfektion der ganzen wurden sie nicht, glaubte man doch, durch verdorren zu lassen; mit der Schnecke sollte Umgebung; Eissen scheide das verunreinigte Blut ungesun­ nämlich auch die Warze verdorren und abfallen. – optimale Fütterung der Tiere mit viel de Stoffe aus. Wenn sich die Reifung und die Eine weitere Therapie bestand darin, die War­ Zusatz von Vitamin A, um die individuelle Entleerung dieser Furunkel verzögerte, half wie­ zen mit einer halbierten Zwiebel zu bestreichen, Abwehrkraft zu stärken. der die schon erwähnte Zug- und Heilsalbe wobei es sehr darauf ankam, bei der Prozedur Als Heilmittel zur Vorbeugung, aber auch zur oder das Auflegen von heissem Leinsamen. ja nicht hinzusehen! Behandlung diente vielerorts ein Stechpalmen­ Bauern im Hasli praktizierten auch etwa Um­ zweig, der im Stall aufgehängt wurde. Auch das schläge mit warmem Kuhdreck. Wenn keine dieser Behandlungsmethoden er­ Abwaschen der befallenen Hautpartien mit ei­ folg­reich verlief, blieb immer noch der Gang zu nem Tee aus rotem Storchenschnabel wurde einem Mandli oder Fraueli im Dorf, die dem empfohlen.

161 brauen zum Opfer, was dann bei allem Elend Erfolg versprach auch «Sympathie», d.h. das besonders komisch aussah. Das Übel bescher­ Be­sprechen der Krankheit, oft verbunden mit te vielen Buben aber nicht nur eine in diesem dem Bestreichen der befallenen Hautpartien. Alter ganz ungewohnte Glatze; es befiel auch Einer, der sich darauf verstand, war Peter Gan- Arme und Rumpf, wo sich ebenfalls kreisrunde, der in Brienz, der viele Knaben und Erwachse­ schuppen-glänzende Ausschläge bildeten, die ne vom Pitscher befreit hat. Er fuhr mit dem wie beim Vieh mit unangenehmem Juckreiz Zeigefinger um die schuppige Stelle herum, einhergingen. Es ist mehr als verständlich, dass murmelte dazu eine bestimmte Formel, und die mit Pitscher und oft noch mit gutmütigem nach drei Tagen war der Pitscher weg; die Haa­ Spott geplagten Buben keinen anderen re begannen wieder zu spriessen! Gander war Wunsch hatten, als das lästig-lächerliche An­ der Grossvater des oben erwähnten Tierarztes denken an die Alpsaison so bald wie mög­lich Flück. Er versprach dem damaligen Gymnasi­ loszuwerden. Gegen den Pitscher war – eine asten, ihn bei Gelegenheit in das Geheimnis Seltenheit in der Volksmedizin – kein Kraut ge­ seiner weit herum anerkannten und geschätz­ wachsen; dagegen bot sich eine Anzahl ande­ ten Behandlung einzuweihen. Wie Dr. Flück rer bewährter Hausmittelchen an. Von einem noch bei der Niederschrift dieser Zeilen bedau­ allerdings blieben die Buben zum Glück ver­ ert, kam es leider nicht mehr dazu, weil Gander schont: im Simmental und im Saanenland wur­ kurz darauf, im Januar 1942, im «Dorni» von de nämlich pitscherbefallenem Rindvieh ein al­ einer Lawine verschüttet wurde und nur noch ter lederner Schuhbändel durch ein Ohr tot geborgen werden konnte. Ein Stechpalmenzweig, im Stall aufgehängt, sollte dem gezogen und mit einem Knoten auf beiden Sei­ Pitscher vorbeugen. ten gegen das Herausfallen gesichert. Wir kennen heute viele der hier aufgeführten Plagen kaum mehr dem Namen nach und wol­ Soweit die veterinärmedizinische Seite. Wichtig Da man vor siebzig Jahren die heutigen antimy­ len der modernen Medizin dankbar sein, wel­ für unsere Betrachtung ist nun aber die Tatsa­ kotischen Mittel kaum kannte, kamen andere che eine wirksame Behandlung und Bekämp­ che, dass Pitscher äusserst ansteckend ist und Behandlungen zum Zuge. Häufig wurde Zink­ fung möglich gemacht hat. Nicht vergessen auch Menschen befällt, die mit infizierten Tieren salbe angewendet, mit der die haarlosen sollten wir darob, dass neben der Schulmedizin in Berührung kommen. Das betrifft sowohl Sen­ Flecken bestrichen wurden. Mit der Tatsache, stets auch überlieferte volkstümliche Mittel und nen, Melker als auch Tierärzte. Wohl am meis­ dass der Pitscher oft spontan abheilt, hatten Praktiken gewisse Krankheiten günstig beein­ ten gefährdet waren aber die Knaben, die den verschiedene Verfahren zu tun, die nachweis­ flussen oder sogar heilen können – wenn man Sommer über als Hüterbuben auf der Alp da­ bar halfen, auch wenn sie vernunftmässig nicht nur fest daran glaubt! heim waren. Viele kehrten im Herbst in einem zu erklären sind. Rägihänsel, ein schon lange Zustand zurück, der sowohl Bedauern wie er­ verstorbener Fluhbergler, schrieb mir das fol­ stauntes Lachen auslöste. Oft glänzten ihre gende Rezept auf: Köpfe nämlich wie eine frisch geschorene Mönchstonsur, die allerdings nicht manierlich «Spicke ein Stück feissen Speck mit Gersten­ auf dem Scheitel sass, sondern sich höchst un­ körnern, zünde den Speck unten an, fange das passend seitlich über Schläfen und Ohren oder Fett in einem Teller auf und reibe es an den auch über den Hinterkopf herunterzog; nicht kranken Stellen ein.» selten fielen dem Pitscher sogar die Augen­

162 Briensermärt

Max Gygax

Dr Briensermärt steid vor dr Tir Waren aller Art angeboten wurden. Im «Hinken­ mid Tanz im «Stärnen», Resslispil, den Bot» von 1813 wird er jedenfalls bereits mid Chrapfestand und Chachtelgschir als wichtiger Jahrmarkt im Wintermonat aufge­ und Lyten, niemmer weis wie vil. führt, und zu dieser Zeit findet er heute noch statt. Er gilt und galt, um anzudeuten, dass er gewisse Wandlungen durchgemacht hat, lange Zeit als einer der bekanntesten und volkstüm­ lichsten Herbstmärkte im Oberland und stand auf regionaler Ebene an Beliebtheit und Tradi­ tionsbewusstsein dem Zibelemärit kaum nach, auch wenn natürlich die lokalpatriotisch verklär­ te Betrachtungsweise der Brienzer das ihre zu dieser Einschätzung beigetragen hat ... Neueren Datums ist die Landmaschinenschau. Sie macht den Briensermärt auch zu einer Art Mini-OLMA, wo der Bergbauer sich über die ihm dienlichen Maschinen orientie- Einschränkungen sind indessen anzubringen, ren kann. wenn neben der folkloristischen Überlieferung auch die wirtschaftliche Seite berücksichtigt losigkeit und Einfachheit geprägte Brienzerwelt wird. Zwar überstand der Briensermärt vorerst und geriet nach dem zweiten Weltkrieg in den problemlos Neuerungen, welche den Aufbruch immer rascher um sich greifenden Sog einer in eine modernere Zeit ankündigten, wie etwa technischen und gesellschaftlichen Entwick­ Brienzer Krapfen, eine Brienzer Spezialität mit einer Füllung das anfangs der Zwanzigerjahre auch in Brienz lung, die immer noch anhält und vorläufig an aus Birnen, Nüssen (früher auch Kirsch) und Geschäfts- zaghaft fussfassende Radio, bei dem ein keine Grenzen stösst. geheimnis. Essenswert sind sie allemal ob von Hugglers, Steiningers oder von Walzes! «Grysch us Rom», wie es einer der ersten Be­ nützer zu lokalisieren glaubte, noch als Sensa­ Es liegt auf der Hand, dass sich niemand und Immer am Mittwoch und Donnerstag der zwei­ tion galt; dem Briensermärt schadeten auch die nichts modernen Errungenschaften, Strömun­ ten Woche im November findet er statt, der fast ersten Autos nicht, und die wenigen nach In­ gen und Gewohnheiten entziehen kann, auch legendäre Briensermärt. Sein Ursprung reicht terlaken und Luzern fahrenden Züge machten nicht der Briensermärt. Er wandelte sich, man weit zurück; denn bereits 1626 erhielten die auch keine Marktbesucher abspenstig, da die mag das bedauern oder nicht, immer mehr zu Brienzer die hochobrigkeitliche Bewilligung von Einkaufsreise dorthin zu viel kostete, zu um­ einem vorwinterlichen Allerweltsjahrmarkt, der Schultheiss und Rat der Stadt Bern, jährlich am ständlich war und kaum etwas gebracht hätte, seine lange vorherrschende lokalwirtschaftliche Verenatag einen Markt abzuhalten, wo sie ihr was auf dem Markt in Brienz nicht auch zu er­ Bedeutung, die er nicht zuletzt auch dem zeit­ Vieh verkaufen könnten. Was damals seinen stehen gewesen wäre. lichen Zusammentreffen mit dem herbstlichen Anfang nahm, entwickelte sich im Verlauf von Viehverkauf zu verdanken hatte, doch weitge­ fast vier Jahrhunderten zu einem Markt, auf Und dennoch! Unmerklich, schleichend verän­ hend eingebüsst hat. Das steht nur scheinbar dem nicht nur Vieh, sondern zunehmend auch derte sich auch die von ländlicher Anspruchs­ im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Zahl

163 der Marktfahrer und das Warenangebot zuge­ Eine Ausweitung verzeichnet auch das kulina­ nommen haben; erstreckte sich der Brienser­ rische Angebot; neben bodenständigen Pro­ märt noch in den Dreissigerjahren von der Wydi dukten wie Mutschler und Krapfen buhlen bis zum Rösslispielplatz beim Fischerbrunnen, neuerdings auch Frühlingsrollen und weitere so beansprucht er nun die Hauptstrasse vom exo­tische Spezialitäten um die Gunst hungriger Trachtbach bis zur Lindellen. Marktgänger.

Stark verändert hat sich aber das Warenange­ Gemessen an der Zahl der Verkaufsstände, bot. Standen früher wirklich benötigte Ge­ dem Angebot an Waren aller Art und der die brauchsgegenstände im Vordergrund wie Tex­ Strassen füllenden Menschenmenge kann sich tilien und Schuhe, Stalllaternen, Zipfelmützen, also unser Markt durchaus noch sehen lassen. Tabakspfeifen und «Kalberhälsige» zum Bei­ Trotzdem, es wurde schon angedeutet, hat er spiel, so sind es nun vorzugsweise Spielsachen, sich wesentlich verändert. Versorgten sich die billiger Schmuck, kunsthandwerkliche Erzeug­ Brienzer und ihre Nachbarn aus den umliegen­ nisse, Musikkassetten und dergleichen. Sen­ den Dörfern früher am Briensermärt mit Klei­ sen, Wetzsteine und Heugabeln haben einer dern, Stoffen, Schuhen, mit Haushaltungs­ kleinen, olmaähnlichen Ausstellung landwirt­ gegenständen und landwirtschaftlichem Gerät schaftlicher Maschinen Platz gemacht, und das für den Winter und das kommende Jahr, so gute alte Rösslispiel wird bedrängt von hyper­ gehört das heute weitgehend der Vergangen­ Neben dem Spezial Magenbrot findet auch der urchige modernen Rummelplatzattraktionen. heit an. Dreh­orgelmann Beachtung – trotz Tonband- und Radioge- plärr allerorten.

Die lange innegehabte Rolle als unentbehrlicher Versorgungsmarkt ist überholt und nicht mehr zeitgemäss. Aus begreiflichen Gründen! Die Kunden, einst auf diesen Jahrmarkt angewie­ sen, verfügen heutzutage über bedeutend viel­ fältigere und reichhaltigere Einkaufsmöglichkei­ ten. Die fast schrankenlose Mobilität, verbunden mit einer ebenso unbegrenzten Auswahl in Warenhäusern und Spezialgeschäften in der Region und zum Teil sogar im Dorf, führte dazu, dass das doch eher bescheidene und wenig attraktive Angebot der fahrenden Händler nicht mehr so viel Beachtung fand wie ehedem.

Mit dieser Entwicklung verlor der Briensermärt als umsatzträchtiger Bedarfswarenmarkt zu­ nehmend an Bedeutung. Die zahlreichen Gele­ Stets gefragt – Lebkuchenherzen mit saftigen Sprüchen. genheiten, Bedürfnisse laufend und saisonge­

164 Noch immer zieht das Rösslispiel vor allem die kleineren Kinder unwiderstehlich an, auch Am Briensermärt gehört die Hauptstrasse den Markfahrern und den Besuchern; der Verkehr wenn die Zeiten längst vorbei sind, wo für einen Franken ein Dutzend Fahrten winkten. wird über die Feldstrasse umgeleitet. recht zu befriedigen, machen einem nur einmal lass wandelt, ist nicht rückgängig zu machen; schichten erzählt aus der rückblickend gese­ im Jahr stattfindenden Markt schwer zu schaf­ sie trifft nicht nur auf den Briensermärt zu, sie hen ach so goldenen Jugendzeit mit beliebten fen, besonders noch, weil dieser bloss mit einer hat das Gesicht aller ländlichen Jahrmärkte ver­ und belächelten Lehrkräften; es wird in Erinne­ beschränkt-biederen Auswahl an modischen ändert. rungen geschwelgt ans Rösslispiel, wo der lah­ Textilien und Schuhen aufwarten kann. Die me Herr Scheidegger uns für einen Franken ein Schwierigkeiten der Marktfahrer zeigen sich Geblieben ist dem Briensermärt glücklicher­ ganzes Dutzend Fahrten verkaufte und für nur auch darin, dass sich das Geschäft immer weise die von jeher heitere und festfreudige 20 Rappen den Eintritt gestattete in das um­ mehr auf einen einzigen Tag konzentriert. Stimmung, die von der ganzen Dorfbevölke­ werfende Panoptikum, wo unerhörte und rung getragen wird und den zwei November­ schröckliche Begebenheiten aus aller Welt zu Die professionellen Wanderhändler wissen sich tagen ein ganz besonderes Gepräge verleiht; bestaunen waren, vom Erdbeben in Messina allerdings zu helfen und warten mit neuen Ver­ ein Gepräge, das bei Speis und Trank in über­ mit zehntausend Toten bis zum Untergang der kaufsschlagern auf, die neu geweckten Bedürf­ vollen Wirtschaften, bei Tanz und neuerdings «Titanic» und den bedauernswerten Christen, nissen gerecht werden. Ihr Angebot richtet sich auch bei Lottoveranstaltungen seinen Aus­ die der üble Nero in der Arena zu Rom den zwar nicht an Leute wie jenen alten Brienzer, druck findet. Löwen zum Frass vorsetzen liess, was uns der, nachdem er sich stundenlang im Waren­ Kindern kalte Schauer über den Rücken jagte. haus Loeb umgeschaut hatte, tief beeindruckt Für viele Heimwehbrienzer aus allen Gegenden erklärte, er hätte in seinem ganzen Leben noch der Schweiz, ja, aus dem Ausland sogar, liefert Und dieser und jener war sogar dabei im Ster­ nie so viel Zeug gesehen, das er nicht nötig der Briensermärt einen willkommenen Grund nensaal, als der über achtzigjährige Peetsch, habe. zu einem Besuch im Dorf ihrer Jugend, das um ein urchiges Brienserpuurli, nach einem wilden diese Zeit – im Gegensatz zur turbulenten Tou­ Ländler mit einem tollen Briensermeitschi mit­ Die Erscheinung, dass sich ein Warenmarkt, ris­tensaison – wieder ganz den Einheimischen ten auf dem Tanzboden stehen blieb, einen der früher für die Versorgung der Region wich­ gehört. Da werden denn bei einem Glas Wein, Jauchzer ausstiess und dem Publikum allen tig war, zu einem mehr oder weniger nur noch bei Chäsbrätel oder bei Kaffee und Krapfen alte Ernstes verkündete: «I wellti, i wurdi hundertjäh­ der Tradition verpflichteten volkstümlichen An­ Freundschaften aufgefrischt und gefestigt, Ge­ rig und äs wän all Tag Briensermärt!»

165 Ja, so schön war der Briensermärt einmal! So Vierhundert Jahre alt soll der Briensermärt sein, lebt er noch in der Erinnerung einer Generation, und manchen Wandel hat er durchgemacht! die unbeleckt von weltweiter Kommunikation Aber er lebt fröhlich weiter; angepasst an eine und ohne pausenlos einwirkende Massenme­ neue Zeit, zeigt er auch ein neues Gesicht, das dien noch Zeit fand zu freundschaftlichem immer noch in vielem dem wunderschönen Bei­sammensein, zum Gedankenaustausch, zu Märt entspricht, den wir in der Schatztruhe un­ Musse und zum Dorffen; einer Generation, die serer Erinnerungen bewahren. Und überhaupt sich auch an einfachsten Dingen zu freuen und nicht geändert hat das jahreszeitliche Zeichen, sie zu feiern wusste. Einzigartig und fast un­ das der Briensermärt nach wie vor setzt, denn: wirklich fern bleibt der Briensermärt lebendig in seiner dörflichen Anspruchslosigkeit; von Ischt eis dr Märt verby und ds Feschten, Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Konsumrausch konnte damals keine Rede sein, faad hibschelli dr Winter an; Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per­ nicht einmal das Wort war bekannt. Viel mehr äs chuuted ds leschte Leub von Eschten, sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im als was wirklich nötig war, gefütterte Holzbeden keis einzigs Blettli blybd meh dran. Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei­ für uns Buben zum Beispiel, wurde kaum ge­ Äs nachted friej, äs taged spaat, teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte kauft. dr Herbscht geid etz fir ärischt z End; Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen Schneefahni hangen heej am Graad: sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren. Dr Winter chunnd, är zeigd is d Zennd.

Wie heisst’s im «Brienserburli»: Im Summer da trybe sie d’Geiss uf d’Alp... Da darf im Herbst natürlich der Geisschäs nicht fehlen!

166 «Der Brienzer» – unsere Lokalzeitung seit 1896

Ruedi Perren-Roesti

Seit mehr als hundert Jahren erscheint wö­ chentlich zweimal «Der Brienzer», unsere Lokal­ zeitung. Auf dem Titelblatt der ersten Nummer vom 1. Juli 1896 verrrät Friedrich Tschaggeny namens des Redaktionskomitees dem lieben Leser und der freundlichen Leserin, was «Der Brienzer» bezweckt: Hebung des Volkswohls, Förderung der Jugend und Erziehung zu fleissi­ ger, ernsthafter Arbeit, Belehrung und An­ regung für Industrie und Landwirtschaft der Gegend, Hebung der Holzschnitzlerei durch Veröffentlichung fachmännischer Zeichnungen und Anleitungen ..., und er empfiehlt das neue Blatt als Publikationsorgan. «Der Brienzer» er­ schien damals mittwochs und samstags mit einem illustrierten Beiblatt. Abonnementspreis: jährlich Fr. 5.–, halbjährlich Fr. 2.75.

Vom Anzeiger der Kirchgemeinde Brienz zur multimedialen Informationsplattform mit Pionierstatus Eine Lokalzeitung, die weit mehr als hundert Jahre zweimal wöchentlich über Aktuelles aus dem Dorf und der Region informiert, ist eine Besonderheit. Wohl einzigartig ist die Entwick­ lung und der heutige multimediale Auftritt des einstigen «Anzeigers der Kirchgemeinde Bri­ enz». Wer nämlich das Internetportal der im Jahr 2000 gegründeten «Jungfrau Zeitung» be­ sucht, stellt fest, dass hier übersichtlich darge­ stellt die drei traditionellen Lokalzeitungen «Der Brienzer» (seit 1896), «Der Oberhasler» (seit 1876) und «Echo von Grindelwald» (seit 1896) zu einer regionalen Informationsplattform verei­ nigt sind. Auch verwöhnte Medienfachleute

167 staunen darüber, wie die modernen Informa­ tionskanäle genutzt werden, um aus unserer Region, von den Zeitungsmachern «Mikrokos­ mos Jungfrau» genannt, zu berichten. Aus dem vielfältig vernetzten Makrokosmos, d.h. von Ereignissen im nationalen oder internationalen Umfeld, berichtet unsere Zeitung ebenfalls, sofern sie zu unserer Region einen besonde­ren Bezug aufweisen. Gründlich Recherchiertes und Redigiertes erscheint attraktiv gestaltet im permanenten Nachrichtenfluss in der Internet­ ausgabe (www.jungfrauzeitung.ch) oder zwei­ mal pro Woche als gedruckte Version. Mit sei­ nem Dokumentationsmaterial in Form von Text-, Bild-, Audio- und Filmdokumenten nimmt der «Brienzer» eine Vorreiterrolle ein.

Als in den Verlagshäusern der grossen Zeitun­ gen noch über multimediale Auftritte nachge­ dacht wird, hat der engagierte Verleger Urs Gossweiler, Unternehmer in der 4. Generation, mit einem innovativen Team von Spezialisten Mitte der Neunzigerjahre im «Brienzer» bezie­ hungsweise in der «Jungfrau Zeitung» bereits ein Konzept realisiert, das in der Zeitungsbran­ che als wegweisend gilt. Seither vernehmen wir immer wieder von Pioniertaten unseres ein­ heimischen Verlagshauses. So geht «Der Brien­ zer/Die Jungfrau Zeitung» laut eigenen Anga­ ben «als erste Zeitung Europas» 2001 nach dem Prinzip «Web first» komplett online (ins Internet) und führt im Jubiläumsjahr 2007 Web- TV (in die Internetausgabe eingebettete Fern­ sehbeiträge) ein – vor allen anderen Zeitungs­ häusern der Schweiz!

Immer wieder wird man in der Schweizer Me­ dienlandschaft auf den Innovationsgeist des «Der Brienzer» erscheint zweimal pro Woche als Printout, (in gedruckter Form als Zeitung). Brienzer Medienunternehmens aufmerksam.

168 Lokale Initianten aus Obwalden und Nidwalden

derbrienzer.ch gründen im Jahr 2010 nach dem Vorbild der Heute mit «Jungfrau Zeitung» die «ONZ Obwalden und 7 TAGE Nidwalden Zeitung». Die Gossweiler Media ver­ Printout Freitag, 6. August 2010 gibt dafür die erste Lizenz für eine Mikrozeitung. 114. Jahrgang, Ausgabe Nr. 62, Preis Fr. 2.50

Die «ONZ Obwalden und Nidwalden Zeitung» AZ 3855 Brienz, Adressänderung melden News aus dem Mikrokosmos Jungfrau erscheint erstmals am 22. April 2010 und bil­- Industrie: Handwerk: Hobby: In Interlaken wurde die Am Ballenberg wird aus Der Fischereiverein feiert in det die lokalen Geschehnisse der beiden Ur­ Biomasse AG gegründet Kakaobohnen Schokolade Interlaken 125-Jahre-Jubiläum Wirtschaft Seite 7 Sommerserie Seite 11 Gesellschaft Seite 15 kantone in den Ressorts Politik, Wirtschaft, Ge­ KOMMENTAR sellschaft, Kultur und Sport ab. Von unserem Viel einheimischer Rock am See Kopftuch-Flut Schwarze Kopftücher sah man in diesem Sommer so viele, wie noch regionalen Medienhaus gehen weiterhin wichti­ Das 23. Rockfest startet heute Abend in Brienz nie. Auf dem Bödeli übernachte- ten von Januar bis Juni kumuliert 65 Prozent mehr Gäste aus dem ge Impulse aus. Wir dürfen die Entwicklung mit Beat Kohler arabischen Raum. Alleine im Juni betrug der Zuwachs 102 Prozent 2 Brienzersee Rockfestival 2010 und dies bei einer gesamtschwei- Interesse verfolgen und uns über dessen Erfol­ – Am Wochenende wird in Brienz zerischen Steigerung von lediglich gerockt, bis die Zeltwände wackeln. 28 Prozent. Auch in Brienz, Grin- Einheimische Grössen – allen voran delwald und Meiringen fielen ver- ge freuen. Altmeister Polo Hofer – und weither an- mehrt Kopftuchträgerinnen auf. Die gereiste Gäste wie die Manfred Mann's Schweiz insgesamt und der Mikro- Earth Band sorgen für eine ausgelas- kosmos Jungfrau im Besonderen sene Feststimmung. Von Freitag bis scheinen sich bei den arabischen Sonntag treten insgesamt 17 Bands Gästen grosser Beliebtheit zu er- von Lockstoff bis Ritschi im Festzelt freuen. Dies trotz Minarettverbot Von Anfang an fortschrittlich und tolerant auf. Und Petrus dürfte dieses Jahr ein und Burkaverbots-Diskussionen. Freund der Organisatoren sein, denn Dass diese Gäste hier sicher und un- in den Prognosen lacht die Sonne. belästigt Ferien verbringen können, Nichts spricht also gegen eine ausge- ist für sie offensichtlich wichtiger, «Jede Ansicht soll zur Sprache kommen...» (aus lassene Party oben am See. Schliess- als unsere politisch gepflegte Abnei- lich werden auch dieses Jahr 9000 Liter gung. Schliesslich bleiben wir trotz Bier, eine Tonne Pommes frites, 1000 allen unguten Gefühlen freundlich. der Erstausgabe vom 1. Juni 1896) Bratwürste oder auch 300 Kilogramm Freundlichkeit und Toleranz darf Chicken Nuggets ihre Abnehmer aber nicht mit der Aufgabe der eige- finden. Die Höhepunkte des Pro- nen Positionen verwechselt werden. gramms können Sie während des Dass die politischen Parteien des Wochenendes auf der Website dieser rechten Spektrums mit oberfläch- Zeitung online verfolgen und in der lichen Vorstössen wie dem Burka- Um die vorletzte Jahrhundertwende ist «Der nächsten Ausgabe in gedruckter Form verbot Erfolge erzielen können, hat noch einmal nachlesen und anschauen. in erster Linie damit zu tun, dass Nr. 105436, online seit: 6. August – 09.12 Uhr linke Parteien sich nicht trauen, für Brienzer» nicht unter den vielen Lokalzeitungen, unsere Werte einzustehen. Dahinter vermuten diese Kreise sofort Frem- Heiniger Trainer Jasser und Potschen Falsche Polizisten denfeindlichkeit. Das ist falsch, auch die schweizweit erscheinen und rasch wieder touristisch gesehen. Nur wenn wir «Donnschtig-Jass» im Neuhaus Drei Männer auf der A8 gefasst eine starke eigene Identität haben, des FC Rothorn sind wir als Reiseziel langfristig in- von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht liegt 58-Jähriger wird Nachfolger Drei Männer, die sich als Polizisten teressant. Und auf diejenigen Gäste, Irene Thali ausgegeben hatten, konnten ange- die hier nur glücklich werden kön- von Kaspar Flück halten werden. nen, wenn sie hier einem Spiegelbild die Ursache für das lange Leben unseres Lokal­ 2 Unterseen – Im Neuhaus in Unterseen ihrerInve Heimatstier ebegegnen,n Sie in Ihkönnenre wir • Konzeption und Planung fand gestern Abend die Live-Aufzeich- 2 Interlaken – Am Montagnachmittag genau so gut verzichten, wie Mallor- • Architektur Christoph Buchs nung der beliebten TV-Jass-Sendung stellte in Interlaken ein Mitarbeiter der caLe aufb eDeutsche,nsqual itdieät nur un Weisswurstd • Bauleitung- und beratung mit Monika Fasnacht vor wolkenverhan- Kantonspolizei auf seiner Fahrt in einem modernisierunden BierSie konsumie-nach blattes darin, dass die Herausgeber, die Buch­ Der FC Rothorn hat einen neuen Trai- gener Kulisse statt. Bereits ab 13.30 Uhr Zivilfahrzeug fest, dass im Bereich der ren wollen. • General-/Totalunternehmung ner. Ernst Heiniger führt die Geschicke fanden sich erste Schaulustige für die Höhematte ein Touristenpaar von drei Minergie odpe rBericht: Mine Seitergie 9 P... • Minergie- und Passivhaus Heute aktuell auf der ersten Mannschaft gemeinsam mit Proben und den Dreh des Trailers ein. Männern angesprochen wurde. Bei der ...wir berateBeatn S Kohler,ie ge rne! • Immobilien druckerei Brienz, 1896 nichts Geringeres als Hakik Rakipi, der schon in der letzten Der in Matten aufgewachsene «Donn- darauf folgenden Kontaktaufnahme mit Chefredaktor • Bauland WebTV Saison Co-Trainer war. Heiniger folgt schtig-Jass»-Regisseur Bruno Kocher dem Touristenpaar stellte sich heraus, Nr. 105435, online seit: auf Kaspar Flück. war bemüht, nebst einer pannenfreien dass es soeben Opfer eines Trickdieb- 5. August – 21.40 Uhr die «Hebung des Volkswohles», die «Förderung • Vom Ätna aufs Allalinhorn Sendung ein positives Bild der Region stahls geworden war. Die Männer, die Telefon 033 952 13 45 Nr. 105414 auf jungfrauzeitung.ch 2 Fussball – Der FC zu zeichnen (diese Zeitung berichtete). sich als zivile Polizisten ausgegeben Telefax 033 952 13 49 3855 Brienz • Zwei Böcke und sechs Melkstände Rothorn nimmt am 14. Als musikalischer Gast wartete Francine hatten, entwendeten dem Paar bei der der Jugend und Erziehung zu fleissiger, ernst­ Nr. 105351 auf jungfrauzeitung.ch August die neue Sai- Jordi auf das Publikum. In der Promi- angeblichen Kontrolle die Kreditkarten. www.konzeptwyler.ch son in Angriff. An der Wette stellte sie sich einer spannenden Die mutmassliche Täterschaft war inzwi- Verlag& Redaktion [email protected] • Woody, Buzz und Kollegen Seitenlinie steht ein Herausforderung. Sie musste mit dem schen mit dem in der Nähe parkierten hafter Arbeit» und weitere hoch gesteckte Ziele Nr. 105265 auf jungfrauzeitung.ch neu formiertes Trainer- Jodlerchörli des Behindertenwohnheims Personenwagen in Richtung Autobahn Der Brienzer gespann. Hakik Rakipi, Thun «Ds Feyr vo dr Sehnsucht» einstu- A8 losgefahren. Der Mitarbeiter der Kan- beim Bahnhof Einfach Artikelnummer unter Quicksearch der Vater des derzeit dieren und danach in Thun innert zwei tonspolizei konnte die Verfolgung aber 3855 Brienz Telefon 033 952 13 77 auf der Homepage von jungfrauzeitung.ch verletzten Skorers Sulejman Rakipi, Stunden 2000 Franken Spendengelder aufnehmen und Unterstützung anfor- auf ihre Fahne schreiben. Da es damals weder eingeben und los gehts! Telefax 033 952 13 78 war bereits in der vergangenen Saison sammeln. Um die nächste Austragung dern. Vor dem Rugentunnel wurden die [email protected] Trainer und übt dieses Amt weiterhin des «Donnschtig-Jass» traten die beiden drei Männer angehalten. Im Auto, einem derbrienzer.ch aus. Allerdings nicht mehr gemeinsam St.-Galler-Gemeinden Mosnang und Mietfahrzeug mit französischen Kennzei- Erschienen: Radio noch Fernsehen gibt, hat die Zeitung als mit Kaspar Flück. Dieser war ursprüng- Kirchdorf an. Wer das Rennen gemacht chen, konnte diverses Deliktsgut sicher- lich Assistent von Juro Markovic, der hat, war bis Redaktionsschluss nicht gestellt werden. Zudem befanden sich Mikrozeitung Fr. 6. August 2010 im Dezember 2008 entlassen wurde, bekannt. Ein ausführlicher Bericht folgt im Gepäck der Männer mehrere tausend Bei uns erfahren Sie mehr. einziges Massenmedium viel Gewicht. Deshalb und wurde anschliessend interimistisch online auf www.jungfrauzeitung.ch und Franken Bargeld. Da die Herkunft dieser 9:V;V;l;r;n Cheftrainer, bevor der Verein die Sai- in der Dienstagausgabe dieser Zeitung. Geldbeträge bisher nicht vollständig ge- son 2009/10 mit dem Duo Rakipi/Flück Nr. 105454, online seit: 5. August – 21.33 Uhr klärt werden konnte, lässt sich eine wei- dürfen die heute etwas hochtrabend klingen­ bestritt. Neu als Trainer an der Seite tere deliktische Tätigkeit nicht ausschlies- REKLAME Rakipis ist Ernst Heiniger, Vater von sen. Bei der mutmasslichen Täterschaft, REKLAME Abwehrspieler Thomas Heiniger. Ernst die sich in Untersuchungshaft befindet, den Leitideen nicht einfach belächelt werden. Damit Sie sich Ihren Traumjob Heiniger war viele Jahre als Trainer handelt es sich um rumänische Staatsan- nicht nur ausmalen müssen… in verschiedenen Juniorenabteilungen gehörige im Alter von 33, 42 und 47 Jah- mehr auf Seiten 28 und 29 tätig. Der 58-Jährige hat aufgrund des ren. Die Männer sind teilweise geständig, Dass seit der Übernahme des Betriebs durch Auflandaufenthaltes von Hakik Rakipi weitere gleichgelagerte Delikte in Bern, den grossen Teil der Saisonvorberei- Basel, Genf und Interlaken begangen zu tungen des FC Rothorn alleine geleitet. haben. Ein vierter Mann, der sich beim die Familie Gossweiler anfangs des letzten Vor dem Saisonstart gegen den FC Dür- Diebstahl am Montag in Interlaken ab- renast plagen den Brienzer Verein Ver- seits gehalten hatte, ist flüchtig. Weitere letzungssorgen, ausserdem sind drei Ermittlungen laufen. Jahrhunderts Fachwissen und unternehmeri­ Spieler gesperrt. Die ersten Zuschauer strömen zur Untersuchungsrichteramt IV Ein Zimmer des ersten Minergie- p Bericht: Seite 21 Hauptprobe der «Donnschtig-Jass»- Berner Oberland/Kantonspolizei Bern Hotels, mehr dazu auf Seite 1822...... scher Geist von einer auf die andere Generation Nr. 105457, online seit: 5. August – 18.43 Uhr Sendung ins Neuhaus. Foto: Irene Thali Nr. 105447, online seit: 4. August – 16.59 Uhr weitergegeben werden, ist sicher der Haupt­ grund des Erfolgs. Erscheinungsbild des «Briensers» 2010.

169 Für die Gründerzeit des «Brienzers» völlig nor­ Papeterie und ein Jahr später eine Papierwa­ 1991 die ehemalige Fabrik der Elektromotorenwerke beim mal ist die freisinnig-liberale Orientierung, weil renfabrik, welche Produkte für den Lebensmit­ Bahnhof in Brienz, wandelt die Einzelfirma in eine Aktien­ gesellschaft um und expandiert die Dorfzeitung Richtung damals beispielsweise 6 der 7 Bundesräte frei­ telhandel herstellt und in die ganze Schweiz Meiringen. Nach seinem frühen Krebstod sinnige Parteivertreter sind. Eher ungewöhnlich liefert. Den einstigen Papiersäcken für Obst und klingt aber die folgende Ankündigung in der Gemüse entspricht das heutige multimediale 1993 übernimmt sein Sohn Urs (eines von drei Kindern) ge­ ersten Ausgabe: «In politischer Beziehung soll Wissen, welches das Verlagshaus Gossweiler meinsam mit seiner Frau Beatrice Gossweiler-Abegglen das Unternehmen in vierter Generation. Im selben Jahr begrün­ jede Ansicht zur Sprache kommen können, erfolgreich einsetzt und vermarktet. det Urs Gossweiler die Philosophie der Medienintegration wenn sie anständig und sachlich, ohne persön­ und gilt seither als Pionier in der Branche. liche Verunglimpfung und Anspielung geführt Im Folgenden soll eine Kurzchronik den Über­ 1995 gründet das Brienzer Medienhaus gemeinsam mit wird.» blick zu den wichtigsten Etappen in der Ent­ Omnigraph (MAN-Gruppe) die Mountain Multi Media AG wicklung unseres Lokalblattes vermitteln (zitiert (MMM) als eines der ersten Multimedia-Ausbildungszentren Üblicherweise vertritt eine damalige Zeitung die und ergänzt aus: Century Zeitung, Spezialaus­ in Europa. Position einer einzelnen Partei und verbreitet gabe 100 Jahre Medienhaus Gossweiler, Verlag 1996 übernimmt die Gossweiler AG die Aktienmehrheit von kein parteifremdes Gedankengut. Zwischen der Gossweiler Media AG, Brienz, 2007, S. 13). Omnigraph an der MMM AG und integriert diese in die Mehrheit der Freisinnigen und den Minderhei­ Gossweiler Media AG. Im selben Jahr wird die hauseigene ten der aufstrebenden Sozialdemokraten sowie Kurzchronik Entwicklungsabteilung unter der Leitung von Oliver Brod- wolf-Lieber gegründet. Die Dorfzeitung «Der Brienzer» geht der Katholisch-Konservativen klafft ein Graben. 1. Juli 1896 erscheint die erste Ausgabe der Lokalzeitung in der Folge als erste Zeitung im Kanton Bern online (Inter­ So wird die Leserschaft der Erstausgabe sich «Der Brienzer/Anzeiger der Kirchgemeinde Brienz». net). Es folgen grosse Softwareprojekte für die SRG, das wohl darüber gewundert haben, dass in ihrer VBS, Canon Schweiz und andere. Im Jahre 1896 –1907 Verschiedene Besitzer verwirklichen ihre Ideen Lokalzeitung «Einsendungen, welche in anstän­ einer politisch toleranten, freisinnig-liberal orientierten Lokal­ 2000 kauft die Gossweiler Media AG die Verlagsrechte des digem Tone gehalten, gleichviel, ob der Verfas­ zeitung. 1876 gegründeten «Der Oberhasler» von der Schlaefli & ser sich zur konservativen, radikalen oder gar Maurer AG in Spiez, geht eine Kooperation mit dem 1896 1907 kaufen Fridolin und Margaretha Gossweiler-Thöni die gegründeten «Echo von Grindelwald» ein und lanciert die sozialdemokratischen Richtung bekennt» ab­ 1896 gegründete Lokalzeitung «Der Brienzer» mit dazuge­ «Jungfrau Zeitung» in Interlaken. gedruckt werden sollen. hörender Druckerei. 2001 wird in Erinnerung an Herbert Gossweiler erstmals der 1909 eröffnen sie zusätzlich eine Papeterie und Nach wechselvollem Gründerjahrzehnt Preis Herbert im Rahmen des Giessbach Meetings verge­ 1910 die Papierwarenfabrik. ben. Die Verleihung findet seither jährlich am Freitag nach in den Händen der Verlegerfamilie Pfingsten im Grandhotel Giessbach statt. Gossweiler 1914 kaufen sie das alte Schulhaus von Brienz (Tracht), wo der Firmensitz bis In den ersten 10 Jahren ihrer Existenz prägen 2003 werden innerhalb von zwei Monaten die visionären Projekte «Long Term Meeting» (7 Jahre dauerndes Langzeit­ Besitzerwechsel und wirtschaftliche Turbulen­ 1991 bleibt. Die Liegenschaft ist noch heute im Besitz des projekt mit dem Ziel des Wissensaustausches unter Firmen) zen das Dasein der jungen Zeitung. Ab 1907 Unternehmens. und «Mikrozeitung» (Zeitung im regionalen «Mikrokosmos» bestimmen bisher 4 Generationen der Verleger­ des Jungfraugebiets) lanciert. 1954 übernehmen Fridolin und Hans Gossweiler (zwei von familie Gossweiler die Geschicke des «Brien­ zehn Kindern) in zweiter Genera­tion das Unternehmen. 2007 führt die Gossweiler Media AG als erstes Zeitungshaus zers». der Schweiz Web-TV (in die Internetausgabe eingebettete Ab 1964 führt Hans Gossweiler das Unternehmen alleine, Fernsehbeiträge) ein. bevor Einzig vom Zeitungsgeschäft hätten die Verle­ 2010 übernimmt die neu gegründete «ONZ Obwalden und ger früher und heute nicht existieren können. 1974 Herbert Gossweiler (eines von neun Kindern) das Me­ Nidwalden Zeitung» das Konzept «Mikrozeitung» nach dem Schon 1909, zwei Jahre nach der Übernahme dienhaus in dritter Generation übernimmt. Dieser stellt von Vorbild der «Jungfrau Zeitung» /des «Brienzers». Blei- auf Foto- und später auf Computersatz um, führt den von Druckerei und Lokalzeitung, eröffnen des­ Offsetdruck ein, kauft halb Fridolin und Margaritha Gossweiler eine

170 «Der Brienzer» ist eine Multimediaplattform und erscheint kostenlos im Internet und auf Smartphones und Tablet-PCs. Das Printout (ausgedruckte Zeitung) erscheint am Freitag mit dem Veranstaltungsmagazin «7 TAGE».

171 172 Reise zu den Vorfahren Alter Bergahorn an der Axalpstrasse Bevölkerungs- und Familiengeschichte

Peter Wälti

Wenn auch die Gegenwart und die Zukunft den Einen ersten Überblick über die wichtigsten Ahnentafel zu mathematischen Betrachtungen grössten Teil unseres Daseins ausmachen, so Lebensstationen und die Verwandtschafts- heraus. So hat ein Mensch in der vierten Gene- ist doch der Blick in den «Rückspiegel der Zeit» verhältnisse erhalten wir, je nach unserer Vor- ration, also vor ungefähr hundert Jahren, 16 oft von ebenso wichtiger Bedeutung. stellung, mit Hilfe einer Stamm- oder einer Vorfahren. Auf 8 Generationen oder etwa 200 Ahnentafel. Während die Stammtafel von einem Jahre zurück sind es dann 256 und auf etwa Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen darum einzelnen Ahnen in der Vergangenheit ausgeht 1000 Jahre zurück (40 Generationen) wären es die Bevölkerung und einzelne Familien von und dessen Nachfahren darstellt, zeigt die nach dieser Rechnung 1099 511627 776, also Brienz, wie sie einem vor allem im Zusammen- Ahnentafel die Vorfahren einer bestimmten über eine Billion! In der Praxis stimmt diese hang mit den Kirchenbüchern der Kirchge- Person auf. Im Gegensatz zur Stammtafel, die Rechnung nur auf wenige Generationen zurück meinde Brienz aus der Zeit der 2. Hälfte des sich jeweils nach der Anzahl der Kinder ver- einigermassen: Weil Ahnen in einer Ahnentafel 17. Jh. bis 1780 entgegentreten. Das Jahr 1780 zweigt, hat die Ahnentafel eine gleichmässige mehrfach auftreten, wenn die Elternteile ver- eignet sich als Abschluss dieser Betrachtung, Struktur. Sie zählt in den verschiedenen Gene- wandt sind, verringert sich die Zahl der Vorfah- weil damit vielen vorher geborenen Personen rationen theoretisch immer gleich viele Vorfah- ren in der Vergangenheit. Die Verwandtschaf- auch das Sterbedatum der 1875 endenden ren. In der zweiten Generation sind es Vater und ten verflechten sich um so mehr, je weiter man Totenrödel beigefügt werden kann. Mutter, in der dritten die vier Grosseltern, dann sie zurückverfolgt. Direkter Nachfahre von Na- die acht Urgrosseltern usw. Damit fordert die poleon Bonaparte zu sein ist noch eine Beson- derheit. Dagegen sind praktisch alle aus Mittel- europa stammenden Menschen auf eine Art Vorfahren von Hans Franz Grossmann (5.4.1761– 28.2.1821) Nachfahren von Karl dem Grossen, der im Jah- re 814 starb. Damit werden auch die Brienzer schlussendlich zu Europäern. Hans Franz Grossmann * 5.4.1761 † 28.2.1821 von Brienz BE Wer wissen will, wie seine Vorfahren lebten, ob Hauptmann in Frankreich sie u.a. auch einmal des Nachbars Kirschen gepflückt oder z.B. mit welcher Lebenserwar- tung sie zu rechnen hatten, erstellt eine Fami- Hans Franz Grossmann Madlena Michel liengeschichte (Beschäftigung mit Fragen zu * 15.8.1734 † 10.4.1818 * 16.12.1725 † 3.5.1787 von Brienz BE von Brienz BE einzelnen Familien) oder eine Bevölkerungsge- schichte (Beschreibung über die Entwicklung von Bevölkerungen und deren Strukturen). Die Heinrich Grossmann Barbara Michel David Michel Elsbeth Flück * 13.2.1701 † 20.12.1780 * 24.11.1700 † 23.8.1765 * um 1697 † 8.10.1748 * 11.7.1697 † 25.9.1750 Archive des Bundes, der Kantone, der Kirch- von Brienz BE von Bönigen zu Brienz BE von Brienz BE gemeinden und der politischen Gemeinden, die Statthalter Krämer Grundbuchämter und zahlreiche Bibliotheken enthalten ein beinahe unerschöpfliches Ange- Abb. 1: Ahnentafel des Hans Franz Grossmann mit Eltern und Grosseltern. bot an Aufzeichnungen und Dokumenten.

175 den), so im April 1689 zu Naters im Wallis den Kilchgang (Hochzeit) verrichtet mit Elssbeth Schilt, Hanss Schilts Tochter zu Brientz» eine «Elssbeth« taufen liess. Öfters verrät der Tauf- eintrag auch das Todesdatum des Täuflings oder seltener auch eines Elternteils.

«Eheleüthe so copuliert worden» Die Eherödel 3 enthalten grundsätzlich das Hochzeitsdatum, die Namen des Brautpaares und den Herkunftsort, der in Brienz bei den Männern ab 1667 und bei den Frauen in der Regel ab 1680 vorzufinden ist. Seltener finden sich Einträge wie etwa im Mai 1779, als «Jo- Abb. 2: Taufeintrag von Brienz über die 1689 in Naters getaufte «Elssbeth, Tochter des Chirurgus Christian Depuis seph Lüdi von Heimiswyl mit Margaretha Mi- und der Elssbeth Schilt». chel, Witwe von Brienz» Hochzeit hielt.

Wo die alten Brienzer verewigt sind «Touffrodel der Kilchhöri Brientz» Von 1679 bis 1729 und von 1730 bis 1746 wurde Weil man befürchtete, dass ungetauft verstor- bei 97% aller Brautleute zusätzlich vermerkt, Eine der wichtigsten Grundlagen zum Erstellen bene Kinder nicht ins Paradies kämen, durfte ob es sich um einen Juvenis (junger Mann), dieser Arbeit bilden die im Vergleich zu vielen man sie «auf der Landschafft nicht über vierze- eine Puella (junge Frau), einen Viduus (Witwer) andern Kirchgemeinden des damaligen Staates hen Tag ungetaufft lassen»1. Entsprechend ist oder eine Vidua (Witwe) handelte. Manchmal Bern meist hervorragend geführten Kirchen- in der Folge jeweils vom Taufdatum die Rede. heirateten auswärtige Ehepaare in Brienz oder bücher von Brienz. Die frühesten Eintragungen Die Taufeinträge 2 enthalten grundsätzlich nebst umgekehrt auch Brienzer Ehepaare auswärts. beginnen hier mit den Eheschliessungen von dem erwähnten Datum den Vornamen des Letzteres hatte dann der jeweilige Pfarrer von 1553 und den Taufeinträgen von 1559. Weil Täuflings sowie die Vor- und Nachnamen der Brienz, sofern er davon wusste, in seinem Ehe- der Tod eines Menschen kirchenrechtlich nicht Eltern und der Taufzeugen. Bereits 1667 ver- rodel zu vermerken. zwingend mit einem Sakrament wie die Taufe merkten die Pfarrherren beim Vater des Kinds oder die Ehe verbunden war, wurden die To- ebenfalls den Wohnort, der spätestens ab 1676 Zusätzliche Kommentare in den Ehebüchern tenrödel nur lückenhaft geführt. So wurde das meistens mit dem damals eingeführten Heimat- offenbaren, was in jener Zeit besonders wich- «Verzeichnus der abgestorbenen männer und ort übereinstimmt. tig war. Als «Hanss Fischer und Barbara Flück, wyberen, ouch manbaren (zur Ehe zugelasse- puella, beide von Brientz» am 22.11.1709 Hoch- nen) knaben und döchteren us der Kilchhöri Der Herkunftsort der Mütter wurde bis 1764 oft zeit hielten, erschien Barbara mit «4 Ohren und (Kirchgemeinde) Brientz» erst 1579 angefan- nur beim Hochzeits- oder auch beim Todesein- im Tüechli» vor dem Traualtar. Sie war damals gen. Die Taufen und Ehen aus der Zeit von An- trag und erst nach 1764 überall festgehalten. im siebenten Monat schwanger, womit sie zwei fang 1627 bis Ende 1663 fehlen leider gänzlich Ausnahmsweise finden sich in den Taufregis- Ohren am Kopf und zwei unter ihrem Herzen und die Bestattungen sind nur vereinzelt über- tern auch Angaben über verwandtschaftliche trug. Diesen nicht alleinverschuldeten Zustand liefert. Ab 1664 sind jedoch die Tauf- und Ehe- Verhältnisse sowie Berufe der Väter oder der hatte sie dann am Hochzeitstag mit einem be- bücher und ab 1674 auch die Totenbücher bis Taufzeugen, wie am 16.02.1690 als «Christian sonderen Tüchlein auf dem Kopf zu büssen. 1875 beinahe lückenlos vorhanden. Depuis, ein Chirurgus uss Pündten (Graubün-

176 «Verzeichnus der abgestorbenen Männer und Wyber» Auch bei den Verstorbenen 4 war das Bestat- tungsdatum und nicht der Todestag wichtig. Nebst dem erwähnten Datum enthalten diese Einträge 5 jeweils Namen, Vornamen und in der Regel den Herkunftsort. Je nach dem Fleiss des Pfarrers findet sich dort auch der Zivilstand und seltener der Beruf oder das Amt eines verstorbenen Mannes. Den verstorbenen Ehe- frauen und Kindern fügten die Pfarrherren zu- dem oft den Namen ihres Ernährers bei. Oft ist vermerkt, es handle sich beim Bestatteten um ein Töchterlein, einen Knaben, eine ledige Weibsperson, um Melchers selig Sohn usw.

Die Angabe des Sterbealters wurde leider erst ab 1746 zur Regel; vorher erscheint es nur aus- nahmsweise. Bei den Totenrödeln sind jene des Pfarrers Samuel Babst besonders her- vorzuheben. Während diese in den meisten Kirchgemeinden des damaligen Bernerlandes erst um 1728 zu finden sind, waren Einträge wie: «23.1.1674, Hans Eglers Weib, Greti Stähli von Brientz» oder «15.6.1675 Hans Egler viduus (Witwer) von Brientz» bei ihm die Regel.

Auffallend ist, dass spätestens ab 1696 bis 1745 bei etwa 150 Familien, die zwei Kinder auf den gleichen Namen taufen liessen, der Todes- eintrag des älteren Kindes unauffindbar ist.

1) Chorgerichtssatzungen von 1739, Seite 80. 2) Vorhandene Einträge: 1559 –1573; 1578 –1626; 1664 –1875 3) Vorhandene Einträge: 1553 –1569; 1579 –1626; 1664 –1875 4) Vorhandene Einträge: 1579 –1689, lückenhaft; 1674 –1711; 1720 –1872 5) Vorhandene Einträge: Abb. 3: Eherodel von Brienz mit Einträgen von 1569 und 1559. 1579 –1689, lückenhaft; 1674 –1711; 1720 –1872

177 Sicher fehlen auch solche Kinder, denen kein Schwanden, Mörisried (Schried), Hofstetten und Möglichkeit, schnell im Taufrodel nachzuschla- gleichnamiges folgte, womit wohl damals un- Brienzwiler) umverteilt, was zu kleineren Unge- gen oder zum Telefon zu greifen, um ihr genau- gefähr 300 verstorbene Kinder nicht registriert nauigkeiten betreffend der statistischen Anga- es Sterbealter herauszufinden. wurden. ben führen mag. Mit Hilfe der erwähnten Angaben konnten Bei den «wichtigeren» Brienzern fand es der Gerade die Todeseinträge enthalten oft Hin- anschliessend etwa drei Viertel der ermittelten jeweilige Pfarrer manchmal angebracht, deren weise, die für das Identifizieren von Geborenen Familien miteinander verknüpft werden. In an- sozialen Stand zu vermerken, wie bei dem und Verheirateten sehr hilfreich sind. Weil aber deren Fällen war dies unmöglich. Als zum Bei- am 5.6.1686 bestatteten «Peter Schilt, der oft die Hinterlassenen das Alter ihres lieben spiel am 8.11.1750 «Elisabeth Flück, Christen Seckelmeister (Kassier der Kirchgemeinde)». Verstorbenen nicht kannten, ist leider das bei- Linders von Brientz ehelich geliebte Hausfrau» Spektakuläre Ereignisse wie die folgenden Un- gefügte Sterbealter manchmal ungenau oder begraben wurde, erfuhr der Pfarrer, sie habe glücksfälle fanden am ehesten ihr besonderes irreführend. ein Alter von 40 Jahren, womit sie 1710 hätte Interesse: geboren werden müssen. Leider wurden in So steht im Totenrodel vom 8.10.1799 «am Mor- diesem Jahr zwei verschiedene Elsbeth Flück – Am 19.11.1683 wurde bestattet: gen starb Elsbeth Schmoker, Hans Mathyers getauft. So bleibt unbekannt, ob Elsbeth die «Peter Egler, welcher im Sommer ab einem auf dem Port Ehweib, ungfahr 45 Jahr alt». Tochter des Peter Flück-Stähli oder des Peter Kriessbaum gefallen und 20 wochen im Elsbeth Schmocker war eben ursprünglich von Flück-Kienholz war. beth gelegen.» Goldswil, und es bestand für den Pfarrer keine – Am 18.9.1683 wurde bestattet: «Josi Schwendlers, des Sigrists töchterli Nachkommen von Hans Linder (vor 1665– 30.3.1708) Namens Leni, welches Im Bürgli in See gfallen und ertrunken.» Anni Müller Anna Wyss Elsbeth Flück Hans Flück Anna Stähli * 21.2.1697 * um 1700 * um 1710 * 11.8.1695 * 29.3.1711 Chorgerichtsmanuale † 29.11.1767 † 30.12.1778 † 8.11.1750 † 16.1.1779 † 22.4.1767 von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE von Hofstetten/ Diese in Brienz von 1587 bis 1828 erhaltenen Schulmeisters Brienz Tochter Bücher enthalten die von den Chorrichtern ge- oo 16.11.1714 oo 24.11.1719 oo 12.11.1739 oo 22.10.1717 oo 22.10.1717 fällten Urteile zu noch so kleinen Diebstählen, Hans Linder Peter Linder Friedrich Linder Christen Linder Babi Linder Ulrich Linder über verbotenes Spielen, Tanzen und Tabak * 7.10.1683 * 25.12.1686 * 13.7.1690 * 23.9.1694 * 29.5.1698 * 22.1.1702 † 27.8.1685 † 30.3.1748 † 16.1.1755 † 19.1.1770 † 19.4.1764 † 11.6.1780 rauchen, über unverheiratete Mütter usw. (s. S. von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE von Brienz BE 91–102)

Anna Stähli Die Familienrekonstruktion * vor 1667 † nach 1708 von Brienz BE Um möglichst vieles über die Bevölkerung von oo 25.4.1681

Brienz sagen zu können, habe ich die getrennt Hans Linder eingetragenen Tauf-, Ehe- und Todeseinträge * vor 1665 † 30.3.1708 der Kirchgemeinde Brienz mit Hilfe eines Ge- von Brienz BE Schuhmacher nealogieprogramms familienweise zusammen- geführt und auf die einzelnen damaligen Dörfer der Kirchgemeinde (Oberried, Ebligen, Brienz, Abb. 4: Rekonstruierte Familie, zusammengeführt aus Tauf-, Ehe- und Totenregister-Einträgen.

178 Mit weiteren Angaben aus den Burgerregis- Bevölkerungsentwicklung von 1664 –1780 in der Kirchgemeinde Brienz tern (Verzeichnis der in den einzelnen Einwoh- nergemeinden heimatberechtigten Familien), Geburten Ehen Verstorbene Kontraktenmanualen (Bücher mit Schuldbrie- 120 fen, Erb- und Eheverträgen usw.) und anderen 100 Quellen verschiedener Archive könnte wohl noch manche Lücke gefüllt werden, was aber 80 wegen des enormen zusätzlichen Aufwandes 60 nicht möglich war. 40

20 Bevölkerungsentwicklung 0 Das Zusammenspiel von Geburten,

Hochzeiten und Todesfällen J-1664 J-1668 J-1672 J-1676 J-1680 J-1684 J-1688 J-1692 J-1696 J-1700 J-1704 J-1708 J-1712 J-1716 J-1720 J-1724 J-1728 J-1732 J-1736 J-1740 J-1744 J-1748 J-1752 J-1756 J-1760 J-1764 J-1768 J-1772 J-1776 J-1780 Am Auf und Ab der in Abb. 5 und 6 enthaltenen Datenreihen erkennt man eindrücklich die gu- Abb. 5: Jährliche Geburten, Eheschliessungen und Todesfälle der Kirchgemeinde Brienz von 1664 –1780. ten und schlechten Zeiten. Die Lücken in den Datenreihen entsprechen den Erfassungslücken der Kirchenbücher.

Bewegen sich die Kurven der Geburten und gang von 1707 ebenfalls mit einer Abnahme. Krisenzeiten Todesfälle auseinander, wie zum Beispiel von Andererseits kündigen vermehrte Hochzeiten 1701 bis 1707, bedeutet dies einen Geburten- logischerweise auch ein Zuwachsen der Taufen Krisenzeiten sind Zeiten, in denen die Bevölke- überschuss und damit ein Bevölkerungswachs- an, wie das im Zeitraum von 1664 bis 1684 rungsentwicklung durch äussere Einflüsse wie tum. Übersteigt die Zahl der Todesfälle jene der ersichtlich ist (vgl. Abb. 5). Epidemien, Hungersnöte usw. wesentlich be- Geburten, weist dies auf einen Überschuss an einflusst wurde. Verstorbenen und damit auf eine Bevölkerungs- abnahme, bzw. auf eine durch Hungersnot, Bevölkerungsentwicklung von 1664 –1780 in der Kirchgemeinde Brienz Krankheiten, Kälteperioden oder andere Ursa- chen erzeugte Krisenzeit hin. 30 Anzahl Geburten minus Anzahl Todsfälle 20 Die Geburtenkurve bietet von allen drei die 10 sicherste und lückenloseste Aussage. Jene der Toten verläuft zwar wegen in einigen Perioden 0 vermutlich nicht registrierter Kinder etwas zu -10 Zunahme Zunahme tief, was aber ihre Aussagekraft nur unwesent- Depression Zunahme bis ca. 1683 1701 – 1707 -20 lich beeinflusst. Die Kurve der Ehen ist schon Erfassungslücken Epidemien Kleine Eiszeit 1711 – 1730 1750 – 1768 nur wegen der geringen Anzahl der Eheschlies­ -30

sungen von Brienz weniger aussagekräftig. Sie 1674 1678 1682 1686 1690 1694 1698 1702 1706 1710 1714 1718 1722 1726 1730 1734 1738 1742 1746 1750 1754 1758 1762 1766 1770 1774 1778 verhält sich manchmal wie ein mit Verzögerung Abb. 6: Die Säulen zeigen den Geburtenüberschuss und die Krisenzeiten des Dorfes Brienz an. Die Säulen oberhalb der 0-Linie wirkendes Barometer. So reagiert sie 1717 mit zeigen die Jahre, in denen die Bevölkerung zunahm. Jene unter der 0-Linie weisen auf die bereits erwähnten Krisenzeiten mit acht Jahren Verzug auf den Bevölkerungsrück- Bevölkerungsabnahme hin.

179 Einige der schlimmsten Krisen sind im folgen- Babyboom nach der Pest von 1669/70 den kurz beschrieben:

Pestzeit 1669/70 mit anschliessendem 70 Babyboom und Bevölkerungszuwachs 62 66 Vom Herbst 1669 bis Ende April 1670 herrschte 60 in Oberried die letzte der seit dem 14. Jh. auch 49 50 50 44 42 am Brienzersee regelmässig wiederkehrenden 41 45 44 Täuflinge der 39 Kirchgemeinde Pestseuchen (s. S. 79, 118 f.). Damals trugen 40 28 26 die Oberrieder mindestens neun Pestopfer 30 24 Täuflinge 22 20 22 von Brienz 26 durchs Totengässlein beim Friedhof in Brienz 20 17 15 hinauf zu ihrer letzten Ruhestätte. Von den übri- 11 11 14 Hochzeiten der 17 17 10 77 8 13 Kirchgemeinde gen Dörfern der Kirchgemeinde sind keine 4 12 Pestopfer erwähnt. 0

1664 1665 1666 1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673

Das Totengässlein; so heisst das schmale Gässlein, das ausserhalb der westseitigen Einfassungsmauer des Brienzer Friedhofes verläuft und das Seeufer mit dem alten Fuhrweg nach Interlaken und zwischen- Abb. 7: Pestzeit 1669/70 und nachfolgender Babyboom 1670/71 hinein mit dem Gottesacker selbst verbindet. – Das Gässlein soll zur Pestzeit angelegt worden sein, als die Leute von Oberried genötigt waren, ihre Toten auf brachte. Das gleiche Phänomen des Geburten- Missernten und Hungersnöte waren die unaus- dem Seeweg nach Brienz zu bringen. Da legten denn anstieges in Krisenzeiten kann übrigens auch weichlichen Folgen, die sich, was nicht anders die vielen traurigen Schiffsfuhren am Ufer an, die andernorts beobachtet werden. zu erwarten ist, direkt auf die Bevölkerungsent- Schiffsleute luden die Totenbäume auf die Schultern 6 und trugen sie das Gässlein hinauf in die Gruben. wicklung auswirkten: Ab 1689 zog die Klima- Die Brienzer dagegen, die von der Pest anfangs Kleine Eiszeit Krise besonders heftig an. verschont blieben, betraten den Friedhof von einer Spätestens nach der Pest von 1669/70 zeigt andern Seite. sich in Brienz eine tendenzielle Bevölkerungs- Noch von 1670 bis 1688 taufte Pfarrer Samuel Albert Streich, Brienzer Sagen, Bern 1978, S. 66 zunahme, die bis in die Mitte der 80er Jahre Babst im Durchschnitt jährlich 24 Brienzer Kin- dauerte. 1675 erfolgte jedoch ein erster Ein- der. 1692 standen jedoch nur noch 10 Brienzer bruch in dieser Entwicklung (vgl. Abb. 5 und 6). Elternpaare mit ihrem Neugeborenen beim Der Schwarze Tod hat anscheinend auf seine Vier Jahre später überstieg die Anzahl der Ver- Taufstein in der Kirche. 1692 kam der Toten- Weise bewirkt, dass noch während der Pest storbenen von Brienz erneut jene der Neuge- gräber von Brienz höchstens vom Mai bis im sieben Oberrieder Pärchen mehr als sonst eine borenen. August und 1693 nur noch im Juni etwas zur Familie gründeten, die dann auch sofort für den Ruhe. Auch im Jahr 1690 trappte wohl man- Ausgleich ihrer verstorbenen Lieben sorgten Ab Mitte der 1680er Jahre wurden die Winter cher vom Hunger geplagte Brienzer schweren (vgl. Abb. 7). Nur die leicht ansteigende Daten- immer kälter und länger. Gleichzeitig setzten Herzens den Kirchbühl hinauf, um sich in der kurve der Ehen, vor allem aber die auffallend immer kürzer werdende, niederschlagsreiche Kirche vor den strengen Chorrichtern wegen ansteigende Geburtenrate zeugt noch vom und kühle Sommer ein, die sich erst kurz nach eines wohl aus Hungersnot entstandenen einstigen Babyboom und beweist, dass ihnen der Jahrhundertwende im Durchschnitt wieder Diebstahls zu rechtfertigen: allen der drohende Tod die Knie zum Erzittern über die Nullgradgrenze erhoben. 6

180 – Im Mai hat Schnäderhans anderer Leute Die Zeit der grossen Epidemien Epidemie. Sechs Jahre danach, im ersten Halb- Kühe gemolken. Von 1750 bis 1768 schreckte der Tod die Leute jahr 1764, raffte eine weitere Epidemie schon – Im Juli hat Hans Danners Peter «uss des am Oberen Brienzersee gleich fünfmal gewaltig wieder vor allem die noch nicht siebenjährigen Caspar Fuchsers Garten bim Todtengässli auf (vgl. Abb. 6 und 8). Kinder dahin. Im Jahr 1766 übertraf die Anzahl Rübli genommen». der Toten von neuem jene der Geburten. – Im August haben zwei Knaben auf Maria Vom Januar bis Ende Juli 1750 läutete das To- Stählis Kirschbaum Kirschen gepflückt. tenglöcklein noch je Monat höchstens dreimal. Dieses Mal heimste der Tod seine Opfer zwar – Im September hat Steffan Knöris Weib einen Von Anfang August bis Ende Jahr kündete es wieder im Winter, jedoch über alle Alterskate- fremden Kannenbirnbaum geschüttelt. jedoch im Durchschnitt jeden zweiten Tag eine gorien hin eher gleichmässig ein. Der Tod gönn- Bestattung an. Die weitaus grösste Anzahl an te ihnen keine lange Verschnaufpause. Vom Noch am 14. März 1695 vermerkte Pfarrer Verlusten wiesen die noch nicht sieben Jahre Januar bis April deckte der Winter 1768 erneut Heinrich Bäckli von Meiringen in seinem Tauf- alten Kinder sowie jene Leute, die das 40. sanft sein weisses Kleid über 12 noch nicht rodel: «Item von mitten January biss hütt dato Altersjahr überschritten hatten, auf. siebenjährige Kinder und 43 über 40 Jahre den 14. Mertz ist der Thunersee gantz über- alte Männer und Frauen der Kirchgemeinde. In froren gsin, dz man zu fuss darüber gangen. Leider vermerkte der damalige Pfarrer Ludwig Brienz selbst starben in den ersten vier Mona- O Gott bis uns gnedig durch Jesus Christus, Walther, wie auch alle anderen Pfarrherren im ten jenes Jahres 21 Personen, während in den amen. Solche strenge kelti und dz der Thuner- Umkreis von Brienz, bei keinem einzigen der übrigen acht Monaten nur noch 8 Tote zu be- see ist überfroren gsin hat gewehret biss in damals Verstorbenen die Todesursache. In die- klagen waren. April.» Danach begann sich jedoch das Klima, sem Jahr riss jedoch die Rote Ruhr (blutiger abgesehen von einem Rückschlag im Jahr Durchfall) gut 5 % der bernischen Bevölkerung Auch Pfarrer Samuel Thüring Gruber legte lei- 1699, zu erholen und mit dem Jahr 1701 verab- ins Grab.7 der keinen grossen Wert auf die Beschreibung schiedete sich diese «Kleine Eiszeit» endgültig. von Todesursachen. Damit ist anzunehmen, dass die vielen verstor- 1701 erblickten in Brienz wieder 20 Kinder und benen Brienzer wohl derselben Krankheit erla- Scheinbar unberührt rapportiert er, wie alle sei- 1719 gar 25 Kinder das Licht der Welt, Zahlen, gen. Jeremias Gotthelf schilderte in «Geld und ne nachbarlichen Kollegen, in seinem Totenre- die erst 1754 übertroffen wurden. Von da an Geist» die Rote Ruhr wie folgt: «Es war, als ob gister: stieg die Zahl der Taufen in der Kirchgemeinde der Blitz eingeschlagen hätte ins Haus, da war – 9.1.1768 «Peter Flick von Brienz, ein Ehe- bis 1707, während die Anzahl der Todesfälle kein Gesicht, welches nicht bleich ward, keine man, welcher zu Ebligen wohnhaft gewesen, gleichzeitig abnahm. Hand, die nicht zitterte, daran hatte man nicht 42 Jahr alt.» gedacht, dass die Mutter den Roten Schaden – 16.1.1768 «Magdalena Roth aus Grindel- Dies zeigt, dass die Bevölkerungszahl, wie bekommen konnte.» wald, Peter Fliks obstaht Eheweib, 44 Jahr überall im damaligen Bernerland, wieder im Zu- alt.» nehmen begriffen war. Der auffällige Rückgang 1758 griff der Tod in den ersten fünf Monaten – 7.2.1768 «dem Peter Wyss von Brienz ein der Taufen nach 1707 kann teilweise als Echo- des Jahres zu. Erneut waren vor allem die unter Knäblein Namens Melcher. Alter 2 Jahr». Effekt der vergangenen Krisenjahre betrachtet sieben und über vierzig Jahre alten Leute be- – 22.2.1768 «Elsbeth Tommen, Jakob Stählis werden (vgl. Abb. 5). troffen. Und wieder findet sich in den Toten- selig von Brienz Witwe, 69 Jahr alt.» büchern von Brienz und den übrigen oberhalb des Krattiggrabens (westliche Grenze des en- geren Oberlandes) liegenden Kirchgemeinden 7) Historisch-Statistischer Atlas des Kantons Bern, 6) Klimaatlas der Schweiz. Bundesamt für 1750–1995, Christian Pfister und Hans-Rudolf Egli, Landestopographie. Wabern, 1984, Blatt Nr. 14.4 kein Hinweis über die mögliche Ursache dieser Hist. Verein des Kantons BE, Bern 1998, S. 56 f.

181 Die schlimmsten Krisenzeiten und ihre Toten reden, was in Brienz wohl öfters geschah, ver- merkt doch der oben erwähnte König: «Weiber Jahre Kirchgemeinde Brienz und Mädchen gibt es recht hübsche im Has- Tote und Taufen Krisen Tote und Todesalter während Krisenzeiten Tote und Taufen Krisen lithal, zu Brienz und Unterseen, sonst habe ich ganzes Jahr ganzes Jahr wenige rühmenswerthe angetroffen», was wohl Total † * Differenz Monate ? Tote † * Differenz † auch den auswärtigen Männern nicht entging. 0 – 6 7 – 20 21 – 40 41 – 60 61 – 95

1692 43 34 -9 ohne 5 – 8 9 1 1 27 38 22 10 -12 17 1693 45 29 -16 ohne 6 11 4 2 26 43 22 17 -5 20 Das Hochzeitsfest selbst war am Brienzersee in 1750 96 27 -69 8 – 12 32 3 8 15 19 1 78 36 9 -27 30 der Regel sehr feierlich. Am Tag zuvor war die 1758 95 41 -54 1 – 5 19 4 6 22 27 1 79 49 21 -28 43 1764 79 43 -36 1 – 7 43 4 1 8 10 0 66 36 21 -15 28 Kränzleten. Da lud die Braut ihren ganzen 1766 64 47 -17 1 – 5 6 9 5 19 7 0 46 22 16 -6 15 Freundeskreis zu einem guten Imbiss ein, um 1768 84 46 -38 1 – 4 12 1 7 18 25 0 63 29 19 -10 21 gemeinsam ihren Hochzeitskranz und Blumen- Abb. 8: Die schlimmsten in Brienz feststellbaren Krisenzeiten von 1674 –1780. († = Todesfälle; * = Geburten; ? = Alter unbekannt). gebinde von Zypressen, Nelken und Rosmarin zu verfertigen. Bei Anbruch des Hochzeits- Wenn auch die Totenbücher des Oberen Aa- Die Zusammensetzung der tages wurden dann die Hochzeitsgäste durch reraums kaum Angaben über tödliche Krank- Dorfgemeinschaft Posaunenklang vor ihren Wohnungen zum Fest heiten enthalten, so führt doch wenigstens eingeladen, und hernach zog die ganze Hoch- Pfarrer Nöthiger von Ringgenberg in seinem Die Hochzeit zeitsgesellschaft unter dem Klang der Musikan- Bericht von 1780 einige der «hier herrschenden Das Heiraten war im Alten Bern streng geregelt. ten in die Kirche, wo das Brautpaar seine Ehe Krankheiten» auf (s. S. 119). Wie F.N. König von seiner «Reise in die Alpen» endgültig besiegelte. Bei der anschliessenden im Jahr 1814 berichtet, hatte aber der Nach- Mahlzeit hatte sich die Braut hinter den Tisch So erwähnt er, dass fast jedes Jahr «im Augst- wuchs auch damals seine eigenen Regeln, wie zu setzen, während der Bräutigam, mit einer und Herbstmonat (September) die Rothe, oder zum Beispiel den Kiltgang (Brautwerbung). Da weissen Schürze umgürtet, seinen Gästen das eine Art Gallenruhr mehr oder weniger gras- zogen die Jünglinge bald einzeln und bald in Essen aufzutragen und sie zu bedienen hatte. siert». Was aber «die Poken oder Kinderblatern Gesellschaft vor das Haus der Angebeteten und ihre Wirkungen betrifft», meldet er, dass sie und hielten unter ihrem Fenster zärtliche Re- Gegen Abend nahm er dann seiner Braut unter hier selten stark herrschen und dass nicht oft den. Wenn dann das Mädchen seinem Bur- verschiedenen Zeremonien ihren Kranz von ein Kind daran sterbe. Wie Abb. 8 zeigt, forder- schen das Fensterlein auftat, dann stieg der ihrem Haupt, worauf sie vom Sitz hinter dem te der Tod jedoch sehr oft im ersten Halbjahr Auserkorene zu ihr ins Kämmerlein, wo er auch Tisch befreit war. 8 die meisten Opfer. Klirrend kalte Wintermonate, gleich mit Kirschwasser erfrischt wurde. Alles übermässig geheizte Wohnstuben, eintönige Weitere gehe dann in der grössten Zucht und Die Herkunft der Ehepartner und gegen den Frühling versiegende Nahrung Ehrbarkeit zu. Es gebe aber doch oft Sympto- Von 1674 bis 1780 heirateten in der Kirche von werden wohl das Ihrige dazu beigetragen ha- me, die zum Glück meistens nach der Kirche Brienz 1380 Ehepaare. Darunter waren 530 ben. führten. Gatten und nur 487 Gattinnen mit Heimatort Brienz. 40 bis 50 Frauen werden sich auswärts Wenn aber ein Mädchen in ein anderes Dorf verheiratet haben, weshalb sie in den Kirchen- heiratete, dann zogen die Burschen zum Haus büchern von Brienz nicht mehr erscheinen. Die der «Abtrünnigen», vollführten dort mit Trycheln Eherödel zeigen übrigens, dass schon damals (stählerne Kuhglocken), Peitschen und Kesseln auch gerne auswärts geheiratet wurde. In sol- einen Heidenlärm und hielten allerlei Spott- chen Fällen gab man sich das Jawort beson-

182 ders gerne in den Kirchen von Ringgenberg, Das Hochzeitsalter Der Nachwuchs Meiringen, Leissigen und Gsteig bei Interlaken. Wie aus Abb. 9 ersichtlich ist, heirateten verein- In der Kirchgemeinde Brienz hatte ein guter Für die Partnersuche reichte in den weitaus zelte Frauen bereits mit 15 Jahren. Der erste Hausvater jeweils schon lange vor der Geburt meisten Fällen ein Tagesmarsch. Über die Hälf- Viertel der Frauen war mit 20, die Hälfte mit 23 eines Kindes ein «Lagel guten Weines» ins Haus te der Brienzer Männer und Frauen suchten und drei Viertel mit 27 Jahren verheiratet. zu schaffen. Kaum war die Kindbetterin gene- sich ihren Gatten oder ihre Gattin in Brienz sen, gab es einen Kindbettschmaus und für die selbst. Etwa ein Viertel der Heiratsfähigen Die Männer waren, wie heute, bei der Hochzeit genesene Mutter häufige Weinsuppen, welche fand seinen Ehepartner in Oberried, Ebligen, etwas älter. Der erste Viertel war mit 24, die ihr Kraft und Leben spenden sollten. Das Kind Schwanden, Hofstetten oder Brienzwiler und Hälfte mit 25 und drei Viertel mit 32 Jahren wurde wenn möglich schon am nächsten Tag ein Sechstel im weiteren Raum des Engeren verheiratet. Wer 42 Jahre und älter war, heirate- und nüchtern getauft, denn so sollte es fromm, Oberlandes. Nur 4% der Brienzer/-innen wag- te in Brienz nur noch in Ausnahmefällen. Etwa geschickt und mit besonderen Tugenden ge- ten sich, diesen Kreis zu überschreiten. jeder siebente Mann und anscheinend nur jede ziert werden.10 fünfzehnte Frau heiratete zwei und einige weni- Über den Brienzergrat hinüber ins katholische ge gar dreimal. Dass mehr Männer als Frauen Von 1674 bis Ende 1780 wurden in der Kirchge- Flühli LU hat sich offiziell niemand getraut, denn bei ihrer zweiten Ehe einen unverheirateten meinde Brienz 4860 Kinder getauft. Im Dorf «römisch-catholische Weiber zu heurathen» Partner heirateten mag zutreffen, ist aber nicht Brienz wurden in dieser Zeit 2080 Kinder gebo- war «verbotten». Wer es trotzdem tat, der hatte eindeutig gesichert. Sicher ist jedoch, dass sie ren. Von diesen waren 987 Knaben und 975 das «Vatterland verwürckt» und sein Hab und nur in verheiratetem Zustand miteinander leben Mädchen in Brienz heimatberechtigt; die übri- Gut wurde konfisziert.9 Doch, dass es auch durften. Und wenn in einer kinderreichen Fami- gen 118 Täuflinge oder knapp 6 % waren somit im angrenzenden Entlebuch alte Oberländer- lie ein Elternteil starb, musste die Lücke sicher Kinder von Hintersassen (nicht heimatberech- Familiennamen wie Flück, Studer und Balmer sofort ausgefüllt werden, was oft noch im tigte Einwohner von Brienz). Die Überzahl der gibt, mag andeuten, dass es solche Über- Todesjahr des verstorbenen ersten Ehepart- Knaben, die im Dorf Brienz sehr klein war, glich schreitungen auch gab. ners geschah. sich wohl schon mit ihrer erhöhten Säuglings- sterblichkeit aus. Hochzeitsalter der Brautleute in der Kirchgemeinde Brienz (1674 –1729) Der Misserfolg der strengen Vorschriften jener 30 Zeit zeigt sich an der Anzahl der unehelichen 25 und der vor der Hochzeit gezeugten Kinder. In 20 der erwähnten Zeit gab es in der Kirchgemein- 15 de zwar nur 62 und in Brienz bloss 11 uneheli-

10 Frauen che Kinder; doch ungefähr 25 % der Frauen 5 Männer waren bei der Hochzeit mindestens seit einem Monat schwanger. 0

Jahre 15Jahre 17Jahre 19Jahre 21Jahre 23Jahre 25Jahre 27Jahre 29Jahre 31Jahre 33Jahre 35Jahre 37Jahre 39Jahre 41Jahre 43Jahre 45Jahre 47Jahre 49Jahre 51

) 8 Burgerbibliothek Bern: GA OGG – Mss. Oek. Ges. 4° Abb. 9: Das Hochzeitsalter der Brautleute der Kirchgemeinde Brienz (1674 –1729). Damit die Statistik aussagekräftiger wird, 10/10 / Bericht von: Joh. Rud. Nöthiger (1739−1826), wurden hierzu die grösseren Zahlen der ganzen Kirchgemeinde aus der Zeit von 1674 bis 1729 verwendet. In jener Zeit Pfarrer in Ringgenberg von 1770–1783. hei­ra­teten 270 Ehemänner und 263 Ehefrauen, von denen auch das Taufdatum bekannt ist, zum ersten Mal. Von diesen 9) Chorgerichtssatzungen 1743, S. 25 heirateten 36 Männer und 17 Frauen ein zweites Mal und 3 Männer gar dreimal. Damals gab es noch kaum Scheidungen. 10) Burgerbibliothek Bern: GA OGG – Oekonomische Der Grund für mehrfaches Heiraten wird also der Tod der Gattin bzw. des Gatten gewesen sein. Gesellschaft. 4° 10/10.

183 Unter den erwähnten 4860 Täuflingen konnten Mütter und ihre Kinder 118 bzw. 2,4 % Zwillinge festgestellt werden. 54 waren von Brienz, worunter 34 Fischer, 80 Michel, Schild, Flück oder Müller hiessen. 70

Die Grösse der Familien 60

In der Zeit von 1674–1729 gebar jede Brienzer- 50 frau im Durchschnitt 3,6 Kinder. 14% der Müt- 40 Anzahl Mütter ter blieben kinderlos. Damit liegt dieser Anteil etwa gleich hoch wie von 1690 bis 1749 in der 30 11 Stadt Luzern. Rekordhalterin war mit 13 Kin- 20 dern «Cathry Schilt», geboren vor 1664. 10

Am 20.1.1682 heiratete sie Hans Fischer von 0 Brienz und brachte von Februar 1682 bis April 1 Kind

1704 fünf Knaben und acht Mädchen zur Welt. 0 Kinder 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder 5 Kinder 6 Kinder 7 Kinder 8 Kinder 9 Kinder 10 Kinder 11 Kinder 12 Kinder 13 Kinder Drei Mal liessen sie unter anderen eine Cathry- na und zweimal eine Anna taufen. Nur die jün- Abb. 10: Die Angaben dieser Abbildung beruhen auf 405 Ehefrauen, die von 1674 bis 1729 zum ersten Mal heirateten und gere Anna überlebte. Die anderen vier und ein von denen das Sterbedatum bekannt ist. Sie gebaren insgesamt 1462 Kinder. 59 Mütter dieser Zeit blieben kinderlos. Bruder Namens Ulrich müssen während der «Kleinen Eiszeit» verstorben sein. Am 8.4.1721 Anzahl Verstorbene und Lebensalter registrierte der Pfarrer die Bestattung von «Hans Fischers Weib, des Schmids zu Tracht». 400 Am 2.11.1731 verrät der Totenrodel von Brienz, «Hans Fischer von Brientz, by 76 Jahr» sei be- 350 stattet worden. Dieses Ehepaar hatte in Brienz 300 nachweisbar 9 Grosssöhne und 7 Grosstöch- 250 ter. Wie viele Nachkommen von diesem Ehe- 200 paar leben heute wohl noch in Brienz? 150

Die Sterblichkeit 100 Die Abb. 11 macht glauben, es seien im Ganzen 50 mehr Männer als Frauen verstorben, was aber hauptsächlich auf die ungleich genaue Doku- 0 mentation der beiden Geschlechter zurückzu- führen ist. Besonders fällt die grosse Sterblich- 00–05 06–10 11–15 16–20 21–25 26–30 31–35 36–40 41–45 46–50 51–55 56–60 61–65 66–70 71–75 76–80 81–85 86–90 91–94 Bestattete Männer Bestattete Frauen

11) Urspeter Schelbert, Bevölkerungsgeschichte der Abb. 11: Die Abbildung bezieht sich auf 1766 Männer und 1548 Frauen der Kirchgemeinde Brienz, deren Taufdatum vor Pfarreien Freienbach und Wollerau im 18. Jahrhundert, Ende 1780 nachweisbar ist und die in der Zeit von 1674 bis 1875 auf dem Friedhof von Brienz bestattet wurden. Die höhere Chronos Verlag, Zürich 1989, Seite 147 Zahl an verstorbenen Männern entstand vor allem, weil die Männer jener Zeit besser dokumentiert sind als die Frauen.

184 Die Säuglingssterblichkeit

Totgeburten 4%

ungetaufte Verstorbene 6%

Knaben unter 12 Monaten 11% Das 1. Lebensjahr überlebt 70%

Mädchen unter 12 Monaten 9%

Abb. 12: Die Säuglingssterblichkeit der Jahre 1675–95 und 1720–28. keit der Kleinkinder auf (vgl. Abb. 11 und 12). ten 35 Jahre kontinuierlich anzusteigen, worauf sie in den nächsten Jahren wesentlich steiler Von 1675– 95 und von 1720 –28 erlebte jedes abfiel. Es fällt zudem auf, dass ab ungefähr dem zehnte Kind seine Taufe nicht und weitere 21% 55sten Lebensalter die Frauen eine bessere verstarben im ersten Lebensjahr. Über die gan- Lebenserwartung als die Männer hatten, was ze untersuchte Zeit erlebte mindestens jedes auch heute so ist (vgl. Abb. 11). vierte Kind nachgewiesenermassen das zehnte Altersjahr nicht und obwohl damals immerhin Als Todesursache werden oft aufgeführt: Was- jede 150ste Person über 90 Jahre alt wurde, sersucht (abnorme Ansammlung von Körper- betrug die Lebenserwartung eines Säuglings flüssigkeit), Totgeburt, Stich (stechender Schmerz Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): im Durchschnitt nur 45 Jahre. im Körper), Schlagfluss (Schlaganfall), Rote Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- Ruhr (blutiger Durchfall), Kindbetttod, Alters- sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im Wer jedoch das zehnte Lebensjahr erreichte, schwäche, Auszehrung sowie Unfälle beim Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- durfte mit 30 weiteren relativ gesunden Jahren Bergheuen, Ziegen hüten, Kirschen pflücken, teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte und einer durchschnittlichen Lebenserwartung durch Steinschlag, Lawinen usw. Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen von 60 Jahren rechnen. Nach dem 40sten Le- sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren. bensjahr begann die Todesrate für die nächs-

185 Familiennamen von Brienz vor 1780

Peter Wälti

Die Schreibweise der Namen in alter Zeit Um damit ihren Besitz zu kennzeichnen, wer- Beruf (Fischer, Fuchser, Kuster), einen Überna- Die Schreibweise der Vor- und Nachnamen den noch im 19. Jahrhundert viele Brienzer mit men (Grossmann, Wyss) oder auf den Rufna- blieb bis ins 19. Jahrhundert dem Gutdünken einem Messer oder einer Axt ihr Hauszeichen, men (Thomann, Thöni) seines ersten Trägers. und sprachlichen Einfühlungsvermögen der auch Holzer-Zeichen genannt, in ihre hölzernen Weil uns die Entstehungsgeschichte der Na- einzelnen Schreiber überlassen. Da wurde im Geräte oder ihre gefällten Baumstämme einge- men und oft auch deren ursprünglicher Sinn in November 1682 eine Catharina Zum Stein von kerbt haben. Damit besassen diese Zeichen vielen Fällen verborgen bleibt, können diese Schwanden getauft. Als 1719 Peter Schilt von grundsätzlich die gleiche Eigenschaft wie ur- manchmal weder eindeutig bestimmt noch ei- Schwanden seine «Catrina» heiratete, nannte sprünglich die Familienwappen, die Brandzei- ner Namensgruppe zugewiesen werden. So sie ein nächster Pfarrer nicht mehr «Zum Stein», chen beim Vieh oder heute die Logos. können zum Beispiel die Gusset (in Brienz als sondern «Steiner». Sie starb 1749 als «Catha­ Guset, Gousset, Gouhset und Gusset eingetra- rina Steiner von Schwanden, eine Ehefrau von Die Entwicklung der Familiennamen gen) mit dem französischen Wort «gousset» 67 Jahren.» Der Familienname Thomann wurde Zuerst trug nur der Adel einen meist aus der (kleiner Geldbeutel, Winkelblech) oder mit ei- auf mindestens sechs verschiedene Arten ge- Herkunft oder dem Sitz abgeleiteten Namen, nem der in Frankreich vorkommenden Ort- schrieben: Doman, Dommen, Domman, Tho- der schliesslich zum Familiennamen wurde. schaften Namens Gousset in Verbindung ge- man, Thomen und schliesslich Thomann. Bis Das gewöhnliche Volk begnügte sich mit einem bracht werden. Mit gleichlautenden und den Ende 1769 findet man zum Beispiel auch oft Vornamen wie Kuno, Heinrich, Wernher, Ulrich, Brienzer Pfarrherren möglicherweise unbe- anstatt Flück den Namen «Flick» und noch in Adelheid, Verena usw. Die Bauern und Hand- kannten Schreibweisen wie «Cousset» (Ort- den 70er Jahren des 19. Jahrhundert wurde die werker des deutschen Sprachraums begannen schaft im Kanton Freiburg) und «Cousette» Familie Mäder von Schwanden gemäss dem sich im 12. Jahrhundert in den Städten und in (Nähmädchen) ergeben sich weitere Deutungs- Sprachverständnis der Brienzer in den Kirchen- den ländlichen Gebieten, wo der Unterschei- möglichkeiten. büchern als «Meder» registriert. Das Schriftbild dungszwang noch nicht so gross war, ab dem der Familiennamen in der Schweiz wurde erst 13. und 14. Jahrhundert gegenseitig einen zu- Mindestens bis ins 15. Jahrhundert waren die 1876 mit dem Übergang von der kirchlichen zur sätzlichen Namen zu geben; dies vor allem, Familiennamen noch auswechselbar und damit zivilen Registerführung vereinheitlicht. So wie wenn sie z.B. in einer Urkunde eindeutig be- mindestens in manchen Fällen nicht erblich. So die Familiennamen damals in den Kirchenbü- zeichnet werden mussten. erwähnt «Rudolf, genannt an der Hupplon» im chern standen, wurden sie in der Regel auch Holznutzungsstreitfall von 1303 (s. S. 71, 75) in die Zivilstandsbücher übernommen. Die damals auch zur genaueren Bezeichnung seinen Bruder «Burchard, z’Ustrost genannt» und Unterscheidung der vielen Männer glei- und dessen Sohn, «Heinrich, genannt Zenger». Hauszeichen als Erkennungsmerkmal chen Vornamens zugeteilten zusätzlichen Na- Im Laufe der Zeit, vor allem aber mit der Einfüh- Der um 1303 in Brienz wohnende «Jacob ge- men, wie z.B. «Cuno von Brienz» und nach sei- rung der Taufregister im 16. Jahrhundert, be- nannt von der Enge» (wahrscheinlich heutige nem Umzug «Cuno von Ringgenberg» (ca. gannen sich die vorerst im Sinn von Überna- Engi) konnte sicher weder lesen noch schrei- 1200 –1240) oder «Walther genannt in der men verwendeten Familiennamen jedoch zu ben. Dennoch wird er das Bedürfnis verspürt Swende» (1303), bezogen sich meist auf die festigen und wurden erblich. Die Frauen behiel- haben, sich mit einem persönlichen Zeichen Herkunft oder Wohnstätte (Abplanalp, Frutiger, ten ihren Mädchennamen noch bis in die zweite von seinen Nachbarn zu unterscheiden. Hohlenweger, Kienholz), aber oft auch auf den Hälfte des 18. Jahrhunderts.

186 Haus- und Holzzeichen aus unserer Gegend am Haus der Familie Gerny-von Bergen, Oberdorfstrasse 77.

187 Tafeln im Hotel Kreuz mit Familien- und Zunamen.

Übernamen (Zunamen) andra Flick Hans wohnd in der Chirsimatten, verpasst, der sich oft in kurzer Zeit allgemein Mit der Zunahme der Bevölkerung, der wegen und där heisst Oorgeller; den ischt no ds Bitzer durchsetzt. der einst ausgeprägten Sesshaftigkeit sich Hänsi im Pifing und ds Rägi Heusi im Seegässli kaum verändernden Anzahl der Familiennamen und ds Poorter Hänsi in der Alpgassen und Brienzer aus dem Mittelalter (1146 –1303) und der kleinen Auswahl an Vornamen – unge- Chletses Hansli im Ggofri, Hoornigchriesers Als erster aus dem Dunkel der Vergangenheit fähr jede fünfte zwischen 1664 und 1695 ver- Hänsel im Trachtli und ds Iellis Johann im Stein- auftauchender Brienzer kann Egelolf von Ope- heiratete Person von Brienz hiess Hans, Peter, eggli. Das siin alls zäme Flick Hansega …» Und lingen bezeichnet werden, der am 24.9.1146 Elsbeth oder Margreth – stieg das Bedürfnis, das alte Chilchbiel Zijelli verweigerte gemäss seinem Bruder Diethelm Eigengüter in Brienz vor allem Leute mit gleichem Vor- und Familien- Albert Streich gar die Annahme eines an Luzia und Raron übergab (s. S. 73). 73 Jahre später, namen mit einem weiteren Namen, einem Zu- Eggler gerichteten Briefes mit dem Bescheid an am 3. März 1219, bezeugte Bischof Konrad von namen zu versehen. Diese entstanden grund- den Briefträger: «I bi ds Chilchbielzijelli und Constanz, dass «Cuno der freie von Briens» sätzlich nach dem gleichen Muster wie die niemmen anders.» (später Cuno von Ringgenberg) mit seinem Bru- Familiennamen, nur dass sie sich im Laufe der der Rudolf von Raron zu Visp auf dem Kirchhof Zeit nicht mehr zu offiziellen Namen entwickeln Zunamen tragen in Brienz auch noch immer dem Abt Heinrich von Engelberg den Kirchen- konnten: Gumms (Ortsbezeichnung), Trumm- eine Menge Leute; vor allem Angehörige alter satz von Brienz geschenkt und dies hernach in lers (Beschäftigung), ds Guldigen (Übername), Burgergeschlechter, die im Dorf noch in statt­ der Kirche zu Brienz, in Anwesenheit fast aller Rägis (Rufname wohl Regula) usw. licher Anzahl vertreten sind. Manchmal kom- Kirchgenossen bestätigt habe (s. S. 74). men auch neue hinzu. Da braucht jemand nur Der Brienzer Dichter Albert Streich beschreibt etwas vom Schema des Normalbürgers abzu- In einer Kundschaftsaufnahme (Zeugeneinver- dieses Thema in seinem Buch «Fehnn» unter weichen, durch irgendeine besondere Eigenart nahme) vom 14.4.1303 versuchte der Vogt Jo- anderem wie folgt: «E Flick Hans? – E setteger oder Tätigkeit aufzufallen, und schon kriegt er hannes von Ringgenberg erfolglos mit ungefähr siin hie vil umha! … E Flick Hans wohnd im von einem witzigen, mit scharfer Zunge begab- zwanzig Gefährten gegenüber dem Kloster von Treichgässli, aber där heisst Schopfer Hans; en ten Dorfgenossen einen treffenden Zunamen Interlaken mit Hilfe von vierzig Zeugen zu be-

188 weisen, dass sie rechtmässig im Wald zwi- vereinzelt hart bestraft wurden. So war «Geörg und letztere sogleich weiter nach Bern spediert schen Iseltwald und Bönigen Holz geschlagen Vogt aus der Kirchgemeinde , ein Ange- wurden. Allerdings fehlten bei einer Fuhr 13 hatten. Unter Letzteren wurden damals min- nommener zu Brienz» (in Brienz «adoptiert»?) Spiesse und bei der letzten auch 18 Hellebar- destens die folgenden zehn «freien Bauern von angeklagt, weil er ein «ebenso arger aufwiggler den «theils die namen, theils die huszeichen Briens» befragt (s. S. 75): als vorgemellter Hannss Risser (der von Ober- deren, so sie geben hand». 2 Das Banner von ried stammende Anführer der Brienzer) sye». Er Brienz wurde anscheinend «nach Thun geliffe- – Arnold genannt vom Altweg (heute nicht hat aber trotz angedrohter Marter «nüt beken- ret». Als Abschluss der Entwaffnung liess Bern vorhanden) von Briens nen wellen», als dass er gezwungen worden «von Haus zu Haus eine Visitation thun». Was – Uolrich genannt obinan (oben) im Dorf sei, als Ausgeschossener an der Landsgemein- sich für «überwehr (Waffen) annoch finden» las- von Briens de von Huttwil und Thun teilzunehmen. Er hatte sen würde, sollten sie dem «herr Commandan- – Uolrich genannt Kerli (Kehrli) von Briens dafür eine Geldstrafe und die Gerichtskosten zu ten als in guten trüwen zuschicken». 3 – Hainrich genannt Sterki (Sterchi?) von Briens tragen und dem Bund der Bauern abzuschwö- – Hainrich genannt Unkande (?) von Briens ren. Peter Pundt von Brienz hat unter anderem Brienzer Burgerfamilien und ihre – H. genannt an dem Weg (?) von Briens zugegeben, dass er den in obrigkeitlichem Bo- Spuren in der Vergangenheit – Jacob genannt von der Enge (von der Engi) tendienst Berns mit Luzern gewesenen Meister – Friederich genannt ussirm Kienholts (aus Hanns Jost, Sutters des Bruchschneiders zu Abplanalp dem Kienholz, östlicher Dorfteil) Interlaken, mit einem Seil, «welches Fridli Wyss Der Name Abplanalp sagt aus, dass seine – Johannes genannt Kienholts darzuo geben» gefesselt und angebunden habe. ersten Träger einst auf der Planalp lebten. Nach – H. genannt Rot vom Kienholts «Heini Stäli, der Trommenschlager» (Trommler), der Herkunftssage habe dort vor alter Zeit eine habe nachher die «obrigkeitlichen hilfsverspre- mächtige Lawine die ganzjährig bewohnten Ausgestorbene und alte Geschlechter chungsschryben von Zürich, Lucern undt St. Häuser in der Husstatt samt ihren Bewohnern Neue Familiennamen kamen, alte verschwan- Gallen geöffnet undt selbige hernach durch über die Mülibachflue hinunter in den Brienzer- den und nur wenige überlebten die Jahrhun- Hanss Hess zu Brienz dem Niclaus Löüwen- see gefegt. 4 Ein schlafendes Knäblein soll als derte. Zu den wichtigsten Familiennamen, die berger (Anführer der Berner Untertanen im einziger Mensch in einer aus dem See gefisch- nach der Einführung der Bettelordnung von Schweizer Bauernkrieg von 1653) zuobracht». ten, aus einem Baumstamm gefertigten Wiege 1676 bis 1695 von Pfarrer Samuel Babst als Als Strafe wurde Peter Pundt «einmal lär und überlebt und damit den Namen Abplanalp Brienzer aufgeführt wurden, aber später in einmal mit dem kleinsten stein aufzogen» und erhalten haben. 1528: Wegen des verlorenen Brienz erloschen sind, zählen die Bundt / Pundt, «auf eine gute censur ehr- und wehrlos» er- Aufstandes gegen die Einführung der Reforma- Courbe, Frutiger, Fuchser, Heger, Hohlenweger kannt. Hans Jacob Hess zu Brienz riss jedoch tion hatten sich auch «Heyni und Uly Ab und Marmet. aus, worauf sein Hausrat konfisziert wurde.1 Planalp» vor dem Strafgericht auf der Höhen- – Trotz Sieg traute Bern den Männern am matte in Interlaken einzufinden (s. S. 89). 1559 – Ein aussagekräftiger Beleg für Brienzer Namen oberen Brienzersee nicht und liess sie Anfang 1583: In dieser Zeit sind in den Taufbüchern von liefern Dokumente aus der Zeit des grossen Juni innerhalb dreier Tage durch die Diener des Brienz Kinder von acht Familien dieses Namens Bauernkriegs (1653), als sich die Bauern im Ent- Landvogtes von Interlaken entwaffnen. Von nachweisbar, wohnhaft in Brienzwiler (3), Hof­ lebuch und im Bernbiet aufgrund wirtschaft­ insgesamt 293 namentlich erwähnten wehrfä- licher Benachteiligung gegenüber den Städten higen Männern wurden 300 Waffen abgeliefert. zur Wehr setzten. Damals haben sich einige Ein Schiffer führte alle Kriegsgeräte samt «Ban- 1) StAB: BIX475 Brienzer als Verbündete der Emmentaler Bau- dolieren, Blei, Pulver und Feuertheil» den See 2) Gemischte Gemeinde Oberried. 2003. ern hervorgetan, wofür sie nach dem verlore- hinunter nach Interlaken, wo deren ehemalige 700 Jahre Oberried. S. S. 31 ff. 3) StAB: BII347 nen Aufstand zur Rechenschaft gezogen und Besitzer und die übergebenen Waffen notiert 4) Streich, 1978, Brienzer Sagen, S. 46

189 Eggler / Ab Egglen Zuname: Im Oktober 1772 hielten Bendicht Der Name der Eggler weist darauf hin, dass Eggler und Anna Aemmer in der Kirche von erste Träger dieses Geschlechts wohl an einem Gsteig b.I. Hochzeit, womit Anna wohl den Ur- Ort namens «Egglen» (Geländeform) wohnten. sprung des Übernamens «Ämmers» lieferte. Diese Ortsbezeichnungen erscheinen im Ober- land nur in Sigriswil und Oberried. An letzterem Besonderes: Egglers erscheinen in den Kir- Ort lebte bereits 1429 der Holzflösser «Cuntz chenbüchern als Chorrichter, Obmann, Schnei- ab Egglon». 1559 –1583: In dieser Zeit sind in der und Seckelmeister (Finanzverwalter). Ein den Taufbüchern von Brienz Kinder von drei weiterer Namensvetter diente dem Pfarrer in Familien Namens «Ab Egglen» nachweisbar, der Kirche als Vorsinger der Psalmen. wohnhaft in Brienz (1), Hofstetten (1) und Ober- ried (1). Im entsprechenden Eherodel findet sich Fischer am 27.1.1583 die Hochzeit des «Melcher ab 1429: Damals lebte in Unterseen ein «Cuenrat Egglen und der Anna Zur Fluo» während «Hans Vischer», der 60 Jahre vorher mit Erlaubnis des Ab Egglen und Salome Schilt» bereits am Vogts von Ringgenberg, aber gegen den Willen 18.10.1579 Hochzeit hielten. Einträge des Na- der Brienzer, im Wychel bei Oberried Holz ge- mens «Eggler» finden sich keine. fällt hatte. 1528: In jenem Jahr lehnte sich ein «Uly Vischer» zusammen mit anderen Leuten 1583 –1597: Pfarrer Johannes Liecht, der im Ja­ aus dem Hasli und von Brienz mit «Gewalt und nuar 1584 die Pfarrstelle von Brienz übernahm, gewaffneter hand» gegen die Einführung der entschied sich für den Namenszug «Eggler». Reformation auf, was er beim Strafgericht auf Entsprechend taufte er nun dem «Melcher Egg- der Höhenmatte in Interlaken zu büssen hatte. ler und der Anni Zur Flue» von Oberried neun So sollten die «bösswilligen, meineydigen, un- und dem «„Hanns Eggler und der Salome gehorsamen und ufrüerigen … ir läben lang Schilt» von Brienz fünf Kinder auf den neuen niemands weder nutz noch schad, wäder zu Planalpfluh mit Mühlibachfall. Familien­namen «Eggler». Hans sowie ein dritter gricht, recht, noch gemeinden gebrucht, noch Eggler namens Peter, der im Juli 1567 ebenfalls zu keinen eeren nutz syn» stetten (2) und Ebligen (1). Zwei weitere Familien noch als «Ab Egglen» getauft wurde, müssten können keinem Wohnort zugewiesen werden. die Stammväter aller heutigen Eggler mit Hei- 1559 –1583: In dieser Zeit sind, in den Kirchen- 1664–1780: Die heute in Brienz heimatberech- matort Brienz sein. 1653: Als die «gnädigen büchern von Brienz nachweisbar, Kinder von tigten Abplanalp erscheinen dort erst mit dem Herren von Bern» am Ende des Bauernkrieges neun Familien dieses Namens getauft worden, Wiedereinsetzen der Kirchenbücher von 1664. von 1653 die Männer der Kirchgemeinde Brienz wohnhaft in Brienz (4), Brienzwiler (1) und Ober- Um diese Zeit tritt damals die Familie des «Peter entwaffnen liessen, waren Egglers gut vertre- ried (1). Drei weitere Familien können keinem ab Planalp und der Elsi Schilt» auf. Ihre sechs ten. Peter Eggler musste seinen Harnisch her- Wohnort zugewiesen werden. Unter den 1653 bekannten im Taufrodel aufgeführten Kinder geben. Vier weitere Namensvetter hatten ihre entwaffneten Bauernkriegern der Kirchgemein- wurden noch in Ebligen geboren. Zwei ihrer Spiesse abzuliefern, und Hans Eggler, Chris- de befanden sich mindestens zwölf dieses Na- Söhne, Peter und Bendicht, zogen nach Brienz, tens Sohn, wurde gefangen und nach Bern ge- mens. «Ulli Fischer» von Brienzwiler, der unter wo sie je eine «Elsi Schilt» heirateten und damit führt, wo sein Schicksal möglicherweise im anderem den Bundesbrief von Sumiswald ab- das Geschlecht der Abplanalp von Brienz grün- Staatsarchiv des Kantons Bern in den Akten geschrieben hatte und im Oberhasli verteilen deten. zum Bauernkrieg von 1653 aufgeführt ist. liess, wurde als ehr- und wehrlos verurteilt, ge-

190 büsst und des Landes verwiesen. 1664 –1780. gasse bis zu Peter Flück, dem «Capitain Lieute- Fuchs Bis Ende 1699 erscheinen in den Kirchenbü- nant und Richter» fehlt bei Flücks von Brienz Nach einem Totschlag an «Hans Fuchser selig» chern die Fischer-Familien der Kirchgemeinde beinahe keine der damals in den Kirchenbü- durch «Bürkli Abbühl» bestätigte das Gericht in Brienz (11), Brienzwiler (4) und in Oberried (5). chern von Brienz erwähnten Berufs- oder «ze Brienz am kilchbül» am 7.5.1492 einen Viele heute lebende Brienzer/-innen werden Amtsgattungen. Um die einzelnen Flück besser Schiedsspruch und Friedensschluss zwischen vom Ehepaar «Hanns Fischer und Cathry voneinander unterscheiden zu können, ent- den Familien Fuchser und Bürkli 5. Von 1566 – Schilt» abstammen. «Hanns» und «Cathry» hei- standen für ihr Geschlecht mindestens 16 1599 erscheinen in der Kirchgemeinde drei rateten im Januar 1681. Fünf Wochen danach Übernamen. So müssten «Rägis» Nachkom- Familienväter Namens Fuchser mit achtzehn gebar «Cathry» ihr erstes und 18 Jahre später men der einzigen in Brienz aktenkundigen Re- Kindern, worunter eines auf den Namen Fuchs ihr elftes Kind. Im April 1721 starb sie als «Hans gula Stähli sein, die im Mai 1721 einen «Caspar getauft wurde. Der letzte Täufling Namens Fischers Weib, des Schmieds zu Tracht». Flück» heiratete, während «Orgellers» sich auf Fuchser wurde im Dezember 1688 geboren. den seit März 1776 mit Magdalena Grossmann Gleichzeitig lebten damals vier Familien Na- Besonderes: Fischers von Brienz engagierten verheirateten Schulmeister und Organisten mens Fuchs mit 16 Kindern. Obwohl die beiden sich in der Kirche als Sigrist, Organist oder als Caspar Flück zurückführen lassen. Geschlechter ziemlich konsequent auseinan- Chorrichter. Andere waren Schafhirt, Wurzel- dergehalten wurden, ist es dennoch möglich, händler, Schulmeister, Müller, Schmied zu dass sich der Name Fuchs aus dem Namen Tracht und Wirt, wovon einer gleichzeitig Bären- Fuchser entwickelt hat. 1664 –1699: Damals wirt und Leutnant war. finden sich in der Kirchgemeinde Brienz sechs Fuchs-Familienväter worunter je ein Peter von Flück Schwanden und Brienz. Letzterer und seine 1559 –1599: In dieser Zeit sind im Dorf Brienz Gattin Margret Kehrli liessen von 1665 bis 1683 19 Kinder von vier Familien dieses Namens sieben Kinder taufen, womit sie tatkräftig für nachweisbar. Von «Caspar Flück», dem ersten das Überleben der Fuchs mit Heimatort Brienz dieses Namens, sind die Kinder «Jacob» *1562, sorgten. «Peter Fuchss, gewesener Statthalter «Heini» *1565, ein Mädchen unbekannten Na- (Stellvertreter des Landvogtes von Interlaken in mens *1568 und «Madlena» *1571 bekannt. Brienz)», verstarb im September 1696, während «Jacob» und «Heini» heirateten 1582 und 1588 ihm seine Frau, «Margreth Kehrli, Statthalter eine «Margreth Zimmermann» und eine «Madle- Fuchsen selig Witib (Witwe)», erst im November na Stüpfer». «Ulli«, der von 1580 bis 1597 als 1726 im Alter von 86 Jahren nachfolgte. Ehemann einer «Elsbeth Zimmermann» in der Gemeinde Brienz erscheint, dürfte ebenfalls zu Besonderes: Zwei weitere Vertreter dieses Na- dieser Familie gehört haben. 1664 –1780: Bis mens von Brienz wurden Chorrichter. Auf die 1699 hausten in Schwanden zwei und in Brienz Anklagebank des Chorgerichts brachte es von vierzehn Flück-Familien mit Kindern, drei davon ihnen nur der Knabe Peter Fuchs, der zusam- an der Alpgasse, wo einige noch heute woh- men mit Hans Linder im April 1753 beschuldigt nen. Jene mit Heimatort Hofstetten und Ober- wurde, im Wirtshaus zum Bären einen nächt­ ried erscheinen erst im 18. Jahrhundert. lichen Unfug begangen zu haben.

