Das Haus Der Geschichte Der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
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Jutta Wiedmann Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn Einleitung Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (HdG) wurde vor 20 Jahren, am 14. Juni 1994 eröffnet. Vorausgegangen waren zwölf Jahre Diskussion und Planung, die ihren Anfang mit der Regierungserklärung Helmut Kohls vom 13. Oktober 1982 nahm, in der er ankündigte, in der Bundeshauptstadt Bonn eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 entstehen zu lassen (Kohl, 1982, S. 866). Das Haus der Geschichte ist eines von fünf vom Bund unterhaltenen Museen – die vier anderen sind: das Deutsche Historische Museum1 (DHM), der Martin-Gropius-Bau und das Jüdische Museum in Berlin sowie die Bundeskunsthalle in Bonn. Die Dauerausstellung des HdG umfasst die Zeit von 1945 bis in die Gegenwart. Sie verläuft chronologisch entlang der politischen Ereignisse, räumt aber auch der Alltagsgeschichte breiten Raum ein (Möller, 1986, S. 58-59; Schäfer, 1993, S.48). Die Ausstellung wurde 1994 eröffnet und 2001 und 2011 erneuert, die Neugestaltungen bezogen sich vor allem auf eine Erweiterung um die Jahre bis in die Gegenwart. Das HdG verfügt über zwei Außenstellen: das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig (eröffnet 1999), das an politische Unterdrückung, Opposition und Widerstand in der DDR erinnert sowie das Museum in der Kulturbrauerei in Berlin (eröffnet 2013), das die Alltagsgeschichte in der DDR behandelt. Das HdG ist als selbständige Stiftung mit drei Stiftungsgremien organisiert: dem Kuratorium, das über die Grundzüge der Programmgestaltung und den Haushalt entscheidet, dem wissenschaftlichen Beirat, dem Fachleute angehören und dem Arbeitskreis gesellschaftlicher 1 Ein zeitgleich von Helmut Kohl initiiertes Projekt, dessen Entstehung von ähnlich kontroversen Diskussionen begleitet wurde. 1 Gruppen, dem z. B. Vertreter der Religionsgemeinschaften und von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden angehören. Gesellschaftlicher Kontext Vorgeschichte Die Idee für ein Museum für die deutsche Geschichte nach 1945 wurde schon Ende der 1970er Jahre im Bundesinnenministerium diskutiert (Kocka, 1985, S. 59; Moller, 1998, S. 81; Schäfer, 1988, S. 27), was für die Befürworter des Projekts als Beleg dafür gilt, dass der Plan für den Museumsbau nicht parteipolitisch zuzuordnen ist (Möller, 1986, S. 57). Erstmals in einem großen Rahmen formuliert wurde die Idee, die Geschichte der Bundesrepublik nach 1945 ins Museum zu bringen, von Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung nach der Regierungsübernahme am 13. Oktober 1982 (Kohl, 1982): Unsere Republik, die Bundesrepublik Deutschland, entstand im Schatten der Katastrophe. Sie hat inzwischen ihre eigene Geschichte. Wir wollen darauf hinwirken, daß möglichst bald in der Bundeshauptstadt Bonn eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 entsteht, gewidmet der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation. (S. 866) Diese Idee wiederholte er in seiner zweiten Regierungserklärung nach der Wahl am 4. Mai 1983 (Kohl, 1983), in der er auch auf Folgendes hinwies: Wir, die Deutschen, müssen uns unserer Geschichte stellen, mit ihrer Größe und ihrem Elend, nichts wegnehmen, nichts hinzufügen. Wir müssen unsere Geschichte nehmen, wie sie war und ist: ein Kernstück europäischer Existenz in der Mitte des Kontinents. Der jungen Generation muß die deutsche Geschichte in ihren europäischen Bezügen und Bedingungen wieder geistige Heimat werden. (S. 412) Erinnerungsorte für die deutsche Geschichte nach 1945 gab es zuvor noch nicht, jedoch zwei Initiativen, die sich mit demokratischen Traditionen in der deutschen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert befassten: Zu nennen sind die 1974 eröffnete Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt und die anlässlich des 100. Jahrestags der Reichsgründung 1871 im Reichstagsgebäude in Berlin eröffnete Ausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte“ (Boockmann, 1987, S. 156; 1871 – Fragen an die Deutsche Geschichte, 1971). 2 Gesellschaftlicher Kontext Der gesellschaftliche Kontext kann als eher ungünstig bezeichnet werden, wobei zwischen der politischen und der kulturellen Dimension unterschieden werden muss. Politisch herrschten durch den Regierungswechsel 1982 und der damit einhergehenden Propagierung einer „geistig—moralischen Wende“ für ein Museum, mit dessen Hilfe „die deutsche Geschichte wieder geistige Heimat werden soll“ (Kohl, 1983, S. 412), eher günstige Umstände. Der kulturelle Kontext blieb jedoch ungünstig, denn die Idee für ein Haus der Geschichte wurde von Journalisten und Wissenschaftlern kontrovers diskutiert und die Mehrheit von ihnen stand dem Projekt ablehnend gegenüber. Folgende Ereignisse und Debatten prägten die späten 1970er und die 1980er Jahre und bilden den Hintergrund für die Diskussionen über die Pläne für das Haus der Geschichte: 1979 wurde die US-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ im bundesdeutschen Fernsehen ausgestrahlt, 1985 folgte der französische Dokumentarfilm „Shoah“. Insbesondere „Holocaust“ löste in der Bundesrepublik ein Interesse an den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus aus und leitete eine neue Phase in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ein (Reichel, 2007, S. 250). Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach in seiner Rede anlässlich des 40. Jahrestags der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1985 zum ersten Mal vom Kriegsende als Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur und traf damit auf große Zustimmung sowohl in der Bevölkerung als auch unter Publizisten. Helmut Kohl begann seine Amtszeit mit der Ankündigung einer „geistig-moralischen Wende“, mit der er sich von der sozial-liberalen Vorgängerregierung abgrenzen wollte. Auf die Geschichtspolitik bezogen bedeutete dies, sich auch mit der Geschichte seit 1945 befassen zu wollen. Die Mehrheit der deutschen Historiker war in den 1970er und 1980er Jahren der Meinung, dass der Nationalsozialismus im Mittelpunkt jeglicher Darstellungen von Zeitgeschichte stehen müsse oder zumindest gleichgewichtig neben der Darstellung der Geschichte der Bundesrepublik (Broszat, 1988, S. 259). Eine Darstellung der bundesrepublikanischen Geschichte ohne Berücksichtigung der Situation, aus der sie entstand, wurde abgelehnt (Kocka, 1985, S. 65-66). Mit der Ankündigung, den Schwerpunkt des geplanten Museums auf die Geschichte der Bundesrepublik setzen zu wollen, erregte Kohl den Widerstand dieser Historiker. 3 In denselben Kontext gehört die am 5. Mai 1985 erfolgte Kranzniederlegung auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg während eines Staatsbesuchs von US-Präsident Ronald Reagan. Was als Versöhnungsgeste geplant war, löste Kontroversen aus, da auf dem Friedhof auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt waren. Von Helmut Kohl stammt auch der Begriff von der „Gnade der späten Geburt“, den er im Zusammenhang mit einer Israel-Reise 1983 verwendete und mit dem er betonen wollte, dass die nach 1930 geborenen Deutschen, also auch ihn, keine Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus treffe. Die 1980er Jahren waren geschichtspolitisch vor allem von dem sog. „Historiker-Streit“ geprägt, der von Ernst Nolte 1986 mit dem Argument ausgelöst wurde, die Ermordung der europäischen Juden sei eine Nachahmung stalinistischer Verbrechen. Jürgen Habermas stellte sich dieser Sichtweise entgegen und nutze seine Kritik an Nolte und dessen (vermeintlichen) Unterstützern auch dafür, ein „neokonservatives Geschichtsverständnis“ der Initiatoren des Hauses der Geschichte und des Deutschen Historischen Museums anzuprangern (Duve, 1986, S. 336; Habermas 1986). Die sich intensivierende Debatte unter Beteiligung zahlreicher namhafter Historiker führte zu „einer deutlichen Lagerbildung innerhalb des intellektuellen Spektrums der Bundesrepublik der 1980er-Jahre. Auf der einen Seite sammelten sich jene, die den sozialliberalen Zeitgeist des vorangehenden Jahrzehnts in geschichtspolitischer Absicht einer konservativen Revision zu unterziehen versuchten, auf der anderen Seite jene, die den linksliberalen Konsens bekräftigen und das Bekenntnis zur Einzigartigkeit des Holocaust zum Ankerpunkt einer posttraditionalen kollektiven Identität der (West-)Deutschen erheben wollten.“ (Große Kracht, 2010, S. 1) Die 1980er Jahre sind auch geprägt von einem allgemeinen Interesse an Geschichte und der Erörterung des Begriffs „Geschichtsbewusstsein“ (Weidenfeld, 1987, S. 13-14). Laut Weidenfeld seien die Deutschen deshalb so an Geschichte interessiert, weil sie auf der Suche nach ihrer Identität sind (1988, S. 16-17). Hermann Schäfer, seit 1987 Gründungsdirektor des HdG, erhoffte sich vom Museumsprojekt die Artikulation einer nationalen Identität, die von einen Geschichtsbewusstsein getragen wird, dass den vielen Besonderheiten der bundesdeutschen Identität Rechnung trägt (Schäfer, 1988, S. 34). Zusammengefasst trafen die Planungen für das Haus der Geschichte auf eine Gesellschaft, die gerade begonnen hatte, sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu beschäftigen, in 4 der Historiker über die Einzigartigkeit des Holocaust diskutierten und die Politik eine konservative Erneuerung als notwendig erachtete. Action of Agents Die Geschichte der kontrovers geführten Diskussion um die Pläne zur Errichtung des Hauses der Geschichte begannen mit Helmut Kohls Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 und endete vorläufig mit der Eröffnung des Hauses am 14. Juni 1994. Da der Bundeskanzler Initiator war und das Bundesinnenministerium (BMI) in seinem Auftrag die Entwicklung des Projekts vorantrieb, handelt es sich um einen top down-Prozess. Entstehungsgeschichte des HdG Aufgrund