DEUTSCHER Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales 20. Januar 2017 18. Wahlperiode

Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen

A. Mitteilung ...... 3 B. Liste der eingeladenen Sachverständigen ...... 5

C. Stellungnahmen eingeladener Verbände und Einzelsachverständiger Verbraucherzentrale Bundesverband e.V...... 6 Deutsche Rentenversicherung Bund ...... 10 Bund der Versicherten e. V...... 17

1 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ...... 22 SoKa-BAU Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG ...... 26 Prof. Dr. Eckart Bomsdorf, Köln ...... 31 Deutscher Gewerkschaftsbund ...... 35 Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer, Berlin ...... 38 aba - Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V...... 42 Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D., München...... 46

2 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Mitteilung Berlin, den 16. Januar 2017

Die 103. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sekretariat Soziales Telefon: +49 30 - 227 3 24 87 Fax: +49 30 - 227 3 60 30 findet statt am Montag, dem 23. Januar 2017, 15:00 bis Sitzungssaal ca. 16:00 Uhr Telefon: +49 30 - 227 3 33 08 10557 Berlin Fax: +49 30 - 227 3 63 32 Paul-Löbe-Haus, 4.900

Achtung! Abweichender Sitzungsort!

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Punkt der Tagesordnung

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Unterrichtung durch die Bundesregierung a) Federführend: Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Ausschuss für Arbeit und Soziales Rentenversicherung, insbesondere über die Ent- Mitberatend: wicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nach- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Kultur und Medien haltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderli- Haushaltsausschuss chen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversiche- rungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbe- richt 2016 BT-Drucksache 18/10570

3 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Arbeit und Soziales Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Mitberatend: Rentenversicherungsbericht 2016 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Alterssicherungsbericht 2016) Ausschuss für Kultur und Medien und Haushaltsausschuss Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversiche- rungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbe- richt 2016 BT-Drucksache 18/10571

c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Federführend: Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weite- Ausschuss für Arbeit und Soziales rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deut- lich anheben BT-Drucksache 18/10471

d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Federführend: Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, Ausschuss für Arbeit und Soziales weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Mitberatend: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversi- Finanzausschuss cherung überführen

BT-Drucksache 18/8610

e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Federführend: Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitberatend: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Für eine faire und transparente private Altersvor- Finanzausschuss sorge und ein stabiles Drei-Säulen-System Ausschuss für Wirtschaft und Energie

BT-Drucksache 18/7371

Kerstin Griese, MdB Vorsitzende

4 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Liste der Sachverständigen zur öffentlichen Anhörung am Montag, 23. Januar 2017, 15.00 – 16.00 Uhr

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH) aba - Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) Bund der Versicherten e. V. SoKa-BAU - Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

Prof. Dr. Eckart Bomsdorf Prof. Axel Börsch-Supan Prof. Dr. Gert G. Wagner Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer

5 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)885 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Einordnung der Altersvorsorge und Bewertung der Verbraucherinnen und Verbraucher1 sind mit der Riester-Förderung Unsicherheit belastet, ob sie sich mittels ihrer Vor- Ungewissheit in der Altersvorsorge und Bewertung sorgebemühungen auf eine ausreichende Lebens- der Riester-Förderung standardsicherung im Alter einstellen können. Wäh- rend sich ältere Generationen noch darauf einstellen

1 Die gewählte männliche Form bezieht sich immer zugleich auf weibliche und männliche Personen. Wir bitten um Ver- ständnis für den weitgehenden Verzicht auf Doppelbezeichnungen zugunsten einer besseren Lesbarkeit des Textes.

6 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales konnten, ausreichend über die gesetzliche Rente ab- nicht erkennbar, dass den Vorsorgenden eine effizi- gesichert zu sein, gegebenenfalls ergänzt um eine ar- ente Förderung im Sinne von effizienten Produkten beitgeberfinanzierte Betriebsrente und ein paar pri- und bedarfsgerechten Empfehlungen für den Aufbau vater Ersparnisse, so muss jüngeren Generationen zusätzlicher Altersvorsorge angeboten werden. Um spätestens seit der Rentenreform 2001 klar sein, dass Verbrauchern mehr Gewissheit und Klarheit bei ih- sie zusätzlich vorsorgen müssen. Allerdings stoßen ren Vorsorgeentscheidungen zu geben und um zu- sie dabei auf diverse Schwierigkeiten. Teilweise sätzliche Vorsorge entsprechend zu flankieren, leitet fehlt schlicht das Geld für zusätzliche Sparbemü- sich ein hoher Handlungsdruck ab, politisch Pro- hungen, teilweise wird der Konsum heute zulasten dukt- und Beratungsqualität durchzusetzen und ent- einer Zusatzvorsorge präferiert. sprechend zu regulieren. Mit der Rentenreform 2001 wurde das Leistungsni- Abkehr von der paritätischen Finanzierung und veau in der gesetzlichen Rentenversicherung ge- steigende finanzielle Belastungen senkt. Das politische Ziel war und ist eine Stabilisie- Mit der Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus rung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversi- und der Teilprivatisierung der Altersvorsorge erfolgt cherung. Mittels der Riester-Förderung gilt es, die auch eine teilweise Abkehr von der paritätischen Fi- Absenkung des Leistungsniveaus in der gesetzlichen nanzierung. Während auf Grund der angestrebten Rentenversicherung komplett zu kompensieren. Dies Beitragsstabilität der Arbeitgeberanteil konstant sollte gelingen, wenn bleibt oder allenfalls moderat steigt, müssen Arbeit-  letztendlich alle von der Leistungsabsenkung in nehmer allein aus ihren Einkünften die Absenkung der gesetzlichen Rentenversicherung betroffenen des Rentenniveaus ausgleichen. Arbeitgeber müssen Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen sich nicht an den Aufwendungen der Arbeitnehmer Mindestbeitrag einzahlen. zur zusätzlichen Altersvorsorge beteiligen. Allein  die eingezahlten Beiträge über den gesamten durch Nutzung der Riester-Förderung steigt der Bei- Zeitraum mit 4 Prozent verzinst werden und tragssatz aus Perspektive der Arbeitnehmer um 4 Prozent. Würde zusätzlich betriebliche Entgeltum-  maximal 10 Prozent der eingezahlten Beiträge als wandlung betrieben, kämen weitere 4 beziehungs- Kosten berücksichtigt werden. weise 8 Prozent dazu. Bei einem Beitragsdeckel von Diese Kostenbelastung entspräche bei 40 Jahren An- 22 Prozent in der gesetzlichen Rentenversicherung, spardauer einer Renditereduktion durch Kosten (Ef- der sich paritätisch auf Arbeitgeber und Arbeitneh- fektivkosten) von 0,43 Prozent pro Jahr. Nach ersten mer verteilt, kommen Arbeitnehmer mit ihrer zusätz- Erkenntnissen bewegen sich die Effektivkosten der lichen Altersvorsorge faktisch auf Gesamt-Beitragss- derzeit angebotenen Versicherungs- und Fondspro- ätze von 15, 19 oder sogar 23 Prozent. Hinzukommt, dukte aber zwischen einem und drei Prozent pro dass die Arbeitgeber in der Entgeltumwandlung Jahr. noch zusätzlich entlastet werden, indem sie auch hier von der paritätischen Finanzierung durch die Die Bilanz nach 15 Jahren Riester-Förderung zeigt, Sozialabgabenfreiheit entlastet werden. Sparbeiträ- dass die Zielerreichung allerdings weder hinsicht- gen bis zur Höhe von 4 Prozent bis zur Beitragsbe- lich ihrer Verbreitung noch hinsichtlich der Leis- messungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversiche- tungsstärke der Anlageprodukte erfüllt worden sind: rung sind von Sozialversicherungsbeiträge befreit. Nicht mehr als 6,7 Millionen Menschen sparen ge- Nur bei der geplanten Zielrente soll diese Ersparnis genwärtig tatsächlich entsprechend der Zielsetzung in Höhe von 15 Prozent gegenüber dem Arbeitneh- des Gesetzgebers und schöpfen den Zulagenan- mer durch den Arbeitgeber ausgeglichen werden. spruch voll oder nahezu voll aus. Dem stehen etwa 30 Mio. Riester-Förderberechtigte gegenüber, die Die Anträge der Linken (18/10471 und 18/8610) bie- grundsätzlich von der Niveauabsenkung in der ge- ten hierzu Lösungsansätze zur fehlenden paritäti- setzlichen Rentenversicherung betroffen sind. schen Finanzierung. Die Qualität der Riester-Produkte ist sehr unter- Fazit: schiedlich. Die Qualitätsunterschiede resultieren da- Die aktuellen Reformüberlegungen sollten eine fi- raus, dass verpasst wurde, die Produkte wirksam in nanzielle Beteiligung der Arbeitgeber an der zusätz- Richtung einer hohen Produktqualität zu regulieren. lichen Altersvorsorge einbeziehen, ob nun im Sys- Aus der Beratungspraxis der Verbraucherzentralen tem der umlage- oder kapitalgedeckten Finanzie- ist bekannt, dass die Verwaltungs- und Vertriebskos- rung. ten der im Vertrieb vorzugsweise angebotenen Ries- ter-Produkte, die Verbrauchern aktiv angeboten wer- Reformansätze für die kapitalgedeckte Altersvor- den, überdurchschnittlich hoch sind und damit ein- sorge hergehend die Rentabilität gering. Der Wettbewerb Non-Profit Altersvorsorgeprodukt mit Opt-out-Zu- hat keine Produktqualität erzeugt. gang Fazit: Voraussetzung für eine „effiziente Förderung“ der Bislang wurde nicht belegt, dass die Förderung der staatlich gewollten privaten Altersvorsorge sind be- zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge einen darfsgerechte effiziente Produkte. Der Staat trägt die ausreichenden Beitrag zur Altersabsicherung er- Verantwortung für die dafür erforderlichen Marktre- zeugt. Die Kosten sind höher als geplant, Akzeptanz geln. Bedarfsgerechtigkeit lässt sich über eine konse- und Verbreitung sinken und das Zinsniveau ist weit quente Produktregulierung erzeugen. Die Verbrau- entfernt von den damaligen Annahmen. Bis heute ist