Besonderes: Vom Schneider über den wohl­ habenden Bauern Heinrich Flück an der Alp­ Orgeller Kebel (Jakob Flück-Schild, 1902–1984) 5) StAB: Fach Interlaken 7.5.1492

191 Grossmann Gusset gründet wurde. Der erste in den Kirchenbü- 1582–1600: Im Januar 1582 gab «Peter Gross- «Michel Gusset» war der erste seines Namens chern von Thierachern erwähnte Namensvetter man zu Ried (Oberried)», der erste in Brienz in Brienz. 1653: «Michel» erscheint erstmals auf war ebenfalls ein «Peter Gusseth», der dort am aktenkundige Familienvater dieses Namens, der Liste der am Ende des Bauernkrieges ent- 18.11.1683 eine «Catharina Fernegger» heiratete. seiner Braut «Barbli Domman» in der Kirche von waffneten Kirchgenossen von Brienz. Von ihm Brienz das Jawort. Dort liessen die beiden bis oder einem seiner Nachkommen wird ihr Fami- Huggler 1600 zehn Kinder taufen. 1679 –1821: Alle heu- lienname auch auf das Grundstück Gussets­ Ihre acht Heimatorte in der Schweiz befinden tigen Grossmann mit Heimatort Brienz sollten boden auf der Axalp aus einem leider wohl un- sich alle zwischen dem oberen Ende des Thu- von «Hans Frantz Grossman» (1679 –1743) ab- bekannten Grund übergegangen sein. 1664– nersees und der Grimsel. 1528: Die ersten stammen. Hans Franz war der einzige Sohn 1703: Als «Caspar», «Michels» ältester Sohn, im Vertreter ihres Namens, «Caspar und Hans des Heinrich Grossmann, Statthalters in Brienz, Juli 1664 erstmals vor das Chorgericht zitiert Huggler», erscheinen erstmals in der Urkunde und der Elsbeth Wilhelm, Heinrichs zweiter wurde, war «Michel» schon längst verstorben. über das Strafgericht auf der Höhenmatte in Ehefrau. «Hans Frantz Grossman, loblich gewe- «Caspar» spielte gerne, und dem «Tabakröü- Interlaken vom November 1528. 1559 –1595: In sener Statthalter, seines Alter 64 Jahr», starb im ken» war er auch nicht abhold, was aber den dieser Zeit sind in den Taufbüchern von Brienz Oktober 1743, während die Witwe, Magdalena Chorrichtern sehr missfiel. Spätestens ab 1697 Kinder der drei folgenden Familien eingetragen: Zobrist, ihm im Januar 1771 im Alter von 93 war er selbst Chorrichter, worauf er von solchen Jahren nachfolgte. Anklagen Ruhe hatte. «Caspar Gusset» grün- – «Melcker Huggler», dessen Ehefrau und dete 1669 mit «Madlena Brunner» eine Familie, Wohnort unbekannt sind, Von seinen beiden Söhnen, Heinrich (1701– der drei Mädchen und vier Knaben entspros- – «Caspar Huggler und Barbara Ab Planalp«, 1780) und Hans (1703 –1741), wurde ersterer sen, und verstarb im Februar 1703. Von «Cas- wohnhaft zu Brienzwiler und erneut Statthalter. Von ihm ist aus dem Jahr pars» Geschwistern sind nur Anna und Peter – «Hans Huggler und Madlen Flück», wohnhaft 1756 überliefert, dass es ihm «nicht, wie vielen bekannt. Anna starb im März 1701 als Gattin ebenfalls zu Brienzwiler. anderen Unterbeamten an Fähigkeit, wohl aber des Hans Schneiter von Brienz und Mutter von an gutem Willen und Gehorsam gegen seine sieben Kindern. Peter tritt uns nur in den Chor- 1664 –1699: In dieser Zeit erscheinen in den hohe Obrigkeit fehlet 6». Er handhabe die Ver- gerichtsmanualen gegenüber. Wo gespielt wur- Kirchenbüchern von Brienz elf Huggler-Famili- ordnungen der Regierung nach Gutdünken und de, war auch er gerne dabei, weshalb er und enväter mit Kindern, wovon neun in Brienzwiler benehme sich «wie ein gänzlich independenter etliche Kegelspieler im Juli 1667 vor das Chor- und zwei namens «Melcher Huggler« in Brienz Freyherr». Hans Franz (1761–1821), ein Gross- gericht von Brienz zitiert wurden. Weil er da- lebten. Ein Melchior, von dem nur sein vielleicht sohn dieses Heinrichs, heiratete im Oktober mals aber noch «zimmlich jung» war, kam er mit letztes Kind Barbara *1667 nachweisbar ist, 1785 Susanna Schilt, geborene Mühlimann von einer Ermahnung davon. Im Juni 1675 erscheint war mit einer «Itha Döni» verheiratet. «Melcher Bönigen. Doch ihn begeisterte vor allem das er dort zum letzten Mal, weil er zusammen mit Hugler der alt, zu Brienz» wohnhaft, starb 1693. Kriegshandwerk. Im Januar 1797 wird er im andern zu Tracht erneut beim Spielen erwischt Der andere, gründete 1675 mit «Madlena Schilt» Chorgerichtsmanual von Brienz als Aide-Major wurde. eine Familie, der sechs in Brienz geborene Kin- (Gehilfe des Majors) und im November 1806 als der entsprossen. Er starb 1733 im Alter von Hauptmann erwähnt. Im Februar 1821 verstarb Besonderes: Gussets nannte man auch 86 Jahren. 1700 –1780: «Caspar Huggler und er in Brienz als Witwer der Susanna Mühlimann «Glegglers», was sie in einen Zusammenhang Barbara Buri» gründeten 1705 die nächste als in und «gewesener Hauptmann in Frankreich». mit Glocken bringt. Interessanterweise gibt es Brienz wohnhaft nachweisbare Familie dieses noch heute in Uetendorf eine «Glockengiesse- Namens. Bis 1718 liessen sie dort vier Kinder rei Gusset AG», die seit ca. 1820 besteht und taufen. Der Vater, «Caspar Huggler der Nagler von einem Abraham Gusset (1779 –1844) ge- (Nagelschmied) zu Brienz, sonst von Wyler»

192 starb im März 1721. Die Bemerkung «sonst von Wyler (Brienzwiler)» zeigt, dass er ein Hinter- sass (nicht heimatberechtigter Einwohner) von Brienz war und damit immer noch das Burger- recht von Brienzwiler besass.

Zwischen 1664 und 1695 sind in Brienz sechs Kinder namens «Caspar Huggler» getauft wor- den, die alle von Brienzwiler waren und von de- nen gemäss den Kirchenbüchern von Brienz keines eindeutig als späterer Ehemann der oben erwähnten Barbara Buri nachgewiesen werden kann. Auch beim Taufeintrag deren Ur- grossenkels Hans Huggler *1778 steht immer noch, sein mit «Maria Matheyer von Brienz» ver- heirateter Vater sei «sonst von Wyler», womit Axalp und Brienz von Süden; Kienholz (im Bildzentrum). diese Huggler-Familie erst nach 1778 das Bur- gerrecht von Brienzwiler mit jenem von Brienz 1551: Damals haben die «erbaren Heini Schilth, Ulrich abstammen, kann nicht nachgewiesen ausgewechselt hat. Christenn zum Bach, Hans Khärlj und Arbogast werden. Denn überall, wo es einen Cheer (Weg- Khärlj, all bin uns zuo Brientz wohnhafft» als kehre) gab oder wo ein wackerer Kerl (ein Kerli) Kehrli «bergtheiler (Anteilhaber) der allp Blannalp zuo lebte, ist es möglich, dass dieser Begriff sich als Der Erste dieses Namens wird schon im Jahr Brientz» betreffend dem «Bodenmad (einstiger Familienname entwickeln konnte. Sicher wird 1303 erwähnt. «Ulrich genannt Kerli, vom Dorf Flurname auf der Planalp)» vereinbart, dass ein einstiger Kehrli von Brienz in irgend­einer Be- Briens, freier Bauer, dem Vogt Johannes von «welicher in Buwgüeteren (Güter die gedüngt ziehung zum dortigen Cheerliwald gestanden Ringgenberg wegen des Vogtsrechts unter- werden) an Blanallp höuwet oder ämbdet», darf haben. stellt», diente damals als Zeuge des letztern ge- «ein oder zwo sommerküe oder aber ein kue gen das Kloster Interlaken in einem Streit um und ein truppen geissen in das Bodenmad thun Kienholz Holznutzungsrechte im Wald gegenüber der und dieselben alda lassen», bis er dort «ussge- Von diesem Familiennamen kann behauptet Burg von Ringgenberg. Als nicht direkt betrof- höuwet und geämbdet hat, doch nit lenger» 7. werden, dass er bereits im Mittelalter am gleich- fener hatte Ulrich allerdings wenig Konkretes zu namigen Ort am oberen Brienzersee entstan- berichten und meldete, «dass er sagen gehört 1559 –1583: In dieser Zeit sind in den Taufbü- den ist. 1303: Beim Holznutzungsstreit zwi- hat, dass der Vater des Johannes im Wald, chern von Brienz Kinder von neun Familien des schen dem Vogt Johannes von Ringgenberg dessen Namen er nicht kenne», Holz geschla- Namens Kehrli in Brienz (6) und Oberried (2) als und den Kapuzinermönchen von Interlaken gen habe. Der Schreiber rapportierte zudem, wohnhaft nachweisbar. Eine weitere Familie erwähnte deren Schreiber: den «Johannes ge- «Ulrich Kerli» sei «über 60 Jahre alt, wie er kann keinem Wohnort zugewiesen werden. nannt im Kienholts, freier Bauer, den Parteien meint». Die Lebensdauer war den damaligen Menschen ziemlich unwichtig. So heisst es Besonderes: Ob die in Brienz, Gadmen, Gut- beim freien Bauern «Hainrich genannt Sterki tannen, Hasliberg, Innertkirchen, , 6) http://brienzersee.ch/cms/cms.asp?Page=281&p=ASP\ vom Dorf Briens», er selbst ist «altersgrau, aber und Utzensdorf heimat- Pg281.asp 7) Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Interlaken/ er kennt sein Alter nicht». berechtigten Kehrli vom eingangs erwähnten Unterseen. Aarau 1957, S. 95

193 nicht zugehörig», der schwor, wahrheitsgetreu Kuster 1625 –1663: Im Februar 1628 wollten die Chor- und unbefangen auszusagen» und bezeugte, Im Juni 1604 gaben sich «Josep Chuster und richter wissen, ob «Peter Custor und Trini Wyss» «dass er vor 40 Jahren bis heute sagen gehört Greti Fischer» in der Kirche von Meiringen das einander die Ehe versprochen hätten, «da sy hat, dass der Vater des Johannes und Johan- Jawort. Im darauffolgenden Oktober liessen sie also allezyt tag und nacht bi einanderen gsin». nes selbst durch ihre Knechte Holz geschlagen dort ihren ersten Sohn auf den Namen «Josep» Weil sie der Vorladung keine Folge leisteten, hätten im Wald, der zwischen dem Dorf Bönin- taufen, dem im März 1606 eine «Barbli» folgte. wurden sie um 30 Schilling (heute ca. 120 Fr.) gen und der Stelle, welche Yseltwalt genannt Doch deren Vater gefiel auch «Barbli Fischer», gebüsst. Doch statt der Hochzeitsglocken er- wird, dort wo die Leute in ihren Hütten wohnen, vielleicht «Gretis» Schwester, mit der er zwi- klang für ihn noch im selben Jahr der bange liegt». Und er sagte auch, dass, «wenn er auf schen März und Ende Juli 1607 über den Brü- Ton des Totenglöckleins. Joseph, Peters Bru- dem See war, er bisweilen Knechte des Vaters nig nach Unterwalden floh. Wie es scheint, zog der, musste sich im April 1625 beim Chorge- des Freiherrn von Ringgenberg gesehen hat, «Margrett Fischer» kurz danach mit ihren bei- richt rechtfertigen, weil er in der Kirche gelacht wie sie Holz aus dem besagten Wald über den den Kindern nach Brienz, wo sie Anfang 1608 habe. Joseph war später Bäcker; doch leider See zur Burg Ringgenberg führten. Und er sag- ihren letzten bekannten Sohn, Peter, taufen gerieten ihm seine Brote oft etwas zu klein! Zu- te, er wisse, dass es dessen Knechte waren, liess. dem versuchten er und seine Frau um Weih- denn er sah sie manchmal bei sich und seiner Familie zu Hause, dennoch weiss er ihre Na- men nicht. Zudem wusste er, «dass der unan- gefochtene Besitz unter Lebenden während sieben Jahren das Besitzrecht verleiht.» Auch er wusste nicht, wie alt er war, glaubte aber, er sei über 60 Jahre alt. Über einzelne andere Kla- gen befragt, wusste er nichts.

1559 –1600: Von «Gilgen Kienholtz», auch als «Gilian» und «Gilgian» erwähnt, und seiner Ehe- frau «Elsbeth Schilt», dem einzigen und ersten in den Kirchenbüchern von Brienz nachweis­ baren Ehepaar dieses Namens, sind folgende Kinder bekannt: Margreth *1570, Ulrich *1573, Ulrich *1581 und Heinrich *1582, Christina *1585, Margreth *1589 und «Gilian» *1595. «Gilian» dürfte damit als Namensgeber der heute leben- Auszug aus dem Haushaltungsbuch des «Hans Kuster ze Briens, 1734», aufbewahrt in Michels (Housellers) Familienkiste den Kienholz gelten. «Dasz den (...) Anna Schmoker ein teil (...... ) Im 1736 (...) fon yage (...) säligen, ein teil fon Kasper Zurflü, Han ich Hans Kuster das hauss kauft sampt ein teil fon leni und ani und elssi Stäli, ein teil alen den zugeherigen sachen, namlich hauf Besonderes: Unter den Kienholz des 18. Jahr- fon yagi michel, ein teil von alen zämen um und garden und das hostettli und ein yungen hundert finden sich zwei Gerichtssässen (Rich- acht und hundert (...) bon (Baum) und der bachofen halba und (...) der käler (Keller) halba. ter am weltlichen Gericht von Brienz), ein Mes- Im 1735 jar hein ich und min schwäger, serschmied, ein Müller, ein Schiffmacher der zu mines schwers säligen sun fon ein anderen geteillt. Und ym 1739 yar han ich fon Hanss Zurflie Tracht wohnte, und ein Weibel. Da ist mir worden, der Run und der Widi houf (Hanf) sin hauf und garden bin minem huss halbe und dasTischetli bim se und die kauft und psald (bezahlt) um 20 Kronen Tschingelfäld und Hinderburg. (...)

194 nachten 1650, trotz Verbot Bretzeln zu backen. sein Sohn, erlernte ebenfalls das Schlosser- Oblingen (Ebligen) unschuldiger wyss verklagt, Dies alles trug ihm zwischen 1642 und 1672 handwerk. Als im Dezember 1757 seine Gattin das sy im die kirsen söllen gewunnen (abgele- mindestens 17 Bussen ein. Gerne gönnte er und fünffache Mutter «Madlen Schilt» zu Grabe sen) han», und im August 1640 musste er vor sich «Tabak zu röüken»; hingegen vergass er getragen wurde, war er ein Capitain (Haupt- den Chorrichtern bekennen, dass er «an einem manchmal «an Werktagen zer Predigt zegahn». mann). «Johannes Linder, der Schlosser von suntag ein brenten voller kirsi gewunnen … und Josephs Ehefrau und Kinder können leider Brienz, 70 Jahre alt», verstarb im September seinem süniswyb (Schwiegertochter) ungebür- wegen der von 1627–1663 fehlenden Eintra- 1772, worauf sein Sohn Friedrich *1726 als liche namen gäbe». Kirschen und Kirschbäume gungen nicht bestimmt werden. Büchsenschmied (Waffenschmied) von Brienz standen schon damals hoch im Kurs. Pfarrer in seines Vaters Fussstapfen trat. Nöthiger von Ringgenberg bestätigte 1780 un- 1666 –1699: Im März 1666 treten einerseits ter anderem, ein Weg führe «in einer schönen «Peter Custer, der damals Margret Michel und Besonderes: In der Zeit von 1677 bis 1683 er- Allee von Kirschbäumen durch den sogenann- später Babi Bundt heiratete, und andererseits scheinen in Brienz zudem die Familien je eines ten Heckenwald (heute unbekannter Waldname «Hans Custer und Margreth Eggler», die wohl Hans Linder-Stähli, Hans Linder-Wyss und am östlichen oder westlichen Dorfeingang) noch in der nachrichtenlosen Zeit geheiratet Christen Linder-Annen. Letzterer wurde ge- nach Brienz» und hält weiter fest: «Im Sommer haben, auf. Von beiden Vätern sind insgesamt mäss Chorgerichtseintrag vom 2.5.1680 kurz geht meist die junge Mannschaft auf die Alpen. fünf Söhne und vier Töchter aktenkundig, von vorher als Landmann (Burger) von Brienz ange- Die übrigen bleiben zu Hause mit den ihrigen, welchen sicher noch heute Nachkommen in nommen, während der Schuhmacher Hans der Heüernte abzuwarten und die Kirschen zu Brienz und anderswo leben. Linder-Wyss noch im Juli 1686 als Hintersass pflücken.» Und wenn sie «einem Fremden Ehre (Einwohner ohne Burgerrecht) genannt wurde. und Gutes erweisen wollen, so wird ein ganzer Linder Mindestens Hans Linder-Stähli, der zusammen Käs angehauen, der halbe Theil davon an das 1665 –1772: Die ersten in den Kirchenbüchern mit Anna Müller fünf Knaben und ein Mädchen Feüer gehalten und gebraten, mit Honig auf von Brienz nachweisbaren Linder-Eltern, deren hatte, müsste aufgrund deren Taufzeugen ein Brodt gestrichen, samt einem Glas Kirschwas- Hochzeitsdatum leider unbekannt ist, hiessen vor 1664 geborener Sohn des Hans und der ser, auch mit Honig angemacht.» Im Pfarrhaus «Hans Linder und Christina Wyss». Von Hans Christina Linder-Wyss gewesen sein, selbst, wird dieses Wasser auch nicht gefehlt Linder ist belegt, dass er mindestens einen haben, fügt er doch seinem Bericht noch ein Stiefsohn Namens «Caspar Schilt» und einen Mathyer ausführliches Rezept zu dessen Herstellung Sohn Namens «Fridli» *1665 hatte und in Brienz 1607–1640: Die verschiedenen Schreibweisen bei. lebte, wo er 1676 verstarb. – Von «Caspar dieses Namens zeigen sehr schön, wie unwich- Schilt», ist bekannt, dass er im September 1669 tig eine einheitliche Schreibweise der Namen Herkunft: Woher sie nach Brienz kamen und «dem Jaggi Schneiter, des Weibels Bruder, ein einst war. Da erscheint im Februar 1607 als ers- wann sie in Brienz heimatberechtigt wurden, Spinnen in die Bränten sölle gethan haben in ter dieses Namens in Brienz «Anthoni Matier», kann den Kirchenbüchern nicht entnommen der Hütten, da er doch nichts zeschaffen ge- der damals seine Braut, «Margret Bluom», zum werden. Im Verzeichnis aller Familiennamen, habt» habe. Sein Sohn, «Fridli» *1665, heiratete Traualter führte. Bis im Mai 1619 liessen die bei- die vor 1800 das Schweizer Bürgerrecht erwor- vor 1690 die Pfarrerstochter Esther Babst den dort sieben Kinder taufen: Peter *1608, ben hatten,8 erscheint dieser Name jedoch *1670. Von ihren drei bekannten Kindern er- Hans *1609, Christen *1611, Peter *1612, Chris- ausser in Brienz auch in Salgesch VS, dort aber reichte nur Hans *1696 das Erwachsenenalter. ten *1615, Christen *1616 und Heinrich *1619. als Mathier. Vater Fridrich Linder war, wie in einem Chorge- Anthonis Familienname erscheint dabei als: richtseintrag vom Dezember 1715 erwähnt ist, «Matier», «Mathier», «Mathyer» und «Matthier». Schlosser. Als Chorrichter wurde er im Oktober Kirschen waren für «Anthoni» eine wichtige Sa- 8) CD-Rom, Ausgabe 2008. Genealogisch Heraldische 1738 in Brienz zu Grabe getragen. Hans *1696, che. Im Sommer 1625 hatte er «die Meitli von Gesellschaft, GHGB

195 Der Briensersee im Biisen-Timer (Der Brienzersee im Dunst der Bise).

Michel Schloss erbaut hat. 9 Der Herkunftsort der von fünf Familien dieses Namens nachweis- «Michel» ist eine seit dem Mittelalter gebräuch- seiner Ehefrau, «Katharina von Luthernau», bar, wohnhaft in Brienz (3) und Brienzwiler (2). liche Nebenform des aus der Bibel übernom- liegt übrigens in der Nähe der beiden Weiler Als erste Ehepaare erscheinen in den Taufbü- menen Vornamens Michael und lautet damit Schwertschwenden bei Ufhusen LU oder Hutt- chern von Brienz die Familien des «Battli Michel gleich, wie das althochdeutsche Wort «Michel», wil. und Elsbeth zum Stein», wohnhaft in Brienzwi- das «gross» bedeutet. Entsprechend kann die- ler sowie des «Jacob Michel und der Elsbeth ser Familienname an vielen Orten und zu ver- 1528: Damals versuchten auch Michel «Cas- Schneiter», wohnhaft in Brienz, wobei der da- schiedenen Zeiten entstanden sein, was die um par», «Uly» und «Baltzli» mit weiteren Oberhas- malige Wohnort nicht mit dem erst 1676 einge- 1800 in der Schweiz bestehenden 55 Heimat- lern und «sampt denen von Briens …mit gewalt führten Heimatrecht gleichzusetzen ist. orte eindeutig aufzeigen. Gemäss den «Brien- und gewaffneter hand» in Unterseen den alten zer Sagen» von Albert Streich sollen ihre Urah- Glauben wieder zu erlangen. 1559 –1625: Bis Von Jakob Michel ist bekannt, dass er im nen von einem Ort namens Schwertschwendi 1599 sind in den Taufbüchern von Brienz Kin- November 1560 Elsbeth Schneiter heiratete. stammen. Belegt ist immerhin, dass ein «Wolf- Wohl derselbe Jacob liess hierauf drei Kinder gang Michel von Schwertschwendi», geboren Namens «Matheus» *1561, «Margredt» *1566 9) Historisches Lexikon der Schweiz, H.J. Leu, Allg. im August 1557 in Bern, unter anderem das helvet., eydg. oder schweitz. Lexicon 13, 1753, 183 und «Uli» *1568 taufen, gefolgt von «Elsbeth»

196 *1580, «Niclaus» *1583 und «Christen» *1587, – «Peter Müller», dessen Ehefrau und Wohnort Weisung «anstatt des spilens flissiger zer Pre- vermutlich der ersteren Stiefgeschwister und unbekannt sind. Kinder: «Margrett» *1562, digt zegahn». «Jacob» muss ein gutherziger Kinder des «Jacob Michel, alt Weibel zu Brienz «Lena» *1565. Mensch gewesen sein. Im April 1657 wurde er und der Elsbeth von Bäringen (von Bergen)». – «Jacob Müller und Anni Müller», verheiratet bestraft, «wyl er gen Tracht gegangen und den Mindestens Mathäus *1561 hat im Mai 1625 1584 und wohnhaft zu Brienz. Kinder: wirt hat geheissen, dem Petterli Fischer und noch gelebt. Er wurde damals von den Chor- «Salome» *1585, «Anni» *1588, «Madlen» dem Jacob Stäli win in die Kefi ze schicken». richtern befragt, «was die ursach gsin, das er an *1591 und «Elsbeth» *1595. Bis 1780 übten übrigens mindestens sechs Jacob Schneiters hochzyt die saalthür in dem – «Hans Müller und Elsi Schnider», verheiratet seiner Nachkommen ebenfalls das Gerber- wirtshuss zughalten, als Herr Statthalter inhin 1593 und wohnhaft zu Ebligen. Handwerk aus. Übername: «Muschi» ist der wöllen. Het um gnad gebäten. Ist daruff abge- Kind: «Salome» *1593. einzige überlieferte Zuname dieses Ge- manet worden, wen das jung volk etwas uff söl- schlechts. Er lässt sich wohl zurückführen auf che tag fürnäm, er ihnen nit darzu helffen, will er Nach 1595 sind in den Kirchenbüchern von Maria Muschi, die im August 1751 den seit nun ein alter man sige, sunder sy vil mehr ab- Brienz nur noch «Jacob und Anna Müller-Mül- einem Jahr verwitweten Bendicht Müller von manen» solle. Während sein Taufname, Mathä- ler» nachweisbar. Da wurde im August 1603 Brienz heiratete und bald darauf einen Sohn us, in der Zeit von 1664-1780 nur von vier an- dem «Ulrich Schriber» von den Chorrichtern Namens Christen gebar. dern Familien verwendet wurde, kam er bei vorgeworfen, «dass er Anna Müller, Jacob Mül- Michels 19-mal zu Ehren. 1664 –1699: In den lers Ehefrouw nachgange». Jacob konnte ihm Schild Taufbüchern von Brienz sind in dieser Zeit Kin- das anscheinend nie verzeihen. Im August 1618 Die Schreibweise dieses Namens hat sich im der von 19 Familien dieses Namens nachweis- mussten er und zwei weitere sich am Chorge- 18. Jahrhundert von Schilt über Schildt zu bar, wohnhaft in Brienz (11) und Brienzwiler (8). richt rechtfertigen, weil sie «den Uli Schriber am Schild entwickelt. 1962 bestanden zu diesen berg vertriben und nit wöllen lassen näben Namen in der Schweiz folgende schon vor Besonderes: Schon Jacob Michel-von Bergen ihnen mäjen». 1653: Bei der Entwaffnung der 1800 existierende Heimatorte: Bönigen, Brienz, übernahm mit seinem Amt als Weibel (Ausrufer) Brienzer im Juni 1653 rückte von Müllers nur Brienzwiler, Grindelwald, , Hasli bei Verantwortung. Bis 1780 finden wir Michels ein «Jacob» mit seiner Büchse und dem Feuer- Burgdorf, Hasliberg, , Mei- auch als Obmann (Gemeindepräsident), Seckel­ rohr an. 1664 – 1695: Alle heute lebenden ringen, Schattenhalb, Schwanden bei Brienz, meister (Kassier der Kirchgemeinde), Gericht- Müller mit Heimatort Brienz verdanken ihren Schangnau und Grenchen (1530 aus Brienz). sässen und Statthalter, während ein Michael Namen dem Ehepaar «Jacob Müller und Catha- Erste Namensträger werden mit einem Ort Michel, der Anfang 1669 Taufpate der «Cathry- rina Tschanz». Sie heirateten im Oktober 1666 namens «Schilt (dreieckiges Grundstück oder na Vogt» wurde, als Schiffer das Ruder in der in Brienz und liessen dort bis 1678 sechs Kna- gewölbte Anhöhe)», «Schiltalp», «Schiltwald»“ Hand hielt. Über die Herkunft des Zunamens ben und ein Mädchen taufen. «Jacob Müller, oder ähnlich in Beziehung gestanden sein. Be- «Gräter» wird bis heute gerätselt. Der erste der Gerber von Brienz», verstarb im April 1700, reits 1334 berichtet ein Dokument von einem Brienzer Bergführer hiess Michel (Berggrat / womit er wohl nach 1610 geboren wurde. Seine «Heini und einem Ueli Schilt» im Teiffental (s. S. Gräter). Eine Ahnfrau könnte auch Gräter, Grüt- Herkunft kann den Kirchenbüchern von Brienz 76) ter … geheissen haben. nicht entnommen werden. 1429: Um seit dem Niedergang der Herren Müller Besonderes: Als Abwechslung frönte Jacob von Brienz und Ringgenberg unter anderem 1559 –1618: In dieser Zeit sind in den Tauf- und Müller-Tschanz, wie schon sein Vater, oft dem verloren geglaubte Holznutzungsrechte wieder Ehebüchern von Brienz folgende Familien ein- Kartenspiel, wofür er regelmässig aber an- zu erlangen, erstellte das Kloster Interlaken im getragen: scheinend erfolglos vom Chorgericht gebüsst April 1429 eine «Kundschaft» mit über 70 Zeu- wurde. Im Januar 1652 erhielt er zudem die genaussagen. «Erni Schilt von Wiler (Brienz­

197 wiler)» erinnerte sich damals, dass die Bauern †1801, war die einzige vor 1780 in den Kirchen- Bauernkrieges von 1653 «ihr Gnädigen Han- in den 60 Jahren seines Erinnerungsvermögens büchern Brienz erwähnte Hebamme. den» übergeben haben, sind Schneiters dort unbekümmert Holz fällten und verkauften. «Ulli mit sechs Männern vertreten. «Peter Schneiter, Schilt, amman ze Briens» doppelte nach, er Schneiter des Weibels Sohn, einer der ergsten» hat aber wisse seit 60 Jahren nichts anderes, als dass Dem Name «Schneiter», der in den Kirchenbü- «sein Überwehr nit selbs, sondern durch Drit- sie oberhalb von Blatten (an der westlichen chern von Brienz bis in das 18. Jahrhundert oft man gelifferet»; (s. auch unter Stähli). 1664 – Dorfgrenze von Niederried) «die höltzer in ban als «Schneitter» erscheint, liegt der Ausdruck 1667: Allein in den ersten vier Jahren nach dem geleit, verkouften und ouch ab gehüwen haben, «schneiden» zu Grunde, zu dem auch Begriffe Wiedereinsetzen der Kirchenbücher von Brienz ungestraft von der herschaft.» Zudem habe er wie Schnitt, Schneise gehören. Entsprechend liessen dort fünf Schneiter-Ehemänner, die mit sagen gehört, dass «wenn der von Ringgem- müssten erste Träger dieses Namens gut mit Frauen Namens Gusset, Imboden, Flühmann, berg (der Freiherr Petermann von Ringgenberg) Sicheln, Scheren oder anderen geschliffenen Michel und Thöni verheiratet waren, sowie drei da hin uff zu inen käm und da gesellen nüt Geräten umzugehen gewusst haben. Ebenso- mit Flück-, Schild- und Moor-Männern verhei- täten, dz der sprech: warumb tünd ir nit etwz, gut kann dieser Familienname auch auf einen ratete Ehefrauen namens Schneiter ihre Kinder gand und holtzind“.10 Herkunftsort wie «Schneit», Weiler in Günd- taufen, womit sicher unzählige heute lebende lischwand, Saanen, Lungern usw. hinweisen. Personen verschiedenster Familiennamen zu 1559 –1583: In dieser Zeit sind in den Taufbü- ihrer wohl weltweit verstreuten Nachkommen- chern von Brienz Kinder von 27 Familien dieses 1559 – 1637: Im ersten Taufrodel von Brienz schaft zählen dürften. Namens nachweisbar, wohnhaft in Brienz (8), sind bis 1565 die Väter Tobias, Mathäus und Brienzwiler (5), Hofstetten (4), Oberried (1) und Ulrich «Schneitter» und ihre nachweisbaren Stähli Schwanden (1). Von acht weiteren Familien ist Kinder, unter anderem ein Ulrich *1560 einge- 1528: Stählis erscheinen im Oberen Aareraum der Wohnort unsicher. 1653–1699: In der zwei- tragen, wobei die Herkunftsangaben und auch erstmals im November 1528. «Hans», «Basti- ten Hälfte des 17. Jahrhunderts hiess ungefähr die Namen der Mütter fehlen. Bis mindestens an», «Clevi» und «Caspar» gehörten damals zu jeder siebte Einwohner von Brienz «Schilt». Ent- Ende 1590 sind zusätzlich die Ehen eines den Befürwortern der Reformation, während sprechend konnten die Diener der «gnädigen Konrad (in Brienz kinderlos), Ulrich und Peter «Hans Stäly mit dem Kropf» für den alten Glau- Herren von Bern» nach dem verlorenen Kampf «Schneitters», alle von Brienz, nachweisbar. ben eintrat. 1559 –1583: In dieser Zeit sind in der Emmentaler-Bauern von 1653 von ihnen «Ulrich Schneitter», von 1617–1637 Kirchmeier den Taufbüchern von Brienz Kinder von elf insgesamt 37 Kriegsgeräte Empfang nehmen. (Verwalter des Kirchengutes) von Brienz, grün- Familien dieses Namens nachweisbar, wohn- dete 1580 mit «Elsbeth Frutinger» eine Familie, haft in Brienz (2), Brienzwiler (5), Hofstetten (3) Besonderes: Viele von ihnen waren Kirchmeier, der bis 1607 fünf Knaben und sieben Mädchen und Schwanden (1). Obmann oder Schulmeister. Je drei von ihnen entsprossen. «Peter Schneitter», seines Zei- waren Statthalter, wovon einer hingerichtet chens ein Schneider, heiratete 1581 «Elsbeth 1653: Am 13.4.1653 fanden sie sich unter An- wurde. Schilds übten Berufe aus wie Gerber, Vischer», mit der er bis 1604 einen Knaben und führung von Hans Risser von Oberried auch Müller, Bäcker, Schuhmacher, Schiffer, acht Mädchen hatte. Ende September 1707 Peter Schneitter und Jacob Stähli von Brienz Schmied und Zimmermann. Ein weiterer, Peter klagte «Barbara Schneiter» *1585, dass «Mat- zum Fest der Freiheit in Sumiswald ein. Sie hal- Schild (1771–1820) von Brienz, war «Lieutenant thäus Schneiter» *1582, ihr Vetter, sie ge- fen dort den Bauern Niklaus Leuenberger von in königlich französischen Diensten», und «Mar- schwängert habe, was beweist, dass Ulrich und Rüderswil zu ihrem Obmann zu gewinnen und greth Schilt, Hans Flücks Eheweib von Brienz» Peter Brüder waren. erhielten eine Kopie des dort besprochenen Bundesbriefes. Nach Brienz zurückgekehrt, 1653: Gemäss dem «Verzeichnuss jener von liess Hans Risser diesen Brief in seiner Kirch­ 10) StAB: Fach Interlaken, 28.4.1429 Brientz, so ihre Wehr (Waffen)» am Ende des gemeinde verlesen, womit er bald die meisten

198 Leute auf seiner Seite hatte. Nur der Statthalter Thomann 1664 –1699: In den Tauf- und Ehebüchern der (Stellvertreter des Landvogts von Interlaken in 1548: Der erste dieses Namens, «Hanns Tho- Kirchgemeinde Brienz erscheinen fünf Familien der Kirchgemeinde Brienz), der Kilchmeyer man, statthalter zu Brientz» tritt am 23. Januar dieses Namens, die mit ihren bekannten (Verwalter des Kirchengutes), der Wachtmeister 1548 aus dem Dunkel der Vergangenheit. Als 11 Knaben und zwei Mädchen nachweisbar in und fünf weitere Männer hielten Bern die Treue. er damals «an gewonlicher richtstatt offentlich Brienz wohnten, womit grundsätzlich alle fünf Anfang Mai blies Bern zum Angriff gegen die zu gericht sass und statt hielt» mussten die entsprechenden Familienväter als Stammhalter Rebellen. Vor dem Morgengrauen des 11. Mai Bauern von Oberried vor ihm bekennen, dass der Thomann von Brienz in Frage kommen kön- 1653 erhielten die Bauern Kunde davon, und sowohl jene von Ebligen als auch einige Höfe nen. – Weitere Thomann-Familien lebten da- am Nachmittag stand auf dem Murifeld von von Niderriedt das Recht hätten, an der mals in Brienzwiler (5), Hofstetten (1) Oberried Bern bereits ein 20 000 Mann starkes Bauern- «Gmeind» (Versammlung der Alp-Anteilhaber) (6) und Schwanden (1), was aber nicht unbe- heer, darunter durch etwa 25 Kirchgenossen teilzunehmen und mit ihrem Vieh «an Vogtäl- dingt bedeuten muss, dass der in den Taufre- aus Brienz. Doch die Berner Räte verstanden göuw ze alp zu faren».11 gistern eingetragene Herkunftsort mit dem erst es, den zu Verhandlungen geneigten Bauern- 1674 eingeführten Heimatort übereinstimmt. führer Niklaus Leuenberger mit Friedensver- 1559 –1683: Gemäss den Taufbüchern liessen handlungen hinzuhalten, die eidgenössischen damals 13 Thomann-Familien ihre Kinder in Besonderes: Das Fehlen von Berufsangaben Tagsatzungstruppen aufzubieten und am 29. Brienz taufen. Von diesen lebten mindestens für Thomanns in den Kirchenbüchern deutet Mai 1653 den Bauernaufstand in Herzogen- drei Familienväter in Brienz, vier in Oberried und wohl an, dass die meisten von ihnen in der buchsee endgültig niederzuschlagen. Bald dar- einer in Schwanden. Von fünf weiteren ist der Landwirtschaft tätig waren, was auch die Sichel auf wurden Niklaus Leuenberger und die ande- Wohnort unbekannt. in ihrem Familienwappen zeigen mag. ren Rädelsführer hingerichtet. Einer von ihnen, «Fridlin Domman von Brienz», Thöni Übername: Am 16. Juni 1836 verstarb «Ulrich gründete zwischen 1574 bis 1577 mit «Margret Die schweizerischen Träger dieses Familienna- Stähli, Glaser und Schreiner, Caspars selig Cheerli» eine Familie, von der bis 1582 drei Kin- mens erscheinen heute im Kanton Graubünden Sohn, Witwer der Magdalena Schild von Bri- der nachweisbar sind. Er und ein «Heini Döni» sowie in Bönigen, Brienz, , Hasli- enz» im Alter von 74 Jahren und 10 Monaten an wurden im Februar 1590 vom Chorgericht be- berg, Innertkirchen und Meiringen heimatbe- Altersschwäche. Sie schenkten mindestens acht scholten, dass sich bei ihnen nächtlicherweise rechtigt. Kindern das Leben und wohl auch den noch «das jung volk, knaben und meitlin» vermutlich heute bekannten Zunamen «Glasers». zum Tanzen einfänden. «Fridlin» und «Heini» 1559 –1583: In dieser Zeit finden sich in den rechtfertigten sich, «das jung volk köme wol et- Taufbüchern der Kirchgemeinde Brienz Kinder Berufe und Ämter: Unter den von 1664 –1780 wan zu inen gan kilten, aber danzen sig da nie der drei folgenden «Döni»-Familien: nachweisbaren 59 Stähli-Familienvätern von fergangen (vorgekommen)». 1608 war das Tie- – Melcher, von 1560 –1564, dessen Ehefrau Brienz finden sich in den Kirchenbüchern zwei fental anscheinend noch ganzjährig bewohnt. und Wohnort unbekannt ist. Gerichtssässen (Richter am weltlichen Gericht Damals stand im September «Peter Domman – Ulrich und Anna Schilt, wohnhaft zu von Brienz), zwei Kirchmeier, ein Obmann, ein uff Thöuffenthal vor Chorgericht», weil er in Ab- Oberried. Weibel, zwei Schulmeister, zwei Schmiede zu wesenheit «Lorentzen Egglis und siner huss- – Hans und Elsbeth Schilt, wohnhaft zu Brienz. Tracht und ein Landarbeiter in der Lauimatte, frouwe» dort bis in die Nacht mit der Spinnerin Christen Stähli (1753 –1777), der ein «Medicus» getrunken habe. 1653: Nach dem verlorenen Aufstand der Em- und «Chyrurgus» war, sowie Hans Stähli (1778 – mentaler Bauern sind von Thönis zehn Waffen 1861), ein Kunstmaler (s. S. 344). den See hinunter geschifft worden. Darunter 11) StAB: Nachlass Buri E. Schwanden (70) Dokument vom 23.01.1548 war auch der Spiess des Seckelmeisters

199 «Melcher Thöni, Mituffrüerer», der von 1643 bis brochen heige». Fridli, sein Bruder, erstellte an- mindestens 29 Kinder taufen liessen und zum 1658 Chorrichter war. 1664 –1699: In jener Zeit scheinend Seile. Im September 1643 wurde er grössten Teil in Brienz und Schwanden wohn- liessen 18 Thöni-Familien 27 Knaben und vom Chorgericht um 10 Schilling (heute ca. 40 ten. 25 Mädchen in der Kirche von Brienz taufen. Fr.) gebüsst, weil er «villmalen an sontagen mit 48 dieser Kinder erblickten das Licht der Welt in seilen von hus gadt». Und «Trini Wyss», eine ih- 1653 –1704: Am Ende des Bauernkrieges von Brienz, eines in Hofstetten und drei in Schwan- rer Verwandten, wurde im April 1634 um 10 1653 lebten in der Kirchgemeinde als Wehr- den. Mit Ausnahme von «Melcher Döni des Schilling gebüsst, weil sie «sinen Schwager un- männer mit ihrem Geschlechtsnamen mindes- Gerichtssässen von Brienz», der im Juni 1676 geschücht vor den lüten offentlich küsset». tens Wernli, Ulis Sohn, Wernli und Melcher. starb, eines Weibels und eines Trommlers ris- 1664 –1699: Inzwischen hatte sich der Stamm Als einziger Familienvater dieses Namens der sen sie sich weder um öffentliche Ämter noch des Bendicht auf vier Äste, das heisst auf Peter Kirchgemeinde ist anschliessend und bis 1704 sind irgendwelche handwerkliche Berufe ak- *vor 1657, Bendicht *vor 1658, Fridolin *vor nur noch ein «Wernli Zobrist» nachweisbar. Er tenkundig. 1668 und Christen *vor 1679 verteilt. Mit Aus- gründete vor 1677 mit «Madlena Zum Brunnen» nahme von Christen, von dem kein Sohn be- an einem unbekannten Ort eine Ehe, der bis Wyss kannt ist, lies­sen alle ihren ersten Sohn auf den 1684 die Kinder «Elsbeth» *1677, «Madlena» 1563 –1596: In dieser Zeit erscheinen in den Namen Bendicht, ihres vermuteten Vorfahren „1678, «Ulrich» *1683 und «Christen» *1684 ent- Tauf- und Eheregistern von Brienz sieben Fami- Bendicht Wyss-Märgien taufen. sprossen und die heute sicher auf eine statt­ lien dieses Namens, verteilt auf irgendwo in der liche Anzahl Nachkommen blicken könnten. Kirchgemeinde (2), Brienz (1), Hofstetten (2) und Zobrist «Wernli Zoberist zu Brientz» starb im April 1691, Schwanden (1) mit 16 Mädchen und 13 Kna- Dieser Name ist im Aargau in Hendschicken während der Todestag seiner Ehefrau leider un- ben. und Rupperswil sowie im Bernbiet in Brienz und bekannt ist. Von «Wernli» ist zudem bekannt, Frutigen alt verbürgt. Erste Träger dieses Na- dass er 1674 wegen «sonntäglichen Keiglens 1596 – 1626: Von den oben erwähnten Familien mens werden irgendwo zuoberst eines an ei- censuriert und umb 5 Schilling gestrafft» wur- scheint nur jene des Bendicht Wyss von Brienz nem Abhang liegenden Dorfes gehaust haben. de. Im März 1694 erschienen auch Hans Fi- die Pestseuchen von 1595 und 1611 überlebt In der Zeugeneinvernahme zum Holznutzungs- scher und «Elsbeth Zobrist, Wernlis Tochter, zu haben. Bendicht heiratete am 2. Mai 1584 in streit zwischen der Herrschaft von Ringgen- weil diese letzte ihme eine Kuh auf die Ehe hin Meiringen seine Braut, Christina Märgier, auch berg und dem Kloster Interlaken ist im Jahr versprochen» hatte. Weil aber die Chorrichter eingetragen als Märgien, Märgiär, Märyer oder 1303 der freie Bauer «Uolrich genannt obinan sahen «das besagte Tochter damahls alss un- Märiger. Wie sich die beiden kennen gelernt ha- im Dorf vom Dorf Briens» erwähnt. Er hatte da- der den Jahren und under ihrer Mutter gewe- ben, ist leider unbekannt. Nachdem Christina in mals im strittigen Wald ob Bönigen mit Knech- sen, haben wir es für null und nichtig erkennet Hofstetten zwei Mädchen zur Welt gebracht ten des Vaters des Johannes von Ringgenberg und sie fortgeschickt». hatte, zog die Familie nach Brienz, wo ihnen und Männern aus den Dörfern Ringgenberg von 1589 bis 1604 fünf weitere Mädchen und und Niederried Holz geschlagen und es her- Ausklang drei Söhne, Fridli *1589, Hans (1595 – ca. 1598) nach zur Burg von Ringgenberg geflösst, womit Es fällt auf, dass Frauen in diesem Beitrag stark und Hans *1599 geschenkt wurden. Von «Hans er einer der wichtigeren Zeugen war. Obwohl untervertreten sind. Dies liegt einerseits am Wyss, des Bendichts sun» *1599 ist be­- die Namen «obinan im Dorf» und «Zobrist» System der Weitergabe der Familiennamen und kannt, dass er im Oktober 1619 unter jenen ge- die gleiche Bedeutung haben, ist damit aller- andererseits am sozialen Gefüge und Status wesen sei, die «nachts uf der gassen umher dings nicht belegt, dass zwischen ihnen ein von Mann und Frau in der dargestellten Epo- louffen, die lüt beleidige und dem Batli ab Egg- verwandtschaftlicher Zusammenhang besteht. che. Auch sonst erheben die in diesem Kapitel len sine laden, welche er bi sinem spicher 1559–1582: In dieser Zeit sind in Brienz elf dargestellten Beschreibungen, schon nur auf- uff­tischet hat, überalhin geworffen und zer­ Zobrist-Familien erwähnt, die dort bis 1698 grund des beschränkten Platzes keinen An-

200 spruch auf Vollständigkeit. Wer jedoch mehr über das Leben seiner Vorfahren wissen will, dem bietet sich hierzu in Archiven und Biblio- theken ein schier unerschöpfliches Angebot an Dokumenten und Literatur an.

Und wer zudem mit offenen Augen durch das Dorf Brienz und über seine Alpen wandert, wird erstaunt sein, wie viele, zum Teil anfänglich un- verständliche, in Haus-, Scheunen- und Spei- cherwänden eingekerbte Initialen, Inschriften und Jahrzahlen ihm mit Hilfe dieser Archivalien interessante Hinweise zu den einstigen Besit- zern dieser Gebäude verraten könnten (s. S. 216–219 und 227). Speicher im Farnigenboden (Axalp).

Ein gutes Beispiel hierzu bietet der Käsespei- cher im Farnigenboden (Axalp), der 1795 un- weit der noch heute Michels («Housellers») von Brienz gehörenden Alphütte erstellt wurde. An seiner Front stehen, eingerahmt von zwei Zim- mermannsäxten und zwei Winkeleisen, links die Initialen des «ZM» Zimmermeisters «BM». Sofern «BM» aus der Kirchgemeinde Brienz stammte, kann es sich bei ihm nur um Bendicht Michel-Linder (1765 –1839) von Brienz handeln.

Unter dem Luftdurchlass des Speichers prangt das Wappen der Michel von Brienz, das zwar mit seinem roten Herzen etwas vom heutigen abweicht, dessen drei Schwerter jedoch ein- deutig mit jenen des heutigen Michel-Wappens übereinstimmen (s. S. 125 und 186).

Rechts davon sind unterhalb der Abkürzung «PR», die Propriétaire bzw. Proprietarius (Besit- Frontseite des Speichers im Farnigenboden (Axalp). zer) bedeuten könnten, die Initialen «MM» ein- gekerbt. Um 1795 lebten in Brienz als Familien- von ihnen der einstige Besitzer war, würden uns väter drei Mathäus und ein Michael Michel, die vielleicht Dokumente des Staatsarchivs Bern damals alle über 25 Jahre alt waren. Welcher oder des Gemeindearchivs Brienz verraten.

201 202 Unser Dorf Brunngasse mit Häusern aus dem 16. Jahrhundert. In der Dorfgassen

Albert Streich

1. Stotzig isch schi, iisi Gassen, 4. Scheenn, und wie da Granium brinnen, 7. Jetzen. – Vil hed siithar ggändred, waa mmer uuf und nidsi gähn, zintifiirig und suscht root! mengs ischt niwws, mengs nimma. Ja, und disuuf, da mues me’s glaassen Wohl, da chemis gued z errinnen Heinz hed lengschten uuskaländred, und disab mid Muessen nän. in der Sunnen, das ischt flott! und sii Rredig steid no da. Achellis, wie churz ischt ds Läben, Sicher siin das ds Mietis Bluemmen, Ander Bueben hein am Bächli spring und janggsi wär da wil. wiit und breit findscht teller chuumm. Täggelmileni im Gang, Entli cheme mmer halt äben Äs gsehd halt o guetig zuen nen, räblen dert uf ds Schindeltächli, alli doch a ds gliichlig Zil. tued nen Raad und bschitted drumm. zeekt vom siesse Chriesimang.

2. Hiiser stähn da, breit und wohnli, 5. Dert waa ds Vreni im Schatten glismed 8. Oh, die scheennen Buebejahri – gmaaleti vom Wätterschmeis. undrem groossen Holderbeun, lang siis har und lengschten hin; D Pfeischterschiibi glänze schoonli, hei mmer Chuuderbichsi gfismed; underdessen ischt ds Heifahri ammietig ischt alls im Greis. oh, das ischt mer alls wie Treun! mengem von is bschides gsiin. Ds Voortach wiit uberuusi bbuwwes – Uf der Bsetzi hei mmer gschpengled, O an iis chunnd eppeis d Reijen mengischt schmeizt’s halt gaar und tued! Gäbelchieh desumha gfierd, das mer us der Gassen gähn Ds Gwätt ischt starchs und suufer bhuwwes, Bitza Brood von Becklis gmängled, und di allerleschte Mmeijen und d Voorleube mmacht si gued. (eis e Schiiben inhi grierd! uf em schwarzen Huusli stähn

3. Undre Rrafen näschte Vegel, 6. Hotz, das hed niid zimpfer gchroosed! 9. Stotzigi ischt iisi Gassen, in däm Ghursch sii Spatzen drin. Richtig hei mmer ds Päch due ggän. Schatten, Sunnen mag si gän, In der Pudiigg chlepft e Schlegel, Am Aaben hed is der Ätti gchnosed und disuuf, da mues me’s gglaassen chenne Schnitzler fliissig siin. und is d Fuugen trachted z nän.) und disab mid Muessen nän. Und niewwumha ggagglen Henni, Ja, no mengs wään da z erzellen, Achellis, wie churz ischt ds Läben chrääid e Ggiggel was er mag, vom Zirbriischlaan, Zänggelum, speerz und bäärzgi wär da wil: und en bruuni Geis, e scheenni, wie mmer Heinzen eis hei wellen Entli cheme mmer halt äben gschented Chabis dir en Hag. de Rredig welpen, umm und umm. alli doch a ds gliichlig Zil.

205 Dorf im Wandel

Max Gygax

Brienzer Leuten braucht man ihr Dorf nicht vor- zustellen; es ist ihnen vertraut und noch über- schaubar trotz seinen 3000 Einwohnern. Zwar kennt nicht mehr, wie früher, jeder jeden, aber ein dörfliches Zusammengehörigkeitsgefühl ist im­mer noch spürbar, eine Verbundenheit, ge- tragen von Tradition und gemeinsamer Bewälti- gung von anspruchsvollen Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben.

Rückblickend lässt sich feststellen, dass sich Brienz­ seit dem 2. Weltkrieg stark verändert hat. Diese Entwicklung erfolgte in der Regel fast unmerklich, in kleinen Schritten und völlig un­ spektakulär, wenn man von der Erstellung der Autostrasse am linken Seeufer absieht. Das hat­te zur Folge, dass der frühere Zustand meist schon in kurzer Zeit dem Bewusstsein ent- schwand und vergessen wurde. Als Beispiel sei etwa an die «Schyr» unter dem Fluhberg erin- nert; bis vor wenigen Jahren Verkaufslokal und Die alte Post. Der Anbau links ist die Kreuz-Scheune, ganz links das Holzwarenmagazin Schwalb. Depot der Landwirtschaftlichen Genossen- schaft, wur­de sie durch ein grosses Apparte- menthaus ersetzt, und schon haben viele Leute kaum noch eine Vorstellung, wie das dort vor- her ausgesehen hat!

Brienz ist grösser geworden; neue Häuser wach­sen im Feld immer höher die Hänge hin- auf, zwischen Glyssi- und Lammbach und auf der Kienholzlauenen ballen sie sich gar zu gan- zen Quartieren. Ziemlich unverändert bis an ei- nige Neubauten und Sanierungen präsentieren sich dagegen Haupt- und Oberdorfstrasse mit dem dazwischen liegenden und bis an den «D Schyr» (ehemalige Landwirtschaftliche Genossenschaft) unter dem Fluhberg.

206 Quai reichenden Ortskern, der durch acht steile Gassen erschlossen ist, die eine schöne Anzahl bemerkenswerter alter Wohnhäuser vorzuwei- sen ha­ben. Die den Burgstollen krönende Kir- che und das Hobacherschulhaus (Schulhaus Brienz Dorf) prägen nach wie vor das Dorfbild, und Tracht gilt wie in alten Zeiten als Knoten- punkt, von dem der Verkehr zu Land und zu Wasser ausstrahlt.

Ein gewohntes Ge­sicht zeigt auch der ent- sumpfte Aarboden, dessen letzter schilfbestan- dener Rest, neben der ge­schützten Jägglisglun- te, einem vielbesuchten Campingplatz weichen musste. Nachdem sie mit einer Fahrstrasse besser zugänglich ge­macht wurde, entwickelte sich die Axalp zu ei­nem Ferienzentrum mit Sommer- und Winterbetrieb, und an die frühere Abgeschiedenheit erinnern sich wohl nur noch alte Leute. Das Freilichtmuseum Ballenberg, die Rothornbahn und das auferstandene Giess- bachhotel gehören eben­­­falls zu den alt-neuen Anziehungspunkten des Dorfes und seiner Umgebung.

Aufschlussreiche Angaben über die bauliche Entwicklung und die damit verbundenen Ände- rungen im Siedlungsgebiet Brienz können auch alte Brienzer nur bedingt liefern, da die eigene Erinnerung naturgemäss nicht hinter eine be­ schränkte Zeitspanne zurückreicht. Wertvoll ne­ben amtlichen Aufzeichnungen sind alte Fotografien und Landschaftsdarstellungen (Veduten) von Künstlern.

Sehr genau dokumentieren vor allem auch Landkarten aus verschiedenen Zeiten den schleichenden Wandel unserer Umwelt.

Dorfstrasse bei der «Helvetia» um die vorletzte Jahrhundertwende.

207 Zuverlässige Angaben liefert allerdings erst die moderne Kartografie, die mit der Dufourkarte von 1864 begonnen hat, mit der Kurvenkarte des Siegfriedatlasses fortgesetzt wurde und seit 1938 mit der mehrfarbigen Landeskarte 1:25 000 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Die folgenden Ausschnitte möchten auf einige Entwicklungen aufmerksam machen, nebenbei die im Buch aufgeführten statistischen Anga- ben ergänzen und das abstrakte Zahlenmate- rial wenigstens teilweise durch das augenfälli- gere Kartenbild etwas veranschaulichen.

Alte Karten, die ohne trigonometrische Vermes- sungen erstellt wurden, erheben keinen An­ spruch auf exakte Darstellung. So zeigt die Schoepfkarte von 1578 neben Brienz und Kien- holz noch das Dorf Krumeney. Im Gegensatz zu Schoepfkarte 1578. heute, wo der Flurname Chrummeney ein Ge- biet links der Aare beim Talguet bezeichnet, lag das ehemalige Dorf im Süden des (versumpf- ten?) Talbodens irgendwo zwischen Unterbach und dem Brunnen. Merkwürdigerweise kennen wir keine gesicherten Fakten über diese ver- schwundene Siedlung.

Der Kartenausschnitt beweist auch, dass zwi- schen Kienholz und Meiringen drei Brücken über die Aare führten und Kienholz viel näher an der Aaremündung lag als heute. Die ehemalige Sust allerdings war zu dieser Zeit bereits nach Tracht verlegt worden wegen Bergsturzgefahr und Über­schwemmungen im Talboden.

Die nach heutigen Begriffen recht primitive Schoepfkarte wurde im 19. Jahrhundert ab­ gelöst durch weit genauere und in einem ein- heitlichen Massstab aufgenommene Darstel- Denzlerkarte 1859 – 61.

208 lungen, die möglich wurden durch neue und Es dürfte recht anregend sein, anhand der letz- u.a. von einzelnen Häusern bleiben sie uns bessere Möglichkeiten der Kartografie. ten Ausgabe der Landeskarte (Nr. 1209, Blatt schuldig. Gerade Brienz verfügt aber, wie ein- Brienz), die wohl in den meisten Haushalten gangs erwähnt, über zahlreiche Wohnbauten Der Ausschnitt auf Seite 208 stammt aus der vorhanden ist, und der eindrücklichen Flugauf- von bedeutendem architektonischem Wert. so ge­nannten Denzlerkarte, die 1859 – 61 ge- nahme von 1993 (s. S. 210) die Entwicklung des Diese Baudenkmäler, die sogar vielen Einheimi- schaffen wurde. Siedlungsraumes unseres Dorfes mit den vor- schen kaum bekannt sind, verdienen eine be­ liegenden Kartenausschnitten zu vergleichen – sondere Würdigung, für die wir Dr. h.c. Hans Im Vergleich zu heute fällt die lockere Besied- und zu staunen über die gewaltigen Verände- Gugger gewinnen konnten, einen anerkannten lung auf, die sich zur Hauptsache auf das rungen. Fachmann für bäuerlich-dörfliche Baukultur. Gebiet zwischen See und Oberdorfstrasse Mö­gen seine Ausführungen dazu beitragen, konzentriert. Schwanden, das damals in Neu- Topografische Karten vermögen wohl die Lage dass Ein­heimische und Besucher auch bisher und Altschwanden aufgeteilt wurde, und das und Ausdehnung eines Dorfes zu zeigen, Aus- un­be­achtete Schönheiten an alten Häusern mit Kienholz sind vom Fluhberg noch durch weite, künfte über Bauart, Aussehen, Material, Alter anderen Augen betrachten (s. S. 211–227)! unüberbaute Flächen getrennt. Die Aare mün- det beim heutigen Campingplatz in den See; in der Nähe befand sich auch der Platz, wo die militärischen Ausrüstungs- und Trüllmusterun- gen stattfanden.

Nur wenige Jahre nach der Denzlerkarte er­ schien 1870 erstmals der Topografische Atlas der Schweiz in 538 Blättern (so genannter Siegfrieda­ tlas 1:50 000, bzw. 1:25 000). Das Blatt Brienz weist gegenüber der Denzlerkarte nur wenig Veränderungen auf; immerhin hat die Aare durch die nun angelaufene Korrektion ein neues Bett bekommen und fliesst in begradig- tem Lauf am heutigen Ort in den See.

Wichtige Neuerungen zeigt die Ausgabe 1905 des Siegfriedblattes. In die Augen springt der be­deutende Zuwachs an Gebäuden, was dar- auf zurückzuführen ist, dass nun auch Scheu- nen und Ställe in der Umgebung des Dorfes erfasst werden. Als neue Objekte sind die 1888 eröffnete Brüniglinie und die 1892 beendete Rothornbahn eingetragen und ein erweitertes Netz von Strassen und Wegen.

Siegfriedkarte/Topografischer Atlas der Schweiz 1905.

209 Flugaufnahme Brienz und Umgebung 1993. (Flugaufnahme 2009 mit Flurnamen im Anhang.)

210 Das Brienzerhaus

Dr. Hans Gugger

«Die Bauart der Schweizerhäuser ist sowohl in malerischer und konstruktiver, als auch in künst- lerischer und historischer Beziehung höchst an­ziehend und belehrend; insbesondere haben die Holzbauten des Berner Oberlandes durch ihre ganz eigenthümliche und sehr reiche Aus- bildung einen allgemein anerkannten Werth ge- funden.» Das schrieb der deutsche Architekt und Hausforscher Ernst Gladbach, der 1857 als Professor für Baukonstruktion an das neuge- gründete Eidgenössische Polytechnikum in Zü- rich berufen worden war.

Man ist erstaunt, mit welcher Intensität und Be- «Brienzerhaus», Holzstich nach einer Zeichnung Das Haus am See mit der Frontlaube auf dem Buchdeckel geisterung dieser Landesfremde un­sere Haus- von E. Gladbach. des Architekturwerkes Graffenried/Stürler. landschaft mit dem Zeichenstift in der Hand zu einer Zeit, als ihm noch kein Auto und in weiten Gegenden auch noch keine Eisenbahn zur Ver- fügung stand, erforscht hat. In der er­wähnten Publikation bildet Gladbach ein Haus in Brienz ab – es ist ein Holzstich nach seiner Zeichnung – als Beispiel für «die unter dem Schutz des weit vorstehenden Giebeldachs angebrachten Vorlauben 1, welche hauptsächlich in Brienz, Interlaken und Grindelwald beliebt waren, je- doch in Verbindung mit dem Blockbau in den Urkantonen niemals vorkommen.» Gladbach, der auch ein Tafelwerk zum «Schweizer Holz- stil» geschaffen hat, auf das wir noch zurück-

) 1 Die Bezeichnung für die giebelseitige Laube über dem Wohnkranz ist nicht einheitlich. In Brienz wird sie laut einer Umfrage als «Sommerlaube» bezeichnet. In Grindelwald heisst sie «Vorzug», und «Sommerlaube» be­deutet dort die breite traufseitige Laube. Das heute noch erhaltene, um 1780 erbaute Haus an der unteren Gasse in Oberried, nach einer Lithografie von Graffenried Wir bevorzugen die Begriffe Giebel- oder Frontlaube. und Stürler. Der Aufriss rechts zeigt, wie die nur wenig tiefe Laube von den vorstehenden Balken der Blockwand getragen wird.

211 Das Haus der heutigen Apotheke an der Hauptstrasse 105. Zu der vor 1900 entstandenen Ablichtung schreibt Das Haus Kirchbühl 2, Zeichnung von Karl Girardet Jakob Hunziker, dass «das teilweise von Reben umrankte Haus die ganze fröhliche Heiterkeit dieser Bauart atme.» (1813 – 1871). kommen werden, war nicht der Erste, der auf erst die vollständige reich beschnitzte Fassade gebliebene, 1776 erbaute Haus an der Haupt- die Bedeutung unserer Holzbauten aufmerk- und dann ein reizendes Detail mit einem disku- strasse 105, in dessen Erdgeschoss sich heute sam machte. Be­reits im Jahr 1845 edierten die tierenden Paar auf der Giebellaube dargestellt, eine Apotheke befindet. beiden Berner Architekten Adolf von Graffen- siehe die Abb. S. 211 und 221. ried und Ludwig von Stürler ein grossforma- Aber nicht nur die frühen Hausforscher bringen tiges Tafelwerk (41 x 55 cm) mit dem Titel In den Jahren 1900 bis 1914 erschien das Fun- dieses Giebellaubenhaus mit Brienz in Verbin- «Schweizerische Architektur oder Auswahl höl- dament der schweizerischen Hausforschung dung, auch die bildenden Künstler dokumentie- zerner Gebäude aus dem Berner Oberland.» (Richard Weiss), das achtbändige Werk von ren sie in ihren Werken. Schon die Phantasiezeichnung auf dem Buch- Jakob Hunziker «Das Schweizerhaus nach sei- deckel zeigt am Ufer eines Sees in der Art des nen landschaftlichen Formen und seiner ge­ Brienzersees ein Holzhaus mit einer giebelseiti- schichtlichen Entwicklung.» 2 Und wieder ist es gen Laube. ein Haus mit einer Giebellaube, das der uner- ) 2 Siehe zu den hier eingangs erwähnten Autoren müdliche Forscher, dem nun der Fotoapparat die kritisch wertende Arbeit von Edwin Huwyler, Auf den Tafeln XI und XII wird alsdann von ei- zur Verfügung stand, auf der Seite 92 des sie- dem wissenschaftlichen Leiter des Ballenberg, im nem «Wohnhaus zu Ried am Brienzersee» – es benten Bandes als für Brienz typisches Haus Jahrbuch 1996 des Freilichtmuseums mit dem Titel «Schweizerische Hausforschung» (S. 45 ff.: Graffenried ist Oberried in der Kirchgemeinde Brienz – vor- darstellt. Es ist das bis jetzt glücklich erhalten u. Stürler, S. 49 ff.: Gladbach, S. 75 ff.: Hunziker).

212 Nun müssen wir aber dieses «Brienzerhaus» danken wir, dass in unserem Dorf wohl der doch etwas relativieren. Die Frontlaube finden gröss­te Bestand von Hausbauten aus dem wir, wie das schon Gladbach erwähnt, nicht nur 16. Jahrhundert erhalten geblieben ist. Da es in Brienz, sondern auch auf dem Bödeli und Brauch war, vor allem in dieser frühen Zeit, den überhaupt im Gebiet der beiden Seen und nir- Hausbau auf der Giebelseite zu datieren, haben gends so konsequent wie in Grindelwald. Wir wir Kenntnis von ihrer Entstehungszeit. werden sie aber, und das macht unsere Haus- landschaft ja so faszinierend, weder im Hasli Ein instruktives Beispiel zeigt die Abbildung noch im Frutigland oder dem Simmental und vom Haus Thomann an der Hauptstrasse 77, dem Saanenland an einem vor 1900 erbauten (Seite 214), wo 1999 die erste Auflage unseres Holzhaus finden. (Ganz seltene Ausnahmen – Buches ge­druckt worden ist. Die Jahrzahl 1552 z.B. in Reichenbach – bestätigen die Regel.) ist mit römischen Zahlzeichen und arabischen Ziffern, die sich erst um die Jahrhundertwende Wichtig ist nun aber die Feststellung, dass die in der heutigen Form durchgesetzt hatten, in Giebellaube ursprünglich am Brienzerhaus den Balken unter dem alten Rauchloch in der nicht vorhanden war. Dies im Unterschied zu Mitte der ursprünglichen Giebelwand einge- Grindelwald, wo sie schon im 16. Jahrhundert kerbt worden. Das bald 450-jährige Haus Tho- Die «Sommerlaube» am Haus von 1602 an der Brunngasse, nachgewiesen werden kann.3 Sie ist an den mann an der heu­te belebten Strasse ist aber die nachträglich mit Stichbalken und Bügen und mit auf zahlreichen Häusern des 16. und 17. Jahrhun- auch ein belehrendes Beispiel für das Schick­- die Blockvorstösse der Zwischenwand abgestützten Streben angebaut worden ist. derts erst später, wohl meist erst im 18. und sal dieser wertvollen Bauten aus früherer Zeit. frühen 19. Jahrhundert angehängt worden. Ein Schon auf dem abgebildeten Ausschnitt der frühes Beispiel einer schon von Anfang an mit Fassade ist zu er­kennen, dass das Haus wohl dem Neubau konzipierten, leider später ge- bereits im späten 17. Jahrhundert vergrössert kürzten Giebellaube findet sich am undatierten, und die First, die 1552 über dem erwähnten um 1750 erbauten Haus an der Alpgasse 12. Rauchloch lag, erhöht und nach rechts versetzt worden ist. Im 18. Jahrhundert wurde dem Im Gegensatz etwa zu den zierlichen Sommer- Haus auf die ganze Breite die damals Mode ge- lauben an der Brunngasse, die von Stichbalken wordene Sommerlaube angehängt. Die Wellen- getragen werden, die nachträglich neben den friese und zierlichen Ausschnitte der Brüstung Gwättvorstössen eingelassen wurden und belegen diese Zeit. Lange stand das Haus durch Büge an der Blockwand abgestützt wer- friedlich unten am See, unberührt vom Durch- den müssen, ruht hier die Laube auf Konsolen, gangsverkehr, der früher durch die Oberdorf- die durch verlängerte Balken der Seitenwände strasse führte. und der Stubentrennwand gebildet werden.

Der reiche Bestand von Häusern aus ) 3 Schon am Haus am Stutz von 1555 stammt nach Chr. Rubi die Frontlaube aus der Bauzeit. Ebenfalls am Haus dem 16. und 17. Jahrhundert in der Schwendi von 1572 ist die Laube, die auf einer An dem um 1750 erbauten Haus an der Alpgasse ist Im Unterschied zu zahlreichen Dörfern des Rosskopfkonsole liegt, für das 16. Jh. belegt. ausser der Seitenlaube auch die Frontlaube schon mit Ober­landes ist Brienz nie von einem verheeren- 4) Betroffen waren vor allem Frutigen 1726 und 1827, dem Neubau entstanden, wie an den zu einer Konsole Erlenbach 1765, Guttannen 1803, Meiringen 1879 und vorgezogenen Balken der Blockwand zu erkennen ist. den Dorfbrand heimgesucht worden.4 Dem ver- 1891 und Grindelwald 1892.

213 Das Haus des 16. Jahrhunderts und seine Zierelemente Die ältesten Häuser in Brienz waren durchwegs hölzerne Blockbauten auf einem aus Bruchstei- nen gemauerten, als Sockel dienenden Keller- geschoss. Sie wiesen meist einen annähernd quadratischen Grundriss auf, sofern sie nicht als Doppelhäuser errichtet wurden. Das Wohn- geschoss bestand frontseitig aus einer breite- ren und einer schmäleren Stube. Auf der Rück- seite schloss sich den beiden Gemächern auf die ganze Breite die bis zum Dach offene Küche mit der Feuerstelle an, in der oft eine kleine Kü- chenkammer abgesondert war.

Aus der Küche führte eine Treppe über eine Galerie zu den niederen Kammern im oberen Geschoss. Auf den von Blockwänden getrage- nen Pfetten lag das schwach geneigte Sattel- dach. Die Dachhaut be­stand aus grossen, mit Steinen beschwerten Dachschindeln, die auf Die Front des Hauses an der Hauptstrasse 77 erzählt seine bald 450-jährige Geschichte dem Betrachter bereitwillig. dem von Rafen gestützten Lattenrost lagen. Ein Siehe dazu den Text Seite 213. Kamin kannte man an diesen frühen Bauten nicht. Der Rauch der Feuerstelle strich durch Dies änderte, als der Fremdenverkehr eine feinen Zierrillen aus der Bauzeit, und noch im- das niedrige Estrichgeschoss, die «Ruessdili», immer grösser werdende Bedeutung erlangte mer stützen die für das Jahr 1553 typischen wo das Fleisch zum Räuchern Platz fand, zur und die durchgehende Seestrasse, die heutige Blockkonsolen die linke und die des 17. Jahr- Öffnung in der Giebelwand. Den Zugang zur Hauptstrasse, ent­­stand, die sich alsbald zur hunderts die rechte Hälfte des weit vorkragen- Geschäftsstrasse entwickelte. Nun hatte das den, schwach geneigten Satteldaches, das Haus, dessen Be­wohner bis anhin von der ursprünglich mit Steinen beschwert war. Landwirtschaft oder dem Fischfang gelebt hatten, ganz anderen An­sprüchen gerecht zu Der Jahrzahl wegen sind wir bei einem Haus werden. Im aus Bruchsteinen gemauerten Erd- stehen geblieben, dessen Front uns bei näherer geschoss kamen an­stelle des Geissenstalles Betrachtung seine Geschichte durch die Jahr- Geschäftsräume für Dienstleistungen. Zudem hunderte verraten hat. Um das Erkennen all verlangten die Ferienwohnungen erhöhte Stu- dieser zeitbedingten baulichen Eigenheiten zu ben mit grösseren Fenstern. All die baulichen er­leichtern, sei nun im Folgenden versucht, die Veränderungen lassen sich heu­te an dieser Ent­wicklung des Hausbaus in unserem Dorf Die ursprünglich durch ein Türchen verschliessbare Fassade ablesen. Trotz allen Umbauten und vor allem anhand der Fassadengestaltung dar- Öffnung zwischen der bis zum Dach offenen Küche und der «Ruess­dili» (Russdiele) unter der First des Hauses Ergänzungen finden wir aber noch Reste der zustellen. Krummgasse 3 aus dem Jahr 1561.

214 Die fünf dreifachen «Rosskopfkonsolen» am Haus Oberdorfstrasse 36/38 von 1553. Unter der erneuerten Jahrzahl ist das Die Verbindung der Blockwände, das «Gwätt», Gesims mit den feinen Rillen erkennbar, und die Blockvorstösse belegen eine breite und eine schmale Kammer. Zeichnung Ch. Rubi.

Haustüre, die in die Küche führte, erreichte man In der Schriftsprache schreibt man von ge- Es ist nun faszinierend zu verfolgen, wie die über eine traufseitig mit einer Laube verbunde- strickter Bauweise. Auch die Trennwände der Zimmerleute bestrebt waren, diese Hausfron- ne Treppe.5 Stuben und Kammern werden in dieser Weise ten mit Ornamenten und mit schattenspenden- in die Aussenwände eingefügt, so dass an der den Vorstössen auch in der Horizontalen zu Wie erwähnt handelt es sich bei uns um reine Hausfront an ihren Blockvorstössen die Stu- beleben. Wir wollen versuchen, diese Bemü- Blockbauten. Dies im Unterschied zum Haus beneinteilung zu erkennen ist. Die bündig über- hungen zeitlich einzuordnen. westlich der Niesenkette, im Simmental und einander geschichteten Vierkantbalken erga- Saa­nenland, wo das Wohngeschoss einen mit ben eine flache, schmucklose Hausfront, die Die frühesten Schmuckformen sind die vertiefte liegenden Flecken ausgefachten Ständerbau einzig in der Vertikalen durch die erwähnten Hohlkehle oder Rille und der Halbrundstab oder aufweist. Von Blockbau spricht man, wenn die Blockvorstösse belebt wurde. Wulst, beides Zierformen aus gotischer Zeit. Wände, die das ganze Haus tragen, aus über­ Am auffallendsten sind diese mehrfachen Rillen einander geschichteten Vierkantbalken beste- an dem angefasten Gesims oben im Giebelfeld hen, die an ihren Enden durch sich entspre- ) 5 Ein instruktives Beispiel für dieses frühe Brienzerhaus zwischen den Blockkonsolen, die die beiden chende Einschnitte rechtwinklig verkämmt mit der offenen Feuerstelle ist das weitgehend auf den Zufirs­ten tragen. sind. Diese Verbindung nennt man im Bernbiet ursprünglichen Zustand des späten 16. Jahrhunderts zurückgeführte Haus Nr. 1021 von Matten auf dem «Gwätt». Ballenberg (heute mit modernem Umbau).

215 oben: Das Gesims unter dem Rauchloch mit dem Rillen- Die mit zahlreichen Rautenfriesen beschnitzte Front des um 1640 erbauten Hauses an der Hauptstrasse 15. Die Inschrift ist ornament (Rillenfas) am Giebelfeld der Oberdorf- durch feine Konsölchen unterbrochen. An den Gwättvorstössen ist das grosse drei Stuben breite Haus zu erkennen. strasse 56 von 1576. unten: Blockkonsole mit zwei und drei Halbrundstäben desselben Hauses, Zeichnung Ch. Rubi. (Haus Ma­thyer / Tobler). An je drei Balkenenden Die Fassadengestaltung sind vier dieser Stäbe eingehauen und durch im 17. Jahrhundert In der Folge hat man das ganze Giebelfeld angerundeten Aushub freigestellt. Die schrägen Das Bedürfnis, die Hausfront intensiver zu etwas vorgezogen, den leicht vorkragenden Kanten sind zudem mit Rundaushüben (Eierfas) ge­stalten, finden wir erstmals am grossen, als Balken angefast und diese Abschrägung mit gebrochen. Man wird durch diese Formgebung repräsentatives Bauwerk um 1640 erstellten mehreren parallelen Rillen versehen. Mit die- an Pferdeköpfe erinnert, eine Bezeichnung, die Haus an der Hauptstrasse 15 (Haus Michel / sem Rillenfas schmückte man auch die anfäng- sich denn auch dafür eingebürgert hat. Zahl- Änderdorf). Aufschlussreich ist die Inschrift: lich nur wenig vorkragenden Gesimse der meist reich sind diese frühen, meist mehr als 400- «DAR ZIMERMEISTER IST IM HASLILAND WOLLBEKANT gekuppelten Fenster der beiden darunter lie- jährigen Konsolen bei uns erhalten geblieben, SIN NAMEN IST ADELIAN BALMER GENAMPT.» genden Stockwerke. auch wenn das betreffende Haus längst umge- baut worden ist.6 Auf der Abbildung ist zudem Im Hasli, diesem erstaunlich selbständigen Mit dem Halbrundstab verzierte der Zimmer- das oben erwähnte mit Rillen verzierte Gesims Kulturbezirk, hat sich früh eine reiche Zimmer- mann die Unterseite der frontseitig gestaffelt unterhalb der Jahrzahl gut erkennbar. mannskultur entwickelt, die nicht nur für Brienz, vorstossenden Balkenenden, die den schüt- sondern für weite Teile des Oberlandes zum zenden Dachvorsprung tragen und die wir als Die Rillen, der Halbstab und die mit den Rund- Vorbild geworden ist. Bereits 1561 beginnt mit Blockkonsolen bezeichnen. Als besonders rei- aushüben, dem Eierfas gebrochenen Balken- dem Bau des Feldhauses in Wiler bei Innertkir- ches Beispiel zeigt die Abbildung die Konsolen kanten blieben bis ins 17. Jahrhundert der ein- chen durch Hans Hallbarter 7 mit dem konso- des weit vorspringenden Daches am 1553 er- zige Schmuck der Fassadenwand. lengestützten Vorkrag des Giebelfeldes diese bauten Haus an der Oberdorfstrasse 36/38 neue Fassadensprache.

216 1603 und 1605 verwendet Jakob Abplanalp Boss, der 1644 das Haus an der Äusserstgas­- diesen Vorkrag auch an seinen Neubauten in se 3 erbaut hat. Diesem Meister verdanken wir Willigen. Zuvor hat 1598 Hans Jühni an dem bis hinunter nach Thun zahlreiche qualitätvolle reichgestalteten Haus Eisenbolgen in Meiringen Bauten.9 Obwohl um die selbe Zeit errichtet, zur Betonung der horizontalen Fassadenele- wirkt die in den oberen Teilen gut erhaltene mente in unserer Region erstmals die Würfel- Fassade gegenüber dem Werk des Adelian und Rautenfriese eingesetzt, die nun der eben- Balmer eher altertümlicher, weist sie doch im- falls aus dem Hasli stammende Adelian Balmer mer noch vier Rillenfriese auf. Auch ist nur das in unserem Dorf anwendet, und das gleich in Giebelfeld durch einen kräftigen, konsolenge- einem so üppigen Ausmasse, wie wir es später stützten Vorkrag vorgezogen. Hier sind es nun bei uns nicht mehr finden.8 Würfel, die oben in einfacher und unten in dop- Fassadenteil an der Äusserstgasse 3 mit den pelter Reihe die neue Schmuckform dokumen- Würfelfriesen und den ursprünglichen Fenstergewänden Nicht nur das Giebelfeld, sondern auch das da- tieren. des Gadengeschosses. runter liegende Geschoss ist dem unteren ge- genüber kräftig vorgezogen. Diese Vorkrage Am späteren seeseitigen Anbau kommt dann werden durch zierliche, auf die ganze Wand auch das Rautenfries wieder zu Ehren. Beson- verteilte Konsolen zumindest optisch gestützt. ders erwähnenswert sind die ursprünglichen Das Rillenornament musste nun bis auf ein letz- Fenstergewände im oberen Stockwerk und die tes Fries an der Gadenwand fast vollständig Blockkonsolen, die am Bauteil von 1644 diesel- dem Rautenornament weichen. Nicht weniger be Ge­staltung aufweisen wie am Haus Nr. 15 als acht zum Teil doppelte Rautenfriese – vor an der Hauptstrasse, während diejenige des der Änderung des unteren Geschosses waren Anbaus mit ihrer Rundung schon ins nächste es noch mehr – überziehen die Wand. Jahrhundert weist.

Eine neue Gestaltung erfuhren auch die nun in einer konsequenten Schräge behauenen Block- konsolen, deren Balkenvorstösse an der Unter- ) 6 Ein geradezu amüsantes Beispiel ist am Geburtshaus unseres Dichters Albert Streich an der Oberdorfstrasse seite anstelle der Halbstäbe mit einem halb- zu finden, dessen Front vollständig erneuert worden ist. kreisförmigen Aushub belebt worden sind. Doch kündet eine einzige Blockkonsole immer noch Wenn wir zuvor von gotischen Elementen ge- davon, dass das Haus ursprünglich aus dem 16. Jh. stammt. schrieben haben, so ist es nun die Sprache der 7) Der vermutlich aus dem Goms stammende Zimmer- Renaissance, die sich hier an dieser Fassade meister hat 1563 die Stubendecke signiert. Es ist an- zunehmen, dass er auch der Erbauer des Hauses ist. mit dem Betonen der Horizontale kundtut. Das 8) Von Adelian Balmer sind im Hasli Hausbauten erhalten, grosse, drei Stuben breite Haus ist später mit in Innertkirchen von 1633, 1643, 1649, 1657, auf dem Hasliberg von 1642, 1654 und in Gadmen von 1650. einer Querfirst zur neuen Hauptstrasse erwei- (Siehe dazu H.C. Affolter «Die Bauernhäuser des tert worden, wobei auch die Zierfriese weiter- Kt. Bern», Bd. 1, «Das Berner Oberland», Basel 1990. Der kräftige Vorkrag des Giebelfeldes am Haus an der Dieser grundlegenden Publikation haben wir weitere Äusserstgasse 3, wo bei genauem Hinsehen immer noch geführt worden sind. wichtige Daten und Fakten entnommen. feine Rillenfriese, wie sie im 16. Jahrhundert Mode waren, 9) Von Hans Boss sind von 1618 bis 1675 zahlreiche zu erkennen sind. Typisch für die Bauzeit von 1644 ist die Nicht aus dem Hasli, sondern aus der Gegend Bauten nachgewiesen. Ein schönes Beispiel ist das abgeschrägte Blockkonsole mit den halbkreisförmigen Ge­meindehaus in Matten von 1643. Siehe dazu die in Aushüben. von Interlaken kam der Zimmermeister Hans der Fussnote 8 erwähnte Arbeit von H.C. Affolter, S. 484.

217 Es scheint, dass im 17. Jahrhundert gegenüber stehender Häuser, die mit diesen Wellenranken Es entstanden aber auch stattliche Neubauten, dem vorangehenden weniger Neubauten entstan- und Blumen- und Blattmotiven geschmückt die sich gegenüber den Altbauten meist durch den. Doch wurden in dieser Zeit viele bestehen- wurden. grössere Stubenhöhen auszeichneten. 1749 war de Häuser durch seitliche Anbauten erweitert es das eigenwillig aufwendige «Beckli-Haus» an und dabei auch die neuen Zierformen verwendet. Ein eindrückliches Beispiel bietet das 1576 er­ der Oberdorfstrasse 96, das wie aus einer an- baute Stähli-Haus an der Oberdorfstrasse 56, deren Welt, im Unterschied zu dem bei uns üb- Die barocken Formen des dessen unterer Teil der Fassade wohl in der lichen Blockbau, bis obenaus als Ständerbau 18. Jahrhunderts zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufwändig errichtet worden ist. Nicht liegende, an den Das Würfel- und Rautenfries blieb bis ins 18. und mit zum Teil gestellten Balken erneuert Ecken durch das Gwätt verbundene Balken tru- Jahr­hundert die bevorzugte Schmuckform und worden ist. Die zu Konsolenreihen geformten gen hier die Last des Hauses, sondern kräftig fand auch Verwendung, als sich um 1700 vor- Würfel mit den erwähnten Blendbogen sind dimensionierte stehende Hölzer.11 Stark vor- erst im Simmental und im Saanenland barocke hier in derselben Art in den Vorkrag gearbeitet kragende Gesimse gliederten die Front, die Elemente dazu gesellten.10 Die Würfel wurden wie an der 1776 erbauten «Apotheke» an der ganz auf zusätzliche Ornamente verzichtete. nun durch Blendbogen verbunden, und Motive Hauptstrasse 105, deren Zimmermeister wir lei- Das Haus ist am 19. Juli 1998 abgebrannt. aus der Pflanzenwelt belebten, vorerst mit dem der nicht kennen. Eher beeinträchtigt wird diese Pinsel aufgetragen, bald aber auch als Flach- kunstvoll erneuerte Wand durch die vermutlich Dagegen ist die Fassade des ums Jahr 1750 schnitzerei ins Holz gearbeitet, die Hausfassa- noch etwas später vorgebaute, ebenfalls sehr erbauten Gasthofes zum Kreuz – es ist das den. Auch hier sind es nicht vor allem Neubau- sorgfältig gestaltete Sommerlaube, ein Dilem- ältes­te erhaltene Gebäude in Tracht 12 – mit der ten, sondern Änderungen am Stubenwerk be- ma, auf das wir noch zurückkommen werden. neuen Ornamentik dieser Zeit überzogen wor- den. Die flach geschnitzten Verzierungen sind nur wenig erhöht. Umso kräftiger wirken die elegant geschwungenen Blockkonsolen unter dem Dachvorsprung.

Kurz nach der Jahrhundertmitte sind alsdann unten an der Hauptstrasse zwei eindrückliche Gebäude entstanden, die glücklicherweise er­ halten geblieben sind. Es sind dies der 1758 erbaute und 1768 erweiterte Alte Bären (Haupt- strasse 69) und der Schiffschopf von 1764.

Eine schöne Frakturschrift 13 unter dem von Kon­solen gestützten Vorkrag des Bären be- sagt, dass «Im 1758 Jahr Hans Fischer Ein Teil Von Diesem Hauss Lahn Bauen Har.» Die beim Neuaufbau 1985 sorgfältig restaurierte Fassade weist nur zurückhaltend Romben- und Würfel- friese auf, und auch der zehn Jahre jüngere An- bau musste ohne die damals Mode geworde- Die vielfältigen Ornamente der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Haus der Apotheke an der Hauptstrasse 105. nen aufwändigeren Ornamente auskommen.

218 mit einem reichen, flach geschnitzten und be- malten Dekor, der uns nun an die Biedermeier- zeit erinnert. Beide Häuser sind ursprünglich nicht für Brienz gebaut und erst später von Schwanden und aus dem Hasli hieher versetzt worden. Für derartige Verschiebungen, die frü- her öfters vorkamen, eignete sich der gwättete Blockbau ganz besonders, konnten doch die Balkenlagen zerlegt und wieder zusammenge- Die in barocken Formen gestaltete Blockkonsole fügt werden, ohne Schaden zu nehmen. der Apotheke. Zeichnung Ch. Rubi. In den Jahren 1830 und 1851 sind alsdann die Noch schlichter gestaltet ist der als reiner Zweck­ Häuser am Tunnelgässli 1 und 5 in Tracht er- bau errichtete Schiffschopf, dessen Fassade richtet worden, wobei am letzteren das traditio- heute verrandet ist. Im Gegensatz dazu ist das Die reichen Flachschnitzereien nach Motiven aus der nelle Satteldach durch einen Gerschild zum 1776 erbaute, bereits erwähnte Haus der heuti- Pflanzenwelt am 1787 erbauten Brienzerhaus auf dem Krüppelwalmdach geworden ist; eine Dach- Ballenberg. gen Apotheke (Hauptstrasse 105) überaus form, die be­reits 1734 –1735 von Werkmeistern reich mit vielfältigen Motiven verziert worden. aus dem Unterland am Pfarrhaus und der Wellen-, Zickzack- und Kielbogenfriese wech- der regelmässigen Verfensterung und den hori- Pfrundscheune gebaut worden ist. Etwas zu- seln mit nur schwer beschreibbaren Gebilden, zontalen Akzenten der Vorkrage und Gesimse rückhaltender sind ihre Fassaden mit Orna- deren farbige Fassung sorgfältig erneuert wor- ist vollständig mit Flachschnitzereien überzo- menten ebenfalls aus dem Formenschatz des den ist. gen. Christian Rubi hat für uns noch am alten 18. Jahrhunderts, jedoch ohne pflanzliche Mo- Standort ein instruktives Detail dieser Wellen-, tive, geschmückt worden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen zudem Tulpen- und Blattfriese gezeichnet. die in vielen Varianten konkav und konvex ge- schwungenen Blockkonsolen, die den grossen Im selben Jahr 1787 ist auch der schöne Bau 10) Erstmals 1670 an der Kastlanei in Saanen. Dachvorsprung tragen. Es ist nun die Sprache des Gasthofs Steinbock errichtet worden. Es ist 11) Emil Thomann verdanken wir den Hinweis, dass der aus dem Unterland stammende Werkmeister, der im des Barock, die sich hier kundtut. Erstaunlich die Zeit, als der alte Dorfkern des Änderdorfes Auftrag des Staates 1734/35 die Pfrundscheune beim ist, dass die Brüstung der schon mit dem Neu- sich allmählich mit Tracht verband. Pfarrhaus errichtete, auch das «Becklihaus» erbaute, bau entstandenen Sommerlaube, die anschei- das zuvor mit mehreren Häusern auf dem Bord einem Schadenfeuer zum Opfer gefallen war. Es musste um nend original erhalten ist, keine schmückenden Auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Jahrhundertwende einem Neubau weichen. Ausschnitte aufweist.14 sind noch aufwändig gestaltete Hausfassaden 12) Die Jahrzahl 1688 ist am Giebel erst später angebracht worden und bezieht sich auf eine Erneuerung des entstanden, die zudem unverändert auf uns Tavernenrechts und nicht auf das Baudatum. Das am aufwändigsten gestaltete Haus des gekommen sind. So das gut erhaltene Haus 13) Die Inschriften des 17. Jh. sind dagegen noch mit den Versalbuchstaben der «Steinschrift», die wir «Grotesk» 18. Jahrhunderts stand jedoch nicht im alten Chilchgasse 6, das neben dem alten Romben- nennen, oder der reicheren Form der «Antiqua», die Dorfteil von Brienz, sondern in Tracht an der fries eine reiche Ornamentik aufweist, die aus zusätzlich Füsschen und Abschlussstriche (Serifen) aufweist, geschrieben worden. Stelle der heutigen Post. Das 1787 errichtete pflanzlichen Vorbildern abgeleitet ist. Und noch 14) Das Haus erhielt kurz nach 1900 einen Anbau mit Bauwerk (Hulliger-Haus) ist 1975 ins Freilicht- im Jahr 1845 baute der Zimmermeister Andre- Querfirst. Auch ist später das Erdgeschoss erneuert museum Ballenberg versetzt worden. Die ein- as Senger das reizende, etwas im Hintergrund worden. Der durch Stichbalken gestützte Vorkrag in der Art der um 1600 im Hasli errichteten Bauten ist drücklich symmetrisch gestaltete Fassade mit liegende Häuschen an der Oberdorfstrasse 82 modern.

219 Die Sommerlaube (Frontlaube) Wir haben hier versucht, insbesondere die Ent- wicklung der Fassadengestaltung an unseren mit einer Ausnahme als Blockbauten errich- teten Häusern von der Zeit um 1500 bis ins 19. Jahrhundert nachzuzeichnen und dabei festgestellt, wie der Zimmermann bestrebt war, die ur­sprünglich flache Wand mit einem Spiel von Licht und Schatten zu beleben, was er durch vorkragende Balken und kunstvoll ge- schnitzte Friese verwirklichte.

Dieses feine Spiel wurde nun durch die ein- gangs erwähnte Giebel- oder Frontlaube er- heblich be­einträchtigt. Die behutsam abgestuf- ten Elemente traten plötzlich in den Hintergrund oder wurden gar zugedeckt, und der stark vorspringende Bauteil warf einerseits seinen Schatten auf die darunter liegende Wand und Das prachtvolle Brienzerhaus aus dem Jahre 1515 an der Schleegasse mit der wohl um 1770 angebauten Frontlaube. entzog anderseits den schön gestalteten Gie- belteil dem unten stehenden Betrachter. Wann die erste dieser Frontlauben in Brienz an den und das als Rüderswiler Blume bezeichnet Dies mag mit ein Grund sein, dass hier im ein Haus gebaut worden ist, werden wir wohl wird. – Oder wer hätte nicht seine Freude an 18. Jahrhundert die Fassadengestaltung mit nie in Erfahrung bringen.15 Alle drei Lauben, dem hübsch behauenen schrägen Hängepfos- wenigen Ausnahmen nicht die Intensität er- denen die Westseite der Brunngasse das viel- ten, mit dem die Laube am Haus Schlagenhauf reichte wie im westlichen Oberland. Allerdings bewunderte Bild verdankt – früher waren es an der Hauptstrasse 19/23 oben an der Zufirst hat man oft der Schwelle und dem Brüs­ noch mehr – stammen aus dem 18. Jahrhun- aufgehängt ist? tungsbalken der Laube ein schönes Profil ge- dert, obschon die Häuser rund 200 Jahre älter geben oder diese mit einem Zierfries bereichert sind. Es ist gut ersichtlich, wie sie nachträglich Die Frontlaube, die nun seit dem 18. Jahrhun- und damit versucht, den geschilderten Verlust mit Stichbalken und stützenden Bügen ange- dert zum eigentlichen Charakteristikum des wettzumachen. Auch sind die Bretter der fügt worden sind. Brienzerhauses geworden ist, ist ja sehr schmal Laubenbrüstung mit kunstvollen Ausschnitten und bietet in der Tiefe meist nicht viel mehr als bereichert worden. Oft dienten als Vorlage die Ein besonders schönes Beispiel bietet das einen halben Meter Raum. Sie war keineswegs Do­cken steinerner Brüstungen. Oder es traten auch in seinem Erhaltungszustand bedeutende für den Frühstückstisch oder den Liegestuhl an ihre Stelle gedrechselte Staketen, und einen Haus Fischer an der Schleegasse 8 aus dem der Feriengäste gedacht. Dass sie, zur Gasse besonderen Akzent setzte der schön gestalte- Jahr 1515. An der vorzüglich gestalteten, später gewendet, auch zur Kommunikation mit der te, durch einen Stichbalken mit der Giebelwand vorgehängten Laube mit dem zierlichen Mittel- Aussenwelt diente, wie das der Zeichner der verbundene Laubenpfosten mit dem zierlichen pfos­ten sind die Brüstungsbretter nach einem reizenden Situation in Oberried darstellt, ist Knauf. Or­nament ausgeschnitten, das wir häufig am nicht von der Hand zu weisen. Gebaut aber Em­mentalerspeicher des 18. Jahrhunderts fin- wurde sie vor allem zum Trocknen und Dörren

220 Die Nebengebäude

Die Scheuer Das Haus, das wir bis jetzt beschrieben haben, war die Wohnstätte des Bauern oder des Handwerkers und Fischers, die sich ebenfalls von der eigenen Landwirtschaft ernährten. Im Unterschied zum Unterland, aber auch zu den Tälern des Frutiglandes, befanden sich in Brienz höchs­tens Kleinviehställe unter der First des Wohnhauses; vom Ziegenstall im gemau- erten Kellergeschoss haben wir vorne ja berich- tet. Der Kuhstall und der Bergeraum für die Winterfütterung hatte dagegen seine eigene First, und diese Scheuer stand oft in erhebli- cher Distanz zum Wohnhaus.

Es waren meist schmucklose, aber wohlpro- portionierte Gebäude, die mit ihren regelmässi- gen Blockwänden über dem in der Regel ge- mauerten Stallgeschoss und mit dem schwach geneigten Satteldach, dessen Brettschindeln früher mit Steinen beschwert waren, auch der Beachtung wert sind. Das Gespräch auf der Laube. Lithografie von Graffenried und Stürler (Ausschnitt), siehe auch die Abbildung Seite 211. Einen besonderen Akzent verliehen die­sen Bauten die senkrechten, aussen und innen an von Nüssen 16, Obst und den Stangenbohnen, jedoch auch, dass sie ihre ästhetische Funktion der Blockwand angebrachten Keilstangen, die dem Fisel (abgeleitet vom lat. Phaséolus). Auch nur erfüllt, wenn sie in der ursprünglichen Form man in Brienz mit «Nagel» bezeichnete, die das hängte man hier gelegentlich ein Wäschestück über die ganze Breite der Hausfront gespannt Ausbiegen der nur an den Ecken durch das an die Sonne oder eine Bettdecke zum Verlüf- ist. Allzu oft ist sie ja leider später auf ein Bal- Gwätt zusammengehaltenen liegenden Balken ten. Doch taugte sie sicher nicht zum Trocknen könchen reduziert worden. zu verhindern haben. Diese Keilstangen wer­ der grossen Wäsche, die ja meist jährlich nur den ihrerseits von Klammern zusammengehal- zweimal stattfand, und für die auf freiem Feld ten in Form von durch die Wand gestossenen 15) Die vorne erwähnte um 1750 erbaute Laube an der oder am Seeufer eine lange Leine aufgespannt Alpgasse 12 dürfte einen Anhaltspunkt geben. Stichbalken, die ausser- und innerhalb dersel- werden musste.17 16) Peter Wyss machte den Schreibenden auf den grossen ben eine Öffnung aufweisen, in der die Keil- Nussbaumbestand und die Verwendung der Nüsse für die Krapfen aufmerksam, und Erich Schild hat auf den stangen, die oft noch zusätzlich oben in die Dass diese Laube aber auch zur Zierde des «Fisel» (Bohnen) hingewiesen. Dachpfette gezäpft sind, verankert werden. Gassenraumes geworden ist, belegt ja wie 17) Von der «grossen Wäsche» hat uns Helene Schild erzählt. Siehe dazu die Abbildungen auf den Seiten 14 erwähnt die Brunngasse. Hier erkennt man und 15 in «Alt Brienz», Brienz 1981.

221 Der Speicher

Vom Ruedissee-Speicher Unten am See stand bis 1955 mit der Front zur Strasse, die im Jahre 1602, als dieses eindrück- liche Bauwerk errichtet wurde, noch nicht die durchgehende Hauptstrasse war, ein grosser Speicher mit drei Geschossen. Sein ursprüngli- cher Standort am Ruedissee ist auf der alten Aufnahme, die wir dem eingangs erwähnten Hausforscher Hunziker verdanken, gut doku- mentiert, ist doch links die Ländtemauer zu er- kennen.19

Die Stallscheune an der Äusserstgasse, deren Blockwand mit den «Schliessen», so nannte man in Brienz diese Vorrichtung Mit «See» bezeichnete man ja in Brienz eine mit Keilbalken und Klammer, gesichert ist. Rechts daneben: Dieselbe Wand von der Innenseite gesehen. Landestelle, einen kleinen Hafen. Bereits dem vorne ebenfalls zitierten Professor Gladbach ist Oft hat man anstelle der Klammern kräftige dieses kräftig gestaltete Gebäude aufgefallen, Holznägel durch eine Bohrung gestossen, die hat er ihm doch in seinem Tafelwerk eine ganze aussen mit einem dicken Kopf und innen mit Seite gewidmet. einem Loch versehen sind, durch das ein Keil geschlagen wird. In einem Kommentar schreibt er u.a.: «Die unte- ren Räume dieses Speichers dienen zur Aufbe- Im Dorf sind nur wenige dieser Scheunen, die wahrung von Heu, die mittleren für Käse und vor allem im Winter eine wichtige Funktion zu die oberen für Obst und Fleisch. Letzteres wird erfüllen hatten, erhalten geblieben, und auch durch die vom nahen See abgekühlte Luft ge- die sind, um neuen Aufgaben gerecht zu wer- trocknet.» So wird die Benutzung zur Zeit Glad- den, meist umgebaut worden. Ein vielfältiger bachs in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- Baubestand ist aber auf den Alpweiden von der hunderts gewesen sein. Wir glauben aber, dass unters­ten Vorsass bis hinauf zum obersten Sta- dieses auffallend grosse Bauwerk 1602 als fel noch in seiner Funktion zu finden. Vom einfa- Ländtespeicher für die ein- und abgehende chen Heuschober bis zur ausgewachsenen Schiffsfracht, vor allem den «Sbrinz» errichtet Alphütte mit Käseküche und Schlafkammern worden ist.20 ergäben sie ein eigenes Kapitel, auf das wir hier verzichten müssen 18. Der Speicher ist ein hölzerner Blockbau. Feine Rillenfriese zieren die Gesimse und gotische Eselsrücken die Türstürze der Front. Der An der Scheuer der Birgisgasse ist dank der später 18) Die Kantonale Denkmalpflege verfügt über eine Schwell­balken des kräftig vorkragenden Ober- ausgesägten Öffnung die oberste Klammer vollständig vollständige, jedoch unkommentierte Fotodokumen- geschosses trägt die folgende Inschrift mit dem sichtbar. tation des Baubestandes der Brienzer Alpen. Zum Problem der Erhaltung s. S. 139. seltenen Hinweis auf das Klima des Baujahres:

222 Der grosse, 1602 erbaute Ruedissee-Speicher am ursprünglichen Standort unten am See.

VF GOD IST VSER FERDRUWEN. – IN DIS NAMEN HAN IH VD UND HM DN SPICHER BUWEN BS HACH IM 1602 IAR UND AS I MERZN FAND BUCHIS LOUB UND GRAS FANT.»

Zum Gästehaus umfunktioniert, ist der Ruedis- see-Speicher 1968 an der Talstrasse 8 neu auf- gebaut worden.

Der kleine Vorratsspeicher Im Unterschied zu den Ackerbaugebieten des Unterlandes sind grosse Speicherbauten im Oberland selten. Es scheint, dass im Keller- und Estrichgeschoss des Talhauses genügend La­ gerräumlichkeiten zur Verfügung standen, so dass das Ausweichen auf eine separate First in der Regel nicht nötig war.

Wenn aber doch ein eigenes Gebäude notwen- dig war, wurde es in bescheidenen Dimensio-

19) Im Bildband «Alt Brienz» ist der Standort des Speichers, der im Gegensatz zum heutigen Zustand auf der Rückseite eine Bretterverschalung aufwies und 1955 abgebrochen wurde, sowohl von der Seeseite (S. 12) und der Gassenseite (S. 30) am Westrand des heutigen Röss­li-Parkplatzes gut zu erkennen. Der Ruedissee-Speicher im Tafelwerk von Glattbach. In der oberen Hälfte des Stahlstiches hat der Zeichner den Speicher in 20) Siehe dazu Seite 145 und 146. eine Phantasielandschaft mit einem Haus aus dem 18. Jahrhundert gestellt, die nicht dem wirklichen Standort entspricht.

223 führt eine gewinkelte Steintreppe, und das obe- re wird durch eine Laube erschlossen. Heute ebenfalls mit dem Haus verbunden ist der 1784 erbaute Speicher an der Oberdorfstrasse 52 (Haus Zurbuchen), dessen Front mit dem kon- solgestützten Vorkrag über der Türe mit dem kunstvoll durchbrochenen Brett am Sturz sehr schön gestaltet ist.

Ein im Giebelfeld ausnehmend reich verzierter Speicher aus dem Jahre 1733 steht oberhalb des Hauses Fischer/Duforêt, Oberdorfstrasse 53. Dem gemauerten Erdgeschoss ist nur ein hölzernes Speichergeschoss mit einer tiefen Frontlaube aufgesetzt, die wie die Sommerlau- be am Haus zum Trocknen und Dörren von Früchten und Gemüse diente, und die nur über eine Leiter erreichbar ist. Auch hier weisen die Türen aus gekreuzten Leisten gefügte Lüf- tungsgitter auf. Wie bei den Wohnbauten ha- ben wir uns auch bei den Speichern nur auf den Im Giebelfeld reich verzierter Speicher an der vermutlich sehr reduzierten Bestand im Dorf Ebenfalls an der Oberdorfstrasse ist dieses Ofen- und Oberdorfstrasse 53. beschränkt und auf den Einbezug der zierlichen Dörrhaus erhalten geblieben. Käsespeicher auf den Alpen ebenfalls verzich- ten müssen. grossen Back­ofen ein abschliessbarer gemau- nen und im Unterschied zum Unterland, wo der erter Vorraum angebaut. Das stark vorsprin- Speicher der Brandgefährdung wegen in einer Das Back- und Dörrhaus gende schützende Satteldach ruht auf einem bewussten Distanz zum Haus mit der Feuer- Zum Haus gehörte früher auch das Back- und kräftigen hölzernen Block. Ein Bauwerklein die- stelle steht, unmittelbar neben dem Wohnge- Dörrhaus, das in unserem Dorf im Unterschied ser Art ist beim Haus an der Oberdorfstras- bäude errichtet, mit dessen Dach er später so- zu den benachbarten Dörfern Schwanden, se 80 glücklich erhalten geblieben. gar verbunden wurde. Oberried und Brienzwiler fast vollständig ver- schwunden ist. Die einfachste Form war der Vom Brienzer Schnitzler und seiner Ein schönes Beispiel aus dem 18. Jahrhundert Feld­ofen, den man der Brandgefahr wegen in Hausfassade steht neben dem 1540 erbauten Haus an der einer gebührenden Distanz vom Wohnhaus Im Schnitzlerdorf ist die Frage besonders aktu- Behämsgasse 7 (Haus Fuchs). Über dem ge­ entfernt errichtet hat. Da und dort ist er in ruinö- ell, wer denn eigentlich der Schöpfer und Aus- mauerten Kellergeschoss, dessen seitlich aus- sem Zustand noch erhalten. Dem gemauerten führende all der Verzierungen war, von denen gebuchtetes Türgreis verrät, dass hier auch Ofen ist ein einfaches Dächlein aufgesetzt, das wir hier berichtet haben, und die uns ja behilf- Fässer gelagert worden sind, liegen die beiden auf der Feuerlochseite mit seinem starken Vor- lich waren, die Bautätigkeit auch zeitlich einzu- im Blockbau erstellten Speichergeschosse. krag ein bescheidenes Schutzdach anbietet. ordnen. Es war der Zimmermann, der dafür Zum unteren mit der aufwändigen Gittertüre Beim weiter entwickelten Ofenhaus ist dem verantwortlich zeichnete und nicht der Schnitz-

224 ler, dessen Tätigkeit bei uns ja erst im frühen 19. ausgelöst durch die Zeit der Romantik und Jahrhundert einsetzte, zu einer Zeit, da die letz- auch der Aufklärung, in England, Frankreich ten der hier beschriebenen Ornamente in auf- und Deutschland, aber auch in der Schweiz wändiger Arbeit mit dem Profilhobel, dem Ham- (Arlesheim) zur Bereicherung herrschaftlicher mer und dem Stecheisen entstanden sind. Garten- und Parkanlagen Zierhäuser aus ande- Ganz ausnahmsweise und erst in unserem ren Kulturbereichen. Besonders beliebt wurden Jahrhundert hat ein Schnitzler seine Fertigkeit die Schweizer Chalets oder Swiss Cottages. auch an der Hausfassade angewendet. So be- reicherte Emil Thomann im Jahr 1932 anlässlich In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts waren eines Umbaus des grossen, heute als Doppel- es dann die Welt- und Landesausstellungen, haus genutzten, 1774 errichteten Gebäudes an die mit diesen reichverzierten, oft in verkleiner- der Oberdorfstrasse 102 die Zierkonsolen über tem Massstab errichteten Bauten die Besucher dem zweiten Wohngeschoss mit Masken, in anlockten. Das wiederum regte auch bürger- der Art wie das in der ersten Hälfte des 18. liche Bauherren an, ihre Häuser in der Art die- Jahrhunderts besonders in Bönigen üblich war. ser Schweizer Chalets zu erbauen. Die grosse Von der Hand seines Vaters stammt zudem der Nachfrage führte dazu, dass nicht mehr der 1912 kunstvoll in das heikle Kastanienholz ge- Hobel und das Stecheisen des Zimmermanns, schnitzte Adler, der auf der Brüstung der Front- sondern dank der unterdessen eingetretenen laube steht. Mechanisierung die Maschine für die reichen Verzierungen eingesetzt wurde. Dieser Schwei- Vom Schweizer Holzstil der Wende zer Holzstil, wie wir diese Entwicklung heute zum 20. Jahrhundert 22 nennen, verbreitete sich in Europa vor allem Bereits im 18., besonders aber in der ersten nördlich der Alpen bis hinauf nach Island, aber Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete man, auch nach Übersee.23 Das um die Jahrhundertwende unter dem Einfluss des Auch bei uns in Brienz standen vor allem die Schweizer Holzstils erbaute Gusset-Haus an der Hauptstrasse 59. zahlreichen Neubauten unten an der Haupt- strasse unter dem Einfluss dieses neuen Stils, dieser Zeit aus einem durchbrochenen Holz ge- der ja eigentlich aus dem Ausland zu uns ge- bildet, und für die Verzierungen der Fassade kommen war. Als eindrückliches Beispiel sei hat man auf die Formen des 18. Jahrhunderts das Gusset-Haus an der Hauptstrasse Nr. 59 zurückgegriffen. erwähnt. Auffallend hoch sind die Stockwerke über dem nun von Anfang an als Verkaufsladen 21) Zu den Ofenhäusern und Speichern in der Gegend der konzipierten Erdgeschoss. Das Dach, das nur Oberländer Seen siehe Alfred von Känel im Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee 1971. noch wenig Vorscherm bietet, ist steiler gewor- 22) Wir verwenden hier den Begriff «Schweizer Holzstil», den, weil es nicht mehr mit Steinen beschwert wie ihn Jürg Schweizer auch im «Kunstführer Berner Oberland» verwendet. Man hat früher eher verächtlich werden musste. von «Schweizerhäuschenstil» gesprochen. Heute wird auch synonym der Begriff «Schweizerhaus-Stil» Die Konsolen unter den Pfetten des Quergie- verwendet. Der ostseitige Anbau der Apotheke an derselben Strasse als 23) Siehe dazu die entsprechenden Kapitel von E. Huwyler reichstes Beispiel des Schweizer Holzstils in unserem Dorf. bels sind nun in der typischen Laubsägemanier in dem unter Anm. 2 erwähnten Jahrbuch, S. 55–75.

225 Das reichhaltigste Exempel des Schweizer Holzstils bietet jedoch der 1899 /1900 erfolgte östliche Anbau der schon mehrmals erwähnten Apotheke an der Hauptstrasse 105. Es gehörte lange Zeit zum guten Ton, dass man sich abschätzig über dieses reiche «Kremänzel» äusserte, dessen Ornamentformen sich von den historisierenden Vorlagen bis zum Jugend- stil entwickelten. Vieles ist dieser falschen Einschätzung wegen verloren gegangen und sogar mit dem Segen staatlicher Experten dem Feuerofen übergeben worden. Manche anmu- tig verzierte Giebelfelder und Dachränder sind deshalb auch in Brienz in eine langweilige All- tagswelt zurückgekehrt. Die wieder erweckte Wertschätzung belegt ja der Wiederaufbau der reich mit Laubsägearbeiten verzierten Burgdor- fer Fabrikantenvilla von 1872 auf dem Ballen- berg.

Aus der Zeit des Heimatstils Direkt am einheimischen Vorbild hat sich dann wieder der 1905 gegründete Heimatschutz Vom Schweizer Holzstil ist auch dieser reizende Balkon an der Hauptstrasse 100 geprägt. orientiert. Es scheint, dass der aufwändige Neubau an der Hauptstrasse 73 (Haus Zahner) unter diesem Einfluss ums Jahr 1913 anstelle geschoss erstellte Holzbauten und nicht mit Sowohl der Umfang wie auch die zur Verfügung eines Vorgängerbaues aus dem 16. Jahrhun- Holz drapierte Betonkonstruktionen, wie sie lei- stehende Zeit erlaubten es nicht, ein vollständi- dert errichtet worden ist, von dem man nicht der später auch gebaut worden sind. ges Inventar zu erstellen, das bis jetzt auf wis- nur die alte Dachneigung, sondern auch die senschaftlicher Basis nicht verwirklicht worden Giebelwand mit Blockkonsolen und der alter- Kleines Nachwort ist. Es ging vor allem darum, die Augen für die tümlichen Inschrift übernommen hat. Als beson- Der Verfasser dieser Hausbetrachtung hatte als aufschlussreichen, dem flüchtigen Blick aber ders schönes Beispiel möchten wir abschlies­ Ortsfremder oft den Eindruck, dass man sich in entzogenen Formen und Gestaltungen zu öff- send das 1915 erbaute, wohlproportionierte Brienz wohl am Zustandekommen des gross- nen. Vom grossen Altbestand – allein aus dem und mit viel schmückender Zimmermanns- artigen Freilichtmuseums auf dem Ballenberg 16. Jahrhundert stammen mehr als 20 Häuser, arbeit bereicherte Haus Hirsch an der Trachtli- engagiert hat, dabei sich aber wenig um die wovon 11 an der Fassade datiert sind – haben strasse 1 hervorheben. Erhaltung des ausserordentlich umfangreichen wir selbst wichtige Bauten nicht einzeln erwäh- und frühen eigenen Baubestandes kümmerte, nen oder gar abbilden können. Dies darf aber All die in dieser Zeit unter dem Einfluss des Hei- den doch, wie wir gesehen haben, sehr eigen- nicht die Meinung aufkommen lassen, dass matstils entstandenen Häuser sind echte, in der ständige Merkmale prägen, die er nur mit weni- diese Bauten deshalb weniger wertvoll und Brienzertradition über einem gemauerten Erd- gen Ortschaften teilen muss (Frontlauben). nicht erhaltens- oder schützenswert seien.

226 An der Fassade datierte Häuser von 1511 bis 1602 in Brienz

1511 Behämsgasse 11 24 1515 Schleegasse 8 1511 1540 Behämsgasse 7

1640 1552 Oberdorfstrasse 71/73 1552 Hauptstrasse 77 1553 Oberdorfstrasse 36/38 24 1787 1561 Krummgasse 3 25 1562 Alpgasse 6 1576 Oberdorfstrasse 56 1540 1584 Oberdorfstrasse 53 1591 Oberdorfstrasse 88 1602 Oberdorfstrasse 13 1644

Nach zeittypischen Merkmalen sind rund 10 weitere Bauten im Kern dem 16. Jahrhundert

1553 zuzuweisen. Es ist der umfangreichste Baube- 1830 stand dieser frühen Zeit in einem bernischen Dorf.

Die frühen Ornamente 1750

Rillenfries 1576

Würfelfries

1851

Rautenfries 1758

1584

Bild: Dachkonsolen am Brienzerhaus aus vier Jahrhunderten. Aus dem Skizzenheft des Verfassers.

24) Jahrzahl erneuert. 1631 1776 1900 25) Jahrzahl von der Verrandung abgedeckt.

227 Unser Quai – ein Phönix aus der Asche

Max Gygax

Der Wunsch nach einem Quai hatte bereits zehn Jahre früher den Verkehrsverein Brienz bewogen, einen Entwurf zu einer solchen, vor allem den Hotelgästen dienlichen Anlage aus- arbeiten zu lassen. Die Kosten von Fr. 190 000.– sollten mit einer Geldlotterie gedeckt werden. Diese Art Finanzierung erwies sich aber als unmöglich, und das gescheiterte Projekt ver- schwand in der berühmten Schublade. Der kantonalen Baudirektion, die 1902 den Ge­- meinderat um die Fixierung der allfälligen Linienführung eines zukünftigen Quais ersucht hatte, wurde, wohl in Erwägung der finanziellen Lage der Gemeinde, geantwortet, dass diese Festlegung keinen Zweck habe ... Die wenig hoffnungsvolle Einschätzung änderte sich jedoch bald; es ergab sich nämlich eine neue Situation durch den bevorstehenden Bau der Uferpartie in der Nähe der Schiffländte Tracht um 1895. Brien­zerseebahn und des unter dem Dorf zu erstellenden Tunnels. Dabei würde eine gewal- tige Menge Aushubmaterial anfallen, das viel- Vom Seegarten zur Promenade er­forderte. Einen wichtigen Beitrag zur Verwirk- leicht ohne grosse Kosten zur Aufschüttung Die alten Griechen wussten von einem Vogel, lichung des Werks leistete eine vom Gemeinde- eines Quais verwendet werden konnte. Phönix genannt, zu berichten, der von Zeit zu rat eingesetzte Kommission, die am 28. Feb­ Zeit verbrannte, um sich dann, verjüngt und ruar 1911 ihre Arbeit aufnahm; eine Arbeit, die Der Verkehrsverein kam denn auch unverzüg- schöner als zuvor, aus der Asche zu erheben. sich über sieben Jahre mit weit mehr als lich auf seine seinerzeitige Anregung zurück, Ähnliches trifft auch auf die Seepromenade von hundert Sitzungen hinziehen sollte! In zähen und mit der Einsetzung der oben erwähnten Brienz zu, die, zerstört von einem unheimlichen Verhandlungen wurden schliesslich alle auf­ Kommission nahm dann das Abenteuer «Quai- Jahrhundertsturm, neu erstanden ist, reizvoller tauchenden Schwierigkeiten überwunden, Hin­ bau» seinen An­fang, nicht ohne Erörterungen, und einzigartiger als vorher. der­nisse aus dem Weg geräumt und stets ob die Anlage durchgehend vom Änderdorf bis versucht, die Finanzierung des aufwändigen nach Tracht oder nur als Teilstück zu erstellen Die erste Quaianlage, die das Seeufer vor dem Vorhabens sicherzustellen, ohne die Gemein- sei. Erwogen wurde auch die Beschränkung Dorf der Öffentlichkeit erschloss, war gewisser- de, die noch den Schul­hausbau von 1904 zu auf die Ausgestaltung einzelner ausgewählter massen ein Kind der Brienzerseebahn, deren verkraften hatte, über ihre Möglichkeiten zu Plätze am See, was bedeutend kleinere Kosten Linienführung die Untertunnelung von Brienz belasten. verursacht hätte.

228 Vor dem Quaibau: Uferpartie mit durch Mauern geschützten Seegärten.

Wie alte Photographien zeigen, lagen vor den ten, da der Staat der Gemeinde den Seegrund regelte, das zur Hinterfüllung der Quaimauern ufernahen Häusern meist Gärten, die, durch für den Quaibau un­entgeltlich überliess. Diese dienen sollte; der Preis von 15 Rp. pro m3 kam eine mehr oder weniger hohe Mauer vor dem Verzichterklärungen erfolgten übrigens fast an- beiden Partnern entgegen. Nach allen Vor­be­ Wellenschlag geschützt, bis ans Wasser reich- standslos, da ein befestigtes Ufer, wie die Pläne reitungen durch die Kommission beschloss ten. So­zusagen alle Seeanstösser besassen es vorsahen, den Anstössern auch Vorteile schliesslich die Einwohnergemeindeversamm- auch eine staatliche Konzession zum Erwerb brachte. lung am 23. März 1912 die Ausführung des von weiterem Seegrund, womit sie im Bedarfs- projektierten Quais nach den vorliegenden fall ihre Seegärten hätten vergrössern können. Mit den SBB wurde ein Vertrag ausgehandelt, Plänen und allfällig nötig werdenden Ände- Auf diese Konzession mussten sie nun verzich- der die Lieferung von Tunnelaushubmaterial rungen und Ergänzungen. Zu diesem Zweck

229 fügung zu stellen, war die Bereitschaft weniger gross.

Immerhin gelang es, ohne auf überrissene For- derungen einzugehen und ohne Enteignungs- verfahren, das nötige Terrain zu erwerben und ebenso die Durchfahrtsbewilligungen für den Transport des Aushubmaterials vom Tunnel zu den verschiedenen Baustellen auf dem Quai. Probleme ergaben sich auch mit den bisheri- gen Abwasserleitungen und Kloaken, die bis vor die Quaimauern verlängert werden mussten und beim Aufschütten von Material oft beschä- digt und verstopft wurden, was dann gelegent- lich zu nicht gerade appetitlichen Situationen führte. Verzichtleistung. Der Unterzeichnete erklärt hiemit auf seine Konzession zur Da sich vor der Abschlussmauer der neuen Erwerbung von Seegrund vor seinem Seegarten auf der Gerbi zu Gunsten der Gemeinde verzichten zu wollen, sofern die Erstellung Anlage auch bei niedrigem Wasserstand kein einer Quaianlage innert 3 Jahren zu Stande kommt. natürliches Flachufer mehr erstrecken würde Brienz, April 1911 P. Kuster wie bisher, brauchte es auch neue Ländten für die Ru­derschiffe. Harte Verhandlungen gab es wurde die Aufnahme eines Darlehens von Gemeinde müsse ihrerseits einen festgelegten immer wieder mit dem Schleusenmeister in Fr. 75 000.– bewilligt, wobei für Verzinsung und Beitrag an die Brien­zerseebahn entrichten, Unterseen, der den See nicht so absenken Amortisation ein Teil der Forsterträgnisse ver- ohne dass die SBB verpflichtet würden, in wollte und konnte, wie es für die Bauarbeiten wendet werden sollte. Beiträge erwartete man Brienz-West eine Station zu bauen, wie es von tunlich gewesen wäre. Das hatte dann auch aber auch von privater Seite, besonders von der Gemeinde kategorisch gefordert wurde. finanzielle Konsequenzen, indem der Unterneh- den Wirten und Hoteliers, denen eine attraktive mer darauf pochte, ein zu hoher Pegelstand Strandpromenade sicher vermehrt Gäste zu- Der Bau verursache Mehrarbeit und Verzögerungen, für führen würde. Mit der Vergebung der Bauarbeiten an die die er zusätzlich zu entschädigen sei. Firma Bosshard-Steiner und Cie. konnte die Als Kuriosum sei noch vermerkt, dass ein Ge- Quaibaukommission die Hände keineswegs in Das Verhältnis zur Bauunternehmung gestalte- meinderat vorschlug, auch den Rösslispiel- den Schoss legen. Zu den unzähligen grösse- te sich auch bei anderen Gelegenheiten recht besitzer Scheidegger, der jeweils am Brienzer- ren und kleineren Schwierigkeiten und Händeln, schwierig, so beim Einsturz eines Teilstücks märt zum Vergnügen der Dorfjugend in Brienz welche naturgemäss ein solches Projekt mit der eben fertig gewordenen Quaimauer; bis gastierte, um einen Zustupf zu ersuchen. Der sich bringt, gehörten z.B. die Landabtretungen. die Verantwortung festgestellt und die Kosten- Staat sicherte eine Subvention von 25 % der Wohl hatten die Seeanwohner ohne weiteres übernahme für den Zwischenfall geregelt war, Baukosten zu, begrenzt auf Fr. 30 000.–. Dieser auf ihre Seegrundkonzessionen verzichtet; jetzt dauerte es mehr als ein Jahr. Beitrag stiess der Gemeinde ziemlich sauer auf, aber, wo es darum ging, einen Teil des Gartens war er doch an die Bedingung geknüpft, die oder Hausvorplatzes für den Quaibau zur Ver-

230 In der Wydi vor dem Quaibau.

231 Der Ausbruch des 1. Weltkrieges im August 1914 mit all seinen Begleiterscheinungen zwang für kurze Zeit zu einem Arbeitsunterbruch am Quai, der nun bereits ziemlich weit fortgeschrit- ten war. Im Oktober standen die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern sowie die Bekie- sung der Strandpromenade zur Diskussion – das Werk näherte sich sichtbar der Vollendung! Am 14. April 1915 konnte der «Brienzer» mel- den:

«Die 3. Sektion unserer Quaianlage, Bären- Pfarrhaus, geht ihrer Vollendung entgegen; es bedarf nur noch einer Anzahl Ruhebänke, und das Stück kann dem Verkehr übergeben wer- den. Wohl jedermann muss Freude haben an der gelungenen Arbeit. Ein Spaziergang könnte sich dort zu einem wirklichen Genuss gestal- ten.» Quaibau beim Trachtbach ca. 1912–13. Links oben «Wengers Hubel».

Dann aber wird schon der Warnfinger aufgehal- ten und nach Einschränkungen gerufen: «Lei- Offensichtlich herrschten damals etwas andere Die angeführte Einsendung im Lokalblatt könn- der muss konstatiert werden, dass unsere Ansichten über die der Jugend zu gewähren- te den Eindruck erwecken, der Quai sei damals Jugend sich das Privilegium des Aufenthalts den Freiräume als heute, was sich auch in der kurz vor der Fertigstellung gestanden. Das traf zum voraus genommen hat. Die halbwüchsigen Anstellung eines Wärters zeigte, den der Be- im Grossen und Ganzen zu, auch wenn noch Buben er­blicken eine besondere Freude darin, richterstatter noch bis in die Mitte der Zwanzi- ständig Unzulänglichkeiten zu beheben waren. das ohne­hin etwas spärlich gestreute Kies mit gerjahre als «Quaischreck» in lebhafter Erinne- Diese Arbeiten dauerten noch an, als die Anla- mehr oder weniger Eleganz in den See hinaus rung hat. Der Ord­nung halber sei vermerkt, ge bereits im Betrieb, allgemein zugänglich und zu schleudern. Der Spaziergänger ist stellen- dass er nicht nur grienschmeissenden Buben schon fast Bestandteil des Dorfbildes gewor- weise nicht sicher vor diesem Geschoss. Was aufzulauern hatte, sondern vom Gemeinderat den war. man mit dem Quai sicher nicht schaffen wollte, beauftragt war, das Wäschehängen auf dem einen Tummelplatz für die Jugend, ist nun Tat- Quai, das Lagern von Schwemmholz und wei- Nicht zuletzt diese sich in die Länge ziehenden sache geworden. Wenn hier nicht energisch tere unerwünschte Tätigkeiten zu unterbinden. Fertigstellungsarbeiten ohne markanten Schluss- eingeschritten wird, so werden unsere fremden Zu seinen Aufgaben ge­hörte auch, dafür zu punkt führten dazu, dass das grossartige Werk, Kurgäste wenig Er­holung und Ruhe finden auf sorgen, dass Kinder, die sich (sogar im Som- das Brienz zu einer einzigartigen Seepromena- der Seepromenade. Es muss Aufgabe der mer!) nach zwanzig Uhr noch im Freien aufhiel- de verhalf und viel zu seinem guten Ruf als Behörde sein, hier rechtzeitig mit fester Hand ten, verzeigt und ihre Eltern ge­büsst wurden. Fremdenort beigetragen hat, dass dieses Werk, einzugreifen, sonst ist der Zweck unserer ratio- so unglaublich das erscheint, überhaupt nie nellen und kostspieligen An­lage verfehlt.» eingeweiht wurde!

232 Bei den heutigen Ge­wohnheiten, wo Prominen- unheimlichen Kraft des Sturmes und der wilden te und Politiker keine Gelegenheit versäumen, Wellen, welchen der scheinbar festgefügte Quai sich auch bei herzlich unbedeutenden Anläs- nicht mehr gewachsen war (siehe auch S.43). sen mit einer Rede oder wenigstens mit ihrer Anwesenheit in Erinnerung zu rufen, grenzt das Als am Morgen nach der Unglücksnacht das fast an ein Wunder; ein Wun­der, das wohl auch Aus­mass der Verwüstungen einigermassen von der Sparsamkeit der verantwortlichen über­blickbar war, beschlich wohl die meisten Brienzer Behörden zeugt, welche jede unnötige Brienzer ein Gefühl ungläubigen Staunens, ge­ finanzielle Belastung der Ge­meinde zu vermei- mischt mit Betroffenheit und Trauer über die den suchten. Der Bau des Quais kostete Zerstörung des Wahrzeichens von Brienz. Kei- übrigens ungefähr gleichviel wie das ein Dut- nen Gefühlen hingeben konnten sich Wehr- zend Jahre vorher errichtete neue Schulhaus dienste und die Polizei, die seit dem Einsetzen am Hobacher. des Sturms ständig im Einsatz waren, an vielen Orten gleichzeitig Hilfe leisten mussten und Die mit viel Weitsicht und grossen Opfern in weitere Schäden zu begrenzen suchten. Nach Hinsicht auf die touristische Zukunft des Dorfes einer Be­gehung, an der auch Kantonsvertreter erstellte Seepromenade bewährte sich und teilnahmen, wurde Brienz zum Katastrophen- diente 75 Jahre lang nicht nur der einheimi- gebiet erklärt. Da nicht nur der Quai weitge- schen Be­völkerung, sondern wurde vor allem hend zerstört war, sondern auch Kanalisations- von Besuchern und Gästen sehr geschätzt. leitungen freigelegt oder weggerissen waren Wohl erforderte die Quaianlage ständigen Un- und bei weiteren Stürmen Gefahr für die hinter terhalt und nach einem aussergewöhnlichen dem Quai liegenden Gebäude bestand, dräng- Sturm im Jahr 1955 einige Reparaturen, doch ten sich So­fortmassnahmen auf. von bedeutenden Schäden blieb sie verschont; So wirkte «Vivian». ein Beweis auch für die solide Arbeit der Pro- Mit Baumstämmen und fast 5000 m3 Blöcken jektverfasser, Arbeiter und Ingenieure. vor allem aus dem Steinbruch Ballenberg wur- Ein neuer Quai entsteht (1990 – 92) den blossgelegte Uferpartien, beschädigte und Ohne Verzug an die Hand genommen wurde Der erste Jahrhundertsturm noch intakte Mauern vor weiterem Wellen- die Planung des Quaineubaus, um die das Und dann kamen die zwei verhängnisvollen schlag geschützt, um den Quai baldmöglichst Dorfbild wesentlich bestimmende Anlage bald Tage vom 27./28. Februar 1990 und besonders wieder einigermassen begehbar zu machen. wieder er­stehen zu lassen. Eine vom Gemein- die dazwischen liegende Nacht; Tage, die in Eine grosse Hilfe bedeutete dabei der Einsatz derat ge­wählte Spezialkommission erhielt den die Dorfgeschichte eingegangen sind! Durch von Militär, das mit schwerem Spezialgerät Auftrag, alles vorzukehren, damit spätestens das Berner Oberland fegte unwiderstehlich der Tag und Nacht an der Verstärkung des Ufers bis zur 850-Jahr-Feier von Brienz 1996 der Orkan «Vivian» und suchte auf seiner verhee- arbeitete. Die Blockwurfsicherungen muss­ten Quai wieder hergestellt sei. renden Bahn auch die Gemeinde Brienz heim. im Laufe der Quaierneuerung zum grössten Neben riesigen Schäden an Wald und Gebäu- Teil wieder entfernt werden, da der neue Ufer- Diese Zielsetzung deckte sich völlig mit der den zerstörte er den Quai fast in seiner ganzen abschluss einer besonderen Pfahlfundierung Meinung der Dorfbevölkerung, welche sich der Länge vom westlichen Dorfeingang bis nach be­durfte und zudem eine dauernde Bean- Be­deutung der Quaianlage für die touristische Tracht. Eingestürzte Mauern, entwurzelte Bäu­ spruchung von Seegrund mit dem See- und und damit auch wirtschaftliche Vermarktung me und weggespültes Terrain zeugten von der Fluss­ufergesetz im Widerspruch steht. von Brienz­ durchaus bewusst war. Das geht

233 auch daraus hervor, dass sich viele Leute über Allgemeine Zustimmung fanden folgende Ab­schluss gegen den See. Es gab anfänglich die Neugestaltung Gedanken machten und in Forderungen: Stimmen, die nicht zuletzt in Hinsicht auf die zwei Mitwirkungsverfahren Stellung nahmen zu – die Uferverbauung muss sturmsicher sein; finanziellen Konsequenzen glaubten, der Quai den Vorschlägen einer Projektgruppe. Diese – sie soll dem Besucher etwas bieten; könnte hinter dem schützenden Blockwurf, der war aus anfänglich zwölf Bewerbern vom Ge- – die Zugänglichkeit zum Wasser ist zu als provisorische Ufersicherung diente, einfach meinderat und der Quaineubau-Kommission fördern; in alter Manier saniert werden. Nach einem ausgewählt worden und bildete ein Team, das – die Ufergestaltung soll aufgelockert werden; längeren Denkprozess wurde dann aber doch neben den beruflichen Qualifikationen auch – es ist eine naturgerechte Bauweise klar, dass sowohl wegen gesetzlicher Bestim- über die örtlichen Detailkenntnisse und Ver- anzustreben. mungen wie aus ästhetischen und technischen trautheit mit den Brienzer Verhältnissen verfüg- Erwägungen ein halbbatziges Flickwerk nicht te. Wenn die Mitwirkungsverfahren keine um- So selbstverständlich diese Anliegen erschei- in Frage kommen konnte, auch wenn das werfenden Ergebnisse und völlig neue Ideen nen, so verschieden waren die Ansichten, wie schliesslich zur Ausführung empfohlene ganz- erbrachten, so lieferten sie immerhin die Bestä- sie am besten zu verwirklichen wären. Sollte heitliche Projekt von der Gemeinde grosse tigung, dass Behörden und Projektverfasser der Quai völlig neu in einheitlicher Bauweise, Opfer verlangen würde. auf dem richtigen Weg waren, auch wenn, wie oder vielleicht vor dem Änderdorf oder beim bei einem so grossen Werk nicht anders zu er- «Bären» und der Gärbi so hergestellt werden, Als neue Formen, welche in erster Linie den warten war, sich in Einzelfragen widersprüchli- wie er ursprünglich ausgesehen hatte? Unmit- Wunsch nach besseren Zugangsmöglichkeiten che Auffassungen zeigten. telbar verbunden mit dieser Frage war auch der zum Wasser erfüllten und erst noch die gleich- förmig eintönigen Ufermauern angenehm un- terbrachen, boten sich Abtreppungen an. Diese hatten erstmals Anwendung gefunden beim Uferweg vor dem «Schützen» und waren bei Einheimischen und Fremden auf grosse Zu- stimmung, ja Begeisterung gestossen. Die brei- ten Stufen aus Natursteinen erlauben bei jedem Pegelstand den Kontakt mit dem Wasser und machen es möglich, den See in des Wortes wahrster Bedeutung «hautnah» zu erleben.

Mit zum vorteilhaft veränderten Ortsbild von Brienz, wie es sich vom See her erschliesst, tragen auch die Brüstungsmauern bei, welche den Quai seewärts begrenzen. Sie ersetzen weitgehend die früher verwendeten Eisen- geländer. Die nur wenig über den Boden hoch- gezogenen Mauern dienen vor allem auch als einladende, breite Sitzgelegenheiten, die neben den üblichen Ruhebänken gerne benützt wer- den. Zusammen mit nur wenig beschädigten Ein Stück neuer Quai mit fast unverändertem Erscheinungsbild. Teilen der früheren Anlage, die aber aus Sicher-

234 heitsgründen auf solideren Fundamenten neu und verstärkt er­stellt werden mussten, ohne das alte Erscheinungsbild wesentlich zu ver- ändern, ergibt sich eine ab­wechslungsreich gegliederte Promenade. Diese hebt sich vorteil- haft vom ehemaligen, doch etwas eintönigen Quai ab, behält dessen Besonderheiten aber bei, zu denen die Brücklein mit den dahinter liegenden Bootsplätzen ge­hören, die mithelfen, die Seepromenade zu strukturieren. Erwähnt seien auch die verschiedenen Plätze, die wich- tige Punkte des Dorfes markieren und es mit dem See verbinden. Eine besondere Stellung nimmt dabei der unweit von der Schiffländte liegende «Chohlplatz» ein, der aufgewertet wur- de und nun für kulturelle Veranstaltungen und andere Anlässe noch besser gerüstet ist als früher. Der neue Quai: freier Zugang zum Wasser; breite Sitzmauern anstatt Geländer. Eine bedeutende Veränderung erfuhr auch die Hafenanlage beim «Bären»; sie wurde vergrös­ sert, erlaubt einen guten Zugang zum Wasser und stellt zweifellos eine der bemerkenswertes­ ten Partien des Quais dar.

Alles in allem: Ein Jahrhundertsturm hat ein Jahrhundertwerk zerstört, aber auch ermög- licht, ein neues Jahrhundertwerk entstehen zu lassen, ein Werk, das an anderen Schweizer- seen seinesgleichen sucht. Die biedere, etwas sterile und strenge Gleichförmigkeit der alten Anlage, die durchaus dem damaligen Zeitgeist und Ge­schmack entsprach, wurde abgelöst durch eine moderne, beschwingte Promenade, die ein neues natürlicheres Verhältnis zum See vermittelt. Die scharfe Grenze zwischen Land und Wasser ist aufgehoben; die Trennung der beiden Elemente durch starre Mauern hat einem harmonischen Ineinander-Übergehen Wasserspiele auf der Ostseite des Bootshafens beim Hotel Bären. Platz ge­macht; der See kommt der flanieren-

235 den Besucherschar entgegen, nimmt sie ge- wissermassen auf und lässt sie an seinen reiz- vollen und vielfältigen Möglichkeiten teilhaben. Kurz, aus dem neuen Quai ist eine lebendige, überzeugende und glücklich zwischen Land und Wasser vermittelnde Stätte geworden, mit einer fast südländisch lockeren, heiteren Aus- strahlung.

Er lädt nicht nur zum Spazieren ein, sondern noch mehr zum Verweilen, zum beschaulichen Ausblick über die sich im Laufe des Tages und der Jahreszeiten ständig verändernde weite Seefläche und die umstehenden Berge. Der Untergang des alten Quais war sicher ein ka- tastrophales Ereignis, entpuppt sich aber im Nachhinein nicht nur als Unglück! Auf den Trümmern, die «Vivian» hinterlassen hat, ist ein noch schöneres, den Besuchenden noch dien- Brienz ca. 1870: Vor den Häusern Seegärten. Ungefähr dem Flachufer entlang entstand später der Quai. licheres Werk entstanden, ein Werk, das Brienz auf der Seeseite ein neues Gesicht verliehen Beim letzten Mitwirkungsverfahren war denn hat und wahrlich ein freundliches und einneh- auch be­reits die Rede von 8,8 Mio., was in mendes! der Abstimmungsbotschaft zum Quaineubau vom 6.12.92 schliesslich auf Fr. 12 200 000.– Es wäre eine Unterlassungssünde, wollte man korrigiert wur­de. Genauere Untersuchungen, nur mit berechtigtem Stolz des einzigartigen schlechter Baugrund, der Einbezug zusätzli- Werks gedenken, ohne wenigstens auch die cher Arbeiten u.a. führten zu dieser Kosten- Kostenseite kurz zu beleuchten. Der neue Quai explosion. Das bedeutet, um einen Vergleich hat seinen Preis, einen Preis, der die Gemeinde anzustellen, dass die neue Seepromenade ausserordentlich belastet! Verschlangen schon ziemlich genau hundertmal mehr gekostet hat die zur Schadenbegrenzung unmittelbar nach als der von 1911 bis 1915 erstellte erste Quai! der Katastrophe eingeleiteten Sofortmassnah- men fast eine Million Franken und lautete eine Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): erste Schätzung für die Wiederherstellung auf Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- Fr. 2 500 000.–, so stellte sich diese schon bald sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im als viel zu optimistische Fehlrechnung heraus. Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

236 Von Wasser, Abwasser und Elektrizität

Rudolf Perren-Zurflüh

Jetzt und einst Das Abwasser floss in den «Bschittiflesch» Solches Ungemach plagte nur Dörfler, die Brun- Wie, schon wieder eine Rechnung von der Ge­ (Jauchegrube), in eine Sickergrube oder in ei- nen benützen konnten. Östlich der Äusserst- meinde im Briefkasten? Ist es die Stromrech- nen Kessel und aus diesem mit Schwung zum gasse klagte man dagegen häufig über ver- nung? Oder sind es die Wasser- und Abwas- Fenster hinaus in die Gassenschäli. Die Jauche schmutztes Wasser. Dass man kein Quellwas­- sergebühren? – Schon wieder! Mutter legt die trug man zu gegebener Zeit als Naturdünger in ser bekam, mit seinen Tellen (Steuern) aber Post weg, eilt in die Küche, dreht den Hahnen, den Garten, oder man führte sie auf den zum Unterhalt der Brunnen und Leitungen im lässt das klare Wasser in den Kochtopf fliessen «Häärp­felblätz» (Kartoffelacker) ins Kienholz. Dorf beitragen musste, empfand man dort als und stellt diesen auf die Platte. Ein Dreh am ungerecht. Schalter des Kochherds, dann eilt sie in den Die Mühsal mit dem Wasser Keller, knipst das Licht an, – und jetzt schrillt Von 1798 bis 1880 stieg die Einwohnerzahl Beim Gemeinderat häuften sich Beanstandun- noch das Telefon! Schnell mit den Kartoffeln unserer Gemeinde von 1022 auf 2757 an; Dorf gen und Begehren: Mängel sollten umgehend in die Küche! «Ja ja, ich komme!» – Wie sie in und Tracht wuchsen zusammen; auch im behoben, neue Brunnen errichtet werden. Im die Küche zurückkehrt, kocht das Wasser Kienholz wurde gebaut. Es mangelte bald an Kienholz, dessen Sodbrunnen von verunreinig- schon. Eine weitere Drehung am Herdschalter, Quellwasser. Brunnen, die aus Quellen und ei- tem Grundwasser gespeist wurden, verlangte dann schnell die Kartoffeln ge­waschen! Das ner Brunnstube im Mühlebachbord gespeist man immer wieder nach gesundem Trinkwas- Abwasser verschwindet gurgelnd durch den wurden, gab es nur im Dorf, und auch da nicht ser. Ablauf in der Kanalisation. Klick! Der Dampf- in allen Gassen. Vom Schiffschopf bis ins Kien- abzug beginnt zu summen... So leicht kam man holz aber fehlten solche Wasserspender. Dort Die bedrängte Gemeindebehörde sah sich in der guten alten Zeit nicht zu Wasser, Wärme war man auf den Bach, auf Sodbrunnen, den ständig hin- und hergerissen zwischen den und Licht. Bevor Ururgrossmutter mit Kochen See oder das Regenfass angewiesen. vielen Begehren und den knappen Geldmitteln. begann, holte sie am nächsten Brunnen einen Sie liess hier einen Brunnen, dort eine Leitung oder zwei schwere Kessel Wasser, schleppte Die damalige Wasserversorgung verursachte fli­cken, sah wohl ein, dass sich eine Gesamt- sie treppauf in die Küche und füllte das grosse viel Ärger und Mühe: Bei Trockenheit schwan- lösung aufdrängte, schreckte aber vor den Becken. Dann holte sie im «Schopf» (Schup- den oder versiegten Quellen. Im Winter gefror Kosten zurück und schob das mühsame Ge- pen) einen Korb voll Brennholz. Kochherdtür- das Was­ser oft in den wenig tief verlegten höl- schäft vor sich her: chen auf, Asche herauskratzen und in den zernen «Tiicheln» (Röhren), die Brunnen blieben Kübel schütten, Späne und Scheiter im Herd oft wo­chenlang leer. Reparaturen an den anfäl- Schon an der Altjahrs-Gemeindeversammlung aufschichten! Nun schöpfte sie mit dem «Gätzi» ligen Leitungen unterbrachen die Versorgung 1869 beauftragten Grossrat Johann Flück und Wasser aus dem Becken in die Pfanne und und belas­teten die kargen Gemeindefinanzen. Lehrer Kehrli die Behörde abzuklären, wie mehr setzte diese auf. Ein, zwei, drei Schwefelhölzer Floss ge­nügend Wasser, so versumpfte der Quellwasser für alle Bewohner beschafft und strich sie an, bis die Späne zu brennen began- Ablauf aus Brunnen Baumanns Wiesland, liess wie die dabei entstehenden Kosten gerecht nen. War das «Chemi» (Kamin) kalt, hatte sie im Winter die Krummgasse vereisen, floss bei verteilt werden könnten. Der Rat übertrug die den Schieber zu öffnen vergessen oder wehte Lehrer Michel in den Keller... Abklärungen einem Dreierausschuss. ein widriger Wind, so füllte sich die Küche mit Rauch. Aber kein Telefon schrillte.

237 1874: Die Märzgemeinde verlangt vom Rat bis suche aus dem Dorf seien abzuweisen, bis eine halbe Höhe vorgesehen waren. Weitere Zweig­ zur nächsten Gemeindeversammlung Vorschlä­ Hauptleitung ins Kienholz erstellt sei. Der Rat leitungen hatten vom Nussbaum aus westwärts ge für neue Brunnen. Bauführer Wüthrich wird erhält Auftrag, bis zur nächsten Gemeindever- das Bort und die Kirche sowie vom Wiesplatz mit der Angelegenheit betraut. sammlung ein entsprechendes Projekt ausar- aus die Birgisgasse zu versorgen. Weil der Was­ beiten zu lassen. serzufluss aus den gefassten Quellen auf 70 Märzgemeinde 1878: Unter wachsendem Druck bis 80 Minutenliter zu­rückgehen könne, müsse schlägt der Rat vor, mit dem knappen Quell- Im Juli 1883 erkundigt sich Gemeinderat Hirsch nach weiteren Quellen gesucht werden. Das wasser drei weitere Brunnen zu speisen. Die nach dem Stand der Angelegenheit. Aber erst Reservoir habe wenigstens 6 x 6 x 3 m = 108 m3 Anwesenden verlangen nach eingehender im November 1884 taucht das Geschäft im Nutzraum aufzuweisen, und auch so werde es Diskussion eine ausgearbeitete Vorlage bis zur Rats­protokoll wieder auf: Kapitän Tschaggeny bei starkem Wasserverbrauch nicht genügen; Dezembergemeinde. Das Geschäft versickert erinnert die Behörde schriftlich an die Notwen- Zuleitung von Bachwasser werde zeitweise bei einer fünfköpfigen Kommission. digkeit einer rationellen Wasserversorgung und nötig sein. – Die Kosten veranschlagte Herr Stu­ meldet, er habe mit Ingenieur Studer in Thun der auf Fr. 66 000.–. Nach Ergänzung des Pro- Im Juli 1880 beschliesst der Gemeinderat, gesprochen. Dieser wäre bereit, sich der Sache jekts durch den ortskundigen Bauführer Wüth- «eine Kommission von drei Mitgliedern auszu- anzunehmen. – Das war der zündende Funke: rich rechnete man mit einer Totalsumme von schiessen, die Wasserversorgung im Ganzen «Be­zugnehmend hierauf wird nach einiger Be- Fr. 71 000.–. zu untersuchen und bis zum 15. August Rap- ratung erkennt, man wolle vom Anerbieten des port zu er­statten.» Der Auftrag bleibt, wie die Herrn Ingenieur Studer Gebrauch machen.» Der Gemeinderat ernannte eine Kommission, vorangegangenen, unerledigt oder wird vom die sich zusammen mit Gemeindeschreiber Rat nicht weiter behandelt. Vom Projekt zur neuen Wasserversorgung Eggler sogleich an die Arbeit machte. Sie be- Noch im November fand mit Herrn Studer eine schaffte sich Angaben über die Wasserversor- Nachdem die November-Gemeindeversamm- Besichtigung der Quellen statt, und schon am gungen von Thun, Bern und Twann und unter- lung 1880 vom Rat nochmals ergebnislos die 10. Januar 1885 erhielt der Rat ein Projekt mit breitete dem Rat auf Grund dieser Unterlagen Vorlage eines konkreten Projekts verlangt hat, Übersichtsplan 1: 3000, Kostenberechnung und Vorschläge. – Ingenieur Rothenbach von Bern legt Bauführer Wüthrich im August 1882 der Bericht zugestellt. überprüfte das Projekt Studer/ Wüthrich im Behörde einen ausführlichen «Plan und Devis Auftrag des Regierungsrats und stutzte es auf zu einer vollständigen Wasserversorgung für Geplant war, ein Reservoir am Gampeli durch Fr. 60 000.– zurück. Dorf und Kienholz» vor. Der Rat beschliesst eine 126 m lange Leitung mit den Quellen am nach einer ersten Durchsicht, «auf geeignete Mühlebach zu verbinden. Eine eiserne Druck­ Im Februar 1888 unterbreitete die Wasserkom- Zeit eine öffentliche Versammlung zu veranstal- leitung sollte vom Reservoir ostwärts über mission dem Rat das nochmals überarbeitete ten, in welcher diese Angelegenheit gehörig Nuss­baum und Schleegasse durch die Unter- und ergänzte Projekt samt Devis, den Entwurf diskutiert werden kann.» dorfstrasse ins Kienholz führen, wobei das für ein Wasserreglement und den Antrag, die Rohrkaliber mit zunehmender Entfernung von Vorlage der nächsten Gemeindeversammlung Aber nun lassen sich die Unzufriedenen nicht 150 bis auf 19 mm zu reduzieren sei. Eine vorzulegen. Eine vom Gemeindeschreiber ver- länger vertrösten: Wie der Rat an der Gemein- Zweigleitung war über den Wiesplatz ins Ober- fasste Broschüre orientierte die Bürger über deversammlung vom Oktober 1882 die etap- dorf geplant; sie sollte in der Wydi in die Haupt- das ge­plante Werk und dessen Kosten. penweise Erstellung einer Wasserversorgung leitung münden. Querstränge verbanden Haupt- bis zum Faulbach und die Erstellung einiger und Zweigleitung durch die Brunnen- und die Gemeindeversammlung vom 31. März 1888 um weiterer Brunnen im Dorf vorschlägt, heissen Äusserstgasse, während in den andern Gassen 12 Uhr im Unterweisungslokal: 223 Stimmbe- die Anwesenden einen Gegenantrag gut, Ge- nur Steigleitungen aus dem Unterdorf bis in rechtigte werden gezählt. Traktandum l lautet:

238 «Besprechung und Beschlussnahme über Er­ lautete: «Antrag des Gemeinderates über Be­ stellung einer neuen Wasser- und Hydranten- schaffung der nöthigen Geldmittel: Belastung versorgung nach ausgearbeitetem Projekt. Im der Nutzniesser gegenwärtiger Dorfbrunnen, Einschluss eventuell Aufnahme eines diesbe- eventuell Aufnahme eines Darlehens.» Gemein- züglichen Anleihens und Annahme eines derat Wenger erklärte den 171 Anwesenden, Wasserreglements.»­ das Wasserversorgungsprojekt an sich sei be­ schlossen. Auftraggemäss habe der Rat nach Eintreten wird mit 118 gegen eine Stimme be­ neuen Wegen zur Mittelbeschaffung gesucht, schlossen. Das Wasserreglement wird gar mit und er schlage nun die Gründung eines Was- 129 : 0 Stimmen gutgeheissen. Nun folgen die serbaufonds vor, in den die Benützer der beste- Hauptabstimmungen über Projekt und Devis. henden Brunnen und die Gemeinde Beiträge zu – Mit 123 gegen 11 Stimmen wird nach reger leis­ten hätten. Dieses Verfahren werde aller- Diskussion beschlossen, das Projekt auszufüh- dings die Erstellung einer neuen Wasserversor- ren. Der Rat erhält Vollmacht, das Werk ganz gung weit hinauszögern. Der Rat empfehle oder abteilungsweise zur Konkurrenz auszu- daher als Alternative nochmals eine Darlehens- schreiben und, falls die Eingaben die Devissum- aufnahme. me von Fr. 55 000.– nicht überschreiten, erstel- len zu lassen. Nachdem ein Regulativ für den Wasserbau- fonds mit den vorgesehenen Gebühren verle- Nun noch die letzte Hürde, die Finanzierung. sen und be­raten worden war, entschieden sich Hierfür braucht es die Zweidrittelsmehrheit der in einer Eventualabstimmung 95 Bürger für und Anwesenden. Grosse Spannung! Rund hun- 20 ge­gen den Fonds. Die Aufnahme eines Dar- dert Bürger haben sich bisher der Stimme lehens von Fr. 43 000.– wurde in der zweiten enthalten. – Endlich: Der Darlehensaufnahme Eventualabstimmung von 124 Anwesenden be- René Michel an einem gusseisernen Hebelbrunnen. stimmen 136 zu. Aber 149 wären nötig. Das fürwortet. Das Zweidrittelsmehr betrug 114 Stim­ Geld kann so nicht beschafft werden; die Was- men. Die Darlehensaufnahme war beschlos- Der Rat vergab die Arbeiten an Unternehmer servorlage ist gescheitert. sen, das Werk konnte endlich verwirklicht J. Weber in Bern mit dem niedrigsten Angebot. werden! Bald frassen Pickel und Schaufeln Gräben in Die Enttäuschung äussert sich in hitzigen Voten. Grundstücke und Strassen. Der Verkehr war Schliesslich verschafft sich der Rat den Auf- Nun gingen Rat und Wasserkommission mit behindert, die Wasserzufuhr stockte, es gab trag, die Brunnenfrage nochmals zu überprü- neuem Schwung ans Werk. Die Bauleitung verschmutztes Wasser, aber das Werk kam gut fen, nach andern Wegen zur Mittelbeschaffung wur­de dem Projektverfasser Studer übertra- voran. Schon im Juni waren die Arbeiten so zu suchen und an der nächsten Gemeindever- gen. Im Februar 1889 bewilligte der Regie- weit fortgeschritten, dass Gesuche um Haus- sammlung neue Anträge vorzubringen. rungsrat einen Beitrag der Brandversicherung anschlüsse eingereicht werden konnten. Im von Fr. 10 000.–, die Darlehensaufnahme und September/Oktober wurde die Hauptleitung im Stimmabstinenz und Gegnerschaft kamen wohl die Öffnung der Strassen zum Verlegen der Kienholz verlegt, und gegen Jahresende konn­ vor allem aus dem mit Quellwasser versorgten Leitungen, und ebenso genehmigte er das te die neue Wasser- und Hydrantenanlage zur Dorfteil. Dem trugen Wasserkommission und Wasserreglement. Auf die Ausschreibung gin- Inspektion durch die Brandversicherungsan- Rat in der Gemeindeversammlung vom 27. Ok- gen Mitte März fünf Offerten ein, die teuerste stalt gemeldet werden. tober mit ihrer neuen Vorlage Rechnung. Sie für Fr. 50 500.–, die billigste für Fr. 42 000.–

239 Ingenieur Rothenbach inspizierte die Anlage Jauchefuhren durchs Dorf sollten mit Rücksicht stellen zu lassen. Am 24. März 1917 stimmte die am 18. Dezember, und nach Einsicht in dessen auf die fremden Gäste während der Saison nur Gemeindeversammlung der Vorlage zu. Die günstigen Bericht wies der Regierungsrat die morgens vor 8 oder nachmittags nach 4 Uhr vorgesehenen Arbeiten wurden etappenweise Brandversicherung schon am 28. Dezember stattfinden. Eine Gaststätte leitete ihr Abwasser ausgeführt. an, der Gemeinde den zugesicherten Beitrag aus Küche und Abort kurzerhand in eine Cou- von Fr. 10 000.– auszuzahlen. lisse (Strassenwasser-Ablauf) auf dem Tracht- Im Dezember 1926 genehmigte die Gemeinde- platz, wo sich Reisende von Schiff und Bahn versammlung einen neuen Gesamtplan, der Die Generalrechnung des Unternehmers We- trafen. Wegen verstopften und stinkenden Ab- eine Hauptleitung durch die Staatsstrasse mit ber betrug Fr. 50 665,90. Ingenieur Studer ver- läufen auf der Gärbi, beim Schiffschopf und an- Abläufen zum See und Spülvorrichtungen beim langte für Bauleitung und Arbeiten Fr. 1182,25. derswo wurde reklamiert. Der Dorfarzt Dr. Kör- Trachtbach und beim Wangbächli vorsah. Nun Zu­sam­men mit Landentschädigungen und an- ber und die Gesundheitskommission wiesen wuchs das Kanalisationsnetz weiter, bis sich derem stellte sich die Gesamtabrechnung auf immer wieder auf unhygienische Zustände hin... der grösste Teil des Wohngebiets in den See Fr. 53 597,90. Die Devissumme wurde nicht entsorgte. Man war das Dreckwasser und den überschritten. Der See lag nahe; der Quai bestand noch nicht. leidigen Gestank los! Anwohner leiteten ihr Abwasser dorthin ab, was Nun verfügte Brienz über eine Wasserversor- bei niedrigem Wasserstand zu unappetitlichen Der Weg zur ARA gung, die mit ihren eisernen Hebelbrunnen ei- Zuständen führte. «Der Zürichsee stirbt!» – «Der Genfersee ist ver- nem grossen Teil des Wohngebiets Quellwas- schmutzt!» – «Der Hallwilersee erstickt!» – Sol- ser verschaffte. Brunnen in jeder Gasse und bis Eine Rohrleitung der Anwohner am Gruben- che Meldungen häuften sich Ende Vierziger- ins Kienholz hinaus! – Jederzeit gutes Wasser in gässli hatte die Gemeinde mitfinanziert. Als um und in den Fünfzigerjahren in den Medien. Das der Nähe oder gar im Haus! – Können wir nach- 1904 ähnliche Beitragsgesuche eingingen, reg- Abwasserproblem nahm neue Dimensionen fühlen, was dies damals bedeutete? te Ge­meinderat Adolf Schild an, eine Kanalisa- an. tionsanlage für das ganze Dorf zu planen. Die Wohin mit dem Abwasser? Behörde erwog, Kostenberechnungen anzu- Der Altjahrsgemeinde 1955 eröffnete Gemein- Seit 1890 wuchs unser Wasserleitungsnetz stellen und liess vorläufig die schlimmsten Übel- derat Alfred Amacher, dass seit 1950 ein Ge- stetig und versorgte bald auch die Randgebie- stände mit örtlichen Ableitungen in den See setz die Zuleitung von ungereinigtem Wasser te. Immer mehr Hausanschlüsse machten die beheben: auf der Gärbi, in der Wydi, am Tracht- in den See verbiete. Nun müssten Haus- und Brunnen überflüssig. Man genoss es, jederzeit stutz. zentrale Kläranlagen gebaut werden. Früher Wasser im Haus zu haben und nach Bedarf oder später werde auch Brienz nicht um eine oder Belieben darüber zu verfügen. Der Ver- Der Quaibau 1913 –1915 erschwerte die Ent- zentrale Anlage herumkommen. Eine solche brauch stieg und stieg. Die Suche nach neuen sorgung zum See. Rohrleitungen wurden noch bedinge aber jahrelange Vorbereitungen und Quellen – von Ebligen bis Brienzwiler – wurde rechtzeitig aus dem Schiffschopf und aus der werde viel kosten; es gelte vorauszuplanen. zum Dauerbrenner. Äusserstgasse verlegt. – Sehr schnell war es so weit: Der Gemeinde- versammlung vom 5. Juni 1956 musste Bau- Der steigende Verbrauch erbrachte immer Als sich in den folgenden Jahren die Klagen präsident Amacher mitteilen, dass man ge- mehr Abwasser, das entsorgt werden musste. über unhygienische Abwasserverhältnisse bei zwungen sei, schon jetzt eine Lösung zu Wohin damit? – Von Zeit zu Zeit liess der Ge- der Schnitzlerschule, in der Alpgasse, am Tracht­ suchen. Wenn die Gemeinde den Bau einer meinderat durch Austrommeln «das hierorts stutz und an andern Orten häuften, entschloss Gesamtkläranlage beschliesse und innert 10 leider übliche Ausschütten von Abwasser in die sich der Rat, ein Gesamtprojekt und Kosten- Jahren baue, könne auf den Bau von Hausklär- Gassenschäli oder auf die Strasse» verbieten. berechnungen für eine Kanalisation im Dorf er- anlagen verzichtet werden.

240 Schwanden und Hofstetten verarbeiten kön- nen. Anfang November 1969 war der Bau so weit fortgeschritten, dass Klärwärter Michel sich bei der Endmontage in sein neues Amt einar- beiten konnte. Im Juli 1971 wurde die mechani- sche Klärung (1. Stufe) und im April 1972 die biologische Anlage (2. Stufe) in Betrieb genom- men.

Weil auf Axalp in den Fünfziger- und Sechziger- jahren zahlreiche Ferienhäuser gebaut worden waren, stellte sich das Abwasserproblem auch dort. Nachdem sich der Bau einer ARA im Balmi oder Teiffental als unwirtschaftlich und finanziell untragbar erwiesen hatte, wurde eine Ableitung in die ARA Brienz geplant. Die Ge- meindeversammlung vom 17. Dezember 1973 beschloss einen Kredit von Fr. 1 314 800.– für Die ARA mit Stapelbehälter für hygienisierten Schlamm, Faulturm, Nachklärbecken und Betriebsgebäude. die Kanalisation auf Axalp und eine Fallleitung in die bestehende Kläranlage.

Der Ge­mein­derat beantrage die Erstellung später nur noch 40 % beitragen werde. Die Vor- Am 18. Juni 1976 genehmigten die Stimm- eines generellen Kanalisationsprojekts und lage wurde zu besserer Prüfung zurückgewie- bürger die Abrechnung über den Bau der ge- eines Bauprojekts für den Hauptsammelkanal. sen. Am 21. Dezember aber wurde das ver- samten Abwasseranlage mit Kosten von – Damals herrsch­te rege Bautätigkeit; neue besserte Projekt samt Etappenplan mit 114 Fr. 7 246 528.–. Nach Abzug der Staats- und Quartiere mussten er­schlossen, mit Licht und gegen 75 Stimmen genehmigt. Bundesbeiträge verblieben der Gemeinde noch Wasser versorgt, vom Abwasser entsorgt wer- Fr. 1 362 352.–. zu­züglich Zinsen, Löhne, Ab- den. Dringende Strassen- und Trottoirbauten Die erste Bauetappe vom neuen Quartier im nahmekosten usw., total Fr. 2 430 181.–. waren im Gange und standen noch bevor. Auf Birgli zum Laborator war schon ausgeführt. der Gemeinde lasteten schon Fr. 768 000.– Un­ter der umsichtigen Leitung des Präsidenten 1979 ergab die Schlussabrechnung der Axalp- Schulden. der Kanalisationskommission, Bankverwalter Kanalisation Kosten von Fr. 1 080 190.– abzüg- Fritz Abplanalp­ , kam das Projekt etappenweise lich Beiträge von Fr. 410 472.–. Dass es den Stimmbürgern unter diesen Um- zur Ausführung. Ein Hauptkanal, der das Ab- ständen schwer fiel, dem Millionenprojekt zuzu- wasser aus dem Wohngebiet sammeln und in Die rege Bautätigkeit seit den Fünfzigerjahren stimmen, ist be­greiflich. Lang und hart wurde die ARA befördern sollte, wurde durch den stellte auch die Nachbargemeinden Schwan- diskutiert, aber schliesslich wurde dem Ratsan- Quai, vor dem Fluhberg durch und über den den und Hofstetten vor Wasser- und Ab­was­ trag zugestimmt. – Im Mai 1957 legte der Rat Heger zur ARA verlegt. Des fehlenden Gefälles serprob­leme. Solche lassen sich gemeinsam der Gemeindeversammlung ein generelles Ka- wegen mussten fünf Pumpwerke eingebaut rationeller lösen. Ende Oktober 1973 feierten nalisationsprojekt vor, an dessen Kosten von werden. Die zweistufige Kläranlage sollte später Schwanden und Brienz den Zusammenschluss 1,9 Millionen Franken der Staat zur Zeit 57 %, auch die Abwasser der Nachbargemeinden ihrer Wasser- und Abwasseranlagen.

241 Seit 1976 benützen und verwalten Schwanden, Am 29. April 1899 lehnte aber eine ausseror- Anfang Januar 1903 ersuchte der Brienzer Hofstetten und Brienz die ARA gemeinsam: dentliche Gemeindeversammlung nach heftiger Gemeinderat die kantonale Bau­direktion, «es Eine Kommission mit Vertretern der drei Ge- Eintretensdebatte den Vertrag und damit auch möchte im Interesse der Gemeinden, welche meinden regelt Betrieb, Ausbau und Kosten der die Einführung der elektrischen Strassenbe- schon lange auf die elektrische Kraft warten, Anlage. leuchtung knapp mit 119 :121 Stimmen ab. die Reichenbachkonzession an die be­treffende Aktiengesellschaft ertheilt werden.» Licht und Kraft aus dem Draht – Der Gemeindeversammlung vom 29. Dezem- eine lange Vorgeschichte ber 1900 empfahl der Rat einen neuen, günsti- Die Gemeinden mussten aber noch länger Ein Stromunterbruch! Wir erleben hautnah, wie geren Vertrag mit Herrn Binder zur Annahme. warten. Inzwischen boten sich andere Kraft­ sehr die Elektrizität den Alltag innert einem Mehrere Bürger schlugen vor, auch mit den lieferanten an: Alexander Aebischer wollte im Jahrhundert verändert hat: Kein Licht, Herd Herren Bucher, Luzern, und Flotron, Meiringen, Sommer 1903 Quellen im Eggechenwald zur und Ofen erkalten, Haushaltgeräte, Radio und die am Reichenbach ein Elektrizitätswerk plan- Stromerzeugung fassen. Der Rat bewilligte Fernseher versagen den Dienst, Maschinen ten, zu verhandeln. In einer Vorabstimmung einen Kredit, aber die Grabungen verliefen er- stehen still, in Geschäften streiken Türen und beschlossen die Anwesenden, Herrn Binder folglos. Hierauf stieg der Rat auf ein Anerbieten, Kassen, in Büros und Banken fallen Computer die Erstellung eines Verteilnetzes auf Gemein- Elektrizität durch «Kraftgas» zu erzeugen, nicht aus... degebiet zu gestatten; von Verhandlungen mit mehr ein. Dagegen folgte er Anfang 1905 der den Herren Bucher und Flotron sei abzusehen. Einladung des Kanderwerks zu einer Vorbe- Die Dorfgemeinde Meiringen verfügte schon In der Hauptabstimmung wurde mit grosser sprechung, wo­rauf Verhandlungen folgten. Im seit 1888/89 über eine «elektrische Lichtan­ Mehrheit be­schlossen, mit Herrn Binder über Mai darauf ver­sicherte Bucher, das Reichen- lage», gespiesen vom eigenen Kraftwerk am Stromlieferung zu verhandeln. bachwerk wer­de nach Erhalt der Konzession Alpbach. Hier in Brienz versorgten die Lampe- innert Jahresfrist erstellt; er werde den seiner- nisten Mathyer und Michel die Strassenlampen Im April 1901 ersuchten Bucher und Flotron um zeit abgeschlossenen Vertrag in allen Teilen noch mit Petrol – nicht immer zu aller Zufrieden- Erlaubnis zum Bau einer Starkstromleitung halten. Im November offerierte ein Alfred Bra- heit: Anwohner reklamierten wegen erlosche- Reichenbach–Interlaken über Brienzer Gemein­ cher Strom aus einem geplanten Kraftwerk Wil- nen Lampen, der Gemeinderat rügte ver- degebiet. Sie boten auch Strom zu einem derswil, das aber nicht gebaut wurde. 1906 schwenderischen Umgang mit dem 18¼ bis festen Tarif an. Nun entschloss sich Herr Bin- berechneten Guggenbühl, Zürich, ein Kraftwerk 30 Rappen pro Liter teuren Brennstoff. der, auf sein Eistlenbach-Werk zu verzichten in Brienzwiler und Gubler & Co, Zürich, eines und mit den Planern des Reichenbachwerks am Eistlenbach. 1907 ersuchten Fritz Tschag- Da fragte Fabrikant Eduard Binder im März eine Lösung zu suchen. Da beschloss auch der geny, Peter Huggler und Adolf Schild die kanto- 1898 beim Gemeinderat an, ob die Gemeinde Gemeinderat, mit Bucher und Flotron zu ver- nale Baudirektion um Bewilligung, Quellen zu «ge­neigt wäre, ihm elektrische Kraft zu öffentli- handeln. Binder war einverstanden, und am Kraftzwecken zu fassen; der Gemeinderat cher Beleuchtung abzunehmen.» Herr Binder 7. Oktober stimmte die Gemeindeversammlung lehnte die Begutachtung aber ab, weil er unter- plante die Errichtung eines Elektrizitätswerks diesem Vorgehen zu. dessen im Hinblick auf ein Kraftwerk Messun- am Eistlenbach. Der Rat beauftragte sogleich gen am Giessbach veranlasst hatte. Ge­gen eine Kommission, die Angelegenheit zu prüfen. Im Spätherbst 1902 wurde die Starkstromlei- Jahresende reichte auch ein Kraftwerk am Ein Jahr später lag ein Vertrag «über Errichtung tung über Gemeindegebiet erstellt. Nun aber Hasliberg Offerten ein. von elektrischen Stromleitungen und Trans­ verzögerte sich der Bau der Wasserkraftanlage formatorenstationen auf Gemeindegebiet» vor, Schattenhalb; Private und eine AG stritten sich der die Interessen beider Partner zu wahren um die Baukonzession. suchte.

242 Elektrischer Strom vom Reichenbach Der Rat wählt Schlosser Otto Schild als Aufse- Aber am 1. Juni 1909 fliesst Strom durch Im März 1908 vernimmt der Rat, dass die Kraft- her über die gesamte elektrische Anlage. Die das Leitungsnetz. Am 7. Juni genehmigt das werk Reichenbach AG die Konzession endlich Arbeiten beginnen. Rat und Kommission be- Starkstrominspektorat die Leitungsanlage mit erhalten habe und dass schon im Verlaufe des kommen viel zu tun: Sie verhandeln mit Grund- einigen Änderungen. Am 4. Oktober liefert Sommers Licht und Kraft ab Starkstromleitung und Hauseigentümern wegen Leitungsstangen, Dr. Blattner einen günstigen Inspektionsbericht bezogen werden könne! Jetzt kommt das Trafostationen und Strassenlampen; Bäume, über die Hausinstallationen ab. Der grösste Teil Ge­schäft in Fahrt: Eine Kommission macht die dem neuen Licht im Wege stehen, müssen des Dorfes kann mit Elektrizität versorgt wer- zu Handen einer April-Gemeindeversammlung geschnitten oder gefällt werden. den; nachts erstrahlt Brienz im neuen Licht. Er­he­bungen über die Erstellungskosten von Trafostationen und einer Sekundärleitung sowie Wirte und Wasserwerkbesitzer wünschen Spe- Nicht aber das Kienholz. Dort versorgt Mecha- über die Zahl privater Strombezüger im Dorf. zialtarife. Strassenlampen, eine Schaltuhr für niker Theodor Thöni schon seit 1904 sein Haus Ingenieur Dr. Blattner vom Technikum Burgdorf die Dorfbeleuchtung und Messgeräte für die mit Werkstätte und einige Nachbarhäuser wird mit der Überprüfung des Vertrags mit Trafos sind zu beschaffen. Unternehmer verlan- mit Strom, den er aus seiner selbst gebauten Reichenbach und den Kostenberechnungen gen Teilzahlungen; Arbeiten und Rechnungen Kraftanlage am Faulbach gewinnt. Im Herbst beauftragt. Im Oktober stimmt die Gemeinde- geben An­lass zu Beanstandungen. Verteilnetz 1908 spricht die Behörde mit ihm über Strom- versammlung dem begutachteten Vertrag zu. und Telegrafenleitung kommen sich in die lieferungen. Im Kienholz denkt man einige Zeit Ein Zusatzartikel wird angefügt: Falls das Werk Quere; Unternehmer Pauli ist mit seinen Arbei- sogar daran, eine Anlage auf eigene Kosten zu bis 1. Mai 1909 nicht zur Stromabgabe bereit ten um mehr als einen Monat im Rückstand bauen und zu unterhalten, aber im März 1911 ist, wird die Gemeinde nicht mehr an das Ab- usw. reichen Bäckermeister Rudolf Flück, Theodor kommen ge­bunden sein. – Das Verteilnetz soll aus Kostengründen nicht verkabelt, sondern als Freileitung erstellt werden. – Die Arbeiten werden zur Konkurrenz ausgeschrieben.

Nach Beratung durch Dr. Blattner beantragt der Rat der Altjahrsgemeinde 1908, zur Erstel- lung eines Sekundärnetzes einen Kredit von Fr. 50 000.– zu beschliessen: Fr. 40 000.– für das Netz im Dorf, Fr. 2000.– für Zähler und Fr. 8000.– für eine Anlage im Kienholz. 183 von 191 Anwesenden stimmen der Vorlage zu, und das Reglement über Stromabgabe wird samt Tarif genehmigt.

Sechs Firmen reichen Offerten ein. Dr. Blattner prüft die Eingaben und arbeitet im Februar 1909 die Verträge mit den Unternehmern aus. Pauli in Arth soll das Sekundärnetz erstellen, Bracher in Thun und Mumprecht in Herzogen- buchsee die Hausinstallationen. Kraftwerkzentrale Schattenhalb um 1940.

243 Thöni und andere Interessenten ein Projekt von Elektriker Kirchhoff in Meiringen ein für das Sekundärnetz im Kienholz und ersuchen die Gemeinde um dessen Ausführung. Ein Schrei- ben von Lehrer Thomann, die Anwohner seien sich über die Einführung des elektrischen Lichts noch nicht schlüssig, veranlasst den Rat, die Angelegenheit vorerst ad acta zu legen.

Ein neuer Vorstoss der Befürworter im Juli wirkt: Der Rat beschafft sich die Pläne von Kirchhoff und Mumprecht, lässt im Kienholz Abonne- mentsverträge unterzeichnen und schreibt die Arbeiten aus. Neun Unternehmer reichen Offer- ten zwischen Fr. 8656.– und Fr. 11823.– ein, die zusammen mit den Plänen Dr. Blattner zur Prüfung unterbreitet werden. Nachdem der Regierungsrat die Aufnahme eines Darlehens von Fr. 10 000.– bewilligt hat, erhält die Firma UV-Entkeimungsanlage im Reservoir Breitenberg. Baumann-Kölliker in Zürich den Auftrag zum Bau des Verteilnetzes und die Konzession für Hausinstallationen. 1912 erhält auch das Kien- mangel. Neue Quellen wurden gesucht und netz ab Frühsommer 2011 wieder speisen. – holz endlich Licht und Kraft aus dem Draht. gefasst, und neue Wasserreservoire wurden 1999 verbrauchten wir Brienzer 698 623 m3 gebaut. 1937– 41 kaufte Brienz von Brienzwiler Wasser oder 648 Liter pro Person und Tag. So kam Brienz zu gutem Wasser und zu elek­ Quellenrechte im Farnigraben und erstellte die 2009 waren es noch 589 457 m3 oder je Person trischem Strom, und so wurden wir das Zuleitung zum Reservoir Ballenberg. Die rege und Tag 474 Liter. Haben die 2007 in jedem Ab­wasser los. Aber die Wasserversorgungs-, Bautätigkeit auf der Lauenen und im Feld in den Haus eingebauten Wassermesser zu sparsa- Kanalisations- und Elektrizitätsanlagen muss- Fünfziger- und Sechzigerjahren verlangte um- merem Verbrauch angehalten? ten immer wieder erweitert und den sich verän- fangreiche Netzerweiterungen, und Quellwas- dernden Gegebenheiten angepasst, defekte ser wurde wieder knapp. Verhandlungen mit Die Abwasser- und Kanalisationsanlage und überalterte Teile mussten repariert und er- den Nachbargemeinden Schwanden, Hofstet- erlitt im vergangenen Jahrzehnt zweimal setzt werden. Die seitherige Entwicklung im ten und Brienzwiler ermöglichten um 1970 die schwere Schäden: Im Mai 1999 stieg der See- Einzelnen aufzuzeigen, würde den gegebenen gemeinsame Fassung der Gorgenquelle am spiegel nach Schneeschmelze und starken Rahmen sprengen; ein knapper Überblick Eistlenbach und den Bau der nötigen Leitun- Niederschlägen übermässig an. Eindringendes muss genügen. gen. Seit 1986 stand das Grundwasserpump- Seewasser beeinträchtigte ARA (Abwasseran- werk im Fluhberg bereit, und seit 2000 sichert lage) und Hauptleitung schwer. Das Unwetter Wasserversorgung: Das Dorf wuchs und mit das neue Grundwasserpumpwerk vor der Ju- im August 2005 beschädigte die Anlage und ihm das Verteilnetz und der Wasserverbrauch. gendherberge beim Lammbach notfalls die das Pumpwerk Fluhberg so stark, dass das Ab- Schon nach wenigen Jahren herrschte in Tro- Wasserversorgung. Der Neubau des 1889 er- wasser aus dem Dorf mehrere Wochen in den ckenzeiten und nach Brandfällen oft Wasser- stellten Reservoirs Gampeli wird unser Verteil- See floss, bis die umfangreichen Reparaturen

244 Elektrizität: Nachdem die Gemeindever- Wasser, Abwasser, Elektrizität: Die Anlagen be- sammlung vom 7. Oktober 1901 dem Antrag anspruchen viel Arbeit und Unterhalt, verursa- des Gemeinderats, mit den Elektrowerken Rei- chen grosse Kosten. Wir sind die Nutzniesser chenbach über Stromlieferung zu verhandeln, und bezahlen dies mit Gebühren. zugestimmt hatte (s. S. 243), begann eine Elektrizitätskommission unter dem Vorsitz von Eisenhändler A. Grossmann ihre Arbeit. Herr Binder stellte der Gemeinde seine Pläne und Kostenberechnungen sowie die bei ihm einge- gangenen Abonnementsgesuche für Licht und Kraft gegen Entgelt zur Verfügung. Beraten durch Dr. E. Blattner, Burgdorf, verhandelte die Kommission mit dem Kraftwerk Reichenbach und Zulieferungsfirmen und leitete die nötigen Vorbereitungs- und Installationsarbeiten, bis der Strom am 1. Juni 1909 erstmals durch das Sekundärnetz floss.

Von Anfang an musste die elektrische Anlage fortlaufend erweitert, verbessert und repariert werden. 1946 wurde sie auf Normalspannung 220/380 Volt umgebaut. Elektrizität aus Trinkwasser: Turbine und Generator im Reservoir Breitenberg. 1999 kaufte die Gemeinde von der EWR Ener- gie-AG (Reichenbach) das 74-jährige Kraftwerk abgeschlossen werden konnten. Die vom Kan- am Giessbach, das 2004 durch einen Brand ton 2004 verfügte Sanierung der Abwasser­ zerstört und nach dem Umbau 2005 wieder in entsorgung auf Planalp verzögerte sich wegen Betrieb genommen wurde. Seit 2001 liefert Widerstand und Rechtshändeln bis zur Inbe- das Kleinkraftwerk beim Lammbach Strom. triebnahme 2008. In den letzten 15 Jahren ver- Alle unsere Kraftwerke decken gegen 30 % des ursachte die Trennung des Regenwassers vom jährlichen Energiebedarfs der Gemeinde. Schmutzwasser und dessen Ableitung in Bä- che und See durch ein zweites Leitungssystem Der Energieumsatz unserer Elektrizitätsanlage Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): grosse Kosten. – Die ARA, seit 1972 im Betrieb, nahm von 1999 bis 2009 um 9,26 % zu auf Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- ist dank fachmännischer Wartung noch in gu- 20 021 283 Kilowattstunden. Ihr unterirdisches sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im tem Zustand. Sie wird aber in 12 bis 15 Jahren Kabelnetz wuchs auf 100 376 m an, während Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- total saniert oder neu gebaut werden müssen. die Freileitungen auf 5023 m reduziert werden teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte – 2009 wurden 450 797 m3 Abwasser gereinigt. konnten. Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen Das sind 851 Liter pro Haushalt und Tag. sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

245 Feuerwehrmagazin und neue Sporthalle

Ruedi Perren-Roesti

Das neue Feuerwehrmagazin beendet Was lange währt, wird endlich gut: Vier lange «Mit der Schlüsselübergabe ist das Kapitel Un- ein Unwetterkapitel Jahre hatte die Gemeinde Brienz auf den Be- wetter 2005 für unsere Feuerwehr abgeschlos- Mit seinen 52 Metern Länge und 18 Metern zug des neuen Feuerwehrmagazins gewartet. sen», verkündete der Brienzer Gemeindepräsi- Tiefe prägt das lindengrüne Feuerwehrmagazin Ursache für den Neubau war die Unwetterkata- dent Peter Flück am 28. November 2009 das Ortsbild im Ostteil des Dorfes Brienz. Nach strophe vom August 2005. Damals war das anlässlich der Einweihungsfeier. Am selben nur neunmonatiger Bauzeit schlüsselfertig, prä- 1986 zusammen mit dem Gemeindehaus er- Anlass brauste die ausgebildete Feuerwehr­ sentiert sich das Hauptquartier der Feuerwehr baute «alte» Feuerwehrmagazin am Unterlauf fahrerin und bekannte Schlagersängerin Mo- an der Hauptstrasse am östlichen Dorfeingang des Glyssibachs durch die Gesteins- und nique mit Blaulicht und Sirene in die Halle. Ihre in idealer Lage für Einsätze im weitläufigen Ge- Schlammlawine vollständig zerstört worden. Fahrkünste bewies sie am Steuer des Feuer- meindegebiet. An der Einweihungsfeier vom 28. Aufgrund der Raumansprüche des Wasserbau- wehrfahrzeugs «Giessbach 2», dem sie seiner- November 2009 nahm neben Behörden und projektes Glyssibach musste der alte Standort zeit Patin gestanden hatte und das nun ihren Gästen auch die Schlagersängerin und Feuer- aufgegeben werden. Bevor aber ein Neubau Namen trägt. Sie überbrachte die Fahne der wehrfrau Monique teil. erfolgen konnte, waren aufgrund eines Ge- Feuerwehr Brienz, ein Geschenk des Feuer- meinderatsbeschlusses zuerst die Ansprüche wehr-Pikettvereins. aller am Privateigentum Betroffenen zu regeln. Albrecht Thöni, der als Präsident des Bauaus- schusses die Nachfolge von Peter Flück ange- treten hatte, erklärte nach der Weitergabe eines grossen silbernen Schlüssels an den Feuer- wehrkommandanten Peter Messerli, die statt- liche Anlage sei «eher Hauptquartier denn Ma- gazin». Der lange Weg zum Ziel sei nicht immer einfach gewesen. Standortsuche, Land­ erwerb, Projektierung durch die von Allmen Ar- chitekten AG Interlaken, Zonenplanänderung, Überbauungsordnung und schliesslich die Ur- nenabstimmung vom 1. Juni 2008, bei welcher der Neubau angenommen und ein Kredit von 3,85 Millionen Franken bewilligt wurde, seien die entscheidenden Hürden gewesen. Beacht- lich sind im Zusammenhang mit der Finan­ zierung die Beiträge aus den verschiedensten Quellen, welche auf schweizweite Solidarität mit unserer Gemeinde schliessen lassen. Altes Feuerwehrmagazin am Glyssibach mit Unwetterschäden (August 2005).

246 Das neue Feuerwehrmagazin am Tag der offenen Tür (1. Mai 2010): Das Publikum bestaunt den Wagenpark und das markante Gebäude.

Brienz erhielt Entschädigungen für das nicht letzten Jahrhunderts den Brienzern ange- mehr verwendbare alte Magazin – Wasserbau- schlossen hat. Bereits jetzt ist das Magazin so projekt und Gebäudeversicherung – von 1,33 eingerichtet, dass das regionale Führungsor- Millionen Franken. Der Kanton Genf spendete gan der fünf Gemeinden rund um Brienz bei 200 000 Franken, die Berner Kantonalbank Sondereinsätzen von dort aus operieren kann. 100 000 Franken; aus dem allgemeinen Unwet- Das ganze Gebäude besteht aus der grossen ter-Spendefonds wurden 420 000 Franken ein- Fahrzeughalle mit ihren Toren zum Vorplatz und gesetzt. Die Bundesämter für Strassen und die zur Hauptstrasse hin sowie den beiden zweige- Gebäudeversicherung übernahmen je einen schossigen sogenannten «Kopfbauten», wel- Beitrag von 200 000 Franken. che die Halle ost- und westwärts einrahmen. Diese sind zukunftsweisend dimensioniert und Einsatzübung bei simuliertem Verkehrsunfall. Zusammen mit dem Löschzug Oberried zählt umfassen Schulungsräume, Einsatzzentrale, die Feuerwehr Brienz im Spätherbst 2009 rund Atemschutzraum, Schlauchwaschanlage, Werk­ Grüntöne der unmittelbaren Umgebung und hundert ausgebildete Fachleute. Auf den 1. Ja- statt und Treibstofflager. des nahen Ballenbergs auch der Hoffnung Aus- nuar 2011 findet ein Zusammenschluss mit den druck geben, dass die Feuerwehr möglichst Feuerwehren von Hofstetten und Brienzwiler Grün, so heisst es, ist die Farbe der Hoffnung. selten zu Hilfe gerufen werden muss und von statt, dem Beispiel der Gemeinde Schwanden Mag die grüne Farbgebung des Gebäudes ihrem neuen Hauptquartier aus weiterhin rasch folgend, die sich schon in den 90er Jahren des neben der gelungenen Abstimmung auf die und effizient wirken kann.

247 Die neue Sporthalle ersetzte die alte Turnhalle

Nach rund eineinhalbjähriger Bauzeit wurde die Gemeinde Brienz um einen markanten Holzbau reicher. Die über 8 Millionen Franken teure Doppelsporthalle kann durch eine anhebbare Faltwand unterteilt werden und wird südwärts durch einen grossen, als Bühne nutzbaren Mehrzweckraum abgeschlossen. Das Meister- werk der Zimmermannskunst entstand am sel- ben Standort wie die alte, ebenfalls in Holz kon- struierte Turnhalle.

«Anstelle der noch gut in Erinnerung stehenden altehrwürdigen Turnhalle ergänzt die entste- hende Doppelturnhalle mit ihrer schlichten, in der Falllinie des Hanges abgedrehten, flachen Form das stattliche Schulhaus zu einem sich Die neue Sporthalle fügt sich ins Gelände ein; Blick von Norden (Herbst 2009). gegenseitig befruchtenden Ensemble.» So be- ginnt der 2009 verfasste Projektbeschrieb des Berner Architekten Rolf Mühlethaler. Mit dem Aussenveranstaltungen, z.B. ein sommerliches Dass die alte Turnhalle in absehbarer Zeit er- Neubau entstand auf dem von Bäumen ge- Dorffest, sind mit dem neuen Mehrzweckbau setzt werden musste, zeichnete sich nicht säumten Platz, neben dem 1903 erbauten Dorf­ möglich. erst in jüngster Zeit ab. So mussten aus Über- schulhaus, vor einer einzigartigen Gelände­ lastungsgründen Schulklassen aus dem Dorf- kulisse ein öffentlicher Raum, der mehrfach Die vor dem zweiten Weltkrieg erbaute alte schulhaus schon seit längerem in die Turnhalle benutz- und bespielbar ist – ein Geschenk an Turnhalle, in den wesentlichen Teilen ein Holz- Kienholz, im östlichen Dorfteil erbaut, auswei- alle Generationen. Gleichzeitige Innen- und bau, konnte nach ihrer Fertigstellung zuerst chen, und es fehlte ein grösserer Saal für Ver- nicht sportlich genutzt werden, da sie in den anstaltungen. Kriegsjahren als Lebensmittellager diente (s. S. 271). Aus Spargründen hatte man auf eine Das Projekt für die neue Halle wurde sorgfältig Unterkellerung verzichtet. In der Folge faulte aufgegleist und realisiert, indem Expertengre- das Holz des Hallenbodens, so dass saniert mien die Machbarkeitsstudie, den Projektwett- werden musste. Als Resultat der aufwändigen bewerb, den Bau und die Kostenkontrolle des Erweiterungsarbeiten entstand im Unterge- schliesslich rund 8,5 Millionen Franken teuren schoss der legendäre Schwingkeller mit kombi- Baus begleiteten. Damit möglichst viele Bau- nierter (Hoch-)Weitsprunganlage für das Natio- projekte mit einem guten Kosten-Nutzen-Ver- nalturnen und den Schulbetrieb. Den damaligen hältnis ausgearbeitet werden konnten, wurde Bedürfnissen von Schule und Vereinen genügte im Dezember 2007 sogar das Baureglement Alte Turnhalle, Baujahr 1937/1938. die einfache Normhalle über Jahrzehnte. erweitert, so dass seither in Zonen der öffent­

248 Zimmermannskunst: Montage der imposanten Dachträger im Spätsommer 2009.

Charakteristische Holzkonstruktion der neuen Halle (Rohbau, Herbst 2009). lichen Nutzung auch Flachdächer und andere Im oben erwähnten Projektbeschrieb werden Dachformen zugelassen sind. Im Raumpro- die Qualitäten des neuen Bauwerks wie folgt gramm eingeschlossen sind ebenso die Aus­ beschrieben: «Der eindrückliche Ingenieurholz- sensportanlagen und weitere Aussenanlagen bau ist Zeugnis der in den letzten Jahren wie Pausenplatz, Velo- und Autoabstellplätze. äusserst innovativen Entwicklung und An­ Einweihungsfeier vom Sonntag, 24. Oktober 2010. wendung des Baustoffes Holz. Zum massiven Geologische Besonderheiten, die Hanglage so- Schulhausbau eignet sich die Holzbaukonst- wie die Tatsache, dass der Eisenbahntunnel ruktion im Besonderen um die Verbindung zu Im Gegensatz zur alten Halle konnte das mar- direkt unter der Anlage durchführt, galt es für den qualitätvollen Holzhäusern der Region kante Bauwerk mit seiner stattlichen Doppel- die am Wettbewerb Teilnehmenden zu berück- Brienz herstellen zu können, erinnert aber auch turnhalle (Innenabmessung: 23,5 x 44,0 Meter) sichtigen. Das Projekt Mühlethaler wurde von an die alte Turnhalle, welche ebenfalls in Holz bereits unmittelbar nach der rund eineinhalb- der Jury einstimmig zur Realisierung empfohlen konstruiert war. Die in Elementen vorfabrizierte jährigen Bauzeit am 24. Oktober 2010 der be- und von den Brienzer Bürgerinnen und Bürgern Konstruktion erforderte höchstes Wissen und geisterten Bevölkerung zur Nutzung übergeben mit einem Kostenrahmen von 7,5 Millionen viel Erfahrung in der vorbereitenden Planung, werden. Franken am 25. November 2008 gleichzeitig damit die Aufrichte, wie geschehen, in nur we- mit der ersten Vorlage zum neuen Feuerwehr- nigen Tagen erfolgen konnte. Innovative moder- magazin angenommen. Die schliesslichen Kos- ne und traditionelle Zimmermannskunst verei- tenüberschreitungen sind hauptsächlich mit nen sich in Brienz exemplarisch.» der Teuerung begründet worden.

249 250 Kirche und Schule Kirche Brienz Unsere Kirche

Rudolf Perren-Zurflüh

In unserer Kirchgemeinde, zu der die politi- schen Gemeinden Oberried, Brienz, Schwan- den, Hofstetten und Brienzwiler gehören, ste- hen heute vier Kirchen: seit 1939 die Kirche in Brienzwiler, seit 1941 die römisch-katholische Kirche in der Dindlen, seit 1968 die Kirche in Oberried und, seit neun Jahrhunderten, die Dorfkirche auf dem Burgstollen.

Am Thunersee reichen alte Bauteile einiger Kir- chen ins erste Jahrtausend zurück. Die erste («unterirdische») Kirche in Meiringen wird ins Alter und neuer Nordeingang. 11., die Kirche in Goldswil ins 12. Jahrhundert datiert. Seit wann steht wohl auf dem Fels­ buckel des Burgstollen ein Gotteshaus? liehen dem Raum gedämpftes Licht. Man vermutet, dass die Freiherren von Opelingen/ Anlässlich der Innenrenovation von 1939 /40 er­ Brienz diese Kirche um 1140 auf dem Burgstol- möglichten Grabungen Einblicke in die Bauge- len anstelle eines hölzernen Kirchleins hatten schichte unserer Kirche. In einer kleinen Gruft erbauen lassen. Sie schenkten ihr Gotteshaus im Chor und an mehreren Stellen im Schiff fand dem Kloster Engelberg. Dass nicht das nahe man Gebeine, leider ohne nennenswerte Bei- Interlakner Kloster bedacht wurde, hat seinen gaben: Im Historischen Museum in Bern wer- Grund wohl im gespannten Verhältnis der Frei- Ansicht von Nordwesten. den zwei Tonperlen, vielleicht von einem Ro- herren zu dieser Propstei (s. S. 74). senkranz, ein silbernes Amulett und zwei Glasscherben, möglicherweise von einem Reli- Erstmals erwähnt wird unsere Kirche in einer Gläubigen. Sie bezogen von den Kirchgenos- quiengefäss, aufbewahrt. Im Chor stiess man Urkunde von 1212: Kaiser Friedrich II. bestätigt sen bestimmte Abgaben zuhanden der Abtei auf die Grundmauern der halbrunden Apsis der Abtei Engelberg deren Besitz. 1219 erneu- und für ihren persönlichen Unterhalt sowie (Altarnische) einer romanischen Kirche. ern Kuno von Brienz, sein Bruder Rudolf von allerlei Spenden. Engelberg sorgte dagegen für Raron und dessen Sohn auf dem Kirchhof von Unterhalt und Ausbau unseres Gotteshauses. Von ihr sind noch die Nord- und Südmauern Visp und dann auch in der Brienzer Kirche vor Als Schutzheilige der Kirche galten die Mutter- des Schiffs und die des Turms erhalten. Die den Pfarrgenossen die Vergabung. Engelberg gottes und die Apostel Petrus und Paulus. Der Kirche war nur 19 m lang. Treppen führten, wie pflegte Gotteshaus und Pfarrei von da an wäh- Kirchsprengel Brienz gehörte zum Dekanat heute, zu den Toren auf der West- und Nordsei- rend mehr als 300 Jahren bis zur Reformation Münsingen und zum Bistum Konstanz. te. Acht kleine Rundbogenfenster hoch oben in 1528: Mönche des Klosters besorgten als Leut­ den 90 cm dicken und 6,5 m hohen Mauern priester den Gottesdienst und betreuten die

253 Schiff und Chor nach der Innenrenovation von 1939/40. «Portlaube» (Empore) mit Schnitzerei «Jesu Einzug in Jerusalem».

Gotische Chorerweiterung: Wahrscheinlich Orgel entfernt. Die Regierung in Bern übernahm schon vor 1400 wurde die halbrunde Apsis anstelle Engelbergs und des Bischofs von Kon­ abgerissen, der Chor um Turmbreite nach Os- s­tanz die kirchliche Oberaufsicht. ten erweitert und dreiseitig abgeschlossen. So gewann man Raum für den Altar und die got- Blitzschläge, Stürme und ihr Alter setzten unse- Schnitzerei an der Kanzel: «Der gute Hirt», «Heilung des tesdienstlichen Handlungen. Vermutlich damals rer Kirche arg zu. Im 17. Jahrhundert war der Blinden», «Jesus und die Samariterin». wurde das Nord­tor näher an den Turm verlegt. Dachstuhl verfault, die Kirche reparaturbedürf- (Das ur­sprüngliche Rundbogentor ist seit der tig. Sie vermochte zudem nicht mehr alle als 200 Jahre mit Holz gedeckt, weil seinem ge- Aussenrenovation 1976 wieder sichtbar.) Rei- Predigt­besucher zu fassen. Ein grosszügiger schwächten Mauerwerk die Mehrbelastung che Wandmalereien erhielt unsere Kirche im Umbau 1679 / 80 nach Plänen des Kirchen- nicht zugetraut wurde. 15. Jahrhundert sowohl innen wie aussen. bauers Abraham Dünz I. und unter der Leitung Leider haben davon nur stark verblasste Reste des Thuner Baumeisters Häberli verlängerte Ein Blitzschlag richtete Sonntag, 2. Sep­tem­ an den Aussenmauern überdauert: Be­weinung das Kirchenschiff um gut 6 m nach Westen. Die ber 1883, nachmittags schweren Schaden an. und Gnadenstuhl an der Nordwand, Christo- Mauern wurden erhöht und hinten im neuen Der Turm wurde stark beschädigt. Schlimm sah phorus auf der Seeseite. Anbau eine «Portlaube» (Empore) eingebaut. es auch im Innern der Kirche aus: «Der Blitz Die grossen Fenster brachten mehr Licht in den schlug in der nordöstlichen Ecke der Kirchen- Der Chor wurde 1519, kurz vor der Reforma­ Raum. Ein Walmdach überdeckte Chor und diele ein wohl klaftergrosses Loch, fiel dann in tion, nochmals ostwärts erweitert; er erhielt Schiff. Damit erhielt unsere Kirche annähernd schräger Richtung in die Orgel, welche er total damals seine heutigen Masse. Die Jahrzahl ihr heutiges Aussehen. Die Gemeinde lieferte demolierte und drang südöstlich durch die MCCCCCXVIIII und ein Steinmetzzeichen sind 100 Fässchen Kalk, der an Ort gebrannt wurde. Mauer ins Freie, auch diese noch spaltend und an der Südostecke der Aussenmauer einge- Die Gnädigen Herren in Bern steuerten 500 die obersten Tritte der neuen Friedhoftreppe meisselt. Damals rangen die Brienzer leiden- Pfund (= 150 Kronen) an die Baukosten von zertrümmernd.» Zerstört oder stark beschädigt schaftlich um den rechten Glauben, bis Bern total 864 Kronen bei. Vier Berner Patrizier stif­ wa­ren auch alle Fenster mit den wertvollen die Erneuerung 1528 durchsetzte (S. 86). Die teten je eine farbenprächtige Wappenscheibe. Wappenscheiben, die Chorbestuhlung und die «ab­göttischen» Wandbilder wurden überdeckt, Auf dem Kirchendach ersetzten Ziegel die drei Türen. Heinrich Baumgartner, Pfarrer in Bri- Altar, Heiligenstatuen und vermutlich auch eine Schindeln; der Turm dagegen blieb noch mehr enz 1872 –1894, erkannte im gewaltigen Blitz-

254 schlag «eine so recht im vollen, ja im buchstäb- 1902 wurde das Innere der Kirche mit dekorati- Innenrenovation lichen Sinne des Wortes durchschlagende ven Malereien ausgestattet. Frau Pfarrer Baum­ Unter der Leitung und nach Plänen von Archi- Predigt Gottes von seiner Allmacht, aber auch gartner-Kuhn half damals der stark belasteten tekt Hans Huggler, Brienz, erhielten 1939/40 eine nicht minder ergreifende Predigt von seiner Kirchgemeinde mit einem Darlehen. Chor und Schiff ihr heutiges Aussehen: Man bewahrenden Barmherzigkeit und Gnade», entfernte die Orgellaube im Chor und ersetzte denn wenige Stunden vorher sei die Gemeinde Nachdem im Frühjahr 1936 während eines die alte Kanzel an der Südwand durch eine in der Kirche zu Gottesdienst und Abendmahl Got­tesdienstes eine Gipsrosette sich in Teilen neue neben dem Nordeingang. Aus dem Schiff versammelt gewesen. – Im Zusammenhang mit von der Kirchendecke gelöst hatte und im Mit- verschwanden die grossen Eisenöfen und die den umfangreichen Reparaturarbeiten erhielt telgang zersplittert war, beschloss die Kirch­ langen Ofenrohre; die Heizung wurde in die ein Chorfenster ein Glasgemälde, das man gemeinde eine gründliche Innenrenovation. Küsterei verlegt. Unter der erneuerten Empore 1939/40 wieder entfernte. fanden ein Taufistübli und ein Geräteraum Platz.

Flachschnitzereien nach Entwürfen von Bild- hauer Hans Huggler-Wyss an der Front der Empore (Einzug Jesu in Jerusalem) und an der Kanzel (Christus als Sämann, mit den Kindern, als guter Hirt, bei der Heilung des Blinden und mit der Samariterin) fügen sich gut in den schlichten Raum. An der Südwand steht neben einem grossen Holzkreuz der Spruch: «Einen andern Grund kann niemand legen ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.» – Alt ist im erneuerten Raum nur noch der Tauf- stein mit spätgotischem Fuss und dem Becken aus dem 17./18. Jahrhundert.

Die Orgel Nachdem die Reformation die Musik für mehr als hundert Jahre aus dem Gottesdienst ver- bannt hatte, wirkten gegen Ende des 17. Jahr- hunderts wieder Posaunisten auf dem Burg­ stollen mit. 1781 wird Lehrer Caspar Flück als Organist erwähnt. (Weil er der Erste seines Amtes war, blieb seinen Nachkommen bis heu- te der Zuname «Orgeller».) Nicht lange vorher muss in der Kirche eine Orgel installiert worden sein. Zu dieser ersten Orgel schreibt Dr. h.c. Hans Gugger:

Die alte Orgel vor dem Blitzschlag 1883. Zeichnung von Dr. Hans Gugger nach einer Foto der zerstörten Orgel.

255 Die Form der Gesimsprofile und vor allem der freigelegt und unter Verwendung der grössten- Wechsel von Spitz- und Rundturm entsprachen teils noch vorhandenen originalen Säulen, Sat- jedoch mehr der Orgel der Gebrüder Walpen telsteine und Tuffsteinbogen restauriert. Heute von 1809 in Frutigen.» zeigt der Turm wieder seine schöne spätroma- nische Gliederung durch die 2-, 3- und 4-fach Nach dem schon erwähnten Blitzschlag von gekuppelten Rundbogenfenster mit ihren 1883 schuf die Firma Goll, Luzern, die Orgel, an schlanken Säulen. die wir Älteren uns noch erinnern. Sie stand im Chor erhöht auf einem Läublein. 1940 wurde Drei Glocken bilden das Geläute mit der ei­ sie nach Kriens verkauft, und die Firma Tscha­ genartigen Stimmung f’, g’ und es’’. Das älteste nun, Genf, baute das Instrument, das bis vor Glöcklein trägt die Jahrzahl 1473. Es soll einst in kurzem im Chor stand. einer Kapelle in der Vorsass Martis, am Wege zur Planalp, geläutet haben. (Auf eine Martins- Nun erhält unsere Kirche wiederum eine neue kapelle lässt der Name «Martis» schliessen.) Die Orgel. Sie diente seit 1973 in und soll gröss­te Glocke goss Meister Franz Sermund in dort durch ein zum alten Erscheinungsbild der Bern aus dem Erz zweier Glocken, die um 1552 Orgel passendes Instrument ersetzt werden. Auf ein Blitz beschädigt hatte. Sie wurde 1572 auf- einen Antrag aus der Mitte der Versammlung gezogen. Erst seit 1823 ruft unser Geläute drei- Die neue Orgel, Geschenk der Gemeinde Bolligen. beschloss die Bolliger Kirchgemeinde gross- stimmig zum Gottesdienst. herzig, die Orgel der Kirchgemeinde Brienz zu «Die Brienzer waren mit von den Ersten, die im schenken. Das Werk der Orgelbau Genf AG mit Bei der Aussenrenovation 1976 wurde das Oberland ein so kostbares Instrument an- 26 Registern wurde von Orgelbauer Thomas Christophorus-Bild an der südlichen Aussen- schafften. ... Der Versuch, eine Rekonstruktion Wälti in seiner Werkstätte in Gümligen revidiert wand freigelegt und restauriert. Fachleute des Gehäuses nach dem Fotodokument von und hier neu aufgebaut. si­cherten auch die Malereien an der Nordwand. der am 2. September 1883 durch Blitzschlag – Eine Sonnenuhr, deren Gestänge man im zerstörten Orgel zu zeichnen, zeigt auf, dass die Der Turm ist in seinen unteren Teilen mög­ Turm gefunden hatte, wurde nach Berechnun- Erbauer dieses Instruments aus dem Tal der licherweise älter als die romanische Kirche. Er gen von Dr. sc. nat. W. Brunner, Kloten, an Rhone stammten. Es waren dort die Carlen in ist bis zur Spitze des Pyramidendaches der Südwand montiert und von Heinz Schild, Gluringen und die Walpen in Reckingen, die ca. 30,5 m hoch und misst am Grund 5 auf Brienzwiler, in Sgraffito-Technik beschriftet und über Generationen hinweg dieses anspruchs- 5,2 m. Seine Mauern sind unten 1,17 bis 1,5 m verziert. Sie zeigt – so die Sonne will – mit ara- volle Handwerk ausübten. dick, nach oben verjüngen sie sich. Blitzschlä- bischen Ziffern die mitteleuropäische Zonen- ge beschädigten im Verlauf der Jahrhunderte zeit, unsere Uhrzeit, und mit römischen Ziffern Der fehlenden schriftlichen Quellen wegen ist Dach und Gemäuer immer wieder und verur- unsere Orts-Sonnenzeit. – Ein Hochfenster es nicht möglich, die Orgel in Brienz einer die- sachten Reparaturen. Die schönen Turmfenster über dem Südeingang und das alte Nordportal, ser Orgelbauerfamilien zweifelsfrei zuzuweisen. wurden zur Verstärkung teilweise zugemauert. beide einst zugemauert und bisher vom Ver- In der Art, wie das Werk mit dem kleinen Mittel- putz verdeckt, wurden im Umriss sichtbar be- turm aufgestellt war, entsprach es den Instru- 1953 leitete Architekt Christian Frutiger, Küs- lassen. menten, die Felix Alois Carlen 1789 für Gsteig nacht ZH, um­fangreiche Sicherungs- und Re- und Joseph Anton Carlen mit seinem Sohne novationsarbeiten. Dabei kamen die ursprüng­ Anton 1838 für Ringgenberg gebaut haben. lichen Fenster zum Vorschein. Sie wurden

256 Seit bald 900 Jahren blickt unser Gotteshaus vom Burgstollen über das Dorf und seine Kirch- gemeinde. Viele Generationen haben in ihm auf ihre Weise Gottesdienst und Abendmahl, Taufe, Hochzeit und kirchliche Feste gefeiert, von Ver- storbenen Abschied genommen, in Notzeiten Trost und Zuflucht gesucht. Jedes Zeitalter hat seine Spuren hinterlassen. Aussehen und Aus- stattung wurden verändert, aber Wesentliches hat alle Zeiten überdauert. So wie die Kirche unsere Vorfahren aus dem oft mühseligen All- tag zur Andacht rief, bietet sie auch uns Raum und Gelegenheit zur Besinnung.