7 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales cherzentralen schlagen hierzu ein Non-Profit-Pro- Verbraucher. Verbraucher bekommen die finanziel- dukt im Sinne eines Basisproduktes zur Altersvor- len Konsequenzen einer nicht bedarfsgerechten Be- sorge vor. ratung in aller Regel erst Jahre später zu spüren. Das schwedische Modell eines Altersvorsorgefonds, Dazu gehören: Mindererträge, Mehrkosten durch an dem sich auch die Idee der Deutschland-Rente überteuerte und unflexible Verträge, gelegentlich und das Konzept des Vorsorgefonds des Verbrau- auch Wertverluste durch zu riskante Produkte oder cherzentrale Bundesverband (vzbv)2 anlehnen, weist unnötige Produktwechsel. Da es den meisten Men- in die richtige Richtung, um Produkteffizienz sicher- schen um eine zusätzliche Altersvorsorge und nicht zustellen: Nur eine oder wenige Produktvarianten um Spekulationsgewinne geht, fehlt ihnen dann das mit unterschiedlichem Risikoprofilen sollten zur so dringend benötigte Geld im Alter. Beratung und Verfügung stehen. Unterschiedlich risikoadjustierte Empfehlung auf Provisionsbasis muss daher verbo- Anlagegrundsätze tragen den unterschiedlichen Risi- ten werden. Die Niederlande und Großbritannien ha- koeinstellungen der Vorsorgesparer Rechnung. Zu ben sich für ein solches Provisionsverbot entschie- den aus Verbraucherperspektive relevanten Kriterien den – mit ersten positiven Resultaten. So zeigt sich des Non-Profit-Produktes zählen vor allem: eine positive Wirkung auf die Qualität der Beratung und der Produkte. So sind Produkte kostengünstiger  eine streng kostenorientierte Kapitalanlagever- und einfacher geworden. waltung Auf dem Weg zu einem vollständigen Provisionsver-  die Befreiung der Produkte von Kostenpositionen bot sind in einem ersten Schritt Provisionen unmiss- wie Vertriebsprovisionen und -margen, Marke- verständlich in Euro und Cent und in einer separa- tingaufwendungen, etc. (Non-Profit-Variante) ten Abrechnung offenzulegen. Regulatorische Wett-  wertpapierbasierte Kapitalanlage nach wissen- bewerbsvorteile der abhängigen Provisionsberatung schaftlich fundierten Anlagegrundsätzen (u.a. Er- gegenüber der unabhängigen Finanzberatung sind füllung von Diversifikationskriterien und eher konsequent abzubauen. Die unabhängige Beratung passiven Anlagestrategien) auf Honorarbasis ist produktübergreifend zu regeln. Daneben gilt es, den gesamten Finanzvertrieb der  Verzicht - zumindest Verzichtsmöglichkeit - auf Aufsicht der BaFin zu unterstellen. Garantien. Sicherheit ist durch Diversifikation und Langfristigkeit der Anlage zu erzeugen. Verzicht auf Ausbau der Betrieblichen Entgeltum- wandlung Das Non-Profit-Basisprodukt sollte mit Marktregeln gekoppelt werden, die den Zugang begünstigen. Für Gemäß des Entwurfs eines Betriebsrentenstärkungs- abhängig Beschäftigte böte sich ein Opt-out-Modell gesetzes soll die Förderung der betrieblichen Entgelt- über den Arbeitgeber an. Wichtig: Vertragsnehmer umwandlung weiter ausgebaut werden. Diese Initia- wären aber weiterhin nicht die Arbeitgeber, sondern tive wird seitens des vzbv grundsätzlich kritisch be- die Verbraucher, um so die Schwierigkeiten, die sich wertet und empfohlen, von einer Stärkung der be- in der betrieblichen Entgeltumwandlung zeigen, aus- trieblichen Entgeltumwandung Abstand zu nehmen. zuschließen. Wer nicht widerspricht, baut automa- Hauptgründe dafür sind, dass weder die Qualitäts- tisch private Vorsorge auf. So könnte eine Einzah- probleme auf Produktebene noch die Portabilitäts- lung über die Arbeitgeber eine gewisse Selbstdiszip- probleme gelöst werden. Daneben ergeben sich er- lin zum Sparen begünstigen. Über die Einführung ei- hebliche Nachteile aus der Sozialabgabenfreiheit der ner Opt-out-Lösung ließe sich der geringen Verbrei- betrieblichen Entgeltumwandlung. Schließlich fehlt tung entgegenwirken. Über diese Maßnahme entfällt es, die einzelne Entscheidung zur betrieblichen Ent- die Vertriebsaufgabe. Kosten für Beratung und Infor- geltumwandlung, die häufig gegenüber einer priva- mation lassen sich so erheblich reduzieren. ten Vorsorge nicht vorteilhaft ist, mittels einer unab- hängigen Beratung zu flankieren. Sollte an einer Sicherung der Beratungsqualität Stärkung der betrieblichen Entgeltumwandlung fest- Mittels eines Non-Profit-Basisproduktes, das per gehalten werden, müssen diese Probleme adressiert Opt-out einen kleinen Schubs zur besseren Verbrei- und gelöst werden: tung der Altersvorsorge erzeugen kann, ließe sich ein Produktqualität: Die betriebliche Entgeltumwand- wichtiger Teil der Probleme in der Beratung und im lung soll gestärkt werden, ohne wirksame Maßnah- Vertrieb von Altersvorsorge-Produkten begegnen. men zu ergreifen, um die Produktqualität abzusi- Weiter bleibt es aber eine der wichtigsten Aufgabe in chern. Gerade bei einem Optionssystem, in dem mit der Finanzmarktregulierung, dafür zu sorgen, dass der automatischen Entgeltumwandlung „freiwilliger sich die Beratung im Finanzvertrieb an den Bedarfen Zwang“ hin zur Teilnahme an der angebotenen Al- der Verbraucher orientiert. Geldanlagen sind vielfäl- tersvorsorge vorgenommen wird, muss aus Sicht des tig und kompliziert. Für Laien ist es kaum möglich, vzbv unbedingt ein Sparen in überteuerten Produkte Qualität, Leistung und Preis von Finanzdienstleis- verhindert werden. Deshalb adressiert der vzbv auch tungen einzuschätzen und zu erkennen, welche Pro- an der Stelle der betrieblichen Entgeltumwandlung, dukte geeignet sind. Die Finanzberatung finanziert ein staatlich organisiertes Non-Profit-Produkt einzu- sich meist über die in Produktpreisen einkalkulier- führen (vgl. Ausführungen oben). ten Provisionen – was gut für Verkäufer ist und die- sen Geld bringt, ist aber häufig nicht das Richtige für

2 http://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz_Entwurf-Stellungnahme-2012-11- 20.pdf

8 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Portabilität: Ein weiteres Problem – und damit ein Vor diesem Hintergrund wäre es konsequent, die So- weiteres Argument gegen eine Stärkung der betrieb- zialabgabenfreiheit auf die umgewandelten Entgel- lichen Entgeltumwandlung – zeigt sich beim Ar- tanteile abzuschaffen und die Geldleistungen aus beitsplatzwechsel und der dann zur Disposition ste- dieser Altersvorsorge nicht mehr mit Beiträgen für henden Portabilität des Vorsorgekapitals. Vielfältig die Kranken- und Pflegeversicherung zu belasten. entstehen bei der Portabilität finanzielle Verluste, Unabhängige Beratung: Schließlich ist die Entschei- die daraus resultieren, dass nicht der Arbeitnehmer dung für eine betriebliche Entgeltumwandlung und Vertragsnehmer ist, sondern der Arbeitgeber. In der die Abwägung, ob eine private Vorsorge vorteilhafter betrieblichen Entgeltumwandlung sollten Verbrau- ist, alles andere als trivial. Auch in den Betrieben o- cher unmittelbarer Vertragspartner werden, auch der von den mit den Betrieben zusammenarbeiten- wenn der Vertrag über den Arbeitgeber bespart wird. den Finanzvermittlern erhalten Verbraucher keine Dieses System hat sich beispielsweise bei Bauspar- unabhängige Beratung, auf die sie sich verlassen verträgen oder Fondsparplänen für vermögenswirk- können. Als Minimalanforderung für eine Stärkung same Leistungen bewährt. Vertragspartner ist der der betrieblichen Entgeltumwandlung ist es uner- Verbraucher/Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber. lässlich, zumindest eine vom Betrieb und vom Pro- Verbraucher wählen ihren Anbieter aus, der Vertrag duktanbieter unabhängige Beratung sicherzustellen. wird, solange das Arbeitsverhältnis besteht, über den Arbeitgeber bespart, und Arbeitnehmer nehmen bei Absicherung der Erwerbsminderung einem Arbeitgeberwechsel den Vertrag einfach mit. Zur Rentenreform im Jahre 2001 gehörte auch ein er- Zudem könnten Verbraucher auch bei einem Wech- heblicher Eingriff in die Absicherung der Arbeits- sel in die Selbständigkeit den Vertrag fortführen. kraft über die gesetzliche Rentenversicherung. Ver- Umgekehrt bestünde die Möglichkeit, privat besparte braucher sollten privat vorsorgen. Hier muss festge- Verträge in betriebliche Altersvorsorgeverträge um- stellt werden, dass der Markt kein angemessenes An- zuwandeln3. Gerade in Zeiten gebrochener Erwerbs- gebot für Verbraucher schafft. Viele Verbraucher ste- biographien könnte so verhindert werden, dass mit hen vor dem Problem, dass sie aufgrund ihres ausge- jedem Bruch die Anzahl der Altersvorsorgeverträge übten Berufs, ihres Alters oder wegen bestehender im Bestand des Verbrauchers steigt. Vorerkrankungen keinen angemessenen Versiche- Sozialabgabenfreiheit: Mit der Sozialabgabenfreiheit rungsschutz erhalten6. ergeben sich vielfältige Rückwirkungen auf die ein- Der vzbv ist daher der Auffassung, dass eine ange- zelnen Sozialversicherungszweige mit zum Teil messene Absicherung der Arbeitskraft der gesamten problematischen Verteilungswirkungen, aber auch Bevölkerung auf einer solidarischen und gerechten negative Effekte für einzelne Verbraucher selbst. Basis nur im System der gesetzlichen Rentenversi- Zum einen führt die Sozialabgabenfreiheit bei der cherung organisiert werden kann. Hierzu gilt es, das Entgeltumwandlung zu Mindereinnahmen bei allen Versorgungsniveau zu erhöhen7. Um ein höheres Ab- Sozialversicherungszweigen4 und somit tendenziell sicherungsniveau zu erreichen, sind zwei Maßnah- zu höheren Beitragssätzen vor allem in der Kranken-, men erforderlich: Der Rentenabschlag ist abzuschaf- Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Hiervon sind fen und die Zurechnungszeit ist um fünf Jahre zu alle Versicherten betroffen, auch diejenigen die von verlängern. der Förderung nicht profitieren können (Rentner, freiwillig Versicherte, Arbeitslose etc.) oder dürfen Schätzungen gehen davon aus, dass der Mehrauf- (aufgrund von Tarifvorbehalten). Zum anderen ver- wand bei einer Projektion bis in das Jahr 2045 bei ei- mindern sich für betroffene Verbraucher gleichzeitig ner Abschaffung des Rentenabschlages bis zu 6 Mil- ihr eigener Ansprüche auf Arbeitslosengeld, auf liarden Euro und bezüglich einer Verlängerung der Krankengeld und auf Leistungen aus der gesetzli- Zurechnungszeiten 3 Milliarden Euro betragen. chen Rentenversicherung5. In der Auszahlungsphase Diese zusätzlichen Ausgaben würden unter Berück- müssen sie die vollen Kranken- und Pflegeversiche- sichtigung des erhöhten Bundeszuschusses unter rungsbeiträge entrichten, wohingegen sie vorher heutigen Bedingungen zu einer Beitragssteigerung selbst nur ihren Arbeitnehmeranteil eingespart ha- von 0,45 Prozent und 0,23 Prozent insgesamt also ben. 0,68 Prozent führen.

3 Dies setzt voraus, dass die förderrechtlichen Rahmenbedingungen harmonisiert werden. 4Volker Meinhardt „Auswirkungen der Sozialversicherungsfreiheit der Entgeltumwandlung“ in Hans-Böckler-Stiftung, STUDY Nr. 46, Mai 2016: „Wird weiter unterstellt, dass die Teilnahme- und Beteiligungsquote konstant bleiben, dann ergibt sich für das Jahr 2014 ein Umwandlungsbetrag von rund 10 Mrd. Euro. Bei einem Umwandlungsbetrag in dieser Höhe beträgt der Ausfall an Sozialversicherungsbeiträgen ca. 4 Mrd. Euro. Auf die Rentenversicherung entfallen 1,89 Mrd. Euro, auf die gesetzliche Krankenversicherung 1,56 Mrd. Euro.“ 5 Ausgehend von einem Umwandlungsbetrag 1.460 Euro pro Jahr errechnet Meinhardt auf Grundlage der Rentenwerte von 2014 nach 25 Jahren eine Reduktion der gesetzlichen Rente um 30,25 Euro, bei 30 Jahren um 36,30 Euro. (Volker Mein- hardt, ebenda, S. 8f.) 6 Nach einer Untersuchung von Ökotest hätten lediglich 19 Prozent aller Anfragen in der Praxis zu einem Vertragsab- schluss geführt. Und von denen, die eine Police bekommen hätten, hätten 84 Prozent einen geringeren Leistungsumfang erhalten, als sie gewünscht oder beantragt hatten. 7 Im Jahre 2015 betrug der durchschnittliche Rentenzahlbetrag bei EM-Rentenzugängen für eine volle EM-Rente 711 Euro. Die Rentenneuzugänge erhielten im gleichen Jahr in den alten Bundesländern eine durchschnittliche Rente wegen Alters von 785 Euro, in den neuen Bundesländern von 917 Euro.