Kirche mit «Änderdorf» (westlicher Dorfteil), Ansicht von Nordosten.

257 Von der Schule, von Schulhäusern und Schulmeistern

Max Gygax

Johann Rudolf Nöthiger, der von 1770–1783 als Oberländern allerdings den Mangel an Arbeits- Darin wurde u.a. verlangt, es solle, wo es sich Pfarrer in Ringgenberg wirkte, verfasste als liebe, da dieser grösstenteils durch die Zufrie- machen lasse, das ganze Jahr unterrichtet wer- aufmerksamer und kritischer Beobachter von denheit erzeugt werde, die sie trotz geringer den, und die Eltern sollten ihre Kinder zur Schu- Land und Leuten eine Beschreibung der Brien- Kost glücklicher sein lasse als Tausende, die in le schicken, sobald sie «etwas erfassen könn- zerseegegend. Darin schildert er auch das täg- grossem Wohlstand leben. Sie belächeln dieje- ten.» liche Leben der Bevölkerung. nigen, die einer besseren Kost oder Kleidung wegen ihr Leben nur mit Arbeiten verbringen. Zur Wahl des Schulmeisters hatten die Dörfler Seine nicht immer schmeichelhaften Aussagen Und dann stellt König noch fest, die Lernbegier- nichts zu sagen; diese erfolgte durch die Amts- beruhen zum Teil wohl auf eigenen unangeneh- de sei bei diesem Volk überhaupt kein Cha­ leute und den Pfarrer. Als Lehrer wünschte sich men Erfahrungen, so wenn der Pfarrherr den rakterzug, im Gegenteil werde alles auf Be- die Obrigkeit geeignete, gottesfürchtige Per­ Oberländern allerlei üble Charaktereigenschaf- quemlichkeit berechnet, und was man nicht tun sonen, welche die Kinder beten, gedruckte ten anhängt, wie Ei­gen­nutz, Rachgier, Misstrau­ müsse, werde sicher nicht getan. Schrift lesen und womöglich schreiben lehren en, grosse Einbildung und andere wenig ein- könnten. Vorgeschrieben und Hauptfach war nehmende Züge. Dass solche Zuweisungen auf Anfänge das Auswendiglernen des Katechismus. Aus eine mehr oder minder grosse Zahl von See­ Bezogen auf die Schule, von der hier die Rede der Schulpflicht wurde nämlich nur ent­lassen, anwohnern zugetroffen haben, berechtigt aller- sein soll, eröffnen die Ausführungen der beiden wer die Fundamente der Religion erlernt hatte, dings Nöthiger kaum zu so pauschalen Verall- Zeitgenossen um die Wende vom 18. ins 19. es sei denn, dass ihm dies aus geis­tigem gemeinerungen. Er relativiert denn auch seine Jahrhundert eigentlich nicht gerade verheis­ Unvermögen nicht möglich gewesen wäre. Ausführungen und hält an anderer Stelle fest, sungsvolle Aussichten! Ganz hoffnungslos die Sitten seien noch unverderbt, die Leute ein- stand es aber um den Bildungswillen der so arg Dienerin des Regimes fältig und natürlich, manierlich und dienstbar, kritisierten Oberländer wohl nicht überall, wie Die obligatorische Teilnahme am Unterricht wenn der Eigennutz nicht leide. Er billigt ihnen das Beispiel von Brienz zeigt. Zu einer Zeit, als scheint mehr oder weniger streng auch über- auch zu, haushälterisch zu sein, nicht im höchs- die Schule noch durchaus nicht als nötig und prüft worden zu sein; das geht jedenfalls aus ten Grade arbeitsam, aber auch nicht lasterhaft nützlich angesehen wurde, sondern eher als einem damaligen Chorgerichtsbeschluss her- und ausschweifend. Eine solche Kennzeich- lästiger Zwang, der den Eltern die Kinder ent- vor, worin saumselige Väter ermahnt werden, nung erinnert lebhaft an die üblichen Horos­ zog, die für allerlei Arbeiten im Haus und draus­ ihre Kinder fleissiger zur Schule zu schicken. kope, die so unverbindlich gehalten sind, dass sen eingespannt werden konnten, gab es in Angeführt sei noch ein weiterer Eintrag vom sie jedem erlauben, daraus zu entnehmen, was Brienz immerhin schon eine Schule, die sogar Januar 1675: «Jaggi Dönis Jaggi weilen er dem gerade beliebt – etwas trifft auf jeden Fall zu! etwas kosten durfte. Nachgewiesenermassen Elsi Balmer umb ein feürzüg seinem vatter erwarb nämlich die Gemeinde 1674 an der hinderrucks und unwüssend Hew verkauft uss Die Bemerkung, das Volk, wozu bei Nöthiger Alpgasse eine Stube samt Nebenraum, um einer Dilj – daran sein vatter und Josi Kerli theil immer auch die Brienzer gehören, sei nicht dort eine Schulklasse unterzubringen. Es ist haben, und beid Hew verloren haben. Nun gerade arbeitsam, wird nur wenig später auch anzunehmen, dass dieser Kauf im Zusammen- weilen nit leugnen können, ouch Elsi Balmer von Franz Niklaus König, dem in Interlaken hang steht mit einer von der bernischen Obrig- gestendig gewesen, ist erkennt worden, es sol- wohnhaften Maler, bestätigt. Er verzeiht den keit um diese Zeit erlassenen Schulordnung. le der vatter In bysein 2 oder 3 chorrichteren

258 Eine Schule nach der alten Mode (Albert Anker).

den Knaben mit der ruoten howen, dass er sich kündigung des neuen, allein geduldeten Glau- tischen Oberschicht entstammten und aus inskünftig dafür sich hüten lehrne.» bens auch den Herrschaftsansprüchen des biblischen und manchmal auch sehr eigen­ aristokratischen Regimes zu dienen hatte. nützigen Gründen überzeugt waren, dass die Die chorgerichtliche Strafkompetenz, die sich Obrigkeit von Gott eingesetzt und jeder Unter- auch auf die Schule erstreckte, zeigt deutlich, Das geht deutlich hervor u.a. aus der Predikan- tan deshalb verpflichtet sei, ihr und ihren Vertre- dass diese eng mit der Kirche verbunden war tenordnung von 1748, wo den Predigern vorge- tern Ehrerbietung zu erweisen und ohne Mur- und deren Aufsicht unterstand. Das erklärt sich schrieben wird, das Volk zu Gehorsam und ren alle ihre Gebote und Verbote zu befolgen. aus der historischen Entwicklung: Die berni- Untertänigkeit gegenüber der Obrigkeit zu sche reformierte Kirche war eine vom Staat er­mahnen. Den meisten Geistlichen fiel dies Die vom Staat festgelegte kirchliche Lehre war verordnete und gegen mancherlei Widerstände übrigens nicht schwer; was dem aristokratisch verbindlich und duldete keine Abweichungen. rigoros durchgesetzte Einrichtung. Abhängig re­gierten Staat und seinen Repräsentanten Um sie durchzusetzen, mussten die Leute zum von diesem Staat wirkte sie als politisch-religiö- diente, nützte mittelbar auch ihnen, da sie Kirchenbesuch gezwungen werden, was mit se Bildungsanstalt, die neben und mit der Ver- selbst zum grössten Teil der privilegierten städ- obrigkeitlichen Mandaten immer wieder verord-

259 net wurde. So gebietet schon das Reforma­ Verhältnisse nicht viel mehr als ein zweckdienli- sen diktierten neuen Verfassung anzubahnen. tionsmandat von 1628: «...dass menniglich, was ches Instrument der regierenden Aristokratie Während der kurzen Zeitspanne der Hel­vetik Stands jeder sye, nach dem befelch Gottes die zur Fes­tigung und Er­haltung ihrer Macht. versuchte die helvetische Regierung trotz wi­d­ predigen Göttlichen worts und die gebätt mit rigs­ter Umstände wie Krieg, Plünderungen, Be­ flyss besuchen ... sölle ... die fahrlässigen zur Nach diesem für das Verständnis des früheren schlagnahmungen und enttäuschten Erwartun- besserung ermahnen, wo aber die gewarneten bernischen Schulwesens nicht ganz unwichti- gen der Bevölkerung, die vom Sturz der alten Hussvätter und Hussmütteren zwo oder drey gen Abstecher nun zurück nach Brienz! Ordnung eine sofortige Verbesserung der ma- Predigen ohne ... entschuldigung versumen teriellen und politischen Verhältnisse erhofft wurdend, (sollen sie) mit etlicher tagen Gefan- In der Stube an der Alpgasse, die wie schon hatte, den Ideen der Französischen Revolution genschaft zu wasser, muss und brot bis uff erwähnt, 1674 gekauft worden war und neben- zum Durchbruch zu verhelfen. besserung gestraft (werden).» bei dem Verkäufer Daniel Stähli in der schulfrei- en Zeit auch weiterhin zur Verfügung stand, Vor allem bemühte sich Philipp Albrecht Stapfer Auch wenn die vielen Mandate sich in erster wur­de wäh­rend fünfzig Jahren nur eine Klasse (1766–1846), Minister für Wissenschaften und Linie gegen Lasterhaftigkeit und Sittenverderb- unterrichtet, die alle Dorfschüler einschloss. Da Künste, ein sehr fähiger und von bestem Willen nis rich­teten, bezweckten sie mittelbar ebenso sie zeitweise weit über hundert Schüler auf- beseelter Mann, um die Hebung der bisher den Erhalt der bestehenden gesellschaftlich- wies, er­gab sich 1723 die Notwendigkeit, sie zu völlig vernachlässigten Volksschule. Seine Ziele politischen Strukturen, anders gesagt der Herr- teilen. Als Lehrkräfte an den zwei Klassen am- fass­te er in die heute noch gültigen Worte schaft der Gnädigen Herren, als der von Gott teten damals­ Hans Stähli und sein Sohn Hans zusammen: «Kein Staat ist ... lauter aufgefor- eingesetzten Obrigkeit. Stähli der Jüngere. Von weiteren Schulmeistern dert, die Ausbreitung nützlicher Kenntnisse bis zum Ende des Jahrhunderts kennt man unter allen seinen Bürgern ... zum Hauptzweck Diesem Ziel hatte auch die Volksschule zu die- aus­ser den Namen nur wenig. Sie sind ver- der Be­mühungen ... zu machen, als derjenige, nen, da die Belehrung der Untertanen zu wenig zeichnet in der Festschrift zur Einweihung des dessen Verfassung allen Bürgern gleiche Rech- Wirkung versprach, wenn sie erst bei der er­ neuen Schulhauses am Hobacher (1904). te zusichert und den Zugang zu allen Stellen wachsenen Bevölkerung einsetzte. Der Schul- ohne Ausnahme öffnet. In Ländern, wo nur unterricht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Viel Verständnis wurde der Schule übrigens in wenige Familien sich das Recht anmassen, und mit dem Scheitern der Helvetik noch darü- Brienz bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts Vormünder und Führer der übrigen zu sein, ist ber hinaus, bildete, um die damaligen Verhält- nicht entgegengebracht. Eine vom damaligen es begreiflich, oder selbst Vorsichtsmassregel, nisse zusammenfassend und etwas vereinfa- Pfarrer um 1790 entworfene fortschrittliche dass der Volksunterricht als Nebensache be- chend zu kennzeichnen, einen wichtigen Teil Schul­ordnung, welche die Kinder vernünftiger- handelt, oder gar vernachlässigt wird... » der obrigkeitlich verfügten Volksbeeinflussung, weise nach ihrem Alter und ihren Fähigkeiten in der die Predigt, aber auch die durch Schul- Klassen einteilen wollte, musste jedenfalls wie- Um einen Überblick über den genauen Zustand meister und Pfarrer für Kinder, Knechte und der aufgegeben werden, da trotz guter Erfolge des Schulwesens in den Kantonen zu gewin- Mägde gehaltenen Kinderlehren und die ge­ viele Eltern die Neuerung zum Anlass nahmen, nen, ordnete Stapfer 1799 eine Umfrage an, um legentlichen Exa­men der Väter und Hausmütter ihre Sprösslinge gar nicht mehr zur Schule zu dann gestützt auf die Ergebnisse die nötigen zu dienen hatten. schicken. Massnahmen zur Verbesserung der Volksbil- dung treffen zu können. Ihm schwebte ein Beginnend mit der von der bernischen Obrig- Helvetik und Schule allgemeiner Unterricht vor, der dem Bürger keit gegen den Willen weiter Bevölkerungskrei- Eine grundlegende Verbesserung des Unter- nicht nur die nötigen Kenntnisse zur Ausübung se durchgesetzten Reformation, war die Schule richtswesens schien sich nach dem Untergang seiner politischen Rechte und Pflichten vermit- bis zur endgültigen Einführung demokratischer des Alten Bern (1798) mit der von den Franzo- telt, sondern ihn auch befähigt hätte, einen

260 Beruf zu erlernen und sich so ein gesichertes Es folgten noch Fragen über die persönlichen In Brienz, das etwas über 1000 Einwohner zähl- Auskommen zu verschaffen. Verhältnisse der Schulmeister und Schüler, te, gab es im Jahr 1799 217 Schüler, die sich über die Schulfonds und Schulgelder, das auf die einzelnen Dorfteile wie folgt verteilten: Die weitsichtigen Pläne Stapfers zur Hebung Schulhaus und das Einkommen der Schulmeis- der Volksbildung fielen leider schon nach kurzer ter. im Dorf Brienz 171 Kinder Zeit den veränderten politischen Verhältnissen im Dörfli Tracht mit 8 Häusern 20 Kinder zum Opfer, indem die helvetische Verfassung Soviel bekannt, wurde bei uns die Umfrage vom Fluhberg mit 3 Häusern 6 Kinder der Mediationsverfassung Platz machen muss- Pfarrer beantwortet, da wie andernorts den Kreuzweg im te, die 1815 ihrerseits abgelöst wurde durch die Schulmeis­tern die dazu nötigen Kenntnisse Kienholz mit 4 Häusern 3 Kinder Periode der Restauration, welche eine Wieder- fehlten. Die Angaben sind nicht nur bemerkens- Kienholz mit 4 Häusern 4 Kinder herstellung der politischen Herrschaftsverhält- wert in Hinsicht auf das Schulwesen; sie geben Kienholz weiter nisse brachte, wie sie vor 1798 bestanden auch Auskunft über die damalige Gliederung hinaus mit 4 Häusern 3 Kinder hatten. Für die Erneuerung des Schulwesens des Dorfes. Die wichtigsten Ergebnisse seien Lauimatte mit 2 Häusern 4 Kinder wirkte sich das natürlich sehr ungünstig aus. hier zu­sammengefasst. beim Ballenberg mit 3 Häusern 4 Kinder Ein Durchbruch der von Stapfer vorgeschlage- hinterm Ballenberg mit 1 Haus 2 Kinder nen Mass­nahmen für ein besseres Bildungswe- sen und vor allem für eine bessere Volksschule erfolgte erst 1831 mit der Regeneration, welche zu einem freiheitlichen Staat mit gleichberech- tigten Bürgern führte.

Eine ernüchternde Umfrage Die Stapfersche Umfrage war trotzdem nicht nutzlos; sie lieferte einigermassen zuverlässige Angaben über das Schulwesen, auch für den Kanton Oberland und den Distrikt und das Dorf Brienz. Die von den Schulmeistern womöglich selbst zu beantwortenden Fragen bezogen sich auf die lokalen Verhältnisse, wie die zum Schul- bezirk gehörenden Dörfer, Weiler, Höfe, die Schul­wege u.a.m. Wichtige Angaben erwartete Stapfer über den Unterricht.

Einige Fragen seien hier aufgeführt: – Was wird in der Schule gelehrt? – Wird nur im Winter Schule gehalten? Wie lange? – Welche Schulbücher sind eingeführt? – Wie lange dauert täglich die Schule? Aus dem Namenbüchlein, mit dem die Schüler lesen lernten.

261 Alle Schüler wurden im Alpgassschulhaus un- Der Kollege gab sich ab mit denen, die das und sogar Geistesschwäche der Kinder dienten terrichtet, was etlichen einen Schulweg von knapp Namenbüchlein hinter sich hatten und schon als Vorwand, die als unnötig erachtete Schule einer Stunde bescherte. Um das Schulhaus le­sen konnten. Als «Fragenbüchler» befassten zu schwänzen. scheint es ziemlich übel bestellt gewesen zu sie sich vornehmlich mit dem Heidelberger sein, wird doch beklagt, für die kleinen Kinder Katechismus, der die Grundlage der Unterwei- Die geringe Besoldung der Schulmeister, wel- sei der Zugang bös und die niedrigen Stuben sung in Schule und Kirche bildete. Die Fragen che diese mit allerhand Nebenbeschäftigungen wären noch feucht seit der letzten Über- und Antworten mussten auswendig gelernt aufzubessern versuchten, entsprach oft kaum schwemmung. werden und wurden tagtäglich immer wieder den Einkünften eines Feldmausers. Sie wurde abgehört. ausgerichtet aus dem Gemeindesäckel und Unterrichtet wurden die Kinder von den beiden den Erträgen des Schulguts und betrug für die Schulmeistern Kaspar Flück und Ulrich Eggler, In seinem Entwicklungsroman «Der grüne Hein- beiden Brienzer Schulmeister je Fr. 92,50 im wobei sich der eine den «Namenbüchlern» wid- rich» fällt Gottfried Keller ein nicht gerade Jahr, was einem sehr guten Lohn entsprach, mete, das heisst den Anfängern, welchen erst schmeichelhaftes, dafür umso zutreffenderes der weit über dem lag, was die anderen Lehrer das Buchstabieren beigebracht wurde. Als Urteil über diesen Unterricht: «Die andere pein- im Distrikt Brienz, zu dem Brienzwiler, Schwan- Lehrmittel diente: «Das Namenbüchlein Sambt liche Erinnerung ... sind mir der Katechismus den, Hofstetten, Ebligen, Oberried, Niederried, dem Vatter Unser / Glauben / Zehen Gebotten und die Stunden, während derer wir uns damit Goldswil und Ringgenberg gehörten, erhielten. / auch anderen schönen Gebätten / mit unter- beschäftigen mussten. Ein kleines Buch voll Vergleichshalber sei angegeben, was Pfarrer schiedlichen Sylben / der Jugend vast nutzlich hölzerner, blutloser Fragen und Antworten ... Kuhn von seiner Gemeinde Sigriswil berichtet. und fürderlich zu lehrnen.» muss­te während der so unendlich scheinenden Dort erhielt der Ziegenhirt einen Lohn von Jug­ endjahre in ewigem Wiederkäuen auswen- Fr. 62.– und wurde erst noch verpflegt; der Dieses Namenbüchlein war 1727 in der «Hoch- dig gelernt und in verständnislosem Dialoge Schulmeister bekam für die Sommer- und Win- Oberkeitlichen Truckerei» in Bern erschienen hergesagt werden.» terschule zusammen Fr. 25.–! Nicht grundlos und beinhaltete neben den angeführten Stoffen klagt der Schulmeister von Leissigen mit einer das kleine und grosse Alphabet sowie die Vo- Ungeachtet der vorher erwähnten hohen Schü­ Besoldung von Fr. 40.–: «Wan ein Schulmeister kale im Anlaut mit allen Konsonanten und um- lerzahl in Brienz war die durchschnittliche An- nicht sonst zu Leben hette, so könnt er für ein gekehrt. Es folgten ein- und mehrsilbige Wörter wesenheit gering; sie betrug im Sommer nur solch Lohn den beruf nicht versehen.» mit jedem Buchstaben des Alphabets. Im Un- etwa 25 bis 30, im Winter 20 bis 70 Schüler. Wie terricht tönte das dann so: andernorts ging auch hier die Mithilfe daheim Allgemein stand es um die bernische Land- und in Wald und Feld vor. Die Sommerschule schule schlecht, wie die Stapfersche Umfrage ab eb ib ob ub ... ac ec ic oc uc ... nahm nur einen halben Tag pro Woche in An­ deutlich beweist. Zusammenfassende Urteile ad ed id od ud ... spruch, jeweils am Samstag nach vier Uhr! fehlen leider für den Distrikt Brienz; es darf aber Besser sah es im Winter aus, wo die Schüler in angenommen werden, dass hier ähnliche Ver- oder ba be bi bo bu ... ca ce ci co cu ... drei aufeinanderfolgenden Schichten von 8–9, hältnisse herrschten – mit löblichen Ausnah- da de di do du 11–1 und 2–3 Uhr unterrichtet wurden. men – wie im benachbarten Distrikt Interlaken, von dem Pfarrer Lutz in Gsteig berichtete: auch arm ach alt arg aff ... knab koch kalb Schulzwang bestand kaum, und bei chorge- «Schon die Antworten (auf die Umfrage), die krut käs kräbs ... richtlichen Mahnungen wegen unfleissigem elenden Handschriften etc. der Schullehrer Schul­besuch waren saumselige Väter um eine können einigen, aber gewiss noch lange keinen Ausrede nie verlegen; schlechte Wege, Armut, hinreichenden Begriff über ... die ganz unter Kleidermangel, Klagen über den Schulmeister aller Kritik sich befindliche Lehrart und Ver­

262 fassung unserer Schulen gewähren. Kein einzi- seine Organis­tentätigkeit in der Dorfkirche dürf- Das Schulhaus mit der «Narrenkappe» ger Schulmeister kann für sich selbst gehörig te seine Rolle als Giessbachpionier gewesen Die Geschichte dieses Neubaus gedieh zu ei- lesen und schreiben und keiner ... hat das min- sein; ihm gehört zweifellos das Verdienst, das ner Tragikomödie und wirft kein gutes Licht auf deste Gefühl von der Grösse ihrer Unwissen- Naturwunder der stiebenden Wasserfälle zu- die für die Ausführung Verantwortlichen, die heit.» gänglich gemacht und damit dem Fremdenver- sich von allem, nur nicht von gesundem Men- kehr erschlossen zu haben, unterstützt dabei schenverstand leiten liessen. Errichtet wurde Der Sachlichkeit halber sei festgestellt, dass vom damaligen Ortsgeistlichen, Pfarrer Daniel ein zweistöckiges Gebäude aus Holz, das aber dieses verallgemeinernde Urteil sich vor allem Wyss. wegen seiner Einteilung und Einrichtung als völ- auf die intellektuellen Fähigkeiten der Schul- lig verfehlt und untauglich befunden wurde, so meister und ihre fehlende Ausbildung bezog. Dieser, ein grosser Schulfreund und von der dass die Obrigkeit in Bern, nachdem ihr das Das schloss nicht aus, dass viele mit grossem Notwendigkeit eines guten Unterrichts über- Ergebnis eines Augenscheins und verschiede- Einsatz und viel gutem Willen unter schwierigs- zeugt, suchte die Dorfschule auf jede Weise zu ne Berichte bekannt geworden waren, den ten Umständen ihre undankbare Aufgabe erfüll- fördern und war auch die treibende Kraft, als es Brienzern kurzerhand befahl, den Bau aufzuge- ten, so gut es ihnen möglich war. Sie hellen das darum ging, die 1674 gekauften, nun baufälli- ben, abzureissen und ein Schulhaus zu bauen, sonst eher trübe Bild der Schullandschaft zu gen Stuben an der Alpgasse durch ein richtiges das seinen Zweck auch erfüllen könne! dieser Zeit doch etwas auf. Schulhaus zu ersetzen.

Schulmeister Kehrli Zu den Schulmeistern der besseren Sorte ge­ hörte sicher auch Johann Kehrli (1774–1854); das darf aus seiner langen Tätigkeit geschlos- sen werden. Er wirkte, ohne je eine besondere Ausbildung genossen zu haben, von 1804 an 30 Jahre als Lehrer in seinem Heimatdorf und er­freute sich allgemeiner Wertschätzung. Über seine eigentliche Lehrtätigkeit ist wenig be- kannt, ausser der Tatsache, dass er ein ausge- zeichneter Musikant und Sänger war, der nicht nur mit seinen Kindern Bäbi, Hans, Gritli, Köbi und Heinz den Giessbachbesuchern zur Unter- haltung Volks­lieder vortrug und das Alphorn blies, sondern auch in der Schule den Gesang pflegte und mit seinen Schülern schöne Erfolge erzielte.

So bereicherte er 1808 das Alphirtenfest in Unspunnen mit beifällig aufgenommenen Lie- dern seines Mädchenchors, wofür ihm sogar eine Anerkennungsprämie zugesprochen wur- de. Wichtiger als sein Schulmeisteramt und Nach F.N. König: Schulmeister Kehrli singt mit seinen Kindern.

263 Rechte und Pflichten. Der Weg zu einer besse- ren Schulung des Volkes war gegeben, und das bedeutete vor allem, eine bessere Lehrerschaft heranzubilden, denn ohne eine gute Volksschu- le ist ein demokratischer Staat nicht denkbar.

In Wimmis und in Hofwil boten Pfarrer Lang­ hans und Philipp Emanuel von Fellenberg Wei- terbildungskurse für amtierende Schulmeister an, in denen ein neuer Geist und neue Auffas- sungen über die Aufgabe der Schule in Bezug auf Unterricht und Erziehung vermittelt wurden. 1832 beschloss der Grosse Rat dann die Er- richtung einer Normalschule für den deutschen Kantonsteil, wo Jünglinge zu Lehrern ausgebil- det werden konnten. Damit hielt ein frischer, auch von Pestalozzis Ideen beeinflusster Geist Einzug in bernischen Schulstuben.

Ein erster Vertreter der neuen Schulmeisterge- neration in Brienz war Jakob Kehrli, der 1834 an Das alte Schulhaus an der Alpgasse mit der «Narrenkappe». die Stelle seines Vaters Johann gewählt worden war. Er hatte sich in Kursen und bei einem län- geren Aufenthalt in Hofwil mit den neuen Unter- Dagegen gab es keinen Widerspruch; wohl die Oberen würden sich grossmütig erweisen. richts- und Erziehungsmethoden vertraut ge­ oder übel kam die Gemeinde der unmissver- Die Gnädigen Herren zeigten sich tatsächlich macht und versuchte nun, sie in die Praxis ständlichen Warnung nach, be­gann im Frühling versöhnlich und bewilligten schliesslich 100 um­zusetzen. Noch länger als sein Vater, näm- 1819 nochmals von vorn und brachte das Neutaler. lich während 38 Jahren, wirkte er als geschätz- Schulhaus bis zum Winterbeginn unter Dach, ter Lehrer in seinem Dorf, dem er auch als Ge- diesmal zur Zufriedenheit der staatlichen Auf- Aufbruch meindepräsident diente. sichtsorgane. Dem zweistöckigen Bau aus Im Verlauf der Dreissigerjahre traten Johann Mauerwerk wurde ein Teil der abgerissenen Kehrli und sein Kollege David Michel von ihrem Zunehmende Schülerzahlen und die Einsicht, Fehlkonstruktion aufgesetzt als drittes Stock- Schulmeisteramt, das sie ohne Ausbildung nur dass in Klassen mit fast hundert Schülern kein werk, das von witzigen Dörflern prompt als dank ihrer Intelligenz und einer natürlichen fortschrittlicher und erspriesslicher Unterricht «Narrenkappe» verspottet wurde. Da die Ge­ Lehrbegabung zur Zufriedenheit der Gemeinde möglich sei, führten 1838 zu einer Aufteilung meinde, wohl aus Trotz, kein Beitragsgesuch ausgeführt hatten, zurück. Ihre Demission fiel in der Schüler in drei Klassen, nachdem seit über für den Bau an die Wohlgeborenen, Hochge- eine bewegte Zeit, die durch den Aufbruch zur hundert Jahren nur eine zweiteilige Schule be- achteten, Hochgeehrten, Hochwürdigen Her- De­mokratie gekennzeichnet war. Die Standes- standen hatte. Eine weitere Erleichterung und ren in Bern machen wollte, übernahm Pfarrer vorrechte waren endgültig gefallen, das Volk Verbesserung ergab sich bereits zwei Jahre Wyss die Rolle des Bittstellers, in der Hoffnung, souverän, jeder Bürger verfügte über gleiche später mit dem Bau eines eigenen kleinen

264 Schulhauses im Kienholz. Damit wurde nicht von Ulrich Kienholz ein Haus auf dem Tracht- Die geringe Entlöhnung der Schulmeister nur der Wunsch vieler Eltern in diesem Dorfteil bach (östlich vom heutigen Hotel «Adler»), um brachte es mit sich, dass diese oft gezwungen nach kürzeren Schulwegen berücksichtigt; es darin ein Schulzimmer für die Oberklasse zu waren, einem Nebenverdienst nachzugehen, ergab sich durch die neue Klasse eine spürbare errichten. Der Raummangel war damit aber nur was sich gelegentlich sehr unvorteilhaft auf den Verkleinerung der Schülerzahlen in den drei kurzfristig behoben; er machte bald einen An- Unterricht auswirkte. Eine Brienzerin, die zu Schulstuben an der Alpgasse. bau am Trachtschulhaus nötig, in dem im dieser Zeit die Schule besuchte, erinnert sich Herbst 1863 gleich vier Schulzimmer bezogen an die Sechzigerjahre des vorletzten Jahrhun- Rascher Ausbau der Dorfschule werden konnten. Gleichzeitig wurde das Zeich- derts im «Brienzer» vom 29.3.1924: Die erfreuliche Entwicklung der Dorfschule nen in allen Klassen eingeführt, was wohl im setzte sich fort, was sich auch im finanziellen Zusammenhang mit der florierenden Schnitzle- «Damals hatte man noch keine Lehrerinnen für Aufwand für Besoldungen und Schulzwecke rei stand. Zur Beleuchtung der damaligen Be- die ABC-Schützen, und die Lehrer waren so spiegelte. Betrugen die Ausgaben im Jahr 1845 soldungsverhältnisse sei die Entschädigung schlecht besoldet, dass sie ohne Nebenver- knapp Fr. 580.–, so stiegen sie bis 1850/51 auf angeführt, die dem Oberklassenlehrer Mürset dienst nicht auskommen konnten. Im ersten Fr. 2045.– an. Da mit besseren wirtschaftlichen ausgerichtet wurde: Sie betrug 500.– Fr. in bar, Schuljahr wurden wir durch einen Lehrer unter- Verhältnissen auch die Bevölkerung zunahm, 200 Klafter Pflanzland, dazu 100.– Fr. in bar, richtet, der neben der Schule den Buchbinder- sah sich die Gemeinde genötigt, für weiteren ausgerichtet von einem privaten Schulfreund beruf betrieb ... Nachdem die Schüler, welche Schulraum zu sorgen. Daher kaufte sie 1855 während 6 Jahren. dicht gedrängt in der Schulstube in der Alpgas- se sassen, ihre Aufgaben erhalten hatten, mit der dringenden Mahnung, nicht zu schwatzen und fleissig zu arbeiten, setzte sich der gestren- ge Herr Lehrer hinter das Pult und lag seinen Buchbinderarbeiten ob. Fleissig klopfte er dann mit dem Lineal oder mit einer Haselrute auf den Pultdeckel, und wenn der Lärm zu gross wurde, be­kamen einige, die es gerade traf, gehörig mit der Haselrute aufs Leder. Gewöhnlich aber entschlief unser guter Pädagoge bei seiner Arbeit, was nicht zu verwundern war, da er fast alle Abende bis spät arbeitete.

Fortschrittlich gesinnte Familienväter konnten diesem veralteten Schulbetrieb nicht weiter zu­ sehen und gründeten eine Privatschule. Dort im Unterdorf, in der düsteren, schattigen Stube des uralten Hauses bezog Fräulein Kehrli als erste Lehrerin in Brienz den Katheder. Sie wusste durch zielbewussten, strammen Unter- richt die junge Schar so anzuziehen, dass alle mit wahrer Lust zur Schule gingen und sichtbar Das alte Schulhaus zu Tracht. schnelle Fortschritte machten.

265 Dieser Umstand machte dann doch die Ältes- ten des Dorfes und die ganze Bevölkerung auf- merksam, und alle er­kannten den grossen Un- terschied in der Schulführung der Dorfschule gegen die Privatschule. Bald wurde die tüchtige Privatlehrerin Fräulein Kehrli an die Primarschu- le gewählt. Damit wurde die Privatschule aufge- löst und in die Gemeindeschule aufgenommen. Dieses erste Jahr mit der Lehrerin bleibt uns immer in Erinnerung, es waren 113 Kinder (!) in der Mittelstube des alten Alpgassenschulhau- ses. Was da unsere Lehrerin für eine Aufgabe hatte, lässt sich leicht denken. Doch voll Ju- gendkraft und Arbeitslust liess sie die Zügel nie hangen, und der Erfolg war ein auffallender, so dass bald noch eine zweite Lehrerin angestellt wurde. Zu dieser Zeit wurde auch das neue Schulhaus auf dem Trachtbach bezogen.»

Die immer noch zunehmenden Schülerzahlen in den ohnehin überfüllten Klassen machten im Frühling 1868 die Eröffnung einer weiteren Klas­ se nötig, die im Alpgass-Schulhaus unterge- bracht wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden erstmals auch zwei Frauen als Lehrerinnen an die beiden Elementarklassen gewählt, nämlich die vorstehend vielgerühmte Margareta Kehrli und Anna Blatter.

Schulfragen aller Art beschäftigten um diese Zeit die Gemeinde laufend; so übernahm sie von nun an die Versorgung der Schulhäuser mit dem nötigen Heizmaterial, nachdem seit 200 Jahren jeder Schüler im Winter jeweils ein Holz- scheit mitgebracht hatte.

Das Alphabet der deutschen Schreibschrift, wie es noch bis 1920 allgemein bekannt war. Heute kann diese Schrift von vielen kaum gelesen werden; die vorliegende Tabelle könnte eine Hilfe sein beim Entziffern von Briefen aus Urgrossmutters Zeiten.

266 Um Raum für eine weitere Klasse zu schaffen, Die Sekundarschule kommt Die Ausgaben für ein Schuljahr wurden auf wurde das kleine Kienholzschulhaus, dem eine Das Stichwort «Sekundarschule» ist gefallen; Fr. 4500.– geschätzt, was zu folgendem Bud- Zeitlang auch die Fluhbergler zugeteilt waren, ihre Entwicklung sei hier kurz nachgezeichnet, get führte: aufgestockt und damit ein zusätzliches Zimmer wobei die Festschrift «100 Jahre Sekundar- gewonnen. Ferner mussten auf Geheiss der schule Brienz 1869 –1969» von Ernst Fuchs für die Besoldung Kantonalen Erziehungsdirektion beim Tracht- wegweisend sein soll. der Lehrer Fr. 3400.– bach-Schulhaus und im Kienholz Turnplätze für Einrichtung Fr. 350.– errichtet oder vergrössert werden. Was bisher über das Schulwesen allgemein für Lokalzins Fr. 350.– und Brienz im besonderen da und dort ange- für Lehrmittel Fr. 300.– In personeller und in Hinsicht auf die Schüler- tönt wird, nämlich unzulängliche bis unerfreuli- für Heizung und zahlen präsentierte sich die Schule am Ende che Zustände im Unterricht, verursacht durch Beleuchtung Fr. 100.– Fr. 4500.– des Jahres 1879 wie folgt: äussere Umstände, manchmal aber auch durch Diese Kosten sollten gedeckt werden durch un­fähige Lehrkräfte – all das wirkte sich hem- den Staatsbeitrag von Fr. 1700.– I Oberklasse zu Tracht mend und störend auf den Schulbetrieb aus. Schulgelder von Fr. 40.– Lehrer Peter Flück 60 Schüler Eltern, denen an einer guten Bildung ihrer Kin- pro Kind Fr. 1600.– II Oberklasse zu Tracht der gelegen war, empfanden die Missstände die Garantensumme Fr. 1200.– Fr. 4500.– Lehrer J. Michel 72 Schüler besonders schwer und liessen die Kinder gele- III Oberklasse zu Tracht gentlich privat unterrichten, da sie überzeugt Sowohl der Sekundar- wie der Primarschulins- Lehrer Peter Flück d.J. 76 Schüler waren, dass solide Grundkenntnisse, wie sie pektor waren dem Vorhaben günstig gesinnt, IV Klasse Alpgasse eine gute Schule vermitteln sollte, für das spä- da sie annahmen, unter den 560 Schulkindern Lehrer von Bergen 70 Schüler tere Geschäftsleben oder eine Tätigkeit im auf- in Brienz und weiteren 420 in Oberried, V Klasse Alpgasse blühenden Fremdenverkehr unabdinglich wa- Schwanden, Hofstetten und Brienzwiler wür- Lehrerin Margareta Kehrli 74 Schüler ren. Besorgte Bürger fanden sich darum 1868 den genügend zukünftige Sekundarschulan- IV Klasse Alpgasse veranlasst, die Gründung einer Sekundarschule wärter zu finden sein, und anderseits könnten Lehrerin A. Baumann-Blatter 68 Schüler ins Auge zu fassen. die stets überfüllten Primarschulklassen etwas Unterklasse Kienholz entlastet werden. Welches finanzielle Wagnis Lehrer Oth 56 Schüler Gemäss dem bernischen Sekundarschulge- die mutigen Gründungs- und Garantenmitglie- Oberklasse Kienholz setz von 1856 mussten sich entweder die Ge- der auf sich nahmen, geht aus den Auflagen Lehrer Thomann 53 Schüler meinde, Genossenschaften oder Private ver- hervor, zu denen sie sich gegenüber dem Staat Sekundarschule pflichten, die Kosten des Schulbetriebs für verpflichten mussten. Sie hatten während Lehrer Fr. Bichsel jeweils sechs Jahre zu übernehmen, lediglich sechs Jahren aufzukommen Lehrer Joh. Wyss die Hälfte der Lehrerbesoldungen wurde vom – für ein zweckmässiges Schullokal samt Staat bezahlt. Weil die Gemeinde Brienz für die Heizung, Beleuchtung und Unterhalt; (Die Zahl der Sekundarschüler ist nicht bekannt geplante Sekundarschule keine Kosten zu ent- – für die nötigen Gerätschaften, Lehrmittel, zu diesem Zeitpunkt; sie dürfte in den ersten richten verpflichtet war, blieb die Finanzierung Ap­parate, Sammlungen und eine Bibliothek; Jahren der Sekundarschule ziemlich gering ge­ ganz den Initianten überbunden. So schlossen – für Einrichtungen zum Turnen; wesen sein.) sich diese zusammen zu einem so genannten – für die Kosten der Schulverwaltung; Garantenverein, dessen vorerst nur wenige Mit- – für die Lehrerbesoldungen, soweit diese glieder jährlich Fr. 1200.– aufzubringen verspra- nicht durch die Staatsbeiträge bestritten chen. wurden.

267 Die ersten Jahre waren gekennzeichnet durch Lokal in einem anderen Gebäude beziehen häufigen Wechsel der Lehrkräfte. Diese verfüg- konnten. Eine bleibende Stätte fand die Schule ten zudem bis 1887 über keine besondere Aus- dann 1904 im neuen Schulhaus am Hobacher, bildung, hatten sich aber immerhin über Studi- wo sie endlich auch über Räumlichkeiten und en auszuweisen, die sie zur Tätigkeit als Se- Einrichtungen verfügte, die einen gedeihlichen ­kun­darlehrer einigermassen befähigten. Schuld Unterricht ermöglichten. am häufigen Wechsel und an der Tatsache, dass sich Bewerber um eine ausgeschriebene Mit dem Einzug am Hobacher begann sich die Stelle oft nur spärlich meldeten, war wohl auch Sekundarschule rasch weiter zu entwickeln. die Besoldung, die andernorts besser ausfiel Noch im gleichen Jahr wurde die Bildung einer als in Brienz. dritten Klasse beschlossen, 1908 übernahm die Gemeinde die Pflichten des Garantenver- Mit der Erhöhung des Staatsbeitrags, die unter eins, und infolge des grossen Andrangs zu den anderem mit den hohen Lebensmittelpreisen Aufnahmeprüfungen bewilligte der Regierungs- im Oberland begründet wurde, entschärfte sich rat noch eine vierte Klasse. Auch der weitere, die Situation wesentlich, was sich auch in den ab­schliessende Ausbau liess nicht lange auf Dienstjahren niederschlug, während denen die sich warten; er erfolgte im Frühjahr 1914, und Lehrer an der Schule wirkten. So brachte es damit verfügte Brienz über eine normale fünf- z.B. Friedrich Bichsel, der 1873 gewählt wurde, klassige Sekundarschule, wie sie bis 1993 auf 44 Jahre, bevor er 1917 altershalber zurück- Bestand hatte. trat. Der sehr initiative, geschätzte Lehrer küm- Sekundarlehrer Fritz Bichsel, ein weit bekannter Brienzer merte sich auch um das Los der ausgetretenen Das neue Dorfschulhaus Schulmeister (Zeichnung: Hans Grunder). Schüler durch Berufsberatung und die Vermitt- Nach diesem Vorgriff auf die Entstehung und lung von Stipendien. Entwicklung der Sekundarschule sei auf den Bau des Schulhauses eingegangen, das noch Diese von etwa vierzig Brienzer Persönlichkei- Weit über die Grenzen des Oberlandes hinaus heute, zusammen mit der Kirche, das Dorfbild ten unterschriebene Verpflichtung bewog die bekannt war Bichsels Kollege Hans Michel, der bestimmt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts Regierung am 8. April 1869, in Brienz eine von 1885 –1923 als Sekundarlehrer in Brienz erwiesen sich die Schulräume für die Sekun- Sekundarschule zu bewilligen. Nun ging alles wirkte. Er begründete eine Schreibmethode darschule, aber auch für die auf das Alpgass- sehr schnell: Die Vorschläge des Garanten- und Schrift, die sich durch gute Lesbarkeit und und Trachtschulhaus verteilten Primarklassen oder Sekundarschulvereins, wie er auch ge- flüssig zu schreibende Buchstabenformen und immer mehr als unzulänglich. Das veranlasste nannt wurde, für die Bildung einer Sekundar- Verbindungen auszeichnete. Vielerorts löste die die verantwortlichen Behörden in den Neunzi- schulkommission und etwas später für die Wahl nach ihm benannte «Michel-Schrift» die alte gerjahren, sich mit dem Bau eines neuen Schul- von zwei Lehrern wurden von der Erziehungsdi- deutsche Schreibschrift ab, bis sie dann von hauses in zentraler Lage zu befassen. rektion bestätigt, und bereits am 1. Juli konnte der Hulliger- und der Schweizer Schulschrift die Sekundarschule mit 20 Schülern eröffnet verdrängt wurde. Die Ausarbeitung der Baupläne, die Kostenbe- werden. rechnungen und der Standort verursachten Untergebracht waren die zwei Sekundarklas- keine Schwierigkeiten, desto mehr aber der Er- sen zuerst in einem Wohnhaus auf der «Gärbi», werb des vorgesehenen Platzes am Hobacher, be­vor sie 1887 ein etwas besser eingerichtetes der verschiedenen Eigentümern gehörte. Erst

268 schiedene Nebenräume zur Verfügung und für den vollamtlichen Abwart bis 1938 eine Woh- nung im Erdgeschoss. Die Baukosten beliefen sich, inbegriffen Pläne, Vorarbeiten, Bauauf- sicht, Gebäude, Platz und Zufahrtsstrassen auf Fr. 147 327,65, eine Summe, die heute nur ungläubiges Staunen auslösen kann!

Gute alte Zeit? Das neue Schulhaus markierte, mit leichter Verspätung, den Beginn eines neuen Jahrhun- derts; eines Jahrhunderts, das gerade auch der Schule wichtige Neuerungen und Veränderun- gen bringen sollte, wie wir heute rückblickend feststellen können. Vorerst freilich war davon nur wenig zu spüren; sowohl die Primar- wie die Sekundarschule hatten sich neben dem alltäg- lichen Unterricht mit Problemen auseinander- zusetzen, die den Schulbetrieb oft erschwerten: Es fehlte immer wieder an genügendem und geeignetem Schulraum, da die finanzielle Lage Schulhauseinweihung 1904. der Ge­meinde nur den Einsatz von beschränk- ten Mitteln für Schulzwecke erlaubte. Es gab mitunter umstrittene Lehrerwahlen, die ebenso nach zähen und langwierigen Verhandlungen fortschrittlichen Bürgern verlangte ausseror- für Gesprächsstoff sorgten wie unerfreuliche und der Drohung mit Expropriation kam es dentliche neue Gemeindeversammlung im Vorkommnisse mit Schülern und handgreif­ zu einer gütlichen Einigung und zum Kauf des Sommer 1902 ge­nehmigte dann merkwürdi- lichen Pädagogen! Trotz der gegenüber früher Terrains für das Schulhaus und die Zufahrts- gerweise fast einstimmig die Aufnahme eines verlängerten und verbesserten Lehrerausbil- strassen, u.a. für die Verlängerung des Gärbi- Darlehens von Fr. 120 000.–, das mit einer zu- dung entwickelten sich nämlich nicht alle im gässleins. Widerstand regte sich dann, als es sätzlichen Steuer von 0,5 ‰ verzinst und mit Seminar ausgebildeten Schulmeister auch zu um die Finanzierung des Bauvorhabens ging. den Reinerträgen aus dem Forstwesen abbe- wirklichen Meis­tern ihres Berufs. Es gab nach Sie scheiterte vorerst anlässlich einer turbulen- zahlt werden sollte. wie vor solche, die aus den verschiedensten ten Gemeindeversammlung, die wohl die Aus- Gründen von ihrer Aufgabe überfordert und ihr führung des vorgelegten Projektes guthiess, Damit stand dem Bau nichts mehr im Wege, die nicht immer ge­wachsen waren. aber die Aufnahme eines dafür nötigen Darle- Ausführung schritt planmässig vorwärts, und hens verweigerte! Vorschläge, den wenig ab- am 10. April 1904 konnte die Einweihung des Daneben figurieren in der Erinnerung alter träglichen Bauwald abzuholzen oder ihn dem neuen Schulhauses, das der Gemeinde grosse Brienzer aber auch Charakterköpfe, die schon Staat zu verkaufen, um mit dem Erlös das Opfer abforderte, stattfinden. Sieben Primar- zu ihrer Zeit und darüber hinaus als originelle Schulhaus zu bauen, scheiterten, und das und vorläufig drei Sekundarschulklassen stan- Schulmeis­ter, geliebt und gefürchtet, verehrt Unternehmen drohte zu stocken. Erst eine von den neben hellen grossen Zimmern auch ver- und be­lächelt, einen fast legendären Ruf be­

269 sassen. Wir müssen es uns und dem Leser ver- Schulkommission und Gemeinderat zeigten bei Bildung hat ihren Preis sagen, die in den letzten 300 Jahren im Dorf der Behandlung von heiklen Schulgeschäften Brienz konnte sich glücklich schätzen, dass tätigen Lehrkräfte auch nur aufzuzählen, ge- und vor allem bei schwerwiegenden, oft mit sachlich und überlegt urteilende Schulkommis- schweige denn zu würdigen. persönlicher Tragik verbundenen Schwierigkei- sionsmitglieder immer wieder vernünftige und ten von Lehrkräften viel Verständnis und drück- vertretbare Lösungen zum Wohl der Schule Fest steht, was in Protokollen und mündlich ten auch mal ein Auge zu mit Rücksicht «auf fanden. Das zeigte sich beim ständig wieder- überliefert ist, dass einige Schulmeister sich den etwas nervös und überreizt scheinenden kehrenden Thema der Lehrerbesoldungen, die manchmal recht ausgefallener Erziehungsme- Ge­sundheitszustand» eines Lehrers. lange, wenigstens teilweise, von der Gemeinde thoden bedienten, die nicht bei allen Eltern auf ausgerichtet wurden. Mit welchen Argumenten eitel Zustimmung stiessen. Das traf auch zu für Missstände wie noch 100 Jahre früher, als El- in dieser heiklen Angelegenheit gelegentlich jenen strengen Lehrer im alten Kienholzschul- tern ihre Kinder zum Betteln anhielten, anstatt gefochten wurde, geht aus der Diskussion um haus, der während des Unterrichts strikte Auf- sie in die Schule zu schicken, waren um 1900 eine Besoldungsverbesserung hervor, die Ge- merksamkeit verlangte und keine Ablenkung herum natürlich behoben; die Aufgabe, das meinderat und Schulkommission an einer ge- irgendwelcher Art duldete. Schülern, die un­ Schulwesen ständig zu verbessern, blieb. In meinsamen Sitzung im Frühjahr 1908 führten. nötigerweise mit Bleistift, Lineal oder mit der einem öffentlichen Bericht über den Stand Federschachtel hantierten, nahm er das Spiel- der Schule bedauerte die Schulkommission Nach befürwortenden Voten der Schulkommis- zeug weg, warf es zum Fenster hinaus oder im z.B. die überfüllten Klassen, die Armut eines sion wandte sich ein Gemeinderat gegen die Winter sogar in den geheizten Kanonenofen. Teils der Dorfbewohner und die mangelnde vorgeschlagene Erhöhung, da Brienz, wie er Begabung vieler Schüler, welche einen er- versicherte, auch bei einer niedrigeren Besol- Ein Vater, dessen Sprössling auf diese unübli- spriesslichen Unterricht erschwere. Die Fest- dung noch genug Lehrer bekomme und das che Art seine Federschachtel samt Inhalt ein­ stellung beweist nebenbei, dass die Frage, wie Heil der Schule nicht in der Aufbesserung des gebüsst hatte, kam auf eine ausgefallene Idee, die Schule mit ungleich befähigten Schülern Lohnes liege, da die Lehrer ja deswegen nicht dem Schulmeis­ter eins auszuwischen. Er be- umzugehen hat, nicht erst heute zu reden gibt. mehr leis­ten würden als bisher! Dass die Be­ sorgte eine neue Schachtel, präparierte sie mit soldungserhöhung trotzdem mit nur einer Ge- einer gehörigen Dosis Schwarzpulver, die er Dann zeigen diese Streiflichter auch die Be- genstimme beschlossen wurde, stellt der stets vom Stöckesprengen noch übrig hatte, und dingtheit der oft verherrlichten «guten alten bewiesenen Schulfreundlichkeit der Brienzer munterte seinen Buben auf, am nächsten Tag Zeit». und ihrem meist ungetrübten Verhältnis zur absichtlich herausfordernd damit zu spielen. Es Lehrerschaft ein gutes Zeugnis aus; ein Zeug- kam wie ge­wünscht: Der ahnungslose Schul- Diese lebt eigentlich nur in den Köpfen von nis, das mit ganz wenig Ausnahmen durch meister konfiszierte das Ärgernis, schritt damit Schwärmern, die nicht dabei waren; die Wirk- langjährige, vorbildliche Arbeit der Lehrkräfte zum Ofen, öffnete das Törchen und schmiss die lichkeit sah meist anders aus! Ein Beispiel lie­- vollauf verdient wurde. Federschachtel in die Glut! Die Überlieferung fert ein Gemeinderatsbeschluss von 1912, der meldet, dass er das besagte Ofentörchen nicht im revidierten Ortspolizeireglement bestimmt, Von den Schulverhältnissen, wie sie zur Zeit mehr als zugeschlagen hatte, als es auch schon dass Schulkindern das Tragen von Waffen ver- des Schulhausbaus 1904 und nur wenig an- samt der Fassung mit einem gewaltigen Knall in boten sei! Schwierigkeiten mit der Schuljugend, ders noch in der Zwischenkriegszeit herrsch- die Schulstube gesprengt wurde... Die weitere wie sie heute allerorts beklagt werden, sind ten, bis zu den heutigen Strukturen führt ein Verbrennung von Schulmaterial, das zu jener durchaus keine moderne Erscheinung; sie ge- weiter Weg. Nicht alle der fast unübersichtlich Zeit übrigens noch von den Eltern berappt wer- hörten schon vor hundert und mehr Jahren vielen Neuerungen stiessen gleich von Anfang den muss­te, soll mit diesem Anschlag ein für durchaus zum Schulalltag. an auf ungeteilte Zustimmung; oft bedurfte es allemal ge­stoppt worden sein! mehrerer An­läufe, bis die Skepsis gegenüber

270 Der überaus bescheidene Aufwand für die Schulen, den der Rechnungsabschluss für das Jahr 1923 ausweist, wurde schon bald von wesentlich höheren Ausgaben übertroffen. Das Anwachsen der Dorfbevölkerung, neue ge- setzliche Vorschriften, veraltete oder fehlende Einrichtungen, Bedürfnisse von Sport- und anderen Vereinen erheischten dringend die Ern­ eue­rung und Erweiterung der Schulanlagen.

Begonnen wurde 1933 mit der Renovation des Schulhauses am Hobacher, die in mehreren Etap­pen erfolgte. Kurze Zeit später standen zwei Projekte auf der Traktandenliste der Ge- meindeversammlung, die sich wegen der ange- spannten Finanzlage der Gemeinde gegensei- tig konkurrenzierten: die Dorfleute im Kienholz verlangten einen Neubau anstelle ihres ver- nachlässigten alten Schulhauses, und die Bri- enzer forderten mit einem Initiativbegehren, es sei endlich die schon lange fällige Turnhalle zu Lehrerschaft der Primar- und Sekundarschule Brienz um 1930: Peter Schild, Johann Walz, Hans Kienholz, Oskar Perren, erstellen. Ob­schon die Gemeinde auch noch Willi Hirsch, Frau Mathilde Mätzener, Hans Schild, Frau Klara Hug, Frl. Berta Gander, Hans Grunder, Paul Gilgien. einen Beitrag von fast Fr. 100 000.– an die (Es fehlt Gottfried Hug.) Brienzerbergstrasse zu entrichten hatte, der die Schuldenlast auf Fr. 480 000.– steigen liess, dem Ungewohnten überwunden war. Mäd- die unentgeltliche Abgabe der Lehrmittel von wurden schliesslich beide Bauvorhaben bewil- chen- und Knabenhandarbeit, Hauswirtschaft, der Gemeindeversammlung zurückgewiesen, ligt. Ausgeführt wurden die billigsten Varianten, Mädchenturnen, Schülerversicherung, Garten- vier Jahre später aber dann doch eingeführt, was sich schon nach wenigen Jahren als Fehler bau und Schul­zahnpflege waren bei manchem allerdings nur für die Dorfschüler; Eltern von erwies. In der aus Spargründen nicht unter­ Bürger ebenso umstritten wie Hilfsklassen für auswärtigen Kindern hatten weiter für Bücher, kellerten Turnhalle, die während des Krieges Schwachbegabte und andere, heute selbstver- Hefte und anderes Material selber aufzukom- 1939 –1945 als Lebensmittellager diente, ver- ständliche Errungenschaften. men. faulte der Boden, was dann doch noch eine Unterkellerung nötig machte, abgesehen von Nicht immer lag der Grund für die anfängliche Zu einem Vergleich mit den heutigen Ausgaben teuren Reparaturen. Auch beim neuen Kien- Ablehnung von Neuerungen in der Einsichtslo- für das Schulwesen mag die Gemeinderech- holzschulhaus, das nur ein Schulzimmer, ein sigkeit der Gegner; allzuoft spielte eher die nung vom Jahr 1923 anregen. Lehrerzimmer und einen kleinen Zusatzraum Rücksicht auf die finanziellen Folgen für die Ausgaben 1923 1997 enthielt, führte die mangelnde Voraussicht bald Gemeinde eine ausschlaggebende Rolle. So Primarschule Fr. 28 675.26 Fr. 1 315 000.– zu Nachbesserungen, indem es schon zehn wurde beispielsweise 1922 gegen den Antrag Sekundarschule Fr. 7445.61 Fr. 815 000.– Jahre später um drei Schulräume erweitert des Gemeinderates und der Schulkommission werden musste.

271 Immerhin! Auch die billige Turnhalle wurde freu- dig begrüsst, sowohl vom Turnverein wie von Lehrerschaft und Schülern. Im «Brienzer» mel- dete sich sogar die Unterschülerin Frida Linder zum Wort:

«Letzten Montag haben wir das erste mal in der Turnhalle geturnt. Jedes konnte 2 mal sich an dem Stangengerüst sich aufzihen und wider hinunter lassen. Wir sind auch durch die Sprossenwand hi- nauf gecklettert. An dem Stemmbalken kann man sich gut strecken. An den Ringen kann man schön plampen. Ich vreue mich auf die Turnstunde. Besten Danck für die Halle.»

Berechtigte Ansprüche auf ein zweckmässige- res Lokal meldete auch der Kindergartenverein an. Nachdem zuerst der Ankauf einer Militärba- racke erwogen worden war, setzte sich dann die Ansicht durch, ein dauerhaftes Kindergar- Schulhausanlage Hobacher mit Sportplatz und alter Turnhalle. tengebäude zu errichten. Damit war den Brien- zern ge­holfen, nicht aber dem ständig wach- senden Kienholz, wo das Bedürfnis nach einem Die Einweihung des gelungenen Werks wurde Nicht zuletzt dieses Schulraumdefizit bewog Kindergarten ebenso gross war. Es wurde im April 1964 mit einem Staffellauf quer durch Ge­meinderat und Schulkommission, ein Ge- befriedigt mit einem schmucken Neubau, der Brienz und turnerischen Wettkämpfen began- samtkonzept für die nächste Zukunft auszu­ 1962 bezogen werden konnte. gen. arbeiten, das der Gemeindeversammlung am 1. Juli 1982 vorgelegt wurde. Es sah vor Schon vorher machten die ständig steigenden Der Bau eines Schulpavillons für die unteren – den Ausbau und die Renovation des Schülerzahlen die Eröffnung einer Oberklasse Klassen war vorsorglicherweise beim Lander- Schulhauses im Kienholz; im Kienholz unumgänglich. Sie fand auf Zuse- werb für die Sportanlagen berücksichtigt wor- – den Ausbau und die Renovation des hen hin Platz in einem ausgebauten Kellerraum den; er fand die Zustimmung der Gemeindever- Kindergartens in Brienz; des Schulhauses. Und schon wieder war sammlung. Die rasante Entwicklung der – den Neubau von zwei Schulgebäuden mit Brienz an der Reihe! Es folgte ein Renovations- Primar- und Sekundarschule spiegelte sich Pausenhallen als Verbindung zur Turnhalle. programm für das bald sechzigjährige Dorf- auch in der Eröffnung neuer Handarbeitsklas- schulhaus am Hobacher, in dem die Zentral­ sen, die wegen drückendem Platzmangel zum Der voraussichtliche Kostenaufwand: 6–7 Milli- heizung erneuert wurde, bevor die Zimmer eine Teil im Kirchgemeindehaus untergebracht onen! Das setzte einen vorläufigen Schluss- Modernisierung erfuhren. Zur selben Zeit be- wurden. punkt unter die bauliche Entwicklung der Brien- schlossen wurde die Erstellung einer Sportan- zer Schulen, die begonnen hatte mit dem Kauf lage mit Hart- und Rasenplatz. der zwei Stuben für 100 Kronen an der Alp­ gasse, dann über das Trachtschulhaus zum

272 Computer, körperliche Ertüchtigung, Bekäm­p­ fung von Aids oder anderes handelt. Unterricht und Erziehung sind deshalb, verhaftet den Zeit- umständen, stetigen Veränderungen unterwor- fen, die auch Lehrmethoden und Lehrmittel be- einflussen. Wenn das Wissen der Menschheit sich alle fünf Jahre verdoppelt und der techni- sche Fortschritt, wie wir tagtäglich selbst fest- stellen können, beängstigend zunimmt, ist kaum zu bestreiten, dass sich das auch auf die Schule auswirkt.

Eine tiefgreifende Veränderung in der Struktur der bernischen Schule brachte das neue Volks- schulgesetz, das 1993 nach der Ablehnung einer Initiative für ein Schulmodell 5/4 in Kraft trat. Die mehr als hundertjährige, fünf Klassen zählende Sekundarschule, in die begabte Schü­ ler nach dem 4. Schuljahr übertreten konnten, Fügt sich gut in die Umgebung und die Landschaft: Das Kienholz-Schulhaus. wur­de auf drei Klassen verkürzt, mit Übertritt nach dem 6. Schuljahr. Als Primarschule be­ zeichnet werden nun die ersten sechs Schul- Bau am Hobacher führte, einem Bau, der 1904 zusetzen seien. Dabei gilt es, sich vor Illusionen jahre; die Sekundarschule umfasst die Klassen noch keine 150 000 Franken gekostet hatte! Die zu hüten: Die Schule ist stets ein Kind ihrer Zeit; 7– 9 der Oberstufe, aufgeteilt in Real- und heutigen millionenschweren Investitionen dür- sie kann die gegebenen politischen, wirtschaft- Sekundarschule. In die Volksschule integriert fen al­lerdings nicht nur als drückende Belas- lichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse nicht sind nun auch die Kindergärten; ihre Kommis­ tung der Gemeinde angesehen werden, sie ändern; diese bestimmen im Gegenteil Ziele sionen so­wie die der Hauswirtschaft werden spiegeln auch den wirtschaftlichen und sozia- und Inhalte der Schule. aufgehoben. len Fortschritt, den uns das zu Ende gehende 20. Jahrhundert beschert hat. Die Hoffnung, gerade ideal gesinnter Pädago- Die verschiedenen Möglichkeiten, wie die gen, durch und mit der Schule die Welt verbes- Oberstufe gestaltet werden kann, beschäftigte Keine Weltverbesserungsanstalt sern zu können, erwies sich bisher stets als die Ge­meindeversammlung vom Dezember Neben der laufend angepassten und verbes- eine nicht zu verwirklichende Idee. Schulen ver- 1993. Der Entscheid fiel schliesslich zugunsten serten Ausstattung der Schule mit zweckmäs­ mitteln Werte und Errungenschaften der Ver- des Modells, in dem Deutsch, Französisch und sigen Räumen, Lehrmitteln aller Art (1995 konnte gangenheit und Gegenwart; ihre Aufgaben im Mathematik in zwei Niveauklassen unterrichtet die Schule z.B. 12 Computer für Fr. 60 000.– einzelnen werden von den Wünschen, Anfor­ werden, während die anderen Fächer gemein- anschaffen), Bibliotheken und Apparaten, wan- derungen und Bedürfnissen der jeweiligen sam oder getrennt erteilt werden können. Als delten sich auch die Schulorganisation und die Gesellschaft bestimmt, gleichgültig, ob es sich Sekundarschüler gilt, wer mindestens in zwei Auffassungen, wie die vom Zeitgeist abhängi- um Erziehung zur Selbständigkeit, Teamarbeit, Niveaufächern den erhöhten Anforderungen gen Anforderungen in die Schulwirklichkeit um- Fremdsprachenkenntnisse, Umgang mit dem genügt.

273 Ob mit dem neuen Schultyp, insbesondere mit der Aufhebung der strengen Trennung von Pri- mar- und Sekundarschule, die Erwartungen, vor allem die erhoffte Aufwertung der Real- schule, erfüllt werden, wird die Zukunft weisen.

Es wäre müssig, sich hier mit den leidenschaft- lich und oft unsachlich geführten Auseinander- setzungen zwischen Gegnern und Befürwortern zu befassen; das neue Volksschulgesetz ist de­mokratisch abgesegnet, und wir haben ihm einstweilen nachzuleben. Im übrigen halten wir es am besten wie Gottfried Keller, der sich bei ähnlicher Gelegenheit tröstete:

... und läuft das Kind auf schlechten Sohlen, so wird es schon der Teufel holen!

Was weniger krass ausgedrückt sagen will, dass auch Schulgesetze nicht für die Ewigkeit ge­schaf­fen werden. Die Schule ist immer mehr und in immer rascherer Folge Veränderungen und neuen Entwicklungen ausgesetzt; was heute als richtig und nötig erachtet wird, ist in wenigen Jahren vielleicht schon überholt und muss neuen Verhältnissen angepasst werden.

Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per- sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei- teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren. Zur Schule gehören neben Schulhäusern und Schulmeistern vor allem die Schüler und Schülerinnen. Stellvertretend für alle sei diese Klasse aus dem Jahr 1950.

274 Die Schule Brienz im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts

Ruedi Perren-Roesti

Sinkende Schülerzahlen und Klassenzusam- zentrale Schulleitung geführt, was unter ande- Im Jubiläumsjahr 2003 ereignete sich viel Be- menlegungen, Neuerungen im Zeitalter der rem eine Folge der gestiegenen Anforderungen deutsames: Mit einem bunten Schulfest feier- elektronischen Datenverarbeitung (EDV), 100 ist. Nachdem die Schulkommission im Jahr ten Gemeinde und Schule den hundertsten Jahre Schulhaus Dorf, Bau einer Doppelturn- 2001 einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Geburtstag des altehrwürdigen Schulhauses halle, Ausbau des Spezialunterrichts und integ­ nachmaligen Schulinspektors Peter Santschi Brienz Dorf. Dass in der alten Gebäudehülle rative Schulung, Einführung der Spez. Sek., der den Auftrag gegeben hatte, die Leitungsstruk- hochmodern gearbeitet wird, beweist unter Basisstufe und der Tagesschule – all dies unter turen zu überarbeiten, wechselte die Schule anderem der Ausbau der EDV-Anlage (elektro- dem Patronat der «Geleiteten Schule», wie das Brienz zu einem hierarchischen Modell mit einer nische Datenverarbeitung) im selben Jahr. Bis neue Schulleitungsmodell bezeichnet wird. Aber Schulleiter- und einer Vizeschulleiterstelle. heute sind drei Computerräume eingerichtet zuerst alles der Reihe nach! worden, deren Auslastung hoch ist. Die Schule Brienz war damit unter den ersten Schulen im Brienz verfügt nun über eine eigene Homepage Wer die oben genannten Schwerpunkte der Kanton Bern, die diese heute verbreitete Schul- (Seite im Internet) sowie eine gut eingerichtete Brienzer Schulen im ersten Jahrzehnt des neu- leitungsform einführten. Aufsicht übt heute wie Internetplattform (Möglich­keit für Lehrkräfte en Jahrhunderts gelesen hat, fragt sich wohl, früher die Schulkommission aus, wobei nach und Schülerschaft, Daten im schuleigenen In- ob und wie das alles zu bewältigen sei. Die einer Revision im Jahr 2008 viele Kompetenzen ternetbereich auszutauschen). Schule ist ein Spiegel der sich immer rasanter der Schulkommission an die Schulleitung über- wandelnden Gesellschaft. Jüngste Entwicklun- gingen. Damit wurde die Schulleitung weiter Ebenfalls im Jahr 2003 konnte die Sekundar- gen, insbesondere neue Berufsfelder erfordern professionalisiert, was auch mit der ersten schule eine sechste Klasse eröffnen und gleich- angepasste Unterrichtsinhalte und neue Schul- hauptamtlichen Schulleiterin, Regina Graf-Michel, zeitig die Spez. Sek. einführen. So ergab sich strukturen. Eine Unterrichtsreform löst die an- deutlich wird. neu eine dreiteilige Oberstufe mit Real-, Sekun- dere ab. Inwiefern all dies leistbar ist und wann dar- und Spez.-Sek.-Klassen. In den folgenden bewusst «entschleunigt» werden soll, sind zwei Jahren erreichte die Oberstufe mit über 180 umstrittene Fragen, die nicht nur in Brienz zu Schülerinnen und Schülern ausserordentlich beantworten sind. Die folgenden Abschnitte hohe Schülerzahlen. Nach 2005 musste wie widerspiegeln nur im Überblick das Geschehen auf der Primarstufe ein drastischer Rückgang in einer Landschule, welche immer wieder neue verkraftet werden. Gemeinsam suchten die fünf Herausforderungen zu bewältigen hat. Gemeinden Oberried, Schwanden, Hof­stetten, Brienzwiler und Brienz nach Lösungen. Ein erster Bereich, der sich stark gewandelt hat, ist die Schulleitung: Bis gegen Ende des letzten Die geringeren Schülerzahlen hatten Folgen für Jahrhunderts exisitierten recht selbständige die gesamte Schulstruktur. Bis 2008 konnte Einzelschulen (Primar- und Sekundarschule) dank Klassenzusammenlegungen den Vorga- und Schulhäuser (Brienz Dorf und Kienholz). ben des Kantons entsprochen werden. Dann Im jetzigen Modell der «Geleiteten Schule» musste vorerst eine Klasse geschlossen wer- werden alle Schulen der Gemeinde durch eine Computerraum, Dachgeschoss Schulhaus Dorf den.

275 Ab 2009 wurde die neue Struktur der Primar- schule umgesetzt, mit dem Ziel, eine möglichst langfristige und stabile Planung zu ermöglichen. Kernpunkte sind altersgemischte Klassen und die Möglichkeit der Klassenzusammenlegung, beispielsweise zwischen den beiden Schul­ standorten Kienholz und Dorf.

2004 folgten erste Schritte in Richtung der heu- tigen Tagesschule. In Zusammenarbeit mit dem Frauenverein wurde eine ausserfamiliäre Be- treuung von Schulkindern angeboten. Mangels Anmeldungen musste das Projekt jedoch vor- läufig auf seine Verwirklichung warten. Ab 2008 regelt der Kanton die Tagesschulangebote und die Gemeinden sind verpflichtet, ab 10 Kindern Betreuungsmöglichkeiten anzubieten. Eine Um­ frage im November 2009 ergab ein grosses In- teresse, worauf der Gemeinderat eine Arbeits- gruppe mit der Vorbereitung beauftragte.

Am 14. August 2010 konnte die neue Tages- schule im Max-Buri-Haus eröffnet werden, wo es separate Räume fürs Essen, für das Erle­ digen der Hausaufgaben und fürs Lesen hat. Basisstufe mit 4- bis 8-jährigen Kindern im neuen Schulhaus Brienz Dorf. Sogar über eine Werkstatt und ein Krankenzim- mer beziehungsweise einen Ruheraum verfügt das oben genannte Haus. Die Tagesschule bie- Als eine von dreizehn Gemeinden im Kanton zeitig wurde der zweijährige Kindergarten ein- tet eine Betreuung ab Schulschluss Ende Vor- beteiligt sich Brienz am Schulversuch der geführt. 2012 wird über die Einführung der mittag, einen Mittagstisch sowie Aufgabenhilfe Basisstufe, mit den allgemeinen Zielen eines Basistufe abgestimmt. und Betreuung am Nachmittag. Die Jüngsten flexib­leren Schuleintritts und der individuellen werden nach der Schule abgeholt und auf ih- Förderung. D.h. der Kindergarten und die bei- Seit 2009 organisieren die Gemeinden in der rem Weg begleitet. Damit verfügt Brienz über den ersten Schuljahre werden zu einer soge- Region Interlaken– Oberhasli die Angebote eine weitere neuzeitliche Institution, die der ge- nannten Basisstufe zusammengeführt. Je nach Spezialunterricht und integrative Förderung sellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre, Be­gabungen, Fähigkeiten und persönlicher nicht mehr im Verband von rund dreissig zum Beispiel unregelmässigen Arbeitszeiten der Reife haben die vier- bis achtjährigen Kinder die Gemeinden, sondern eigenverantwortlich. Spe- Eltern, Rechnung trägt. Möglichkeit, die Basisstufe drei bzw. vier oder zialunterricht ist ein Angebot der Schule zur fünf Jahre zu besuchen. Eine Versuchsklasse Unterstützung von Kindern mit besonderem richtete sich im ehemaligen Werkraum im Erd- För­derbedarf. Die Schule bietet Spezialunter- geschoss des Dorfschulhauses ein. Gleich­ richt mit den folgenden Schwerpunkten an:

276 Der Spezialunterricht ist für Eltern kostenlos und in der Bildungsgesetzgebung geregelt. Neu arbeiten die fünf Gemeinden im Einzugs- gebiet der Sekundarschule Brienz zusammen. So stehen mehr Mittel zur Verfügung, und Ent- scheide können besser auf das einzelne Kind und die gesamte Schulsituation abgestimmt werden.

Der Bau der Doppelturnhalle und die damit ver- bundene Neugestaltung des Aussenbereichs der Schulanlage Dorf stellt ebenfalls einen Mei- lenstein für Gemeinde und Schule dar. Nach der Einweihung im Oktober 2010 müssen keine Klassen mehr für ihren Sportunterricht vom Dorf ins Kienholz ausweichen. (Vergleiche Ka- pitel «Feuerwehrmagazin und neue Sporthalle» S. 246–250.)

Das neue Jahrhundert hat für die Brienzer Schule mit weitsichtigen Entscheiden begon- «Räbenlichtleni» schnitzen: Die Grossen helfen den Kleinen. nen, die hier nur lückenhaft vorgestellt werden können. Mit ihrem ausserordentlichen Einsatz leisten Schulkommission, Schulleitung und Leh­ – Logopädie unterstützt Kinder und Jugend- rer­schaft Bedeutendes. Dafür gebührt ihnen liche mit Störungen oder Auffälligkeiten im grosser Dank! Trotz schwierigen Bedingungen Bereich der Sprache. wie sinkenden Schülerzahlen hat Brienz heute – Psychomotorik unterstützt bei Schwierig- (2010) eine moderne und beispielhafte Schule, keiten, sich angemessen zu bewegen. die einen erfolgreichen Schulbetrieb ermöglicht Diese fallen bei alltäglichen Bewegungen, und einen guten Ruf geniesst. Mögen die an­ im Turnen, Schreiben und oft auch im Ver- gefangenen Projekte gelingen und zukünftige halten gegenüber anderen Menschen auf. Her­ausforderungen weiterhin zum Wohl unse- – Integrative Förderung ermöglicht, Schülerin- rer Schulgemeinschaft angepackt werden! nen und Schüler mit Lern-, Entwicklungs- oder Verhaltensschwierigkeiten innerhalb der Regelklassen zu schulen und individuell zu fördern. All diese Formen des Förderun- terrichts bedingen eine enge Zusammenar- beit der Klassenlehrkräfte und der Heilpäda- goginnen und Heilpädagogen. Rechnen mit oder ohne Einsatz der Finger?

277 278 Verkehr und Tourismus Bahnhof Brienz um 1895. Im Verkehrsknotenpunkt Tracht treffen sich Strasse, Bahn und Schiff. Vom Verkehr – Geschichte und Geschichten

Max Gygax

Ein vielfältig geknüpftes Verkehrsnetz, das so­ wohl den Bedürfnissen der Land-, Alp- und Forst­wirtschaft dient, aber auch gewerbliche und vor allem touristische Erwartungen erfüllt, ist für eine Gemeinde wie Brienz von existen­ zieller Bedeutung. Diese Erkenntnis hat denn auch seit jeher die Entwicklung des Dorfes mit­ bestimmt. Die ständige Vergrösserung des Angebots an Möglichkeiten, Brienz auf dem Wasserweg, auf Strassen und mit der Bahn zu erreichen und die verschiedensten Ausflugs­ ziele in der Region leicht besuchen zu können, gehörten deshalb stets zu den Hauptanliegen der Gemeinde.

Natürliche Voraussetzungen kamen der Er­ schlies­sung entgegen. Der See bot sich von jeher an als freie, billige Wasserstrasse, die praktisch keine Bau- und Unterhaltskosten ver­ ursachte und bis in die Neuzeit hinein erst noch bequemere Transportmöglichkeiten eröffnete als die meist schlechten und manchmal auch Johann Friedrich Dietler (1804 –1874): Ruhende Schifferinnen beim Giessbach. unsicheren Strassen. Brienz zog aber nicht nur Nutzen aus der Schifffahrt; die Lage oben am Wenn wir uns hier der Entwicklung einzelner auch kulturhistorisch von Interesse sind. Unbe­ See machte es auch zum Umschlagsplatz für Verkehrsträger zuwenden, dann kann es sich rücksichtigt bleibt das den vorwiegend lokalen Personen und Waren, die über den Brünig in nicht um eine auch nur annähernd vollständige Bedürfnissen die­nende Weg- und Strassen­ die Innerschweiz oder ins Hasli und weiter über Darstellung handeln, da, um bloss ein Beispiel netz, das gerade in den letzten Jahren stark Grimsel und Griespass oder umgekehrt beför­ zu nennen, die Angelegenheit der Brienzersee­ erweitert wurde. Wenn in dieser kurzen Ver­ dert wurden. Diese topographischen und his­ bahn Gemeinderat und Gemeindeversamm­ kehrsgeschichte weiter zu­rückliegenden Ereig­ torischen Gegebenheiten bildeten gewisser­ lung über eine Zeit von mehr als 20 Jahren be­ nissen mehr Raum gewährt wird, so aus der massen das Grundmuster, um das sich, neuen ständig beschäftigte und in mehr als einem Überlegung, dass diese wohl weniger bekannt Erfordernissen und Zeitumständen Rechnung halben Hundert Sitzungen beraten wurde! Wir sind als Geschehnisse in noch junger Vergan­ tragend, immer bessere und neue Verkehrs­ beschränken uns deshalb darauf, Hauptzüge genheit. wege rankten. der Verkehrserschliessung aufzuzeigen, die

281 Von Schiffern und Schifferinnen aus die Anhaltspuncte, wo man landen oder Flaschen Wein und ein kleines Geschenk ist Bevor das Dampfschiff auf dem Thuner- und verweilen will, so wie die Zeit zur Abfahrt, und alles, was sie hiebei ausser dem Vergnügen Brienzersee Einzug hielt, waren Oberlandrei­ weiche nur in Notfällen von dem abgeredeten des Fremden beabsichtigen ... sende auf die gewöhnlichen Post- und Ruder­ Plane ab, indem die Schiffleute sonst den Con­ boote angewiesen. Diese konnten bei güns­ti­ tract als gebrochen erklären und unverschämte Als wir am Nachmittag nach Meyringen gingen, gem Wind auch Segel setzen, was die Forderungen stellen, denen man sich nicht begleiteten uns mehrere. Die eine wollte uns Ruder­mannschaft von der schweren Arbeit leicht entziehen kann.» den Weg zeigen, eine zweite wollte uns bis etwas entlastete. Je nach Wetter und Laune Meyringen für einen kleinen Thaler ein Wägeli der Schiffleute dauerte die Fahrt von Thun Eine besondere Anziehungskraft, die weit über verschaffen, eine dritte hatte Obst anzubieten. zum Neuhaus drei bis fünf Stunden, vom Zoll­ die Grenzen der Schweiz hinausreichte, übten Die guten Leute wissen, dass die schöne Jahrs­ haus in der Nähe der heutigen Beau-Rivage- die singenden Schifferinnen von Brienz aus. Sie zeit bald vorbei ist, und dass die Fremden eine Brücke nach Brienz-Tracht etwas weniger. Auf ruderten fremde Besucher zu den Giessbach­ gewisse Strichzeit haben, wie die Zugvögel, beiden Oberländer Seen galten von der Regie­ fällen hinüber und unterhielten sie dabei mit und dass man von ihnen profitieren muss, wäh­ rung festgesetzte Tarife, die auf Verlangen vor­ heimatlichen Gesängen. Über ihre Dienste, die rend sie da sind.» gewiesen werden mussten, damit die Fahrgäs­ von vielen Reisenden gerne in Anspruch ge­ te nicht übers Ohr gehauen werden konnten. nommen und meist mit einem guten Trinkgeld La belle Batelière So bezahlte man um 1800 herum auf dem entlöhnt wurden, berichtet der bekannte Maler Die berühmteste der Brienzer Schifferinnen war Postschiff vom Zollhaus nach Tracht auf dem und Radierer Franz Niklaus König: «In Brienz unstreitig die von König und vielen anderen 1. Platz 10 Batzen und 5 für den 2. Platz. oder bey Tracht sind Wirtshäuser, wo man ge­ Reiseschriftstellern erwähnte Elisabeth Gross­ deckte Schiffe zur Fahrt über den Brienzersee mann. Sie ging als «La belle Batelière» in die Der Umgang mit den Schiffern gestaltete sich findet; man bedient sich hierzu gerne einiger Geschichte des Tourismus im Berner Oberland nicht immer leicht, genau so wenig wie mit den Schiffermädchen, der Schwestern Brunner, die ein und sogar in die Kunstgeschichte. Zeichner Kutschern, und dies trotz obrigkeitlicher Vor­ eine davon genannt Admiral Nelson; oder der und Maler wie F.N. König, Emanuel Locher, schriften. Viele galten als unverschämte, geld­ schönen Elisabeth Grossmann. Neben dem, Ludwig Vogel und viele andere haben sie port­ gierige Kerle, nur darauf erpicht, die Reisenden dass sie alle gute Schifferinnen sind, geniesst rätiert, und unzählige von Reisenden gekaufte zu prellen, wo sich dies machen liess. Immerhin man ihre Gesänge, während sie ihre Ruder Kunstblätter verbreiteten den Ruf des hüb­ räumt der Reisehandbuch-Verfasser Ebel ein, recht männlich handhaben.» schen Naturkindes in aller Welt. es gebe auch achtbare und redliche Leute un­ ter ihnen, besonders unter Berücksichtigung Ebenfalls angetan von der Sangeskunst der Aus den bild­lichen Darstellungen und Reisebe­ des Umstandes, dass der Fremdenverkehr nur Brienzermädchen war der deutsche Gelehrte richten ergibt sich ein ziemlich über­ein­stim­ kurze Zeit daure, die Einnahmen aber für das Joh. Friedr. Benzenberg, der unsere Gegend mendes Bild der Schönen. Die liebreizend ganze Jahr reichen müssten. Die leidigen Pro­ 1810 besuchte. Er schrieb: «Die Mädchen, die graziöse, aber doch kräftig gebaute Elisabeth bleme des saisonbedingten Tourismus, die uns zum Giessbach fuhren, waren zugleich in trägt die Brienzertracht; unter dem Strohhut dem Gastgewerbe unter anderen Erschwernis­ der Kunst des Gesangs erfahren und liessen blicken wache Augen aus dem feinen Gesicht, sen heute noch zu schaffen machen, stellten sich nicht lange bitten. Die hiesigen Mädchen aufmerksam und selbstbewusst, doch ohne sich also schon früher! haben den Ruf, dass sie unter allen Bauern­ überheblichen Stolz. Überliefert ist das bei aller mädchen des Haslithales am besten singen, freundlichen Zuvorkommenheit doch zurück­ Ebel warnt übrigens aus eigener schlechter und sie kommen, wenn sie wissen, dass Frem­ haltende Wesen, das sich plumper Zudringlich­ Er­fahrung: «Man accordiere jedes Mal mit den de im Wirtshaus sind, zu halben Dutzenden keit bestimmt entzieht. Schiffleuten für eine Fahrt, bezeichne zum Vor­ und fragen: ob sie eins singen sollen? Ein paar

282 Elisabeth wurde 1794 in Brienz geboren als eines von elf Kindern von Heinrich Grossmann und einer Grindelwaldnerin. Über die Dorfgren­ zen hinaus bekannt wurden auch zwei ihrer Schwestern; Katharina heiratete den Schnitz­ lerpionier Christian Fischer, und Anna den Meiringer Hotelier Gabriel Baud, mit dem zu­ sammen sie den berühmten «Wilden Mann», das spätere «Sauvage», betrieb.

Die Grossmannkinder wuchsen in kleinbäuer­ lichen Verhältnissen auf, besuchten aber im­ merhin im Winter die Schule beim sanges- freudigen Schulmeister Kehrli. Die auffallend hüb­sche Elisa­beth beeindruckte schon sehr früh ausländische Gäste, was dazu führte, dass ihr ein russischer Baron einen einjährigen Auf­ enthalt in einem Erziehungsinstitut in Bern er­ möglichte. Danach kehrte sie wieder nach Brienz zurück, wo ihre Hilfe in der grossen Fa­ milie mit noch kleinen Kindern gebraucht wurde.

Zusammen mit Freun­dinnen gehörte sie zu den Mädchen, die fremde Besucher auf dem See herum oder gelegentlich bis zum Giessbach hinüber ruderten, sie unterwegs mit Volkslie­ dern erfreuend. Als Neunzehnjährige begegne­ te sie im «Bären», wo sie mit anderen Mädchen für die Gäste sang, einem jungen Neuenburger Theologen, der von der reizenden Brienzerin ausserordentlich beeindruckt war. Schon ein Jahr später tauchte er wieder in Brienz auf und machte der schönen Schifferin ernsthaft den Hof und, bevor er abreiste, eine regelrechte Liebeserklärung. Er versprach, ihr zu schreiben, und tatsächlich entwickelte sich zwischen Pro­ fessor François Pettavel, der seit 1813 am Gym­ n­asium Neuenburg als Lehrer für alte Sprachen wirkte, und dem einfachen Brienzermädchen Emanuel Locher (1769–1840): Elisabeth Grossmann. La belle Batelière de Brienz, dédiée au souvenir agréable des voyageurs en Suisse. ein Briefwechsel, der noch erhalten ist.

283 Im April 1815 besucht Pettavel die Familie sei­ Zwei Jahre lang verkaufte Elisabeth nun im führte aber bald zu Schwierigkeiten mit der ber­ ner geliebten Elisabetha, wie sie sich nun nennt, Magazin ihres Mannes Reiseandenken. Das nischen Obrigkeit, die sehr darauf bedacht war, hält dort um ihre Hand an und schreibt von Ge­schäft florierte; die «Belle Batelière» zog, wie dass Fremde nicht übervorteilt wurden. Geld­ Brienz aus seiner Mutter, er werde sich am von Ritter vorausgesehen, immer noch Kunden bussen und Anprangerungen in Zeitungen scha­ nächsten Tag verloben und das auch in Neuen­ an. Nach zwei Jahren übernahm das Ehepaar deten dem Ruf des Gasthauses. Das führte burg publik machen. als Pächter das Gasthaus «Zum Gemsbock» in dazu, dass Ritter die Pacht in Grindelwald auf­ Grindelwald, und auch hier profitierte das Ge­ gab und 1823 in Unterseen das renommierte Pettavels verwitwete Mutter und seine weitere schäft noch vom Ruhm der ehemaligen Schif­ Stadthaus übernahm, samt einem Magazin mit Familie versuchten unverzüglich alles, um diese ferin, soll doch ihr Ruf sogar den der vielbewun­ Brienzerschnitzereien. Elisabeth übte nach wie Mesalliance zu hintertreiben. Gegen die Person derten Gletscher übertroffen haben! Noch als vor eine gewisse Anziehungskraft auf die Besu­ der Verlobten ihres Sohnes hatte die Mutter Dreissigjährige, berichten Zeitgenossen, fiel sie cher des Bödelis aus; ihr persönliches Schick­ zwar nichts einzuwenden; aber einer unstandes­ durch ihre anmutige Schönheit auf. sal jedoch gestaltete sich zusehends bitterer. ge­mässen Heirat von François wollte sie nicht Sie liess sich von ihrem Mann scheiden, da zustimmen; die Verbindung des Sprosses einer Die Geldgier Ritters, der vermögende Gäste oft dieser wegen wiederholter Verstösse gegen vornehmen Neuenburgerfamilie mit einem ein­ mit weit überrissenen Rechnungen schröpfte, obrigkeitliche Weisungen und wegen Betrüge­ fachen, ungebildeten Brienzermädchen kam gar nicht in Frage! So wurde denn das Verlöbnis wieder gelöst, was dem Professor übrigens nicht sehr nahe zu gehen schien, ganz im Ge­ gensatz zu Elisabetha.

Diese ist todunglücklich und findet auch keinen Trost, weder an den brieflichen Rechtfertigun­ gen ihres Freundes, noch an der Überweisung von 800 Franken, die mit der Forderung auf Rückgabe der Briefe verbunden ist, die Pettavel ihr ge­schrieben hat.

Die beiden haben sich nie mehr gesehen; der Professor heiratete später eine zu ihm passen­ de Neuenburgerin, und Elisabeth Grossmann schon kurz nach der schmerzlichen Enttäu­ schung den Kaufmann Peter Ritter von Unter­ seen, einen un­steten Menschen, dem es wohl vor allem da­rum ging, aus dem weitbekannten Namen seiner Frau Kapital zu schlagen. Die Hochzeit mit vielen vornehmen Gästen fand im Sommer 1816 statt.

Eines der Giessbachlieder aus dem Repertoir der Brienzer Schifferinnen.

284 reien gebüsst und sogar ins Gefängnis gesteckt früher in weiten Kreisen bekannte schöne Eine neue Zeit – die Dampfschifffahrt wurde. Unerklärlicherweise nahm sie die Bezie­ Schifferin habe eine zahlreiche Nachkommen­ Schon zu Lebzeiten von Elisabeth Grossmann hung zu Ritter nachher wieder auf, bis dieser schaft hinterlassen und sei in nicht eben glän­ begann mit der Inbetriebnahme des DS hoch verschuldet 1838 starb. Ein Jahr später zenden Verhältnissen ge­storben. GUILLAUME TELL auf dem Genfersee (1823) schloss sie eine zweite Ehe mit dem Brienzer das Zeitalter der Dampfschiffe in unserem Peter Michel, der in Zweilütschinen wirtete. Es liegt eine tiefe Tragik über dem Leben dieser Land. Ein Jahr später durchpflügte der erste zeitweiligen Kultfigur der Fremdenindustrie am Raddampfer den Bodensee, und in den Dreis­ Nach zwölf Jahren schon wird sie wieder Brienzersee. Ein Unmass von Enttäuschungen sigerjahren setzte sich das neue Transportmit­ Witwe. Sie ist nun 58-jährig und nur noch ein begleitete den Abstieg von den Höhen all­ge­ tel auch auf den übrigen Seen durch. Schatten der einstmals gefeierten schönen meiner Bewunderung und buchstäblich euro­pa­ Schifferin. In Interlaken übernimmt sie noch weiter Bekanntheit zur kaum noch beachteten Die Dampfschifffahrt auf dem Brienzersee eine kleine Gastwirtschaft und tröstet sich mit Schenkenwirtin. Dass Elisabeth das durchge­ entwickelte sich vor allem dank den Brüdern der Lektüre religiöser Bücher über die Vergäng­ standen hat, neben einem unwürdigen Gatten Knechtenhofer von Thun. Diese unternahmen lichkeit irdischer Freuden und Güter. Ihr Tod am und der Sorge für ihre vielen Kinder nicht zu mit dem von einer Fabrik in Paris gebauten 20. März 1858 hinterlässt nur wenig Spuren. verzweifeln, zeugt von menschlicher Grösse Dampfschiff BELLEVUE im Jahr 1835 Fahrten Der «Oberländer Anzeiger» meldet lediglich, die der «Belle Batelière de Brienz». zwischen Thun und Neuhaus – Unterseen. Das neue Verkehrsmittel, das bald die langsamen Ruder- und Segelboote verdrängte, die bisher den Transport von Personen und Waren auf dem Thunersee besorgt hatten, wurde schon im ersten Jahr rege benützt und versprach, ein gewinnbringendes Geschäft zu werden. Diese vielversprechenden Aussichten des knechten­ hoferschen Unternehmens bewogen David Gottlieb Matti, der im Kienholz den Gasthof «Bellevue» gekauft hatte, auch auf dem Brien­ zersee ein solches Schiff einzusetzen.

Er erwarb von einem Engländer das kleine Dampfschiff L’ECHO, das auf dem Genfersee verkehrte, und brachte es nach einem abenteu­ erlichen Transport auf einem von 26 Pferden gezogenen Wagen zum Brienzersee. Auf sei­ nem Land, das sich vom Hotel bis zum See hinunterzog, wurde am Ufer ein Steg gebaut, damit die Reisenden auch gleich in der Nähe seines Gasthofes ein- und aussteigen konnten. Diese Ländte blieb bis 1843 und wurde dann Das «Schiff Matti» verkehrte unter vier verschiedenen Namen! Es wurde 1838 erbaut für den Genfersee und hiess nach Tracht verlegt, wo schon seit langem eine zuerst «Echo»; von 1839 bis 1843 fuhr es als «Giessbach» auf dem Brienzersee, von 1843 bis 1846 auf dem Thunersee als «Schiff Matti» und schliesslich als «Helvetia». Sust zum Warenumschlag bestand.

285 Gegen die Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Brienzersee hagelte es übrigens Proteste bei der Berner Regierung; neben den Schiffleu­ ten, die mit Recht um ihre Existenz fürchteten, meldeten auch die Gemeindebehörden Beden­ ken an aus Sorge, das Dorf könnte durch Fun­ kenwurf in Brand geraten. Die Regierung wollte Dampfschiffe allerdings nicht verbieten, doch hatte Matti Sicherheitsmassnahmen zu treffen, welche eine mögliche Brandgefahr weitgehend verhindern sollten.

Im Frühjahr 1839 war es dann so weit; Mattis GIESSBACH, wie er sein Schiff umgetauft hat­ te, nahm den Betrieb auf zwischen Kienholz und Interlaken, mit einem Halt beim Giessbach. Die Spekulation des Bellevue-Hoteliers und Hobbykapitäns Matti auf die Anziehungskraft der berühmten Wasserfälle, die eine ständig wachsende Schar von Besuchern anlockten, schien aufzugehen, gedieh doch das Unterneh­ men anfänglich wie gewünscht. Dampfschiff «Lötschberg», das letzte Dampfschiff auf unserem See.

Mit zum Erfolg trug auch der ehemalige Schul­ meister Kehrli bei, der sich seit seinem Rücktritt 1857. (Nach einem Umbau diente es später Die Turbulenzen um die Schifffahrt auf dem ganz dem kleinen Gasthof auf der Giessbach­ noch als Schleppkahn auf dem Thunersee, bis Brienzersee fanden mit dem Rückzug Mattis matte widmen konnte, wo er den Fremden es in einem gewaltigen Sturm 1864 vor Ober­ keineswegs ein Ende. Im Jahr 1856 nahm Con- nicht nur Erfrischungen und geschnitzte An­ hofen versank.) Da Matti befürchtete, mit seinem rad von Rappard, der am Giessbach ein Hotel denken verkaufte, sondern sie immer noch mit Schiff der Konkurrenz durch das DS FAULHORN hatte errichten lassen, einen eigenen Schrau­ Alphornweisen erfreute. Der Erfolg Mattis ent­ nicht begegnen zu können, überführte er sei­ bendampfer in Betrieb, der fahrplanmässig ging natürlich den Gebrüdern Knechtenhofer nen Dampfer GIESS­BACH kurzerhand auf den nach Interlaken und nach Brienz fuhr. Dieses nicht. Sie gründeten mit Leuten, die auch vom Thunersee! Dort verkehrte das SCHIFF MATTI, Schiff, auch GIESSBACH genannt, erwies sich Dampfschifffieber angesteckt waren, im Jahre wie es nun hiess, zwischen Thun und Neuhaus aber als Fehlkonstruktion und wurde schon ein 1842 die «Vereinigte Dampfschifffahrtsgesell- und suchte dem DS NIESEN der VTB das Was­ Jahr später abgebrochen durch die VTB, die schaft für den Thuner- und Brienzersee», abge­ ser abzugraben, bis diese Gesellschaft 1846 unterdessen die Giessbachbesitzung gekauft kürzt VTB. Bereits im folgenden Winter verleg­ den lästigen Spielverderber aufkaufte und als hatte. Als Er­satz diente das Dampfschiff ten sie die BELLEVUE auf den Brienzersee, HELVETIA weiterbetrieb. Matti aber hatte von INTERLAKEN, er­baut 1857 von Escher-Wyss in selbstverständlich nicht zur Freude Mattis! Das seinen Seeabenteuern genug und widmete sich Zürich. Die gleiche Firma lieferte zwei Jahre Schiff erhielt neu den Namen FAULHORN und fortan seinem Hotel im Kienholz und dem Wein­ später noch einen weiteren Dampfer, den drit­ versah den Dienst auf dem Brienzersee bis handel. ten mit dem Namen GIESSBACH.

286 während das DS OBERLAND bereits 1925 ausser Dienst gestellt wurde.

Das Aufkommen der Dampfschiffe hatte natür­ lich sehr unliebsame Folgen für die Ruder­ knechte, die bisher mit ihren Lastkähnen die Warentransporte zwischen Brienz und Interla­ ken besorgt hatten. Sie wurden fast von einem Tag auf den andern arbeitslos, sofern sie nicht eine andere Anstellung fanden, wozu sich im Tourismusgeschäft immerhin verschiedene Mög­lichkeiten anboten. Weniger betroffen wa­ ren anfänglich die Aktivitäten der Schifferinnen; bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts ru­ derten sie nach wie vor fremde Gäste zum Giessbach hinüber oder führten sie vor dem Dorf spazieren.

Zur Sicherheit der Besucher erliess der Ge­ meinderat übrigens Vorschriften und ordnete u.a. eine jährliche Kontrolle der Betriebstaug­ Das alte Dampfschiff «Oberland» mit den charakteristischen Zeltplanen (um 1880). lichkeit der Ruderboote durch einen Fachmann an. Weiterhin fehlten auch nicht die Gesangs­ darbietungen mehr oder weniger hübscher Sowohl der «Inderlächler» wie der «Giessbäch­ für den Brienzer­see in Auftrag gab. Der Streit Brienzerinnen, die allerdings nicht bei allen ler» zogen fast 100 Jahre ihre Furchen in den zwischen der VTB und dem erwähnten Konkur­ Zuhörern auf eitel Wohlwollen stiessen, da sie Brienzersee, was nur möglich war dank gutem renzunternehmen wurde dann aber friedlich oft zu nur schlecht ge­tarnter Bettelei verkamen. Unterhalt, regelmässigen Überholungen und beigelegt, indem die «Oberländische Dampf­ So schreibt der deutsche Reiseschriftsteller verschiedenen Änderungen. schifffahrts-Gesellschaft» sich auflöste, ehe sie Woldemar Kaden um 1880: «Früher empfing überhaupt den Betrieb aufgenommen hatte. den Besucher vor seinem schlichten Holzhaus Die VTB bevorzugte, wie rings um den Brien­ Den bestellten Salondampfer übernahm die der Schulmeister Kehrli mit dem frischen Ge­ zersee immer wieder beklagt wurde, vor allem VTB unter dem Namen OBERLAND. Er ver­ sang seiner wohlgeschulten Kinder. Jetzt em­p- die Anliegen des unteren Sees, was weiter nicht stärkte die kleine Brienzer­seeflotte ab dem Jahr fangen den mit dem Dampfschiff Landenden in erstaunt, da das Hauptverkehrsaufkommen und 1870. Der weiter aufblühende Fremdenverkehr, der Wartehalle am See einige verblühte, abge­ damit auch der grösste Teil der Einnahmen von der auch durch den Deutsch-Französischen sungene Dorfjodlerinnen, auf den Gewinn dres­ der Schifffahrt auf dem Thunersee herrührten. Krieg von 1870/71 nur unwesentlich beein­ siert, wie so vieles im Berner Oberland.» Die stiefmütterliche Behandlung des oberen trächtigt wurde, machte bald den Einsatz eines Sees führte 1869 sogar zur Gründung einer weiteren Schiffes auf dem Brienzersee nötig. Wir können durchaus Entsprechungen zur heu­ «Oberländischen Dampfschifffahrts-Gesell­ 1871 wurde das DS BRIENZ vom Stapel gelas­ tigen Zeit feststellen, wenn in vielen Berichten schaft», die auch gleich einen Salondampfer sen. Dieses Schiff befuhr den See bis 1956, von damaligen Zeitgenossen und auch Behör­

287 den bedauert wird, dass der Tourismus nicht für die Vergrösserung des Angebots, und 1901 BERG dem Verkehr übergeben wurde – zum unbedingt zur Hebung der Sittlichkeit und des brachte das Mo­torschiff MERCUR eine wesent­ denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, wie sich so­ allgemeinen Wohlstandes beigetragen habe. liche Verbesserung und Beschleunigung des gleich zeigte. Der Kriegsausbruch setzte allen Neben einer Minderheit, die ohne Zweifel vom Güterverkehrs, was sich aufdrängte, da zu der Hoffnungen auf einen sich günstig entwickeln­ Fremdenverkehr profitierte, lebten viele Dorf­ Zeit eine Brienzerseebahn wohl geplant, aber den Fremdenverkehr ein jähes Ende. Der Strom leute in sehr armen Verhältnissen, und es ist noch nicht ge­baut war. der Ferien­gäs­te versiegte, Kohlemangel erzwang be­greiflich, dass sie sich auch ein Stück vom zeitweise sogar die Stilllegung von Schiffskur­ «Touristenkuchen» abzuschneiden wünschten. Eine wichtige Änderung der Besitzverhältnisse sen, und zu allem Unglück für den Schiffsver­ Das führte dann oft und bedauerlicherweise zu erfolgte 1913, indem die «Vereinigte Dampf­ kehr auf dem Brienzersee kam 1916 noch die Be­läs­tigungen der Fremden durch aufdringli­ schifffahrtsgesellschaft für den Thuner- und Eröffnung der Bahnlinie zwischen Brienz und ches Anbieten von Blumen, Reiseandenken Brienz­ersee» zusammen mit der Thunersee­ Interlaken, was den Güterverkehr auf dem See verschiedenster Art und Dienstleistungen, die bahn von der Berner Alpenbahngesellschaft schlagartig zum Erliegen brachte. niemand begehrte. Besonders übel wurden die Bern – Lötschberg – Simplon (BLS) übernom­ Besucher des Giessbachs von Händlern und men wurde. Seither gehört der Schifffahrtsbe­ Das Güterschiff MERCUR wur­de nicht mehr Bettlern heimgesucht; das unerfreuliche Treiben trieb auf den beiden Oberländerseen der BLS. benötigt und ging 1918 im Tausch gegen das artete schliesslich so aus, dass der Gemeinde­ Motorschiff MARS auf den Vierwaldstättersee. rat einschreiten musste. Die erfreuliche Entwicklung der Schifffahrt hielt Als MS ISELTWALD fuhr dieses Schiff auf dem an bis zum unerwarteten Ausbruch des 1. Welt­ Brienzersee besonders in verkehrsschwachen Nicht zuletzt dank dem Bau neuer Bahnlinien krieges im Sommer 1914. Nachdem 1911 fast Zeiten bis zum Verkauf an einen Privatmann setzte sich die touristische Entwicklung unge­ eine halbe Million Passagiere auf dem Brienzer­ 1969, der das Schiff auf dem Murtensee ein­ bremst fort. So brachte die neue 1888 eröffnete see befördert worden waren, erstaunt es nicht, setzte. Brüniglinie einen vermehrten Zustrom von Tou­ dass 1914 noch der Salondampfer LÖTSCH­ ris­ten, da diese eine schnelle Verbindung zwi­ schen dem Vierwaldstättersee und dem Berner Oberland herstellte; eine Verbindung, die dem Reisenden erlaubte, ohne grossen Zeitaufwand gleich beide Regionen zu besuchen.

In diese Hochblüte des Fremdenverkehrs fallen auch die Eröffnung der Brienz Rothorn Bahn und der Berner Oberland Bahnen (BOB). Diese er­bauten beim Zollhaus, heute Interlaken Ost, einen neuen Bahnhof. Damit verbunden war auch die Wiederaufnahme des Schiffsverkehrs auf der Strecke Interlaken – Bönigen. Die stän­ dig zunehmende Zahl der Reisenden, welche das Berner Oberland besuchten, erheischte auch auf dem Brienzersee neue Transportmit­ tel. Ab 1898 sorgte das DS JUNGFRAU mit einem Fassungsvermögen von 500 Personen Bildlegende siehe Seite 289.

288 Die im Gefolge des 1. Weltkrieges sich abzeich­ zer Frankens 1936 einige Erleichterungen und nende und in den Dreissigerjahren voll ausbre­ trug zur Wiederbelebung des Tourismus bei, chende Weltwirtschaftskrise hatte verheerende doch wurden die Hoffnungen schon bald wie­ Zwei alte Brienzer Hotels in der 2. Hälfte des 19. Jahrhun- Auswirkungen auf den Fremdenverkehr und vor der zunichte gemacht durch den Ausbruch des derts: Oben der «Bären» und links das «Bellevue» im allem auf die Schifffahrt auf den Oberländer 2. Weltkrieges (1939 –1945). Kienholz, das ab 1863 der Familie Hamberger gehörte, die am See ein Labor zur Herstellung von Feuerwerk betrieb. Seen. Wohl brachte die Abwertung des Schwei­

289 Tracht um 1895 mit Dampfschiff «Giessbach».

290 Die Brienzerseeflotte wird modernisiert stellen. Die veralteten, im Betrieb zu aufwändi­ heutigen Ansprüchen entsprechende Renova­ Die Nachkriegszeit war gekennzeichnet durch gen Raddampfer INTERLAKEN und JUNG­ tion; zur Verfügung stehen nun 90 Plätze, das ein gewaltiges Wirtschaftswachstum, das auch FRAU, soweit sie nicht schon stillgelegt waren, sind 30 mehr als vorher. Im Winter 2000/2001 den Tourismus erfasste. Der Verkehr in jeder wurden aus dem Verkehr gezogen und abge­ wurde der Brienzerseedampfer Lötschberg Form schwoll an und erforderte neue Lösun­- brochen. Erhalten blieb zum Glück der Rad­ nach Vorgaben der Denkmalpflege renoviert gen und Einrichtungen. Die Schifffahrt auf dem dampfer LÖTSCHBERG, Prunkstück und Stolz und erhielt 2008 dafür vom Internationalen Rat Brien­zersee erwies sich als veraltet und unwirt­ der Brienzerseeflotte, nach einer Umstellung für Denkmalpflege ICOMOS die «Besondere schaftlich. Ja, es stellte sich sogar die Frage, von Kohlen- auf Ölfeuerung, was auch eine Auszeichnung 2008». ob der Betrieb nicht eingestellt werden sollte, Reduktion der Besatzung erlaubte. da seit Jahren nur Defizite angefallen waren. Zu unserer Übersicht über die Brienzerseeflotte Gegen einen solchen Abbau wehrten sich na­ 1969 erfolgte der Ersatz des nur 90 Personen sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, türlich die Gemeinden rund um den See und Platz bietenden MS ISELTWALD durch ein neu­ dass 1949 das MS MORGARTEN vom Thuner- weitere am Tourismus interessierte Kreise, weil es, grösseres Motorschiff gleichen Namens, auf den Brienzersee verschoben und dort als damit ein tragender Pfeiler der regionalen Wirt­ das nun 250 Personen aufnehmen konnte bei HARDER zur Entlastung des «Iseltwaldnerlis» schaft eingestürzt wäre. Sie erklärten sich einer Besatzung von ebenfalls nur zwei Mann eingesetzt wurde. Später diente es für som­ bereit, die Erneuerung der Brienzerseeflotte wie beim alten Schiff. Im Winter 1992/ 93 wurde merliche Rundfahrten ab Brienz und nach finanziell zu unterstützen. Mit dieser Rücken­ das Schiff dann noch um 3,5 m verlängert, wo­ Bedarf für Ausflüge von Gesellschaften. Die deckung liess die BLS darauf 1950 das MS mit sich das Fassungsvermögen auf 300 Per­ bedeutendste Verstärkung erfuhr die Brienzer­ ROTHORN und 1956 das MS INTERLAKEN er­ sonen erhöhte. Der Innenraum erfuhr eine den seeflotte durch die Inbetriebnahme des 1981

Das ausgemusterte, nach Holland verkaufte Warum nicht? Die im Ethno-Look herausgeputzte alt-neue «Jungfrau» anlässlich der 2. Jungfernfahrt am 22. April 1999. Motorschiff «Rothorn».

291 in der Bodanwerft in Kressbronn gebauten Teil des wichtigen und einträglichen Handels­ Die von einem obrigkeitlichen Ausschuss und modernen Motorschiffs BRIENZ. Es weist als weges über die Grimsel ins Wallis und weiter der Landschaft Hasli ernannten und vereidigten einziges auf unserem See drei Decks auf, die über den Griespass ins Pomat und die Lombar­ Landkarrer hatten allerlei Auflagen zu erfüllen. 1000 Personen fassen, mehr als der Salon­ dei. Die von Säumern auf Pferden und Maultie­ Verlangt wurde Gewissenhaftigkeit, Einsatz­ dampfer LÖTSCHBERG: Damit kann problem­ ren ausgeführten Güter bestanden zur Haupt­ möglichkeit und der Besitz von mindestens zwei los auch ein Grossandrang von Ausflüglern sache aus Vieh, Käse, Leder und Eisenwaren, guten, mit Blachen und Harztüchern ausgerüs­ bewältigt werden, wie er sich an be­sonders und auf dem Rückweg führten die Kaufleute teten Fuhrwerken. Erwartet wurde, dass der schönen Sommer- und Herbsttagen einzustel­ Wein, Reis, Gewürze, Glaswaren u.a. mit sich. Transport rasch und ohne Beschädigung der len pflegt. Der Um­schlag der über den See kommenden Ware abgewickelt werde, wobei Güter in die und abgehenden Güter erfolgte während Jahr­ Ferne und Lebensmittel bevorzugte Behand­ Ausgemustert und nach Holland verkauft wur­ hunderten im Kienholz, ungefähr in der Gegend lung erfuhren. de das bald fünfzigjährige MS ROTHORN. Der des heutigen «Labrators». Dort befand sich eine Ab­gang dieses Schiffes wurde wettgemacht Schiff­ländte, verbunden mit einer Sust, gemein­ Willkürlichen Forderungen der Karrer beugte durch die Verlegung der über vierzigjährigen sam unterhalten von Hasli und Brienz. Ab 1594 die Regierung vor durch genau festgelegte Fuhr­ JUNGFRAU vom Thuner- auf den oberen See. übernahmen die Brienzer den Unterhalt allein löhne, die z.B. um die Mitte des 18. Jahrhun­ Nachdem das zerlegte Schiff in einem aufwän­ und durften dafür einen Sustlohn für gelagerte derts für die Strecke Tracht – Meiringen oder digen Transport in die Werft in Interlaken Ost Waren erheben, der damals einen Kreuzer für umgekehrt folgende Ansätze erreichten: gebracht und dort instandgestellt worden war, eine Ross­last betrug. Die Beförderung von Gü­ 1 Saum Wein, konnte es im Sommer 1999 auf dem Brienzer­ tern sowohl auf dem See wie zwischen Brienz 1 Mütt Kernen oder Roggen 5 Batzen see eingesetzt werden. und Meiringen unterlag Bestimmungen, welche 1 Zentner Käse die Rechte und Pflichten aller am Handels­ oder anderes Fahrgut 3 Batzen Mit der laufenden Erneuerung der Brienzersee­ verkehr Beteiligten umschrieben. Ein erstes 1 Lagel Wein 3 Batzen flotte leisten die BLS einen wichtigen Beitrag Abkommen zwischen Bern, Wallis und dem 1 Fässli Salz 10 Batzen im Dienst der oberländischen Wirtschaft. Es ist Pomat (Val Formazza) befasste sich schon daher durchaus angebracht, dass Brienz mit 1397 mit dem Säumerwesen nach der Lombar­ Dieser Tarif ermässigte sich beim winterlichen den anderen Seegemeinden und weiteren am dei. Im 17. Jahrhun­dert erfolgte die Beförde­ Schlittentransport ungefähr um ein Fünftel. Fremdenverkehr interessierten Kreisen sich an rung von Kaufmannsgütern zwischen Brienz den Kosten beteiligt. Ein zugkräftiges Verkehrs­ und Meiringen mit Fuhrwerken oder Schlitten Eine Unzahl von Verordnungen, Abkommen angebot ist unerlässlich, um einer vom Touris­ durch die sogenannten Landkarrer. und Vereinbarungen über Fahrzeiten, Unterhalt mus abhängigen Gegend immer wieder neue der Strasse, Sust und Ländte, über Gebühren, Gäste zuzuführen. Wegen der durch den Lammbach und Schwan­ Zölle und Abgaben aller Art regelten nicht nur derbach immer wieder angerichteten Verhee­ den Karrerdienst, sondern das nicht immer Karrwege und Strassen rungen und Überschwemmungen wurden um reibungslose Verhältnis zwischen Haslern und Damit stand es lange Zeit nicht zum Besten, da diese Zeit Schiffländte und Sust nach Brienz- Brienzern und zur Regierung. für den lokalen Verkehr die nur spärlich benütz­ Tracht verlegt. Die Schiffleute waren aber ver­ ten und meist schlecht unterhaltenen Wege zu pflichtet, wenn die Kienholzlauenen unpassier­ Wie nötig die Zusammenarbeit der Strassen­ den Nachbardörfern durchaus genügten. bar war, die Fracht bis zur Einmündung der benützer war, zeigte sich immer wieder bei den Aare oder sogar ein Stück flussaufwärts zu häufigen Überschwemmungen, die nach und Eine Ausnahme machte seit alter Zeit schon die bringen und sie dort den Karrern zu übergeben. nach zu einer Versumpfung eines grossen Teils Verbindung mit Meiringen. Diese Strasse war des Aarebodens geführt hatten.

292 Durch die ge­waltige Wassernot von 1762 wurde Ein rentabler Kutschenbetrieb von Brienz nach Alpnachstad. Die neue Ver­ die Strasse beispielsweise so in Mitleidenschaft Weniger wichtig als die Strasse nach Meiringen bindung zwischen der Innerschweiz und dem gezogen, dass sie streckenweise neu angelegt nahmen die Brienzer lange Zeit den Brünig. Das Berner Oberland erfreute sich bald regen werden musste. Auch zur Zeit der Helvetik wa­ ist verständlich, da er verkehrsmässig und wirt­ Zuspruchs; die Postkutschen waren meist so ren die von Brienz zu unterhaltenden Strassen schaftlich von geringerer Bedeutung war. Dazu ausgelastet, dass die fahrplanmässigen Kurse oft in einem beklagenswerten Zustand. Das geht kam, dass der Weg über das Gebiet von Hof­ durch Beiwagen der örtlichen Kutscher ergänzt etwa hervor aus einem Schreiben vom August stetten und Brienzwiler führte, Ausbau und Un­ werden mussten. Bis zur Eröffnung der Brünig­ 1802, das der Statthalter des Distrikts Brienz an terhalt mithin die Brienzer nur ganz am Rande bahn wurden jährlich gegen 25 000 Reisende die Munizipalität (Gemeinderat) richtete. Es sei betraf. Immerhin bestand bereits anfangs des befördert, und die Strecke war damals der hier im Original zitiert, weil es nicht nur den Zu­ 19. Jahrhunderts eine Fusspost über den Pass einzige Kutschendienst der Schweizerischen stand der da­maligen Brienzer Hauptstrasse be­ nach Luzern, die dreimal wöchentlich verkehr­ Postverwaltung, der einen Gewinn abwarf. leuchtet, sondern auch einen Seitenblick auf te. Einen Karrerdienst wie zwischen Brienz und den Zustand der bernischen Landschulen um Meiringen gab es nicht; für Warenbeförderung Die Seestrasse 1800 erlaubt: boten sich aber private Pferdebesitzer an. Lange vernachlässigt, wie aus der angeführten Beschwerde des Statthalters hervorgeht, war In den Jahren 1857– 62 erfolgte dann der Aus­ auch die Seestrasse nach Ebligen und Interla­ «Bürger und Freunde, Bei der Letzten besichtigung der Strassen welche bau des Brünigweges zu einer Fahrstrasse, und ken. Dies braucht nicht zu verwundern; weder der Kirchgemeinde Brienz zu machen, und zu unter­ schon 1861 fuhr erstmals ein Postwagenkurs Brienzer noch Interlakner Schiffleuten lag auch halten Obligen fand ich vorzüglich einiche davon so schlecht, dass sie sich unmöglich Lenger in solchen Verfall lasen könen, ich wie­der­hole daher mein schon oftere Schrift, und Mündtlich Ansuchen, diesmahl noch dahin, dass Ihr solche Anstalten treffen werdet, dass für diesmahl wenigstens die Strassen von Tracht, bis unter den Balenberg, mit einbegrif der Faulbach Brüg und die Gurgen Blaten die wirklich gefarlich für das Fuhrwesen aussehen, ferners die Strassen von Brienz gegen Ebligen, bis Lengstens am Nechst könftigen Samstag in guten und brauch­ baren Stand gestelt werden, wo nicht ich genothiget bin, diesen Strafflichen Ungehorsam, einer Oberbe­ hörde, anzuzeigen, welches den nach Theillige und unbeliebige Mas reglen nach sich ziehen könten. Gruss und Freundschaft der Unterstatthalter sig. Fischer

Eine entschiedene Verbesserung der Strassen­ verhältnisse im Haslital erfolgte nach der Ent­ sumpfung des Talbodens; die Hauptstrasse, frü­her oft überschwemmt, lief nun ungefährdet ne­ben der begradigten und eingedämmten Aare her von Meiringen bis zur Wylerbrücke. Die letzte Brünigpost vor dem Postbüro im «Hotel Weisses Kreuz» (Museum für Kommunikation Bern).

293 nur das Geringste an einer für Fuhrwerke taug­ lichen Landstrasse, die ihnen das Transport­ monopol entzogen hätte. Viele Ruderknechte fanden auf dem See regelmässigen und guten Verdienst; Güterverkehr auf dem Landweg hätte diesen nur schmälern können. Es kam dazu, dass für den Verkehr zwischen den Dör­ fern am rechten Seeufer kein grosses Bedürfnis bestand; ein mehr oder weniger erhaltener Fussweg genügte durchaus. In einem noch aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gutachten wird denn auch festgehalten, die Landstrasse von Interlaken nach Brienz sei zum Teil völlig ruiniert, zum Teil von eigennützigen Anstössern so verengt worden, dass kaum mehr Fussgän­ ger durchkämen. Die Dorfschaften, so schlug der Gutachter der Regierung vor, sollten ange­ wiesen werden, die Landstrasse wieder herzu­ stellen und sie wenigstens «für Vych und Pferdt brauchbahr zu machen». Vorgeschlagen wurde auch eine Verbreiterung auf 8 –10 Schuh und Wegstück der alten Verbindung Brienz – Interlaken bei Dittligen (Brienz West). die Absicherung gefährlicher Stellen mit starken Abschrankungen. seite der Kirche, sondern führte nördlich der gen Tafeln anbringen mit der Aufschrift: AUTO­ Der eigentliche, ungefähr der heutigen Linien­ Kirche durch. Dem Bau der Uferstrasse vom MOBIL LANGSAM! Ausserorts galt damals üb­ führung entsprechende Ausbau zu einer Fahr­ Friedhof bis zum heutigen «Löwen» stand die rigens die Höchstgeschwindigkeit von 25 strasse erfolgte in verschiedenen Etappen von Mühlebachsäge im Wege, weshalb diese 1849 Stundenkilometern, im Dorf betrug sie 8 km/h! 1846 an und zog sich hin bis in die Sechziger­ dem Besitzer Kaspar Eggler von der Einwoh­ Der Widerstand gegen die neuen, ungewohn­ jahre. Mit eingeschlossen war auch die Dorf­ nergemeinde abgekauft wurde. ten Vehikel hielt lange an; noch 1922 schrieb ein strasse, für die eine Breite von 16 Fuss vor­ aufgebrachter Brienzer in der Dorfzeitung fol­ gesehen wurde. Der Widerstand gegen die Die Autos kommen gende, weniger von Sachlichkeit als gehässiger Land­verbindung mit Interlaken war erloschen, Ganz neue Strassen- und Verkehrsprobleme Übertreibung diktierte Jeremiade (Klage): da seit 1839 Dampfschiffe auf dem Brienzersee ergaben sich um die Jahrhundertwende mit verkehrten, die den Ruderknechten buchstäb­ dem Aufkommen von Motorfahrzeugen. Bereits «Wie noch in keinem Sommer wird unser Dorf lich das Wasser abgegraben hatten. 1902 weiss die Lokalzeitung «Der Brienzer» zu mit den umliegenden Ortschaften von der berichten von «rasenden Automobilisten», die Plage der Autos und Motorräder schwer heim­ Die neue Strasse verhalf Brienz übrigens zum das Leben von Kindern und Erwachsenen ge­ gesucht. Vom frühen Morgen bis in die späten heutigen westlichen Dorfeingang. Wie Darstel­ fährden und Pferde so er­schrecken, dass sie Nachtstunden sausen in rasendem Flug diese lungen zeitgenössischer Kleinmeister zeigen, durchbrennen. Der Gemeinderat nimmt sich modernen Fuhrwerke durch unsere einzige, verlief die alte Landstrasse nicht auf der See­ der Sache an und lässt an beiden Dorfeingän­ enge Dorfstrasse in kaum unterbrochener

294 Plan von 1860 mit projektierter «Seestrasse», angeschnittener Säge, den Grundmauern der Feste der Herren von Brienz und Ringgenberg sowie der Kirche, dem Pfarrhaus mit angeschnittenem Garten und der damaligen Ländte zum Pfarrhaus. Quelle: Staatsarchiv Bern, BBX2231

Reihenfolge. In­sonderheit sind es die schwe­ dazu nicht die nötige Kompetenz besitzen, so lange als be­staunenswert. Dass Automobilisten ren, rasselnden Motorräder, die ohne jegliche sollen die Bewohner unserer Dorfschaft zur keine Narrenfreiheit genossen, geht übrigens Rücksicht auf die Bewohner unseres Dorfes Selbsthilfe greifen, wie dies auch in anderen auch aus dem ihnen auferlegten Sonntagsfahr­ im Dienste eines Wettrennens, oder aus purer Ortschaften geschieht.» verbot hervor, das erst 1923 aufgehoben wurde Sportlust unser Dorf durchjagen mit einer auf Betreiben von Kreisen, die am Tourismus solchen Rücksichtslosigkeit, dass man sich nur Starker Tabak! So lebensgefährlich war es zum interessiert waren. verwundern muss, dass nicht schon längst die Glück nicht, wie der damals sechsjährige schwersten Unglücksfälle vorgekommen sind ... Be­richterstatter aus eigenem Erleben weiss. Die N8 Der sehr berechtigte Unwille über dieses wahn­ Neben dem Techniker Grossmann, dem Me­ Verlief die Entwicklung des Individualverkehrs sinnige Jagen greift in unserer Bevölkerung chaniker Kurt und dem Dorfarzt Baumgartner zwischen den beiden Weltkriegen, bedingt immer mehr um sich ... In erster Linie wird es gab es in Brienz noch keine Autobesitzer, man durch die globale Wirtschaftskrise, noch in Pflicht der Gemeindebehörden sein, die Mass­ sah im Dorf nur ganz vereinzelt Autos, und für ei­nem überschaubaren Rahmen, so sprengte regeln zu ergreifen, welche dieser Bedrohung uns Kinder galten die Lastwagen von Räuber sie seit den Fünfzigerjahren alle bisherigen der freien Bewegung und des Lebens unserer und Messerli aus Interlaken, welche die Spe­ Massstäbe. Die Zahl der Motorfahrzeuge er­ Bevölkerung sofort ein Ende setzen. Sollten sie zereiläden mit Kolonialwaren versorgten, noch höhte sich sprunghaft, und es wurde eng auf

295 Die N8, die 1960 dann ins Nationalstrassennetz aufgenommen wurde, hat eine weit zurücklie­ gende, über 100 Jahre alte Geschichte. Bereits 1860 –1870 tauchte der Wunsch auf, Iseltwald mit Interlaken und auf der anderen Seite mit Brienz zu verbinden, was mit den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs begründet wurde, die einen bequemeren Zugang zum Giessbach und zu den Kurhäusern auf der Axalp erheischten.

Fast ein Jahrhundert lang blieb es trotz wieder­ holten Vorstössen von Grossräten aus der Region und Initiativkomitees bei Absichtser­ klärungen und mehr oder weniger ernsthaften Plänen.

Gerade in Brienz fand das Projekt einer links­ ufrigen Strasse übrigens nur geringes Interes­ se. Einmal war das Verkehrsaufkommen, wie schon er­wähnt, vor dem 2. Weltkrieg noch So wurde schliesslich der Anschluss von Brienz an die N8 gelöst. recht bescheiden, zum andern spielten die gleichen Ängste mit, wie sie schon bei der sei­ den Strassen. So zwängten sich auf der schma­ Die von einer Mehrheit des Gemeinderats an­ nerzeit geplanten linksufrigen Brienzerseebahn len Dorfstrasse in Brienz vor allem während der fänglich bevorzugte Entlastungsstrasse, welche geäussert worden waren. Noch 1934 erklärte sommerlichen Reisesaison alle Autos von und das Dorf nördlich umfahren hätte, stützte sich ein besorgter Bürger, Brienz schaufle sich mit zu den wichtigen Pässen Brünig, Grimsel und auf einen Plan des Kantons, der bereits 1957 einer Strasse auf der Giessbachseite selbst das Susten buchstäblich zwischen den Häusern vorlag. Diesem erwuchs aber sofort starker Grab und schneide sich von Europa ab. durch und liessen Fussgängern kaum noch Widerstand. Neben Bedenken landschafts­ Raum. Sicherheit und Lebensqualität der Dorf­ schützerischer Art, die eine Linienführung hinter Allgemein herrschte tatsächlich die Meinung bewohner litten unter der hektischen Verkehrs­ dem Dorf als unverantwortlichen Eingriff in vor, wenn schon diese neue Verbindung gebaut situation; Abhilfe drängte sich gebieterisch auf. ein harmonisches, ruhiges Siedlungsgebiet werden sollte, so müsse sie vom «Brunnen» be­trach­teten, fürchteten Hoteliers und andere dem See entlang geführt werden und zwischen Zwei Möglichkeiten boten sich an und wurden Geschäftsleute sich vor einer Umsatzeinbusse. Lammbach und Glyssibach in die bestehende von Gemeindebehörden erwogen: Sie befürworteten, freilich ohne genaue Vorstel­ Landstrasse einmünden. a) Eine Umfahrungsstrasse im Feld hinter lungen, einen Ausbau der bestehenden Dorf­ dem Dorf durch. strasse und setzten sich daneben entschieden Es brauchte den beispiellosen Autoboom der b) Eine völlig neue, nur dem Autoverkehr für die linksufrige Nationalstrasse ein. Nur der Nachkriegszeit mit immer unerträglicheren Ver­ die­nende Strasse auf der linken Seeseite. Kuriosität halber sei noch erwähnt, dass ein kehrsverhältnissen im Dorf, die mit der Eröff­ Bürger sogar vorschlug, die Entlastungsstrasse nung der neuen Sustenstrasse noch schlimmer see­wärts dem Quai entlang anzulegen! ge­worden waren, um auch frühere Gegner zu

296 überzeugen, dass einzig durch die N8 eine an, da das weitgehend unversehrte Naturufer Das ist, wie Planern und Bauherrschaft dank­ wirksame Verringerung des Durchgangsver­ auf keinen Fall verunstaltet werden dürfe. Aber bar bescheinigt werden kann, optimal gelun­ kehrs in Brienz möglich sei und das Dorf davon auch die Zustimmung zu einer Höhenstrasse gen; die der Natur geschlagenen Wunden sind auf längere Sicht nur gewinnen könne. fiel den ge­nannten Gegnern nicht leicht, da schon jetzt bald vernarbt. diese durch eine Gegend verlief, die in der Liste Was in der Folge aber noch zu weitläufigen der zu erhaltenden Landschaften und Natur­ Leben mit der N8 kann heute auch Brienz. Zwar Auseinandersetzungen führte, war die Frage denkmäler von nationaler Bedeutung enthalten führt die Autobahn vom Seeende geradenwegs der Linienführung. Setzten die einen auf eine ist. Ein Kompromiss brachte die Lösung: Die zur Wylerbrücke, doch sorgt eine Anschluss­ nur 2– 3 m über dem Seespiegel liegende Ufer­ Strasse wurde an den empfindlichen Stellen in strasse dafür, dass das Dorf und das Freilicht­ strasse, so die andern auf eine in der Höhe der Tunnel verlegt und die offene Linienführung so museum Ballenberg ohne grösseren Umweg Sengg und der Giessbach-Hotels verlaufende gestaltet, dass durch bestehenden Wald und zu erreichen sind, was die Befürchtungen über Höhenstrasse. Gegen die dem See entlang weitere Sichttarnung eine unzumutbare Beein­ wirtschaftliche Nachteile der Umfahrung weit­ führende Linie meldeten Heimatschutz, Ufer­ trächtigung des Landschaftsbildes vermieden gehend ausgeräumt hat. schutzverband, der Besitzer des «Giessbachs», wurde. Geologen und weitere Kreise sofort Bedenken

Die N8 ist so geschickt in die Landschaft eingebettet, dass sie kaum mehr störend auffällt (gegenüberliegendes Seeufer).

297 Die Brünigbahn (Brienz–Luzern) fluss ­reichen Persönlichkeiten 1870 vom Grossen Befürwortet wurde eine normalspurige Transit­ Heute fährt der Reisende in kaum zwei Stunden Rat des Kantons Bern eine Konzession zum bahn und bis zu deren Verwirklichung der Bau von Interlaken nach Luzern. Dreimal länger dau­ Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Brienz einer Grimselstrasse. Die ziemlich dürftige Be­ erte das Vergnügen noch nach der Eröffnung nach Stad am Alpnachersee. Diese Konzession gründung, die sich nur auf lokale Interessen der Bahn (1888), weil von Interlaken nach Brienz wurd­ e auch von Obwalden erteilt an einer aus­ stützte, wurde von den einflussreichen Befür­ und von Alpnachstad nach Luzern auf das serordentlichen Landsgemeinde im Oktober wortern einer Brünigbahn nicht ernst genom­ Dampfschiff umgestiegen werden musste. Die 1872. In der Folge verzögerten aber heftige ver­ men; der Widerstand bröckelte auch im Dorf über den Pass führende Linie, das eigentliche kehrspolitische Auseinandersetzungen sowie zusehends ab mit der wachsenden Einsicht Kernstück der Brünigbahn, fand erst ein Jahr die durch eine wenig glückliche Eisenbahn­ in die wirtschaftliche Bedeutung des neuen später eine Fortsetzung auf der Strecke Stad – politik heraufbeschworene Finanzmisere des Transportmittels, das nicht nur Handel und Luzern, und das letzte Teilstück von Brienz Kantons Bern den Baubeginn um etliche Jahre. Industrie befruchtete, sondern noch mehr und nach Interlaken liess bis 1916 auf sich warten. bestimmt auch in Brienz den Fremdenverkehr, Den Brienzern war das gerade recht, denn das da dank den billigen Tarifen nun auch weniger Die Idee einer Brünigbahn entsprang vor allem Projekt einer schmalspurigen Brünigbahn stiess Wohlhabenden das Reisen möglich war. Von dem Bemühen, den stockenden Fremdenver­ anfänglich im Dorf auf wenig Begeisterung. In der neuen, durch reizvolle Gegenden führen­ kehr, der schon damals die Haupteinnahme­ einem «Offenen Brief» an das Bernervolk lehnte den Verbindung zwischen der Zentralschweiz quelle des engeren Oberlandes bildete, besser der Gemeinderat die geplante Bahn rundweg und dem Berner Oberland durfte mit Sicherheit zu entwickeln und mit allen Mitteln zu fördern. ab, weil sie keine nachhaltige Belebung des ein vermehrter Zustrom von Touristen erwartet So erwirkte denn ein Gründerkomitee mit ein­ Fremdenverkehrs für Brienz verspreche. werden, und zwar nicht nur in den Fremdenme­ tropolen Luzern und Interlaken, sondern auch in den kleineren an der Brünigstrecke liegenden Kurorten.

Entgegen einem 1. Projekt von Ingenieur La Nicca, das den Brünigpass direkt von Brienz aus angehen wollte, wurde dann die Variante mit der Linienführung über Meiringen gewählt, da sich das Oberhasli begreiflicherweise nicht in ein verkehrspolitisches Abseits verdrängen liess. Ein weiterer Grundsatzentscheid betraf die Frage: Normalspur oder Schmalspur? Sie wurde durch finanzielle Erwägungen entschie­ den und die erfolgreiche praktische Anwen­ dung des Zahnradsystems bei der Rigibahn. Diese Neuerung versprach für die besonderen Verhältnisse der Brünigbahn mit ihren steilen Zufahrtsrampen eine billigere und sinnvollere Lösung als die sonst überall übliche Normal­ spur-Adhäsionsbahn, die eine Linienführung Brünigbahn-Lokomotive, wie sie bis zur Elektrifizierung (1942) im Einsatz war. über den Brünig nicht erlaubt hätte.

298 Die Ingenieure Ott und Zschokke, die zusam­ Die ganze Anlage kam den Bedürfnissen der dem rechten oder linken Seeufer entlang erfol­ men mit Riggenbach, dem Erfinder der Zahn­ Reisenden aufs beste entgegen, da der Wech­ gen solle. 1890 reichte Ingenieur Pümpin beim radbahn, die Vitznau – Rigi – Bahn gebaut hat­ sel von der Bahn auf das Schiff und umgekehrt Bund ein Konzessionsgesuch ein für den Bau ten, legten 1880 ein Projekt vor mit einem für sich kurz und bequem abwickelte. einer schmalspurigen Eisenbahn von Bönigen die Schweiz völlig neuen System: Bei einer über Iseltwald ins Kienholz, wo der Anschluss Spurweite von 1 m wechselten je nach Steigung Die neue Bahn, die am 13. Juni 1888 mit gros­ an die Brünigbahn geplant war. Das Projekt Adhäsions- und Zahnstangenstrecken ab, ohne ser Begeisterung und Volksfesten diesseits und fand Unterstützung in Bönigen und Iseltwald dass die Züge dazu angehalten werden muss­ jenseits des Brünigs eingeweiht wurde, brachte und aus verständlichen Gründen beim Besitzer ten. Auf diese Weise konnten neben den tech­ auch für Brienz eine spürbare Belebung des der Giessb­ achhotels, Herrn Hauser. nisch problemlosen Flachstrecken auch Stei­ Fremdenverkehrs. Schon im ersten Betriebs­ gungen bis zu 120 Promille rasch und sicher jahr wurden über 130 000 Personen befördert, Entschiedene Ablehnung bekundeten dagegen bewältigt werden. und die fahrplanmässigen Züge vermochten Persönlichkeiten aus der ganzen Schweiz, die gelegentlich nicht alle Passagiere zu fassen. eine Verschandelung der einzigartigen Land­ Dieses Betriebssystem fand allgemeine Zustim­ Im Gegensatz zu heute galt die Brünigbahn schaft auf dieser noch fast unberührten See­ mung, und unverzüglich wurde der Bau durch anfänglich vorwiegend als Touristenbahn, die seite befürchteten. Der Schriftsteller Josef die Gesellschaft der Jura – Bern – Luzern-Bahn jeweils am 31. Oktober den Betrieb einstellte. Viktor Widmann, damals Redaktor beim «Bund», be­gonnen. Bereits 1887 konnte die erste Loko­ Wer trotzdem über den Berg wollte, war wie ein un­ermüdlicher Wanderer und Naturfreund, motive von nach Meiringen fahren. früher auf die Postkutsche oder den Schlitten machte sich zum Sprecher der Gegner dieses angewiesen. Die Stilllegung des Bahnverkehrs Bahnprojekts. In einem offenen Brief im «Bund» Der Bahnbau war in Brienz sehr willkommen, im Winter hatte nichts zu tun mit der Gefähr­ nahm er kein Blatt vor den Mund und rechnete da viele Männer dabei für längere Zeit Beschäf­ dung durch Schnee oder Lawinen; Hauptgrund mit Pümpin scharf ab: tigung fanden. Die durchschnittlichen Taglöhne waren die so ge­nannten Reistrechte in den von 2,5 –4 Franken lassen sich natürlich in kei­ Wäldern über dem Bahntrassee. Sie erlaubten «Iseltwald werde durch die Erstellung dieser ner Weise mit heutigen Ansätzen vergleichen, den winterlichen Holztransport durch Reiste neuen Linie unbedingt bedeutend gewinnen, entsprachen aber durchaus dem damals üb­ (Holzrutschbahnen), die an einigen Orten quer darf dieser Pümpin behaupten. Umgekehrt ist lichen Stand, wenn man weiss, dass die italieni­ über die Bahnlinie führten. Erst nach langen, auch gefahren! Unbedingt bedeutend verlieren schen Arbeiter, die in ihren Baracken auch eine zähen Verhandlungen mit den beteiligten Ge­ wird Iseltwald, nämlich das Einzige verlieren, eigene Küche führten, für das Essen pro Tag meinden und Bäuerten, in denen Waldwege, was sein Kleinod ist, die unvergleichlich idylli­ 80 Rappen zu bezahlen hatten. Überführungen und Durchlässe unter den Ge­ sche Schönheit dieser Bucht, wo ... das lieb­ leisen zum Transport des Holzes ausgehandelt liche Dörfchen mit seinem kleinen Vorgebirge Auf ihre Rechnung kam auch die Burgerge­ worden waren, konnte 1904 auch ein fahrplan­ daliegt als ein gleichsam vom Himmel gefalle­ meinde; sie erhielt als Entschädigung für Land, mässiger Winterbetrieb aufgenommen werden. nes Stück Poesie.» Und er fuhr fort: «Wir wür­ das sie der Bahngesellschaft verkauft hatte, den, wenn wir Meister wären, gewisse idyllisch insgesamt 7603 Franken. Der Bahnhof Brienz- Ein vergessenes Projekt: schöne Gegenden der Schweiz und besonders Tracht erforderte den Bau einer grossen Ab­ Brienzerseebahn Brienz– Interlaken des Berner Oberlandes nach dem Beispiel der schluss­mauer gegen den See; das dahinter Schon kurz nach der Fertigstellung der Brünig­ Vereinigten Staaten jetzt noch rechtzeitig als durch Auffüllung gewonnene Areal ergab nach­ linie beschäftigte ein weiteres Bahnprojekt Be­ Nationalpark erklären, woselbst keine Lokomo­ her genügend Platz für die zu erstellenden Ge­ völkerung und Behörden. Es ging um die Fort­ tiven und Fa­brikschlote dampfen dürften. Und bäude. setzung der Brünigbahn bis nach Interlaken dahin würde in erster Linie das linke Brienzer­ und dabei um die Frage, ob diese Verbindung seeufer ge­hören.»

299 Ziemlich misstrauisch, wenn auch weniger aus geplanten Linie beteiligen. Allerdings verknüpf­ Der buchstäblich etwas abwegige Vorschlag, landschaftsschützerischen Erwägungen als te er den Be­schluss mit der Bedingung, es sei der vermutlich erfolgte, um den Bahnhof mehr hand­festen wirtschaftlichen Überlegungen rea­ im Westen des Dorfes eine Haltestelle mit Billett­- ins Dorfzentrum zu rücken und damit der Be­ gierten die Brienzer auf die Pläne für eine links­ ausgabe zu erstellen, an der zwei bis drei Züge völkerung im Änderdorf entgegenzukommen, ufrige Bahn. Von einem Anschluss an die Brü­ in beiden Richtungen anzuhalten hätten. fand keinen Anklang, trotz der Ablehnung einer niglinie im Kienholz wollten sie nichts wissen, Haltestelle Brienz West durch die SBB. Gebaut da sie nur Nachteile zu erwarten gehabt hätten, Die Hoffnung auf eine baldige Inangriffnahme wurde schliesslich der unter dem Dorf durch­ weil Brienz damit vom Durchgangsverkehr des Bahnbaus erfüllte sich aber nicht; es sollte führende Tunnel. Damit blieb nicht nur der bis­ abgeschnitten worden wäre. In zahlreichen noch fast zwei Jahrzehnte dauern, bis es so herige Bahnhof an seinem für die Reisenden Sitzungen beschäftigten sich sowohl der Ge­ weit war. Ob die Verzögerung auf den hinter­ sehr günstigen Platz, sondern der Tunnelaus­ meinderat wie auch die Gemeindeversamm­ gründigen Widerstand der Dampfschiffgesell­ hub lieferte gleich noch das Material für ein wei­ lung mit Fragen der Aktienkapitalzeichnung, schaft zu­rückzuführen war, die verständlicher­ teres, zukunftsorientiertes Werk: den Bau einer Landabtretung u.a., woll­ten aber erst verbind­ weise um das Transportmonopol fürchtete oder Quaianlage von Tracht bis fast zur Kirche (man liche Beschlüsse fassen, wenn alle Garantien auf die ungesicherte Finanzierung, bleibe da­ siehe dazu den Artikel «Unser Quai – ein Phönix gegeben würden, dass der Anschluss an die hingestellt; es blieb unterdessen umso mehr aus der Asche» auf S. 228–236). Brünigbahn in Brienz Tracht erfolge. Damit ver­ Zeit zur Ausei­nandersetzung über die Linien­ sandete das von Anfang an ziemlich spekula­ führung im Dorfbereich. Mit dem Beginn der Bauarbeiten 1912 kamen tive Unternehmen, umsomehr als der Gemein­ auch viele Italiener ins Dorf, die als Spezialisten derat um diese Zeit mit einem Komitee Gefährdet war sogar der kurz nach der Jahr­ für Tunnelbauten eingesetzt wurden. Sie gaben Ver­bindung aufnahm, das sich für die aus­ hundertwende geplante Schulhausneubau am mit ihrer völlig anderen Mentalität verschiedent­ sichtsreichere Brienzerseebahn auf dem rech­ Hobacher, da ein Projekt von Ingenieur Lindner lich Anlass zu gemeinderätlichen Interventionen, ten Ufer einsetzte. die zukünftige Bahnlinie direkt über den in Aus­ da sie es mit feuerpolizeilichen Vorschriften und sicht genommenen Schulhausplatz vorgesehen Weisungen über Ruhe und Ordnung etwas Eine Lücke wird geschlossen hatte. Die Weiterbearbeitung dieses Projekts weniger genau nahmen als die Brienzer ge­ 1903 wurde die Jura – Simplon-Bahn, die mit unterblieb, und der Bahnbau liess weiterhin auf wohnt waren. Im Allgemeinen wickelte sich das der Jura – Bern – Luzern-Bahn fusioniert hatte, sich warten. Dafür flammten landesweit Diskus­ Zusammenleben aber doch reibungslos ab. Zu ins Netz der SBB eingegliedert und damit auch sionen auf über die Spurweite, bis 1907 das Schwierigkeiten kam es eigentlich nur gerade die Brünigbahn. Bereits ein Jahr später ersuch­ Bundesgesetz über den Bau einer schmalspu­ beim Ausbruch des 1. Weltkrieges anfangs Au­ ten die Bundesbahnen um die Ermächtigung, rigen Brienzerseebahn Klarheit verschaffte. gust 1914. Die Arbeiten am Bahnbau wurden die Brüniglinie durch eine rechtsufrige Brienzer­ damals von einem Tag auf den andern einge­ seebahn von Brienz nach Interlaken Ost zu voll­ Um­stritten in Brienz war nach wie vor, wo das stellt, was zur Folge hatte, dass die Unter­ enden. Trassee durchführen sollte. Noch 1909 regte nehmer keine Löhne mehr bezahlten. Weil die ein Gemeinderat an, bei den SBB vorstellig zu Italiener, die mehr oder weniger von der Hand in Diesem Konzessionsgesuch waren schon zehn werden wegen einer Verlegung der geplanten den Mund lebten, kein Geld mehr hatten und Jahre früher Bemühungen vorausgegangen, Bahnlinie hinter das Dorf mit einem Anschluss ihnen in den Dorfläden bei der herrschenden die auf die Verwirklichung einer solchen Eisen­ an die Brünigbahn zwischen Lammbach und Unsicherheit auch kein Kredit gewährt wurde, bahn abzielten. So hatte der Gemeinderat Glyssibach; der Bahnhof wäre ebenfalls ins litten sie unter Nahrungsmangel, was zu em­ Brienz be­reits 1893 der Gemeindeversamm­ Feld zu stehen gekommen, in der Gegend «bei pörten Reaktionen führte. Der Gemeinderat lung beantragt, sie möge sich mit einem Aktien­ den To­ren». befürchtete eine Bedrohung der Bevölkerung, kapital von Fr. 23 000.– an der Finanzierung der

300 Gruppenfoto von der Einweihung des Tunnels (1915). umso mehr als die Wehrmänner alle eingerückt turbulenten Tagen der Mobil­machung wieder Ihre Heimkehr fiel zusammen mit der Fertigstel­ waren, und erwog die Aufstellung einer Bürger­ aufgenommenen Arbeiten liessen bald wieder lung des Dorftunnels im Juni 1915. Trotz der wehr gegen die aufgebrachten Südländer. Ruhe einkehren. Im Sommer 1915 trat dann durch die widrigen Umstände verursachten Italien an der Seite der Alliierten ebenfalls in den Schwie­rigkeiten schritten die Arbeiten an der Vernünftigerweise wurde aber zuerst an die Krieg ein, und eine grosse Anzahl Italiener Brienzerseebahn gut voran. In Tracht erfolgte Baumeister appelliert, dafür zu sorgen, dass die mussten zur Erfüllung ihrer Wehrpflicht heim­ die Vergrösserung des Bahnhofs, die eine wei­ meuternden Arbeiter wenigs­tens zu essen be­ kehren – mit wenig Kriegsbe­geis­terung, wie tere Auffüllung im See nötig machte, damit sich kämen. Diese Massnahme und die nach den Brienzer feststellten ... der Passagierverkehr vom Schiff auf die Bahn

301 und umgekehrt gänzlich auf der Seeseite ab­ Meiringen und Giswil-Luzern weist die Brünig­ 6,7 % erbracht hätten. Die Tatsachen sahen wickeln konnte. Und am 23. August 1916 war bahn alle Merkmale einer Bergbahn auf. Dies leider etwas weniger rosig aus: Schon nach dann endlich Grund zum Feiern: Nach der fest­ zeigt sich in der ständigen Bedrohung durch dem ersten Betriebsjahr musste über die BRB lichen Einweihung befuhr der erste Zug die Naturgewalten. Neben den vom Brienzergrat der Konkurs verhängt werden. neue Strecke von Brienz nach Interlaken und ab­gleitenden Schneemassen, die durch steile schloss damit die Lücke, die noch zwischen Lawinengräben oft bis in den See niedergehen, Ingenieur Lindner, ein begabter, einfallsreicher dem oberländischen und dem innerschweizeri­ sind es auf Obwaldnerseite Erdrutsche und Spezialist für Bahnbauten, übernahm nach schen Fremdenverkehrszentrum geklafft hatte. Murgänge, welche die Bahn gefährden. dem verunglückten Start zusammen mit sei­ Stolz stellte der «Brienzer» fest, dass Bern von nem Teilhaber Bertschinger die Eigentums­ Brienz aus nun in drei Stunden erreichbar sei! Die Bedeutung der Brünigbahn lag und liegt in rechte an der Bahn. Im Jahr 1900 verkauften Zum Vergleichen und Nachdenken mag auch der Belebung des Fremden- und Ausflugver­ sie diese und das Kulmhotel für 625 000 Fran­ noch der damalige Fahrpreis Brienz – Interlaken kehrs. Sollte der Vorschlag verwirklicht werden, ken an eine neue Aktiengesellschaft, die aber anregen: einfach 90 Rappen, retour Fr. 1,35.1 mit dem Einbau einer dritten Schiene den Ver­ auch nur Defizite einfuhr, abgesehen von eini­ kehr schmalspuriger Züge auf der Strecke gen Jahren mit einem kaum bemerkenswerten Entschieden war mit der Fertigstellung der Interlaken Ost – Zweisimmen zu ermöglichen, Gewinn. Mit Anleihen, Darlehen gegen Verpfän­ Bahn endgültig auch die Frage der Spurweite, dann könnte der Reisende ohne Umsteigen, dung der Bahnanlagen und weiteren Massnah­ auch wenn Nationalrat Michel noch bei Bau­ rasch, be­quem und beschaulich durch ab­ men, die sogar den Abbruch der Bahn ins Auge beginn wieder eine Normalspurlinie verlangt wechslungsreiche Gegenden vom Genfersee fassten, konnte sich die BRB von Jahr zu Jahr hatte; es blieb bei der durch ein Bundesgesetz bis an den Vierwaldstättersee fahren. Diese knapp über Wasser halten, bis der Weltkrieg festgelegten Schmalspur. Dieser Beschluss Bilderbuchreise könnte als voralpines Gegen­ im Sommer 1914 alle Hoffnungen knickte. Am gip­felte übrigens in einem klassischen Kom­ stück zur Fahrt im Glacier-Express durchaus 9. August 1914 musste der Betrieb eingestellt promiss, wie er für die eidgenössische Politik auch Anklang finden. werden – bis 1931 sollten Lokomotiven und typisch ist, wenn niemand vertäubt werden Wagen im Depot verbleiben! soll: Die unterlegenen «Normalspurer» wurden Mit Dampf aufs Rothorn damit getröstet, dass beim Bau Rücksicht ge­ Weit über Brienz hinaus reicht ihr Ruf! Die Fas­ Und auch dies war gar nicht selbstverständlich, nommen würde auf einen späteren Umbau auf zination der dampfbetriebenen Zahnradbahn bestand doch mehrmals die Absicht, die Bahn Normalspur ... So wurden denn tatsächlich auf das Rothorn lockt nach wie vor jedes Jahr zu liquidieren, abzubrechen und mit dem Ver­ Unterbau, Tunnel und der Geleiseabstand auf Scharen von begeisterten Reisenden auf den kauf des damals gesuchten Alteisens noch den Stationen so dimensioniert wie bei Normal­ Brienzer Aussichtsberg. Die Bahn ist ein ein­ etwas für die Aktionäre herauszuholen. Das spur üblich! Von Bedeutung war dieses Ma­ drückliches Beispiel für ein Unternehmen, das, konnte zum Glück verhindert werden; die Ge­ növer allerdings nicht; denn heute denkt wohl getragen von grenzenlosem Optimismus, in der meinde und Bahnfreunde von nah und fern niemand mehr an eine Änderung der Spurwei­ Zeit des Bergbahnfiebers im letzten Viertel des stellten die nötigen Mittel zur Verfügung, um te. Viel wichtiger war dagegen die wäh­rend des 19. Jahrhunderts entstanden ist, und wie viele die unumgänglichen Unterhaltsarbeiten bis zu 2. Weltkrieges vorgenommene Elektrifizierung andere die Hoffnungen auf gewaltige Gewinne einer Wiederaufnahme des Betriebs sicherzu­ der Brünigbahn (1941–1942), die wesentlich nie erfüllt hat. Der Projektverfasser und zusam­ stellen. Dass der Unterbruch ganze 17 Jahre schnellere Fahrzeiten erlaubte. Trotz der flach men mit Bauunternehmer Bertschinger auch dauern sollte, hatte allerdings niemand voraus­ verlaufenden Talstrecken von Interlaken nach Erbauer der Bahn, Ingenieur Lindner, rechnete gesehen; die Nachkriegszeit mit Teuerung, anfänglich mit 25 000 Passagieren im Jahr, die stockendem Fremdenverkehr und Krise dämpf­ eine Bruttorendite des Aktienkapitals von über te aber vorerst die Erwartungen auf einen Neu­ 1) 1 Fr. von 1916 entspricht 8 Fr. von 2009. 20 % und selbst im schlechtesten Fall noch von beginn.

302 Endgültig gerettet wurde die Bahn 1930, als die Gemeinde Brienz, private und öffentliche Geldgeber sowie die Hauptaktionäre die Mittel aufbrachten, um Unterbau, Rollmaterial und Gebäude, an denen der lange Unterbruch nicht spurlos vorübergegangen war, wieder instand zu setzen. Am 13. Juni 1931 feierte das be­ flaggte Dorf mit Freunden der BRB aus dem ganzen Oberland die Wiedereröffnung; der Optimismus und Zukunftsglaube der Brienzer, gepaart mit dem Willen, die zum Dorf gehören­ de, die Wirtschaft belebende Bahn unter allen Umständen zu erhalten, hatten trotz schlechter Zeitumstände über kleinmütige Bedenken ge­ siegt. Die Treue, welche die Rothornbahn von der Dorfbevölkerung und von Auswärtigen erfahren durfte und immer noch erfährt, be­ währte sich: Verbesserungen der Anlagen, De­ poterweiterung, neue Lokomotiven und andere Investitionen konnten immer wieder problemlos finanziert werden und dürften das Überleben Zwischenhalt auf der Mittelstation Planalp. der Brienzer Nostalgie-Bahn auch in Zukunft sichern.

Panoramabild eines Dampfzuges der Brienz Rothorn Bahn beim Aussichtsloch auf der Planalpfluh. 303 1896 entstand auf dem Fluhberg der Hirsch­ park, der sich zum heutigen Wildpark entwickel­ te. Schnee-Eulen, Waldkäuze, Waldohreulen und andere Vögel sowie Steinböcke, Gemsen und Hirsche werden dort gehegt.

304 305 Vom Geissenstall zum Parkhotel Giessbach

Max Gygax

306 Schon die ersten Reisenden, die auf dem Post­ schiff vom Zollhaus Interlaken nach Brienz gerudert wurden, haben wohl im Vorbeifahren entzückt zum Giessbach hinüber geschaut und staunend verfolgt, wie die wilden Wassermas­ sen stiebend von Fels zu Fels herunterstürzen, bis sie schliesslich im aufgewühlten See zur Ruhe kommen.

Der Giessbach entspringt auf der Alp Tschin­ gelfeld; das zuerst unscheinbare Bächlein wird aber genährt durch alle Wässerchen und Quel­ len aus dem mächtigen, nach Norden orientier­ ten Bergkessel, der begrenzt wird durch den weiten Bogen vom Bauwald über die Litschgi­ burg, das Faulhorn und Hinterbirg bis hin zum Schwarzhorn. Die Schneeschmelze, die in der Höhe bis weit in den Sommer hinein dauert, die oft heftigen Gewitter und die normalen Regen­ So verlässt der Giessbach die Botchenschlucht. fälle sorgen für eine ziemlich regelmässige Wasserführung, die auch in sehr trockenen Sommern den Giessbach nie versiegen lässt, Abgeschiedene seiner Lage bei ausserordent­ Schon anders gestaltet sich, namentlich von ganz im Gegensatz zum Mühlebach auf der lich bequemen Möglichkeiten ihn zu erreichen der ersten Brücke aus gesehen, der zweite anderen Seeseite. Dadurch und trotz einer be­ und durch die Pracht seiner Einrahmung. Kein Sturz. Der vehemente Niederprall aus der Höhe schränkten Wasserentnahme zur Gewinnung einziger Wasserfall in den Alpen vereint auf so und der im Sturzbecken sogleich empört wie­ von elektrischem Strom bleiben die Wasserfälle vollendete und so erhabene Art alle jene Vorzü­ der aufkochende Schaumballen lässt auf den ständig ge­spiesen, auch wenn sie natürlich ge, wie solche dem Giessbach eigentümlich ersten Blick erkennen, dass man es hier mit bei Hochwasser ein unvergleichlich eindrück­ sind. Droben bei der Schlucht, die noch keines einem ungefügeren Gesellen zu tun hat. Aber licheres Schau­spiel bieten als in wasserarmen Menschen Fuss betrat, stürzen von der obers­ die bildende Hand im Schöpfungs- und Umge­ Zeiten. ten Brücke die Wassermassen 985 Schweizer­ staltungsprozess der Natur schlug dem Bruder fuss (296 m) bis zum Niveau des Brienzersees Ungestüm gleichsam ein Schnippchen, indem Eine lebendige Beschreibung der Giessbach­ hinab; man kann also rechnen, dass die ganze sie hinter dem Wassersturze die Felswand nach fälle lieferte um 1876 Hermann Berlepsch, ein Fallhöhe über tausend Fuss erreicht, eine Sum­ innen zog und dadurch einen Gang passierbar langjähriger Gast: me, welche den Staubbach überholt. Der un­ machte, so dass man bei nicht allzu mächtigem terste, vom Hotel aus sichtbare Fall, ist ohne Wasserstande trocken und sicher hinter dem «Der Giessbach zeichnet sich vor allen ande­- weiteres der graziöseste; er fasst die Massen, Fall hinweggehen und denselben von der inne­ ren Sturzkaskaden aus durch die Höhe und welche droben unbändig wild toben, in Ruhe ren Seite betrachten kann, gewiss ein Schau­ Schlankheit seiner Fälle, durch die Verschie­ zusammen und insuiniert dem Publikum, gleich­ spiel seltenster Art. Man könnte ihn deshalb denartigkeit derselben, durch seinen konstan­ sam mit dem Hut in der Hand: So sieht ein den Schleierfall oder den Wasserfall der Galerie ten Was­serreichtum, durch das scheinbar wohlgeordneter Wasserfall aus. nennen.

307 Er gab auch die Veranlassung zu den Illumina­ tionen.

Nun steigern und überbieten sich aber die Fälle, wie man eine Etage nach der andern den Giess­bach hinauf klimmt. Immer abenteuer­ licher, immer seltsamer wird das grossartige Schauspiel, bis man den vorletzt-obersten Fall, der vom Hotel aus kaum sichtbar ist, erreicht. Das ist der wildeste, unbändigste, zugleich höchste, dessen ca. 160 Fuss tiefer Sturztrich­ ter vollkommen rund, von den unablässig peit­ schenden Wellen hohl ausgenagt ist. Seine Fallkraft er­zeugt solch einen fortwährenden Sturm unmittelbar über dem weissen Gischt der Wellen, dass dieselben, teils wie vom tobendsten Orkan ge­tragen durch die Lüfte entfliehen, teils wie Wasserraketen die Felsen anschiessen; es ist bei vollem Wasserstande, wenn der Giessbach hochgeht, ein wild-schö­ ner Anblick, dämonisch zum Mithinabsturz anregend.

Steigt man endlich zum letzten erreichbaren Fall, wo die letzte Beleuchtungshütte steht, so führt der am Felsen hinlaufende Weg zu einem fest gezimmerten Stege, der den Ausblick nach unten und den Einblick in die schwarze, schau­ rige Schlucht, aus welcher der Giessbach her­ vorkommt, gestattet. Man kann jedoch in der Regel auf der Brücke sich nicht aufhalten, weil ein Nebelregen aus der unbekannten Felsen­ gasse, oft mit Sturmeswucht hervorschies­ send, den auf der Brücke Verweilenden ver­ scheucht. Weiter führt der Weg nicht.»

Johann Jakob Wetzel (1781–1834): Le Giessbach.

308 Der Giessbach wird erschlossen Lange verwehrte das steile, abweisende Fel­ sen­ufer einen bequemen Zugang zu den Fällen vom See her; auch wenn einheimische Bauern, Holzer und Jäger längst einen Pfad benützten, der auf die natürliche Geländeterrasse hinauf­ führte, wo sich, gut 100 m über dem Seespie­ gel, eine einsame Waldwiese versteckte. Hier befand man sich unmittelbar vor den eindrück­ lichsten Fällen, mitten im Wasserstaub, der die Luft erfüllte und in dem sich die Sonnenstrahlen in allen Regenbogenfarben brachen. In seinem Reisehandbuch von 1814 schreibt F. N. König:

«Wer sollte wohl glauben, dass dieser prächtige Standpunkt in den letzten Neunzigerjahren noch ganz unbekannt war, wie man auch in keiner Reisebeschreibung hierüber liest. Selbst Ebel (ein deutscher Reisebuchverfasser) sagt in sei­ ner ersten Ausgabe bloss: Gegenüber Brienz fällt der Giessbach in den See. Es wurde mir demnach sehr sauer, die Aufmerksamkeit der Reisenden auf diesen Gegenstand zu erwecken. Und jetzt ziehen dieselben die Giessbachfälle sehr oft den meisten übrigen dieser Art vor.»

Die erwähnte Waldwiese gehörte 1817 dem Schul­meister Hans Kehrli von Brienz. Da som­ mersüber der Schulbetrieb ruhte, verfügte der eher schlecht entlöhnte Kehrli nicht gerade über viel Geld, dafür über viel Zeit. Um seine grosse Familie durchzubringen, betrieb er nebenbei eine kleine Landwirtschaft, zu der eben auch die Giessbachmatte gehörte. In der Scheune mit Stall und einem Raum zum Wohnen und Kochen verbrachte er den Sommer, besorgte die Heuernte und schaute zu einer Schar Zie­ gen. Am Sonntag fuhr er jeweils mit seinem Ruderboot über den See nach Brienz, spielte in der Kirche die Orgel und hielt Kinderlehre. Kehrlis erste Behausung: eine Scheune mit Küche und Stube am Weg vom See zur Giessbachmatte (nach alter Vorlage).

309 Dem gescheiten und am Zeitgeschehen regen Anteil nehmenden Schulmeister blieb natürlich nicht verborgen, dass sich gerade im Berner Oberland eine neue, viel versprechende Ent­ wicklung anbahnte. Die kriegerischen Ereignis­ se von 1798 mit dem Einfall der Franzosen und die anschliessende unsichere Zeit waren dem aufkommenden Reiseverkehr nicht günstig ge­ wesen. Das änderte sich mit der Restauration und den damit verbundenen ruhigeren poli­ tischen Verhältnissen. Entscheidend zum Auf­ schwung des Fremdenverkehrs trugen auch die Hirten- und Älplerspiele in Unspunnen (1805 und 1808) bei. Sie leiteten den Beginn einer Tourismuswelle ein, die sich vorerst auf geho­ bene, gut betuchte Bevölkerungsschichten be­ schränkte, da Reisen damals doch eine recht kostspielige Angelegenheit war. Trotzdem, es zeichneten sich ganz neue Erwerbsmöglich­ keiten ab, die es zu nutzen galt. So ruderten denn bald einmal Brienzer Schiffleute und die ob ihrer Anmut und Sangeskunst viel bewun­ derten Schifferinnen gegen gutes Geld vorneh­ me Herrschaften zum Giess­bach zur Besichti­ gung dieses Naturwunders.

Kehrli erkannte sofort die Bedeutung dieser Entwicklung und suchte sie auf jede Weise zu fördern. Er erstellte einen guten Weg vom See hinauf auf seine Giessbachmatte und wurde dabei von der Regierung unterstützt, da diese vom Nutzen des Fremdenverkehrs für die Berg­ bevölkerung überzeugt war.

Um den Besuchern etwas zu bieten, errichtete der initiative Schulmeister eine offene Schutz­ hütte mit einer Sitzbank, von der aus die Fälle gut einzusehen waren.

Kehrli mit Gästen vor seiner gedeckten Schutzhütte. Auffällig die (um 1820) lockere Bewaldung!

310 George Barnard († 1890): The Giesbach. Der (engl.) Kommentar des Künstlers rühmt den Giessbach als einen der hübschesten Wasserfälle mit einer parkähnlichen Umgebung. Die Hütte neben dem Fall sei bewohnt vom Schulmeister von Brienz. Er und seine Familie seien bekannt als die besten Sänger von einheimischen Liedern.

311 Unternehmungslustige Gäste, welche die impo­ Ein beliebtes Reiseziel Der Garten Gottes am Giessbach santen Wasserstürze möglichst aus der Nähe Erwähnung verdient ein Besuch der Allgemei­ zu erleben wünschten, liessen sich von Kehrli nen Musikgesellschaft Zürich im Jahr 1828. Die Von Brienz der Nachen eilt hoffnungsvoll fort, oder seinen Kindern hinführen. Zürcher hatten das Musikfest in Bern besucht Durchschneidet die silberne Fläche, und mit einer Reise ins Berner Oberland ver­ Das Herze es sehnt sich nach dorthin, nach dort! Dem Giessbach, dem König der Bäche. Nach und nach entstand ein ganzes Wegnetz, bunden, die sie auch zum Giessbach führte. Es rauschet von ferne der herrliche Fall, das den Zugang zu den Fällen immer besser er­ Treibt glänzend die Wogen von dannen, Von mächtiger Höhe zum silbernen Thal, schloss. Als besondere Attraktion galt der Pfad, Von Kehrli in seine Stube gebeten, konnten sie Beschattet von freundlichen Tannen. der hinter den mächtigen Wasserfall oberhalb nicht nur die prächtige Aussicht auf die Fälle Ja dorthin mich rufet ein inn’res Gefühl, des Brückleins nach Iseltwald führte. Entlang geniessen, sondern auch dem Giessbachlied Die Sehnsucht will kaum es erwarten, einer zurückfliehenden Felswand konnte der lauschen, das ihnen Kehrli mit seinen Töchtern Dort schwindet der Welten unstetes Gewühl, Dort! siehe! dort ist Gottes Garten. mutige Besucher trockenen Fusses auf die an­ sang. Ein Abschiedslied, begleitet von Alphorn­ Der Nachen erreicht den freundlichen Hain, dere Seite wechseln und dabei den gewaltigen klängen, tönte den Besuchern nach, als sie Die Fluth bespühlt lieb das Gelände, Vorhang des stürzenden Wassers bewundern, sich mit reichlichen Geschenken wieder auf Es windet der Fussteig sich über den Rain, Verlangend folg’ ich ihm behende. das sich unter ihm donnernd in einen felsigen den Weg machten. Auf dem Ruderschiff nach Denn Fall an Fall bietet dem Blicke sich dar, Trichter ergoss. Brienz überreichte ein unbekannter Deutscher Es sprudelt durch Felsen und Eichen, Die Wogen sie rollen auch manch hundert Jahr, den Zürchern ein Manuskript mit einem Ge­ Will keine der andern gleichen. Daniel Wyss, Pfarrer in Brienz und Förderer von dicht, das er «am herrlichen Giessbach seiner Es bricht sich die Brandung am zacken Gestein, Zerstiebend erbrausen die Wellen, Kehrlis Giessbacherschliessung, plante einen Muse abge­lauscht habe.» Es sei hier aufge­ Die Sonne in glänzendem strahlendem Schein, Weg bis zum obersten Fall und wurde dabei führt, weil es Zeugnis ablegt für die romantische Muss Feuer zum Wasser gesellen. von Oberamtmann Haller von Interlaken mit Naturschwärmerei, die sich an den Sehenswür­ Die zwey Elemente nun innig vereint, einem staatlichen Beitrag unterstützt. Wyss er­ digkeiten des Oberlands, an Seen und Wasser­ Sie bilden im Einklang den Bogen, dachte übrigens für jeden einzelnen der vier­ fällen, an Trachtenleuten und Hirten, wilden Der sonst nur am schützenden Himmel erscheint, Jetzt unten in dampfenden Wogen. zehn Fälle einen Namen aus der bernischen Gipfeln und Gletschern immer neu entzündete. Und freundlich zum tosenden Wassergerausch, Heldengeschichte – Namen allerdings, die sich Senkt tröstend der Baum seine Zweige, Die Ruhe mit wilder Erschütt’rung im Tausch, nie einbürgerten und heute vergessen sind. Begleitet die Fluthen zur Neige. Erinnerungshalber seien sie hier angeführt, be­ So brausend die häufige Felswand hinab ginnend mit dem obersten Fall: Auch stürzte der König der Bäche, Er findet doch unten im Seegrund sein Grab, Und Ruhe auf silberner Fläche. 1. Berchtold von Zähringen Ach hier nur, hier möcht’ ich die Hütte mir bau’n, 2. Cuno von Bubenberg In diesen Gefilden wohnt Frieden. 3. Walo von Greyerz Hier lernst du im Werke den Schöpfer anschau’n, 4. Die Neunhaupt Erkennest wie viel dir beschieden. 5. Ulrich von Erlach 6. Wendschatz Es jubelt mein Herze dem heimischen Land, 7. Rudolf von Erlach Das Gott sich zum Garten erkoren, 8. Hans Matter Ich hebe anbetend gefaltet die Hand, 9. Niklaus von Scharnachtal In Lust, in Entzücken verloren. 10. Seckelmeister Fränkli Es preise sich glücklich, wer Schweizer sich nennt, 11. Hans von Hallwil Im Lande der Freyheit geboren, 12. Adrian von Bubenberg Das Gott der Herr segnend ohn’ Anfang und End, 13. Hans Franz Nägeli Zum Garten sich hat auserkoren. 14. Schultheiss N.F. von Steiger Giessbachfälle: Blick vom heutigen Grandhotel Giessbach aus.

312 Der Besuch der Fälle verlangte einige körper­ liche Anstrengung und machte hungrig und durstig. Anfänglich konnte Kehrli nur dem Durst abhelfen, indem er den Fremden in seiner Hütte Ziegenmilch anbot; eine weitere Bewirtung wurde ihm von der Obrigkeit untersagt, wahr­ scheinlich auf das Betreiben neidischer Wirte von Brienz. Um Besuchern zu dienen, die mehr als nur eine kurze, flüchtige Bekanntschaft mit der einzigartigen Giessbachlandschaft zu ma­ chen wünschten, zimmerte Kehrli eine kleine Stube an die Hütte, in der Gäste auf Heu über­ nachten konnten. Bald aber erkannte er, dass auch das nicht genügte, und so baute er weiter oben, in unmittelbarer Nähe des Giessbachs, ein steinernes Haus mit einigen Betten. Im Jahr 1822 erhielt er dann endlich die obrigkeitliche Erlaubnis, neben Käse, Eiern und Brot auch Bier und Kirschwasser abzugeben. Kirsch, ver­ mischt mit Wasser oder noch besser mit Milch, galt damals als un­übertroffenes Getränk für alle Fälle. Es löschte nicht nur den Durst, es half auch, «die verlorenen Kräfte» wieder herzustel­ len. Verweigert wurde dem Giessbach-Gast­ wirt weiterhin das «Verzapfen von Wein.»

Sehr geschätzt waren die Gesangsdarbietun­ gen der musikalischen Kehrlifamilie. Wenn sich die Fremden beim Gasthaus versammelten, stan­den Kehrlis Kinder gerne zusammen und erfreuten die Zuhörer mit vierstimmig gesunge­ nen Volksliedern. Und begeistert lauschten sie, wenn sich in das allgegenwärtige Rauschen des Giess­bachs die Töne mischten, die Vater Kehrli seinem Alphorn entlockte. Diese musika­ lischen Auf­tritte sprachen sich so herum, dass Fremde Kehrli auch ausserhalb der Saison in seinem Haus in Brienz besuchten, um den Ge­ sang der Kinder zu geniessen, die vom Vater auf dem Spinett begleitet wurden. Marianne Colston: Kehrlis Gasthaus um 1820.

313 Franz Niklaus König hat die Szene in einer Dunkelheit beleuchten liess; freilich primitiv von den Tag und Nacht rauschenden Fällen, reizend kolorierten Umrissradierung um 1820 genug: mit Reisigfeuern neben und hinter den entstand ein Pensionshaus mit 60 Betten. Als festgehalten (S. 263). Fällen. Trotzdem! Der Eindruck muss überwälti­ Miteigentümer beteiligte sich fortan auch von gend ge­wesen sein; ein Zuschauer schwärmte Rappards Bruder Heinrich am Ausbau und der Neben der Erweiterung seines «Etablissements» jedenfalls: Leitung des Unternehmens. Auf Unverständnis, zum bescheidenen Gasthaus suchte Kehrli besonders bei den auf diesen Weg angewiese­ noch auf andere Weise seinen Gästen zu die­ «Der Effekt, welchen der Hauptsturz hervor­ nen Brienzern, stiess die Gebühr, die von Be­ nen. Von Christian Fischer, der seit ein paar bringt, wenn hinter demselben ein Haufen Stroh suchern erhoben wurde, die vom See herauf­ Jahren die Holzschnitzlerei berufsmässig be­ angezündet wird, ist wirklich über alles erha­ kamen. Diese Taxe zur Besichtigung der Fälle trieb und auch andere Brienzer in diesem ben; es ist, als ob sich eine ungeheure Masse erfüllte indessen die Erwartungen nicht, da sie Handwerk angelernt hatte, bezog Kehrli kleine flüssigen Goldes in einen zauberhaften Ab­ kaum etwas einbrachte. Gegenstände wie Löffel, Serviettenringe, Na­ grund hinunterstürzt, aus welchem eine Wolke delbüchslein und allerhand Gefässe, mehr oder von Perlen und Rubinen emporsteigt und ihr Als Glücksfall darf die Berufung von Herrn weniger gut verziert. Diese von den Giessbach­ magisches Licht auf die umgebenden Haine Schmidlin, eines Schwaben, durch die Herren besuchern gerne ge­kauften Reiseandenken ausgiesst.» von Rappard angesehen werden. Angestellt fanden mit steigenden Besucherzahlen immer wur­de er als Kunstgärtner zur Gestaltung und mehr Absatz und brachten zusätzlichen Ver­ Ein Pensionshaus entsteht zur Pflege des weitläufigen parkähnlichen Ge­ dienst. Kehrli legte ein Lager von Waren an mit 1854 verstarb Kehrli, hoch geachtet von Einhei­ ländes mit den verschiedenen Gebäuden; er den Erzeugnissen der Brienzerschnitzler und mischen und Fremden als liebenswürdiger und übernahm aber bald auch die Leitung des neu­ griff in stillen Zeiten auch selbst zum Schnitz­ treuherziger Mann, als weitbekannter Sänger en Pensionshauses. messer. und Pionier der Giessbacherschliessung. Seine Erben verkauften noch im gleichen Jahr die Die Rappards geben auf Anfangs der Dreissigerjahre trat er von seinem ganze Giessbachbesitzung für Fr. 70 000.– an Die Erwartungen der Gebrüder von Rappard Schulmeisteramt zurück und widmete sich zu­ Conrad von Rappard aus Frankfurt. Dieser auf eine rasche hohe Rendite, genährt von der sammen mit seinen nun erwachsenen Kindern kannte den Giessbach, weil er in Kehrlis Gast­ damaligen Eisenbahneuphorie, welche eine un­ ganz dem Giessbachgeschäft. Er erhielt end­ haus einmal ein paar Ferientage verbracht hatte erhörte Belebung des Reiseverkehrs versprach, lich die schon lange angestrebte Erlaubnis, und von der reizvollen Gegend begeistert war. erfüllte sich allerdings vorerst nicht. Im Gegen­ Gästen auch Nachtquartier anzubieten und Die Verkäufer behielten sich das Recht vor, teil! Es kam zu Auseinandersetzungen mit der ihnen Wein auszuschenken, was durchaus als Einzige beim Giessbach Holzschnitzereien Dampf­schiffgesellschaft, weil diese nach der dem Bedürfnis der damaligen Kundschaft ent­ verkaufen zu dürfen. Man darf also annehmen, Mei­nung der Giessbachhoteliers den Zubringer­ sprach. das Ge­schäft mit den Holzwaren sei recht dienst nicht im gewünschten und für einen einträglich gewesen. er­folg­reichen Pensionsbetrieb nötigen Umfang Einen grossen Aufschwung brachte 1839 der ge­währleistete. Als keine Einigung zustande Beginn der Dampfschifffahrt auf dem Brienzer­ Die neuen Besitzer setzten auf die Naturschön­ kam, kauften die Rappards kurzerhand ein see mit Mattis «GIESSBACH». Immer mehr heiten und die damit verbundenen Entwick­ Dampfschiff mit Schraubenantrieb, das ihnen Frem­de suchten nun die schon weit herum lungsmöglichkeiten des Giessbachareals. Un­ die Fremden von Brienz und Interlaken zuführen bekannten Fälle auf. Dies erforderte neue ver­züglich machten sie sich daran, diese auch sollte. Der Kauf erwies sich indessen als völliger Unterkunftsmöglichkeiten für Gäste, die längere auszuschöpfen. Der Weg von der Schiffländte Reinfall; der zu grosse Tiefgang des Schiffes Zeit hier verweilen wollten. Für eine weitere hinauf zum alten Gasthaus wurde verbessert; verhinderte einen vernünftigen Einsatz und Attraktion sorgte Kehrli, indem er die Fälle in der hinten auf der Giessbachwiese, etwas abseits brachte nur unnötige Kosten. Dies und weitere

314 Schmidlin wusste Hamberger zu bewegen, das zum Verkauf stehende Hotel «Bellevue» im Kienholz zu erwerben und es gewissermassen als Filialunternehmen des Giessbach-Pensions­ hauses zu betreiben. Mit Gästen, die ihm Schmid­lin zuweisen würde, mit einem Labor zur Herstellung von Feuerwerk und der Be­ leuchtung der Fälle würde Hamberger genug zu tun haben. Der Vorschlag fand Anklang; 1863 ging das «Bellevue» an Hamberger und seine Frau, eine Bernburgerin namens Durheim, über. Während diese die Leitung des Hotels über­ nahm, begann Hamberger mit der Herstellung von Feuerwerk in einem Labor am See.

Die Hambergers fassten übrigens rasch Fuss und erwarben sich grosse Verdienste um das Das von Rappard erbaute Pensionshaus. Dorf Brienz. Sie halfen mit bei der Gründung der Sekundarschule, eines Orchesters und bei der Planung der Brienz-Rothorn-Bahn. Sehr finanzielle Sorgen veranlassten dann 1858 die den Besuchern der Fälle abverlangt worden gut entwickelte sich das Geschäft mit Feuer­ Gebrüder Rappard, die Giessbachbesitzung war, und dann begann er unverzüglich mit der werk, während sich das schlecht rentierende an die «Vereinigte Dampfschiffahrtsgesellschaft­ Vergrösserung des Pensionshauses. Daneben Hotel bald als grosse Belastung erwies. 1880 Thuner- und Brienzersee» (VTB) zu verkaufen. sorg­te er während der Sommermonate zwei­ zog Hamberger dann nach Oberried um und Dem Kaufpreis erwuchs zwar anfänglich Oppo­ mal in der Woche für die bengalische Beleuch­ setzte dort in grösserem Rahmen seine Tätig­ sition; 300 000 Franken schien vielen Dampf­ tung der Wasserfälle. keit als Feuerwerk-Fabrikant fort. schiff-Aktionären weit überrissen. Erst die Aus­ sicht auf stetig wachsende Besucherzahlen Hambergers Feuerwerk Ein geschickter Verwalter und die Möglichkeit, den Giessbach zu einem Hatte Kehrli sich noch mit dem wenig spekta­ Unterdessen ging die erfolgreiche Arbeit wichtigen und ertragverheissenden Zielpunkt kulären Abbrennen von Reisig- oder Strohhau­ Schmid­lins beim Giessbach weiter. Seine wohl der Schifffahrt auf dem Brienzersee zu ma­ fen beholfen, so bedienten sich seine Nach­ überlegten Massnahmen zeigten bald Wirkung; chen, besänftigte schliess­lich die Gegner des folger wirksamerer Mittel. Rappard schon hatte neben dem fortschreitenden Ausbau des Pen­ Kaufs. einen Bekannten, den Reallehrer und Liebha­ sionshauses, der aus den laufenden Einnah­ ber-Feuerwerker Johann Rudolf Hamberger men beglichen werden konnte, erwirtschaftete Mit dem Erwerb der Giessbachbesitzung über­ von Bern, ermuntert, die Beleuchtung der Fälle der gewiefte Verwalter auch noch eine Dividen­ nahm die VTB auch den bisherigen Verwalter zu übernehmen. Nachdem dann die VTB die de auf dem Kaufpreis. Schmidlin mit Frau und Töchtern. Dieser Familie Besitzung erworben hatten, war ihnen daran ist es zu verdanken, dass sich der Giessbach gelegen, sich die Dienste Hambergers weiter­ Nicht wenig zu dem erfreulichen Ergebnis trug zu einem blühenden Unternehmen entwickelte. hin zu sichern, da die illuminierten Fälle eine auch Frau Schmidlin bei, die die Gäste so um­ Schmidlin schaffte sofort das Weggeld ab, das bedeutende Anziehungskraft ausübten. sorgte, dass sie sich gleich heimisch fühlten.

315 Sie hatte für jeden ein freundliches Wort und lenkte den Hotelbetrieb umsichtig und unauf­ fällig. Un­terstützt wurde sie dabei von ihren beiden Töchtern, welche bei aller mädchenhaf­ ten Zurückhaltung liebenswürdig die Honneurs machten. «Blond und schlank schwebten sie geräuschlos bei der Table d’hôte in der Wirt­ schaft umher und verstanden es wie wenige, einen angenehmen Verkehr herzustellen. Die poetischen Mädchengestalten blieben man­ chem Gast lange in Erinnerung.»

Einen Glanzpunkt im Wirken der Familie Schmidlin bedeutete zweifellos der Sommer 1865. Im er­weiterten Pensionshaus und einem Chalet lo­gierten damals 175 Gäste, die dem Unternehmen nicht nur die Deckung aller Kos­ ten und 5 % Dividende einbrachten, sondern darüber hinaus noch einen Reingewinn von Fr. 25 000.–.

Die Ära Hauser: das Grand Hotel Dann aber wurde die politische Landschaft Europas überschattet vom deutsch-österreichi- schen Krieg; die Gäste, die sich zu einem gros­ sen Teil aus den betroffenen Ländern rekrutiert hatten, blieben aus und damit auch die Einnah­ men. Da sich keine Besserung abzeichnete, suchte die Dampfschiff-Gesellschaft VTB 1869 die Giessbachbesitzung abzustossen.

Ein Käufer fand sich in der Person von Karl Hau­ ser, der kurz vor Ausbruch des deutsch-franzö- sischen Krieges (1870/ 71) das gesamte Areal mit allen Gebäuden für Fr. 900 000.– erwarb. Hauser war das Haupt einer mächtigen Hotelier- Dynastie, der unter anderem die Hotels Schwei­ zerhof und Luzernerhof in Luzern, das Gurnigel­ bad und das Bad Weissenburg gehörten. Otto Fröhlicher: Der Giessbach am Brienzersee.

316 Dank seinen Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten im In- und Ausland zweifelte der erfahrene Hotelier nicht daran, dass sich die internationale Lage nach dem Kriegsende wieder beruhigen würde und auch für den Fremdenverkehr wieder bessere Zeiten anbre­ chen dürften. Zukunftssicher erteilte er 1872 dem bekannten Hotelarchitekten Davinet den Auftrag, Pläne auszuarbeiten für ein neues Hotel, «das in seinem Totaleindruck sowie in seiner Einzelgliederung der wunderbaren Lage des Giessbachs entsprechend, grossartig ge­ nug erdacht sein muss, um Herrschaften höhe­ ren Ranges würdig zu empfangen, doch aber auch seiner ursprünglichen Aufgabe als Hotel und Restaurant völlig genüge, um es schon von weitem dem bescheidenen Bürger als Ruhe- und Raststätte zu empfehlen.»

Davinet löste die Aufgabe zur Zufriedenheit Hausers, und in verhältnismässig kurzer Zeit (1873–1875) wurde das palastähnliche Grand Hotel ge­baut, trotz schwieriger Bedingungen. So musste der Bauplatz zuerst durch Spren­ gung und Aufführung von Mauern zurechtge­ macht werden, um die gewünschte grossartige Lage des Hotels auf dem Felsen hoch über dem See zu ermöglichen. Das anfallende Ge­ stein diente als Baumaterial, Sandsteinblöcke wurden aus den Ostermundiger Steinbrüchen hergeführt, und den Granit für Sockel und Trep­ pen lieferten die zahlreichen Findlinge in den umliegenden Wäldern.

Es entstand ein prachtvolles fünfstöckiges Ge­ bäude mit Parterre, drei Stockwerken und einer Mansarden-Etage. Die Mitte bildete eine Art Pa­ villon, an den sich beidseitig, etwas abgewin­ kelt, zwei Flügel anschlossen, der eine mit wei­ tem Ausblick auf den Brienzersee, der andere Süterlin: Chute inférieure du Giesbach (um 1860).

317 unmittelbar gegen die Wasserfälle gerichtet. Grüsse nach der Heimath aufzutragen oder lieber welche beide Häuser mit einander verbindet. Im Zum Pa­villon mit dem Haupteingang leitete eine Entschlafener zu gedenken oder der Abstammung Pensionshaus ist ein eigenes Büreau, welches die des Menschen vom Affen nachzugrübeln oder die Wünsche der daselbst Logierenden entgegennimmt. breite Doppeltreppe, flankiert von zwei mächti­ Differenz der Kurse zu berechnen, welche den Spe­ Etwas höher, am Waldesrand, liegt die Kegelbahn in gen Tannen. Das Innere des Grand Hotels und kulanten auch bis hierher verfolgen. gleichem Geschmack wie die Wandelbahn erbaut. seine nähere Umgebung, wie sie sich dem Be­ Pavillons, Ruhebänke, Photographien- und Stein­ sucher um 1875 darbot, beschreibt ein langjäh­ Drum einen Schritt weiter, das lebhafte Gedränge schmuck-Magazine, sowie zur Oekonomie des Hau­ fliehend, welches beim Hôtel, dem Wasserfall gegen­ ses gehörige Lokalitäten liegen zerstreut im Walde riger Gast so: über, an schönen Tagen sich sammelt. Der Weg leitet umher.» von selbst gegen das Pensionshaus hin. Zuerst be­ gegnet man Kehrli’s Schnitzerei-Magazin, das aus «Tritt man nun ein in’s Haus, so fällt der erste Blick auf den un­scheinbaren Anfängen vor sechzig Jahren zu das grosse Vestibül. Links öffnen grosse Flügel­ einem stattlichen Lager künstlicher Handfertigkeit Die Beschreibung des neuen Grand Hotels thüren den Einblick in die prächtigen Conversations- sich herangebildet hat; die Verkäuferinnen sind Enkel wäre noch dahin zu ergänzen, dass es auch und Lese-Säle, in die Spiel- und Billard-Zimmer, des Schöpfers dieser Anlagen. Daneben kommt das eine mo­derne Gasbeleuchtung aufwies, über rechts aber in den 300 Gedecken Raum bietenden Chalet, ein in schlichtem Holzstyl aufgeführtes Land­ Speisesaal. Er läuft in einen schwach gebrochenen haus, dessen Zimmer stets im Voraus bestellt wer­ Wasserklosette und sogar Badezimmer verfüg­ Winkel, der Flucht des Hauses folgend, aus und hat den. Es hat etwas für sich, mitten im Getümmel der te; für die damalige Zeit sehr luxuriöse Einrich­ an der dem Wasserfall zugewendeten Seite einen vornehmen Welt, dennoch abgeschieden auf sein tungen! Un­terhalten wurden die Gäste mit Kon­ riesigen breiten Balkon, von dem man an unfreund­ «home» beschränkt zu sein. lichen Abenden die Illumination der Wasserfälle zerten und Tanzanlässen. Tennis, Krokett und geschützt betrachten kann. In diesem ersten Stock­ Der Besitzer will in den nächsten Jahren noch einige eine Kegelbahn sorgten ebenso für eine ab­ werk, welches lediglich für gemeinsame gesellschaft­ solche Chalets an geeigneten Plätzen anlegen las­ wechslungsreiche Beschäftigung der Gäste liche Zwecke be­stimmt ist, befinden sich noch, ge­ sen. Und nun endlich die ursprüngliche Pension wie die Ruderboote und Angelgeräte unten am gen die Rückseite, das Telegraphen- und Post-Office Giessbach, vierstöckig mit Mansarden-Wohnungen, sowie die Bureaux der Haus-Verwaltung. auf umfangreichem, reinlichem Kiesplatz gelegen, See, die für sportliche Betätigung zur Verfü­ dieses Eldorado Stadtstaubfliehender, Waldesluft­ gung standen. Von hier führen helle, bequeme Treppen hinauf zu athmender, gemütlich-fröhlicher Ausruhlinge, das den circa 150 Zimmern mit 225 Herrschafts-Betten, wie dazu geschaffen ist, einem dolce far niente zu von denen diejenigen, welche nach den Vorderseiten dienen, – wie einladend und Friede verheissend liegt Unter der Leitung Hausers entwickelte sich das des Hauses gehen, an Schönheit der Ausblicke ge­ es im Hintergrunde des waldumfangenen Thälchens! Unternehmen laufend weiter. Schon vier Jahre radezu sich überbieten. Etwa 30 Zimmer sind mit nach der Eröffnung des Grand Hotels wurde Balkons versehen, eine Annehmlichkeit, welche Es ist ein respektables Haus, welches aus den eine Drahtseilbahn vom See zum Hotel erstellt, mehrere der schön gelegenen Gasthöfe der Schweiz Anstrengungen der Schmidlin’schen Bemühungen zeigen. nach und nach entsprang. Längs der ersten Etage um den Gästen den nicht allen zusagenden läuft der mit wildem Wein bewachsene, breite Bal­ Aufstieg zu ersparen. Sie überwindet 100 m Unter dem Speise-Saal, im Rez-de-Chaussée, befin­ kon, der vor dem Parterre eine Veranda bildet. Aber Höhendifferenz auf einer Länge von nur 350 m, det sich das grosse Restaurant, welches in der ho­ der wilde Flüchtling lässt seinem Emporturnen keine hen Reisezeit tagsüber von denjenigen Passanten Gränzen setzen, sondern er klimmt zu den Altanen wovon fast 200 m auf eisernen Bogenbrücken frequentiert wird, die, ohne die Illumination abzuwar­ der 2. und 3. Etage und hüllt dadurch einen Theil des über den Giessbach führen. Die Bahnanlage ten, am gleichen Tag wieder abreisen. Aus den Hauses in sein graziöses Blättergewinde ein. Hier ist machte auch einen neuen Anlegeplatz für das Räumlichkeiten desselben tritt man in eine Aus­ es, wo der billige Pensionspreis von 7 Francs für den sichts-Halle, wo man an schönen Tagen im Freien Tag, und die Saison vom Mai bis zum October, Dampfschiff nötig; die alte, weiter östlich liegen­ und doch im Schatten speisen und ausruhen kann. herrscht und zwar für Frühstück, fein ge­kochtes de Ländte wurde weiterhin und wird bis heute Diner und ergiebiges Souper (ohne Wein aber) von Ruderbooten benützt. Den Bau eines ge­ Und wem diese Räumlichkeiten noch nicht bequem gemeinschaftlich mit den Passanten im vorderen planten weiteren Hotels am See unterliess und luftig genug sind, dem bieten endlich die im grossen Speise-Saal, Logis, Bedienung und Be­ Schutze dicht belaubter alter Bäume aufgestellten leuchtung. Damit die Pensionäre aber trockenen Hauser indessen. Bänke der vierfach hinter einander aufsteigenden Fusses in das vordere Hôtel zu den Mahlzeiten ge­ Terrassen Plätzchen dar, um den Gedanken freien langen können, läuft eine im Foresto-rustico-Styl er­ Flug zu lassen und den vorüberziehenden Wolken baute, 280 Schritt lange, schattige Wandelbahn,

318 Als Kuriosum sei erwähnt, dass die Billettaus­ gabe für die Schiffe bei der neuen Landestelle un­serem heutigen Demokratieverständnis nicht sehr entsprach; der Schalter 1. und 2. Klasse diente nur den Fremden; Einheimische, Berg­ führer, Kutscher, Schiffsleute und Sennen hat­ ten vor dem Schalter 3. Klasse anzustehen!

Nach einer Bauzeit von kaum neun Monaten nahm die Bahn auf die Saison 1879 den Betrieb auf; die Erstellungskosten beliefen sich auf nicht einmal Fr. 150 000.–, und das erste Betriebsjahr brachte bereits Einnahmen von Fr. 18 280.–, denen Ausgaben von nur Fr. 3640.– gegen­ überstanden.

Die weltweiten Beziehungen Hausers verhalfen ihm auch beim Giessbach zu einer illustren Gäs­teschar. Neben russischen Aristokraten stiegen im prunkvollen Grand Hotel besonders Deutsche ab, meist Adelige, Frankfurter Finanz- und Börsenmagnaten, aber auch Japaner, Polen, Un­garn und sogar schwarze Stammes­ fürsten aus Afrika. Viele Grössen der Welt trafen sich beim Giessbach, um sich hier im Schoss der Natur des erholsamen Landlebens zu er­ freuen, ohne dabei auf die gewohnten Bequem­ lichkeiten verzichten zu müssen. Es kamen Ge­ schäftsleute, die für einige Wochen dem Treiben und Jagen des Alltags entfliehen wollten und beim Giessbach Ruhe suchten. Beliebt war ein Aufenthalt auch bei jungen Ehepaaren, denen das stille Gelände mit seinen lauschigen Win­ keln wie ein Stück Paradies vorkam, eigens für sie ge­schaffen.

319 Alle diese Herrschaften liessen sich den Aufent­ bescheidenen Löhne erheblich auf. So verdiente sondern ein meist in Berner Nationaltracht halt beim Giessbach auch etwas kosten. Eine z.B. ein Concierge noch kurz vor dem 1. Welt­ gekleidetes Mädchen ist. Dasselbe notiert die russische Fürstenfamilie soll damals pro Tag krieg Fr. 2000.– in einer Saison nur an Trinkgel­ Nummer des Zimmers (denn nach dem Namen Fr. 350.– bezahlt haben, eine unerhörte Sum­ dern! Geschätzt wurde von vielen Herrschaften wird weder gefragt, noch ein Fremdenbuch vor­ me, wenn man bedenkt, dass mittelständische die diskrete Art des Empfangs und der Bedie­ gelegt, um Stand und Rang des Reisenden zu Be­sucher oder solche, denen der Prominen­ nung. Ein zeitgenössischer Bericht vermeldet: erforschen), telegraphiert sie in das betreffende tenrummel im Grand Hotel nicht zusagte, im Stockwerk, und daselbst nimmt der Etagen­ Kurhaus einen Pensionspreis von Fr. 7.– zu ent­ «Beim Eintritt empfängt den Reisenden der Be­ kellner den Reisenden in Empfang. Aber dieser richten hatten. sitzer selbst, erteilt ihm über die disponiblen ist wiederum ein nett costumiertes, hübsches, Räume Aufschluss und nimmt seine Wünsche weibliches Wesen, welches dem Gast voll Ar­ Von der finanzkräftigen Kundschaft profitierten über Etage, Aussicht, Pension entgegen. Dann tigkeit, jedoch vollkommen reserviert, entge­ selbstverständlich auch die Angestellten; die wählt er das passende Zimmer und bezeichnet genkommt und durch eine höchst anständige Trinkgelder flossen reichlich und besserten die es dem Oberkellner, welcher aber kein Mann, Haltung dem anderwärts gegen Kellnerinnen hergebrachten Benehmen ausweicht.»

Das Grand Hotel stand erst acht Jahre, als es 1883 einer Feuersbrunst zum Opfer fiel, wahr­ scheinlich wegen eines defekten Kamins. Hau- ser liess sich darob nicht entmutigen, ordnete sofort den Wiederaufbau an, und bereits im nächsten Sommer empfing er seine alten Gäste wieder. Das Hotel büsste ein Stockwerk ein und damit auch ein wenig von seiner Monumentali­ tät; der Anziehungskraft des Giessbachs scha­ dete das nicht, im Gegenteil, der Brand trug wohl eher dazu bei, ihn noch bekannter zu ma­ chen. Hotel und Pensionshaus waren jedenfalls sofort wieder voll besetzt; 70 000 Fremde pro Saison waren keine Seltenheit.

Um dem Ansturm zu genügen, wurde der Bau eines weiteren Hotels nötig. Es kam auf die Ge­ ländeterrasse zu stehen, die sich von der «Engi» ziemlich eben gegen den Giessbach hinzieht. Das «Beau-Site», gedacht als Dépendance zum weiter unten liegenden Pensionshaus, vermehr­ te das Angebot um 40 Betten. Es ist heute ver­ schwunden, da es nach einem Brand abgeris­ sen und nicht wieder aufgebaut wurde, weil die alte Giessbachherrlichkeit mit dem Weltkrieg

320 Hotel & Pension Giessbach am Brienzersee um 1876.

von 1914–18 zu Ende gegangen war. Welchen Weltruf: 60– 80 000 Menschen wollen den küh­ für Balneologie. Beim Giessbach gibt und gab Ruf das Palasthotel zur Zeit Hausers genoss, nen Springer (jedes Jahr) sehen und bewun­ es auch damals zwar weit und breit keine Mine­ geht aus dem Bericht eines Reisenden hervor: dern.» ralquelle; das hinderte aber den Arzt nicht, eine «Das fürstliche Luxusschloss, das prächtige «Installation 1. Ranges für Hydrotherapie» im Giessbachhotel, ein Haus, das fast bei allen Curprozeduren Pen­sionshaus einzurichten, das von da an «Kur­ zivilisierten Völkern der Erde gekannt, von allen Im Herbst 1885 traten die Gebrüder Hauser in haus» genannt wurde. Wagner benutzte eine heimgesucht wird ... Der Giessbach geniesst Beziehung mit Dr. Wagner, einem Spezialisten ständig fliessende Quelle reinsten Trinkwassers,

321 die auf halber Höhe der Schweibenfluh im Tan­ Grosse Vorteile bescheinigt Dr. Wagner dem Der Grossbetrieb Giessbach mit eigener Land­ nenwald gefasst und bei der Brücke quer über Giessbach als «Terrain-Curort.» Er empfiehlt wirtschaft, Sennerei, einem Elektrizitätswerk den Giessbach in ein Reservoir geleitet wurde. sei­nen Patienten, bei der körperlichen Ertüchti­ und einer modernen, mechanischen Wäscherei Im Parterre des Kurhauses entstanden 12 Ba­ gung schrittweise vorzugehen und zuerst Spa­ um­fasste zu dieser Zeit zwanzig Gebäude. Und dezimmer und ein grösserer Baderaum. Ange­ ziergänge in der näheren Umgebung zu ma­ Jahr für Jahr strömten alte und neue Besucher boten wurden Kalt- und Warmwasserbehand­ chen, diese dann auszuweiten bis nach Brienz herbei, immer noch fasziniert vom Naturwunder lungen gegen alle möglichen Leiden, ferner und Iseltwald und endlich steiler aufwärts bis der stürzenden Wasser. Elektrotherapie in Form von hydro-elektrischen zum obersten Wasserfall. Nach dieser Ange­ Bädern und schliesslich auch Diät-, Bewe­ wöhnung erweitert sich der «Rayon der Terrain- Trübe Zeiten gungs- und Ent­fettungskuren, Gymnastik und Cur» bis zum Hinterburgsee, ins Urserli, auf das Dann, völlig unerwartet, verkaufte die Familie Massage. Grätli, ins Plangäu und bis aufs Faulhorn – ein Hauser 1912 die ganze Giessbachbesitzung für ganz respektables Programm, dem kaum alle eine Million Franken einer Aktiengesellschaft. Die Kosten dieser «Curprozeduren» sind in Kurgäste gewachsen waren! Es ist anzunehmen, dass die Besitzer so han­ ei­nem Prospekt wie folgt festgehalten: delten, weil sie dank ihren Verbindungen ins Die ärztlichen Bemühungen um die Gesundheit Ausland die schweren Erschütterungen voraus­ der Heilungssuchenden dürften sich bezahlt sahen oder wenigstens ahnten, die Europa be­ ge­macht haben; jedenfalls wurden die Wasser­ vorstanden und sich schliesslich zu einem welt­ kuren mit allem Drum und Dran auch nach 1897 weiten Krieg entwickelten. Von diesem Schlag, weitergeführt durch Dr. Heinrich Wollensack, der von einem Tag auf den andern den Frem­ der Dr. Wagner abgelöst hatte. denverkehr lahmlegte, hat sich das Giessbach­

Mit der Diät war das so eine Sache; allzu ernst wurde sie nicht eingehalten, stellte doch Dr. Wagner fest, der Erfolg einer Kur werde nicht beeinträchtigt, wenn der Patient zu Tisch regel­ mässig sein Gläschen Rotwein trinke oder zum Braten eine Spur Tafelsenf und zum Nachtisch ein kleines Stück Käse geniesse!

Der geplante Chaletbau, der an die Stelle des Grand Hotels hätte treten sollen.

322 unternehmen Jahrzehnte lang nicht erholt. Es gänzte schliesslich die Komfortansprüche, die wurde zum Tummelfeld von Spekulanten, de­ der Gast heute an ein Parkhotel stellt. Am nen nicht die Wiederaufnahme eines soliden 22. Juni 1949 konnte der neu-alte Betrieb wie­ Hotelbetriebs wichtig war, sondern das schnel­ der eröffnet werden, zur Freude nicht nur der le Geld. Handänderungen und Sanierungsver­ Brienzer, sondern der ganzen Region, die stets suche sorgten immer wieder für Aufregung bei auch von der Anziehungskraft des Giessbachs den Brienzer Behörden, die am Schicksal des profitiert hatte. einst so blühenden Unternehmens aus ver­ ständlichen Gründen interessiert waren. Kulturdenkmal oder Neubau? Das letzte Kapitel der wechselvollen Giess­ Einen kurzen Lichtblick brachten die Dreissiger­ bachgeschichte war damit aber noch nicht ge­ jahre; mit Pauschal­arrangements, hauptsäch­ schrieben! Erwin Frey, über die Elektrowerke lich für englische Kund­schaft, konnte ein be­ Reichenbach Mitinhaber des Parkhotels, beab­ scheidener Erfolg verbucht werden. Leider sichtigte anfangs der Achtzigerjahre, das hun­ machte schon bald der 2. Weltkrieg jeden Hoff­ dertjährige Hotel abzureissen und durch einen nungsschimmer zunichte; die Anlagen wurden Neubau im Chaletstil zu ersetzen. Er führte zur geschlossen, Park und Wege, wo in den guten Begründung an, nur ein betriebstechnisch neu­ Jahren Scharen von Gästen flanierten, lagen zeitliches Haus werde den veränderten Ansprü­ verödet – der Traum vom Giess­bach schien chen der Gäste gerecht; dazu böten Raum­ ausgeträumt... Die trostlose Situation verbes­ höhe, Isolation und der schlechte Zustand der serte sich auch nach Kriegsende vorerst nicht, Riegkonstruktion bei einer blossen Renovation im Gegenteil! Die Giessbachbesitzung, die in Grandhotel Giessbach fast unüberwindbare Schwierigkeiten. Ein Neu­ ausländischen Besitz übergegangen war, droh­ bau in zeitgemässer Holzbauweise, der den re­ te im Sumpf der Spekulation unterzugehen. den Besitzer des Bürgenstocks, Fritz Frey-Fürst, gionalen Bautraditionen entgegenkomme und für den Erwerb des Aktienkapitals zu gewinnen. sich gut der Giess­bachlandschaft anpasse, sei Das Mobiliar des veralteten Kurhauses wurde Die anfängliche Betriebs AG wurde 1950 in eine realistischer als eine Renovation. verkauft, im Grand Hotel mehrten sich die Kollektivgesellschaft umgewandelt, der auch Schäden infolge mangelnden Unterhalts; die die Elektrowerke Reichenbach angehörten. Im Dem Abbruch des Parkhotels und dem gene­ Li­quidation schien unvermeidbar. Als auch noch gleichen Jahr 1950 erklärte der Berner Regie­ rellen Gesuch für den geplanten Neubau er­ ruchbar wurde, es sei beabsichtigt, das bedeu­ rungsrat den Giessbach zum Naturschutzge­ wuchs sofort heftige Opposition. Es gab bei der tende Gefälle des Giessbachs für ein grösse- biet, wo­mit die Fälle endgültig gerettet waren. Bauver­waltung von Brienz Einsprachen vom res Kraftwerk auszunützen, rief das den Ufer­ Schweizer und vom Berner Heimatschutz, vom schutzverband Thuner- und Brienzersee sowie Das zum Parkhotel umbenannte Grand Hotel Bund Schweizer Architekten, von der Schwei­ den Heimatschutz auf den Plan. Das Vorhaben wurde innen und aussen stilvoll erneuert und zerischen Stiftung für Landschaftsschutz und wurd­ e sofort bekämpft, da die weltberühmten modernisiert. Die Elektrifizierung von Küche, Landschaftspflege, vom Uferschutzverband Fälle mit der Verwirklichung des Projekts mehr Heizung, Wäsche­r­ei, der Betrieb von Kühlan­ Thuner- und Brienzersee, der kantonalen Denk­ oder weniger ausgetrocknet wären. Die Unge­ lagen und Boilern machten den Bau eines malpflege und von der Arbeitsgemeinschaft wissheit um das Schicksal der Giessbachbesit­ moderneren Elektrizitätswerkes nötig, das mit für Strassenplanung und Landschaftsschutz zung nahm erst ein Ende, als es 1947 Gemein­ dem Werk Reichenbach zusammengeschlos­ am Brienzersee. Der Schweizer Heimatschutz derats­präsident Hans Schild von Brienz gelang, sen wurde. Ein geheiztes Schwimmbad er­ verlangte, das bestehende Gebäude sei, unter

323 Wahrung der berechtigten Interessen der Be­ glaube und Tradition fortzuführen und damit ein sigte. Die Renovation des Hotels von Grund auf sitzer, zeitgemäss zu renovieren und mit der kulturelles Erbe zu erhalten, das in die Anfänge sollte allerdings weitere fünf Millionen Umgebung als Natur- und Kulturdenkmal von des Fremdenverkehrs zurückreicht. kosten. Diese Summe erwartete Weber von nationaler Bedeutung zu erhalten. Seinen Wi­ Spendern und Gönnern – und sein Optimismus derstand gegen den Ab­bruch begründete er Den Besuchern und Hotelgästen sollte so ein wurde nicht enttäuscht! Die Initiative Webers mit der Schutz- und Erhaltungswürdigkeit der Ort der Erholung und Geborgenheit geboten brachte den Durchbruch; die Gemeinde Brienz Brienzerseelandschaft beim Giessbach und werden in einer prachtvollen Landschaft zwi­ und die Herren Frey stellten sich überzeugt hin­ dem hohen architektonischen Wert dieses schen Berg und See. Vorgesehen war, das ter das Projekt, das nun angepackt werden Hotelbaus aus dem 19. Jahrhundert. Hotel als Ganzjahresbetrieb zu führen und mit konnte. Der Erfolg der Aktion «Spender und Veranstaltungen verschiedenster Art den Giess­ Gönner» blieb nicht aus; die vordringlich benö­ Das Projekt mit dem geplanten Chalet-Hotel bach zu einem na­tionalen Gesellschafts- und tigten Mittel kamen zusammen, und bereits im wurde zusammen mit der Abbruchpublikation Kulturzentrum zu machen. Sommer 1983 konnten das Res­taurant und ein öffentlich aufgelegt. Aus den oben aufgeführten Teil des Hotels den Betrieb aufnehmen. Gründen lehnten die Besitzer eine aufwändige Dass es sich bei Webers Plänen nicht nur um Renovation kategorisch ab, ebenso unnachgie­ unrealistische Schwärmereien handelte, wurde Damit war der Giessbach ein weiteres Mal ge­ big beharrten die Einsprecher auf der Erhaltung spätestens klar, als er mitteilte, er habe mit den rettet. Er bleibt mit und in seiner einmaligen des traditionsreichen Hotels. Die Auseinander­ bisherigen Besitzern bereits den Preis von drei Umwelt erhalten, zur Freude unzähliger Besu­ setzung brachte keine Einigung, und es musste Millionen Franken für die ganze Besitzung ver­ cher und Bewunderer einer nostalgischen befürchtet werden, das Hotel könnte Schaden einbart. Eine Million erhielt Weber von den alten Hotelarchitektur, die im Einklang steht mit einer nehmen, wenn es weiterhin nicht unterhalten Eigentümern geschenkt, so dass sich der tat­ noch weitgehend unversehrten Natur. würde. sächliche Kaufpreis auf zwei Millionen ermäs­

Der Giessbach dem Schweizervolk! In dieser unerfreulichen Lage kam es plötzlich zu einer überraschenden Wendung. Im Herbst 1982 stellte nämlich der bekannte Umwelt­ schützer Franz Weber den Rettungsplan «Giess­ bach dem Schweizervolk» vor. Die Stiftung HELVETIA NOSTRA anerbot sich, mit einer gesamtschweizerischen Aktion die Mittel auf­ zubringen, um das 22 Hektaren umfassende Giessbachareal mit Parkhotel, Kurhaus, Chalet, Drahtseilbahn, Schiff­station und Gärtnerei zu erwerben und zu erhalten. So wie das Rütli der Schweizerjugend gehöre, so solle der Giess­ bach dem Schweizervolk gehören. Weber ver­ sprach, den Hotelbetrieb im erneuerten alten Gebäude wieder in Schwung zu bringen und das beim Giessbach einzigartige Zusammen­ spiel von Natur und Architektur, von Zukunfts­ Unterwegs hinter dem Giessbachfall

324 Axalp – iisi Achsalp

Peter Michel

Vil Brienser und o fremdi Liit us der Schwiiz und sogar usem Uusland schetze d Achsalp heei in: Dert uehi an däm scheennen Ort chenni ma si gued erholen und zu Chrefte chon. Vil Bsuecher und Gescht hein darvon gschriben.

Paul Am Acher hed i lleschte Jahren vil uber d Achs­ alp erläsen und gschtudierd. Was d Gescht an Gschicht, an Erläbnissen und Gedichten hinderlahn hein, schteid mid vil anderem i siim Buech «Axalp – Geschichte und Poesie» (Am Acher Verlag, Ringgen­ berg).