9 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)886 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Deutsche Rentenversicherung Bund

1. Vorbemerkung Im jährlich von der Bundesregierung vorzulegenden Gegenstand der Anhörung sind der aktuelle Renten- Rentenversicherungsbericht werden u. a. die voraus- versicherungsbericht sowie der aktuelle Alterssiche- sichtliche Entwicklung der Finanzlage der gesetzli- rungsbericht der Bundesregierung sowie das Gutach- chen Rentenversicherung in den folgenden fünf Ka- ten des Sozialbeirats zu diesen Berichten, zwei An- lenderjahren sowie – bezogen auf einen 15-jährigen träge der Fraktion DIE LINKE sowie ein Antrag der Vorausberechnungszeitraum – die Ergebnisse von Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Modellrechnungen zur Entwicklung von Beitragssatz und Rentenniveau dargestellt. Der Alterssicherungs- bericht, der einmal in jeder Legislaturperiode von der Bundesregierung vorzulegen ist, nimmt über die

10 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales gesetzliche Rentenversicherung hinaus auch die üb- Ab 2022 wird nach diesen Berechnungen eine rigen Einzelsysteme aller drei Säulen des deutschen schrittweise Anhebung des Beitragssatzes erforder- Alterssicherungssystems in den Blick. Im Alterssi- lich, bis er im Jahr 2030 auf einen Wert von 21,8 Pro- cherungsbericht werden zudem u. a. die aktuelle zent angestiegen sein wird. Damit bleibt die Beitrags- Einkommenssituation der älteren Generation, die satzentwicklung in dem Rahmen, der laut Gesetz to- Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge in der leriert werden kann, ohne dass die Bundesregierung Erwerbsgeneration sowie Betrachtungen zum künfti- gegensteuern muss. Die Vorausberechnungen der gen Versorgungsniveau im Alter dargestellt. Deutschen Rentenversicherung Bund auf Basis der Der Sozialbeirat nimmt in seinen Gutachten regelmä- Annahmen der Bundesregierung kommen zu glei- ßig zu diesen Berichten der Bundesregierung Stel- chen Ergebnissen. lung und geht darüber hinaus auf weitere Aspekte Auch im Hinblick auf die Leistungen der Rentenver- der aktuellen und künftigen Entwicklung des Alters- sicherung ist in den vergangenen Jahren eine posi- sicherungssystems ein; er diskutiert zudem Vor- tive Entwicklung zu verzeichnen. Das Rentenniveau schläge zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Ren- vor Steuern – also die statistische Relation der Stan- tenversicherung und/oder der Alterssicherung insge- dardrente zum Durchschnittsentgelt – ist zwar in samt und greift andere Themen der aktuellen Dis- den vergangenen Jahren gesunken, wie dies in den kussion zur Alterssicherung auf. Maßnahmen der Rentenreformen vom Beginn dieses Die Anträge der Fraktionen DIE LINKE sowie BÜND- Jahrhunderts mit den Dämpfungsfaktoren in der NIS 90/DIE GRÜNEN befassen sich im Wesentlichen Rentenanpassungsformel angelegt wurde. Wie bei mit dem Verhältnis von gesetzlicher Rentenversiche- der Beitragssatzentwicklung verläuft aber auch hier rung und ergänzender Zusatzvorsorge im Drei-Säu- die Entwicklung innerhalb des für die Zeit bis 2030 len-System der Alterssicherung bzw. der Ausgestal- gesetzlich zulässigen Rahmens. Das Rentenniveau tung von gesetzlicher Rentenversicherung und geför- vor Steuern wird bis etwa 2020 nur geringfügig um derter Zusatzvorsorge. Diese Aspekte werden – ne- den heutigen Wert von 48 Prozent schwanken, da- ben anderen – auch in den Berichten der Bundesre- nach aber stetig geringer werden und 2030 nach den gierung sowie dem Gutachten des Sozialbeirats the- letzten Vorausberechnungen einen Wert von matisiert. Unsere Stellungnahme konzentriert sich 44,5 Prozent erreichen. von daher im Wesentlichen auf diese Thematik. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, 2. Allgemeine Anmerkung zu den Vorlagen dass ein geringeres Rentenniveau keineswegs bedeu- tet, dass die Höhe der laufenden Renten niedriger Die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversiche- würde. Nach § 68a SGB VI ist grundsätzlich ausge- rung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schlossen, dass der aktuelle Rentenwert – und damit stellt sich grundsätzlich positiv dar. Der Beitragssatz die Höhe der laufenden Renten – geringer wird. liegt mit 18,7 Prozent unter dem Niveau Mitte der Trotz des sinkenden Rentenniveaus sind die Renten- 80er Jahre – also niedriger als in der Zeit vor der erhöhungen in den vergangenen zehn Jahren – an- Wiedervereinigung – obwohl sich die demografische ders als z. T. in anderen zurückliegenden Zeiträu- Entwicklung der Bevölkerung seither deutlich verän- men – insgesamt sogar höher ausgefallen als der An- dert hat. 1986 kamen auf einen Menschen im Alter stieg der Lebenshaltungskosten; die Rentner haben von 65- und mehr Jahren noch vier 20- bis 64-Jäh- insofern auch real eine höhere Rente bezogen. Aller- rige, heute sind es nur noch drei – der Beitragssatz dings ist der durchschnittliche Zuwachs bei den Ar- liegt heute dennoch einen halben Prozentpunkt beitsentgelten der Arbeitnehmer noch stärker gewe- niedriger als damals. sen als der Anstieg der Renten – mit dem Ergebnis Auch die Entwicklungen auf den Finanz- und Kapi- eines sinkenden Rentenniveaus. talmärkten, die für die Produkte der privaten Alters- Hinzuweisen ist darüber hinaus darauf, dass gerade vorsorge und der Betrieblichen Altersversorgung ge- in den letzten Jahren auch die durchschnittliche genwärtig erhebliche Probleme mit sich bringen, Höhe der Renten im Rentenzugang zugenommen hat konnten die gesetzliche Rentenversicherung nicht – was unter anderem auf die Maßnahmen des soge- nennenswert beeinträchtigen. Im Gegenteil: Im Okto- nannten Rentenpakets 2014 zurückzuführen ist. Das ber 2008, unmittelbar vor Ausbruch der Finanzkrise, gilt insbesondere für die Renten wegen Erwerbsmin- wurden für das Jahr 2016 ein Beitragssatz von derung; hier lag der durchschnittliche Rentenzahlbe- 19,1 Prozent und ein Rentenniveau von 47,6 Prozent trag im Rentenzugang 2015 mit 672 Euro um rund vorausberechnet. Tatsächlich stand die gesetzliche 7 Prozent höher als im Rentenzugang 2014 oder um Rentenversicherung aber trotz der zwischenzeitli- knapp 10 Prozent höher als im Rentenzugang 2013. chen Turbulenzen auf den Kapitalmärkten 2016 hin- Aber auch bei den Altersrenten sind die durch- sichtlich beider Parameter besser da als damals er- schnittlichen Zahlbeträge der Rentenzugänge in den wartet: Der Beitragssatz lag bei 18,7 Prozent und das letzten Jahren z. T. deutlich angestiegen. Rentenniveau bei 48,0 Prozent. Die Nachhaltigkeits- rücklage war zudem beinahe doppelt so hoch wie Die gute aktuelle Verfassung der Rentenversicherung seinerzeit vorausberechnet. ist aber kein Grund, nicht über die längerfristigen Entwicklungen nachzudenken – im Gegenteil: Die Der Rentenversicherungsbericht kommt auf Basis relativ entspannte aktuelle Situation ermöglicht es, von Modellrechnungen – deren Annahmen im Gut- losgelöst von kurzfristigem Krisenmanagement über achten des Sozialbeirats grundsätzlich als „nachvoll- eine sachgerechte langfristige Weiterentwicklung der ziehbar und plausibel“ bewertet werden – zu dem Alterssicherung nachzudenken. Die Beschlüsse der Ergebnis, dass der derzeitige Beitragssatz voraus- Koalition über weitere Gesetzgebungsvorhaben noch sichtlich bis Ende 2021 beibehalten werden kann.

11 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales in dieser Legislaturperiode, die Vorschläge des Bun- Leitplanken erreicht werden kann bzw. erreicht desarbeitsministeriums für ein „Gesamtkonzept zur werden soll. Es macht wenig Sinn, die beiden Alterssicherung“ oder die Überlegungen des Sozial- Werte so festzulegen, dass bereits von vornherein beirats in seinem jüngsten Gutachten liefern hierfür absehbar ist, dass sie nicht gemeinsam realisiert interessante Anregungen. Und auch die in den vor- werden können. liegenden Anträgen der Fraktionen DIE LINKE und Grundsätzlich ist bezüglich der Entwicklung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthaltenden Forderun- Beitragssatz und Rentenniveau zu bedenken, dass gen können zu einer fruchtbaren Diskussion über die diese Größen in einem gewissen Zusammenhang zu- Frage, wie die gesetzliche Rentenversicherung und einander stehen. Als „Faustregel“ kann dabei gelten: die Alterssicherung insgesamt weiterentwickelt wer- Unter sonst gleichen Bedingungen erfordert die Fi- den können, beitragen. nanzierung eines im Vergleich zum Status-Quo-Sze- Jede sachliche Diskussion über die Zukunft der Al- nario im Jahr 2030 um einen Prozentpunkt höheren terssicherung benötigt als Basis ein fundiertes Zah- Rentenniveaus eine Beitragssatzerhöhung um etwa lengerüst bezüglich der langfristig – d. h. auch über einen halben Prozentpunkt. den bislang zumeist betrachteten Zeitraum bis 2030  Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass sich hinaus – unter dem geltenden Rechtsrahmen zu er- bereits im geltenden Recht im wartenden Entwicklung. Dies hat der Sozialbeirat in § 154 Abs. 4 SGB VI der Hinweis findet, die Bun- den zurückliegenden Jahren – ebenso wie die Deut- desregierung solle „zur Beibehaltung eines Siche- sche Rentenversicherung Bund – mehrfach ange- rungsziels vor Steuern von 46 vom Hundert über mahnt. Von daher ist es aus unserer Sicht sehr zu be- das Jahr 2020 hinaus“ Maßnahmen „unter Wah- grüßen, dass das Bundesministerium für Arbeit und rung der Beitragssatzstabilität“ vorschlagen. Soziales im vergangenen Jahr Vorausberechnungen Diese Regelung hat der Gesetzgeber 2004 im Rah- vorgelegt hat, die aufzeigen, wie sich Beitragssatz men des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsge- und Rentenniveau vor Steuern unter Status-quo-Be- setzes in das Sozialgesetzbuch eingefügt. Zur Zeit dingungen bis zum Jahr 2045 voraussichtlich verän- der Formulierung dieser Regelung konnte man dern werden; auf dieses Zahlengerüst wird auch im allerdings – aufgrund der Situation an den Kapi- Antrag der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/10471) talmärkten – davon ausgehen, dass im Rahmen Bezug genommen. der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge deutlich hö- Nach diesen Vorausberechnungen würde – worauf here Erträge für die eingezahlten Beiträge zu er- der genannte Antrag zutreffend hinweist – das Ren- warten wären, als dies nun der Fall zu sein tenniveau vor Steuern bis zum Jahr 2045 auf den scheint. Damit die Lebensstandardsicherung im Wert von 41,7 Prozent absinken. Der Beitragssatz Alter auch unter den veränderten Kapitalmarkt- würde bis zum gleichen Zeitpunkt auf 23,6 Prozent bedingungen realisierbar bleibt, ist aus heutiger angestiegen sein. Nach dem vom Bundearbeitsminis- Sicht abzusehen, dass ein insgesamt höherer Bei- terium vorgelegten „Gesamtkonzept“ soll eine solche trag aufgewendet werden muss. Entwicklung aber nicht hingenommen werden; viel- 3. Zu den Vorlagen im Einzelnen mehr sollen „Haltelinien“ eingezogen werden, und zwar sowohl bezüglich des Anstiegs des Beitragssat- 3.1 Rentenversicherungsbericht, Alterssiche- zes als auch hinsichtlich des Absinkens des Renten- rungsbericht sowie Gutachten des Sozialbei- niveaus. rats zu den Berichten Die Position, dass es solcher „Haltelinien“ bedarf – Wie unter Punkt 2 ausgeführt, sind die im Renten- und zwar sowohl zur Vermeidung eines zu starken versicherungsbericht dargestellten Ergebnisse der Absinkens des Rentenniveaus als auch zur Vermei- Modellrechnungen zur Entwicklung von Beitragssatz dung eines zu starken Anstiegs des Beitragssatzes – und Rentenniveau vor Steuern in der allgemeinen wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenversicherung aus Sicht der Deutschen Renten- uneingeschränkt geteilt. Das Einziehen solcher Leit- versicherung Bund nachvollziehbar. planken – wie sie ja auch für die Zeit bis zum Jahr Sowohl im Rentenversicherungsbericht als auch im 2030 im Gesetz verankert sind – ist aus unserer Sicht Alterssicherungsbericht wurde bei den – methodisch unabdingbar. Auf diese Weise kann sichergestellt unterschiedlich angelegten – Vorausberechnungen werden, dass die demografisch bedingten Belastun- zum künftigen Versorgungsniveau einschließlich gen in der Alterssicherung auf die Systembeteiligten Riester-Rente von der in den früheren Berichten un- verteilt und nicht einseitig entweder auf die Schul- terstellten Annahme abgewichen, die nach Abzug tern der Beitragszahler (wenn es nur eine Haltelinie der Verwaltungskosten in der kapitalgedeckten Zu- bezüglich des Rentenniveaus gäbe) oder der Renten- satzvorsorge angelegten Einzahlungen würden am bezieher (wenn es nur eine Haltlinie bezüglich des Kapitalmarkt eine Rendite von 4 Prozent p. a. erzie- Beitragssatzes gäbe) gelegt werden. len. Diese Modifikation der Modellannahmen ist in- Bei welchen konkreten Werten diese Leitplanken lie- sofern zu begrüßen, als sie die realen Entwicklungen gen sollen, wird letztlich politisch zu entscheiden auf dem Kapitalmarkt aufgreift. Allerdings wird nur sein. Auf zwei Aspekte ist dabei aber aus Sicht der für eine sehr kurze Übergangszeit (2015 bis 2019) Deutschen Rentenversicherung Bund hinzuweisen. von geringeren Renditewerten ausgegangen; ab 2020 wird wieder eine konstante Rendite von 4 Prozent  Zum einen ist darauf zu achten, dass die „Halt- unterstellt. Inwieweit dies realistisch ist, wird man elinien“ unter realistischen Annahmen in beiden abwarten müssen. Dimensionen erreichbar sind – oder aber, wenn dies nicht a priori erreicht wird, Maßnahmen be- Der Sozialbeirat weist in seinem Gutachten aus un- nannt werden, mit denen die Einhaltung der serer Sicht zu Recht darauf hin, dass damit in den