Das Buech mid de wwunderscheennen Bildren mues ma gläsen und gsehn han, fir chenne z verstahn, was d Achsalp eis gsiin ischt und was si gengen no ischt und bliibt – trotz läschtigem Flieger­ läärmen und Outoturischten, waa am liebschten bis i ds Litschetelti old no lieber gad uf ds Fuulhooren uehi fuehren.

Was mier hie uber d Achsalp gschriben hein, schteid Senn mit Kühen vor dem Kurhaus (später Sporthotel) Axalp 1918. zum Teil fascht Wort fir Wort in däm erwähnten Buech. Under vilem cheu mma inem Kapitel di ganzi Anlässlich der Feier für die Einweihung der Der Brienzer Holzbildhauer und Heraldiker Mar- Entwicklig von der Alpwirtschaft gsehn und läsen, von der Frieiziit bis zum hiitige Tag. Und das ischt fire neuen Axalp-Fahne in der Altjahrswoche 2009 tin Flück habe nun aufgrund dieser Sage eine Kanton Bärn suscht no niena beleids. machten Marcel Zysset und der Gemeindeprä­ Axalp-Fahne kreiert, auf der die Äxte der Tiro­ sident Peter Flück allerdings darauf aufmerk­ ler und das Wappentier des österreichischen sam, dass der Name «Axalp» laut einer Sage, Bundeslandes Tirol dargestellt seien. Weiss Der Name Axalp erscheint in Urkunden schon die Albert Streich aufgeschrieben hat, auch an­ und Blau bedeuteten die Farben der Gemeinde um 1363 als «Achs alpe», 1439 als «Achsalp», ders erklärt werden könne. Streich erzählt dort Brienz. Die Fahne solle die Gemeinschaft von 1488 als «Achsallpp», 1493 als «Achszalb». von einer Tochter, die die Alp, ein damals stark Einheimischen und Auswärtigen auf Axalp fes­ Noch heute lautet ihr Name im Dialekt auf bewaldetes, kaum nutzbares Gebiet, vor Zeiten tigen und erhalten. – Das zur Sage und zur Fah­ «Achsalp». Gemäss dem Ortsnamenbuch des von ihrem Vater ererbt habe. Ihr Mann, ein initia­ ne, von der bei der Einweihung gleich zwanzig Kantons Bern (Franke Verlag, Bern 1976) wird tiver Typ, der die Alp nutzen wollte, habe gleich Stück verkauft wurden. ihr Name auf ein keltisches Wort «aksa» zurück­ eine Holzfällergruppe aus dem Tirol kommen geführt, das «Weide» bedeutet. lassen, die mit ihren Äxten den Tannen und Die Alp befindet sich über dem oberen Ende den Ahornen zu Leibe gerückt sein soll. So sei des Brienzersees, im Gemeindebezirk Brienz, schliesslich die Alp entstanden, die wir heute am Nordhang der Gersten-Faulhorn-Kette und kennen und schätzen. ist in drei bis vier Gehstunden vom Talgrund

325 Reisende erkannten um die Mitte des 19. Jahrhunderts, dass kaum eine Region unseres Landes oder gar Europas so viele verschiedene attraktive Ausflugsziele auf so klei­ nem Raum anzubieten hat wie ge­ rade das Berner Oberland. Aller­ dings war das Reisen im alpinen Raum damals noch beschwer­ lich. Die Wege waren schmal, und es fuhren weder Eisenbah­ nen noch Postkutschen. Reise­ beschreibungen aus der An­ fangszeit des Tourismus im östlichen Berner Oberland beschränken sich meist auf Sporthotel, ehemals Kurhaus Axalp; Endstation der Postautolinie (um 1965). den Weg von der Schiffsta­ tion Unterseen nach Grindelwald und über die Grosse Scheidegg nach Meiringen und aus zu erreichen. Sie liegt in 1200 bis 1800 Me­ sich in den Besitz. Laut Seybuch darf die Alp Brienz. Thuner- und Brienzersee waren zweifel­ tern Höhe über dem Meeresspiegel auf einem heute mit 254 Kühen bestossen werden. Jeder los wichtige Verkehrswege in unsere Gegend. Hochplateau, das sich gegen Norden neigt. Genossenschafter ist berechtigt, je nachdem 1839 wurde auf dem Brienzersee der fahrplan­ wie viele Kuhrechte er besitzt, das Weideland mässige Verkehr mit dem stolzen Dampfschiff Über die Nutzung, Erschliessung und Besied­ zu nutzen. Er ist aber auch verpflichtet, beim «Giessbach» aufgenommen. Von der Bootsan­ lung der Axalp in früheren Zeiten fehlen genaue Unterhalt der Alp mitzuhelfen. Pro Kuhrecht hat legestelle Giessbach aus stiegen dann die ers­ schriftliche Berichte. Ein Zinsrodel von 1493 so­ er jedes Jahr drei Stunden unentgeltlich für die ten Gäste zur Axalp hinauf und schwärmten von wie ein Zinsbuch des Stiftschaffners zu Thun Alp zu arbeiten (Bodenverbesserungsarbeiten, der herrlichen Rundsicht, die man von dort aus über die Einkünfte im Oberland von 1488 –1510 Räumungsarbeiten, Erstellen der Zäune, Be­ hat. Einheimische erkannten schnell: Auch hier und ein Bodenzinsurbar des Amtes Interlaken kämpfung des Unkrauts usw.). oben musste ein Hotel gebaut werden! – Die von 1535 zeigen immerhin, dass die Achsalp im Idee wurde bald realisiert: Der Brienzer Peter 15. und 16. Jahrhundert schon als Weideland Ein Kuhrecht ist persönlicher Besitz des Ge­ Flück-Eggler, Oberlehrer (1839 –1884), konnte genutzt wurde. nossenschafters und kann verkauft oder ver­ einen Teil der Axalp mit bestehenden Gebäu­ erbt werden. Es entspricht etwa einer Nutzflä­ den und insgesamt 57 Grundstücken im Jahr In der Schweiz befinden sich vier Fünftel der che, auf der eine Kuh während zehn Wochen 1878 käuflich erwerben. Und schon ein Jahr Alpen im Besitz von Genossenschaften oder genügend Nahrung findet. später verkündeten er und sein Geschäftspart­ Korporationen. Es wird zwischen Privatalpen, ner Johann Michel-Eggler, Lehrer (1847–1917), Genossenschaftsalpen und Gemeindealpen Es gibt aber auch eine grosse Anzahl von Land­ als Besitzer des zur Aufnahme von Touristen unterschieden. – Die Axalp ist eine Genossen­ eigentümern, deren Besitz im Grundbuch als eingerichteten grossen Hauses: schaftsalp. Sie umfasst ungefähr 300 Hekta­ Privateigentum eingetragen ist und die nicht ren. Um die dreissig Genossenschafter teilen Genossenschafter der Bergschaft Axalp sind.

326 Das beschriebene Kurhaus Axalp florierte und der, das obere und das untere Hotel. Während «Die Pension Axalp ist ein im Jahr 1879 eröffnetes, in einfachem Stil erstelltes Etablissement mit hundert brachte Geld ein. Das erkannten zwei innova­ der Kriegsjahre blieben sie aus. Auch zwischen Betten in siebzig Zimmern nebst Badeeinrichtung tive Brienzer, Peter Kuster und Johannes von den beiden Weltkriegen kamen sie kaum mehr. und gedecktem Wandelgang. Es besitzt einen gros- Bergen-Fuchs. Sie kauften 1894 auf dem Hütt­ Der Brienzer Bäcker Fritz Bieri (s. S. 130) kauf­ sen, sehr geräumigen Speisesaal, getrennt von der boden fünf Hektar Land mit zwei Scheunen te 1925 die Liegenschaft und die Gebäude des Restauration für Passanten. Die Klosette sind mit Spül- und Abflusssystem, daher ganz geruchfrei.» und einem Speicher. Schon drei Jahre später Hotels Bellevue. Vieles musste erneuert und er­ war es so weit: Auf dem Hüttboden stand das gänzt werden. So erzeugten nun in beiden Ho­ Hotel Bellevue. tels Dieselmotoren die nötige Elektrizität. Auch Sie empfahlen ferner die geschützte Lage ihres während des zweiten Weltkrieges geschah auf Etablissements, das gleichmässige Klima auf Kaum war dieses Haus eingeweiht, zeigte sich, der Axalp nicht mehr viel. Die Hotelbesitzer der Axalp, die gesunde Kost und das vorzüg­ dass es zu wenig Platz bot. Die Besitzer muss­ hofften, nach dem Krieg wieder aus der Tou­ liche Quellwasser. Dann rieten sie, bei heissen ten gleich noch eine Dependence dazu mieten, rismusindustrie wie früher Verdienst schöpfen Juli- und Augusttagen zum Aufstieg den Mor­ damit sie hundert Gäste aufnehmen konnten. zu können. gen oder die späteren Nachmittagsstunden zu – Während der Hochsaison war das Hotel wo­ wählen. Man könne sich aber auch von einem chenlang ausgebucht. Es ging so weit, dass Doch die Berghotellerie erholte sich nicht mehr, der braven Maulesel in die Höhe befördern las­ Gäste, die für weniger als einen Monat buchen bis dann der Wintertourismus allmählich ein­ sen. Die bezüglichen Tarife seien reglementa­ wollten, keine Aufnahme fanden. setzte. In Brienz begann der Skisport um die risch fixiert. Wende zum 20. Jahrhundert. 1904 fanden sich Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, verlies­ sieben junge Leute zusammen und gründeten Ganz interessant waren die Pensionspreise: sen die Gäste, es waren ja vor allem Auslän­ den Ski Club Brienz. Man tat sich nach einer

– zum Frühstück gab es Kaffee oder Tee, Milch, Brot, Butter, Käse, Honig etc. – am Mittag Suppe, zwei Arten Fleisch mit Gemüse, Nachtisch – dreimal pro Woche Fisch und Geflügel etc. – nachmittags 4 Uhr Kaffee, Milch, Brot und Käse – abends Suppe, Fleisch und Gemüse – frisch gemolkene Milch morgens und abends, das Glas zu 10 Centimes

In der Hauptzeit zahlten die Gäste dafür Fr. 4.50 bis Fr. 5.– (alles inbegriffen).

Schon bald mussten die Erbauer und Inhaber des Hotels, Peter Flück und Hans Michel, aus Platzgründen ihren Betrieb für etwa hundert Gäste erweitern, weil der Zuspruch entspre­ chend gross war. Später veränderten und ver­ grösserten sie das Kurhaus nochmals.

327 Unterkunft auf der Axalp um und fand diese re und wenig berggewohnte Gäste mit ihrem mussten. Als sie dann auch im Winter fuhren, beim oberen Hotel. Johann Michel verkaufte Gepäck zu den Hotels hinaufzutragen. Darum wurde die Situation noch um einiges heikler, da dem Klub die Hälfte einer Scheune, welche beschloss der Gemeinderat von Brienz im Jahr die Steigung da und dort bis zu zwölf Prozent die Klubmitglieder im Verlauf der Jahre selber 1921 eine Strassengenossenschaft Brienzer- beträgt. Einzelne Teilstücke wurden verbreitert zur Skihütte ausbauten, bis diese eine Küche, berg zu gründen und der Flurgenossenschaft und mit neuen Belägen sowie Ausweichstellen einen Aufenthaltsraum und drei Schlafräume Brienzerberg beizutreten. Nicht nur die Hotel­ versehen. 1965 übernahm Peter Flück (Zuna­ für insgesamt dreissig Personen bot. Als der besitzer, sondern auch die Alpkorporationen, me «Piereller») die Postautokonzession für den Besitzer den zweiten Teil der Hütte nicht mehr Waldbesitzer und Private waren an der Ab­ Sommer- und Winterbetrieb Brienz–Axalp. brauchte, wurde dieser dazu gekauft. So konn­ sicht, das Axalpgebiet besser zu erschliessen, Seit 1971 läuft das Geschäft über seinen Sohn ten zwischen 1976 und 79 alle Mängel beho­ interessiert, und so wurde 1923 mit dem Bau Ernst. Jährlich werden da auf der besproche­ ben und zwei weitere Schlafräume eingerichtet der Brienzerbergstrasse begonnen. Ausschlag­ nen Strecke um die 30 000 Personen befördert, werden. gebend für den Baubeginn war die damalige und wir dürfen festhalten, dass dabei noch nie Arbeitslosigkeit. In Brienz gab es über hundert irgendein Unfall passiert ist. – Wenn die Firma 1935 beschlossen zwölf junge Brienzer, einen unbeschäftigte Männer. Nach einer Bauzeit von Flück, Brienz, heute Busreisen in ganz Euro­ zweiten Skiclub zu gründen. Sie dachten bald fünf Jahren war die Strasse bis zum oberen pa anbietet, darf man wohl sagen, dass sie ihr an den Bau einer eigenen Hütte und kauften Hotel fertig erstellt. Lehrstück auf der Axalpstrasse gemacht hat. das benötigte Bauland in der Nähe des unte­ ren Hotels. Mit viel Enthusiasmus versuchten Ab 1935 fuhr im Sommer regelmässig ein Post­ Als man hörte, dass im Berner Oberland da und sie gleich, ihren Bauplan zu realisieren. Da es auto auf die Axalp. Lange Zeit bestand die dort Skilifte installiert wurden, erkannte der in­ im Club verschiedene Handwerker hatte, nahm Strasse nur aus einer 2,6 m breiten Fahrbahn, itiative Bellevue-Hotelbesitzer Peter Bieri, dass das zu bauende Skihaus rasch Gestalt an und an die sich die Chauffeure einfach gewöhnen man da mitmachen musste, und schon bald konnte nach wenigen Monaten Bauzeit einge­ weiht werden. Als der erste Skilift den Betrieb aufnahm, wurden bald eine Totalrenovation und Erweiterungsbauten nötig, weil das Haus den heutigen Komfortansprüchen nicht mehr genügte. Duschen, Zentralheizung und moder­ ne Elektroinstallationen wurden etappenweise eingerichtet, so dass 2001 die Einweihung des modernisierten Hauses gefeiert und im Internet eine Homepage aufgeschaltet werden konnte.

Für die Entwicklung der Alp und später des Tourismusgebietes Axalp waren von Anfang an der Zugangsweg, später die Zugangsstrasse sehr wichtig. Denn nicht allen Hotel- und Kur­ gästen war der dreistündige Weg zu den Ho­ tels hinauf zuzumuten. Träger mit speziellen Tragsesseln und sogar Sänften standen unten bei der Giessbachanlegestelle bereit, um älte­ Postauto auf der engen Axalpstrasse, um 1950, Blick Richtung Nordosten (Wilerhorn).

328 stand der erste Bügel-Skilift vom Widerberg bis rend des Winters bis zu seinem Hotel offen und der Gussetsboden-Lift. Mit diesen Neuerun­ zum Hotel Bellevue. Später gründeten Walter legte damit den Grundstein für den Wintersport gen (wintersichere Strasse, Skilifte) entwickelte Anderegg, Willi Ernst, Adolf Michel und Peter auf Axalp. sich eine verhältnismässig rege Bautätigkeit: Stähli aus Brienz mit Heinz Zumbrunn aus Un- Eine ganze Anzahl neuer Chalets entstanden. terbach, Hans Abplanalp und Sigmund Rubin 1963 wurde der Hüttbodenlift erstellt, 1967 der So entschloss sich auch Ruedi Rubi, ein Enkel die Skilift AG. Peter Bieri hielt die Strasse wäh­ Axalp-Windegg-Lift und etwas später noch von Peter Bieri, auf dem Hüttboden nahe beim

Hotel «Bellevue» mit Faulhorn-Kette. Alter Hüttboden-Lift.

Widerberg-Lift. Tief verschneite Axalp: Blick vom Dotzweg Richtung Bellevue.

329 früheren Hotel Bellevue das Chemihüttli, ein neues Restaurant samt Nebengebäuden zu bauen. Das Chemihüttli ist seit 2002 ein Ho­ tel mit 17 Zimmern. Das Bellevue ist kein Hotel mehr. Die Hotelzimmer wurden zu Wohnungen umgebaut, welche im Stockwerkeigentum ver­ kauft wurden.

Peter Rubi, der ältere Bruder von Ruedi, be­ treibt in der Nachbarschaft des «Bellevue» ein Gasthaus, das «Bärghuus Axalp», laut eigenen Internetangaben eine «etwas andere und preis­ werte Unterkunft» mit legendärem Badezuber im Freien. Zusammen mit seiner Familie führt er ebenfalls das «Axalp-Lädeli», welches mit einem breiten Nahrungsmittel- und Warensor­ timent aufwartet.

Beim Farnigenboden, Blick ostwärts gegen Horbigen.

Mit der immer gut unterhaltenen Strasse und der zuverlässigen Postautoverbindung ab Bahnhof Brienz ist heute die Axalp zu jeder Jahreszeit gut erschlossen. Schöne Wander­ wege in einer prächtigen Umgebung und gute Angebote in Hotels, Chalets und Ferienwoh­ nungen sowie Versorgungsmöglichkeiten in ei­ nem grossen Kiosk und im Sportshop bieten Feriengästen und Eintagsbesuchern alles, was sie sich wünschen können.

Und wenn Sie nun beschliessen oder schon beschlossen haben, die Axalp zu besuchen, vergessen Sie nicht, den in den letzten Jah­ ren erstellten Schnitzlerweg zu begehen, der Sie zum wunderschönen Hinterburgsee führen wird. Er ist leicht begehbar, auch für ältere Leu­ te und Kinder. Er beginnt beim oberen Hotel. Lassen Sie sich überraschen! Holzfigur am Schnitzlerweg.

330 Brienz in Mundart und Malerei Samuel Weibel: Vue du village de Brienz. Weibel mit Malerfreunden, darunter Johannes Stähli, im Feld über dem Dorf. Mundart und Mundartdichtung

Dr. Hans Ruef

Brienzer Mundart den Tod vorauszusagen, auch wenn – im Sinne verantwortlich für das schwerfällige und zu­ Die Brienzer Mundart hat als Grundlage jene einer lebendigen Weiterentwicklung – einige gleich feine Gepräge der Brienzer Mundart. Sprache, die die einwandernden Alemannen im der spezielleren Eigenheiten fallengelassen 6. / 7. Jahrhundert mitbrachten. In einer langen werden. Eine weitere auffällige Sonderentwicklung, an Entwicklung seither ist schliesslich eine Dorf­ der das Brienzerdeutsche teil hat, ist die Einfü­ mundart entstanden, die sich von den Mundar­ Was macht aber denn nun die Brienzer Mund­ gung eines -e- zwischen -r- und -n-. Bestes ten der umliegenden Dörfer unterscheidet. Dies art aus? Das Brienzerdeutsche ist natürlich eng Beispiel ist das Wort Rothooren (anderswo Rot­ ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass mit den übrigen Mundarten der Region ver­ horn). Weitere Beispiele sind: Chooren (für in früheren Jahrhunderten dank den verkehrs­ flochten. Es gibt im Grunde genommen kein Korn), mooren (für morgen), fäären (‹vergange­ technischen Verhältnissen der sprachliche sprachliches Merkmal, das allein nur in Brienz nes Jahr›), gäären (für gern). Der Einschub des Kontakt in­nerhalb des Dorfes viel bedeutender vorkäme. Was die Eigenart des Brienzerdeut­ -e- bewirkt, dass diese Wörter um eine Silbe war als die Einflüsse von aussen. So ergab sich schen ausmacht, ist die besondere Kombina- länger werden, was für die Mundart den Ein­ ein sprachlicher Ausgleich innerhalb der Dorf­ tion von Merkmalen. In der Mitte des 20. Jahr­ druck des Behäbigen verstärkt. gemeinschaft, was zugleich eine Abgrenzung hunderts haben Mundartforscher eine grosse ge­gen aussen, gegen andere Mundarten be­ Anzahl Schweizer Mundarten, darunter die Diese eine Silbe trägt zudem eine leichte zweite deutete. Brienzer Mundart, sehr genau festgehalten. Die Betonung im Wort (z.B. Hóorèn), die in der Ergebnisse sind im «Sprach­atlas der deutschen Brienzer Mundart besonders deutlich zum Vor­ Mit der heutigen Mobilität und den Massenme­ Schweiz» zugänglich ge­macht. Die folgende schein kommt. Sie äussert sich in häufigen dien haben sich die lange geltenden Vorausset­ Darstellung stützt sich hauptsächlich auf dieses Schreibungen auf -än: Hoorän, gäärän usw. Die zungen verändert. Andere Sprechweisen sind Werk. leichte Zweitbetonung gilt im Brienzerdeut­ fast allgegenwärtig geworden. Die Brienzer schen auch für die übrigen Wörter auf -en: z.B. Mund­art hat, wie die übrigen Mundarten der Zusammen mit den anderen Mundarten des al­ máchèn, ghéerèn, Gássèn. Diese Betonungs­ Region, Mühe, sich zu behaupten. Eine wichti­ pinen Raums hat die Brienzer Mundart einige weise entspricht nicht der normalen deutschen, ge Voraussetzung ist allerdings noch intakt: Die auffällige Merkmale, die auf Sonderentwicklun­ die nur eine Betonung, die auf der ersten Silbe, Mundart ist noch im Selbstverständnis der gen am Rande des deutschen Sprachgebiets kennt. Es ist anzunehmen, dass das andere Dorfgemeinschaft inbegriffen. Niemand be­ zurückzuführen sind. Betonungsmuster auf nicht-deutschen Einfluss streitet, dass zu Brienz auch die Brienzer Mund­ (entweder aus der Sprache der voralemanni­ art ge­hört. Auch wer selbst nicht mehr (oder In Wörtern mit der ur­sprünglichen Lautkombi­ schen Bewohner dieser Ge­gend oder von der nicht mehr immer) Brienzer Mundart spricht, nation -nk- ist das -n- ausgefallen und das -k- nahen Sprachgrenze im Süden her) zurück­ kann sie erkennen und von anderen Mundarten zu -ch- geworden, der vorangehende Selbst­ geht. unterscheiden. Die Assimilationskraft des Bri­ laut ge­l­­ängt worden: Beispiele sind: trychen (für enzerdeutschen ist zudem noch einigermassen trinken), stychen (für stinken), teichen (für den­ In denselben Zusammenhang gehört das -a- in erhalten: Kinder von Zugezogenen nehmen in ken), heichen (für «henken»), Beichli (für Bänk­ Endsilben von Wörtern: Taga (für Tage), Tischa vielen Fällen die Brienzer Mundart an. So ist es lein), Trouch (für Trank) oder Wouch (für Wank). (für Tische) oder Tyfla (für Teufel). Die deutsche heute nicht angezeigt, dem Brienzerdeutschen Diese lautliche Eigenschaft ist wesentlich mit­ Sprache hat eigentlich schon seit tausend Jah­

333 ren solche -a zu neutralen -e abgeschwächt. Bei einer wenig beachteten Eigenart des enge­ In einem spektakulären Fall dagegen geht das Dass das Brienzerdeutsche sie erhalten hat, ren Oberlands macht das Brienzerdeutsche Brienzerdeutsche als einzige Mundart des en­ mag ebenfalls nicht-deutschem Einfluss zu ver­ ebenfalls mit. Wir treffen sie zum Beispiel in fol­ geren Berner Oberlands mit dem Unterwaldne­ danken sein. genden Wörtern an: Troumm (für Traum), Feenn rischen zusammen. In Brienz sagt man Fuchs, (für Föhn), scheenn (für schön), dazu troummen wachsen, Achslen, in den benachbarten Mund­ Eine der auffälligsten Eigenheiten der Brienzer (träumen), feennen (föhnen), scheennen (für arten diesseits des Brünigs Fux, waxen, Axle. Mundart ist das Fehlen der Laute -ö- und -ü-. schö­nen, ‹schälen›). Gegen die Gewohnheit Alles zusammen genommen, wird nun ersicht­ Diese «runden» Laute (man muss den Mund zur auch des Hochdeutschen werden hier selbst lich, dass es die spezielle Kombination von Aussprache entsprechend formen) sind im nach langen oder doppelten Selbstlauten -m- sprachlichen Eigenheiten ist, die das Brienzer­ Brienz­erdeutschen zu den nicht mehr runden und -n- gelängt oder verdoppelt. deutsche ausmacht. Lauten -e- bzw. -i- geworden. Dies erweckt den Eindruck des Breiten, wenn nicht Klobigen. Abgesehen von den verschiedenen Besonder­ Eine wichtige Charakteristik des Brienzerdeut­ Beispiele gibt es viele: Eel (für Öl), bees (für heiten, die das Brienzerdeutsche mit diesen schen (und weiterer Mundarten der Region) böse), gheeren (für hören), Feenn (für Föhn), hyt oder jenen alpinen Mundarten teilt, ist es in vie­ sind die Angleichungserscheinungen in Wort­ (an­derswo hüt), Fyr (anderswo Füür), lygen (für len Belangen nach dem Berndeutschen ausge­ folgen. Vor allem das ein Wort abschliessende lügen). Das Brienzerdeutsche kommt also mit richtet. Ein wichtiges Beispiel ist die Verände­ -n verbindet sich oft mit dem Anfangslaut des zwei Selbstlauten weniger aus als die meisten rung der Tätigkeitswörter in der Mehrzahl. folgenden Wortes. Beispiele: Mier wein + ba- anderen Mundarten. Allerdings lässt sich die Ähnlich wie im übrigen berndeutschen Raum den wird zu mier wei-mbaden (wir wollen ba­ Tendenz erkennen, dass diese «Lücke im Sys­ heisst es: mier machen (oder machin), ier ma- den); si tien + chychen wird zu si tie-chchychen tem» auf andere Weise wieder ausgefüllt wird. chid, si machen (oder machin). Schon jenseits («sie tun keuchen»); si hein + Rächt wird zu si In Wörtern mit langem -uu- (Huus ‹Haus›, Muus des Brünigs lautet es anders, nach dem Ein­ hei-rrächt. Wenn das wortabschliessende -n ‹Maus›, Schuumm ‹Schaum›, ruummen ‹räu­ heitsmuster machid (z.B. si machid). Auch ver­ auf s-, f-, p-, t- oder k- trifft, verschwindet es men› und anderen) wird dieses -uu- breit und schiedene besondere Wortbezeichnungen zei­ ganz, z.B. si syn + sälber wird zu si sy-sälber relativ weit vorne im Mund gesprochen, so dass gen, dass das Brienzerdeutsche eine Mundart (sie sind selbst). Auch das häufig anzutreffende es wie ein leichtes -üü- tönt. Im Verständnis der von bernisch-westschweizerdeutschem Ge­ Wörtchen und unterliegt mancherlei Anglei­ Brienzer Sprecherinnen und Sprecher ist die­ präge ist. Die Bezeichnung für den Kuss ist chungen: und + mooren wird zu u-mmooren ses so ausgesprochene -uu- allerdings noch Mintschi (wie berndeutsch Müntschi), im Ge­ (und morgen); und + ligen wird zu u-lligen (und ein -uu-, und nicht etwa ein -üü-. Ein -üü- spre­ gensatz etwa zu zentralschweizerischem liegen); dir + und + dir wird zu dir u-ddir (durch chen in diesen Wörtern nach ihrer Meinung nur Schmutz. Das charakteristische rote Gemüse und durch). Wortangleichungen können direkt die Oberhasler. Ein ziemlich feiner Aussprache­ bezeichnet man im Brienzerdeutschen wie im zu Worteinverleibungen werden: z.B. du hescht unterschied dient hier dem Sprachspott und übrigen Bernerland als Räätech, jenseits der + sa wird zu du heschscha (du hast sie); är ischt der Ab­grenzung von Brienzern und Oberhas­ Kantonsgrenze heisst es Rande. Ein ebenfalls + es wird zu är ischsch (er ist es); du hescht + lern. Dabei sprechen weder Brienzer noch charakteristisches Gemüse heisst in Brienz sen/sin gnueg wird zu du heschschen gnueg Oberhasler ein echtes rundes -üü-, sondern sie ähnlich wie im gesamten Westschweizerdeut­ (du hast dessen genug); gib + mier + nen wird behalten alle den Mund bequem breit. Dieselbe schen Zibellen, im Unterwaldnerischen begeg­ zu gimmernen. Alle diese Angleichungserschei­ Ausspracheweise gilt auch für den Doppellaut net schon die ostschweizerdeutsche Bezeich­ nungen werden oft nicht zu den echten Mund­ -ou-: Im Brien­zerdeutschen tönt er darum ein nung Belle. Die Johannisbeere bezeichnet sich artmerkmalen gezählt, vor allem von Leuten wenig wie -öü-. Um diesen Lautwert in der in Brienz wie in den übrigen bernischen Landen aus dem Unterland, die solches in ihrer Mund­ Schreibung darzustellen, hat ihn Albert Streich nach dem Typus Meertrybelli. art kaum kennen. Natürlich können sie bei sehr als -eu- geschrieben, z.B. ds Leub (das Laub). langsamem Sprechen zum Teil rückgängig ge­

334 macht werden, doch zeigen die vielen unauflös­ mit dem Brienzerdeutschen auseinanderzuset­ Brienzer Mundart, allerdings versteht die jünge­ baren Verbindungen (z.B. är ischsch), dass sie zen. Die «reine» Brienzer Mundart wird mehr re Generation nicht mehr alle Wörter, die in sei­ untrennbar mit dieser Mundart verbunden sind. und mehr zu einem Ideal, dem man sich stärker nen Texten vorkommen. Es war aber nie seine Peter Schild, der 1891/94 die Laute der Brien­ oder weniger stark annähert. Stärker nähern Ab­sicht, in der Dichtung eine urchige, boden­ zer Mundart in einer Dissertation dargestellt sich ihm diejenigen an, denen die heimatliche ständige Mundart auszustellen und dazu dörf­ hat, hat diese Charakteristik ebenfalls hervor­ Sprache einen Wert bedeutet. Manches hängt lich-heimatliche Sujets herbeizuziehen. Albert gehoben. auch noch mit dem persönlichen Reifeprozess Streichs Anspruch war ein anderer, ein literari­ zusammen: In reiferen Jahren achtet man eher scher: In seiner Mundart, die ihm den unmittel­ Im täglichen Aufeinandertreffen der verschiede­ auf die Mundart als in jüngeren Jahren. Wichtig baren, treffenden Ausdruck gewährte, suchte nen Nachbarmundarten werden einzelne Wör­ ist aber, dass die in Brienz aufgewachsenen er die Le­bensbewältigung in seiner engen, hei­ ter oder Ausdrücke zu Signalwörtern für eine Brienzerinnen und Brienzer mithelfen, ihre matlichen Welt. Dorfmundart erhoben. Sie spielen dann in Mundart als Kulturgut weiterzutragen. Sprach­neckereien eine zentrale Rolle. Für das In seinen Gedichten fällt der Blick meist auf et­ Brienzerdeutsche ist ein Beispiel das Wort Mundartdichtung was scheinbar Unbedeutendes aus der dörfli­ apphi. Wenn wir das Gesamt solcher Rich­ Wenn von Brienzer Mundartdichtung die Rede chen Erlebniswelt, sei dies ein Holunderstrauch, tungswörter an­schauen, so unterscheidet sich ist, so muss vor allem Albert Streich genannt eine Dorfgasse, eine Wiesenblume, ein Schmet­ das Brienzerdeutsche tatsächlich von seinen werden. Die Albert Streich-Gedenkfeiern zu terling, ein Vogel oder sogar nur ein Blatt des Nachbarmundarten. Für Brienz belegt der seinem hundertsten Geburtstag im Jahre 1997 Herbstlaubes. Als Beispiel diene hier das Ge­ «Sprachatlas der deutschen Schweiz» appha, haben gezeigt, welches Echo dieser Dichter dicht über späte Stiefmütterchen im Garten: apphi, ueha, uehi (für herab, hinab, herauf, hin­ noch auszulösen vermag. Dies hängt haupt­ auf). In Oberried heisst es aha, ahi, ueha, uehi; sächlich mit der Qualität seiner Texte zusam­ Spääti Steifmietterleni in Brienzwiler appha, apphi, uufa, uufi. Dass men. Streich darf zum Kreis der grössten Steifmietterleni bliejen im Gaarten, das Wort apphi gerade dem Brienzerdeutschen Mundartdichter der Schweiz gezählt werden. meh bleichi, vermoogget, nid vil, zugesprochen wird, mag daran liegen, dass Seine Mundart-Texte umfassen Gedichte (von und esoo hibschli, es tääte si waarten Brienz der unterste Ort im Aaretal ist, in dem ihm publiziert in den zwei Bändchen Under- was wiiterhin wäärdi und wil. dieses Wort gesprochen wird. wägs, 1935, und Sunnigs und Schattmigs, Es gälbs daa, teiff abhi uf der Äärden, 1958), kurze Erzählungen (Feehnn, 1948) und es blaus hie und gchruusleds und mieds, Zum Schluss sei noch der Gruss hopp!/hoppid! Szenisches (Sunnäsiit’s am Rothoorän, 1934). es bruuntschelligs, glemmts und suscht Bschwäärden. erwähnt. Er soll zum Teil auch in Nachbarorten Weitere Werke, Erzählungen und Gedichte, Und chuel isch, und vom Bäärg inha zied’s. (Hofstetten, Oberried) gehört worden sein, sind in Zeitungen und Zeitschriften verstreut Und d Sunne schiind nummen no schwechli doch ist er mittlerweilen zum Erkennungszei­ publiziert worden, viele davon im Hardermannli, dir Näbel wie iischschechaalts Gold, chen schlechthin für die Brienzer Mundart der Wochenendbeilage des Oberländischen und ds Läben ischt wie es grings Brechli avanciert. Wir wollen ihn darum dem Brienzer­ Volksblatts. Ei­nige davon sind, zusammen mit waa t’eitue mma raatsame sollt! deutschen zur alleinigen Charakteristik über- den schon in Buchform veröffentlichten, in den lassen. gesammelten Werken in drei Bändchen im Die Stiefmütterchen sind nicht in ihrer Pracht Francke-Verlag Bern erschienen (1970 –1978). des Blühens dargestellt, sondern gezeichnet Spricht jemand nur gute Brienzer Mundart, von der ihnen nicht mehr günstigen Jahreszeit dessen Sprache alle die hier erwähnten Eigen­ Albert Streich kam 1897 in Brienz zur Welt und und Witterung. Dass sie müde sind, Beschwer­ heiten kennt? Wenn wir dies verlangen wollten, starb 1960 ebenfalls in Brienz. Die Mundart, wie den ha­ben und gelähmt sind, könnte beim Le­ nähmen wir vielen Jüngeren den Mumm, sich sie in seinen Werken erscheint, ist sicher die sen leicht Mitleid erregen. Ein solch billiger Ef­

335 fekt des Mitleids mit vermenschlichten Pflanzen Weis niimma, ob i diheimmen Albert Streich beschreibt anschaulich, wie das ist aber nicht beabsichtigt. Das Gedicht mün­ old wiit, wiit furt bin. Kartoffelngraben vor sich geht, wie die Kartof­ det in eine allgemeingültige Feststellung über feln nach dem Wenden der Erde hell vor die das Leben, beziehbar nicht nur auf das Stief­ Neben dem Lautspiel mit «abendlich»-dunklen Füsse der Frau rollen und wie sie sich immer mütterchen- sondern auch auf das Menschen­ Selbstlauten fällt die Bewegung des Abends wieder von der schweren Arbeit mit ihrem leben: Das Leben ist nur ein kleines Bruch­ auf, der von oben herabsteigt und allmählich schweren Leib aufrichten muss und dann über stück, zu dem man trotz allem Sorge tragen die ganze heimatliche Welt füllt. Der Effekt ist den See hinunter in die Ferne und an den Hori­ soll. Interessant ist, dass die Stiefmütterchen, aber nicht ein wohliges Einkuscheln in den zont des Bergkammes schaut. Es kommen ihr die den Ausgangspunkt für diese Aussage bil­ Flaum der Dunkelheit. Die i-Laute gegen den Erinnerungen an ihre Mädchenjahre wieder auf, den, nicht in ihrem materiellen Überleben, son­ Schluss des Gedichtes weisen auf einen unver­ als sie sich ihr Leben anders, leichter vorgestellt dern in ihrem Blühen, also etwas Ästhetischem, muteten Ausgang: Im höchsten Gefühl des Ge­ hatte. Nun hat sie einen Zimmermann geheira­ dargestellt sind. Die Sorge um die Gesundheit borgenseins im Raum der heimatlichen Welt, tet und verrichtet schwere Arbeit in Haus und und das tägliche Brot ist das eine, doch auf das ganz eingesponnen und eingewickelt vom Dun­ Garten. Doch der Blick über den See hinunter andere, das Nichtmaterielle des Schönen im kel des Abends, ergibt sich dieses Hinaustreten und an den Horizont der Berge hinauf erinnert Leben kommt es an. Diese Botschaft ist für Al- aus dem Raum: Er weiss nicht mehr, ob er da­ sie an ihr noch nicht gefundenes Lebensglück: bert Streich umso er­staunlicher, als er in sei­ heim oder weit weg ist. Der Gegensatz von Hei­ nem Leben immer wieder von gesundheitlichen mat und Fremde ist in diesem Moment aufge­ oder materiellen Sorgen bedrückt wurde. hoben. «Es leekt und schriisst an eimm wie mid sibe Seilen; aber mi chunnd ja gliich nid vom Bode furt. Eis i ds ander fahrd der Chaarscht mid enem mutte Tätsch in Einen festen Rahmen in Albert Streichs Texten Auch in Albert Streichs Erzählungen geht es um di troche Furen, trohled e Ggragleten gälb, rund bilden die Elemente der lokalen Landschaft: die heimatliche Welt von Brienz und Umge­ Häärdepfel der Beeth voor di groblochtege Schue, Das Dorf, der See, die sie umgebenden Felder bung. Allerdings wird sie hier jeweils in der chrimmpt si der schwärrlochtig Liib soorgelli voorinhi und Wälder, die Berge, die alles einrahmen, und Wahrnehmung und im Erleben einer Person, und fliigen de d Chnellen uber i Wwiidlichoorb. Im Fi- selgstiid näbefir hed e lliechta Wind agfange rruu­ die Wolken und der Himmel. Durch sie wird die seltener einer kleinen Personengruppe darge­ schen und d Bletter weiggen und lätzi machen, das heimatliche Welt in ihrer Enge bestimmt und in stellt. Da nimmt etwa eine alte Frau das Herein­ ds wiisser Grienn virha chunnd. Der Wind schmeckt ihnen sucht er die innere Weite auf literarischem brechen des Föhns wahr, von den ersten klei­ nah abgstandennen Häärd­epfelstuuden und Häärd. D Beeth sinned in inns inhi: Weg zu gewinnen. Dies sei zunächst mit einem nen Anzeichen bis zum ausgewachsenen ‹Es ischt etz gued eso. I bin es urriewwigs Gschepf, Abendgedicht illustriert: Sturm (Feehnn). In einer anderen Erzählung (Es wohl, aber es ischt etz gued eso, wie’s ischt. Muetter grittelled ne si) treffen sich zwei Männer in der wäärden – Muetter wäärden.› Und grabt wiiter. D Sunnen ischt derwiilet em Bitz Induuchlen Morgenfrühe, um zur Arbeit auszurücken. Ein verabhi ggrickt, es Breesmi gälber woorden, hed Aabe chunnd ungewohntes Wölklein am Himmel, das auf ein greeser und duuchler Schätte ggmacht hindrem uber Bäärga embrin, Unwetter hinzudeuten scheint, lässt sie lange Beimmen und Stuuden. O d Beeth heigi gwachse, leid si im Grund zögern und die feinsten Facetten der Wetterbe­ tuucht eina; grooss und still hantierd’s mid dem Chaarscht in der äbennen Aarleufwiiti, und Sunnen sametig hin. obachtung durchspielen, bis sie sich doch zum und Schätte mmaalen di kinftig Muetter breit und Liid ubere Wwääldren, Aufbruch entschliessen. gwichtig us em bruunen Boden uusa.» si gspirren ne chuumm, liid ubere Fäldren In einer hintergründigen Erzählung (Häärdepfel) en duuchliga Fluumm. ist die Hauptperson eine frisch verheiratete jun­ Beeth, das «unruhige Geschöpf», legt sich zu­ Spinnd um mi z ringsum ge Frau. Sie ist mit ihrem ersten Kind schwan­ recht, sie werde ihr Lebensglück in der kom­ und liired mi in. ger und gräbt ausserhalb des Dorfes Kartoffeln. menden Mutterschaft finden. Sie redet sich das

336 Albert Streich bleibt mit seiner Dichtung ganz in der Welt von Brienz, einer Welt, die ringsum von hohen Bergzügen eingeschlossen ist, gefan­ gen. Seine Suche nach Weite, nach dem unein­ geengten Guten und Schönen geschieht nur innerhalb dieser Welt. Die Möglichkeit des Aus­ brechens aus dieser Welt kommt für ihn nicht in Betracht.

Dies verhielt sich auch in seinem Leben so: Er verliess Brienz nie ernsthaft, obwohl gerade er durch seine Lebensumstände die Enge der dörflichen Welt hart zu spüren bekam. In dieser seiner Welt suchte er etwas, was er in ihr nicht finden konnte. Der Ausweg war, das Gesuchte in der Darstellung dieser Welt, auf der dichteri­ schen Ebene zu finden. Die Wahrhaftigkeit die­ ses Bemühens ist bei Albert Streich beeindru­ ckend. Er gab auch der Versuchung nicht nach, sich in der Beschreibung der zahlreichen Schönheiten des Dorfs und seiner Umgebung zu erschöpfen. Er wollte sich durch die Darstel­ lung seiner Welt zugleich über diese Welt stel­ len können.

In dieser Art gestaltete er in der Erzählung Herbscht auch die Begegnung mit dem Thema des Todes. Es geht um die Wahrnehmung und die Gedanken des päcket (pockennarbigen) Chrigi, eines steinalten Männchens, wie es heisst. Aus der Un­ruhe und Unfreundlichkeit des Haushalts seiner Schwiegertochter, bei der er aufgenommen ist, begibt er sich an einem Albert Streich 1897–1960 schönen Herbst­tag hinaus in die Hofstatt und setzt sich unter einen Apfelbaum, von wo er zwar eher mit gutem Willen ein, als dass es der braunen Boden heraus malt. Mit diesem seine heimatliche Welt vom See über das Dorf zündende Gedanke wäre. Und so gräbt sie Schlussbild macht Albert Streich in der Dich­ und bis hinauf zu den Ber­gen ganz überblicken eben weiter Kartoffeln. Es ist schliesslich das tung möglich, was in der Wirklichkeit der ge­ kann. Zugleich über­blickt er auch sein Leben Spiel von Sonne und Schatten, das sie wach­ schilderten Situation ein immer währendes Su­ und macht sich Ge­danken zum Sterben. Einer­ sen und gross werden lässt und sie aus dem chen bleiben wird. seits ist da die Sehnsucht nach etwas Besse­

337 rem und Leichterem, nach einem Ort, an dem Eine Generation später hat Peter Wyss die Bri­ zerdeutsche Redeweisen den Ausgangspunkt es ihm wohler ist als gerade hier und jetzt. An­ enzer Mundart wieder literarisch erklingen las­ für seine Gedichte (solche haben seinen beiden dererseits stellt er sich das Sterben als etwas sen. In zwei Bändchen hat er die Tradition des Bändchen auch den Namen gegeben). Zusam­ Dunkles und Finsteres vor. Es gelingt ihm nicht, Brienzer Mundartgedichts weitergeführt: Acht men mit den Redeweisen steigen dann auch beides zusammenzubringen, während er auf eis (1976) und Zägi-hägi (1981). Wie es der neu­ dazugehörige erlebte Situationen in knappen der Bank sitzt und grübelt. Dabei schaut er zu eren Zeit entspricht, bilden oft typische brien­ Worten auf. Das Gedicht geht dann oft in spie­ den herbstklaren Bergkämmen hinauf und be­ obachtet, wie unten im Tal die Schatten länger werden. Die Schwiegertochter ruft ihn ins Haus, doch er überhört ihren Ruf. Er nimmt alle Verän­ derungen des nä­her­rückenden Abends wahr, bis die Sonne untergeht und einen plötzlichen Wechsel von der Helle zum Dunkel verursacht. Nun ist Chrigi be­reit, ins Haus hineinzugehen:

«Da steid ds päcket Chrigi vom Bänkli undrem Epfel­ beun entli uuf, litzt de Rreckichragen hinna uehi wäg em ruuche Lluft und stäckled langsam dervon in di teuwwfrischen duuchlen Beuschätten inhi gäg em Huus zue. Er schmilzt fascht mid der Fiischtri zämen; es ischt, er gääji uf em leschte Wwäg. Wie mma nen entli voor der Huustir uf der Bsetzi gheerd zuehi tschaarggen, tued ds Ziisi grad d Tir uuf und epfaad nen: ‹Soo, chuuscht etz? I ha ggmeind, i miessen di no ge rreichen!› Aber ds Chrigi gheerd niid und merkt no weeniger, das ds Ziisi schier hehns tued; är leuft näb imm bim fiischterren Huustirloch inhi i ds Duuchel und hed de Sin ganz an em andren Oort.»

Chrigi geht ins «finstere Haustürloch» hinein und kümmert sich nicht mehr um das Schimp­ fen. Er kann das Dunkle annehmen, weil er in seinem Sinn jetzt unerschütterlich das Bild der herbstklaren Heimat bewahrt.

Albert Streich wollte (und konnte) seinem Dorf nie davonlaufen. Das Grosse suchte er nicht in der Fremde. Er hat gezeigt, wie man auf die tie­ fen Fragen des Lebens auch im Rahmen der heimatlichen Welt Antworten bekommen kann.

338 lerischer Weise mit dem vorhandenen Sprach­ ob reich oder arm zuteil wird. Die Ewigkeit, die­ von Greyerz. Wir können stolz sein, dass die material um, indem es sie variiert, um­formt, ses Un­fass­bare, wird nicht in das Bild der Brienzer Mundart damit auch im festen Be­ unversehens auf neue Redeweisen oder Aus- Brunnstube ge­fasst. Solches zu tun wäre wohl stand schweizerischer Volkslieder vertreten ist. drücke stösst. Das Spiel mit der Sprache bleibt zu einfach oder zu vermessen. Die Anlage des allerdings immer behutsam, es wird nicht wie in Gedichts bringt es mit sich, dass sich das eine Mach’s o eso! der Modern-Mundart-Dichtung zum literari­ im andern spiegelt. So bleibt trotz der Annähe­ Mier gähn am Sunndig uber Fäld, schen Prinzip erhoben. Die Gedichte von Peter rung das Ge­heim­nis gewahrt. nid geng dem Wägli nah. Wyss steuern durch das Spiel mit der Sprache Ds Land ischt mid Bluemmen ubersäids, hindurch auf eine Lebensweisheit oder einen Die Dichtung von Peter Wyss fliesst deutlich und dert ischt schon es Bitzli gmäids; Glaubensinhalt hin, der am Schluss als Quint­ aus dem Erleben des Dorfes, der Dorfleute, der Der Sumer ischt bald da. essenz an den Leser und die Leserin weiterge­ Natur und vor allem auch aus dem Erleben der geben wird. Brienzer Mundart selbst in ihrem alltäglichen Es Geissenbliemmli blieid am Wäg; Gebrauch. Damit verbunden ist der Wille, Glau­ me tramped achtlos druf. Bir Brunnenstuben bens- oder Lebensmaximen weiterzugeben. Vom Schue isch’ ganz an Bode ggleid, Teif im Boden ischt en Stuben, und we mma aber wiiter geid, waa-da Quelli zämenzuben. Brienz hat auch eine bemerkenswerte Tradition hed’s ds Chepfli umhi uuf. anekdotischer Mundarttexte, die sich über die Mengischt ha-n-i glost ar Tiren, reine Gelegenheitsdichtung hinaus erheben. Zu Mach’s o eso, – we d tramped wirscht, wie die Wasser läbig ruuschen, erwähnen ist Johanna Mathyer, in deren Ge­ häb gleitig ds Hout emmuuf! heimmli irer Gschichti tuuschen, dichten lustige und ernste Begebenheiten dar­ Vilicht isch’ nid mid Absicht gschehn, eh si wiiterrinnen dir en gestellt sind, vermischt mit einfachen und prak­ und bischt o eis im Uberschehn, Tuchel und dir Rehri uusi, tischen Ermahnungen, die aus ihrem reichen es gschoued niemmer druf. aphi no i ds ermschta Huusi. Leben als Hebamme geschöpft sind (Abend­ Johanna Mathyer D Ziit chunnd us der Ewwigkeit, schatten, 1979). In neuerer Zeit traten Erich und Brunnenstuben teif im Gheimmen Helene Schild hervor mit heiteren Mundartge­ under Gottes Schattenbeimmen; schichten, die sich um markante Personen Kei Ziit d Ziit rinnd us der Ewwigkeit, oder um anderes Erinnerungswürdiges des D’ Frou Graf sitzt ar Maschinen rinnd zun allen uusi, dörflichen Lebens drehen. Zudem haben sie und näiht, was gischt, was hescht, aphi no i ds ermschta Huusi. sich um die Publikation älterer Texte in Brienzer dem Gritli an em Chleidli Mundart verdient gemacht (in ihrem Bändchen fir ds Chindergarte-Fescht. Teif im Gheimmen ischt en Stuben, Erschtelled Ech eis, 1993, u.a. Texte von Hans waa-da Quelli zämenzuben. Wyss, Unterbach, und Hans Wyss, Sonceboz). I hoffen, ‘s steerd mi niemmer, Mit seinen Texten und Gedichten ist Albert ‘s ischt halbi vieri schon, Dieses Gedicht ist nicht linear auf den Schluss Werren zu erwähnen. Zum Schluss sei noch es chem e kein Husierer hin angelegt, sondern symmetrisch im Hinblick Johann Michel, «der Wels», genannt. Einer sei­ und gang keis Telephon. auf eine Symmetrieachse in der Mitte. Das Er­ ner Texte, Es gid nid Lustigers uf der Wäld als lebnis der Brunnstube und die sich daran an­ so nes Brienzer Biirli, ist als Lied der weitaus Da poltred’s uf der Stägen schlies­senden Gedanken, wie das Wasser hin­ bekannteste Text in Brienzer Mundart gewor­ und d Tir fliigt bis a d Wand, ausrinnt bis i ds ermschta Huusi wird gespiegelt den. Er verdankt dies der Aufnahme im dritten «Gschou, Muetti», rieft ds Margritli, im zweiten Teil: Hier ist es die Zeit, die jedem, Bänd­chen der Volksliedersammlung von Otto e Zeichnig in der Hand:

339 «Das ischt der Mohrechenig, er mengischt wiit i ds Spilfäld uusi fliigt. We li hed ermadled, hed mi gweckt. Heini hed un­ där wa zum Chrippli geid. mme nen es Maal preicht, isch äs ggeischtled, der eir Blitzmeten und eim Chlapf ubren andren Gschou, dän han i hiit zeichned, zweimal ischt zwirned, driimaal ischt triischtled di chliin­nem Bälkleni aggheicht. Es ischt gsiin, Är hed zum Heiland gseid, ...» und we mme nen nid preicht, isch äs es Gudi. wie wen e Gwaaltsris mid ener fiirigen Geislen, Drii Gudeni nahenandren heisst, das ma drus waa uber ds ganz Tal mag grecken, chlepfti. D «So, Meitschi, gang mer dänna, ischt und der nächscht Spiler cheun afaan. Gotten ischt mid dem Tägel usem Chämetli am liebschte so rächt wiit. Preicht ma aber de Zibrii, so fliigt där wiit i ds chon a Tisch sitzen und hed d Hend zäme ghä­ Das Rockli mues hiit fertig, Spilfäld uusi. Eppa fiifzähen, zwenzg Meter uusi ben. Ds Lämpli hed aber am Stäärben umha I han etz nid dr Ziit.» steid den der ander Spiler und probird nen ab­ gmacht. Heini hed ufe lleschte Petrolräschten in ztuen, das heisst nen z ergriiffen solang er no der Sturmlatäärne ggriffen und derzue Uver­ Und d Zeichnig fliigt an Boden, im Bewegig ischt und am Bode trooled. Cheu ständlichs bbrummled – wie zue-n-imm sälber. Der Mohr liid ufem Gsicht. mme nen ergriiffen, so tarf ma dermid bis zum Vlicht ischt nidemmaal är ganz ohni Angscht Är hed de Wwäärd verloren: Strich vor em Dduelli und probierd von dert uus gsiin.Baald druf ischt er in en aalta Schlufi Kei Ziit! Die alti Gschicht. – de Stäcken, waa mma quer drubergleid hed, z gschliffen, hed ds Liecht bhändiged ... är welli Johanna Mathyer preichen. Ischt das eimm graaten, so seid ma ga d Geiss ablaan, das’s imm nid eppa im Baar­ dämm, äs ischt abtaan, und der nächscht Spi­ ne springe voor Chlupf. I bin zur Gotten uber. Zibriijen ler chund dran. We mma nid cheun abtuen, No meh hed’s etz bi jedem Chlapf zu Späälte Wenn hein ächt d Bueben z lescht Maal uf em cheun der Spiler d Strecki mid dem Stäcke vom Bälklenen inha gschunen. Ds Rimellen hed Ggee zibriijed? Das aalta scheenna Buebe- mmässen vom Strich bis zum Ort, waa der Zib­ gaar nie uufgheerd. Eis hed’s mi tuucht: etz schpil ischt allwäg ganz verschwunden. Mi rii ischt glägen. Dän Ort hed ma mid enem chlii- isch’ in Ahooren hindrem Huusli gfahren, esoo miesst etzen sicher griisli uufpassen, we mma nne Strich im Grien aggän. We mma hed zwir­ siin Schiin und Chlapf eis gsiin; den hed’s umhi uf em Ggee abbhi wellti de Zibrii dir d Luft uus ned, hed’s dopplet und we mma hed triischtled, ds steessewwiis an der Pfeischterwand gsch­ rierren. I gleuben, d Japaner old d Englender hed’s driifach zelld. rissen, das’s uberaal gchrached hed, es wen ds waa daa esoo all ufem Ggee umhatriichlen und ganz Huuselli furt miessti. I mmiir Buebephan­ fotografieren, schetzten e Zibrii im Näcken si­ Äs ischt eigetli schad, das e seler Spil ver­ tasii hed mi bin däm Ringgellen a Llädnen e cher nid. schwunde siin, aber nid nummen ds Zibriijen, o roota Grind mid Hirellene wwelle plaagen. Guuggelumm und Schafu spilld hiit niemme Mier hein als Bueben o im Chrisviertel anha mmeh, daa siin de schon eender Kompjuter Due hed’s Steina ggän: tägg ... tägg-tägg ... geng eppa zibriijed. Mi macht es lengschilochts und no vil moderners Ziig hiit Moden. Vilicht leh­ tägg hed ma’s a Wwenden und ufe Schindle Dduelli im Boden und den leid ma den de Zibrii ren ja di Jungen hiitigstags daa o meh derbie gheerd tätschen. Heini hed am Handrigg gribe, esoo drin, das eis Endi es Bitzli uufschtotzed. wa mmier siinerziit bim Zibriijen. wwaa-n-er emminha chunnd. Es ischt zum Zwoo Stäckellengeni vor däm Dduelli macht ma Erich und Helene Schild Glick schoo Rrägen drin», seid er. no e Strich i ds Grien. Der Zibrii ischt eppa es zwenzg Santimeter lengs und zweem bis drii Iis driien hed’s glugged – we’s schoon no lang, Santimeter dicks Holzli, waa mma uf beide Sii­ Es Gwitter ufem Bäärg aber doch es lengersi meh vo wwiiter har teiffer ten mid dem Hegel zugschpitzt hed. Em Bäse­ Ausschnitt aus der Erzählung «E schwarza Tag» u llengzogner grimelled hed. stil old en hasliga Stäcken vo zirka enem Meter Mier siin emmunder... Lengi bruucht ma fir uf e Zibrii z schlaan, das er Mier hein no eppis znachted und siim baald eis Albert Werren em Bitz i d Luft uehi fliigt. Wen er den emmabha under... Wie lang das i gschlaaffen han, weis i chunnd, mues me mma den e Tätsch gän, das nid. En unerchannta Chlapf, waa ds ganz Huus­

340 Von Heingeissen No in där wieschte Chläfellän Acht eis Äs tagäd. – Änni brimelläd: gäh’s niid wan geng ge schnäfellän, Acht eis, es Chiri Gold im Sand, «Hans, firha! Ds Hoore rrimelläd; Wie’n niid verbotte wwään. es Bliemmelli im tirren Leub, Ggeiss sellischt uusalahn! We d’ Schmaggi wein ge mmättellän, es goldgriens Chäferli im Steub, Di cheu mma eppis niggellän, su cheuscht ne llang ge chrättellän, e Sunnestrahl ar graue Wwand; bis d weischt in Gadän z schliggellän die wisse, wwaa si gähn. ir Rägennacht e Llampeschiin, I mues teich sälbän gahn. es Treib, waa dir e Schnee uus geid, Der Schträhmmel, ds Tieri, ds Hudelli, e Tiren, waa der offensteid, Soo, schteischt etz no uf d Ziidellän! der Hääggel, d Schiltän, ds Budelli, – und eina, waa wollt bien-der siin – Was ds Mannevolch cheu schtiidellän, ischt das es gschentigs Triecht! acht eis! we’s sellti firha gahn, Der Ruess, der Mantäl, ds Ziiselli Peter Wyss grad wie si d Lämi hättän. und ds zuemmerlichschta, ds Griiselli, Jaa, fir a Mmärt ge z jättän, die bhed der Geishirt liecht. Sumeraben 1969 daa wol, daa megi’s bschtahn!» Hindren Bärgen, hindrem Wald Di Mälchschte mmeinscht? Teich ds Fliemmelli, ischt es Seewwli, teif und chald. Etz träbelläd’s und gleggelläd’s der Häsäl, d Gruenän, ds Bliemmelli Gengen alli tuusig Jahr und triichelläd’s und meggelläd’s siin Geiss, waa Uter hein; fliigt es Vegelli da dar: zun allen Gäden uus. – nid d Gadmerrän und ds Fädelli bliibt es Schwickli, Los, wie’s etz obsi schläggelläd und dert us Peetsches Gädelli triicht es Schlickli, und ds Baaleggufer täggelläd die mid dem Geltibein. singd echlein, im Gässli hindrem Huus! fäckled hein – Hai Bläss! In Gretis Zibellän Was hein die Chnepf in Ohrän, sii d Schmaggi schon am Chnibellän die Bruunän ohni Hoorän? Aber we’s eis ds leschtmal chunnd, Waa wein ächt die no z Weid? Hei’s Ohrebhenk us Schtolz? ds leschta Trepfli triicht vom Grund, Gscheuw, wie das tifig schnäbelläd Weischt, das ischt d Brienserrassän, ischt bin Gott ein Tag vergangen, und gleitig wiiter träbelläd, der Schlag us iisen Gassän, Tag, waa iiser Jahr drin hangen. wen Bläss ne zuehi geid! Än Geis vom beschtän Holz! Peter Wyss Hans Wyss, Sonceboz

341 Maler in Brienz – Brienzer Maler

Max Gygax

Wie der moderne Reisende Städte, Landschaf­ ten und Menschen, die ihn besonders beein­ drucken, mit Fotoapparat und Videokamera fest­zuhalten versucht, so trachteten bereits vor 200 Jahren die Besucher des Berner Oberlan­ des und anderer reizvoller Gegenden danach, ihren Reiseerlebnissen Dauer zu verleihen. Dazu bot sich schon damals das ergänzende Bild an, das verdeutlicht und anschaulich macht, was gerade auf längeren, abwechs­ lungsreichen Reisen rasch verblasst oder sogar in Vergessenheit gerät. Fotoapparate, um bei­ spielsweise die schö­nen Brienzer Schifferinnen oder die grossartigen Giessbachfälle abzulich­ ten, standen den vornehmen Herrschaften al­ lerdings nicht zur Verfügung; an zeichnerischen und malerischen Beweisstücken, dass man da und dort gewesen sei und dies und das gese­ hen habe, mangelte es trotzdem nicht. Deroy/Ciceri: Brientz (kolorierte Lithografie). Die Geburt des Fremdenverkehrs Das Hallersche Lob des einfachen Lebens in ren. Nach dem Wienerkongress von 1815, der Gefragte Souvenirs einer grossartigen Umwelt, wie der berühmte Europa einen dauerhaften Frieden beschied, Eine wichtige Rolle in diesem Andenkenmarkt Berner es in seinem Gedicht «Die Alpen» ge­ setzte in den landschaftlich reizvollen und his­ spielten die Landschaftsmaler, die als soge­ schildert hat, und die drei Jahrzehnte später torisch interessanten Gebieten unseres Landes nannte Kleinmeister in die Kunstgeschichte ein­ unter dem Einfluss Rousseaus sich ausbreiten­ sofort wieder ein Strom von Besuchern ein, gegangen sind. Ob die Bezeichnung auf die de Na­turschwärmerei weckten in den gehobe­ mächtiger als zu­vor, und entwickelte sich fast hauptsächlich verwendeten Formate zurück- nen Gesellschaftsschichten die Neugier und über Nacht zum bedeutendsten Wirtschafts­ zuführen ist oder eher auf den heimatlich-be­ den Wunsch, die gepriesenen Landschaften zweig in den sonst wenig Erwerbsmöglichkei­ schränkten Horizont der Künstler, bleibe dahin­ mit ei­genen Augen zu schauen. Das war gewis­ ten bietenden Berggegenden. Die Fremden gestellt; ob so, ob anders: sie versorgten sermassen die Geburtsstunde des Fremden­ verschafften nicht nur Gastwirten, Schiff- und jedenfalls die fremden Gäste mit Bildern der verkehrs, dessen rasche Entwicklung in der Fuhrleuten guten Verdienst, sondern ebenfalls besuchten Gegenden, mit Ansichten, die flüch­ zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur kurz dem aufblühenden Andenkenhandel, der ne­ tigen Eindrücken zu Glanz und Dauer verhelfen unterbrochen wurde durch die französische ben wertlosem Kitsch auch ansprechende und sollten. Gefragt waren neben Veduten mit Revolution und die nachfolgenden Kriegswir­ originelle Schöpfungen hervorbrachte. kenntlichen Landschafts-, Dorf- und Stadtan­

342 sichten vor allem auch Darstellungen mit Sze­ Zeichnung wegfiel und das Kolorieren keinen manier in der Landschaftsmalerei hat der Stadt nen aus dem Volksleben, mit Trachtenmädchen, sehr grossen Aufwand erforderte, trotz der Bern nicht wenig Barschaft von Fremden zuge­ Hirten und Sennen. sorgfältigen Arbeit, die Aberli auch von seinen zogen. Mitarbeitern verlangte. Allerdings konnte sich nur ein kleiner Teil des Ein Kunstkenner ... versichert, dass von Frem­ reisenden Publikums Zeichnungen, Aquarelle Die Aberlische Manier, wie sein Verfahren ge­ den bloss allein für dieses Kunstfach vor der oder sogar Ölgemälde von bekannten Malern nannt wurde, setzte sich sofort durch; die Revolution jährlich über zweitausend Louis d’or leisten, da diese zu teuer waren. Damit war schönen Blätter zu erschwinglichen Preisen in die Stadt flossen.» aber den Künstlern nicht gedient; die seltenen fanden überaus guten Anklang, und Aberlis Verkäufe an reiche Ausländer brachten zu we­ Atelier war voll ausgelastet. Oft radierte er Mit Brienz und seinem See machte Aberli schon nig ein und nötigten zudem zu einer uner­ selbst, übertrug das Bearbeiten der Kupferplat­ früh Bekanntschaft, gilt er doch als der eigentli­ wünschten Wiederholung der gleichen, immer ten aber auch Spezialisten wie Matthias Pfen- che Entdecker der landschaftlichen Schönhei­ wieder verlangten Motive, was gerade den bes­ ninger (1739 – 1813), Balthasar Anton Dunker ten unserer Gegend. Bereits um 1760 herum ten Kleinmeistern nicht zusagte, weil sie mit (1746 –1807), seinem Freund Heinrich Rieter malte er ein Ölbild mit der den Burgstollen krö­ Recht fürchteten, ihre Kreativität könnte dabei (1751–1818) und anderen. Zu Zeiten, wenn die nenden Kirche, dem Pfarrhaus und den das Schaden nehmen. Aufträge sich häuften, illuminierten auch so be­ Seeufer säumenden Behausungen. Hinter dem kannte Maler wie Gabriel Lory, Vater (1763 – Ballenberg grüssen der Oltschibachfall und in Aberlis Erfindung 1840), Marquard Wocher (1758 –1830) und Pe- der verschleierten Ferne die Hasliberge. Dieses Eine Lösung in diesem Zwiespalt, die sowohl ter Birmann (1758 –1844) die Umrissradierungen Bild diente ihm 1769 als Vorlage für die bekann­ den Künstler wie den künstlerisch interessier­ in ebenso vorzüglicher Manier wie Meister te Umrissradierung «Vue du village et du lac de ten, nach einem wertvollen Andenken aus­ Aberli selbst. Brientz, dessiné par J.L. Aberli et gravé par M. schauenden Reisenden auf seine Rechnung Pfenninguer avec privilège de la République de kommen liess, fand schliesslich Johann Ludwig Die in Aquarelltechnik angefertigten und vertrie­ Berne.» Aberli (1723 –1786), ein sehr begabter Portrait- benen Stiche aus Aberlis Werkstatt erfreuten und Landschaftsmaler aus Winterthur, der sich sich eines obrigkeitlichen Privilegs, einer Art Ungefähr um die gleiche Zeit entstand auch das 1741 in Bern niedergelassen hatte und dort hei­ frü­hen Copyrights, das ihre Nachahmung ver­ Gegenstück «Vue de la vallée Oberhasli». Es misch geworden war. Das von ihm nach einem bot. Der gleiche Schutz wurde auch Sigmund zeigt, vom Kirchet aus gesehen, das von der Aufenthalt in Paris erfundene und nach ihm be­ Freudenberger zuteil und Heinrich Rieter, der Aare in vielen Windungen durchflossene untere nannte Verfahren bestand darin, leichte Um- nach Aberlis Tod die Kupferplatten aus dem Haslital bis zum Brienzersee. Diese beiden risse einer Landschaftszeichnung oder eines Nachlass erstanden hatte. handkolorierten Blätter mit den auf fremde Be­ anderen Mo­tivs auf eine Kupferplatte zu über- sucher zugeschnittenen französischen Titeln tragen und die damit hergestellten Radierungen Die Bedeutung der von Aberli erfundenen wurden immer wieder verlangt und erfuhren dann mit Tusche und Wasserfarben auszuma­ Technik in künstlerischer und besonders auch grosse Auflagen. Die erwähnte Dorf- und See­ len. Diese handkolorierten «Zeichnungen» wa­ wirtschaftlicher Hinsicht geht aus einem Bericht ansicht erforderte deshalb eine neue Platte, die ren von Aqua­rellen kaum zu unterscheiden, in den Gemeinnützigen Helvetischen Nachrich­ auch eine leicht geänderte Radierung aufwies. wenn sie von Aberli selbst oder einem seiner ten hervor: Aberlis ge­fälliges Kunstblatt von Brienz regte geschulten Mitarbeiter illuminiert wurden. Er­ unzählige Maler, Zeichner, Stahl- und Kupfer­ reichten sie so beinahe die Qualität eines Origi­ «Die durch Aberli erfundene, nachher von Rie­ stecher, Lithographen, aber auch Dilettanten zu nals, so konnten sie anderseits bedeutend ter, Lafond, Freudenberger, Lory und König auf ähnlichen Darstellungen an, die Dorfpartien aus billiger verkauft werden, da die aufwendige einen sehr hohen Stand ... gebrachte Aquarell­ verschiedenster Sicht zeigen.

343 Von Joh. Jak. Wetzel (1781–1834) stammen zwei kulturhistorisch bemerkenswerte Aquatin- tablätter. Das eine, «Les auberges à Tracht», hält die drei Gebäude des damaligen Hotels Kreuz fest und die Schiffländte mit den Nachen, auf denen die Brienzermädchen die Fremden zum Giessbach ruderten. Die sehr genau ge­ zeichnete Vedute zeigt auch das aus dem Wald aufragende «Gippi», wie es sich heute noch präsentiert. Belebt wird das schöne Blatt durch eine bunte Menge von Personen, welche den Platz vor dem Gasthaus und die Ländte bevöl­ kern.

Das andere Blatt, «Tracht», vermittelt, vom Fluh­ berg her gesehen, einen Blick auf die wichtige Warenumschlagstelle und die idyllischen Häu­ sergruppen im Dorfteil Tracht.

Eine eher ungewohnte «Vue du village de Bri­ Johann Stähli: Bödeli mit Jungfrau. enz» verdanken wir dem bekannten Maler aller bernischen Pfarrhäuser, Samuel Weibel (1771 – ihm eine künstlerische Ausbildung ermöglich­ so gut zu behaupten wusste, blieb der Absatz 1846). Er betrachtet das Dorf einmal nicht vom ten, welche ihn bis nach Rom führte. Um 1810 seiner Arbeiten klein, was mit ein Grund sein See her, sondern gewissermassen von hinten, liess er sich in Unterseen nieder und malte dürfte, dass Stähli fast vergessen ist. Seiner aus dem Feld. Aus schönem Baum- und Oberländer Landschaften nach der Natur, die Bedeutung als Künstler tut das keinen Abbruch; Buschwerk schauen ein paar Häuser mit stein­ durch ihre genauen Details auffielen. Weitere sie wird unterstrichen durch die Ehrung, die ihm beschwerten Schindeldächern, überragt von Stationen seiner Künstlerlaufbahn waren Thun, mit dem zweiten vom Staat Bern verliehenen der Kirche auf dem Felsen am Dorfrand. Gegen wo er eine Zeitlang eine Malschule betrieb, und Kunststipendium zuteil wurde. Interlaken weitet sich die breite Seefläche, ein­ Genf. Durch die Unterstützung wohlhabender gefasst von den naturgetreu behandelten Ber­ Freunde wurde ihm ein längerer Aufenthalt in Die von Aberli entwickelte Umrissradierung gen. Unter einem Baum am linken Bildrand un­ England und Schottland möglich. Nach seiner blieb nicht die einzige Möglichkeit zur serien­ terhalten sich Weibels Genossen von der Rückkehr wohnte er zuerst in Brienz und die mässigen Herstellung von Kunstblättern. Im Ma­ler­zunft über mögliche Motive. Mit dabei ist zwei letzten Jahre in Habkern. letzten Drittel des 18. Jahrhunderts verbreitete Johann Stähli (1778 –1861), ein sehr begabter sich die Aquatinta-Technik, ein Tiefdruckverfah­ Brienzer Maler, der aber meist auswärts arbei­ Eines seiner bekannten Werke ist das Panora­ ren, das meist zusammen mit der Radierung tete. Er bewies schon als Knabe viel Talent, ma «Aussicht vom Hohbühl bey Interlachen». In angewendet wur­de und dem Künstler erlaubte, zeichnete und malte er doch neben seiner Be­ der Art von Aberli schuf Stähli auch Umrissra- alle Abstufungen von hell bis dunkel wiederzu­ schäftigung als Geisshirt mit primitivsten Mit­ dierungen aus der Region, die leider nicht alle geben. Auch die 1798 erfundene Lithographie, teln allerlei Figuren, die er dann für ein paar erhalten sind. Da er sich neben seinen ge­ eine Flachdrucktechnik, bei der das Bild auf der Rappen verkaufte. Später fand er Gönner, die schäftstüchtigeren Kleinmeisterkollegen nicht Oberfläche eines glatt polierten Steins entsteht,

344 machte eine Vervielfältigung von Kunstblättern möglich. Aquatinta und Lithographie lösten nach und nach die Umrissradierung ab. Die neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten belebten auch den An­denkenmarkt. Neben Landschaftsdarstellungen setzten sich immer mehr auch folkloristische Bilder buchstäblich in Szene. Mit Gemsjägern, Sennen, Schifferinnen, ländlichen Paaren, alle mög­lichst in der landes­ üblichen Tracht, verdiente sich mancher Maler seinen Unterhalt. Als dankbares Objekt, und in Hinsicht auf rege Nachfrage an der Spitze, bot sich in Brienz die schöne Elisabeth Grossmann an, die fast legendäre Schifferin (S. 283 und rechts auf dieser Seite).

Emanuel Locher (1761–1840) schuf das be­ kannte Aquatintablatt, das schon in seinem Ti­ tel verrät, wem es zugedacht ist: «Elisabeth Gross­mann, la belle batelière de Brienz, dédié au souvenir agréable des voyageurs en Suisse.»

Von Ludwig Vogel (1788 – 1840) kennt man gleich zwei Zeichnungen der hübschen Brien­ zerin. Auch Franz Niklaus König (1765 – 1832), der lange im Bödeli wohnhaft gewesene Kunst­ maler und Kunstverleger aus Bern, befasste sich mit Elisabeth; ein aquarelliertes Blatt zeigt die Siebzehnjährige in der heimischen Tracht mit aufmerksamer, eher zurückhaltender Mie­ ne. Mit einem originell gestalteten, kolorierten Blatt führt uns König auch in die Stube des Schulmeisters Kehrli, der am Spinett sitzend mit seinen fünf Kindern singt (s. S. 263). Neben seiner Tätigkeit als Maler und Fremdenführer durch das engere Berner Oberland wirkte Kö­ Franz Niklaus König: Die schöne Schifferin von Brienz (Aquarell auf Transparentpapier, um 1810, Kunstmuseum Bern). nig auch noch als erster, gewissermassen selbsternannter Tourismusförderer.

345 Er malte Oberland- und Schweizeransichten auf Pergament, das dann von hinten beleuchtet wurde. Mit diesen wirkungsvollen Transparen­ ten ging er auf Werbereisen, auch ins Ausland, wo die ungewohnten Lichtbilder viel Beachtung fanden und zweifellos viele Zuschauer zum Be­ such der gezeigten Gegenden verführten.

Eine ähnliche Entdeckerrolle, wie sie Aberli für das Dorf Brienz zukommt, spielten der ältere Lory und Rieter für den Giessbach, zu dem Aberli keine Beziehung hatte, weil zu seiner Zeit noch kein Zugang möglich war und die Fälle dementsprechend keine Beachtung fanden.

Lory steuerte zu einer 1797 erschienenen Sammlung «Recueil de paysages suisses des­ sinés d’après nature» das Blatt «Chute du Giessbach au Bord du lac de Brientz» bei. Es handelt sich dabei um die erste bekannte Dar­ Gabriel Lory: Chute du Giessbach au Bord du Lac de Brientz (Kunstmuseum Bern). stellung der Fälle überhaupt. Nur wenig später nahm sich Rieter desselben Motivs an. Seine aquarellierte Umrissradierung «Chute du Giess­ trieb von farbigen Kunstblättern vom Giessbach ernhäusern unterscheiden kann, Edelsitze, wo bach près du lac de Brientz» gilt als eine der und anderen malerischen Gegenden guten kein Adel wohnt, und Bauernhütten je hässli­ schönsten Wiedergaben des eindrücklichen Verdienst versprachen, verlegten sich viele, cher desto besser, alles hat seinen Maler ge­ Naturschauspiels. Aus der grossen Schar der auch weniger talentierte Künstler, auf die Nach­ funden und der Maler wiederum seinen Käufer Giessbachmaler seien noch hervorgehoben ahmung gängiger Motive. Mit dieser Entwick­ ... Von einer einzigen Gegend aus dem Berner Peter Birmann, sein Sohn Samuel Birmann lung verkam die Kleinmeistervedute in vielen Oberland habe ich Ihnen, zur Erhärtung des­ (1793 –1847), Samuel Weibel und Johann Lud- Fällen zur Dutzendware, zum billigen Machwerk sen, was ich sage, zweiunddreissig verschiede­ wig Bleuler (1792 – 1850). ohne künstlerischen Wert. Angeboten wurde ne Ansichten beigelegt und so gibt es von an­ nach und nach alles, was kritiklosen Reisenden dern berühmten und begafften Stellen vielleicht Mit der besseren Erschliessung der Fälle durch angedreht werden konnte. noch mehr. Es ist beinahe kein Städtchen, wo den Schulmeister und Giessbachpionier Kehrli nicht so ein Prospektmacher selbst oder sein sowie dem ständig anschwellenden Strom von Der Winterthurer Hegner schreibt 1819 einem Kramladen zu finden ist, und es wäre bald nö­ Besuchern vergrösserte sich auch die Zahl der Freund von seiner Alpenreise: tig, dass die Natur neue Berge schüfe oder alte Künstler, die mit der Herstellung von Giess- zusammenstürzte, um der zahlreichen Innung bachansichten ein gewinnbringendes Geschäft «Da könnte sich einer arm kaufen! Alpen, Glet­ weitere Nahrung zu geben.» machten. Darin lag aber bereits der Keim des scher, Seen, Wasserfälle, Hauptstädte, Haupt­ Niedergangs, so widersprüchlich das klingen flecken, Hauptdörfer, Klöster, Amtshäuser, Man geht kaum fehl, wenn man die zweiund­ mag! Gerade weil die Anfertigung und der Ver­ Brücken, Schlösser, die man kaum von Bau­ dreissig verschiedenen Ansichten beim Giess­

346 bach ansiedelt; wie kaum eine andere Sehens­ gentums liess sich auf dem Andenkenmarkt bachansichten mit Betrachtern im Vordergrund würdigkeit wurden die stiebenden Fälle gemalt, gewinnbringend absetzen und bedeutete kein oder auf einem Brücklein, Betrachter, welche auf alle möglichen Arten vervielfältigt und was­ grosses Risiko, da keine wirksamen Schutzbe­ die Nichtigkeit des Menschen vor einer über­ serfallsüchtigen Engländern und weniger vor­ stimmungen bestanden. wältigenden Naturkulisse vor Augen führen sol­ nehmen Herrschaften verkauft. len. Oft diente der Einbezug von Personengrup­ Künstlerische Freiheiten pen auch der Belebung von sonst etwas Die oben kurz skizzierte Entwicklung, die von Eine andere Bewandtnis hatte es mit den Frei­ eintönigen Landschaften, die dadurch eine Auf­ an­spruchsvollen Kunstblättern wegführte zu ei­ heiten, die sich auch anerkannte Meister in wertung des Gesamteindrucks erfuhren. Sol­ nem billigen Massenprodukt, wurde nicht zu­ ihren Veduten erlaubten. Genaue, naturgetreue che buchstäblich zu nehmenden Kunstgriffe letzt von ernsthaften, fähigen Kleinmeistern Wiedergabe der Landschaft war wohl wichtig; sind erlaubt; sie gehören zu den Freiheiten, die selbst bedauert. In seinem Buch «Reise in die das Werk erfuhr aber häufig noch eine Berei­ der Künstler für seine Arbeit benötigt. Der Alpen» klagt denn Franz Niklaus König aus ei­ cherung durch Bildelemente, die eingefügt wur­ Wahrheitsgehalt einer Darstellung braucht übri­ gener schlechter Erfahrung: den, um eine ausgewogene Komposition zu gens darunter nicht zu leiden, da die einzelnen schaffen, die nicht nur topographischen, son­ Bildteile durchwegs der Realität entsprechen. dern auch ge­stal­terisch-künstlerischen Anfor­ Die auf diese Weise gesteigerte Bildwirkung derungen ge­nüg­te. Solch schmückendes Bei­ hatte für die kleinmeisterlichen Blätter erst noch «Von Kupferstichen aus dieser Gegend wird die Überschwemmung täglich grösser. Aberli erfand die werk bot sich an mit Bäumen, Felsen, figürlichen den gewünschten Nebeneffekt, die Kauflust zu Ma­nier der kolorierten Blätter. Diese Erwerbsquelle Staffagen u.a. Beispiele liefern etwa Giess- steigern... benutzten mehrere gute Künstler, die den besten Gebrauch da­von machten ... Aus bester Quelle ent­ steht diese Sündfluth gewiss nicht; denn da diese besseren Künst­ler die Mühe nehmen, alle ihre Blätter selbst auszuarbeiten, so reicht ihre Zeit kaum hin, das Verlangte neben ihren übrigen Arbeiten zu lie­ fern. Hingegen entstehen täglich mehr sogenannte Prospektfabriken, wo dieses Zeug zu Hunderten hin­ gesudelt wird. Diese Fabrik-Produkte haben noch den Vorzug vor den andern, dass sie recht bunt ins Auge fallen, und daher im Durchschnitt mehr Absatz finden. Auf diese Art bringt der Unkundige für sein gutes schweres Geld öfter einen Wisch nach Hause, welcher nicht für einen Groschen Kunstwerth ent­ hält. Für jene Künstler dagegen, die nichts Gestoche­ nes herausgeben, ist diese fatale Mode mehr als nachteilig. Mehrere der besten Schweizerkünstler werden dadurch am Ende ausser Brod gesetzt.»

König macht hier auf eine Erscheinung auf­ merksam, die den Kunsthandel seit jeher be­ gleitet hat: die Nachahmung von Werken, die sich gut verkaufen lassen! Leider waren solche Machenschaften recht verbreitet; die miss­ bräuchliche Verwendung fremden geistigen Ei­ William Henry Bartlett: Lake of Brientz with the Giessbach Cascade.

347 Dass die Nachfrage in guten Zeiten alle Erwar­ tungen erfüllte und wertvolle wie auch weniger bedeutende Kunstblätter der Kleinmeister eu­ ropaweit Verbreitung fanden, lässt sich noch heute nachweisen; viele Sammler solcher An­ sichten werden nämlich nicht selten fündig bei Antiquaren in England, Frankreich und anderen Ländern. Gerade englische Künstler wie William Henri Bartlett, G. Cattermole, Marianne Colston u.a. zeichneten und radierten Veduten unseren Kleinmeistern zum Trotz und versuchten sich sowohl am Giess­bach wie in Brienz, wobei al­ lerdings gelegentlich Zweifel auftauchen, ob sie die dargestellten Landschaften wirklich selber gesehen haben! Dafür zwei Beispiele:

Bartlett gibt die Giessbachfälle recht naturge­ treu wieder, fügt aber dann noch weitere, im landschaftlichen Umfeld vorhandene, sehens­ werte Partien bei. Da diese aber nicht im selben Blickfeld liegen wie die stürzenden Wasser, än­ dert der Künstler kurzerhand den Standort, Die «Tellskapelle am Genfersee» ist unverkennbar die Brienzerkirche auf dem Burgstollen! schaut in eine andere Richtung und ergänzt nun sein Bild mit der Sicht seeabwärts gegen Ringgenberg und das Bödeli bis hin zur hori­ Neben Bartlett begeisterten sich noch weitere lichkeitsgetreu die Kirche auf dem Burgstollen zontabschliessenden Niesenkette! Er bietet da­ Engländer an den landschaftlichen Reizen der mit der Mühle und der einstigen Sägerei. Fast mit eine – dem Käufer wahrscheinlich sogar Schweiz. Oft reisten sie allerdings in solcher unverändert steht auch das Brienzer Pfarrhaus willkommene – Sicht über eine Gegend, wie sie Eile, dass dabei die Orientierung ziemlich litt noch am gleichen Platz, während die den Vor­ sich dem Auge vom gleichen Standort aus lei­ und die einzelnen besuchten Orte etwas durch­ dergrund belebenden Barken in dieser Bauart der nicht eröffnet, die aber doch zum Erlebnis einander gerieten. Auch dafür ein bezeichnen­ kaum auf dem Brienzersee zu finden waren. «Giessbach – Brienzersee» gehört. Die Darstel­ des Müsterchen mit dem hier wiedergegebe­ lung Bartletts, die zwei bemerkenswerte An­ nen Stahlstich! Wie ein Dutzend andere So weit, so gut! Eine Zumutung für die Käufer sichten so vereinigt, dass sie sich zu einem Radierungen, Aquatinten und Lithographien dieses von A.H. Payne in Stahl gestochenen durchaus realistisch anmutenden Bild verbin­ geht er auf das von Aberli 1769 gemalte und Blattes ist lediglich die Legende, die da lautet: den, geht zurück auf eine Gouache «Vue de la von Pfenninger gestochene Blatt «Vue du villa­ Wlliami Tell’s Chapel chute du Giessbach» des bekannten Malers ge et du lac de Brientz» zurück, das den west- Lake of Geneva Johann Ludwig Bleuler. Bartlett scheint dieses lichen Dorfeingang mit der Kirche zeigt. Bild gekannt und seinem Stahlstich mehr oder Engländer, die dieses Blatt in London erstan­ weniger zu Grunde gelegt zu haben. Der Engländer G. Cattermole, ein bekannter den, wo es verlegt wurde, konnten sich eine Maler und Illustrator, zeichnete durchaus wirk­ ganze Schweizerreise glatt ersparen!

348 Die Brüder Girardet Von den vielen Kleinmeistern, die mit ihren Ve­ duten und Folkloreblättern Brienz, seine Schif­ ferinnen, den See und den Giessbach weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machten, war keiner in Brienz ansässig. Sie lebten wohl zeitweilig in unserer Gegend, malten und skiz­ zierten, was ihnen sehenswert erschien und guten Absatz versprach; die gefundenen Moti­ ve aber verarbeiteten sie in ihren Werkstätten in Bern, Zürich und andernorts zu den Kunstblät­ tern, mit denen sie ihren Lebensunterhalt be­ stritten.

Das änderte sich erst mit den beiden Brüdern Karl und Edouard Girardet. Diese gehörten zu einer weitverzweigten Familie, aus der über ein Dutzend Maler, Zeichner, Kupferstecher und Lithographen hervorgingen, die sowohl in Neu­ enburg wie in Frankreich lebten und wirkten.

Karl Girardet (1813 –1871) ging schon als Neun­ jähriger nach Paris, um das Malerhandwerk zu erlernen. Nach beendetem Studium kehrte er nach Neuenburg zurück, um einem seiner Leh­ rer, Maximilien de Meuron (1785 –1868), bei der Ausarbeitung eines grossen Gemäldes zu hel­ fen. Von de Meuron ist bekannt, dass er gele­ gentlich im Berner Oberland malte. 1825 ent­ stand das viel beachtete Bild «Le grand Eiger», das gewissermassen den Anfang der Malerei im Hochgebirge markiert.

De Meuron arbeitete aber auch am Brienzer­ see. Erhalten ist von ihm eine Zeichnung «Fa­ mille Kehrli, chanteurs au Giess­bach» aus dem Jahr 1817. Damit wird eine Beziehung zu Brienz dokumentiert, die erklären könnte, warum sich sein ehemaliger Schüler 1837 in Brienz nieder­ liess. Auch Karl Girardets Bevorzugung der Edouard Girardet: Die tägliche Mühe (Öl auf Leinwand 1848, Kunstmuseum Bern).

349 Karl Girardet: Lac de Brienz.

350 Landschaftsmalerei geht of­fensichtlich zurück den. Dabei wurden Erfahrungen und wohl auch te sich Calame auch mit dem Steindruck. So auf den Einfluss de Meurons, der ihm die Brien­ Bilder ausgetauscht, es wurde über neue Strö­ existiert u.a. ein Blatt von der Säge am Mühle­ zerseegegend nahe gebracht hat. mungen in der Malerei diskutiert, die zu eigenen bach mit Blick auf den Kirchturm und die Häu­ Versuchen anregten. Diese zwanglosen Künst­ serzeile des Dorfes, die sich dem Ufer entlang Nur ein Jahr später folgte auch der neunzehn­ lertreffen veranlassten einen Waadtländer zieht. Viele seiner lithographierten Blätter stellte jährige Edouard seinem Bruder nach Brienz Schrifts­ teller, Brienz als Rütli der Schweizerma­ er zu Alben zusammen, die mit ihren Ansichten und verbrachte schliesslich zwanzig Jahre im lerei auszurufen; eine etwas hochgeratene Wür­ von Landschaften und Bauwerken von hohem Dorf, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Er digung angesichts der vielen Maler und Mal­ kulturhis­torischem Wert sind. Ähnlich wie die wurde in kurzer Zeit in Brienz völlig heimisch, schulen, die mit Brienz in keiner Verbindung Veduten der Kleinmeister zeigen sie im Ver­ nicht zuletzt durch die Heirat mit einer Brienze­ standen. Einige Berechtigung erwächst dem gleich mit dem heutigen Zustand, welche Än­ rin. Die tiefe Verbundenheit mit Land und Leu­ Rütli-Anspruch immerhin durch die Tatsache, derungen Landschaft und Siedlungen in den ten zeigt sich deutlich in seinen Werken, die das dass François Diday (1802 –1877), der zusam­ letzten zweihundert Jahren erfahren haben. Dorfleben in mannigfachen Szenen widerspie­ men mit de Meuron als Vorreiter der schweize­ geln. Die «Versteigerung», ein «Viehmarkt» und rischen Landschaftsmaler gilt, in und um Brienz Max Buri weitere Ge­mälde legen Zeugnis ab von seinem gemalt hat. Noch berühmter ist Alexandre Cala- Nur wenige Jahre nachdem 1895 die letzten Gi­ reichen Schaffen, das sich durch die wirklich­ me (1810 –1864), der als Gebirgsmaler erstmals rardet-Nachkommen von Brienz weggezogen keitsgetreue Wiedergabe von Menschen, ihrer 1835 ins Berner Oberland kam und sich wie waren, liess sich mit Max Buri (1868 –1915) ein Arbeit, ihren Freuden und Sorgen in der heimi­ Diday eingehend mit der Brienzerseelandschaft weiterer Maler im Dorf nieder, der hier nicht nur schen Umgebung auszeichnet. auseinandersetzte. Neben Ölgemälden befass­ einen Aufenthalts- und Schaffensort für sich

Karl entwickelte sich in Brienz, wo er mit länge­ ren Unterbrüchen wohnte und oft gemeinsam mit seinem Bruder arbeitete, zum Maler mit ei­ ner Vorliebe für die vielseitige Seelandschaft mit ihren abwechslungsreichen Uferpartien, die er zu jeder Jahreszeit mit seinem Skizzenblock erfass­te oder in Ölgemälden festhielt. Sein wichtigstes Tätigkeitsfeld fand er jedoch in Paris, wo er am Königshof grosses Ansehen genoss und immer wieder mit bedeutenden Aufträgen be­dacht wurde. Erst die Februar- revolution von 1848, welche die Abdankung des «Bürgerkönigs» Louis-Philippe erzwang, beendete Karl Girardets Laufbahn als Hofmaler und führte ihn wieder nach Brienz.

Der grosse Bekanntenkreis der malenden Brü­ der, der sich weit über Neuenburg hinaus er­ streckte, hatte zur Folge, dass sich oft Künstler für kürzere oder längere Zeit in Brienz einfan­ Max Buri vor der Staffelei.

351 und seine Familie fand, sondern auch seine künstlerische Heimat. Buri, ein gebürtiger Em­ mentaler, zeigte schon früh eine künstlerische Begabung, die nach dem frühen Tod des Va­ ters von der Mutter gefördert wurde. Nach einer Grundausbildung in Bern und Basel folgten wechselnde Studien in München und Paris, un­ terbrochen durch Reisen, die ihn weit in Europa herum und bis nach Afrika führten. 1896 kehrte er in die Schweiz zurück, heiratete zwei Jahre später und nahm mit Frau und Tochter nach kürzeren Aufenthalten in Langnau und Luzern 1903 Wohnsitz in Brienz, dem Dorf, wo er schon in seiner Ju­gend Ferien verbracht hatte.

Dass Buri sich gerade in Brienz niederliess, ge­ hört zu den glücklichen Zufällen, die etwa das Schaffen eines Künstlers in eine neue Richtung lenken. Was schon Edouard Girardet ange­ sprochen hatte, schlug sich auch im Werk Buris nieder: das noch weitgehend unverfälschte, einfache Leben einer vorwiegend bäuerlichen Dorfgemeinschaft mit originellen Charakter­ typen in einer ihm zusagenden Umgebung, in der er sich aufgenommen, verstanden, kurz, daheim fühlte. Es kam dazu die weite, gleich vor seinem Haus sich dehnende Seelandschaft, die sich nicht in uferloser Ferne verliert, sondern mit den einfassenden Bergen einen begrenzen­ den Rahmen schafft und so überschaubar wird; diese Landschaft sagte ihm zu. Max Buri: Handörgeler.

Schon eines seiner ersten in Brienz entstande­ nen Bilder, die «Dorfpolitiker» von 1904, legt die «Begräbnis in Brienz» bei einem Glas Wein zu­ gunsten eines grossflächigen Ganzen. Elegante thematische und künstlerische Richtung fest, sammenfinden, das «Bauernpaar am Sonntag­ Geschlecktheit fehlt den von ihm portraitierten welche Buris Malerei fortan bestimmt; er malt nachmittag» u.a. Leuten ebenso wie schwermütiges We­sen, – neben wenigen Landschaften – Volkstypen, Trauer und Verzweiflung. Trotz aller Er­den­ welche die Dorfleute in ihrem Alltag zeigen: den Buris malerischer Ausdruck ist durchaus eigen­ schwe­re und einem nicht immer leichten Leben «Handörgeler», die «Bäuerin im Sonntagsstaat», ständig und unverkennbar; er verzichtet auf un­ strahlen sie ruhige Behaglichkeit aus, Zuver­ die vier Dorfhonoratioren, die sich nach einem wesentliche Einzelheiten in seinen Bildern zu­ sicht und Lebensfreude, dank der lichten, un­

352 gebrochenen Farbigkeit von Buris Palette. Nicht selten blitzt, seiner unkomplizierten, daseins­ freudigen Art ent­sprechend, beim Maler auch der Schalk auf, so etwa im Bild «Das tapfere Schneiderlein» oder in verschiedenen Karikaturen.

Mit Recht gilt Buri als einer der originellsten und kraftvollsten Vertreter der schweizerischen Ma­ lerei nach der Jahrhundertwende. Seine über­ zeugenden, aus unmittelbarem Erleben ent­ standenen Werke lassen vergessen, dass die vordergründig so einfach anmutenden Gemäl­ de überaus sorgfältig komponiert sind. Auch wenn die von Buri dargestellte bäuerlich-länd- liche Welt längst verschwunden ist: als Zeit- dokument und Ausdruck eines eigenständigen, künstlerischen Gestaltungswillens bleiben sei­ ne Bilder zeitlos gültig. Leider verstarb Buri, dessen Schaffen noch viel versprach, bereits im Alter von 47 Jahren. Sein Andenken lebt im Dorf weiter; er gilt als der Brienzer Maler schlechthin, und die Namen vieler seiner Mo­ delle sind noch heute bekannt.

Eduard Schild Ungefähr um die Jahrhundertwende begann ein Brienzer sein malerisches Werk, das sich zur Hauptsache auf die heimatliche Landschaft beschränkte. Die Rede ist von Eduard Schild (1878 –1944). Seine Malweise und die Art seiner Motive heben sich deutlich ab von seinem be­ rühmteren Dorf- und Zeitgenossen Max Buri. Dieser wandte sich vorwiegend der Darstellung bäuerlichen Lebens zu, während Schild eher kleinformatige Landschaftsbilder schuf. Damit blieben beide, jeder auf seine Art, verwurzelt mit dem Boden ihrer Brienzerheimat. Schilds Eduard Schild: Dorfpartie. Bilder finden heute wieder viel Beachtung und sind von Liebhabern gesucht, da sie in der

353 Adolf Gander: Alpgasse (Kohlezeichnung).

354 Wahl ihrer Motive, aber auch in der Malweise Schatten stellte. So war denn auch Eduard und damit verbunden an lohnenden Aufträgen anspruchsvollen Massstäben durchaus ent­ Schild gezwungen, neben seiner Tätigkeit als und Anregungen. Viel Förderung erfuhr Gander sprechen. Kunstmaler noch einen sichereren Beruf auszu­ immerhin durch den befreundeten englischen üben; er bemalte Kassetten und andere Er­ Maler Allinson, der mehrere Sommer im Nach­ Abgesehen von einem kurzen Studium an einer zeugnisse der Kleinschreinerei mit Landschaf­ barhaus wohnte und arbeitete. Kunstakademie in München eignete sich der ten und konnte damit seine Freude an küns- Maler seine kunsthandwerklichen Kenntnisse tlerischem Gestalten wenigstens teilweise mit Ganders erste Bilder entstanden mit einfachs­ als Autodidakt an, um auszudrücken, was ihn einem Brotberuf verbinden. ten Geräten. Lange malte er seine Aquarelle mit bewegte. Er galt als hervorragender Zeichner, einem gewöhnlichen Schülermalkasten, und für der mit sicherem Strich das Wesentliche eines Adolf Gander seine farbigen Zeichnungen verwendete er Motivs einzufangen und genau wiederzugeben Kurz bevor sich Max Buri in Brienz niederliess, Farbstifte, wie sie in der Schule gebraucht wer­ vermochte. Viele seiner Skizzen verarbeitete er erblickten hier und in Schwanden zwei Kinder den. Trotzdem gelangen ihm selbst mit diesen dann im Atelier zu Aquarellen oder Ölbildern. das Licht der Welt, die später für die Fortset­ un­zulänglichen Mitteln erstaunliche Bilder: vor­ zung der malerischen Tradition im Dorf sorgten. erst kleinformatige Zeichnungen und Land­ Seine ganze Liebe wandte er den bescheide­ Eine seltsame und bedrückende Duplizität der schaften aus dem Dorf und der Umgebung und nen, stillen Schönheiten zu, die sein Künstlerau­ Ereignisse brachte es mit sich, dass die 1902 viele reizende Stilleben. Später kamen auch ge im Dorf und seiner Umgebung entzückten: geborenen Adolf Gander und Johann Peter grössere Ölbilder dazu, so ein «Bergdorfet an einem sonnverbrannten Holzhaus mit Blumen­ Flück im gleichen Jahr 1954 an einer unheilba­ Rotschalp» mit einer bunten Menge von Perso­ garten, versteckten Winkeln, einer Landschaft ren Krankheit verstarben. nen, die sich auf einer Tanzfläche drängen. Das mit dem See. In dieser erlebten Darstellung der Gemälde be­weist eindrücklich das komposito­ heimischen Umgebung ging er ganz auf. Seine Obschon ihr zeitliches Dasein parallel verlief, rische und technische Können des Künstlers. Eindrücke verarbeitete er auf eine ihm gemässe blieb die künstlerische Ausstrahlung von Adolf Seine malerische Fertigkeit hatte Gander zwei­ Weise, ohne sich von fremden Einflüssen oder Gander, im Gegensatz zu derjenigen von J. P. fellos erworben bei seinem Brotberuf, dem Ver­ modischen Erwägungen beeinflussen zu las­ Flück begrenzt auf einen engeren regionalen zieren von Kassetten mit Schweizeransichten. sen. Experimente, die oft nur erfolgen, um Auf­ Rahmen. Das hatte nichts zu tun mit mangeln­ Seine Nachkommen besitzen noch eine grosse sehen zu erregen, waren ihm fremd, dagegen dem Können, auch wenn dem begabten Zeich­ Sammlung von solchen äusserst sorgfältig und strebte er stets danach, seine künstlerischen ner und Aquarellisten eine gründliche akademi­ gekonnt ge­malten Miniaturlandschaften, klei­ Fähigkeiten weiter zu entwickeln und so zu ma­ sche Ausbildung an einer Kunstschule aus nen Kunstwerken, die weit über das hinausge­ len, dass er zu seinem Werk stehen durfte. Sei­ familiären und finanziellen Gründen in der Kri­ hen, was man von dieser Art Souvenir sonst ne Kunst erreichte denn auch eine beachtens­ senzeit der Nachkriegsjahre versagt blieb. In gewohnt ist. werte Höhe, und viele seiner Landschaften der Malerlaufbahn von Adolf Gander zeigt sich wurden an schweizerischen und Ausstellungen übrigens beispielhaft, dass auch bei schönsten Da sich seine Arbeiten mit der Zeit immer bes­ oberländischer Künstler gezeigt. Trotzdem Anlagen eine Förderung durch einflussreiche ser verkauften, plante Gander, sich bald aus- blieb es Eduard Schild, wie vielen seiner Maler­ Persönlichkeiten und Gönner unerlässlich ist. schliess­lich der Malerei zu widmen. Doch dann kollegen, versagt, sich ausschliesslich der Da Gander nicht über diese Beziehungen ver­ überfiel ihn eine schwere Krankheit, die seiner Kunst zu widmen. Schuld daran war einmal die fügte, blieb ihm leider die Teilnahme an bedeu­ weiteren künstlerischen Entfaltung ein Ende Ungunst der Nachkriegs- und Krisenzeit, aber tenden nationalen Ausstellungen verwehrt, die setzte. Verschiedene Operationen brachten auch die den Kunsthandel beeinflussende Do­ zu wichtigen Kontakten mit massgebenden keine Hilfe und beraubten ihn auch noch der minanz bekannterer zeitgenössischer Künstler, Kunstkritikern und der Presse geführt hätten. Sprache. Mit be­wundernswerter Fassung und die das Werk anderer guter Maler oft in den Es fehlte so auch am nötigen Bekanntheitsgrad trotz schwerster körperlicher und seelischer

355 Belastung rang er sich noch eine ganze Reihe eindrücklicher Bilder ab, bis ein letzter Spital­ aufenthalt in der Insel seinem Wirken ein Ende setzte; einem Wirken, das unter glücklicheren Umständen umfassendere Beachtung und grössere Anerkennung gefunden hätte.

Johann Peter Flück Er wohnte zwar in der Gemeinde Schwanden, der er mehrere Jahre sogar als Gemeindepräsi­ dent diente; trotzdem dürfen wir ihn als Brien­ zermaler betrachten, nicht nur weil die beiden Dörfer schon lange zusammengewachsen sind, sondern vor allem weil ein bedeutender Teil seines Schaffens von der Landschaft oben am See geprägt ist, einer Landschaft, die er zu­ tiefst liebte, in der er verwurzelt war, die er in seinen Bildern immer wieder festzuhalten suchte.

J. P. Flück konnte sich schon früh nicht vorstel­ len, etwas anderes zu werden als Maler. Das Kind schon reizte die damals noch unverstellte Natur rund um Schwanden zum Zeichnen und Malen, auch wenn dem Vater solche Spinnerei­ en gar nicht passten. Peter brachte für diese kritische Einstellung sogar ein gewisses Ver­ ständnis auf, schreibt er doch selbst:

«Ich kannte die Urgründe dieses väterlichen Sorgens, ich brauchte nur aus dem Fenster zu blicken auf die Schuttkegel und Geröllhalden, die sich vor unsern Häusern bis nach Hofstet­ ten erstreckten ... Wiese für Wiese, Acker für Acker hat mein Vater wegspülen sehn. Er hat den Murgängen zugesehen, die langsam wie Lavaströme aus den Schründen der ‹Lamm› hervorbrachen und sich auf die sanften Hänge oben am See legten ... Ich verstand meine On­ kel im Obern Dorf, die sich unglaubliche Ent­ Johann Peter Flück: Ueli.

356 behrungen auferlegten, um das alte Erbe der ‹Brenner› (Zuname der Flücksippe) wieder neu zu schaffen. Und nun will der Letzte der Familie so einer werden wie dieser Girardet, der auf den Strassen mit sich selber redet ..., der glücklich ist, wenn ein anderer ‹Hudel› ihm in einer Wirtschaft eine Wurst bezahlt.»

Nicht zuletzt durch die Vermittlung der klugen Mutter, die fest an die Fähigkeiten ihres Sohnes glaubte, kam es dann zu einer Übereinkunft: Peter besuchte das Seminar Muristalden, um sich notfalls als Lehrer durchschlagen zu kön­ nen, wenn sich die Malerei als brotloses Unter­ fangen erweisen sollte. Er nahm diesen beruf- lichen Abstecher auf sich, genau wie sein späterer Freund Willy Burkhard, dessen Be­ kanntschaft er im Seminar machte. Beide ver­ spürten weder den Wunsch noch Lust, Lehrer zu werden; Burkhard lebte nur seiner Musik, Flück hatte nur die Malerei im Kopf. Er wirkte denn auch nie in einer Schulstube.

Nach dem Seminarabschluss bezog er die Kunstakademie in München und wurde Schüler des Kirchenmalers Feuerstein. Dort erhielt er Anregungen, die sich später in seinen religiösen Werken niederschlugen, so in den grossen Bil­ dern seiner modernen Passion, die er ganz in der Gegenwart ansiedelt, und seiner letzten Ar­ beit, der «Heimkehr des verlorenen Sohnes» für die Kapelle der Strafanstalt Thorberg.