12 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Modellrechnungen langfristig von einer Differenz Bund sowohl aus systematischen als auch aus vertei- von 1,5 Prozentpunkten zwischen dem langfristig lungspolitischen und ökonomischen Gründen abzu- unterstellten Wachstum der Lohnsumme und der lehnen. langfristig unterstellten Kapitalmarktrendite ausge- 3.2 Antrag „Zeit für einen Kurswechsel – Renten- gangen wird, die aktuell bei weitem nicht gegeben niveau deutlich anheben“ ist und auch historisch durchaus nicht immer gege- (BT-Drs. 18/10471) ben war. Dieses „in den Vorausberechnungen unter- stellte anhaltend positive Zins-Wachstums-Differen- Der Antrag hat das Ziel, die gesetzliche Rente zu zial“ ist, so der Sozialbeirat, „jedenfalls nicht zwin- stärken. Die Bundesregierung solle deshalb einen gend“. Die Deutsche Rentenversicherung Bund un- Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die „Deckelung“ terstützt deshalb die Anregung des Sozialbeirats, des Beitragssatzes aufgehoben und so das Rentenni- künftig bei den Vorausberechnungen zum Versor- veau als Sicherungsziel der gesetzlichen Rentenver- gungsniveau inklusive Riester-Rente auch eine Vari- sicherung wieder in den Mittelpunkt der Rentenpoli- ante mit niedrigerer Kapitalmarktrendite auszuwei- tik gerückt wird. Darüber hinaus sollten die Dämp- sen. fungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel gestri- chen, die bereits erfolgte Wirkung der Dämpfungs- Ausdrücklich unterstützt die Deutsche Rentenversi- faktoren durch einen „Rückholfaktor“ ausgeglichen cherung Bund auch die Position des Sozialbeirats, und das Rentenniveau auf mindestens 53 Prozent wonach ein höheres Rentenniveau nicht die Absi- angehoben und dort stabilisiert werden. Schließlich cherungsprobleme spezifischer Gruppen mit erhöh- wird die „Einsetzung“ einer neuen Rentenanpas- tem Altersarmutsrisiko löse. Eine aktuelle, aus Mit- sungsformel gefordert, die wieder dem Anpassungs- teln des Forschungsnetzwerks Alterssicherung grundsatz „die Rente folgt den Löhnen“ entspreche. (FNA) der Deutschen Rentenversicherung geförderte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass rund 24 Pro- Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund zent der aktuellen Grundsicherungsempfänger über- ist die dem Antrag zu Grunde liegende Zielsetzung, haupt keine eigene Rente aus der gesetzlichen Ren- die gesetzliche Rentenversicherung als tragende tenversicherung beziehen; weitere 40 Prozent bezie- Säule der Alterssicherung zu stärken, zu begrüßen. hen eine Rente von weniger als 400 Euro. Selbst eine Allerdings erscheint es keineswegs gesichert, dass ganz erhebliche Erhöhung des Rentenniveaus würde die Umsetzung der in dem Antrag geforderten Maß- in diesen Fällen nicht dazu führen, dass die Betroffe- nahmen die Realisierung dieses Ziels zur Folge nen auf ein Einkommen oberhalb des Grundsiche- hätte. Die im Mittelpunkt des Antrags stehende For- rungsanspruchs kämen. Es ist inzwischen wohl un- derung, die „Deckelung“ des Beitragssatzes aufzuge- strittig, dass Altersarmut häufig auf konkret benenn- ben und gleichzeitig das Rentenniveau auf mindes- bare Ursachen zurückzuführen ist und es zu ihrer tens 53 Prozent anzuheben und dort dauerhaft zu Bekämpfung gezielter, an diesen Ursachen orientier- stabilisieren, hätte zur Folge, dass die durch den de- ter Ansätze bedarf. mografischen Wandel entstehende Zusatzbelastung in der gesetzlichen Rentenversicherung ganz über- In diesem Zusammenhang ist die Forderung des So- wiegend von den (heutigen und künftigen) Beitrags- zialbeirats zu begrüßen, eine obligatorische Alterssi- zahlern zu tragen wäre. Insofern würde damit von cherung für Selbständige einzuführen. Aus Sicht der dem die Rentenpolitik seit der Rentenreform von Deutschen Rentenversicherung Bund erscheint dabei 1992 prägenden Grundsatz abgewichen, die anste- eine Einbeziehung der bislang nicht obligatorisch ge- henden Belastungen nicht einseitig einer der betei- sicherten Selbständigen in die gesetzliche Renten- ligten Gruppen aufzubürden. Aus Sicht der Deut- versicherung grundsätzlich als der vorzuziehende schen Rentenversicherung Bund erscheint deshalb – Ansatz. wie unter Punkt 2 erläutert – das Einziehen von Geteilt wird von uns auch die Einschätzung des So- „Haltelinien“ sowohl für das Rentenniveau als auch zialbeirates, dass die mit der Einführung der Fle- für den Beitragssatz erforderlich. xirente vorgesehene rückwirkende „Spitzabrech- Die übrigen in dem Antrag enthaltenen Forderungen nung“ von Hinzuverdiensten zu Unverständnis und ergänzen bzw. präzisieren die geforderte Anhebung einem Vertrauensverlust bei den Versicherten führen und dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus könnte. Wir haben hierauf bereits in unserer Stel- ohne eine Begrenzung des damit verbundenen Bei- lungnahme für die Anhörung im Rahmen des ent- tragssatzanstiegs. Insofern wird hierauf nicht im Ein- sprechenden Gesetzgebungsverfahrens deutlich hin- zelnen eingegangen. gewiesen. Aus Sicht der Deutschen Rentenversiche- rung Bund sollte diese Regelung daher möglichst Bezüglich der Ausführungen in der Einleitung bzw. frühzeitig evaluiert und ggf. modifiziert werden. Begründung des Antrags möchten wir anmerken: Zuzustimmen ist schließlich auch der Position des  In der Einführung wird mit Blick auf die zurück- Sozialbeirats, wonach gesamtgesellschaftliche Leis- liegenden Reformmaßnahmen – die zur Dämp- tungen nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuermit- fung des sonst zu erwartenden Beitragssatzan- teln zu finanzieren sind. Der Sozialbeirat verweist stiegs eine Begrenzung der Rentenanpassungen hierbei zu Recht auf die Finanzierung der sogenann- mit der Folge eines geringeren Rentenniveaus be- ten Mütterrente und die notwendigen Mittel für eine inhalteten – ausgeführt, dass das Rentenversiche- vorzeitige, d. h. der Lohnentwicklung vorauseilende rungssystem an Legitimation verliere, wenn nach Angleichung des aktuellen Rentenwertes (Ost) an jahrzehntelanger Arbeit das Verhältnis zwischen den aktuellen Rentenwert. Die Finanzierung gesamt- Beiträgen und Leistungen nicht mehr stimme. gesellschaftlicher Aufgaben durch die Beitragszahler Tatsächlich muss sich aber durch eine Minde- ist aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung

13 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

rung des Leistungsniveaus bei gleichzeitiger Ver- abgeschlossen habe, der Sicherungsumfang der Ries- ringerung des Beitragssatzanstiegs das Verhältnis ter-Rente in der Regel nicht alle in der gesetzlichen von Beiträgen und Leistungen keineswegs ver- Rentenversicherung abgesicherten Risiken (Alter, Er- schlechtern. Je nachdem, welches Ausmaß die werbsminderung, Hinterbliebenenabsicherung) ab- durch die Leistungsbegrenzungen begründeten decke und die Renditeerwartungen an die Kapitalan- Beitragsentlastungen annehmen, kann das Ver- lagen überzogen waren. Deshalb wird die Bundesre- hältnis von Beiträgen und Leistungen dadurch gierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzule- verschlechtert werden, gleich bleiben oder sich gen, mit dem u. a. in der gesetzlichen Rentenversi- sogar verbessern. Die regelmäßigen Berechnun- cherung ein Sicherungsniveau von 53 Prozent vor gen der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Steuern festgeschrieben sowie die Beitragssatzdecke- internen Rendite der in die Rentenversicherung lung aufgehoben, die Förderung der privaten Alters- gezahlten Beiträge zeigen, dass die Reformmaß- vorsorge eingestellt und das freiwerdende Finanzvo- nahmen aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahr- lumen für Leistungsverbesserungen in der gRV ein- hunderts keine nennenswerten Auswirkungen gesetzt wird. Darüber hinaus soll Riester-Sparern die auf das so ermittelte Verhältnis von Beiträgen Möglichkeit eröffnet werden, auf freiwilliger Basis und Leistungen der Rentenversicherung hatten. ihr Altersvorsorgevermögen in die umlagefinanzierte  In der Begründung des Antrags wird u. a. ausge- gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. führt, eine heutige monatliche Standardrente ver- Die Einschätzung, die Riester-Rente sei gescheitert, liere zwischen den Jahren 2000 und 2030 fast wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund 300 Euro an Wert. Diese Aussage soll offenbar nicht geteilt. Zutreffend ist allerdings, dass der Si- die in dieser Zeit zu erwartende Minderung des cherungsumfang der abgeschlossenen Riester-Ver- Rentenniveaus vor Steuern veranschaulichen. Al- träge sich regelmäßig auf die reine Alterssicherung lerdings ist die Entwicklung des Rentenniveaus beschränkt und die Absicherung des Erwerbsminde- nicht mit der Entwicklung der Höhe der (Stan- rungs- und Hinterbliebenenrisikos ausklammert; zu- dard-)Rente zu verwechseln. Unter Punkt 2 mindest aktuell erscheint auch der Hinweis auf die wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den überhöhten Renditeerwartungen gerechtfertigt. Wie vergangenen zehn Jahren trotz eines sinkenden unter Punkt 3.1 dargestellt, geht auch die Bundesre- Rentenniveaus nicht nur die nominale Höhe der gierung sowohl im aktuellen Rentenversicherungs- (Standard-)Renten gestiegen ist, sondern die Ren- als auch im Alterssicherungsbericht davon aus, dass ten sogar real an Wert gewonnen haben. Die Ren- zumindest in den kommenden Jahren die zuvor un- tenniveausenkung impliziert zunächst einmal terstellte Anlagerendite von den Produkten der kapi- ausschließlich, dass die Standardrente langsamer talgedeckten Zusatzsicherung nicht realisiert wird. ansteigt als die Durchschnittslöhne. Ob dadurch Angesichts von immerhin rund 16,5 Mio. Riester- der Wert der Standardrente abnimmt, zunimmt Verträgen und einem jährlichen Ansparvolumen (Ei- oder gleich bleibt, wird dagegen maßgeblich von genbeiträge plus Zulagen) von rund 10,4 Milliarden der Entwicklung der Löhne und der Preissteige- Euro kann aus unserer Sicht aber nicht von einem rungsraten im betrachteten Zeitraum bestimmt. Scheitern der Riester-Rente gesprochen werden. Im-  Die Aussage, wonach bei einer Wiederanhebung merhin verfügt gut ein Drittel aller sozialversiche- des Rentenniveaus auf 53 Prozent der Beitrags- rungspflichtig Beschäftigten im Alter zwischen satz nach heutigen Werten um 2,13 Prozent- 25 und unter 65 Jahren über eine entsprechende Ab- punkte steigen würde, ist aus Sicht der Deut- sicherung. Von den Bezieherinnen und Beziehern ei- schen Rentenversicherung Bund nicht nachvoll- nes Bruttolohns von weniger als 1.500 Euro/Monat ziehbar. In diesem Zusammenhang ist nochmals verfügte mit 38 Prozent sogar ein höherer Anteil auf die „Faustregel“ zu verweisen, wonach – un- über einen Riester-Vertrag als über eine Betriebliche ter sonst gleichen Bedingungen – ein im Ver- Altersversorgung (gut 30 Prozent). gleich zum Status-Quo-Szenario um einen Pro- Bezüglich der in dem Antrag formulierten Forde- zentpunkt höheres Rentenniveau im Jahr 2030 ei- rung, das Rentenniveau vor Steuern in der gesetzli- nen um 0,5 Prozentpunkte höheren Beitragssatz chen Rentenversicherung auf 53 Prozent anzuheben erfordert. Selbst für das Jahr 2016 erscheint ein und die Begrenzung der Beitragssatzentwicklung um 2,13 Prozentpunkte höherer Beitragssatz zur aufzuheben, sei auf die Ausführungen unter Punkt Finanzierung eines Rentenniveaus von 53 Pro- 3.2 verwiesen. zent vor diesem Hintergrund vergleichsweise Im Hinblick auf die Forderung, die Förderung der niedrig. Auf jeden Fall würde die langfristige Sta- privaten Altersvorsorge einzustellen ist zu fragen, ob bilisierung dieses Niveaus – etwa im Zeitraum dies zumindest für laufende Riester-Verträge aus bis 2045 – unter sonst gleichen Bedingungen eine Vertrauensschutzgründen überhaupt rechtlich zuläs- weitaus höhere Beitragssatzsteigerung notwendig sig und/oder sozialpolitisch vertretbar wäre, soweit machen. es Versicherte betrifft, die – etwa wegen mehrerer 3.3 Antrag „Die Riester-Rente in die gesetzliche Kinderzulagen – in der Riester-Rente zu einem deut- Rentenversicherung überführen“ lich geringeren eigenen Beitragsanteil abgesichert (BT-Drs. 18/8610) werden als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Antrag geht von der Einschätzung aus, die Ries- Hinsichtlich der Forderung, Riester-Sparern die ter-Rente sei gescheitert. Als Begründung für diese Möglichkeit einer Übertragung ihres Riester-Anlage- Einschätzung wird u. a. angeführt, dass nur knapp vermögens in die gesetzliche Rentenversicherung die Hälfte aller Förderberechtigten Riester-Verträge einzuräumen, verweist der Antrag auf ein Rechtsgut-