Noch aber war es nicht so weit; Studien in Paris folgten auf seine Münchnerzeit, dann ab 1925 wechselnde Aufenthalte in Bern, Schwanden und immer wieder Paris. Eine seiner ersten wichtigen Arbeiten waren die biblischen Fres­ ken im Musiksaal des Seminars Muristalden, das den eigenwilligen Zögling nicht vergessen Johann Peter Flück: Selbstbildnis mit Passionsbildern 1938.

357 hatte. Da­neben entwickelte sich Flück zu einem Art Flücks, zu arbeiten, zeigte mir, ... wie ernst hervorragenden Portraitisten, der intuitiv die und mit seinem Wesen eng verbunden er seine Persönlichkeit seines Modells erfasste und so Kunst auffasste und warum er gegen wichtig- Bildnisse schuf, die weit mehr aussagten, als es tuerische Halbheiten gelegentlich ausfällig die blosse äusserliche Ähnlichkeit vermag. werden konnte.» Durch seine Portraits wurde er bald einmal in weiten Kreisen bekannt. Eindrückliche Beispie­ Mit welcher Unbedingtheit er seiner Kunst lebte le seiner Bildnismalerei stellen die «Alte Frau», und ihr alles unterordnete, lässt sich daran er­ die verschiedenen Portraits seines Sohnes messen, dass er noch mit der linken Hand wei­ Martin und anderer Familienangehöriger dar termalte, als die rechte ihm den Dienst versagte. sowie die Selbstbildnisse, die sein grüblerisch- Johann Peter Flück (1902 –1954) hinterliess widersprüchliches Wesen treffend spiegeln. ein bedeutendes Werk, das schon zu seinen Lebzeiten durch viele Ausstellungen bekannt Nach der Heirat und der Geburt seines Sohnes geworden war; es weiterzuführen und zu voll­ Hans Stähli: Schwanderfluh mit Rothorn, 1971, 75 x 68 cm, Öl in den Dreissigerjahren liess sich Flück endgül­ enden, verhinderte sein früher Tod. tig in Schwanden nieder. Hier entstanden die Mit seinem Freund Fritz Ryser, Kunstmaler in grossen Gemälde, welche die stellenweise Hans Stähli Basel, reiste er 1948 in die Provence. Dort er­ noch ur­tümliche Landschaft rund um sein Dorf Als Sohn eines Holzschnitzlers kam Hans Stäh­ freute er sich an neuen Motiven und empfing in Sturm und Stille, im wechselnden Jahreslauf li am 15. März 1910 in Brienz zur Welt. In der starke Impulse für sein Schaffen. und in den verschiedensten Stimmungen fest­ Werkstätte seines Vaters und später beim halten. bekannten Bildhauer Hans Huggler-Wyss in Seiner mit Lydia Gerber 1942 geschlossenen Brienz erlernte er das Gestalten und Schnitzen Ehe entsprossen zwei Söhne und zwei Töchter. J. P. Flück lässt sich nicht einer bestimmten von Tier- und Menschenfiguren. Schon in seiner In der Familie Stähli wurde viel musiziert. Vater Malschule, einer vorgegebenen Stilrichtung zu­ Schulzeit zeigte sich seine Begabung: Er zeich­ Hans spielte Geige und Klarinette und liebte ordnen. Malerei bedeutet ihm ein oft zähes, nete und malte, gestaltete Landschaftsbilder, klassische Musik. Die Eltern sangen mit ihren langwieriges Ringen um eine Ausdrucksform, versuchte sich schon damals auch im Porträtie­ Kindern, denen Musik zur Lebensbegleiterin wie sie in seiner Vorstellung existiert. Unver­ ren. Nun malte er auch neben seiner Berufs­ und zum Beruf wurde. kennbar ist eine starke Innerlichkeit, die sein arbeit als Schnitzler leidenschaftlich weiter und Schaffen be­seelt, nicht nur in den religiösen Bil­ schulte selbstkritisch sein Können. Zurückgezogen arbeitete Hans Stähli daheim dern. Sein langjähriger Freund Albert Streich, an der Staffelei und an seiner Werkbank. Er der ihm während vielen Stunden Modell sass zu 1933, mit 23 Jahren, entschloss er sich zum schuf über tausend Ölgemälde, viele Aquarelle einem überraschend lebenswahren Portrait, Besuch der Kunstgewerbeschule Basel, wo er und Zeichnungen. Oft sah man ihn auch in frei­ weiss seinerseits Wesentliches über den Maler während einem Jahr Unterricht in Farbenlehre, er Natur malend. Seine Landschaftsbilder, klar auszusagen: Anatomie, im Aktstudium und im Tier- und Figu­ aufgebaut und fein abgestimmt in den Farben, renzeichnen genoss. zeigen das Wesen, den Charakter der darge­ «Er müsse, so sagte er mir, malen, bis nichts stellten Gegend. Im Atelier schuf er Stillleben mehr da sei, das heisst, bis alles Äusserliche 1936 verbrachte Hans Stähli mehrere Monate mit Alltagsgerät, Spielzeug, Früchten und Blu­ und Unwesentliche auf das Minimste be­ in Paris, wo er sich in Museen und Galerien in­ men. Auch als Porträtist war er gefragt. Aus sei­ schränkt und nur ... der innere, wirkliche, geisti­ tensiv in die Werke grosser Meister der Malerei nen Bildnissen blicken uns ausdrucksstarke ge und menschliche Gehalt übrigbleibe ... Die vertiefte. Persönlichkeiten an.

358 Hans Stähli: Brienzersee, 1971, 75 x 64 cm, Öl

359 1945 verhalf eine Einzelausstellung in der Ber­ ner Kunsthalle Hans Stählis Werk zu grösserer Bekanntheit. Weitere Ausstellungen folgten. Seit l965 durfte er sich endlich ganz seiner Kunst widmen, und die Nachfrage nach seinen Bildern stieg zusehends.

1963 konnten Hans und Lydia Stähli ihr eigenes Haus in Schwanden beziehen. Das neue Heim mit einem geräumigen Atelier, die neue Wohn­ gegend mit der schönen Aussicht auf See und Berge und der nahe Wald mit dem Wildbach regten den Kunstmaler zu vielseitigem Schaffen an.

Ab 1980 konnte Hans Stähli aus gesundheit­ lichen Gründen nicht mehr malen. Er durfte aber noch mehrere Ausstellungen seiner Werke in Interlaken und Schwanden miterleben, die beim Publikum grossen Anklang fanden.

Am 25. März 2005 starb er im hohen Alter von 95 Jahren. Im Sommer 2010 ehrte ihn eine Ge­ dächtnisausstellung in Brienz.

Hinweis auf die Verzeichnisse (ab Seite 369): Erklärungswürdige Begriffe und alle erwähnten Per­ sonen sind im Anhang aufgeführt und werden im Buchtext mit Schrägdruck hervorgehoben. Masse und Gewichte sowie Sachbegriffe sind in wei­ teren Verzeichnissen einsehbar. Im Buch erwähnte Orte, insbesondere die Brienzer Flurnamen, lassen sich dank zwei beigefügten Karten lokalisieren.

Hans Stähli: Selbstporträt, 1935, 26 x 33 cm, Öl.

360 Gegenwart und Zukunft Brienz, Dorfeingang West. Brienz in Zahlen

Angaben der Gemeindeverwaltung Brienz (Thomas Dräyer, Gemeindeschreiber)

Stand: November 2010 Einwohner Schulen Wohnbevölkerung (5.11.2010) 3072 Fläche der Gemeinde 5495 ha davon weibliche Personen 1567 Primarstufe davon Wald 1328 ha davon männliche Personen 1505 Basisstufe 1 Klasse 19 Schüler - Wald mit besonderer Personen über 60 Jahre 828 1. – 6. Klasse Dorf 4 Klassen 78 Schüler Schutzfunktion 507 ha Personen über 70 Jahre 465 1. – 6. Klasse Kienholz 5 Klassen 94 Schüler - Wald mit Schutzfunktionen 615 ha Personen über 80 Jahre 193 - Reiner Nutzwald 206 ha Personen über 90 Jahre 40 Sekundarstufe I Weiden 1586 ha 7. – 9. SpezSek 3 Klassen 49 Schüler Unproduktive Fläche 765 ha Stimmberechtigte Personen 2215 7. – 9. Sek 3 Klassen 55 Schüler See 703 ha Ausländeranteil 9,47 % 7. – 9. Real 3 Klassen 53 Schüler Wiese, Ackerland 911 ha Wanderungssaldo 44 Siedlungsgebiet 202 ha Lehrkräfte inkl. Spezialunterricht Arbeitslose Total 53 Lehrkräfte Strassennetz 56,681 km Total 41 Personen (davon 35 Lehrkräfte mit Teilpensen) davon Gemeindestrassen 30,256 km Staatsstrasse 13,075 km Heimatort Kirche Genossenschaftsstrassen 13,350 km Brienz 898 Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Heimatort im Kanton Bern 1272 aufgeteilt in 3 Kreise: Uferlänge öffentliche Gewässer Ausserkantonale Heimatorte 546 Pfarramt 1: Brienz Dorf – Lammbach Brienzersee 7,975 k m Andere (Ausland) 281 Pfarramt 2: Östlich Lammbach – Schwanden Der Kanton bezahlt Beiträge für 6,840 km – Hofstetten – Brienzwiler Haushaltungen Pfarramt 3: Oberried – Ebligen Uferlänge öffentlicher Gewässer Anzahl Haushaltungen 1394 Aare + Bäche 23,350 km Römisch-katholische Kirchgemeinde Kindergärten Meiringen/Brienz Höchster Punkt Dorf 1 Klasse 19 Schüler Schwarzhorn 2927,6m Kienholz 1 Klasse 19 Schüler Verschiedene religiöse Gemeinschaften

Tiefster Punkt Schwellenhöhe SBB 566,5m

363 Landwirtschaft Industrie und Dienstleistungen Planalp, Restaurant Schützenstube, Restaurant Arbeitsstätten im 1. Sektor 41 Steinbock, Restaurant Strandbad, Sahin Im- Rinder Unternehmen im 2. Sektor 52 biss, Seerestaurant Sternen, See-Snack, Tea- Rinderhalter 30 Unternehmen im 3. Sektor 118 Room Walz, Vinothek zum Rössli, Zentrum der Rinderbestand 1221 Beschäftigte im 1. Sektor 125 7,7 % Einheit Schweibenalp Beschäftigte im 2. Sektor 484 29,7 % Axalp: Hotel Restaurant Chemihüttli, Restau- Ziegen Beschäftigte im 3. Sektor 1018 62,6 % rant Bellevue Axalp, Restaurant Chruttmettli Ziegenhalter 15 Hilten, Schneebar Axalp Windegg, Sport-Shop Ziegenbestand 118 Tourismus Axalp Hotelbetten 680 Schafe (580 in Brienz, 100 auf der Axalp) Ärzte Schafhalter 14 Gruppenunterkünfte (JH, Berghäuser) 190 Praxisgemeinschaft Burgerhaus, Dr.med. Schafbestand 152 Betten in Ferienw. (220 Brienz, 200 Axalp) 420 Melchior Huggler/Dr.med. Peter Teuber Campingplätze 3 Dr.med. Martin Isler, Arzt für allgemeine Medizin Schweine Logiernächte 173 000 Dr.med. Kaspar Lüthi, Arzt für allgemeine Schweinehalter 1 Medizin Schweinebestand 12 Mobilität Dr.med. Andreas Widmer, Arzt für allgemeine So viele % der erwerbstätigen Einwohner Medizin Pferde benützen für den Arbeitsweg Pferdehalter 7 Öffentliche Verkehrsmittel 7,9 % Zahnärzte Pferdebestand 17 Privatwagen 38,7 % Dr.med.dent. Judith Hornung Dr.med.dent. Jaan Rumma Kaninchen Hotels, Gaststätten, Restaurants, Kaninchenhalter 7 Tea-Rooms Tierärzte Kaninchenbestand 30 Brienz: Alters- und Pflegeheim EGW, Alters- Anisano Tierxundheit, Gross- und Kleintiere heim Birgli, Bino›s Pizzeria, Bistro Rothorn, Dr.vet. Bruno Lötscher, Gross- und Kleintiere Nutzgeflügel Café du Lac, Grandhotel Giessbach, Helvetia Nutzgeflügelhalter 12 Pub, Hotel Adler de la Gare, Hotel Lindenhof, Nationalrat Nutzgeflügelbestand 264 Hotel Restaurant Bären, Hotel Restaurant Bri- Peter Flück-Luchs (FDP) enz, Hotel Restaurant Rothorn Kulm, Hotel Re- Hunde staurant Weisses Kreuz, Hotel Restaurant Wild- Grossrat Von der Hundetaxe befreit 3 Hunde bach, Jugendherberge SJH, Kick-Down, Mc Peter Flück-Luchs (FDP) Total 200 Hunde one, Restaurant Bellevue Stock, Restaurant Bramisegg, Restaurant Brienzerburli, Restau- Regionalkonferenz Oberland-Ost rant Engi, Restaurant Löwen, Restaurant Pano- Peter Flück-Luchs (Präsident, FDP) rama, Restaurant Pizzeria da Luca, Restaurant

364 Legislative ÖV-Gemeindebeitrag pro Einwohner: Gemeindepräsident Peter Flück-Luchs (FDP) CHF 76.64 Vize-Gemeindepräsident Bernhard Fuchs- Streun (SVP) Banken BBO Bank Brienz Oberhasli Exekutive BEKB Berner Kantonalbank Gemeinderatspräsidentin Raiffeisenbank Region Haslital – Brienz Annelise Zimmermann (FDP) Vize-Gemeinderatspräsident Trinkwasser Albrecht Thöni (SVP) Wasserversorgung Brienz Vize-Gemeinderatspräsident Gemeinsame Wasserversorgung Brienz, Ruedy Minder (SP) Schwanden und Hofstetten Gemeinderätin Madeleine Zobrist (FDP) Diverse private Wassergenossenschaften Gemeinderat Walter Flühmann (FDP) Gemeinderat Menk Lüthi (FDP) Abwasser Gemeinderat Peter Huggler (BTO) Abwasserreinigungsanlage Brienz (Brienz, Schwanden, Hofstetten) Verwaltung (Kader) Gemeindeschreiber Thomas Dräyer Abfallentsorgung Finanzverwalter Hans Zybach ERZ Lauimatte Betriebsleiter (GBB) Fritz Laternser EZ Bächlischwendi Bauverwalter Kurt Bühler Schlachthof Meiringen (Kadaver) Revierförster Hans Peter Weber Schulleiterin Regina Graf

Verkehr Luzern – Meiringen – Interlaken (zb Zentralbahn) Brienz – Axalp (Bus PostAuto) Brienz – Ballenberg – Brienzwiler – Hasliberg (Bus PostAuto) Brienz – Brienzer Rothorn (Brienz Rothorn Bahn AG) Brienzersee (BLS Schifffahrt Berner Oberland) Giessbach See – Giessbach (Seilbahn)

365 Ausblick in die Zukunft

Den Abschluss dieses Buches, das sich vor- Interview - Fragen wiegend mit der Vergangenheit und Gegenwart unseres Dorfes befasst, möge ein Ausblick in 1. Zu den Aufgaben verantwortungsbewusster Ge- 8. Wo sehen Sie Schwerpunkte für die weitere bau- die Zukunft aus dem Jahr 1999 bilden. meindepolitik gehört eine Planung, die über den liche Entwicklung unserer Gemeinde im Wohn- Tag hinaus geht und auf bestimmten Zielvorstellun- bau? Im industriellen Bereich? gen beruht. Erachten Sie eine solche Zukunfts- Der damalige Gemeinderatspräsident Andreas planung, die doch weitgehend mit Annahmen, 9. Gibt es Entwicklungstendenzen im Gesundheits- Michel und Frau Heidi von Bergen als Präsiden- Spekulationen und Zufällen rechnen muss, für ein und Fürsorgewesen? Dorf wie Brienz überhaupt als sinnvoll? tin der Planungskommission erklärten sich be- 10. Bestehen Konzepte für die Weiterentwicklung des reit, in einem Gespräch auf Fragen einzugehen, 2. Sind Entwicklungen und Probleme vorauszusehen, Tourismus und anderer Dienstleis­tungen? die so­wohl den gegenwärtigen Zu­stand der die in nächster Zukunft unsere Ge­meinde vermehrt Ge­meinde als auch deren Zukunftsplanung be- oder besonders betreffen werden? Was sollte bei- 11. Industrie und Tourismus können sich gegenseitig behalten bezw. angestrebt werden? Was müsste beeinträchtigen. Lassen sie sich in unserer Gegend treffen. Es ist klar, dass es sich hier nur um per- geändert oder verbessert werden? beide verwirklichen, oder werden Prioritäten ge- sönliche Aussagen handeln kann, die nicht alle setzt? mit Tatsachen belegt werden können, da die 3. Auf welchen Gebieten beeinflussen Regionalpla- nung und staatliche Vorschriften die Entwicklung 12. Gegenwärtig ist eine Umstrukturierung der Ge- technische, wirtschaftliche und soziale Ent- von Brienz besonders? meindeverwaltung im Gange. Welches sind die wicklung oft so unerwartet und sprunghaft ver- wesentlichen Änderungen und was erhofft man läuft, dass sie auch von Wissenschaftern und 4. Empfinden Sie die Vorschriften von oben im Allge- von ihnen? meinen als Hilfe oder als Behinderung? Bleibt der Politikern nicht vorausgesehen werden kann. Gemeindebehörde noch Spielraum für eigene, 13. Brienz gehört nicht zu den finanzstarken Ge­- Umso er­freulicher ist die Bereitschaft von Frau ortsgerechte Planungen und Beschlüsse? meinden. Gibt es aus ihrer Sicht Möglichkeiten, von Bergen und Herrn Michel, sich über die diese Situation zu verbessern? Stichworte: Schul- kommenden Aufgaben und die zukünftige Stel- 5. Stark geprägt wird die Zukunft des Dorfes durch dentilgung? Ausgabenbeschrän­kung? Mehrein- die Bevölkerungsentwicklung. Welche Ziele verfolgt nahmen? Wo? Steuerpolitik? Zu­sam­menarbeit mit lung der Gemeinde Brienz zu äussern und auf- unsere Gemeinde hier? Stichworte: Weiteres anderen Gemeinden? Auf welchen Gebieten? zuzeigen, wie versucht wird, Ziel­vorstellungen Wachstum? Konsolidierung der Zahl der Einwoh- so zu verwirklichen, dass unser Dorf eine Hei- ner? Ausländeranteil? 14. Welche Rolle spielt die Burgergemeinde in den Zielvorstellungen der Gemeindebehörden? mat bleibt, in der sich leben lässt. 6. Eng verbunden mit einem allfälligen Wachstum der Bevölkerung ist das Schulwesen. Welche Probleme 15. Wie sehen und erhoffen Sie sich allgemein die stellen sich hier? Welche eigenen Akzente möchte künftige Entwicklung von Dorf und Ge­meinde in die Gemeinde (im Rahmen der gesetzlichen Mög- wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht? lichkeiten) setzen? Lassen sich spezielle Schulprob- leme (unabhängig von der Bevölkerungsentwick- 16. Allfällige Ergänzungen. lung) voraussehen?

7. Welche raumplanerischen Massnahmen könn­ten die gedeihliche Entwicklung von Dorf und Gemein- degebiet günstig beeinflussen?

366 Zusammenfassung der Antworten Da sich die Antworten von Frau Heidi von Ber- gen und Herrn Andreas Michel auf die Inter- view­fragen öfters überschneiden, sei hier eine Zu­sammenfassung versucht. Die Stellungnah- me der Befragten über die Zukunft der Gemein- de enthält neben ausführungsreifen Plänen naturgemäss auch unverbindliche Absichts- erklä­rungen, weil sicher eintreffende Voraussa- gen schon prophetische Fähigkeiten bedingen würden. Was aus der vorliegenden Befragung hervorgegangen ist, ist Folgendes:

Auf Planung kann trotz allen damit verbunde- nen Unsicherheiten nicht verzichtet werden, zeigt sie doch die Richtung, in der sich die künf- tige Entwicklung der Gemeinde zu bewegen hat. Die erwünschten Ziele und die Wege zur Verwirklichung obliegen dann den politischen Stark verändert durch viele Neubauten hat sich der Dorfteil Fluhberg. Instanzen der Gemeinde, in letzter Konsequenz der Gemeindeversammlung.­ weil nur auf diese Weise die persönlichen und ments, das auch in Zukunft veränderten Ver- örtlichen Verhältnisse berücksichtigt werden hältnissen angepasst werden kann. Gegenwär- Eine wichtige Rolle spielt eine sorgfältige Fi- können. tig drängen sich Neueinzonungen und Er- nanzplanung, in der die knappen Mittel gezielt schliessungen von Bauland aber nicht auf, da eingesetzt werden. Gleiche Bedeutung ge- Die beklagte Einschränkung der Gemeindeau- die Bevölkerung von Brienz schon seit längerer niesst auch die Ortsplanung, die vor allem auf tonomie wirkt sich auch auf den finanziellen Zeit stabil geblieben ist. Immerhin bleiben alle ein intaktes Ortsbild ausgerichtet sein soll, um Spielraum der Gemeinde aus. Das hängt zu- Möglichkeiten offen, da die vom Kanton vorge- unerwünschte Zersiedelung zu verhindern. sammen mit der schwierigen Lage der Kantons­ schlagene Reduzierung der Bauzone verhin- finanzen, die teilweise auf Kosten der Gemein- dert werden konnte. Das gilt übrigens auch für Ein Problem, das nicht nur Brienz zu schaffen den saniert werden sollen, indem man ihnen die Indust­­­riezone, die als ausreichend betrach- macht, ist die schleichende Einschränkung der Aufgaben überbindet, für die bisher der Kanton tet wird. Gemeindeautonomie durch den Kanton. Sie zuständig war. Daraus ergeben sich neue Pro­b­ zeigt sich in vielen kantonalen Vorschriften, wel- leme und Mehrarbeit für die Gemeindever­ Einen positiven Standortfaktor für die Gemein- che die Gemeinde auch finanziell belasten. So waltung. An der in der Verfassung verankerten de bildet die gut ausgebaute Schule. Für das sind etwa das Gesundheits- und Fürsorge­ Gemeindeautonomie soll aber trotz allen Jahr 2000 soll ein von den Schulbehörden und wesen in einem Umbruch begriffen, zu dem die Schwierigkeiten und Sachzwängen festgehal- der Schulleitung ausgearbeitetes Leitbild eine Ge­meinden nur wenig zu sagen haben. Aus der ten werden. Basis und den Rahmen schaffen für eine ziel­ Sicht der Gemeinde ist es aber wichtig (Beispiel orientierte pädagogische und fachliche Zusam- Spitex), Hilfe in direktem Kontakt mit dem Pa­ Die bauliche Entwicklung der Gemeinde erfolgt menarbeit aller Lehrkräfte und damit die Quali- tien­ten oder Sozialhilfeempfänger zu leisten, im Rahmen eines ausgewogenen Bauregle- tät der Brienzerschulen noch verbessern.

367 Der bedeutendste Wirtschaftszweig in unserer nötige Investitionen zu tätigen. Kosten sollen Mit der Burgergemeinde, die finanziell und or- Region ist der Tourismus, hängt doch direkt neben den schon aufgeführten geplanten ganisatorisch eine selbständige öffentliche Kör- oder indirekt jeder 3. Arbeitsplatz davon ab. Massnahmen ge­senkt werden durch verschie- perschaft bildet, verbindet die Einwohnerge- Hier besonders ist regionale Zusammenarbeit dene Änderungen innerhalb der Gemeindever- meinde ein gutes Verhältnis. Indem sie z.B. der Touristikorganisationen von Brienz, Mei­ waltung. Diesem Zweck dient eine geplante Bauwilligen Land im Baurecht zur Verfügung ringen und Hasliberg nötig. Marketing und Umstrukturierung, die eine schlankere Organi- stellt, kommt sie den planerischen Absichten Dienstleis­tungen müssen optimiert werden, um sation vorsieht, und eine Konzentration auf die der Gemeindebehörden entgegen und unter- die knappen finanziellen Ressourcen wirkungs- Kernaufgaben der Ge­meinde. Damit sollte mit- stützt so eine gesunde Entwicklung der Bau­ voll einzusetzen. Falsch wäre indessen eine telfristig auch die Steuerbelastung der Bürger, tätigkeit. einseitige und ausschliessliche Förderung des die im kantonalen Vergleich doch recht hoch Tourismus auf Kosten anderer Wirtschaftszwei- ist, gesenkt werden können. Abschliessend äussern die befragten Behörde- ge. Industrie und Tourismus sollen auch in vertreter den Wunsch, dass die Dorfgemein- unserer Gemeinde keine Gegensätze bilden, da Eine bemerkenswerte Rolle in Brienz spielen schaft auch bereit ist, etwas für die Öffentlich- eine einseitige Ausrichtung in Krisenzeiten mit die zahlreichen Vereine. Sie sind Träger eines keit zu leisten, sei es in unternehmerischer schwerwiegenden Nachteilen verbunden wäre, vielfältigen kulturellen Lebens, wozu wir auch Hinsicht durch Erhalt und Schaffung von Ar- wie die Vergangenheit mehrmals gezeigt hat die sportlichen Angebote zählen dürfen. Kultu- beitsplätzen, oder auf andere Weise zum Wohl (zeitweiliger Niedergang der Holzschnitzlerei, relle Defizite bestehen sicher keine; sie würden und Nutzen der Gemeinde. Wichtig erachten Hotelstilllegungen u.a.). Eine gute Mischung von übrigens abgedeckt durch ein reiches zusätz­ sie nicht zuletzt die Kontakte zu den Schwes- Tourismus, Ge­werbe, Industrie und Landwirt- liches Angebot in der Region, das dank indivi- tergemeinden in Bulgarien und Japan, vermit- schaft ist für die wirtschaftliche Stabilität der dueller Mobilität und guten öffentlichen Ver- teln diese doch neue Impulse und Ideen, die Gemeinde unerlässlich, da sie sich gegenseitig kehrsverbindungen den Brienzern leicht zu- sich positiv auf unsere Gemeinde auswirken ergänzen und von einander profitieren können. gänglich ist. könnten.

Eine noch zu lösende Zukunftsaufgabe bildet die vermehrte Zusammenarbeit mit andern Ge- meinden der Region. Sie muss über die touris- tischen Anliegen hinausgehen und ausgedehnt werden. Mit gemeindeübergreifenden Mass- nahmen können bestimmte Aufgaben einfacher angegangen werden. Das wird sich auch finan- ziell günstig auswirken durch Einsparungen von Personal und Infrastrukturkosten sowie verein- fachten Verfahrensabläufen.

Damit, es wurde schon erwähnt, könnte sich die finanzielle Lage der Gemeinde etwas ent- spannen. Ein dringliches Schuldenproblem be- steht im Moment allerdings nicht, da die Ge- meindebehörden stets bemüht waren, auf In raumplanerischer Hinsicht steht Brienz gut da. Vorbildlich ist beispielsweise, dass das Seeufer von der Bachtalen bis zum Brunnen und Bottenbalm weitgehend öffentlich begehbar ist – im Gegensatz zu anderen Ufergemeinden, «Luxus» zu verzichten und nur unumgänglich wo häufig Ferienhäuser den Zugang zum Wasser verhindern. (Foto Hansueli Trachsel, Bremgarten BE).

368 Masse, Währungen und Gewichte1

Anhang

Masse 1 Berner Juchart (-e) = 40 000 Quadratfuss = 34.4 Aren Bis 1838 gab es zahllose Masse von lokaler Bedeutung. So wurden im 1 Berner Waldjuchart (-e) = 45 000 Quadratfuss = 38.7 Aren bernischen Staatsgebiet mehr als 12 verschiedene lokale Ellen verwen- det. Beim Fuss setzte sich hingegen eine Vereinheitlichung durch, der so Nach 1838: genannte Bernfuss. Nach 1838 versuchten verschiedene Kantone, so 1 Juchart (-e) = 40 000 Quadratfuss = 36 Aren auch Bern, auf dem Konkordatsweg eine Vereinheitlichung der Masse herzustellen und diese in Relation zum metrischen System zu setzen. Hohlmasse Dabei wurden die Namen der alten Masse beibehalten, sie wurden aber a) Getreide «Schweizermasse» genannt. Mit dem Bundesgesetz vom 3. Juli 1875 1 Bernmäss = 960 Kubikzoll = 14.0113 Liter wurden die heute gebräuchlichen Masse und Gewichte eingeführt. 1 Mütt = 12 Mäss = 48 Imi 1 Imi = 2 Achterli = 3.5 Liter Längenmasse 1 Achterli = 1.75 Liter a) Fuss (Bernfuss, auch Berner Schuh genannt) 1 Bernfuss = 12 Zoll = 29.3258 Zentimeter b) Flüssigkeiten 1 Zoll = 12 Linien 1 Landfass = 6 Saum 1 Bernklafter = 8 Bernfuss = 2.346 Meter 1 Saum = 4 Brenten = 100 Mass 1 Stunde = 18 000 Bernfuss = 5.278 Kilometer 1 Brente = 25 Mass 1 Mass = 1.6707 Liter Nach 1838: 1 Milchmass = 2.088 Liter 1 Schweizerfuss = 10 Zoll = 30 Zentimeter 1 Lagel (kleineres Fass) = ca. 30 – 50 Liter 1 Zoll = 10 Linien 1 Klafter = 6 Schweizerfuss = 1.8 Meter Nach 1838 für alle Flüssigkeiten gültig 1 Stunde = 16 000 Schweizerfuss = 4.8 Kilometer 1 Mass = 1.5 Liter b) Elle Holz 1 Berner Elle = 54.1712 Zentimeter 1 Klafter = 3 Ster = 3 Kubikmeter

Nach 1838: 1 Schweizer Elle = 60 Zentimeter ) 1 Es wurden mindestens diejenigen Währungen, Masse und Gewichte berücksichtigt, die im Buch vorkommen. Siehe dazu folgende Literatur: Schmocker Hans: Alte Flächenmasse Schriften lesen. Schulpraxis Zeitschrift des Bernischen Lehrervereins 4/1988, S. 34–35. Lory Martin: Das Geld im Leben der alten Berner, Bern 1979. S. 29. Dubler Anne-Marie: Die Flächenmasse wurden eher selten verwendet und spielten nur beim Klafter, in: [HLS] online Version http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14193.php. Vermessen von Liegenschaften eine Rolle. Kley Andreas: Bundesverfassung (BV) – Bund und Kantone, in: [HLS] online Version http://www.hls-dhs.ch/textes/d/DG9811-3-2.php. Schmutz Daniel, Zäch Benedikt: Gulden, in: [HLS] online Version http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13675.php. Für «Lagel» siehe: http://www.idiotikon.ch/Register/Bd_3/images/588.html

369 Währungen Kaufkraft In der alten Eidgenossenschaft waren je nach Kanton verschiedene in- 1794 kostete in Bern eine Mahlzeit mit einer Flasche Wein 7 ½ Batzen. und ausländische Münzsorten im Umlauf, weshalb man zum Rechnen 1803 bezahlte man in Steffisburg für ein Paar Schuhe 40 Batzen. zwei Systeme verwendete, das Pfund- und das Kronensystem. Ende des 1828 betrug der Taglohn eines Gärtners in Thun 12 Batzen. 18. Jahrhunderts kam noch das Frankensystem dazu. Mit der Bundes- verfassung von 1848 wurden das Münzwesen, die Masse und Gewichte schrittweise vereinheitlicht. Der heutige Schweizerfranken wurde im Jah- Gewichte re 1851 eingeführt und löste die drei alten Systeme ab. Pfunde sind unterteilt in Halbpfunde (250 Gramm) und Vierlig (125 Gramm). Für Edelmetalle, Salz, Seide und bei der Post wurde das Pariser Das Pfundsystem Markt-Gewicht verwendet (16/17 des Bernpfundes = 489.5 Gramm 1 Pfund = 20 Schilling = 240 Pfennige 1 Schilling = 12 Pfennige, auch Haller, 1 Pfund = 32 Lot = 520.10 Gramm Heller oder Denar genannt 1 Lot = 4 Quintli

Das Kronensystem Nach 1838: 1 Krone = 25 Batzen = 100 Kreuzer 1 Pfund = 500 Gramm 1 Batzen = 4 Kreuzer 1 kg = 2 Pfund = 1000 Gramm

Das Frankensystem Schweizerfranken, genannt Livre Suisse (Symbol «L») 1 L = 20 sols 1 sol = 12 deniers

Umrechnen Die drei Systeme standen untereinander in folgender Relation 1 Pfund = 7 ½ Batzen 1 Krone = 25 Batzen 1 Franken = 10 Batzen

Zusätzliche Münzen Zusätzlich waren u.a. auch Gulden, Thaler und Dublonen im Umflauf 1 Gulden = 15 Batzen 1 Thaler = 30 Batzen 1 Dublone = 160 Batzen

Im Staate Bern war der Batzen die wichtigste geprägte Münze und wurde deshalb als Richtwert verwendet.

370 Glossar – Worterklärungen

Anhang

Aarboden, der (auch Aareboden) Der in den Brienzersee mündende Bauernkrieg 1653 Bewaffneter Aufstand der durch den Preiszerfall Teil des Aaretales. S. 12, 13, 34 f., 37, 37, 41 f., 44, 50 f., 207, 292 nach dem 30-jährigen Krieg und harte Steuer- und Münzmassnah- men ihrer Regierungen erbitterten Bauern in den Städteorten Luzern, Allod, das Im Mittelalter der persönliche Besitz, das Familienerbgut, Bern und Basel. Von den Regierungen blutig niedergeschlagen und über das ein Adeliger frei verfügen konnte; im Gegensatz zu Lehens- hart bestraft. S. 189 f., 192, 198, 200 gut. S. 73 Beau-Rivage-Brücke Strassen- und Bahnbrücke über die Aare bei Altarsakrament, das Im Gottesdienst die Feier und Ausgabe des deren Austritt aus dem Brienzersee. S. 282 Abendmahls. S. 84 Berchtold V. von Zähringen Gründer der Stadt Bern; letzter Zähringer Änderberg (s. auch Brienzerberg) Die südseits des Sees, dem Dorf Herzog, † 1218. S. 74, 312 Brienz gegenüber liegende, stark bewaldete Bergflanke mit Vorsas­ sen und Alpen. S. 43 f., 65, 73 Bergschaft, die Genossenschaftlicher Zusammenschluss zur Bewirt- schaftung der Alpweiden. S. 137, 140 (Planalp), 326 (Axalp) Aquatinta, die Eine Tiefdrucktechnik wie Stich und Radierung, bei der die zu druckende Kupfer- oder Zinkplatte mit Harz-, Kolophonium- Bettelordnungen Mandate (Gesetze) der Berner Regierung 1571, 1676, oder Asphaltstaub bestäubt, erhitzt und geätzt wird. S. 100, 344 f. 1678 und 1680 gegen den Bettel. S. 120, 124, 189

Assimilationskraft («Angleichungskraft»). Gemeint ist hier die Kraft un- Biscaya Bucht des Atlantischen Ozeans zwischen der Nordküste Spa­ serer Mundart, sich gegenüber andern, zugewanderten Mundarten niens und der Westküste Frankreichs. S. 47 zu behaupten. S. 333 Bistum Konstanz Lange Zeit grösstes Bistum Deutschlands und der Ausrüstungs- und Trüllmusterung Zur Zeit der gnädigen Herren peri- Schweiz. Es reichte vom Neckar bis an die Alpen und umfasste einen odische Inspektion der wehrfähigen Brienzer, ihrer Waffen und Aus- grossen Teil der deutschen Schweiz. 1821 aufgelöst, sein Gebiet in rüstung und Drillübungen auf dem Musterplatz oben am See. S. 209 der Schweiz den Bistümern Basel und Chur zugeteilt. S. 253

Balalaika, die Russisches Musikinstrument aus Holz, mit drei Saiten. Bodenzinsurbar, das Altes Verzeichnis der Besitzverhältnisse und der S. 156 Bodenzinse, «Grundbuch». S. 326

Balneologie, die Bäderkunde, erklärt in Bädern anwendbare Heilme- Boeing US-amerikanische Flugzeug- und Raketenhersteller-Firma. S. 131 thoden. S. 321 Brienzerberg, der (s. auch Änderberg) Die Vorsassen und Alpen Barbarossa («Rotbart»). Deutscher Kaiser Friedrich I., † 1190, zog mit in der Gemeinde Brienz auf der Südseite von See und Tal. S. 13, 39, dem 3. Kreuzzug (1189 – 92) ins heilige Land. S. 74 328

371 Bullinger Heinrich Schweizer Reformator, † 1575, Nachfolger Zwinglis Deutsch-österreichischer Krieg Im Deutschen Bund bricht 1866 in Zürich. S. 86 Krieg aus zwischen den führenden Staaten Österreich und Preussen. Preussen siegt, Österreich trennt sich vom Bund. Bismarck gründet Burgstollen, der Felshügel nahe dem See am westlichen Dorfrand von den Norddeutschen Bund. S. 316 Brienz, auf dem einst der Burgturm der Freiherren stand und auf dem seit neun Jahrhunderten die Kirche steht. S. 57, 68, 74, 84, 90, 207, Disputation, die Streitgespräch, hier Glaubensgespräch, Diskussion 253, 255, 257, 343, 348 von Glaubensfragen. S. 84, 86

C-14-Datierung, die Radiokohlenstoffdatierung. Ein Verfahren, mit dem Docke, die Hier: Gedrehte Säulen an der Brüstung der Vorlaube. S. 220 Archäologen das Alter von kohlenstoffhaltigen, organischen Fund­ gegenständen bestimmen. S. 70 Ehegöummer, Eegäumer, der Geheimer, durch das Chorgericht er- nannter Aufpasser und Zuträger. S. 90, 97 Chorgericht, das Nach der Reformation durch die Regierung Berns 1528 in der Stadt und 1529 auch auf dem Land eingeführte Ehe- und Eiszeit, kleine, die Klimaperioden mit langen, kalten Wintern und kur- Sittengerichte. S. 90 –102, 113 f., 116, 118 f., 122 –124, 177 f., 183, zen, regnerischen Sommern, u.a. 1675 –1715, mit Höhepunkt zwi- 191 f., 194, 197, 199 f., 258, 262 schen Mitte der 1680er Jahre und 1701. S. 179, 181, 184

Concierge, der, die Er/Sie überwacht in Hotels gehobener Klasse den Elefantenzaun, der Am Trachtbach unterhalb Rauenhag rechtsseitige Gastbetrieb und die Angestellten und nimmt sich der Gäste an. Schutzwand aus starken Pfosten. S. 58 S. 151, 320 Elektrotherapie, die Anwendung von elektrischem Strom zu Heil­ Consulta, die So nannte Napoleon die Beratungen, zu denen er 1802 zwecken, z.B. bei Nerven- und Muskelkrankheiten. S. 322 Abgeordnete der sich streitenden Parteien Helvetiens nach Paris be- rief. S. 109 Executionstruppen, die Truppen, welche die Regierung säumigen Gemeinden als Strafe für unbezahlte Steuern und Abgaben zur Ein- Dealer, der Händler, auch Drogenhändler. S. 101 quartierung auferlegte. S. 106, 108.

Dekanat, das Von einem Dekan geleitete Gruppe zusammengeschlos- Februarrevolution Im Februar 1848 stürzten Bürger und Arbeiter in sener Pfarreien im Bistum. S. 253 Paris den «Bürgerkönig» Louis Philippe und riefen die Republik aus. Dies bewirkte Revolutionen und stärkte Erneuerungsbestrebungen Dendrochronologie, die Altersbestimmung vorgeschichtlicher Fund- in mehreren Staaten Europas; in der Schweiz Sonderbundskrieg stellen anhand der Jahrringe von darin befindlichem Holz. S. 70 1847 und Bundesstaat 1848. S. 351

Fisel, der (Mundart): Bohnen. S. 221, 336 Deutsch-französischer Krieg Im Zwist um die spanische Thronfolge erklärt Frankreich dem Norddeutschen Bund 1870 den Krieg. Die ver- Flecke, die Hölzerner, waagrechter Wandbalken beim Blockbau. S. 215 einigten deutschen Heere siegen und ziehen 1871 in Paris ein. Grün- dung des 2. deutschen Reichs. Kaiser Wilhelm I. S. 39 f., 287, 316 Freier Bauer Er besass eigenen Boden und war berechtigt, in seiner Bäuert oder Gemeinde mitzubestimmen, im Gegensatz zu Hörigen oder Leibeigenen. S. 73, 75, 193

372 Freiherr, der Angehöriger des niederen Adels. Der Titel wurde bei stan- Gewaltentrennung Die Trennung der Staatsgewalt in einem demo­- desgemässer Ehe auf die Nachkommen vererbt. Weiblicher Titel: kra­tischen Staat zum Schutz des Bürgers in drei voneinander unab- Freifrau, Freiin. S. 73 – 81, 87, 194, 198, 253 hängige Gewalten: Gesetzgebende (Volksvertretung, Parlament), voll- ziehende, verwaltende (Regierung) und richterliche (Gerichte) Staats- Furt, die Seichte, durchwatbare Stelle an einem Bach oder Fluss. Am gewalt. S. 109 Trachtbach: Strassendamm mit Wasserdurchlass. S. 58 Gnadenstuhl, der Bildliche Darstellung der Dreieinigkeit Gottes: Gott Gambe, die Viola da gamba, «Knie- oder Schossgeige»; Streichinstru- Vater mit dem gekreuzigten Christus auf dem Schoss und mit dem ment mit 5 –7 Saiten, wird zum Spielen zwischen den Beinen gehal- über seinem Haupt schwebenden Heiligen Geist als Taube. S. 254 ten oder auf dem Schoss abgestellt, wobei der Hals des Instruments nach oben ragt. S. 156, 158 Gnädige Herren, die So wurde die patrizische Regierung Berns vor dem Untergang der Alten Eidgenossenschaft 1798 genannt. S. 17, Gambe, die Von Sportfischern benütztes Fanggerät aus mehreren 34, 88 f., 101, 103, 108, 122, 148, 190, 198, 254, 260, 264 Haken und Schnüren. S. 17 Goten, die Ostgermanisches Volk, das im 2. Jahrhundert aus seiner Gasteren, die Lagerstätte des Älplers auf dem Zwischenboden über der Heimat an der Weichsel aufbrach und während fast fünf Jahrhunder- Küche oder dem Stall. S. 67, 138 ten ans Schwarze Meer, mit längeren Unterbrüchen nach Kleinasien, durch die Balkanländer nach Italien zog, wo es um 500 ein Gotenreich Gemeine Herrschaften Bis 1798 von mehreren eidgenössischen Orten gründete. Durch Frankreich gelangten Goten nach Spanien, wo sie im Zweijahresturnus verwaltete Gebiete der alten Eidgenossenschaft 711 den Arabern unterlagen. S. 68 (Baden, Vogteien im Tessin, Thurgau u.a.) S. 103 f. Gotteshausleute, die Untertanen des Klosters Interlaken, meist unfreie Genisst, die Niederkunft, Geburt. S. 94 Bauern, Handwerker und Händler. S. 76 f., 79, 81 f., 87 f.

Geburtenüberschuss, der Wenn die Zahl der Geburten, beispielswei- Gwätt, das Eckverbindung der waagrechten Wandbalken am Blockbau. se in einer Gemeinde, die Zahl der Todesfälle übertrifft, nimmt die S. 205, 213, 215 f., 218 f., 221 Bevölkerung dort zu. S. 179

Geomorphologie, die Der Geomorphologe erforscht und beschreibt, Hacker, Hackermann, der Im Winter einst häufig auftretende Schrun- wie die Oberfläche der Erde (Gebirge, Wüsten, Gewässer …) durch den an den Händen, verursacht durch Kälte und Nässe. S. 160 äussere Kräfte (Wasser, Hitze, Kälte, Schwerkraft …) gestaltet wird. S. 58 Hallstatt-Kultur, die Ältere Eisenzeit, etwa 750 – 450 v. Chr. in West- Gerichtssäss, der Richter des örtlichen, weltlichen Gerichts, im Gegen- und Mitteleuropa und den Alpenländern. S. 66 satz zu Chorrichter, Mitglied des kirchlichen Gerichts. S. l04, 194, 197, 199 f. Hauszeichen, das Hauszeichen werden an Gebäuden, an Werkzeug und Gebrauchsgegenständen aufgemalt, eingeschnitten oder einge- ritzt, um diese als Eigentum zu kennzeichnen. S. 186

373 Herrschaftsleute, die Bewohner der Freiherrschaft, Untertanen des Katechismus, der Lehrbuch der christlichen Kirchen, das in Fragen und Freiherrn. S. 78 f., 81 Antworten deren Glaubenslehre erläutert. Der Katechismus war einst ein wichtiges Lehrmittel der Volksschule. S. 93, 258, 262 Hintersassen, die Einst Einwohner minderen Rechts einer Gemeinde, oft Zugezogene, ohne Grundbesitz und ohne Anrecht auf Mitsprache Ketzer, der («Andersgläubiger»), Anhänger einer Irrlehre. So nannten in Gemeindeangelegenheiten und am Gemeindenutzen. S.123 –125, nach der Reformation Katholiken die Reformierten und umgekehrt. 183, 193, 195 S. 86

Holzbeden, die (Mundart, «Holzböden»). Hohe Schuhe aus grobem Kilchhöre, die Kirchgemeinde. S. 91, 98, 122, 124, 176 Leder mit dicker Holzsohle. S. 160, 166 Kilchmeier, der In der Kirchgemeinde Verwalter des Kirchenguts. S. 92, Homepage, die «Heimseite», auch Leitseite, Einstiegseite oder Frontsei- 198 f. te, bezeichnet die Seite eines Auftritts im Internet, die als zentraler Dreh- und Angelpunkt angelegt ist. Beispiel: Homepage der Gemein- Kirchensatz, der Das Recht, in einer Kirchgemeinde bei der Wahl von de Brienz: www.brienz.ch. S. 275, 328 Pfarrern und Kirchendienern mitzubestimmen und Pfründen (Kir- chensteuern) zu beziehen. S. 74 f., 188 Hörige, die («Halbfreie»). Zwischenstufe zwischen Freiheit und Leibei- genschaft. Hörige konnten bewegliches Eigentum, aber keinen Kirchsprengel, der Das Gebiet der Kirchgemeinde. S. 253 Grundbesitz erwerben. Sie bearbeiteten Boden ihres Grundherrn (Freiherr, Kloster), leisteten diesem Abgaben (Zehnten) und Fron- konsultativ Beratend, im Sinne eines Vorschlags. S. 56 dienste und unterstanden dessen Gericht. S. 73, 75 Krokett Croquet, englisches Rasenspiel für zwei Parteien, ähnlich wie Hydrotherapie, die Behandlung von Krankheiten mit Wasser: kalte und Golf mit Schläger und Holzkugel. S. 318 warme Bäder, Wickel, Abreibungen usw. S. 321 Kuhrechte, die Eine Alp zählt so viele Kuhrechte, wie sie Kühe den Integrative Schulung, die Spezielle Förderung von Kindern und Sommer über zu ernähren vermag, und deren Anzahl im Seybuch Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen (heilpädagogische Un- festgelegt ist. Jeder Alpgenosse kann die Alp im Sommer mit so viel terstützung oder Sonderklasse bei Lernschwierigkeiten, zusätzliche Vieh belegen, wie er Kuhrechte besitzt. Diese Rechte sind käuflich Lernförderung bei besonderer Begabung). S. 275 f. und erblich. S. 137 f., 326

Internetplattform, die; Internetportal, das Seiten und Treffpunkte im Kundschaft, die Im Ringgenbergerhandel 1382 und bei andern Hän- Internet, wo Informationen thematisch vernetzt dargestellt, gesucht deln Zeugenaussagen, die im «Kundschaftsrodel» festgehalten wur- und ausgetauscht werden können. S. 167, 275 den. S. 78, 83, 188, 197

Jucharte, die Flächenmass: 36 Aren oder 3600 m2. S. 36, 38, 40, 42 Labkäse, der Beim Käsen wird die erwärmte Milch durch Lab, ein En- zym des Kälbermagens, zum Gerinnen und Eindicken gebracht. S. 72 Justinger Konrad Bernischer Stadtschreiber und Chronist, 1370 –1438. S. 76 f. Lagel, der Altes Flüssigkeitsmass, 30 – 50 Liter. Bezeichnung für ein klei- nes, zum Verlad auf Säumersattel geeignetes Fass. S. 83, 292

374 Läger, das Auf der Alp vom Vieh zum Ausruhen und Wiederkäuen be- multimedial Über verschiedene Medien tätig. S. 167 f., 170 vorzugter Platz; auch Umgebung der Hütten und Ställe, mit über- düngtem Boden und typischer Lägerflora. S. 136, 140 Munizipalität, die Während der Helvetik 1798 –1803 Bezeichnung für Gemeinde. Die Munizipalität Brienz umfasste das Gebiet der Kirchge- Lehen, Lehenrecht, das Landesherren, Fürsten und Grundbesitzer meinde. S. 105 –109, 119, 125, 293 vergaben einst Teile ihrer Ländereien als meist erbliches Lehen und verpflichteten ihre Lehensträger damit zu Gefolgschaft, Kriegs- und Mure, die; Murgang, der Durch starken Regen am Abhang sich lösen- Hofdienst. S. 73 f., 76, 78 f., 81 de und talwärts fliessende durchnässte Erd- und Geschiebemasse. S. 22, 24, 28 f., 32, 58, 302, 356 Lehrerbrücke, die Brücke über den Trachtbach oberhalb des Lehrer- hauses. S. 58 Mutschler, der Manuell gepresster, weicher Bergkäse aus unserer Ge- gend in Laiben von 500 g bis maximal 5 kg. S. 142, 164 Leutpriester, der Katholischer Geistlicher, der den eigentlichen Inhaber einer Pfarrstelle vertrat und die Gemeinde als Pfarrer betreute. Die in Neandertaler, der Während der letzten Eiszeit in Europa, Asien und Brienz wirkenden Engelberger Mönche vertraten ihr Kloster. S. 75, 84, Afrika lebender, ausgestorbener Menschentyp, genannt nach dem 86 f., 253 ersten Fund im Neandertal bei Düsseldorf. S. 65, 69

Mandat, das Erlass, Bekanntmachung der alten Berner Regierung, Neolithikum, das Jungsteinzeit, ca. 5000 –1800 v. Chr. Verfeinerte durch die Pfarrer von der Kanzel verlesen. S. 84 f., 86, 9f., 100, 102, Steinbearbeitung, Töpferei, Ackerbau, Viehzucht. S. 69 259 f. Novizen, die Neu ins Kloster eingetretene, angehende Mönche und Mannlehen, das Kaiser, Könige und Landesfürsten verliehen einst Teile Nonnen. Sie haben eine mindestens einjährige Probezeit (Noviziat) zu ihres Gebiets an Untergebene mit der Bedingung, dass diese ihnen bestehen. S. 86 huldigen und mit der Mannschaft des Lehensgebiets Kriegsdienste leisten mussten. Hofstetten und Brienzwiler unterstanden als Mann­ Oberschweizer, der «Schweizer» und «Oberschweizer» wurden Bau- lehen ihren neuen Herren, leisteten diesen – nicht mehr dem Freiherrn ernknechte auf Gutsbetrieben in Nord- und Ostdeutschland genannt. – ihre Abgaben und waren diesen dienstpflichtig. S. 78 S. 130

Mattland, das Wiesland, das fast ausschliesslich gemäht wird, im Ge- Obmann, der Einst Gemeindevorsteher, Gemeindepräsident. S. 92, gensatz zu Weidland. S. 34 190, 197– 199

Mediation, die («Vermittlung»). Napoleon diktierte der Eidgenossen- Oekolampad Johann Hussgen, 1482–1531, Reformator Basels. S. 86 schaft 1803 in Paris nach dem Scheitern des Einheitsstaates Helveti- en eine neue Staatsform mit 19 Kantonen. S. 109, 261 Omnigraph, der Ursprünglich der Omnigraph (lat.-griech.), von Becker 1841 in London erfundene Maschine zur Erleichterung einer gleich- MGH Meine Gnädigen Herren, Anrede für die patrizische Regierung mässigen und korrekten Schrift auf dem lithographischen Stein. Hier: Berns vor 1798. S. 144 Name einer grafischen Unternehmung. S. 170

MMM AG Mountain Multi Media AG, Name der auf verschiedene, mehrheit- Die VII Orte Nach der Reformation die katholischen Orte Uri, Schwyz, lich digitale Medien ausgerichteten ehemaligen Gossweiler AG. S. 170 Unterwalden, Luzern, Zug, Freiburg und Wallis. S. 84

375 Panoptikum, das Sammlung von Sehenswürdigkeiten und Kuriositäten; Regeneration, die Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen einst am Briensermärt Marktzelt mit Sehenswürdigkeiten aus aller konservativen (VII Orte) und neugesinnten Kantonen kam es 1847 Welt. S. 165 zum Sonderbundskrieg und nach dem Sieg von Dufours Armee zur Schaffung des Schweizerischen Bundesstaates und dessen Weiter- Patrizier, die Im alten Bern die städtische Oberschicht, die Angehörigen entwicklung. S. 125, 261 der allein rats- und regierungsfähigen Familien. S. 35, 103, 254 Reichsvogtei, die Als Reichsvogtei galt die Freiherrschaft Ringgenberg Patrizierorte, die In der alten Eidgenossenschaft die Städteorte (Kanto- als dem Kaiser direkt unterstelltes Gebiet des Deutschen Reichs, ne) Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn, die durch Patrizier regiert ohne weiteren Oberherrn. S. 74 wurden, im Gegensatz zu den Zunftorten Basel, Zürich, Schaffhau- sen und St. Gallen. S. 103 Requisition, die Inbesitznahme von Privateigentum durch den Staat und seine Behörde, teils auch mit Gewalt und ohne Rechtsentscheid. Patronatsrecht, das Das Kloster wurde Patronin der Kirche, durfte die S. 105, 107 Pfarrer bestimmen, das Kirchengut verwalten, erhielt einen Ehrenplatz in der Kirche; es musste Kirche und Pfarrhaus unterhalten. S. 74, 275 Restauration, die Nach dem Sturz Napoleons und dem Wienerkon- gress der Siegermächte 1814/15 wurden in Europa viele Errungen- 3. Pfennig Ursprünglich Abgabe eines Drittels des landwirtschaftlichen schaften der Französischen Revolution (Volksrechte, Freiheiten) wie- Ertrags eines Gutshofs an den Grundherrn, dann Bezeichnung für der rückgängig gemacht. S. 121, 125, 261, 310 verschiedene Abgaben und Steuern. S. 81 reuten, Reuti Aus Waldgebiet durch Fällen und Entwurzeln Nutzland Pfette, die Im geneigten Dach die in Firstrichtung liegenden waagrech- gewinnen. Durch Reuten gewonnener Bereich. S. 68 ten Balken (Firstpfette, Seitenpfetten), auf denen die Dachsparren oder Dachlatten ruhen. S. 214, 221, 225 Rez-de-Chaussée, das Erdgeschoss. S. 318

Pfründe, die Kirchliches Amt und das dessen Inhabern zustehende Ein- Sakrament, das Gottesdienstliche Handlung. Die katholische Kirche kommen. S. 85 f. kennt 7 Sakramente, von denen die reformierte Kirche nur noch Taufe und Abendmahl beibehielt. S. 84, 176 Propst, der; Propstei, die Kirchlicher Vorgesetzter, hier der Abt des Klosters Interlaken. Propstei: Kloster oder kirchlicher Bezirk eines Salpetergräber, der; Salpetersieder, der Salpetergräber gruben den Propsts. S. 74–76, 78, 81, 85 – 89, 253 Boden von Viehställen auf, um den Salpeter, der sich dort aus Kalk, nitrathaltigen Exkrementen und Urin gebildet hatte, durch Sieden zu Radierung, die Eine Zeichnung wird mit der Radiernadel in den säure- gewinnen. Salpeter diente zur Herstellung von Schiess- und Schwarz- festen Belag auf einer Kupfer- oder Zinkplatte eingeritzt. Bei der pulver. S. 116 Ätzung gräbt die Säure die geritzte Zeichnung in die Platte, die gerei- nigt und druckfertig gemacht wird. S. 34, 145, 314, 343 – 346, 348 Sauermilchkäse, der Aus Sauermilch, ohne Zusatz von Lab, gewonne- ner Käse. S. 72 Reformation, die Die durch Martin Luthers Thesen 1517 unabsichtlich ausgelöste Spaltung der alten christlichen Kirche und Bildung der Säumer, Säumerei Transporteur, der mit Pferd, Maulesel oder Maultier vom Papst unabhängigen lutherischen, evangelischen und reformier- seine Waren über Saumpfade und Pässe führt. S. 80, 106, 145, 292 ten Kirchen. S. 84, 86, 91– 93, 137, 189 f., 198, 253 – 255, 260

376 Schnitzlerweg, der Nach dem Lawinenwinter 1998/99 am Weg Axalp- Sondage, die Ausgrabung, Untersuchung einer archäologischen Fund- Hinterburgsee aus noch stehenden Baumstrünken von Schnitzlern stelle. S. 70 f. gestaltete Skulpturen. S. 330 Sonderbundskrieg 1847 Die konservativen VII Orte der alten Eidgenos- Schwellenkorporation, die Die Schwellenkorporation überwacht den senschaft schlossen 1845 gegen liberale Bestrebungen der Mehrheit Zustand der Wildbäche und anderer Gewässer beidseits des Tales in der Tagsatzung ein «Schutzbündnis». Die Tagsatzung beschloss und unterhält und baut deren Schalen und Schutzbauten aus. S. 58 1847 die Auflösung dieses Sonderbunds, was General Dufour in einem kurzen, schonungsvollen Feldzug gelang. S. 109 schwenden; Schwendi Aus Wald durch Entrinden und nachherigem Abbrennen des verdorrten Gehölzes gewonnenes Land. S. 68, 76, Spez. Sekundarschule, die Abteilung der Sekundarschule, die ihre 136, 196 Schüler auf weiterführende Mittelschulen (Gymnasium, Fachmittel- schule) vorbereitet. S. 275 Sgraffitto-Technik, die Wandschmuck-Technik, bei der auf eine Wand- fläche verschiedenfarbige Putzschichten aufgetragen werden, in die SRG, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft. S. 170 der Handwerker Ornamente und Figuren bis zur Tiefe der gewünsch- ten Farbschicht kratzt und schabt. S. 256 Stakete, die Hier: Gedrechselte Stäbe im Geländer der Vorlaube (Bal- kon). S. 220 Scriba, der Schreiber, hier der Pfarrer als Sekretär des Chorgerichts. S. 91 Staatsstreich, der Gegen die geltende Staatsverfassung gerichteter Umsturz durch hohe Amtsträger oder Militär. S. 109 Sekundärnetz, das Ein Elektrizitätsnetz (wie unser Gemeindenetz), das Strom aus dem Primärnetz eines Elektrizitätswerks (wie EW Reichen- Statthalter, der Vertreter der Obrigkeit in einem Bezirk oder einer Kirch- bach) übernimmt und mit Transformatoren auf die Gebrauchsspan- gemeinde. S. 36, 45, 74, 85, 90 f., 92, 97, 100, 104 –106, 108 f., 123, nung reduziert. S. 243, 245 175, 188, 191 f., 197, 198 f., 293

Seybuch, das Im Seybuch einer Alp ist bestimmt, mit wie vielen Kuh- Stichbalken, der Im Blockbau: Ein Balken, der die Flecken der Haus- rechten sie geseyt ist, das heisst, mit wie viel Vieh sie im Sommer wand «durchsticht» und aus ihr hervor ragt. S 213, 219 f. bestossen werden darf. Die Genossenschafter sind namentlich und mit ihren Anteilen (Anzahl Kuhrechte) aufgeführt. S. 137 f., 326 Strassengenossenschaft Brienzerberg, die Gegründet 1922, er- schloss diese Genossenschaft in den folgenden Jahren die Axalp mit Skihaus Axalp, das Vom Skiklub Axalp 1936 auf 1470 m Höhe erbau- einer Strasse. 1952 und 1987 übernahm die Gemeinde den Haupt­ tes, mehrmals erweitertes Skihaus, das vom Klub auch vermietet strang zu Eigentum und Unterhalt. S. 328 wird. S. 328 Suppenanstalt, die; Suppenhaus, das Im Winter 1846/47 begann die Skihütte am Schiberg, die Aus einer alten Alphütte auf 1560 m Höhe Gemeinde Brienz, an Arme Suppe abzugeben. Im Suppenhaus an schuf der Skiklub Brienz seit 1919 durch wesentliche Um- und Aus- der Oberdorfstrasse wird noch jetzt im Winter jeden Samstag würzige bauten seine heutige Skihütte. Auch sie wird vermietet. S. 328 Suppenhaus-Suppe preisgünstig verkauft. S. 123, 133

Software, die Sammelbegriff für die Programme, die zur elektronischen Betriebsabwicklung im Computer dienen. S. 170

377 Sust, die Warenumladeplatz vom Schiff auf Wagen und umgekehrt mit VTB Vereinigte Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Thuner- und Brien- Lagerhaus, hier zuerst oben am See, dann zu Tracht. S. 78, 208, 285, zersee. S. 286 f., 315 f. 292, 295 Wiener Kongress, der Versammlung der Vertreter aller europäischen Tagsatzung, die In der alten Eidgenossenschaft Versammlung der Ge- Staaten 1814/1815 in Wien, um Europa nach dem Sturz Napoleons sandten der XIII Orte (Kantone) und der Zugewandten zu Verhandlun- neu zu ordnen. Die Schweiz wurde als Staatenbund der 22 Kantone gen über gemeinsame Staatsgeschäfte. S. 79, 85, 124, 199 anerkannt und ihre Neutralität garantiert. S. 342

Turner, der Galgenförmiger Balken in der Küche der Alphütte, an dem Wildheumäder, die Hochgelegene, steile Berghänge, die dem Vieh das Käskessi über das Feuer geschwenkt wird. S. 67, 70, 138, 143 nicht zugänglich waren und deren Heu der Älpler mähte und oft müh- sam einbrachte. S. 11, 15, 22, 27, 135, 140, Ukulele, die Mandolinenartiges Zupfinstrument mit birnenförmigem Kör- per und 4 Saiten. S. 156 Zehnt, der Einst Abgabe eines Zehntels des landwirtschaftlichen Er- trags eines Bauernbetriebs, dann Bezeichnung auch für andere Ab- Urfehde, die Im Mittelalter konnten Missetäter in Gefangenschaft ihre gaben an den Grundherrn (Freiherr, Kloster, Kirche). S. 76, 79, 81, 84 Freilassung erwirken, wenn sie sich eidlich gegenüber dem Gericht verpflichteten, auf weitere Vergehen und Rache zu verzichten. S. 82 Zentner, der Handelsgewicht. Ursprünglich 100 Pfund = 50 kg, heute 100 kg. S. 87, 118, 292 Übermurung, die Verschüttung mit Schlamm und Schutt einer Mure. S. 24 Zollhaus, das Einst Schiffländte, Zollstätte und Warenumladeplatz an der Aare bei deren Ausmündung aus dem Brienzersee. S. 104, 282, Vadian Joachim von Watt, 1483 –1551, St. Galler Humanist und Refor- 288, 307 mator. S. 86 Zugewandte Orte, die Städte und Gebiete, die mit der Alten Eidgenos- Vasall, der Lehensmann, der seinem Herrn Untergebene, im Gegensatz senschaft oder Teilen derselben verbündet waren, und die zusam- zum Freien. S. 75 men mit diesen und den Untertanengebieten bis 1798 die Alte Eidge- nossenschaft bildeten, z.B. Graubünden, Wallis, Genf, Neuenburg, VBS Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungs- Mülhausen. S. 104 schutz und Sport. S. 170

Verenatag, der 1. September. S. 163

Vitus und Modest Zwei Heilige. An ihrem Namenstag, dem 15. Juni 1523 erliess die Berner Regierung ihr erstes Glaubensmandat. S. 85

Volle, die; Volli, das Im Alpbetrieb grosser hölzerner Trichter. S. 136

Votivbeilchen, das Kleines Beil als Opfergabe zum Schutz gegen Gefahren. S. 66

378 Personenregister

Anhang

an der Fuhren Peter, Bäcker (um 1642) S. 100 Bieri Bernhard H., Admiral (1889 –1971) S. 129, Mit Ausnahme von den in den Familienchroniken aufge- führten Personen erscheinen in diesem Verzeichnis an der Hupplon Rudolf (um 1303) S. 186 130 grundsätzlich alle von S. 9–362 aufgeführten Personen. Anderegg Walter (um 1970) S. 329 Bieri Fritz, Brienz, Bäcker (um 1925) S. 327 Nicht eindeutig identifizierbare Personen mit gleichem Vor- und Nachnamen können vielleicht mehrmals er- Andreoli Andrea (um 2005) S. 58 Bieri Peter, Hotelier (um 1970) S. 328, 329 scheinen. Vereinzelt ist der Wohnort beigefügt, wenn er Andres Dora, Regierungsrätin (um 2005) S. 53 Binder Eduard, Fabrikant (um 1898) S. 151, 242, in der verwendeten Unterlage angegeben ist. Die Anga- be von Berufen (Bäcker, Maler usw.) haben wir soweit Anker Albert, Kunstmaler (1831–1910) S. 259 245 wie möglich beigefügt. Da und dort finden sich diesbe- Auchli Hugo, Lehrer S. 156, 157 Birmann Peter, Kunstmaler (1758 –1844) S. 343 zügliche Angaben auch auf den angegebenen Seiten. Wo die Zeit des geschichtlichen Auftritts einer Person Babst Samuel, Pfarrer (um 1674) S. 177, 180, 189 Birmann Samuel, Kunstmaler (1793–1847) S. 346 ermittelt werden konnte, ist der entsprechende Zeitraum Bäler Marien (um 1590) S. 101 Blatter Anna, Lehrerin (um 1868) S. 266 aufgeführt. Balmer Adelian, Baumeister (um 1640) S. 216, 217 Blattner, Dr., Techniker, Burgdorf (um 1908) Balmer Caspar (um 1615) S. 99 S. 243 –245 ab Egglen Cuntz, Flösser (um 1429) S. 190 Balmer Elsi, Hehlerin (um 1674) S. 258 Bleuler Johann Ludwig (1792–1850) S. 346, 348 ab Egglon P. (um 1303) S. 75 Banwart Ludi (um 1587) S. 96 Blum Madlen (um 1589) S. 99 ab Planalp Melcher (um 1616) S. 97 Barbarossa, d. Kaiser (1152–1193) S. 74 Boner Ulrich (um 1351) S. 78 Ab Planalp Uly (um 1528) S. 189 Barnard George, Kunstmaler S. 311 Boss Hans, Zimmermeister (um 1644) S. 217, 218 Abbühl Bürkli (um 1492) S. 191 Bartlett William Henry, Kunstmaler S. 347, 348 Bosshard-Steiner, Baufirma (um 1914) S. 232 Abegglen. Ammann (um 1528) S. 88, 89 Bartli Jakob (um 1617) S. 99 Bracher Alfred, Thun (um 1909) S. 242, 243 Aberli Johann Ludwig, Kunstmaler (1723-1786) Baumann Andreas, Schnitzler (um 1860) S. 150 Bridel, Ingenieur (um 1854) S. 36, 38 S. 34, 343-348 Baumann Helene, Österreicherin (um 1947) S. 131 Brodwolf-Lieber Oliver S. 170 Abplanalp (um 1802) S. 109 Baumann und Kölliker, Firma in Zürich S. 244 Brügger Arnold, Notar (um 1854) S. 36–38 Abplanalp Fritz (um 1957) S. 241 Baumann-Blatter A., Lehrerin, Kienholz (um 1879) Brügger Arnold, Kunstmaler S. 127 Abplanalp Hans (um 1970) S. 329 S. 267 Brunner Melcher, Kirchmeyer (um 1710) S. 92 Abplanalp Jakob, Baumeister (um 1603) S. 217 Baumgartner Albert, Dr., Arzt, Ehrenbürger Brunner W., Kloten, Sonnenuhr (um 1976) S. 256 Abplanalp Johann, Schnitzler (um 1860) S. 150 (1874–1956) S. 120, 159, 295 Bühler, Arzt (um 1849 ) S. 119, 123 Abplanalp Peter (um 1846) S. 128 Baumgartner Heinrich, Pfarrer in Brienz (1872– Büler Margret, Wyler (um 1617) S. 98 Abplanalp, Familienchronik S. 189 1894) S. 120, 152, 254 Bullinger Heinrich, Reformator (1504–1575) Aebi, Ingenieur (um 1854) S. 36 Baumgartner-Hauser Rosa, Arztfrau (um 1952) S. 86 Affolter H.C. S. 217 S. 120 Bürchli Christen (um 1701) S. 96 Aguilera Christina, Weltstar (um 2008) S. 134 Baumgartner-Kuhn, Frau Pfarrer (um 1902) S. 255 Buri Ernst, S. 146, 199 Albrecht, König von Habsburg (um 1306) S. 75, 76 Behein Werner (um 1334) S. 75, 76 Buri Max, Kunstmaler (1868 –1915) S. 351–353 am Acher Caspars Frau, Wyler (um 1669) S. 119 Benzenberg Johann Friedrich (um 1910) S. 282 Bürki Barnabas, Engelberg (um 1528) S. 87, 88 Am Acher Paul, Ringgenberg S. 325 Berlepsch Hermann (um 1876) S. 307 Caesar G. J., römischer Kaiser (um 58 v.Chr.) am Acher Peter, Wyler (um 1588) S. 97 Bertschinger, Ingenieur (um 1900) S. 302 S. 67 Amacher Alfred, Gemeinderat (um 1955) S. 240 Bichsel Fr., Sekundarlehrer (um 1879) S. 267, Calame Alexandre, Kunstmaler (1810–1864) an dem Weg H. (um 1303) S. 189 268 S. 351

379 Casagrande Roland (um 2005) S. 50, 51, 53 Ernst Peter (um 2005) S. 51 Flück J. (um 1868) S. 127 Cattermole G., Kunstmaler S. 348 Ernst Willi (um 1970) S. 329 Flück Jakob (um 1854) S. 36 Colston Marianne, Kunstmalerin S. 313 Escher-Wyss, Zürich, Schiffbau (um 1857) S. 286 Flück Jakob, geb.1918, Wisconsin S. 130, 131 Courbe, Familie S. 189 Fankhauser F., Forstinspektor (nach 1922) S. 22 Flück Johann Peter (1902–1954) S. 356, 357, 358 Custor Joseph, Bäcker (um 1642) S. 100 Fankhauser Monika, (2008) S. 134 Flück Johann, Grossrat (um 1854, 1869 und Danner Peter (um 1693) S. 181 Federer Heinrich (1866 –1928) S. 57, 150 1870) S. 36, 151, 237 Dasen E. (nach 1922) S. 22 Ferretti-Müller Nicole (um 2008) S. 134 Flück Kaspar (um 2010) S. 169 Davinet, Hotelarchitekt (um 1873) S. 317 Finkel Johannes, Bogenwerkstätte, Schwanden Flück Kaspar, Schulmeister (um 1800) S. 262 de Meuron Maximilien, Kunstmaler (1785 –1868) S. 158 Flück Martin, Heraldiker S. 325 S. 349, 351 Finkel Marianne S. 158 Flück Paul, Dr. med. vet., Meiringen S. 161, 162 Dellenbach Johann (um 1798) S. 105 Fischer Christian (1789 –1848) S. 57, 148, 150, Flück Peter (um 1824) S. 23 Depuis Christian, Chirurgus, Naters (um 1689) 283, 314 Flück Peter d.J. (um 1879) S. 267 S. 176 Fischer Eva (um 1603) S. 99 Flück Peter, Gemeinderatspräsident, Grossrat, Diday François, Kunstmaler (1802–1877) S. 351 Fischer Hans (gest. 1731) S. 184 Nationalrat (um 2005 und 2009) S. 6, 50, 51, Dietrich Peter (um 1447) S. 82 Fischer Hans (um 1706) S. 102 53, 246, 325 Doman Hans (um 1590) S. 99 Fischer Hans (um 1709) S. 176 Flück Peter, Heraldiker (um 1943) S. 74 Döni Anna (um 1629) S. 96 Fischer Hans (um 1759) S. 218 Flück Peter, Lehrer (um 1879) S. 267 Döni Heini (um 1590) S. 199 Fischer Hans (um 1952) S. 120 Flück Peter, Piereller (um 1965) S. 328 Dönis Jaggi, Bestrafung (um 1674) S. 258 Fischer Hans, Gemeinderatspräsident (um 1950) Flück Rudolf (um 1911) S. 243 Dräyer Thomas, Germeindeschreiber S. 51 S. 120 Flück Ulrich, Weibel (um 1710) S. 92 Dubi Christian (um 1798) S. 104 Fischer Jacob (um 1590) S. 101 Flück Werner (um 2005) S. 53 Dunker Balthasar Anton (1746 –1807) S. 343 Fischer Johann (um 1798) S. 104 Flück, Familienchronik S. 191 Dünz Abraham, Kirchenbauer (um 1680) S. 254 Fischer Magdalena (um 1850) S. 119 Flück, Grossrat (um 1869) S. 237 Durrer Robert (1867–1934) S. 74 Fischer Melcher (um 1710) S. 102 Flück-Eggler Peter (1839 –1884) S. 326 Ebel, Reisebeschreibung (um 1900) S. 309 Fischer Peter (um 1682) S. 122 Flück-Hofer Elisabeth (um 1918) S. 130 Ebel, Reisebuch S. 282 Fischer Samuel S. 134 Flück-Schild Jakob, Orgeller Kebel (1902–1984) Eggenberg Alexandre S. 134 Fischer Therese (um 2005) S. 51 S. 191 Egger Kaspar, Wirt (um 1854) S. 36 Fischer Uli (um 1628) S. 96 Flück-Stähli Regula (um 1721) S. 191 Eggler (um 1920) S. 17 Fischer, Familienchronik S. 190 Flümann Caspar (um 1599) S. 101 Eggler Kaspar (um 1849) S. 294 Fischer, Statthalter Distrikt Brienz (um 1802) S. 293 Freudenberger Sigmund, Kunstmaler S. 139, 343 Eggler Peter, Sigrist (um 1641) S. 122 Fischer-Schilt Cathry, 13 Kinder (vor 1704) S. 184 Frey Erwin S. 323, 324 Eggler Ulrich, Schulmeister (um 1800) S. 262 Flick Peter (um 1768) S. 181 Frey-Fürst Fritz (um 1950) S. 323, 324 Eggler, Ab Egglen, Familienchronik S. 190 Flick-Roth Magdalena (um 1768) S. 181 Frutiger Christian, Architekt, Küsnacht (um 1953) Eggler, Gemeindeschreiber (um 1885) S. 238 Flück Barbara (um 1709) S. 176 S. 256 Eggli Lorenz (um 1608) S. 199 FIück Caspar, Lehrer und Organist (1755–1838) Frutiger Greti (um l672) S. 101 Egler Caspar (um 1616) S. 97 S. 191, 255 Frutiger, Familie S. 189 Egler Hans (um 1675) S. 177 Flück Christian (um 1800) S. 109 Fuchs (um 1802) S. 109 Egler Peter (um 1683) S. 178 Flück Edwin (um 1904) S. 129 Fuchs Caspar (um 1902) S. 128 Egli Hans (um 1976) S. 95, 99 Flück Elisabeth (um 1750) S. 178 Fuchs Christoph S. 134 Egli Hans Rudolf, Hist. Verein Bern S. 181 Flück Heinrich (um 1883) S. 129 Fuchs Ernst, Festschrift (um 1969) S. 267

380 Fuchs Hans (um 1710) S. 102 Grossmann Peter S. 152 Heinrich VII., König (um 1310) S. 76 Fuchs Willy (um 2005) S. 53, 54 Grossmann Peter, Unterstatthalter (um 1798) Heinrich VIII., König (um 1231) S. 74 Fuchs/Fuchser, Familienchronik S. 191 S. 105, 106 Heinrich, Abt, Engelberg (um 1212) S. 74, 188 Fuchser Caspar (um 1690) S. 181 Grossmann, Familienchronik S. 192 Hess Hans Jakob (um 1653) S. 189 Fuchser Hans (um 1492) S. 191 Grossmann, Techniker (um 1922) S. 295 Hiltbrand (um 1871) S. 24 Fuchser, Familie S. 189 Gruber Samuel Thüring, Pfarrer (um 1763 – Hirsch (um 1883} S. 124, 128 Furer Peter, Bäcker (um 1633) S. 100 1784) S. 113 –115, 122, 181 Hirsch Willi, Sek. Lehrer (um 1930) S. 271 Gafner, Volkwirtschaftsdirektor S. 156 Grunder Hans, Sek. Lehrer (um 1930) S. 268, Hirsch, Familie (um 1868) S. 124 Gander (um 1802) S. 109 271 Hirsch, Gemeinderat (um 1883) S. 238 Gander Adolf, Kunstmaler (1902–1954) S. 354 f. Grünig Wemer (um 2005) S. 53 Hochstrasser Barbara S. 53 Gander Berta, Lehrerin (um 1930) S. 271 Gudin, Brigadier (um 1799) S. 106 Hofmeister Rudolf, Schultheiss, Bern (um 1431) Gander Peter (um 1942) S. 19, 162 Gugger Hans, Dr. (1921–2006) S. 7, 8, 209, S. 80, 81, 82 Gatschet, Hauptmann (um 1798) S. 103 255, 256 Hohlenweger, Familie S. 189 Gercken P.W. (um 1780) S. 146 Gusset H. (um 1856) S. 136 Hollenweger (um 1802) S. 109 Gertz Hannes (um 1589) S. 99 Gusset, Familienchronik S. 192 Hösli Hans Rudolf, Leiter Geigenbauschule S. 157 Gfeller Margreth (um 1712) S. 102 Gusset-Fernegger Peter (um 1683) S. 192 Hösli Kaspar (um 2008) S. 134 Gilgien Paul, Lehrer (um 1930) S. 271 Gutscher Daniel, Dr., Kantonsarchäologe (um Hubschmid J., Professor, Dr. S. 146 Girardet Karl, Kunstmaler (1813 –1871) S. 114, 2005) S. 8, 69, 70 Hug Klara, Lehrerin (um 1930) S. 271 212, 349, 350 Gygax Max (1916 – 2007) S. 7, 11, 13, 19, 135, Huggler Albert, Lehrer (um 1897) S. 152, 153 Girardet Karl und Edouard (um 1848) S. 349, 352 147, 158, 206, 228, 258, 281, 342 Huggler Arnold (1894 –1988) S. 56 Gladbach Ernst, Professor ETH S. 211– 213, 222 Häberli, Kirchenbauer, Thun (um 1680) S. 254 Huggler Caspar, geb. 1806 (um 1830) S. 149 Glatthard Adrian, Fürsprecher, Notar S. 157 Hallbarter Hans, Zimmermeister (um 1561) S. 216 Huggler Caspar, Wyler S. 92 Glatthard Thomas (um 2006) S. 134 Haller Berchtold (um 1520) S. 84 Huggler Gustav S. 112 Gossweiler Fridolin (um 1907) S.170 Haller, Oberamtmann, Interlaken S. 312 Huggler Hans (um 1871) S. 24 Gossweiler Hans S. 170 Hamberger Johann Rudolf, Bern, Feuerwerker Huggler Hans, Lehrer (um 1897) S. 153 Gossweiler Herbert (um 2001) S. 170 (um 1863) S. 315 Huggler Hans, Architekt (um 1939/40) S.255 Gossweiler Margaretha (um 1907) S. 170 Hamberger, Familie, Kienholz (ab 1863) S. 289 Huggler Kaspar (um 1871) S. 24 Gossweiler Media S. 170 Hanselmann, Professor, Dr. S. 156, 158 Huggler Lukas S. 134 Gossweiler Urs S. 168 Hari Christen (um 1709) S. 124 Huggler Matthäus (um 1854) S. 36 Gossweiler, Familie S. 169, 170 Hauser Albert, Professor, Dr. S. 116, 11.7 Huggler Melcher S. 92 Gossweiler-Abegglen Beatrice (um 1993) S. 170 Hauser Karl, Besitzer Giessbach (um 1869) Huggler Peter (um 1871) S. 24 Graf-Michel Regina, Schulleiterin (um 2008) S. 316 – 322 Huggler Peter (um 1907) S. 242 S. 275 Hauser Rosa (um 1908) S. 120 Huggler, Familienchronik S. 192 Grossmann A. S. 244, 245 Hauser, Hotelier Giessbach S. 299 Huggler-Wyss Hans, Bildhauer S. 57, 149, 150, Grossmann Elisabeth (1800 –1858) S. 282 –285, Hefti Ed. (um 1870) S. 151 153, 255 345 Heger Bat, Bäcker (um 1633) S. 100 Hüninger Arnold (um 1374) S. 78 Grossmann Franz (um 1824) S. 23 Heger Beat (um 1646) S. 97 Huninger Ruof (um 1374) S. 78 Grossmann Hans Franz, Hauptmann (1761– Heger, Familie S. 189 Hunziker Jakob S. 212, 222 1821) S. 175 Hegner, Winterthur S. 346 Huwyler Edwin, Ballenberg (Jahrbuch 1996) Grossmann Heinrich S. 283 Heim, Professor, Dr. (um 1910) S. 28 S. 212, 225

381 im Baumgarten Bendicht, Obmann, Schwanden Klein Johann Adam, Kunstmaler (um 1844) S. 145 Masséna, General (um 1798) S. 105 (um 1710) S. 92 Knechtenhofer, Gebrüder, Thun (um 1835) Mathyer Hans (um 1799) S. 178 im Hofacker C. (um 1303) S. 75 S. 285, 286 Mathyer Johanna (um 1920) S. 120, 339, 340 im Sand Hans (um 1530) S. 89 Knöri Steffans Weib (um 1693) S. 181 Mathyer, Familienchronik S. 195 in der Swende Walther (um 1303) S. 186 Kolb Christian (um 1529) S. 88 Mathyer, Lampenist (um 1900) S. 242 Joneli Samuel, Boltigen (um 1798) S. 105 König Adolf, Geigenbauer (um 1943) S. 156 Matti David Gottlieb (um 1843) S. 285, 286, 314 Jörg, Pfarrer, Brienz (um 1528) S. 86, 87 König Franz Niklaus S. 148, 182, 258, 263, 282, Mätzener Mathilde, Lehrerin, Brienz (um 1930) Jost Hanns (um 1653) S. 189 309, 314 S. 271 Jühni Hans, Baumeister (um 1598) S. 217 Kuhn, Pfarrer, Sigriswi! (um 1800) S. 262 Mätzener Ruedi (um 2005) S. 58, 128 Kaden Woldemar, Schriftsteller (um 1880) S. 287 Kurt, Mechaniker, Brienz (um 1922) S. 295 Messerli Peter (um 2005) S. 51, 53, 246 Karl der Grosse, Kaiser (um 814) S. 175 Kuster P. (um 1911) S. 230 Mettler, Arzt (um 1838) S. 119 Kasthofer Albrecht, Forstmeister (1777–1853) Kuster Peter, Brienz (um 1894) S. 327 Michel Adolf (um 1970) S. 329 S. 15, 27, 140, 147, Kuster, Familienchronik S. 194 Michel Daniel (um 1798) S. 105 Kehrli Gebrüder (um 1870) S. 151 La Nicca, Ingenieur (um 1854) S. 36, 38, 298 Michel David, Krämer (vor 1697–1748) S. 175 Kehrli Hans, Schulmeister (um 1817) S. 309, Lämlin Matheus (um 1589) S. 99 Michel David, Schulmeister (um 1835) S. 264 310 – 315, 318 Langhans, Pfarrer, Hofwil (um 1830) S. 264 Michel F., Alpgenossenschaften S. 141 Kehrli Jakob, Lehrer (um 1854) S. 36, 264 Leuenberger Niclaus (um 1653) S. 189, 198, 199 Michel Hans (um 1660) S. 100 Kehrli Johann, Schulmeister (um 1635) S. 263 Liecht Johannes (um 1587) S. 96, 190 Michel Hans, Lehrer (1885 –1923) S. 268 Kehrli Josef (um 1715) S. 102 Linder Christen (um 1750) S. 178 Michel Hans, Nationalrat S. 302 Kehrli Margareta, erste Lehrerin in Brienz (um Linder Frida, Schülerin, Turnhalle S. 272 Michel J., Lehrer (um 1879) S. 267 1880) S. 265 –267 Linder Hans (um 2005) S. 51 Michel Johann S. 339 Kehrli, Familienchronik S. 193 Linder Hans, Familie (1665–1708) S. 178 Michel Kaspar (um 1846) S. 128 Kehrli, Lehrer (um 1818) S. 149, 346 Linder Ida (1876 –1961) S. 121 Michel Katharina, Musicstar 2009 S.133 Kehrli, Lehrer (um 1869) S. 237 Linder Viktor (1872–1965) S. 121 Michel Margaretha (um 1779) S. 176 Kehrli, Schulmeister S. 283, 286, 287 Linder, Familienchronik S. 195 Michel Maria (um 1707) S. 96 Keller Gottfried, Dichter (1819 –1890) S. 262 Lindner, Ingenieur S. 300, 302 Michel Mathäus, Klärwärter (ab 1969) S. 241 Kerli Josi, Bestrafung (um 1674) S. 258 Locher Emanuel (1761–1840) S. 282, 283, 345 Michel Mathäus und Michael (um 1795) S. 201 Kerli Leni (um 1616) S. 97 Loison, Brigadier (um 1799) S. 106 Michel Michael (um 1795) S. 201 Kerli Uolrich (um 1303) S. 189, 193 Lory Gabriel, Vater, Kunstmaler (1763–1840) Michel Peter (um 1798) S. 103 Kienholts Johannes (um 1303) S. 189, 193 S. 343 Michel Peter (um 1884) S. 128 Kienholz (um 1400) S. 29 Lüdi Joseph (um 1779) S. 176 Michel Peter, Gemeindepräsident (um 1854) S. 36 Kienholz Hans, Lehrer (um 1871 und ca. 1885) Luther Martin, Reformator (1483-1546) S. 84, 85 Michel Peter, Mitautor S. 91, 145, 325 S. 23, 152 Lüthi Ida (um 1616) S. 98 Michel Peter, Statthalter, Brienz (um 1710) S. 92 Kienholz Hans, Sek. Lehrer (um 1930) S. 271 Lüthi Kaspar, Arzt (um 1903) S. 120 Michel Peter, Zweilütschinen S. 285 Kienholz Ulrich (um 1855) S. 265 Lutz, Pfarrer, Gsteig (um 1800) S. 262 Michel, Amtsrichter (um 1872) S. 40 Kienholz, Familienchronik S. 193 Mäder Buchhandlung (um 1990) S. 44 Michel, Familienchronik S. 196, 201 Kirchhoff und Mumprecht, Unternehmer (um Mäder Melcher (um 1660) S. 100 Michel, Lampenist (um 1900) S. 242 1912) S. 244 Mäder Melchior, Obmann, Hofstetten S. 92 Michel, Munizipalitätspräsident (um 1802) S. 109 Kiser Christoph (um 2008) S. 134 Marmet, Familie S. 189 Michel-Eggler Johann, Lehrer (1847–1917) S. 326, Kissling (um 1910) S. 28, 29 Marx, Pfarrer, Brienz (um 1525) S. 85, 86 327, 328

382 Michel-Linder Bendicht (1765–1839) S. 201 Pettavel François, Neuenburg S. 283, 284 Schild Erich, Chronist S. 125, 126, 221 Ming Kathrin (um 2008) S. 134 Pfenninger Matthias (1739 –1813) S. 343, 348 Schild Hans (um 1847) S. 128 Moeri & Partner (um 2005) S. 56, 59 Pfister Christian, Professor, Bern S. 113, 181 Schild Hans S. 94 Monique, «Feuerwehrfrau» S. 246 Porter Ulli (um 1666) S. 101 Schild Hans, Gemeinderatspräsident (um 1947) Mühlethaler Rolf, Architekt (um 2009) S. 248 Pozzi Andrea, Ingenieur (um 2005) S. 58 S. 323 Müller Ad. (um 1924) S. 22 Pümpin, Ingenieur S. 299 Schild Hans, Sek. Lehrer (um 1930) S. 271 Müller Anna (um 1603) S. 99 Pundt Peter (um 1653) S. 189 Schild Heinz, Wyler, Sonnenuhrmacher (um 1976) Müller Barbara (um 2008) S. 134 Pundt, Familie S. 189 S. 256 Müller Hansruedi (um 2005) S. 53 Reding, General (um 1798) S. 106 Schild Helene S. 221, 339, 340 Müller Jacob, Meister (um 1675) S. 201 Rehazek André, Archäologe (um 2005) S. 70 Schild Johannes (um 1854) S. 36 Müller Jeannette (um 2008) S. 134 Reichen Quirinus (um 1989) S. 146 Schild Kurt (um 2005) S. 53 Müller Melcher (um 1795) S. 201 Reusser Caroline (um 2008) S. 134 Schild Mamma (um 1850) S. 123 Müller Peter (um 1850) S. 119 Rieter Heinrich (1751–1818) S. 343, 346 Schild Otto, Schlosser (um 1909) S. 243 Müller, Familienchronik S. 197 Riggenbach Nikolaus, Ingenieur (um 1880) S. 299 Schild Peter (um 1847) S. 128 Mumprecht, Herzogenbuchsee S. 243, 244 Ringysen Hans (um 1665) S. 101 Schild Peter (um 1891) S. 335 Murri Glaus (um 1588) S. 98 Risser Hannss, Rebell, Oberried (um 1653) Schild Peter, Lehrer (um 1930) S. 271 Mürset, Lehrer (um 1865) S. 265 S. 189, 198 Schild, Familienchronik S. 197 Muschi Greti (um 1615) S. 99 Risser K. (um 1291) S. 75 Schild-Simon Adolf (um 1930) S. 66 Muschi Maria (um 1751) S. 197 Ritter Peter, Unterseen S. 284, 285 Schilt Anni (um 1677) S. 101 Napoleon Bonaparte (um 1802) S. 109, 125, 175 Ritz, Professor (um 1850) S. 42 Schilt Balzi (um 1588) S. 97 Niederer & Pozzi, Uznach (um 2005) S. 58 Rot H. (um 1303) S. 189 Schilt Caspar (um 1623) S. 97 Niklaus Manuel (1484–1530) S. 84, 88 Röter, Familie (um 1871) S. 24 Schilt Caspar (um 1669) S. 195 Nöthiger Johann Rudolf, Pfarrer, Ringgenberg Roth Alfred G., Dr. S. 145, 146 Schilt Caspar, Bäcker (um 1592) S.100 (1739 –1826) S. 113-119, 122, 140, 146, 182, Roth Magdalena, Grindelwald (um 1768) S. 181 Schilt Cathry (geb. vor 1664) S. 184 183, 195, 258 Rothenbach, Ingenieur (um 1885) S. 238, 240 Schilt Elsbeth, Hebamme (um 1589) S. 99 Nufer Hans (um 1715) S. 101 Rubi Christian S. 213, 215, 216, 219 Schilt Elsbeth, Naters (um 1689) S. 176 Nussbaumer Marc, Archäologe (um 2005) S. 70 Rubi Peter, «Bärghuus Axalp» S. 330 Schilt Elsi (um 1682) S. 122 Ober Peter (nach 1858) S. 35 Rubi Ruedi, Chemihüttli, Axalp S. 329 Schilt Heini (um 1551) S. 193 Obinan im Dorf (um 1303) S. 189, 200 Rubin Sigmund (um 1970) S. 329 Schilt Heini, Teufental (um 1334) S. 76 Ochs Peter, Basel (um 1798) S. 104 Ruef Dominic S. 134 Schilt Jakob (um 1589) S. 99 Oth, Lehrer, Kienholz (um 1879) S. 267 Ruef Hans, Dr., Mundartspezialist S. 333 Schilt Johannes (um 1798) S. 103 Ott und Zschocke, Ingenieure (um 1880) S. 299 Salvisberg, Kantonsbaumeister (um 1870) S. 150 Schilt Melcher, Brienz S. 92 Otth Balthasar (um 1854) S. 36, 38 Santschi Peter, Schulinspektor S. 275 Schilt Peter (um 1618) S. 97, 99 Pauli, Arth (um 1909) S. 242 Schauenburg, General (um 1798) S. 105, 106 Schilt Peter (um 1686) S. 178 Perren Christian (um 2008) S. 134 Schelbert Urspeter, Bevölkerungsgeschichte, Schilt Peter (um 1590) S. 101 Perren Oskar, Lehrer (um 1930) S. 271 1989 S. 147 Schilt Peter (um 1798) S. 104, 105 Perren-Roesti Ruedi, Mitautor 2011 S. 7, 167, Scheuchzer J.J., Geräte Alpwirtschaft S. 143, 145 Schilt Peter, Leutnant, Wyler (um 1798) S. 104 246, 275 Schild Adolf, Gemeinderat (um 1904) S. 240, Schilt Peter, Schwanden (um 1719) S. 186 Perren-Zurflüh Rudolf, Mitautor 2011 S. 43, 50, 242 Schilt Uelli, Teufental (um 1334) S. 76, 197, 198 65, 73, 84, 103, 237, 253 Schild Eduard (1878 –1944) S. 353, 355 Schilt Uli (um 1616) S. 97

383 Schilt Ulrich, Obmann, Wyler S. 92 Stähli Johann (1778 –1861) S. 332, 344 Thöni Katharina (um 1847) S. 123 Schilt Uolrich (um 1374) S. 78 Stähli Kaspar (um 1854) S. 36 Thöni Theodor, Kienholz S. 243, 244 Schilt (um 1528) S. 88, 89 Stähli Kaspar (um 1798) S. 104 Thöni, Familienchronik S. 199 Schilt, Richter (um 1799) S. 107 Stähli Lydia, Schwanden (um 1963) S. 360 Thurner Hans (um 1659) S. 100 Schlappach, Bäcker (um 1642) S. 100 Stähli Maria (um 1693) S. 181 Thurner Jacob (um 1645) S. 122 Schmid Gabriel (um 1619) S. 101 Stähli Melchior (um 1798) S. 105 Thurner Jacobs Frau (um 1665) S. 101 Schmid Samuel, Bundesrat (um 2005) S. 53 Stähli Peter (um 1970) S. 329 Tommen Elsbeth (um 1768) S. 181 Schmidlin (um 1865) S. 314–316, 318 Stähli, Familienchronik S. 198 Trachsel, Barthlome (um 1528) S. 89 Schmidlin, Familie (um 1868) S. 124 Stäli Anni (um 1590) S. 99 Trachsel, Propst, Interlaken (um 1528) S. 87, 88 Schmoker Elsbeth (um 1799) S. 178 Stäli Heini, Trommler (um 1653) S. 189 Trauffer Albert, Schnitzler S. 154 Schmoker, Schwanden (um 1712) S. 102, 178 Stäli Melcher (um 1616) S. 97 Trauffer Sandro S. 134 Schneider Rudolf, Regierungsrat (nach 1837) Stapfer Philipp Albrecht, Minister (um 1799) Tschaggeny Friedrich S. 167 S. 35 S. 260–261 Tschaggeny Fritz (um 1907) S. 242 Schneiter Jaggi (um 1669) S. 195 Steege, Pfarrer (um 2005) S. 53 Tschaggeny, Kapitän (um 1884) S. 238 Schneiter, Familienchronik S. 198 Steiger, Regierungsrat (um 1884) S. 152 Tschanun, Orgelbauer, Genf (um 1940) S. 256 Schneitter Peter (um 1653) S. 198 Steiner Heinrich, Obmann, Oberried (um 1710) Unkande Hainrich (um 1303) S. 189 Schöni Anthoni (um 1669) S. 119 S. 92 Urbat Margreth (um 1715) S. 96 Schorta A., Dr., Romanist S. 146 Sterki Hainrich (um 1303) S. 189, 193 Ussirm Kienholts (um 1303) S. 189 Schriber Uli (um 1617) S. 98, 99, 197 Stoller Johannes, Arzt (um 1801) S. 119 Vadian, Reformator (1484–1551) S. 86 Schröter C., Professor, Botaniker (1855 –1939) Streich Albert (1897–1960) S. 56, 113, 115, 123, van Dijk Frans, Geigenbauer S. 156 S. 135 180, 188, 189, 205, 325, 334-337 Vischer Cuenrat, Unterseen (um 1429) S. 190 Schryber Ueli, Brienz (um 1528) S. 87, 89 Streipf Hans (um 1669) S.119 Vogel Ludwig (1788 –1879) S. 22, 282 Schryber Ueli, Brienz (um 1798) S. 104 Studer Anna, Wyler (um 1712) S. 102 Vogt Geörg, Biglen (um 1653) S. 189 Schumacher Hensli (um 1446) S. 82, 83 Studer, Ingenieur (um 1885) S. 238–240 Vogt, Zahnarzt S. 159 Schweizer Jürg S. 225 Stüpfer Veronica (um 1616) S. 97 vom Altweg (um 1303) S. 189 Schwendler Leni (um 1683) S. 178 Sulliger Jacobe (um 1651) S. 122 vom Bache Ruof (um 1382) S. 78 Senger Andreas, Zimmermeister (um 1845) Sulser, Dr., Arzt (um 1900) S. 120 von Allmen, Architekten AG, Thun (um 2008) S. 219 Sulzer Barbli, Wyler (um 1588) S. 98 S. 246 Sermund Franz, Bern, Glockengiesser (um 1972) Süterlin, Kunstmaler (um 1860) S. 317 von Bergen Peter (um 2005) S. 51, 53 S. 256 Thomann Emil S. 219, 235 von Bergen, Lehrer (um 1871 und 1879) S. 24, Siffert, Pfarrer (um 2005) S. 53 Thomann J. (um 1884) S. 128 267 Sigrist, Schwestern (um 2005) S. 53 Thomann Johann (um 1903) S. 128 von Bergen-Fuchs Johannes (um 1894) S. 327 Staeger Andreas (um 2005) S. 51, 53, 54 Thomann K.L., Pfarrer (um 1858) S. 150 von Brienz Arnold (erste Hälfte 13. Jh.) S. 64, Stähli Caspar (um 1884) S. 128 Thomann, Lehrer (um 1879) S. 267 73, 74, 75 Stähli Daniel, Alpgasse (um 1674) S. 260 Thomann, Familienchronik S. 199 von Brienz Kuno (erste Hälfte 13. Jh.) S. 73, 74, Stähli Hans (1910–2005) S. 358, 359, 360 Thomen Peter (um 1849) S. 123. 186, 188, 253 Stähli Hans (um 1846) S. 128 Thomke Hellmut, Dr., Professor, Allmendingen von Brienz Walter (erste Hälfte 13. Jh.) S. 74 Stähli Hans junior, Lehrer (um 1674) S. 260 S. 157 von Bubenberg Heinrich (um 1390) S. 79 Stähli Hans senior, Lehrer (um 1674) S. 260 Thönl Albert S. 142 von Constanz Konrad, Bischof (um 1219) S. 188 Stähli Jakob (um 1768) S. 181 Thöni Albrecht (um 2009) S. 246 von der Enge Jacob (um 1303) S. 189

384 von Erlach Margarethe (um 1798) S. 104 von Steiger Niklaus Friedrich, Schultheiss von Wyss Daniel, Pfarrer (um 1674) S. 263, 264, 312 von Erlach, General (um 1798) S. 104 Bern (um 1798) S. 104 Wyss David (um 1824) S. 22 von Erlach, Schultheiss (um 1528) S. 88, 89 von Stürler Ludwig, Architekt, Bern (um 1845) Wyss Fridli (um 1653) S. 189 von Eschenbach (13. Jh.) S. 73, 75 S. 211, 212, 221 Wyss Hans, Sonceboz S. 339, 341 von Fellenberg Philipp Emanuel (1771–1844) von Teuffental Heinrich (um 1382) S. 78 Wyss Hans, Unterbach S. 136 S. 264 von Weissenburg (13. Jh. und 14. Jh.) S. 73, 76 Wyss Johann Rudolf (um 1816) S. 114 von Flüe Kaspar, Unterwalden (um 1528) S. 89 von Wilberg Heinrich (um 1411) S. 79 Wyss Johann, Lehrer (um 1879) S. 267 von Graffenried Adolf, Architekt, Bern (um 1845) von Zähringen Berchtold V. (um 1190) S. 74 Wyss Magdalena (um 1848) S. 128 S. 211, 212, 221 von Zähringen Konrad (um 1146) S. 73 Wyss Melcher, Peters (um 1768) S. 181 von Habsburg (13. und 14. Jh.) S. 73, 76 Wagner, Dr., Arzt (um 1885) S. 321, 322 Wyss Peter, Ingenieur (um 2005) S. 58 von Känel Alfred S. 225 Wälti Peter, Mitautor S. 175– 185, 186–201 Wyss Peter, Pfarrer, Bolligen S. 221, 338, 339, von Kyburg (13. und 14. Jh.) S. 73, 74, 75, 79 Wälti Thomas, Orgelbauer, Gümligen (um 1973) 341 von Kyburg Hartmann (um 1256) S. 75 S. 256 Wyss Trini (um 1634) S. 101 von Mülinen Niklaus Friedrich, Hauptmann (um Walz Johann, Lehrer (um 1930) S. 271 Wyss, Familienchronik S. 200 1798) S. 103, 104 Walz, Familie (um 1905) S. 124 Zenger Heinrich (um 1303) S. 186 von Opelingen Diethelm (um 1146) S. 73, 188, Weber Franz, Umweltschützer (um 1982) S. 324 Zenger Melcher (um 1669) S. 119 253 Weber Hans Peter, Revierförster (um 1990) Zimmermann Ulrich, Geigenbauer (um 1980) von Opelingen Egelolf (um 1146) S. 73, 188, 253 S. 46, 48, 50 S. 156, 157 von Rappard Conrad, HoteIier, Giessbach (um Weber J., Unternehmer, Bern (um 1889) S. 239, Zimmermann, Thun (um 2005) S. 58 1856) S. 286, 314, 315 240 Zobrist, Familienchronik S. 200 von Raron Heinrich (Anfang 13. Jh.) S. 73 Weber, Regierungsrat (um 1854) S. 36, 37 zum Bach Christen (um 1551) S. 193 von Raron Rudolf (Anfang 13. Jh.) S. 73, 74, Weibel Samuel, Kunstmaler (1771–1846) S. 344 zum Bach Susanna (um 1709) S. 123 188, 253 Welten, Professor (um 1850) S. 42 zum Stein Hans, Oberried (um 1588) S. 97 von Resti Heinrich (um 1361) S. 78 Wenger, Gemeinderat (um 1888) S. 289 zum Stein Hans, Schwanden (um 1616) S. 98 von Ringgenberg Beatrix (um 1390) S. 79 Werren Albert S. 339, 340 Zumbrunn Heinz, Unterbach (um 1970) S. 329 von Ringgenberg Christoph, Schams (um 1424) Wetzel Johann Jakob, Kunstmaler (1781–1834) Zumbrunn Peter (um 2005) S. 53, 246 S. 80 S. 100, 308, 344 Zumstein/Steiner Catharina, Schwanden (1682– von Ringgenberg Cuno (ca.1200–1240) S. 186, Wider Andres (um 1616) S. 98 1749) S.186 188 Widmann Josef Viktor, Redaktor, «Bund» S. 299 zur Flie Hanss (um 1736) S. 194 von Ringgenberg Johann († 1331) S. 75, 76, 78, Widmer Andreas (um 2008) S. 134 zur Fluh Hans, Ebligen (um 1682) S. 122 80, 188, 193, 194, 200 Widmer Ulli (um 1713) S. 123 zur Fluh Jacob, Ried (um 1710) S. 102 von Ringgenberg Johann († 1351) S. 76, 77 Wilhelm Susanna (um 1716) S. 102 zur Fluh Melcher, Ried (um 1715) S. 102 von Ringgenberg Petermann (um 1380) S. 78, 79 Wimmiser Stefan (um 1588) S. 98 zur Fluh Melcher, Sekelmeister S. 92 von Ringgenberg Philipp (um 1240) S. 74, 75, Winter Hans (um 1639) S. 97 Zurflüh Johann (um 1802) S. 108 76, 78, 79 Winterberger Gerhard, Dr. (um 1960) S. 126 z’Ustrost Burchard (um 1303) S. 186 von Ringgenberg Rudolf (um 1256) S. 75 Wirth (um 1860) S. 151 Zwald Heini, Schwanden (um 1588) S. 97 von Ringgenberg Ursula (um 1390) S. 79 Wocher Marquard, Kunstmaler (1758-1830) Zwingli Huldrych, Reformator (1484–1531) S. 84, von Seftigen Jakob (um 1351) S. 78 S. 343 86 von Signau Ulrich (um 1351) S. 78 Wollensack, Dr., Arzt (um 1897) S. 322 Zysset Marcel S. 325 von Steiger (nach 1896) S. 29 Wüthrich, Bauführer (um 1874) S. 238

385 Orte, Örtlichkeiten, Gewässer

Anhang

Die Buchstaben und Zahlen nach den Orts­ Buchhinweis: Ursprung und Bedeutung der Lokalisierung der Orte auf den beiden namen im folgenden alphabetischen Ortsver- Brienzer Orts- und Flurnamen werden im Buch beigelegten Karten: zeichnis beziehen sich auf die Koordinaten­ «Brienzer Namenspiegel» von Peter Wyss er- systeme der beiden Karten im Anhang dieses klärt (Herausgeber: Vereinigung «Alt Brienz», – Angabe der Koordinaten im Ortsverzeichnis Buches. 1991; Bezugsquellen: lokaler Buchhandel und unmittelbar nach dem Ortsnamen Burgergemeinde Brienz). Die mit Fettdruck hervorgehobenen Seitenzah- – Landeskarte Brienz Nr. 1209 1: 25 000 (Koor- len bezeichnen Stellen im Buch, welche den Ort dinaten mit Grossbuchstaben und Zahlen) besonders thematisieren. – Ortsplan Brienz, Massstab 1: 5000 (diesel- ben Koordinaten wie auf Karte 1:25 000, Netz halbiert: horizontal I/II nach Grossbuch- staben oder vertikal a/b nach Zahl); enthält auch ein Verzeichnis der Flurnamen.