14 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales achten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deut-  Zudem solle eine säulenübergreifende, standardi- schen Bundestages, das die freiwillige Übertragung sierte Vorsorgeinformation eingeführt werden. der Riester-Renten in die gesetzliche Rentenversi- Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund cherung für verfassungsrechtlich unbedenklich hält. kann zu Recht die Frage gestellt werden, ob unter Allerdings macht dieses Gutachten des Wissen- den aktuellen Bedingungen des Kapitalmarktes die schaftlichen Dienstes auch „grundsätzliche Ein- Riester-Rente in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung wände“ gegen eine Übertragung von Altersvorsorge- die vollständige Kompensation des geringer werden- vermögen in die gesetzliche Rentenversicherung gel- den Anteils der gesetzlichen Rentenversicherung am tend. Die Umwandlung von Riester-Anlagevermögen angestrebten Gesamtversorgungsniveau realisieren in Entgeltpunkte im Rahmen der umlagefinanzierten kann. Insofern ist der dem Antrag zu Grunde lie- gesetzlichen Rentenversicherung sei „systemwidrig“ gende Ansatz nachvollziehbar, über Modifikationen und stünde der „Generationengerechtigkeit“ entge- der geförderten Zusatzvorsorge nachzudenken, gen, da insbesondere künftige Generationen von Bei- durch die die Riester-Rente ihrer zugedachten Funk- tragszahlern die durch die Übertragung der Vorsor- tion gerecht werden kann. Allerdings ist aus unserer gevermögen entstandenen Rentenanwartschaften fi- Sicht nicht erkennbar, wie die in dem Antrag enthal- nanzieren müssten. tene Feststellung, auch das Produktinformationsblatt 3.4 Antrag „Für eine faire und transparente pri- habe die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit der vate Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säu- Produkte kaum verbessert, begründet ist. Die Pro- len-System“ (BT-Drs. 18/7371) duktinformationsblätter lagen zum Zeitpunkt der Der Antrag geht von der Einschätzung aus, die Ries- Einbringung des Antrags noch nicht vor, sie sind erst ter-Rente werde ihrer Sicherungsfunktion im ur- seit dem 1.1.2017 bei neuen Vertragsabschlüssen sprünglich gedachten Sinn – als ergänzende Alterssi- verpflichtend. Ob sich dadurch eine Verbesserung cherung, die gemeinsam mit der gesetzlichen Ren- von Transparenz und Verständlichkeit der Produkte tenversicherung ein Gesamtversorgungsniveau ge- ergibt, kann realistisch erst eingeschätzt werden, währleisten soll, das dem zuvor von der Rentenver- wenn die Produktinformationsblätter einige Zeit ge- sicherung allein realisierten Niveau entspricht oder nutzt wurden und mögliche Verhaltensreaktionen noch darüber hinaus geht – nicht gerecht. Unter an- von Anbietern und Versicherten erkennbar sind. derem seien die dafür notwendigen Kapitalmarktren- Ob und inwieweit ein als Pensionsfonds mit staat- diten unrealistisch. Hinzu komme das Problem der lich organisiertem Ein- und Auszahlungsweg ausge- mangelnden Transparenz vieler Riester-Produkte; staltetes Basisprodukt einfacher und kostengünstiger auch das Produktinformationsblatt habe die Ver- wäre als die am Markt befindlichen Riester-Pro- gleichbarkeit und Verständlichkeit der Produkte dukte, erscheint aus unserer Sicht grundsätzlich kaum verbessert. Vor diesem Hintergrund soll die nicht gesichert. Die im Antrag in diesem Zusammen- Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfes hang angeführten Beispiele unterliegen völlig ande- aufgefordert werden, der die Möglichkeit einer fairen ren Rahmenbedingungen als Riester-Produkte, ge- und transparenten privaten Altersvorsorge eröffne. rade was kostenrelevante Tatbestände angeht. So ist Hierzu gelte es beispielsweise die schwedische „Premiepension“ als  einen Pensionsfonds als einfaches und kosten- Teil der obligatorischen Alterssicherung u.a. hin- günstiges Basisprodukt mit staatlich organisier- sichtlich der Kosten für Vertrieb und Kundenbetreu- tem Ein- und Auszahlungsverfahren als Alterna- ung grundlegend anderen Bedingungen unterworfen tive, nicht jedoch als Ersatz bestehender Riester- als Produkte der freiwilligen Zusatzvorsorge in Angebote einzuführen; Deutschland. Das Konzept einer „Deutschlandrente“, das nach dem Kenntnisstand der Deutschen Renten-  eine Neuregulierung der Riester-Förderung vor- versicherung Bund bislang nicht die für eine umfas- zunehmen, bei der die Förderung von Neuverträ- sende Analyse notwendige Konkretisierung erfahren gen auf reine Zulagenförderung mit einer spürba- hat, sieht nach den bislang vorliegenden Informatio- ren Erhöhung der Grundzulage umgestellt, der nen keine Garantie der eingezahlten Beiträge und Mindestbeitragssatz für die Inanspruchnahme Zulagen vor und würde aus diesem und anderen der vollen Förderung progressiv ausgestaltet und Gründen nicht förderfähig im Sinne der Riester- die Förderung auch auf freiwillige Beiträge in die Rente sein; insoweit sind die kostenrelevanten Rah- gesetzliche Rentenversicherung ausgeweitet menbedingungen auch hier deutlich anders als bei wird; Riester-Produkten.  durch eine Reihe von Maßnahmen die Verbesse- Im Hinblick auf die Forderung, die Riester-Förde- rung der Transparenz bestehender Riester-Pro- rung auf eine reine Zulagenförderung umzustellen, dukte zu erhöhen und ihre Kosten zu minimieren erscheint zunächst unklar, in welcher Weise dann (u. a. durch Offenlegung der Provisionen, den Beiträge und Leistungen der Riester-Produkte der Ausweis der Beratungs- und Vertriebskosten, die Besteuerung unterliegen sollen. Sofern die Aufwen- Schaffung des Berufsbilds einer unabhängigen dungen für die Riester-Produkte nicht mehr in vol- Honorarberatung, gesetzliche Kostenobergrenzen, lem Umfang von der Besteuerung freigestellt wären, die Verwendung realistischer und transparenter dürften die Voraussetzungen für eine (volle) nachge- Sterbetafeln, die Zertifizierung der geförderten lagerte Besteuerung in der Auszahlungsphase nicht Altersvorsorgeprodukte anhand von inhaltlichen mehr gegeben sein. Es erscheint jedoch zumindest und nicht nur formalen Gesichtspunkten, u. a. fraglich, ob das System der Alterssicherung für die m.). Versicherten transparenter wird, wenn man die ein- zelnen Elemente der individuellen Altersvorsorge