– Einfache Koordinate (z.B. Ägelsee M 5) be- deutet: Diese Ortsbezeichnung ist nur auf der Landeskarte 1:25 000 zu finden (Quadrat M 5).

– Erweiterte Koordinate (z.B. Adler/Gasthof H II 4b) bedeutet: Dieser Ort ist auf beiden Kar- ten lokalisierbar. Falls die Ortsbezeichnung auf der Landeskarte Brienz 1:25 000 fehlt, sollte eine präzise Lokalisierung auf dem Ortsplan 1:5000 möglich sein. Im vorliegen- den Beispiel ist das Gasthaus nur auf dem Ortsplan 1:5000 beschriftet und farblich her- vorgehoben.

– Orte, die ausserhalb der Landeskarte Brienz 1:25000 liegen, erscheinen ohne Koordina- tenangaben.

Hauptstrasse Brienz um 1900.

386 Aare J I 5/6 – R 5/6, S. 12, 16 f., 32, 34–42, ARA (Abwasser-Reinigungsanlage für Brienz, Bei den Toren/ Beidentoren /z’Beidetoren H I 50 f., 65 – 68, 77, 81, 126, 182, 198, 208 f., Schwanden, Hofstetten) J II / K I 5a, S. 17 f., 4a, S. 300 292 f., 335, 343, 363 240 – 245, 365 Bellevue (alt: Gasthof im Kienholz; heute: «Res- Aar(e)boden J I 5/6 – R 5/6, S. 10, 13, 34 f., 37, Arth, S. 243 taurant Bellevue Stock») J II 5a, S. 31, 286, 41 f., 44, 50 f., 52 f., 207, 292 f., Arlesheim, S. 225 289, 315, 364 Aareschwellen (Unterseen) S. 87 – 89 Auf den Matten J 5b/6a – M 5b/6a, S. 40 Bellevue (neu: Restaurant auf Axalp) H 8, 327– Aarmühle (Interlaken) S. 148 Augsburg, S. 104 330, 364 Aaregg J II 5/6, S. 40, 41, 51 Augstmatthorn (Berggipfel nordwestlich von Bellevue (Dampfschiff), S. 285 f. Äbeflue/Äbefluh S. 12 Oberried), S. 14, 19 Bern (ca. 300 Nennungen) Abwasser-Reinigungsanlage (ARA) J II / K I 5a, Äusserstgasse H I 4b, S. 120, 217, 222, 237 f., Biglen, S. 189 S. 17 f., 240 – 245 238, 240 Binos Pizzeria H I 4b, S. 364 Adler / De la Gare (Gasthof) H II 4b, S. 23, 265, Ausweid (Planalp, s. Usweid) G 2, S. 137–140 Birgisgasse G II 4a, S. 222, 238 364 Axalp H 8/9 – K 8/9, S. 7 f., 12 f., 43, 46, 48 f., Birgli / Bürgli J II 4b, S. 12, 50 – 53, 178, 241, 364 Ägerdi K 2/3, S. 28 65 –72, 130, 132, 135, 141, 146, 174, 192 f., Bistro Rothorn H II 4b, S. 364 Aeschi (Dorf Südseite oberhalb des Thuner- 207, 241, 296, 325 – 330, 364 f. Blatten (westl. Dorfgrenze von Niederried), sees) S. 82 Axalphorn K 9, S. 12 S. 198 Ägelsee M 5, S. 40 Baalen / Balen H 2, S. 21 f., 26 f., 53 Blattenwald (Planalp) G 2, S. 137, 140 Ällgäulücke C 3, S.11 Baalengrind H 2, S. 22 Blattmad (Planalp) G 2, S. 136 f. Alpbach (Meiringen) S. 242 Baalenmad H 2, S. 22 Bödeli (Gebiet zwischen Brienzer- und Thuner- Alpgasse(n) G II 4 a/b, S. 58, 68, 188, 191, 213, Bächlischwendi K 6, S. 365 see), S. 12, 35, 66 – 68, 73, 77, 82, 89, 169, 221, 227, 240, 258, 260, 263 – 267, 272, 354 Bachtalen F II 4a, S. 20 f., 50, 368 213, 284, 344 f., 348 Alpiglen S. 67 Ballenberg (Freilichtmuseum u.a.) K 5 – N 5, Bodenmad (Planalp) G 2, S. 193 Alplicken/Alplücke (Planalp) G 2, S. 136 S. 7, 12, 31, 40, 45, 70, 72, 132 f., 169, 207, Bolligen, S. 256 Alpnachersee (Teil des Vierwalsstättersees), 212, 215, 219, 226, 233, 244, 247, 261, 297, Bönigen (alt: Böningen, S. 194; Dorf auf Süd- S. 298 343, 365 seite des Brienzersees), S. 68, 75 f., 104, Alpnachstad (am Vierwaldstättersee), S. 293, Balm (bei Meiringen), S. 75 151, 175, 189, 192, 197, 199, 200, 225, 288, 298 Balmhof M 5, S. 12 299 Alpogli H 2, S. 67 Balmi H 7/8, S. 241 Bort G II 4a, S. 238 Alters- und Pflegeheim Birgli J II 4b, S. 12, 25, Bären (Gaststätte alt: Hotel de l’Ours) H 4, Botchen G/H 9/10, S. 12, 307 44 f., 52 f., 364 S. 24, 43 – 45, 52 f., 56, 104 f., 149, 191, 218, Botchenhals G 10, S. 12 Alters- und Pflegeheim EGW J II 5a, S. 364 232, 234 f., 283, 289, 364 Botchenschlucht G 9, S. 307 Altschwanden (alt: Teil von Schwanden) I / K 4, Bärenplatz H I 4b, S. 56 f. Bottenbalm H 6, S. 368 S. 209 Bärhag /Bärengehege H 9/10, S. 70 Bramisegg (Restaurant / Flurname) G 7, S. 364 Am Nussbaum / Nussbaum G II 4a, S. 36, 157, Bättenalp E 9/10 – F 9/19, S. 75 Brand H/J 8, S. 68 238 Bauwald F 8/9 – G 8/9, S. 12, 44, 49, 269, 307 Brandwald H 8/9, S. 46 Änderberg (Brienzer Gemeindegebiet südlich Beau-Rivage-Brücke (Interlaken), S. 282 Brau, auf der Brau H 7, S. 78 des Brienzersees; s. auch Brienzerberg) Beau Site (alt: Dependance beim Hotel Giess- Breitenberg L 3/4, S. 244 f. F – M 6–10, S. 13, 39, 43 f., 65, 73, 271, 328 bach) G 6, S. 320 Briefenhorn F 1, S. 11, 19, 21, 136 Änderdorf (westlicher Dorfteil von Brienz), S. 15, Behämsgasse (Umgangssprache: Behämerren) Brienz (alt: Briens, Brientz), um 1400 Nennungen 44 f., 216, 219, 228, 234, 257, 300 H I 4b, S. 76, 224, 227 Brienz (Hotel Restaurant) J II 5a

387 Brienzerberg (s. Änderberg), F– M 6 –10, S. 13, Campingplätze (Aaregg, Seebucht, Seegärtli) Eine(n)wang (Planalp) F 2, S. 78, 136 –140 39, 43 f., 65, 73, 271, 328 J II 5a, S. 48 f., 207, 209, 364 Eisenbahntunnel (Brienz, s. auch Dorftunnel) Brienzerburli (Hotel, Restaurant) G II 4b, S. 364 Chänelli J 2, S. 27 G II – H II 4 a/b, S. 21, 249, 301 Brienzergrat A5 – N1, S. 11–13, 19, 135 f., 183, Chäseren (Alp) M 1, S. 27, 67 Eisenbolgen (Meiringen), S. 217 302 Cheer/Im Cheer L 5/6, S. 12 Eistlenbach M 3/4, S. 242, 244 Brienzersee A – J 4 – 11, S. 15 –18, 28, 34– 36, Cheerliwald (s. Kehrliwald) G 10, S. 193 Engelberg (Kloster/Abtei), S. 74, 84– 88, 188, 39, 42, 65, 68, 73, 82, 124, 126, 132, 151, Chemihüttli (Hotel Restaurant, Axalp) H 8, 253 f. 155, 156, 169, 180 – 182, 189, 193, 196, S. 330, 364 Engi H 6, S. 46, 78, 186, 189, 320, 364 212, 225, 258, 282, 285, 285 – 294, 307, Chienzen (oberhalb Alp Hinterburg), M 8, S. 12 Engi (Restaurant) H6, S. 364 314 – 317, 21– 326, 343, 348 – 351, 363, Chilchbiel G II 4a, S. 188 England S. 84, 150, 225, 285, 344, 347 f. 365 Chilchgasse G II 4a, S. 219 Entenbächli (oder Hechtenbächli) J II K I 6a Brienzerseebahn A 8 – H 4, S. 228 – 230, 281, Cholplatz / Kohlplatz H II 4b, S. 45, 56, 116, 235 Erlenbach (im Simmental), S. 65, 213 299 – 301 Chirsimatten G II / H I 4a, S. 188 ERZ (Abfallentsorgung) Lauimatte K I 5b, S. 365 Brienzer Rothorn J 1, S. 7, 12, 14, 69, 365 Chrisviertel G II 4b, S. 340 Eschenbach, S. 73, 75 Brienz West (Haltestelle) G I 4a, S. 230, 294, Chrummeney (alt: Krumeney) L/M 5/6, S. 208 Ey R 7, C 9, S. 68 300 Chrummgasse (Krummgasse) G II / H I 4b, Eyelti M 5 , S. 12 Brienzwiler (alt: Brienzwyler/Wyler) N/O 4/5, S. 214, 227, 237 EZ (Abfallentsorgung), Bächlischwendi K 6, S. 87, 92, 95– 98, 100, 102, 119, 178, 183, Chruteren, Chruterenpass (Planalp) G 1, S. 140 S. 365 190 –193, 196 –199, 224, 240, 242, 244, Chrutmettli («Hilten» Restaurant/Flurname ob Farnigen, Farnigenboden (Axalp) J 8, S. 201, 247, 253, 256, 262, 275, 293, 335, 363, 365 Axalp) J 8, S. 364 330 Brotbach (Bachtalen) F 4, S. 20, 100 Chüemad/Chiemad (Alp, Axalp: S. 4, 7, 70 –72 Farnigraben M 3, S. 244 Brüchen / In Brüchen K 3, S. 27, 31 und Planalp: S. 20, 65, 137, 140) Faulbach (s. auch Fulbach) K/L 5, S. 40 f., 50, Brünig(-pass), Q 4, S. 7, 14, 32, 73, 76, 79, 80, Constanz (Konstanz), S. 188 238, 243, 293 87– 89, 104 –106, 113, 159, 194, 281, 293, Da Luca (Restaurant Pizzeria) J II 5a, S. 364 Faulhorn F 12, S. 286, 307, 322, 325, 329 296, 298 – 302, 334 Denzlerkarte, S. 208 f. Feld /Im Feld G II H I 4a, S. 67, 206, 244, 296, Brünigbahn, S. 32, 33, 209, 288, 293, 298 – Deutschland, S. 43, 47, 67, 126, 130, 147, 225 332, 344 302 Dindlen (Dindlenbrücke) H II 4 b, S. 52, 58, 253 Feldstrasse G II H I 4 a/b, S. 68, 165 Brunnen J/K 6, S. 40, 42, 208 368 Dirrengrind (Dürrengrind) H 1, S. 11 f., 19, 21 f., Felsentor H 2, S. 22, 26, 136 Brunn(en)gasse G II 4 a/b, S. 204, 213, 238, 25, 27 f., 136 Fischerbrunnen(-platz) H I 4b, S. 57, 149, 164 220 f. Dorftunnel (s. auch Eisenbahntunnel) G II– H II 4 Fluhberg /Flueberg J I 4 a/b, 24 f., 31, 36, 44, Brunni K 3, S. 28 a/b, S. 21, 249, 301 47–51, 53, 146, 149 –151, 153, 160, 162, Bryschwäldli J II 4a, S. 12 Dorni/Dorniwäldli E/F 4, S. 11, 13 f., 19, 162 168, 206, 209, 241, 244, 261, 267, 304, 344, Burgdorf, S. 79, 145, 197, 226, 243, 245 Drahtseilbahn (beim Giessbach) G 6, S. 318, 367 Büren, S. 103 324 Flurnamen (s. auch Karten im Anhang), S. 8, Birgli J II 4b, S. 12, 50 – 53, 178, 241, 364 Ebligen (alt: Oblingen, S. 195) D/E 4/5, S. 11, 19, 67 f. Bürglen bei Meiringen, S. 34 f. 68, 74, 105, 109, 122, 178, 181, 183, 190, Forst (heute: Forst-Längenbühl, Region Thun), Bürglen (bei Nidau), S. 128 195, 197, 199, 240, 262, 293, 363 S. 103 Bürglennollen bei Meiringen, S. 38 Eggechen/Eggechenwald J 6, S. 242 Frankfurt, S. 314, 319 Burgstollen G II 4b, S. 31, 57, 68, 74, 84, 90, Egglen (Flurbezeichnung in Oberried und Si- Frankreich, S. 47, 104 f., 109, 125 f., 129, 147, 207, 253, 255, 257, 343, 348 griswil) B/C 6, S. 75, 89, 190 f. 175, 186, 192, 225, 348 f., 351

388 Fraubrunnen, S. 103 Gofri G I 4a, S. 188 Hasliberge (343), S. 34, 343 Freiamt, S. 81 Goldswil, S. 73 –75, 86, 105, 178, 253, 262 Hasli-March, N 3 – 6, S. 73 Fricktal, S. 81 Goms (Oberwallis), S. 217 Haslital, S. 34, 35, 41, 48, 66, 118, 132, 146, Freiburg, S. 77, 79, 89, 103, 186 Gorgen M 3, S. 67, 244 182, 282, 293, 343 Freilichtmuseum Ballenberg L– N 5, S. 7, 70, 72, Grandhotel Giessbach G 6, S. 170, 312, 323, Hauptstrasse (Brienz) G – K 4/5, S. 44, 53, 56 – 132, 207, 212, 219, 226, 297 364 58, 60, 95, 164 f., 212– 214, 216 –220, 222, Frutigen, Frutigland, S. 82, 86, 90, 186, 200, Grätli K 9/10, S. 12, 322 225 – 227, 246 f., 293 213, 221, 256 Grauholz, S. 103 f. Hausen bei Meiringen (Hausenstein, S. 66), Frutt, H6, S. 67 Greesgi G 1, S. 135, 137–139 S. 39, 68 Fulbach (s. auch Faulbach) K I/L 5b, S. 40 f., 50, Grenchen, S. 197 Hechtenbächli J II K I 6a, S. 42 238, 243, 293 Griespass, S. 281, 292 Heger (s. auch Personenregister) J II 5a, S. 241 Funtenen (westl. Meiringen), S. 67 Grimsel(-pass), S. 32, 66, 80, 106, 113, 145 f., Hellgraben F 3/4, S. 19 f. Gadmen, S. 193, 217 192, 281, 292, 296, 298 Helvetia (Gaststätte) H I 4b, S. 120, 207, 285 f., Gampeli G II 4a, S. 67, 238, 244 Grindelwald, S. 11 f., 74, 76, 87 f., 118 f., 146, 324, 364 Gärbi (Gerbi), Gärbigässli H I 4b, S. 53, 128, 167, 169 f., 181, 197, 211, 213, 283 f., 326 Hendschicken (AG), S. 200 230, 234, 240, 268 f. Grosse Scheidegg, S. 326 Herzogenbuchsee, S. 199, 243 Gärstenhorn K 11, S. 12 Grosser Sankt Bernhard (Sankt Bernhards- Hilten (Restaurant Chrutmettli ob Axalp), J 8, Gassenhorn, S. 12 berg), S. 106 S. 364 Gasthof/ Gaststätte (s. «Bären», «Kreuz» etc.) Grube/Grueben H 1 4b, S. 44 Hinterburg (Alp) L/M 7/8, S. 12, 75, 135, 141 Gefängnis, Landjägerhaus (alt) H I 4b, S. 95 f., Gru(e)bengässli H 1 4b, S. 240 Hinterburgsee K/ L 8, S. 322, 330 99, 102 Gsteig bei Interlaken, S. 183 Hirschen (Gaststätte, Ebligen) E 4, S. 19 Geigenbauschule Brienz G II 4a, S. 154, 156 – Gümligen, S. 256 Hirscherengraben B 5 / C 6, S. 50 158 Gummen/Gummenalp L/M 1/2, S. 27–29, 67 Hirsi (westlich Meiringen), S. 35 Gemeindehaus (Brienz) J I 4b, S. 51 f., 217, 246 Gummi F/G 1, S. 67, 135, 137–140, 160 Hobacher (-Schulhaus) H I 4b, S. 75, 207, 233, Gelber Schild O 7 , S. 31 Gümmenen, S. 103 260, 268, 271–273, 300 Genf, S. 90, 103, 169, 240, 247, 256, 285, 302, Gündlischwand, S. 198 Hofstetten L 4, S. 28, 31 f., 36, 38, 40, 52, 58, 344, 348 Gurgen /Gurgenkanal M 3, S. 40, 67, 293 78 f., 87, 92, 105, 124, 150, 178, 183, 190, Gerbi (s. auch Gärbi) H I 4b, S. 53, 128, 230, Gurnigel/Gurnigelbad, S. 316 197–200, 241 f., 244, 253, 262, 267, 275, 234, 240, 268 f. Gussetsboden H/J 8, S. 192, 329 293, 335, 356, 363, 365 Gibelegg J/K 1/2, S. 27 Guttannen, S. 193, 197, 213 Hofstetter Vorsess L 3, S. 28 Giessbach G/H 6–12 (Giessbachfälle, Parkho- Gwand/Gwandwald F II G 1 3b 4a, S. 19 Hofwil, S. 264 tel, Grandhotel G 6), S. 5, 7, 12 f., 17, 46, 48, Habkern, S. 76 f., 151, 344 Hohbühl ( b. Interlaken), S. 344 148–151, 170, 207, 242, 245 f., 263, 281– Harder, S. 14, 291, 335 Höhenmatte (Interlaken), S. 88 –90, 189 f., 192 288, 290, 296 f., 299, 306 –324, 326, 328, Hasli (Oberhasli, Gebiet östlich von Brienzwiler), Höhenstufen, S. 13 342, 344, 346 – 349, 364 f. S. 12, 27, 29, 35 f., 38, 50, 73 –78, 82, 84– Hohfluh (Hasliberg), S. 105 Gippi, Gippihalde H 2 4b, S. 24, 344 90, 103–106, 119, 126, 132, 146, 155, 161, Hograt F 8, S. 44 Giswil, S. 299, 302 190, 197, 213, 216 f., 217, 219, 292, 298, Horbigen J 8, S. 330 Glyssen J I/II 3b/4a, S. 12, 27, 59 365 Hotel (s. «Bären», «Kreuz» etc.) Glyssibach J 2 – 4, S. 10, 19, 24 – 27, 50 –55, Hasliberg, S. 37, 40, 53, 67, 193, 197, 199, 217, Husstatt (Planalp) F 2 / G 2, S. 75, 136, 189 56, 58 – 62, 159, 246, 296, 300 242, 276, 281, Hüttboden/Hit(t)boden (Axalp) H 8, S. 327, 329

389 Huttwil (BE), S. 189, 196 Kirche (Brienz: katholisch) H II 4b, S. 253 Landeskarte (Nr. 1209 Brienz), S. 8, 11 f., 28, Iferten (Yverdon), S. 106 Kirche Goldswil, S. 74, 253 40, 140, 208 f. (Beilage im Anhang dieses In Brüchen /Brüchen K 3, S. 27, 31 Kirche Gsteig, S. 190 Buches) Innertkirchen, S. 65, 67, 75, 78, 193, 199, 216 f. Kirche Leissigen, S. 68 Landjägerhaus, ehem. Gefängnis H I 4b, S. 95, Interlaken, S. 7, 14, 17, 27, 34 f., 38, 44, 52, 67 f., Kirche Oberried C 6, S. 253 99, 102 71, 73 –76, 78 f., 81– 90, 103 f., 106, 109, Kirche Meiringen, S. 67, 194, 253 Lanzis /Lanziszend G 1, S. 135, 137 118 f., 122, 126, 128, 137, 143, 147 f., 155, Kirche Sachseln, S. 89 Lauenen (Kienholz-Louwenen) K I 4b/5a, S. 12, 163, 169 f., 180, 183, 188 –193, 197–200, Kirchet (Felsriegel, Übergang zwischen Meirin- 28 f., 31, 33, 206, 244, 292 211, 217, 242, 246, 258, 262, 276, 285–288, gen und Innertkirchen), S. 34, 65, 67 Laufenburg, S. 131 299–302, 307, 312, 314, 326, 344, 360, 365 Kirchgemeindehaus (alt: Spitzmätelli G II 4a, Lauimatte(n), Louwimatten K I 5b, S. 40, 199, Irtschellen (Alp) K 1/2, S. 27–29 neu: Dindlen H II 4a) , S. 154, 272 261, 365 Iselten (Alp ob Lütschental), S. 75 Kloten, S. 256 Lawinenzüge, S. 19 Iseltwald (Dorf- und Schiffsname; alt: Yseltwalt) Kohlplatz (s. Cholplatz) H II 4a, S. 45, 56, 116, Leelenen/Leeleni (westlich Meiringen) R 6, S. 39 B/C 9/10, S. 12, 73, 75 f., 79, 189, 288, 291, 235 Lehrerbrücke H II 4a, S. 58 296, 299, 312, 322 Konstanz (Bistum), S. 188 Leissigen, S. 68, 183, 262 Italien, S. 25, 66, 68 f., 74, 80, 122, 141, 145 f., Krattiggraben (bei Krattigen, Südseite Thuner- Lengnau, S. 103 f. 299 – 301 see), S. 181 Lenzburg, S. 106 Jägglisglunte(-n) L 6, S. 16, 42, 207 Kressbronn (D), S. 292 Lindau (am Bodensee), S. 104 Jugendherberge (SJH) J II 5a, S. 244, 364 Kreuz (Gaststätte, auch: «Gasthof zum K.», Lindel(l)en (heute: Löwenplatz) G II 4b, S. 44, 57, Kaisten, S. 34 «Hotel Weisses Kreuz») H II 4b, S. 24, 52, 164 Kantonale Schule für Holzbildhauerei (s. Schule 108, 120, 146, 149, 188, 201, 206, 218, 293 Lindenhof (Hotel) H II 4a, S. 364 für Holzbildhauerei) Kreuzweg J II 5a, S. 261 Lischboden H 10, S. 12 Kehrliwald (Cheerliwald) G 10, S. 193 Kreuz-Scheune H II 4b, S. 206 Litschentellti/Lütschentälti (Alp) H 10, S. 70, 72 Kick-Down (Musiklokal, Bar) K II 5a, S. 364 Kriens, S. 256 Litschgiburg E 10, S. 307 Kienholz (alt: Kienholts; östlicher Dorfteil von Krumm(en)gasse (Chrummgasse) G II / H I 4b, Lombardei, S. 292 Brienz) I/K 4/5, S. 7, 12, 20, 28 f., 32 f., 40, S. 214, 227, 237 Louwenen K I 4b/5a, S. 12, 28 f., 31, 33, 206, 44–47, 50, 52, 78 – 80, 87, 117, 127 f., 133, Krummeney (s. auch Chrummeney) L/M 5/6, 244, 292 152, 178, 186, 189, 193 f., 206, 208 f., 237– S. 208 Louwimatten Lauimatte(n), K I 5b, S. 40, 199, 240, 243 f., 248, 261, 265, 267, 270 – 277, Kühmad, Chüemad, Chiemad (Alp, Axalp H 9, 261, 365 285 f., 289, 292, 299 f., 315, 363 S. 4, 7, 70 –72 und Planalp G 1, S. 20, 65, Löwen (Gasthaus) G II 4b, S. 44, 124, 294, 364 Kienholzallmend K I 5a, S. 128 137, 140) Luthernau (LU), S. 196 Kienholzschulhaus K I 5a, S. 267, 270 f. Kurhaus Axalp H 8, S. 65, 326 f. Lütschentälti / Litschentellti (Alp) H 10, S. 70, 72 Kienholzlauenen (s. Lauenen/Louwenen) K I Küsnacht ZH, S. 256 Lungern, S. 76, 104, 159, 198 5a, S. 12, 28 f., 31, 33, 206, 244, 292 Laborator (ehem. Laboratorium des Feuerwer- Luzern, S. 11 f, 79, 82 f., 87– 89, 109, 145, 152, Kindergarten Dorf H I 4b, S. 272 f., 276, 363 kers Hamberger) J II 5a, S. 241 155, 163, 184, 189, 242, 256, 293, 298 – Kirche (Brienz: reformiert) G II 4b, S. 5, 21–23, Lamm K I 4 a/b, S. 35, 37, 39, 356 302, 316, 352, 365 44, 57, 74 f., 80, 84, 92– 95, 102, 108, 138, Lammbach J II/K I 3b 4 a/b, S. 12, 17, 24 f., Mägisalp, S. 37 180, 182, 188, 191 f., 194, 200, 207, 238, 27–29, 31– 33, 52, 56, 206, 244 f., 292, Marchgraben, S. 73 251– 257, 263, 268, 294 f., 300, 309, 343 f., 296, 300 Martis (Vorsass, St. Martins-Kapelle am Weg 348, 363, 348 Lammbach-Abstürze L 2/3, S. 31 nach Planalp) G 3, S. 256

390 Matten (Auf den Matten, Brienz) I – M 5/6 , S. 40 Oberhasli, S.12, 27, 35 f., 38, 73– 75, 82, 103 – Quai (-anlage, s. auch See-/Strandpromenade) , S. 65, 68, 169, 188, 215, 106, 119, 126, 132, 155, 190, 176, 298, 343, G II – H II 4b, S. 17 f., 43 – 47, 49, 51, 53, 217 365 56 f., 207, 228 –236, 240 f., 296, 300 Mattengraben E 4, S. 11 Oberried (alt: Ried, S. 97, 101 f., 192, 212) B 6 / Raron, S. 73 f., 188, 253 Mc One (Restaurant) H II 4b, S. 364 C 6, S. 7 f., 19, 53 f., 68, 78, 92, 105, 159, Rauenhag (Rauwenhag) H I 4a, S. 21, 53, 58 Meiringen, S. 29, 31, 34 – 39, 42, 44, 50, 65 – 178, 180, 183, 189 –193, 198 f., 211 f., 220, Reichenbach (Bach / Elektrowerke bei Meirin- 68, 75, 77 f., 82, 104 –106, 118 f., 126 f., 224, 247, 253, 262, 267, 275, 315, 335, gen), S. 213, 242 –245 132 f., 161, 169 f., 181, 183, 194, 197, 199, 363 Reichenbachkanal, S. 39 208, 213, 217, 242, 244, 253, 292 f., 298 f., Oberschwanden K 4, S. 27–29, 31 Remise «Tell» (s. Tell), S. 31 f. 302, 326, 363, 365, 368 Ober Stafel H 1, S. 137 f. Ried (alt: für Oberried) B/C 6, S. 97, 101 f., 192, Mittagswand H 12, S. 12 Oblingen (alt, heute: Ebligen) E 4, S. 195 212 Mittlisten / Mittlerer Stafel, G /H 1/2 , S. 136 f., Ofenbielengraben F 4, S. 19 f. Rieseten K/L 6/7, S. 10, 31 139 Oltschibachfall O 7, S. 343 Rigi, Rigibahn, S. 298 f. Moosbühl (bei Matten /Interlaken), S. 68 Oltschiburg L 8/9 – N 8, S. 12 Riiti J II 4a, S. 12 Morgarten (Schlacht, Motorschiff), S. 76, 291 Opelingen S. 73, 188, 253 Rinderbiel (Planalp) G 1, S. 135, 137 –140 Mörisried (heute: Schried) L 4, S. 78 f., 178 Österreich, S. 47, 76, 81, 106, 131, 316, 325 Ringgenberg, S. 65 f., 73–89, 105 f., 113, 140, Muur /Uf der Muur G II 4b, S. 22 Othmarschwendi (heute: Schweibenalp, S. 76, 146, 151, 182 f., 186, 188, 190, 193 –200, Mühlebach / Mülibach / Milibach G 1 – G 4, S. 7, 384) H 7, S. 76, 136 256, 258, 262, 295, 325, 348 19 –22, 52, 136, 237 f., 307, 351 Panorama (Restaurant) J II 4b, S. 364 Ritz/Ritzwald H 2/3, S. 53, 58 Mühlebachfluh/Mülibachflue G 3, S. 189 Parkhotel Giessbach G 6, S. 306 – 324 Ritzengrätli, S. 12 Mühlebachsäge G II 4b, S. 294 Payerne, S. 74, 89 Ritzgraben H 2/3, S. 22 f., 58 Mühlethal, S. 34 Pension Axalp (s. Kurhaus) H 8, S. 327 Rom, S. 76, 152, 163, 165, 344 Münsingen (Dekanat), S. 8, 253 Pfarrhaus (Brienz bei ref. Kirche) G II 4b, S. 23, Rosenlaui, S. 40, 66 Murtensee, S. 288 57, 195, 219, 295, 343 f., 348 Rössli (ehemals Gasthaus) H I 4b, S. 364 Naterwald D 3, S. 11 Pfrundscheune (Brienz bei ref. Kirche) G II 4b, Rössliplatz H I 4b, S. 57, 223 Neuenburg /Neuenburgersee, S. 73, 283 f., S. 219 Rothorn J 1, S. 4, 7, 11 f., 14 f., 21, 27–29, 58, 349, 351 Pifing (s. Bifing) N 4, S. 188 65, 69, 136 f., 141, 169, 302 Neuenegg, S. 103 f. Planalp (alt: Blannalp, Blanallp) F 2 / G 2, S. 4, Rothornbahn (Brienz Rothorn Bahn/BRB) Tal- Neuhaus (Unterseen), S. 89, 169, 282, 285 f. 11, 21, 65, 67 f., 75, 78, 83, 97, 135 –144, station H4, Bergstation H1, S. 20, 58, 140, Niederried A 8/9, S. 65 – 67, 75, 87, 105, 198, 146, 189, 192 f., 245, 256, 364 207, 209, 288, 303, 315, 333, 358 200, 262 Planalp (Restaurant) G 2, S. 364 Rothorn Kulm (Hotel Restaurant) H 1, S. 364 Niederwangen, S. 103 Planalpbach (s. Mülibach /Mühlebach) G 1 – G 4, Rotschalp E/F 2, S. 11, 19 f., 67, 135, 137, 140, Niesenkette, S. 215, 348 S. 23 146, 355 Nussbaum /Am Nussbaum G II 4a, S. 36, 157, Planalpfluh G 3, S. 20, 78, 190, 303 Rüderswil, S. 198, 220 238 Plangäu (Alp) E /F 10, S. 322 Run / Ruun H 7, S. 194 Oberdorf G II / H I 4a, S. 36, 238 Pomat (Val Formazza, Italien), S. 80, 292 Rupperswil (AG), S. 200 Oberdorfstrasse G II / H I 4a, S. 157, 187, 209, Post Brienz H II 4b, S. 24, 129, 206 Rüti / Riiti, J II 4a/b, S. 68 213, 215–219, 224 f., 227 Promenade (s. Quai, Strand-/Seepromenade) Rütti (), S. 130 Oberer Kehr (Teil alter Aarelauf) S. 38 G II – H II 4b, S. 228, 230, 232 –236 Rybi G II 4a, S. 21

391 Saanen, Saanenland, S. 82 f., 89, 162, 198, Schwanden J/K 3/4, S. 20, 24 f., 27 f., 31 f., Sportshop Axalp (Restaurant) H 8, S. 364 213, 215, 218 f. 58 – 60, 68, 74, 87, 92, 96 – 98, 101 f., 105, Städlen (bei Niederried), S. 66 Salgesch (Wallis), S. 195 150, 158, 178, 183, 186, 191, 193, 197 – 200, Stein (bei Meiringen), S. 78 Salibiel D 2, S. 11 209, 219, 224, 228, 241 f, 244, 247, 253, 267, Steinbock (Hotel Restaurant) H II 4b, S. 22, 44, Sattel L 9, S. 12 275, 355 – 358, 360, 363, 365 61, 219, 364 Satzwald K 3, S. 28 Schwanderbach K 1– 3, S. 19, 24, 27 f., 31 f., Steineggli H II 4a, S. 188 Schadburg, S. 79 292 Stelli M1, S. 27 Schangnau, S. 129 f., 197 Schwandergässli J I 4b, S. 53 Sternen (Hotel Restaurant) H1 4b, S. 44, 165, Schattenhalb (bei Meiringen), S. 193, 197, 242 f. Schwanderort J 2, S. 26 364 Schiberg H 8, S. 65 Schwanderfluh/-flue J 2/3, S. 21, 358 Stetzendi F 3, S. 19 Schiffländte (Tracht, Bären, Giessbach u.a.) H II Schwarzhorn L 12, S. 12 f., 307, 363 St. Gallen, S. 14, 189 4b, S. 18, 31, 45, 56, 228, 235, 292, 314, 344 Schweibenalp (alt: Othmarschwendi, S. 76, 136) Stolli G1, S. 137 Schiffschopf H I 4b, S. 44, 53, 218 f., 237, 240 G 7, S. 76, 136 Strandbad J II 4b, S. 53, 56 Schlatti J 7, S. 78 Schweibenalp (Zentrum der Einheit /Restaurant) Strandbad (Restaurant) J II 4b, S. 364 Schleegasse G II 4 a/b, S. 220, 227, 238 G 7, S. 364 Studenwald K / L 4, S. 12 Schloss Interlaken, S. 109 Schweibenfluh/-flue G 7, S. 322 Sumiswald, S. 190, 198 Schloss Kehrsatz, S. 196 Schweiffi G 11/12, S. 12 Sumpfgebiet (s. Talboden / Aar(e)boden) Schloss Thun, S. 88 Schweizerische Geigenbauschule (s. Geigen- Sust H II 4b (Tracht), J II 5a (alt: Kienholz), S. 78, Schneit (Weiler in versch. Gemeinden), S. 198 bauschule) 80, 208, 285, 292 Schnidejoch, S. 69 Schwendi (Brienz) H / J 6; (Grindelwald: S. 213) Talboden (s. auch Aareboden) J I 5/6 – R 5/6, Schnitzlerschule (s. Schule für Holzbildhauerei) Schwertschwendi (wahrsch. Schwertschwenden S. 12, 35, 38 f., 41, 50, 77, 87, 208, 293 Schonegg H 1, S. 69 LU), S. 196 Talgu(e)t L 5, S. 40, 208 Schoren J II 4b, S. 12 Seedorf (Kloster im Kanton Uri), S. 64, 74 f. Tänneli H 7, S. 68 Schottland, S. 344 Seegässli G II 4b, S. 188 Tanngrindel F/G 2, S. 20, 137 Schried (alt: Mörisried) L 4, S. 78 f., 178 Seepromenade (s. auch Quai), S. 228, 232 f., Tannhorn D 2, S. 11 Schule für Holzbildhauerei (früher: Kantonale 235 f. Tea-Room Walz H 1 4b, S. 364 Schnitzlerschule) G II 4a, S. 23, 151 – 157, 240 See-Snack (Restaurant) H II 4b, S. 364 Tell (ehemals Gasthof und Remise) G II 5a, Schulhausstrasse H1 / H2 4b, S. 44 Seestrasse D– G 4, S. 21, 214, 293, 295 S. 31 f. Schulhaus Alpgasse (alt) G II 4b, S. 261– 264, Sengg (bei Iseltwald) B 10, S. 297 Thierachern, S. 192 266 Sigriswil, S. 74–76, 83, 190, 262 Thörishaus, S. 103 Schulhaus Dorf (Hobacher) H I 4b, S. 7, 52, 58, Simmental, S. 65, 73, 82 f., 86, 89 f., 147, 162, Thun, S. 50, 58, 65, 67, 78 f., 81 f., 87 – 89, 92 f., 207, 228, 233, 248 f., 260, 268 – 272, 275 f., 213, 215, 218 98 f., 104, 106 f., 124, 133, 169, 181, 189, 300 Simmeler J 2, S. 12, 26 217, 238, 243, 254, 282, 285 f., 326, 344 Schulhaus Kienholz K I 5a, alt: S. 265, 267, 270; Sitschenen H /J 3, S. 12 Thunersee, S. 34 f., 42, 66, 192, 225, 253, 282, neu: 271 f., 273 Skihaus (Axalp, Ski Club Axalp) H 8, S. 328 285 –288, 291 f., 315, 323, 326 Schulhaus Trachtbach (alt) H II 4b, S. 23 f., 170, Skihütte (Axalp, Ski Club Brienz) H 8, S. 328 Tiefental (Teiffental /Teuf(f)ental) J 7, S. 68, 76, 265, 266, 268 Sonceboz, S. 339, 341 78 f., 136, 197, 199, 241 Schützen (Gasthof) J I 4b, S. 17, 150, 234 Spengelried, S. 103 Tierpark J1 4a, S. 14, 47 f., 153 Schwabhorn E 12 Spitzmätelli (Gelände Schule für Holzbildhauerei) Tirol, S. 153 f., 325 Schwand G 9 G II 4a, S. 154 Toren/bei den Toren H1 4a, S. 300

392 Totengässlein (Todtengässli) G1 4a, S. 159, 180 f. Urseren (untere: S. 22, obere: S. 22) H 2, S. 11, Wilerbrücke (alt: Wylerbrücke) N 5, S. 37, 293, Tracht / Trachtli H II 4b, S. 18, 21 f. , 45, 53, 67, 21 f., 25, 27, 67 297 100 146, 151, 170, 184, 188, 191 f., 194, 197, Urserli L 9, S. 67, 322 Wilerhorn (alt: Wylerhorn) N/O 2, S. 19, 31, 328 199, 207 f., 218 f., 228, 233, 237, 267, 280, Ursisbalm bei Niederried, S. 65 Wilervorsass O/P 3/4, S. 78 282, 285, 290, 292 f., 299 – 301, 344 f. Usweid, Ausweid (Planalp), S. 137– 140 Wimmis, S. 98, 264 Trachtbach H 2 – 4, S. 7, 10, 19, 21 f., 45, 50 – Utzensdorf, S. 193 Wurmegg M 2, S. 27 54, 57 – 61, 160, 164, 232, 240, 265 – 267, Valparaiso (Chile), S. 128 Wychel (bei Oberried) C 5, S. 190 Tracht-Schulhaus (alt) H II 4b, S. 265, 268, 272 Vierwaldstättersee, S. 288, 302 Wychelmatte J/K 6, S. 78 Trachtbachbrücke H II 4b, S. 24 Vinothek zum Rössli H I 4b, S. 364 Wydi (in der W.) H I / II 4b, S. 22 f., 44, 53, 164, Tracht-Gasthaus (s. Kreuz) HII 4b, S. 108 Visp, S. 74, 188, 253 231, 238, 240 Trachtli(-strasse), H II 4a/b, S. 188, 226 Vitznau(-Rigi-Bahn), S. 299 Wyler (alt für Brienzwiler), S. 87, 92, 95 – 98, Trachtmatte H II 4b, S. 24 Vorsess/ Hofstetter Vorsess L 3, S. 28 100, 102, 119, 192 f. Trachtstutz H II 4b, S. 240 Vorsessli E 3, S.11 Wylerhorn (s. Wilerhorn) Treichgässli, G II 4a, S. 188 Wädenswil, S. 73 Wyssenau (Burg bei Interlaken), 76, 88 f. Treichiwald K 2, S. 28 Waldgrenze (Planalp) F/G 2, S. 140 Yverdon (Iferten), S. 106 Trift (Alp im Oberhasli), S. 75 Wang (Underwang, Obwang, Wängli) G II / H I 3b Zignau (GR), S. 80 Trüllmusterungsplatz J 6, S. 209 Wangbächli G II 4a, S. 240 Zollhaus Interlaken Ost, S. 104, 282, 288, 307 Tschingel J/K 9/10, S. 65, 67 Wart (zwischen Wildgärst und Schwarzhorn) Zweisimmen, S. 302 Tschingelfeld G/H 12, S. 78, 135, 141, 146, 194, L12, S. 12 (und Brienzer Flurname H II 4b) Zürich, S. 64, 74, 79, 81 f., 84, 89 f., 106, 134, 307 Wasserfall / Wasserfälle (v.a. Giessbach: G 6 – 156, 184, 189, 211, 240, 242, 244, 286, 312, Tschinglen (Weiler westl. Meiringen), S. 75 8 und Mühlebach: G 3), S. 263, 286, 307, 349 Tunnel (s. Eisenbahntunnel Brienz) 311 f., 315, 318, 322, 346 f. Tunnelgässli H II 4b, S. 219 Weissenburg, S. 73, 76, 316 Turnhalle (Dorf) H I 4b, S. 50, 52, 248 f., 271 f., Wellenberg H II 4a, S. 58 275, 277 Wengers Hubel H II 4b, S. 232 Turnhalle (Kienholz) K I 5a, S. 52 Wichtrach, S. 104 Twärenegg (südl. Rothorn) J 1, S. 12 Widderfeldgrätli, S. 12 Uetendorf, S. 123, 192 Widerberg H/J 7, S. 329 Undersitsch J 3, S. 58 f., 61 Wies (In der Wis, Wiesbiel, Wiesplatz) G II 4a, Uf der Muur G II 4b, S. 22 S. 75, 78, 238 Ufhusen (LU), S. 196 Wildbach (Hotel Restaurant) F 4, S. 364 Unspunnen (Interlaken), S. 68, 263, 310 Wildbäche (s. Glyssi-, Lamm-, Mühle-, Schwan- Unterholz F/G 7, S. 12 der-, Trachtbach sowie Ofenbielen- und Hell- Unterschwanden J/K 4, S. 31, 53 graben), S. 15, 19 – 21, 24 f., 27 f., 32, 35, Unterseen (bei Interlaken, Aareschwelle), S. 34, 37, 40, 58, 65 39, 67 f., 76 f., 81, 83, 85 f., 88 f., 103 f., 106, Wilderswil, S. 68, 77, 104, 242 147, 151, 169, 182, 190, 193, 196, 230, 284 f., Willigen (bei Meiringen), S. 217 326, 344 Wildgärst L 11, S. 12 Unterwalden, S. 73, 76 f., 79, 86 – 89, 194 Wiler (alt: Wyler bei Innertkirchen), S. 68, 75, 78, 216

393 Sachregister

Anhang

Seitenzahlen: Bereiche, die thematisch zum Armut, Arme S. 23, 32, 78– 84, 102, 107 f., 117– Berufe, alte (Stoff, Leder, Ton) S. 65, 116, 190 f., entsprechenden Stichwort passen 130, 140, 147–150, 262, 270, 288 198 Aufklärung (Zeitepoche) S. 225 Berufstätige Brienz (Grafik) S. 116 Stichworte: Bedeutungsgleiche Wörter erschei- Aufstand, Aufruhr S. 74, 76 – 90, 103 f., 108 f., Besiedlung, Siedler S. 24, 27, 32–35, 65 –72, nen in der Regel nur unter einem Begriff (z.B. 189, 199 75, 113, 136, 208 f., 326, 363 Forst unter Wald) Ausblick, Zukunft S. 366 – 368 Beten S. 118, 258 Auswanderung, Abwanderung S. 67, 126–131 Bettelei, Bettelordnung S. 122–124, 147, 189, Aal S. 17, 150 Autos (Aufkommen) S. 294 f. 270, 287 f. Aarekorrektion S. 34– 42 Axalp (Skisport, Skihütten) S. 48, 132, 327– 329 Bevölkerungsentwicklung und -grösse S. 113, Aareschwellen S. 35, 38 f., 81, 87– 89 Axalp (Tourismus) S. 207, 241, 325–330, 364 116, 124, 175–185, 363, 366 f. Abendmahl S. 92 f., 255, 257 Axalp-Erschliessung (siehe: Brienzerberg Er- Bevölkerungsstruktur S. 182–185 Aberlische Manier S. 343 schliessung) Biedermeierzeit S. 219 Abfallentsorgung (Gischtergrueben) S. 159, 365 Babyboom (Pestzeit) S. 180 Bienenzucht und Honig S. 96, 117, 160, 195, 327 Abwasser, Abwasserreinigung, ARA S. 18, 230, Backhaus S. 224 Bier S. 169, 313 237, 240 – 245, 365 Bahn (Brienz – Interlaken) S. 19 f., 31, 44, 65, 228, Bildersturm S. 85 f., 254, 256 Ahnen, Ahnentafel S. 74, 175, 196 230, 281, 288, 296, 299– 302, 365 Blockbau S. 211– 226 Alemannen S. 65 – 68, 333 Bahn (Brienz– Luzern) S. 25, 29 – 34, 44, 48– Brand, Brandgefahr S. 45, 68, 213, 219, 224, Allmend S. 75, 123, 125, 128 53, 59, 280, 293, 298 f., 365 244 f, 286, 320 Alpenflora S. 13, 16, 136, 140 f., 326 Bahn (Giessbach Drahtseilbahn) S. 318 f., 324 Brandmal, Brandzeichen S 124, 186 Alpfehde (Planalp) S. 136 Bahn (Rothornbahn) S. 20. 58, 140. 167, 207– Brandschatzung S. 74, 76, 79 106 Alphorn S. 263, 286, 312 f. 209, 302 f., 315 Brandversicherung S. 239 f. Alphütten S. 11, 19 f., 70 –72, 137–140, 222 Barock S. 218 f. Briensermärt S. 121, 123, 160, 163–166, 230 Alprechte S. 75 –79, 107, 137 f., 193, 199, 326 Bauernkrieg 1653 S. 189 –192, 198 –200 Brienserpuurli (Lied) S. 151 Alpweiden S. 13, 15, 20, 67, 72, 135, 140 f. Bauernschaft S. 29, 34, 41, 66 f., 73, 114–116., Brienz in Zahlen S. 363 – 365 Alpwirtschaft, Alpbesitzer S. 70 –72, 107, 115, 147– 151, 161, 186 Brienzer Mundart S. 68, 325, 333–341 135 – 146, 326 Bekleidung S. 23, 87–91, 96, 99, 102, 122, 159, Brienzerhaus S. 211–227 Altersheim S. 12, 25, 44 f., 52 f., 364 164 f., 258, 262, 320 Brienzersee S. 15–18, 34–36, 39, 42, 363 Anzeiger der Kirchgemeinde Brienz S. 167, 170 Bergschaft Planalp S. 135 –144 Bronzezeit S. 65-68 Arbeiter S. 25–28, 46, 59, 66, 117, 124, 126, Bergsturz, Bergsturzgefahr S. 27–29, 32, 208 Brot, Brotkontrolle S. 78, 96, 98, 100, 116 f., 151 f., 156, 233, 299, 301 Berufe, alte (Holz und Glas) S. 21, 109, 116, 157, 122, 138, 164, 194, 260, 313, 327 Arbeitslosigkeit S. 20, 122, 124, 158 f., 287, 328, 194, 198 f., 201, 216, 220, 224-226, 336, 348 Brücken, Stege S. 19–25, 32, 39 f., 52 f., 58 f. 363 Berufe, alte (Metall) S. 24, 66 f., 107, 115 f., 191– 208, 282, 285, 293, 297, 307 f., 318 Archäologie S. 65–72 195, 198 f., 243 Brunnen (Dorf-, Sod- und Hebelbrunnen) S. 24, Armenfürsorge S. 23, 84, 87, 96, 104, 118 –123, Berufe, alte (Nahrungsmittel) S. 95 –100, 115 f., 57, 101, 149, 164, 237–240 124-128, 366 f. 122, 129, 191, 194 –198, 243, 327 Buchdruckerei Brienz S. 169

394 Bund und Kanton (finanzielle Beiträge) S. 32, Ehepartner (Wahl, Herkunft) S. 176, 182 f., 195– 132, 214 38 –42, 49 f., 53 f., 58, 152, 241 199 Fischerbrunnen S. 57, 149, 164 Bundespräsident, Bundesrat S. 53, 170 Eheregister Führung S. 176 f., 182, 190 Fläche der Gemeinde S. 363 Bündnis, Bundesbrief S. 28, 76–82, 87, 89, Eheschliessung, Hochzeit S. 94, 102, 124, 176, Flachs S. 118 198 f. 179, 182 f., 284, 319 Flösserei S. 39, 78, 190, 200 Burgen S. 31, 74, 78– 82, 193 f., 200 Eheversprechen (Verlobung, Verlobte) S. 94, Forstwesen (siehe: Wald) Burger, Burgerregister S. 123 –126, 128, 179, 194, 200, 284 Französische Revolution, -Truppen S. 103 –109, 189–201 Einwohnergemeinde S. 105, 124–126, 152, 229, 125, 310 Burgerfamilien, -geschlechter S. 102, 123, 187– 294, 368 freie Bauern S. 73, 75, 193, 200 201 Eisenerze, Eisenschmelze S. 66 Freiheit, Freiheiten S. 73, 76–81, 86–90, 103 – Burgergemeinde S. 106 f., 124 –128, 299, 366, Eisenzeit S. 66 f. 109, 261, 281 368 Eiszeit S. 65, 179 –181, 184 Freiherren S. 73–81, 87, 194, 198, 253 Bürgerkrieg S. 109 Elektrizitätsgewinnung S. 48, 242–245, 307, Freilichtmuseum Ballenberg S. 70, 72, 132, 207, Burgerrat S. 126 –128 322 f., 327 212, 219, 226, 297 Burgerrecht S. 124, 193, 195 Elektrizitätsversorgung S. 43 –48, 51, 52, 59, Funde, archäologische S. 65–72 Burgrecht, Stadtrecht S. 76, 78 f., 82 242–245, 298, 302, 323, 328 Gastgewerbe Axalp, Brienzerberg S. 130, 324– Campingplatz S. 48 f., 207, 209, 364 Entsumpfung (Aareboden) S. 34 –42, 126 330, 364 Chaletbau, Chaletstil S. 154, 225, 318, 322– Entwaffnung S. 105, 189 –192, 197 Gastgewerbe Brienz (Hotels, Gasthöfe) S. 22– 324, 329 f. Epidemien (Seuchen) S. 79, 107, 118 –121, 160, 24, 32, 44, 52 f., 108, 120, 133, 146, 150 f., Chäsbrätel (Käseschnitte) S. 165, 195 179, 180 – 182, 185, 200 188, 218 f., 235, 293, 296, 344, 364 Chorgericht S. 90 –102, 114–124, 177–183, Erbrecht S. 79, 118 Gastgewerbe Brienz (Restaurants, Wirtshäuser) 189–200, 258 f., 262 Erdrutsche, Murgänge S. 20 –24, 26 –33, 43, S. 17, 31, 44, 56, 61, 90, 100, 108, 116, 124, Chorgerichtsmanuale S. 92, 100, 102, 113, 114, 50–53, 58, 87, 115, 302, 356 191, 230, 364 116, 122, 124, 178, 192 Ernährung (18., 19. Jh.) S. 116 –118 Gastgewerbe Giessbach S. 70, 286, 297, 307– Club (siehe: Vereine) Familiengeschichte S. 73, 123 –130, 169 f., 324, 364 Dachbau S. 211, 214, 216 –221, 224–227, 249, 175–183, 189 –201, 283, 313, 316, 358 Gastgewerbe Kienholz S. 31, 285 f., 289, 315 254 –256 Familiengrösse S. 180, 184 Gastgewerbe Rothorn S. 12, 302 Demokratie, Volksherrschaft S. 103, 109, 260, Familiennamen (Schreibweise, Entwicklung) Geburt (Rituale, Vorschriften) S. 94, 102, 183, 264, 274, 319 S. 102, 186, 190–200 184 f. Der Brienzer S. 167–170, 232, 265, 272, 294, Familiennamen (Übernamen) S. 102, 186, 188, Geburt (Taufeinträge, Registrierung) S. 176 –178, 302 190 f., 197–201, 255, 328, 357 186 Der Oberhasler S. 170 Familienwappen (siehe: Wappen) Geburt (Taufrituale, Vorschriften) S. 84, 90, 176, Diebstahl S. 83, 96, 169, 178, 180 Feuer (Holzfeuerung) S. 70, 138, 214 f., 224, 226 183, 255, 257 Dienstleistungen S. 73, 116, 288, 364 Feuerwehr S. 21, 51, 54, 246 –249 Geburt, Taufe (Statistik) S. 179 –185 Direktorium (Helvetik) S. 104 f., 108 f. Feuerwerk S. 289, 314 f. Gefängnis, Gefängnisstrafen (Chefi) S. 95, 96, Distrikt Brienz (Helvetik) S. 104–109, 260 f., 293 Finanzhaushalt (Gemeinde) S. 22, 25, 126, 152 f., 102, 197, 285 Dorf im Wandel S. 206 –210 228 –234, 237, 240 f., 265– 271, 300, 366 – Geigenbau und -schule S. 154 –158 Dörrhaus S. 224 368 Geldspenden, Glückskette S. 54, 56, 246 f. Echo von Grindelwald S. 167, 170 Findlinge und Runenstein S. 68, 317 Gelegenheitsarbeiter (siehe: Arbeitslosigkeit) Ehehändel S. 93–96, 183 Fische, Fischerei S. 16–18, 34, 42, 65, 77–79, S. 20, 25, 122, 158 f., 287, 328, 363

395 Gemeinde- und Gemeinderatspräsidenten, Ob- Grundwasser und Grundwasserpumpwerk Herrschaftsleute S. 78 – 81 männer S. 36, 50–53, 92, 105, 109, 120, S. 47, 50, 237, 244 Herrschaftsrechte S. 73, 79, 81 190, 197–199, 246, 264. 323, 325, 356, Gwätt (Hausbau) S. 205, 213–221 Herumschweifer S. 98, 121, 150 364–366 Hallstatt-Kultur S. 66 Hexen, Hexerei S 80 Gemeindeführungsorgan, GFO S. 51– 54, 247 Handel (Allgemeines) S. 66 f., 80 f., 108, 137 f., Hilfsbereitschaft (Unwetter) S. 45, 48–50, 54, Gemeindegrenze S. 11 288, 292 233, 247 Gemeine Herrschaften S. 103 f. Handel (Holz) S. 39, 46– 49, 81 Hintersassen S. 123–125, 183, 193, 195 Gemsen S. 14, 160 Handel (Vieh, Käse, Wein und Wurzeln) S. 115, Hirten (Kuh-, Geiss- und Schafhirten) S. 28, 66, Gemüt, Charakter S. 113 f., 150, 258, 269 118, 145 f., 191, 286 70–72, 117, 136, 141, 146, 191, 262 f., 310, Gericht, Richter S. 74 f., 79 – 83, 87 –90, 94, Hanf S. 96. 98, 118, 194 312, 343 f. 104 – 105, 108, 189–194, 199 Hausbau (datierte Gebäude) S. 227, 201 Höchster Punkt von Brienz S. 363 Geschlechter (ausgestorbene) S. 80, 189 Haushaltung und Haushaltgegenstände S. 78, Hochwasser S. 21 f., 34, 35, 38, 39, 59, 307 Gesundheitswesen S. 41, 84, 100, 118–123, 92, 114 f., 117, 164, 194, 209, 242, 245, 258, Hochwasserschutz S. 34, 39 f., 58, 62 160, 240, 276, 322, 367 363 Holzbeschaffung (Bau-, Brenn- und Schwemm- Gesundheitswesen (Ärzte) S. 116, 119, 120, 123, Haustiere (Hühner) S. 78, 96 holz) S. 39, 45, 54, 78, 96, 115, 119 f., 123, 159 –162, 176, 189, 240, 295, 321 f., 364 Haustiere (Pferde, Maultiere) S. 24, 35, 74, 105 – 140, 232, 237, 262, 266, 269 Gesundheitswesen (Hebammen) S. 99, 198, 339 108, 115, 119, 138, 145, 159, 285, 292–294, Holzdruckenmacher S. 148 Gewaltentrennung S. 109 327, 364 Holzgeräte S. 66 f., 142 f., 147, 164 Gewerbe S. 49, 108, 115 f., 126, 133, 147–155, Haustiere (Rindvieh) S. 65, 71 f., 96, 105, 115, Holzhandel, -verkauf S. 46, 48, 49 282, 358, 368 118, 138, 140, 143, 161 f., 200, 326, 364 Holzschnitzerei (siehe: Schnitzereien) Giessbach (Erschliessung) S. 286, 306 –314 Haustiere (Schweine) S. 17, 24 f., 65, 72, 115– Holzwaren S. 148 –151, 314 Giessbach (Kraftwerk) S. 48, 242, 245, 323 117, 137 f., 143 Hopp, hoppid (Brienzergruss) S. 335 Giessbach (Kurprozeduren) S. 321– 322 Haustiere (Ziegen, Schafe) S. 11, 24, 27, 65 f., Hörige, Unfreie S. 73, 75 Giessbach-Lied S. 284, 312 71 f., 83, 115, 117, 137 –140, 147, 185, 191, Hotel (Rothorn) S. 12, 302, 315, 364 Giessbachstrasse und -wege S. 308 – 315, 318, 193, 221, 313, 364 Inschriften (siehe auch: Hausbau, datierte Ge- 321, 323 Hautkrankheiten (Warzen, Eissen u. Ä.) S. 160 – bäude) S. 22, 68, 201, 216, 219, 222, 226 Glaube, Religion S. 67, 68, 80 – 93, 96, 103, 162 Jagd, Jäger S. 65 f., 69, 72, 133, 150, 160, 309, 105, 108 f., 114, 118, 137, 181, 196, 198, Heiligenverehrung S. 84, 85, 86, 253 f. 345 253 –262, 303, 339 Heilmittel, -kundige S. 149, 159 –162, 191, 277 Jungfrau Zeitung S. 167–170 Gleichheit S. 103, 107, 109 Heimatgemeinde, -recht S. 94, 102, 124, 127, Kaffee S. 117, 118, 165, 327 Glocken S. 182, 192, 256 176 –179, 182 f., 190 –199, 363 Kanäle S. 34– 42 Gossweiler Media AG S. 23, 168 –170 Heimatschein S. 124 Kanalisation S. 44 f., 233, 237, 240 f., 244 Goten S. 68 Helvetier (siehe: Kelten) Kanton Oberland S. 105 f., 261 Gotik S. 215, 217, 222, 254 f. Helvetik (Einheitsstaat, Zentralismus) S. 104 Kartoffeln S. 32, 116 f., 126, 139, 148, 237, 336 f. Gotteshausleute S. 76 – 82, 87– 89 Helvetik (Einquartierung) S. 105 –107 Käse S. 29, 67, 78, 96, 140, 145 f., 313, 322, Grab, Gräber S. 65 – 68, 312 Helvetik (Senat, Senatoren) S. 104 327 Grippe S. 121, 160 Helvetik (Urversammlung) S. 104 f., 108 Käseexport, -handel S. 29, 71 f., 115, 118, 144, Grippeepidemie 1918 S. 120 f. Helvetik, Helvetische Republik S. 103 –109, 260 145 f., 292 Grossrat und -räte S. 35–38, 104 f., 151, 237, Herrschaft Ringgenberg/Brienz S. 73– 80, 81– Käseherstellung S. 70 –72, 96, 115, 131, 138 – 296, 298, 364 87, 200. 260 f., 293 144, 195, 222, 224

396 Kelten S. 66, 67, 68 Landeskarten S. 8, 11 f., 27 f., 37, 40, 140, 207– Murmeltiere S. 14, 160 Kindergarten S. 272 f., 276, 363 209 Musicstars, Musikbands S. 132–134, 169 Kinderlehre S. 92 f., 96, 101, 260, 309 Landrechte S. 79, 89 Musik (geistliche) S. 84, 182, 188 –191, 254–284, Kinderspielplatz S. 57 Landsgemeinde S. 76, 86 –89, 104, 189, 298 309 Kindstod S. 176–182, 185 Landvogtei Interlaken, Landvogt S. 104 Musik (Gesang) S. 77, 133, 263, 282–284, 287, Kirche S. 84– 93, 138, 251–257, 259 Landwirtschaft S. 29, 34, 118, 126, 130, 135, 313, 345 Kirche Brienz S. 44, 74, 80, 182, 188, 212, 238, 138 –140, 147, 150, 164, 167, 199, 206, 214, Musik (Orgel, Organist) S. 188, 191, 254–256, 253 – 257, 262 f., 295, 343, 348, 363 221, 309, 322, 364, 368 309 Kirche, römisch-katholische S. 86, 91, 253, 363 La-Tène-Kultur S. 66 Musik und Musikanten S. 57, 132, 134, 149, Kirchen (Oberer Aareraum) S. 67 f., 74 f., 183, Lauben, Balkone S. 211–215, 218–221, 224–226, 157 f., 164, 263, 312 f., 357 f. 190, 253 254, 318 Musikinstrumentenindustrie S. 149, 156– 158 Kirchgemeinde, Kirchgenossen S. 74, 79, 84 – Laubhölzer S. 26, 39, 49, 137, 174, 325 Mutschler S. 142, 164 108, 113 f., 119 –124, 140, 152, 159, 167, Läuse S. 160 f. Nadelhölzer S. 15, 22–27, 44, 49, 52, 312, 318, 170, 175 – 184, 188 –201, 253 –257, 363 Lawinen und -gebiet S. 15, 19 – 33, 140, 162, 322, 325 Kirchturm S. 256, 351 189, 302 Nationalräte S. 302, 364 Kirschen, Kirschwasser S. 17, 117 f., 163, 181, Lebensdauer, Alter S. 177 f., 181 f., 184 f., 191– Nationalstrasse N 8, linksufrig S. 34, 42, 295 – 182, 185, 195, 313 193, 199, 353, 360 297 Kläranlagen (siehe: Abwasserreinigung) Lehenswesen S. 73–80 Natur (Flora und Fauna) S. 13 –18 Kleinviehställe S. 221 Lokalzeitung, -blatt S. 54, 167–171, 232, 294, Natur- und Uferschutz S. 13, 41 f., 139, 141, Kleine Eiszeit (siehe auch: Eiszeit) S. 179–181, 313 207, 296 f., 323 184 Lothar (siehe: Sturm «Lothar») Oberländer Anzeiger S. 285 Klima S. 41, 58, 66, 108, 117 f., 179 –181, 222, Maler, Landschaftsdarstellungen S. 34, 151, Obstbäume, Obst, -produkte S. 17, 24, 29, 116 – 327 199, 207, 282, 342– 360 118, 163, 181 f., 185, 195, 221 f., 282, 312 Klöster (Engelberg, Frienisberg, Seedorf UR) Manessische Liederhandschrift S. 77 f. ONZ Obwalden und Nidwalden Zeitung S. 73 –75, 84, 88, 253 Masse und Gewichte S. 369 S. 169 – 170 Kloster und Klosterleute (Interlaken) S. 34, 73 – Mediation S. 109, 261 Pest, Seuchen S. 79, 118 f., 180, 200 83, 86 – 89, 119, 122, 137, 188, 193, 197, Medienfachleute S. 167 Pfahlbauer S. 65, 69 200, 253 Mehrzweckhalle S. 248 Pfarrhaus S. 23, 57, 195, 219, 232, 295, 343 f., Kolbenbannerverschwörung S. 82 f. Messe, Messgewand S. 84, 86 – 90 348 Krankheit, Plagen (siehe auch Epidemien) S. 93, Michel-Schrift S. 268 Pfetten (Hausbau) S. 214, 225 96, 100, 118 –123, 159–162, 179 –182, 276, Mikrozeitung/Mikrokosmos Jungfrau S. 168 – Pionierpflanzen S. 26 355 170 Plagen, Heilmittel S. 159-162 Krapfen S. 163–165, 221 Militär, Truppen S. 34, 41, 48 f., 54, 67, 79, 81 f., Plünderungen S. 106, 260 Kreuzzug S. 74 88 –90, 103, 106 –109, 199, 209, 233, 272 Polizei S. 105, 121, 128, 169, 233, 270, 300 Kriege, Kriegsdienst (vor 1914) S. 39 f., 73–82, Minnesänger S. 77 Post S. 54, 116, 206, 219, 293, 318 103–109, 152, 189-192, 198 –200, 232, 260, Mountain Multi Media AG S. 170 Postauto S. 326, 328, 330, 365 287, 316 f. Mühle, Rybi, Knochenstampfe S. 21, 348 Postkutschen, -pferde und -schiffe S. 24, 129, Kriegssteuern S. 81, 108 Mundart, -dichtung S. 136, 166, 205, 325, 282, 293, 299, 307, 326 Kultur S. 59, 66 –68, 132–134, 147, 169, 209, 331– 341 Predigtbesuch S. 90, 254 216, 225, 235, 273, 281, 323 f., 335, 368 Munizipalität, Munizipal S. 108 f., 118, 125, 293 Preis Herbert S. 170

397 Priesterehe und Zölibat S. 86 Schiffer und singende Schifferinnen S. 180, 189, Seegärten S. 24, 57, 228– 230, 236 Quai S. 43– 57, 228–236, 240 f., 300 197 f., 281–287, 293, 310, 342– 345, 349 Seestrasse (Brienz– Interlaken) S. 19– 24, 74, Quaiwärter, -schreck S. 57, 232 Schiffstation, Ländte (Giessbach) S. 12, 285, 318, 180, 214, 293– 295, Quellen, Quellwasser S. 37, 40, 67, 140, 237– 324 Singende Schifferinnen (siehe: Musik, Gesang) 246, 307, 321, 327 Schiffschopf S. 44, 53, 218 f., 240 Sittengericht S. 91–102 Rafen (Hausbau) S. 205, 214 Schiffshäfen (Anlegestellen) S. 56 f., 230, 235, 295 Sittenmandate (Regierungserlasse) S. 90, 102 Rauchverbot, Tabakverbot S. 100 f., 118, 178, Schiffsstation (Sust) S. 78, 80, 146, 208, 285, 292 Sittenpolizei (Heimlicher, Ehegöummer, Genisst­ 192, 195 Schiffsstationen, Ländten (Tracht und Dorf) männer) S. 90, 94, 97, 99, 101 Reformation S. 84– 90, 91– 93, 137, 189 –192, S. 18, 31, 45, 47, 56 f., 104, 222, 228, 285, Sonderbundskireg S. 109 198, 253 – 255, 260 292, 318, 344 Sonntagsentheiligung S. 96 Reformationsmandat S. 84–86, 260 Schilfgebiet S. 16 f. 34, 41, 207 Souvenirmarkt S. 148–155, 284–286, 314, Regenaration S. 125, 261 Schnitzereien (Flachschnitzereien) S. 218 f., 255 342–347, 353, 355 Regierungsrat und -räte S. 15, 35–42, 53, 105, Schnitzereien (Stilrichtungen) S. 147–155, 254 f. Speicher S. 138, 142 f., 201, 220– 225, 327 121, 128, 152, 156, 238–240, 244, 268, 323 Schnitzereien, Souvenirs (Handel) S. 151, 155, Spiele, Spieler S. 90, 95, 102, 114, 122, 153, Religion, Glaube (siehe: Glaube, Religion) 342, 347, 355 164, 169, 178, 192, 197, 310, 318, 340, 358 Renaissance (Epoche) S. 84, 217 Schnitzlerhandwerk S. 147–157, 167, 254, 265, Sport S. 16 f., 102 132– 134, 153, 169, 248 f., Reptilien, Schlangen S. 14, 42, 129 284, 286, 314, 318, 325, 358, 368 272, 277, 318, 325–330, 364, 368 Requisitionen S. 105–107 Schnitzlerschule S. 23, 151–157, 240 Sporthalle S. 248 Richter, Gericht (siehe: Gericht) Schnitzlerweg S. 330 Sprachatlas der deutschen Schweiz S. 333, Ritter S. 64, 74–76, 79 Schule (Basisstufe) S. 275 f., 363 335 Romantik (Epoche) S. 225 Schule (Computer) S. 273, 275 Staatsstreich S. 109 Römer, Römerzeit S. 67 Schule (Dorfschule) S. 93, 96, 114, 124, 141, 161, Stadtrecht, Burgrecht S. 76 –79, 82 Ruedissee-Speicher S. 222 f. 248, 258–277, 283, 363, 367 Stammtafel S. 175 Runenstein S. 68 Schule (Handarbeitsklassen) S. 155, 271 f. Ständerbau S. 215, 218 Russ und Rauch S. 116, 138, 213, 214, 216, 237 Schule (integrative Förderung) S. 275– 277 Steinadler S. 14 Sagen, Überlieferungen S. 29, 68, 74, 78 f., 86, Schule (Oberstufe, dreiteilig) S. 273, 275 Steinschlag S. 26, 48, 58, 141, 185 136, 180, 189, 196, 270, 325 Schule (Primarschule) S. 130, 266 –276, 363 Steinwild S. 14 f., 141, 154, 160, 304 Säuglingssterblichkeit S. 185 Schule (Privatschule) S. 265–266 Steinzeit S. 65 f., 69 Säumer, Säumerwesen S. 80, 106, 145, 292 Schule (Sekundarschule) S. 130, 133, 267–277 Steuern S. 38, 76–81, 87, 108, 123, 237, 269, Sbrinz (Käsesorte) S. 141, 145 f., 222 Schule (Spezialunterricht) S. 275– 277, 363 366, 368 Schadburg S. 79 Schule (Turn- und Sporthalle) S. 50, 52, 248 f., Strafen (Folter und Todesurteile) S. 83 f., 89, Scheunen S. 29, 34, 41, 106, 206, 209, 219 – 271 f., 275, 277 131, 198 f. 222, 309, 327 f. Schulhäuser S. 23 f., 52, 93, 170, 207, 228, 233, Strafen (Gottesstrafen) S. 79, 84, 118 Schifffahrt (Dampfschiffe) S. 24, 32, 129, 282, 248 f., 258 –277, 300 Strafen (Bussen) S. 79, 84, 89, 91–102, 122, 285– 294, 298, 300, 314–316, 326 Schullehrer S. 270, 272, 277, 283, 326, 357 176, 189 – 197, 200, 260 Schifffahrt (Motorschiffe) S. 228, 288, 291 f. Schulmeister S. 85, 96, 101, 149, 178, 191, 198 f., Strafgericht, 1528 S. 89, 90, 189 – 192 Schifffahrt (Ruderboote, private) S. 12, 17, 45, 258–265. 268–270, 274, 283, 286 f., 309 – Strafgewalt S. 78 f., 87–92, 95 f., 101, 103, 108, 47, 287, 309, 318 311, 314, 345 f. 259 Schifffahrt (Ruderschiffe) S. 23 f., 78, 80, 89, Schutzwald S. 20, 32 Strasse (Brienz-Meiringen) S. 25, 29, 31, 32, 37, 104–107, 146, 180, 199, 222, 282, 285 Schweizer Holzstil S. 211, 225 f. 292 f.

398 Strassen und Wege (Aarboden) S. 39, 40, 207 Unwetter (Gebäudeversicherung) S. 44, 49, 247 Wald (siehe auch: Flösserei, Holzbeschaffung Strassen und Wege (Brienz Dorf) S. 68, 150, Unwetter (Krisenstab) S. 45 f. und Holzhandel) 164 f., 206 –227, 238– 241, 246, 269, 280, Unwetter 2005 S. 50– 62 Wald (Übernutzung) S. 20, 32, 34 f., 136, 140 294, 296, 363 Unwetterkatastrophen S. 33, 43– 62, 84, 244–247 Wald (Unwetter- und Tierschäden) S. 15, 19 – Strassen und Wege (Brienzerberg, Axalp) S. 39, Urfehde S. 82 21, 29, 44– 49, 53, 140, 233 174, 207, 241, 271, 296, 328–330 Uri, Urner S. 73 f., 105 f, Wald (Verschiedenes) S. 11–15, 20, 27, 28, 65, Strassen und Wege (Unwetterschäden) S. 43 – Vaterschaftshändel S. 93 f. 68, 297, 310, 363 62 Verbauungen S. 15, 20, 22, 25 –29, 32–37, 40, Wappen, Hauszeichen S. 24, 64, 74, 80, 124, Strassen, Wege (allgemeines) S. 39 f., 67, 125, 58 f., 234 153, 186 f., 199, 201, 254 209, 262, 281, 292 f., 326 Vereine S. 120, 121, 123, 132–134, 153, 156, 228, Wasserspiel S. 56 f., 235 Sturm (Lothar 1999) S. 47–49 246, 267 f., 272, 276, 327, 328, 368 Wasserversorgung S. 16, 52, 140, 237–240, Sturm (Vivian 1990) S. 43–45, 50, 56 f., 233, Vereine, Clubs S. 49, 120 –126, 132–134, 152 f., 244 f., 321 f., 365 236 156, 169, 228, 246, 248, 267, 268 f., 271 f., Weberei S. 65 Sumpfgebiet, Feuchtgebiet S. 16, 34– 42, 207 276, 327 f., 368 Web-TV S. 168 –170 Suppenangebot, Suppenanstalt S. 104, 123, Verfassung, Grundgesetz S. 104 –109, 125, Wege (Brienzergratseite) S. 11, 26, 29, 135, 133, 160, 183, 327 260 f., 367 140, 195, 256 Sust (siehe: Schiffstation) Verkehr (siehe auch: Strassen und Wege) Wegleit- und Informationssystem (Quai) S. 56 Swiss Cottage S. 225 S. 281– 304 Wehrdienste S. 45, 49 – 53, 233 Swiss School of Violin Making S. 157 Verlegerfamilie Gossweiler S. 23, 168 –170 Wein S. 78, 88, 94, 96, 116, 119, 145, 165, 183, Tabak, Tabakverbot S. 100 f., 118, 178, 192, 195 Verschwörung S. 81– 83, 103 282, 286, 292, 313 f., 318, 322, 352 Tagsatzung, Tagsatzungstruppen S. 79, 85, 124, Viehbestand (Grafik) S. 115 Weltkriege S. 25, 130 f., 156 –159, 163, 206, 199 Vivian (siehe: Sturm Vivian) 232, 248, 271, 288 – 291, 295, 296, 300 – Tagwerke S. 81 Vögel S. 14–17, 42, 78, 150, 304 302, 320 – 323 Tanzen S. 102, 105, 114, 121, 163, 165, 178, Volksbefragungen S. 84 f. Wildbäche S. 19 –33 199, 318, 355 Volkserziehung S. 96 –98, 101 f., 105, 124, 167, Wildheuerei, Bergheuerei S. 11, 15. 22, 27, 135, Tierpark S. 47, 48, 133, 153, 304 169, 260, 232, 264, 267 f., 270, 273, 283 137, 140, 185 Tierzucht S. 14, 34, 66 f., 71 f., 145, 147 Volksherrschaft, Demokratie S. 103, 109 Witwer, Witwen S. 23, 93, 128, 176 f., 181, Tod, Sterbealter S. 176–185, 191–195, 199 Vorsass S. 15, 78, 97, 135, 139, 222, 256 191 f., 197, 199, 285 Todesursachen S. 181, 185 Wachen, Wächter S. 97, 108, 118 f., 199 Zehnten S. 76, 79, 81, 84 Töpferei S. 65, 67 Waffen, Waffenstillstand S. 65 – 68, 76, 90, Zeichnen, Zeichenschule, -kurse S. 24, 151 f., Totenregister, -führung S. 113, 175 –178, 181–184 104 f., 136, 189, 195– 199, 270 167, 211 f., 220, 223, 265, 358 Tourismus S. 41, 116, 123, 147–151, 214, 232, Waffenverbot für Schulkinder S. 270 Zeitungen S. 54, 167–170, 232, 265, 272, 285, 263, 267, 281– 305, 310, 313, 317, 322– Wahlmänner S. 104, 108 294, 302 330, 342, 364–368 Wahlrecht S. 36, 76, 81, 104, 258, 268 f. Zentralismus, Einheitsstaat S. 104 Trinkwasserturbine S. 21, 245 Währungen S. 370 Zibriijen (Knabenspiel) S. 340 Tunnel S. 21, 23, 228–230, 249, 300–302 Wald (Besitz, Rechte) S. 75, 78 – 81, 125, 137, Zierelemente (Hausbau) S. 213, 215 –221, 225, Tunnelaushubmaterial für Quaianlage S. 228 – 186, 189 –194, 197–200, 299 227 230, 300 Wald (Forstwesen) S. 15, 19 –29, 32 f., 35, 40, Zinse (Bodenzinse u.Ä.) S. 73–78, 81, 87, 105, Übernamen S. 102, 108, 186 –201, 255, 328, 357 42, 45 f., 49, 50, 137, 140, 147, 230, 269, 108, 326 Umgang, Umgänger S. 123 281, 365 Zivilschutz S. 46–54

399 Zölle S. 81, 104, 282, 288, 292, 307 Zugezogene (Ausburger, Hintersassen) S. 98, 123–125, 183, 193, 195, 333, 343 Zunamen (siehe: Übernamen) Zwillinge S. 104, 184

Aus «Über Land und Meer» Allg. ill. Zeitung, Stuttgart 1859.

400 Quellen- und Literaturverzeichnis

Anhang

Natur und Naturgewalten Staatsarchiv des Kts. Bern: Plan Topogra- Bewegte Vergangenheit Bridel G.: Bericht über die Hasletalentsumpfung, phique vom Lauff der Aar im Ober-Hasli Tschumi Otto: Urgeschichte des Kts. Bern, Bern 1866 Thal bis zum Brientzer See, aufgenommen Bern 1953 Bridel G.: Gutachten von A. Mirani 1764 Bandi Hans-Georg: Die Schweiz zur Rentier- Dasen Emil: Verbauung und Aufforstung der Vogt Hermann: Die Brienzer Wildbäche, Jahr- zeit, Chur 1947 Brienzer Wildbäche, Bern 1951 buch UTB 1978 Archäologischer Dienst des Kts. Bern: Mappen Gemeindearchiv Brienz: Protokolle des Ge- Willi Andreas: Die Korrektion der Aare und die Brienz, Brienzwiler, Gadmen, Interlaken, meinderats und des Krisenstabes vom Entsumpfung des Haslitals, Interlaken 1880 Meiringen, Unterseen 28. Februar –11. April 1990 Wyss Daniel: Bericht über die Trachtbachka- Staatsarchiv des Kts. Bern: Archäologisches Gebäudeversicherung des Kts. Bern: Angaben tastrophe, Der Schweizerfreund, Jahrgang Hinweisinventar über Sturmschäden vom 27./28. Februar 1824 Stettler Bernhard: Studien zur Geschichte des 1990 in Brienz obern Aareraums im Früh- und Hochmittel- Kasthofer Karl: Bemerkungen auf einer Alpen- Nachträge Neubearbeitung 2011: alter, Thun 1964 reise über den Brünig, Pragel, Kerenzerberg, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf: Zinsli Paul: Das Berner Oberland als frühe ale- Flüela, den Maloja und Splügen, Bern 1825 Un­wetterschäden in der Schweiz im Jahre mannische Siedlungsstaffel im westlichen Kasthofer Karl: Bemerkungen auf einer Alpen- 2005, S. 50 – 54 Schweizerdeutschen Sprachraum, Heidel- reise über den Susten, Gotthard: Bernhar- Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf: Der berg 1965 din und über die Oberalp, Furka und Grim- Orkan «Lothar», eine Bilanz: Birmensdorf Feller Richard: Geschichte Berns, Bände I, II sel, Bern 1822 2010, S. 47– 49 und IV, Bern 1946 –1960 Kienholz Hans: Bericht über die Trachtbach­ Einwohnergemeinde: Abstimmungsbotschaft Fontes rerum bernensium: Bände 2–10 katastrophe 1870/71 vom 28.09.2008, S. 47–49 Buri Ernst, Schwanden: Staatsarchiv des Kts. Kurz G., Lerch Chr., Würgler A.: Geschichte der Einwohnergemeinde: Buch «Die Veränderung», Bern, Nachlässe Landschaft Hasli, Meiringen 1979 Brienz 2006, S. 50 – 54 Staatsarchiv des Kts. Bern: Ämterbuch Inter­ Naturschutzinspektorat des Kts. Bern: Ver- Gebäudeversicherung des Kantons Bern: An- laken schiedene Angaben über die Jägglisglunte gaben über Schadenfälle und Schaden- Graf-Fuchs M.: Sammlung schweiz. Rechts- Nydegger Paul: Strömungen in Seen, Zürich summen, S. 44, 49 quellen, Kt. Bern, Landschaft VI, Amt Inter- 1976 Gemeindeverwaltung Brienz: Diverse Akten laken/Unterseen Niklaus Markus: Wildbache und Lawinen am und Unterlagen, Protokolle des Krisen­ Brülisauer J.: Sammlung schweiz. Rechtsquel- rechten Brienzerseeufer, Jahrbuch UTB 1968 stabes 2005, CD mit Luftaufnahmen len, Kt. Bern, Landschaft VII, Amt Oberhasli Schmid Karl: Der Murgang des Lammbachs bei S. 50 – 54 Kurz G., Lerch Chr., Würgler A.: Geschichte der Brienz, Berlin 1896 Mündliche und schriftliche Angaben der Her- Landschaft Hasli, Meiringen 1979 Schwellengenossenschaft Aarboden: Proto­kolle ren Andreoli Andrea, Casagrande Roland, Durrer Robert: Die Freiherren von Ringgenberg, Moeri Daniel, Staeger Andreas, Weber Vögte von Brienz, Zürich 1896 Hanspeter, Wyler Paul u.a.

401 Voellmin Andrea: Holznutzngsstreitfälle am Bri- von Erlach R.: Zur bernischen Kriegsgeschichte Schweizer Käseunion AG: Käsehandel – Käse- enzersee 1030 und 1429, Zürich 1989 1798, Aktensammlung, Bern 1881 konsum – Käsekunde, o. J. Bierbrauer Peter: Freiheit und Gemeinde im Notizenbuch der Municipalitait Brienz 1801– Buri Ernst: Alt Tracht Brienz, Interlaken 1977 Berner Oberland 1300 –1700, Bern 1991 1802 Flück Peter: Die Kantonale Schnitzlerschule Robé Udo: Berner Oberland und Staat Bern, Dubi Chr.: Erinnerungen, Berner Taschenbuch Brienz 1884–1984, Bern 1984 AHVB 56, 1972 1856 Salvisberg F.: Die Holzschnitzlerei des Berner Tobler Gustav: Zu den Oberländer Unruhen Oberlandes und ihre Bedeutung, 1867 vom Jahre 1447, Anzeiger f. Schweizer Ge- Wir Brienzer Hösli Hansruedi: Geigenbau Brienz, Thun 1988 schichte, 34. Jg. Nr. 2, 1923 Jaggi Arnold: Welt- und Schweizergeschichte, Hösli Hansruedi: Geigenbau, Illustrierte Berner Staatsarchiv des Kts. Luzern: Kundschaft über Band 2, Bern 1942 Enzyklopädie, Bd. Ç, Bern 1987 Hensli Schumacher, Urk. 59 / 1129, 1130 Feller Richard: Geschichte Berns, Bände II und Archiv der Geigenbauschule Brienz und 1132 III, Bern 1953 Gemeindearchiv Brienz: Gemeinderatsprotokolle Steck R. und Tobler G.: Aktensammlung zur Junker Beat: Geschichte des Kts. Bern seit Geschichte der Berner Reformation 1521– 1798, Bände I– III, Bern 1995 Nachträge Neubearbeitung 2011: 1532, Bd. I und II, Bern 1923 Pfister Christian: Geschichte des Kts. Bern seit Archiv «Jungfrau Zeitung /der Brienzer», Meirin- Thommen Rudolf, Bern: Unterwalden und die 1798, Band IV, Bern 1995 gen, S. 167–171 Reformation im Berner Oberland Brändli Daniel: Historisch-geographisches In- Archiv Gemeinde Brienz S. 246 f. Archiv der Kirchgemeinde Brienz, Chorgerichts­ formationssystem BERNHIST, Datenedition Archiv «Jungfrau Zeitung /der Brienzer», Meirin- manuale 1587–1647, 1646 –1662, 1664– (Tabellen von Michel Peter, Grosshöchstet- gen, S. 246 f. 1695, 1695 – 1797, 1797– 1828 ten) Century Zeitung, Spezialausgabe «100 Jahre Lehmann Hermann, Grosshöchstetten: Notizen Archiv der Kirchgemeinde Brienz: Chorge- Medienhaus Gossweiler», Verlag Gosswei- Schmidt Heinrich Richard: Dorf und Religion, richtsmanuale ler Media AG, Brienz, 2007, S. 167–171 Stuttgart, Jena, New York 1995 Thüring Samuel: Staatsarchiv des Kts. Bern, Einwohnergemeinde Brienz/Mühlethaler Rolf Feller Richard: Geschichte Berns, Bände II und Pfarrbericht 1764 e.a.: Pressemitteilungen «Neue Doppelturn- III, Bern 1953 Buri Ernst: Der Brienzersee vor 150 Jahren, halle» 2009/2010, S. 248 f. Jaggi Arnold: Welt- und Schweizergeschichte, Pfarrbericht Johann Rudolf Nötiger 1780, Bern, 1942 Interlaken 1929 Reise zu den Vorfahren Junker Beat: Geschichte des Kts. Bern seit Streich Albert: Fehnn und andri Gschichtleni in Archiv der Kirchgemeinde Brienz: Chorge- 1798, Band I, Bern 1982 Brienzermundart, Bern 1948 richtsmanuale, S. 178, 181. 191– 200 von Mutach A.F.: Revolutions-Geschichte der Gusset H.: Die Alpenwirtschaft, Interlaken 1856 Burri E., Schwanden. Staatsarchiv Bern: Nach- Republik Bern 1798 –1815, Bern und Leip- Kasthofer Karl: Bemerkungen auf einer Alpen- lass (70) Dokument vom 23.1.1548, S. 199 zig 1934 reise, Bern 1822 und 1825 Chorgerichtssatzungen der Stadt Bern 1739 / Jörin E.: Der Kt. Oberland 1798 –1803, Zürich- Roth Alfr. G.: Der Sbrinz und die verwandten 1743, S. 176, 183 Selnau 1912 Bergkäse der Schweiz, Burgdorf 1993 Familiennamenbuch der Schweiz: http://www. Staatsarchiv des Kts. Bern: Akten Helvetik Reichen Quirinus: Auf den Spuren des Käses hls-dhs-dss.ch/famn/?lg=d, S. 189 –200 Oberland nach dem Süden, Bern 1989 Gemischte Gemeinde Oberried, 2003: 700 Gaudard A.H.G.: Die Oberländischen Milizen Schweizerische Käseunion AG: Die Alpkäserei Jahre Oberried, S. 189 im März 1798, Separatdruck aus dem und die Geschichte des Schweizer Käses, Graf-Fuchs M.: Sammlung Schweizerischer «Oberland» o. J. Rechtsquellen, Interlaken / Unterseen, Aarau 1957, S. 193

402 Historisches Lexikon der Schweiz, H.J. Leu, Steck R. und Tobler G.: Aktensammlung zur Ge- Rubi Christian: Im Tal von Grindelwald, Band IV, Allg. helvet. Eydg. Oder schweitz. Lexicon schichte der Berner Reformation 1521–1532, das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäu- 13, 1752, S. 196 Bd. I und II, Bern 1923, S. 190, 192, 196 de, Grindelwald 1987 Internet betr. Grossmann: www.Brienz.ch (Ge- Streich Albert: Brienzer Sagen, Bern 1978, S. Schweizer Jürg: Kunstführer Berner Oberland, schichte), S. 192 180, 188 f., 196 Bern 1987 König F.N.: Reise in die Alpen, Bern 1814, S. 182 Gemeindeverwaltung Brienz: Protokolle über Michel Thomas, Brienz: Michels (Housellers) Unser Dorf den Quaibau 1911 – 1916 Familienkiste, S. 194 Affolter Heinrich Christoph: Die Bauernhäuser Gemeindeverwaltung Brienz: Protokolle, Ver- Nöthiger Joh. Rud: Phisisch topographische des Kts. Bern, Band 1: Das Berner Ober- nehmlassungen und Pläne über den Wie- Beschreibung des Brienzer Sees (von ca. land, Basel 1990 deraufbau des vom Orkan «Vivian» zerstör- 1780): GA OGG – Mss. Oek. Ges. 4°, 10/10, Gladbach Ernst: Der Schweizer Holzstil, Darm- ten Quais S. 182 f., 195 stadt 1868 Gemeindeverwaltung Brienz: Akten und Pläne Pfister Christian und Egli Hans-Rudolf: His- Gladbach Ernst: Die Holzarchitektur der Wasserversorgung 1885 –1888 torisch-Statistischer Atlas des Kts. Bern, Schweiz, Zürich und Leipzig 1885 Gemeindearchiv Brienz: Gemeinderatsproto­kol­ 1750 –1995, Hist. Verein des Kts. BE, Bern von Graffenried Carl Adolf und Stürler Ludwig le und Protokolle von Gemeindeversamm­ 1998, S. 181 Rudolf, Schweizerische Architektur oder Aus­- lungen Pfister Christian: Klimaatlas der Schweiz. Bun- wahl hölzerner Gebäude aus dem Berner Werren Peter und Regula: Drahtseilbahn zum desamt für Landestopographie, Wabern, Oberland, Bern 1844 Reichenbach, Stromerzeugung am Reichen­ 1984. Zehnjährige Mittel von Temperatur Gugger Hans: Die Bernischen Orgeln, AHVB bach, Meiringen 1999 und Niederschlag in den Jahreszeiten; 14.4, Band 61 und 62, Bern 1978 «Der Brienzer», verschiedene Jahrgänge S. 180 Gugger Hans: Die Wiedereinführung der Orgel in Schelbert Urspeter: Bevölkerungsgeschichte den reformierten Kirchen an den Gestadten Nachträge Neubearbeitung 2011: der Pfarreien Freienbach und Wollerau im des Thuner- und Brienzersees und im enge- Gemeindeverwaltung, Laternser Fritz: Gemein- 18. Jahrhundert, Chronos Verlag, Zürich ren Oberland. Jahrbuch des UTB 1978 debetriebe Brienz, Strom- und Wasserver- 1989, S. 147 Hunziker Jakob: Das Schweizerhaus, Band 7. sorgung, Abwasserentsorgung ab 2000, Staatsarchiv Bern: B IX 475 Turmbuch, S. 189 Aarau 1913 S. 240 f. Staatsarchiv Bern: BII 347, Bauernkrieg 1653, Huwyler Edwin: Schweizerische Hausfor- Entwaffnung der Brienzer, S. 189 – 192, schung, ein Beitrag zu ihrer Geschichte, Kirche und Schule 197– 200 Jahrbuch d. Schweiz. Freilichtmuseums, Buri Ernst: Kirche Brienz, Kirchenrechtliches Staatsarchiv Bern: Fach Interlaken, 24.9.1146, Brienz 1996 und Baugeschichtliches, Jahresbericht UTB 14.4.1303, 28.4.1429, 7.5.1492, S. 186 –194, von Känel Alfred: Historische Haustypen nörd- 1940 197– 200 lich des untern Thunersees, Jahrbuch UTB Buri Ernst: Ausgrabungen in der Kirche Brienz, Staatsarchiv Bern: Kirchenbücher Meiringen, 1970 Interlaken, «Hardermannli» vom 16.12.1939 S. 181, 194, 200 von Känel Alfred: Ofenhäuser und Speicher in Buri Ernst, Schwanden: Staatsarchiv des Kts. Staatsarchiv Bern: Kirchenbücher Thierachern, der Gegend der Oberländer Seen, Jahr- Bern, Nachlass S. 192 buch UTB 1971 Staatsarchiv des Kts. Bern: Ämterbuch Inter­ Staatsarchiv Bern: Kirchenbücher von Brienz, Rubi Christian: Vierhundert Jahre Holzbaukunst laken 1559 –1872, S. 175 – 201 im Berner Oberland, Jahresbericht des Frutiger Christian: Wiederherstellung des roma- Bern. Heimatschutzes 1964 nischen Kirchturms von Brienz, Jahrbuch UTB 1955

403 Huggler Hans: Die Renovation der Kirche Hartmann Hermann: Das grosse Landbuch, Hugelshofer Walter: Schweizer Kleinmeister, Brienz 1939/40, Jahrbuch UTB 1940 Bern 1914 Zürich 1943 Gugger Hans: Die bernischen Orgeln, Bern 1978 Kopp P., Trachsler B., Flüeler N.: Malerische König-von Dach Ch., Johann Ludwig Aberli Gugger Hans: Die erste nachreformatorische Reisen durcdh die schöne alte Schweiz, König Franz Niklaus, Reise in die Alpen, Bern Orgel in der Kirche Brienz, schriftliche Mit- Zürich 1982 1814 teilung 1999 Liechti E., Meister J., Gwerder J.: Die Geschich- Ras Max (Herausgeber): Schweizer Maler, Glatt­ Wälti Thomas: Orgel Kirche Brienz, schriftliche te der Schiffahrt auf Thuner und Brienzer- brugg 1976 Mitteilung 1999 see, Thun 1986 Flück J.P.: Gedächtnisausstellung 1978 Bichsel Friedrich: Erinnerungen an Heimat und Meiners Christoph: Briefe über die Schweiz, Ferne, Brienz 1933 Berlin 1785 Nachträge Neubearbeitung 2011: Curti Theodor: Geschichte der Schweiz im Ober Peter: Interlaken und seine Umgebungen, Stähli-Wegmann Hanna: Hans Stähli Biogra- 19. Jahrhundert, Neuenburg Bern 1858 phie, S. 358–360 Fuchs Ernst: 100 Jahre Sekundarschule Brienz Spreng Hans: Das linke Brienzerseeufer – ein Wegmann Christoph, Stähli Eugen: Hans Stäh- 1869 –1969, Brienz 1970 Gelände von nationaler Bedeutung, Jahr- li – sein Werk. Ausstellungskatalog 2010, Gemeindeverwaltung Brienz: Protokolle, Ab- buch UTB 1961 S. 358– 360 stimmungsvorlagen Volmar F.A.: La Belle Batelière, Jahrbuch UTB Schneider Ernst: Die bernische Landschule am 1961 Gegenwart und Zukunft Ende des 18. Jahrhunderts, Bern 1905 Wäber A.: Zur Geschichte des Fremdenverkehrs Dräyer Thomas, Gemeindeschreiber und Mit- im engeren Berner Oberland, Jahrbuch SAC arbeiter: Angaben der Gemeindekanzlei Nachträge Neubearbeitung 2011: 1903/04 Brienz Schule Brienz: Leitbild u.a. www.schule-brienz.ch, Wagner R.: Die Wasserheilanstalt am Giess- Michel Andreas, Gemeindepräsident, und von S. 275 – 277 bach, Giessbach 1886 Bergen Heidi, Präsidentin der Planungs- Graf Regina: Neue Strukturen der Primarschule Wagner S.: Eine Reise von Bern nach Interla- kommission: Stellungnahme Brienz, PH Universität Bern/ Brienz 2008, ken, Bern 1805 S. 275-277 Wollensack H.: Hotel, Pension und Kuranstalt Bähler Stefan e.a.: 100 Jahre Schulhaus Brienz Giessbach, Zürich 1897 Dorf, Brienz, 2003, S. 275 – 277 Wyss Johann Rudolf: Reise in das Berner Oberland (2 Teile), Bern 1816/17 Verkehr und Tourismus Amman Fred: Die Giessbach-Hotels, Jahrbuch Brienz in Mundart und Malerei UTB 1978 Sprachatlas der deutschen Schweiz, Bern Berlepsch Hermann: Der Giessbach am Brien- 1962 ff. zersee und seine Umgebung, Giessbach Schild Peter: Brienzer Mundart, I. Teil, Liestal 1876 1891 (Dissertation Göttingen): II. Teil, 1894 Buri Ernst, Streich Albert: Beiträge zur Ge- Bourquin M.: Franz Niklaus König, Bern 1963 schichte von Brienz, Brienz 1953 Geiser Bernhard: Johann Ludwig Aberli und Ebel Johann Gottlieb: Anleitung auf die nütz- sein graphisches Werk, Winterthur, 1923 lichste und genussvollste Art die Schweiz Huggler Max: Der Brienzersee in der Malerei, zu bereisen, Zürich 1809 Bern 1980

404 Bildernachweis

Anhang

Die unten aufgeführten Autoren haben die pas- Gygax Max, Bern, S. 11–22, 24–34, 36, 37, 41, Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Neg. senden Fotos, Zeichnungen und Darstellungen 135, 137, 139, 141–144, 148 f., 151–155, Nr. CO-6805, S. 63 zur Illustration ihrer Aufsätze selber zusammen- 162–166, 206–210, 228–236, 259, 261, Staatsarchiv Bern, S. 36 f., 107, Faltblatt gesucht. Weiter haben verschiedene Personen 263–266, 268 f., 271–274, 281, 283–291, Stadtarchiv Bern, S. 73 in verdankenswerter Weise Fotos für unser Buch 293 f., 296 f., 301, 303, 306–313, 316–324, Staeger Andreas, Brienz, S. 248 zur Verfügung gestellt. – Bei gemalten Bildern 342, 344–354, 356 f. Familie Streich Andreas, Brienz, S. 337 haben wir natürlich den Namen des Künstlers Gyger Markus, Fotograf, Bern, S. 237, 286 Trachsel Hansueli, Fotograf, Bremgarten BE, darunter gesetzt. Hirsch Gerhard, Brienz, S. 209, 231, 232, 237 S. 368 Hösli Hans Rudolf, Brienz, S. 156,–158 Wälti Peter, Münsingen, S. 175–180, 182–185, Abplanalp Thomas, Brienz, S. 44, 45 Huggler Peter, Hotels Brienzerburli/Löwen, 187, 188, 190, 191, 193, 194, 196, 201, 205 BLS Schiffsbetriebe Thuner- u. Brienzersee, Brienz, S. 283 Thun, S. 287, 291 Huggler Willi, Bildhauer, Brienz, S. 117, 151, 153 Brienz Rothorn Bahn AG, S. 303 Kienholz Fritz, Dia-Sammlung, Brienz, S. 20, Unser Dank gehört auch den unbekannten Bundesamt für Landestopographie, Wabern, 114, 115, 144, 207 Berufs- und Amateurfotografen, deren Na- S. 140, 210 veröffentlicht mit Bewilligung Kienholz Thomas, Brienz, S. 213–220, 222, 224– men nicht ermittelt werden konnten. vom 21.7.1999 226, 361 Dräyer Thomas, Brienz, S. 367, 368 Kunstmuseum Bern, S. 345, 346, 349 Egli Hans, Metzgerei, Brienz, S. 99 Kunz-Walz Wilhelm, Zollikofen, S. 353 Elektrowerke Reichenbach Frey AG, Meiringen, Linder Peter, Leiter EWB, Brienz, S. 238, 241, S. 243 243 Kloster Engelberg, Fr. Niklas Raggenbass, En- Lüber Christian, Brienz, S. 43, 46, 298 gelberg, S. 88 Michel Peter, Grosshöchstetten, S. 91–96, 99, Ernst Peter, Brienz, S. 121, 191 100, 113–118, 120, 121, 125, 127, 129–134, Flück-Gander Flora, Brienz, S. 354 145, 146, 325–330 Flück Markus, Brienz, S. 338 Museum für Kommunikation, Bern, S. 39, 293 Flück Martin, Kunstmaler, Schwanden, S. 356, Nussbaumer Marc, Bern, 70–72 357 Perren-Roesti Ruedi, Brienz, S. 167–169, 171, Fuchs Ruedi, Wildhüter, Brienz, S. 304, 305 246–249, 275–277 Geigenbauschule, Archiv, Brienz, S. 156, 157 Perren-Zurflüh Rudolf, Brienz, S. 73, 77, 88, Prof. Dr. Gmür Rudolf, Bern, S. 93 107, 239, 253, 256 Gossweiler AG, Archiv, Brienz, S. 98, 99, 132, Rehazek André, Bern, 70–72 133 Ruef Hans, Oberried, S. 332, 337, 338 Dr. h.c. Gugger Hans, Ittigen, S. 211–227, 255 Santschi Peter, Brienz Gutscher Daniel, Bern, Brienz, S. 69, 70–72 Kantonale Schnitzlerschule Brienz, S. 149, 154 f.

405 Dank

Anhang

Am Mittwoch, den 1. Juli 2009, hat der Die Burger haben die Erstellung des Buches Gemeinderat von Brienz einer Gruppe von vier mit einem namhaften Beitrag unterstützt. Autoren den Auftrag erteilt, eine Neuauflage des 1999 erschienenen Heimatbuchs Brienz an Wichtig war für uns auch die aufwendige Arbeit die Hand zu nehmen, weil das Buch von 1999 der Firma Flotron AG, Meiringen (René Michel) vergriffen war und unser Dorf in der Zwischen- bei der Erstellung der Karte mit den Flurnamen. zeit durch die Umweltkatastrophe vom August 2005 ein neues Gesicht bekommen hatte. Es Ein Glücksfall für uns war, dass uns der Kan- war deshalb ein Bedürfnis aufzuzeichnen, was tonsarchäologe Dr. Daniel Gutscher mit seinen sich da wegen der Wasserbauprojekte, der Mitarbeitern Nussbaumer und Rehazek eine Quaisanierung, des Neubaus des Feuerwehr- Arbeit über seine Untersuchungen auf der magazins und der Doppelturnhalle verändert Axalp zum Abdruck zur Verfügung stellte. hat. Viele Beiträge der leider in der Zwischenzeit Wir zwei Autoren, die schon am Buch von 1999 verstorbenen Max Gygax und Dr. Hans Gugger mitgewirkt hatten, Rudolf Perren-Zurflüh und durften wir aus dem alten Buch übernehmen. Peter Michel, erklärten sich auf die Anfrage des Gemeinderats bereit, beim neu zu schaffenden Sehr angenehm war die Zusammenarbeit mit Buch wieder mitzuwirken, äusserten aber den der Thomann Druck AG und ihren Mitarbeitern. Wunsch, dass jüngere Kräfte als Mitarbeiter beigegeben würden. Diese fanden wir in Peter Zum Schluss sei allen Personen gedankt, die Wälti aus Münsingen und Ruedi Perren-Roesti mit Ratschlag, Auskünften, Daten und Bildern aus Brienz. dazu beigetragen haben, dass das neue Brienz- buch vor Weihnachten dieses Jahres (2011) Die neue Arbeitsgruppe übernahm und ergänz- erscheinen kann. te Darstellungen aus dem alten Buch und fügte eine ganze Anzahl neue bei. Bei dieser Arbeit Für die Autorengruppe wurde sie unterstützt und beraten von der Ge- Peter Michel meinderatspräsidentin Annelise Zimmermann und den Gemeinderäten Walter Flühmann, Pe- ter Huggler, Toni Imfeld und Menk Lüthi. Wert- voll war auch die Hilfe von Gemeindeschreiber Thomas Dräyer und Thomas Michel vom Bur- gerrat.

406 407