15 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales nach grundlegend unterschiedlichen Ansätzen be- kaum analysiert worden. Eine abschließende Bewer- steuert. tung dieses Vorschlages ist deshalb aus unserer Sicht Der Forderung des Antrags, den Mindestbeitragssatz derzeit noch nicht möglich. zur Inanspruchnahme der vollen Riester-Förderung Die Einführung einer umfassenden Vorsorgeinforma- progressiv zu staffeln, liegt ein Missverständnis der tion schließlich wäre aus Sicht der Deutschen Ren- Fördersystematik der Riester-Rente zugrunde. Der tenversicherung Bund zu begrüßen. Bestrebungen Mindestbeitrag zur Inanspruchnahme der vollen För- zur Schaffung einer solchen Vorsorgeinformation, derung ist bereits heute progressiv gestaltet: Zwar die den Versicherten Hinweise auf die von ihnen in- sind für die Inanspruchnahme der vollen Förderung dividuell in allen Säulen der Alterssicherung zu er- insgesamt im Regelfall vier Prozent des jeweiligen wartenden Leistungen gibt, werden von der Deut- rentenversicherungspflichtigen Vorjahreseinkom- schen Rentenversicherung Bund bereits seit vielen mens anzusparen, der Mindesteigenbeitrag des Ver- Jahren unterstützt. Hinzuweisen ist in diesem Zu- sicherten ergibt sich aber erst nach Abzug des indivi- sammenhang etwa auf die umfangreichen Aktivitä- duellen Zulageanspruchs. Daraus resultiert – bei ten im Rahmen der Gesellschaft für Versicherungs- gleicher zu berücksichtigender Kinderzahl – bereits wissenschaft und -gestaltung (GVG), in der neben eine progressive Gestaltung des Mindesteigenbei- der Deutschen Rentenversicherung Bund auch wei- trags für die volle Zulagegewährung in Abhängigkeit tere Institutionen der ersten Säule der Alterssiche- vom zugrunde liegenden Einkommen. rung sowie die maßgeblichen Organisationen der be- Eine Einbeziehung der freiwilligen Beitragszahlun- trieblichen Altersversorgung und der privaten Vor- gen zur gesetzliche Rentenversicherung in die Förde- sorge vertreten sind. Gerade die intensiven Bemü- rung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge würde hungen in diesem Rahmen haben aber auch deutlich eine Vermischung von Elementen des Umlage- und gemacht, dass vor der Realisierung einer solchen des Kapitaldeckungsverfahrens implizieren. Die da- „säulenübergreifenden“ Vorsorgeinformation erheb- mit verbundenen Konsequenzen sind nach Wissen lich höhere methodische und fachliche Hürden zu der Deutschen Rentenversicherung Bund bislang nehmen sind, als gemeinhin vermutet wird.

16 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)887 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Bund der Versicherten e. V.

1. Die Gestaltung der Riester-Produkte ist transparente Produktgestaltungen umstritten gewe- weitgehend intransparent und kostenträch- sen sind: kapitalbildende Versicherungen – dazu tig zählen hier „klassische“ und fondsgebundene Ren- Als der Gesetzgeber 2002 die staatliche Förderung tenversicherungen. privater Altersvorsorgeprodukte (sog. Riester-Ren- ten) eingeführt hat, sind einseitig solche Produkte Darüber hinaus sieht das Altersvermögensgesetz gefördert worden, die schon vorher – z.T. seit vielen auch eine „Riesterfähigkeit“ von Sparplänen vor Jahrzehnten – in Deutschland angeboten worden (Banksparpläne und Fondssparpläne). Allerdings hat sind und überwiegend durch hohe Kosten und in- der Gesetzgeber hier die Vorgabe gemacht, dass das

17 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Guthaben aus nicht versicherungsförmigen Riester- Entscheidend für die Rentenleistungen sind dann Sparverträgen (zum 85. Lebensjahr des Sparers) die angesetzten Sterbetafeln. Je nachdem wie hoch ebenfalls in eine Rentenversicherung überführt wer- die angenommene Lebenserwartung der versicherten den muss, die lebenslange Rentenleistungen erbringt Person ist, fällt die Rente höher oder niedriger aus. („Restverrentungspflicht“).

Wie aus der tabellarischen Darstellung ersichtlich 3. Abschluss- und Vertriebskosten auf Zuzahlungen

LEBENSERWARTUNGEN JE NACH ERREICHTEM ALTER, GESCHLECHT UND GEWÄHLTER STERBETAFEL

Statistisches Bundesamt DAV04R normal DAV04R extrem

Alter in 2016 Männlich Weiblich Männlich Weiblich Männlich Weiblich

0 86,4 90,7 100,5 104,1 110,8 114

30 84,5 89 95,4 99,4 105,1 108,1

60 83,6 87,5 91,2 95,1 98,5 102,9

85 91 91,7 93,6 95,4 99,4 101,3

Quelle Generationensterbetafeln für Deutschland - Ermittelt als sogenannte Aggregatstafel Ermittelt als sogenannte Aggregatstafel Modellrechnungen für die erster Ordnung nach der Veröffentlichung erster Ordnung nach der Veröffentlichung Geburtsjahrgänge 1896-2009 der Deutschen Aktuarvereinigung der Deutschen Aktuarvereinigung Statistisches Bundesamt 2011 https:/ / aktuar.de/ unsere- https:/ / aktuar.de/ unsere- themen/ lebensversicherung/ sterbetafeln/ themen/ lebensversicherung/ sterbetafeln/ UT_LV_7.pdf UT_LV_7.pdf

Anmerkung Für 0-jährige hier die Zahlen für 2009 Einschlägig sind die Werte für Frauen, da Hier ist die Aggregatstafel 1. Ordnung mit Geborene, da die Tafel bei Gebrurtsjahr in der Kalkulation keine Unterscheidung einem Faktor von 50 % gerechnet. 2009 endet. zwischen Männern und Frauen gemacht Einschlägig sind auch hier die Werte für werden darf. Daher sind grundsätzlich die Frauen, da in der Kalkulation keine Werte für Frauen einschlägig. Unterscheidung zwischen Männern und Frauen gemacht werden darf. Daher sind grundsätzlich die Werte für Frauen einschlägig. ist, variieren allein bei Lebensversicherungsunter- 4. Abschluss- und Vertriebskosten auf staatliche nehmen die derzeit angenommenen Lebenserwar- Zulagen tungen für eine heute 67 Jahre alte Person sehr stark. 5. Verwaltungskosten auf laufende Beiträge Der Unterschied der Lebenserwartung zwischen der 6. Verwaltungskosten auf Beitragserhöhungen bei einer realistischen Tafel und einer besonders ext- remen Ausprägung kann also durchaus 15 Jahre be- 7. Verwaltungskosten auf Zuzahlungen tragen. Die angenommen Verrentungsdauer erhöht 8. Verwaltungskosten auf staatliche Zulagen sich dadurch um etwa 50 %. Je nachdem welche Ta- fel angesetzt wird, ergibt sich dann eine deutlich ge- 9. Verwaltungskosten in der Rentenphase ringere Rente. Bei einem Wechsel des Guthabens (in ein anderes Die Kosten bei Riester-Rentenversicherungen Riesterprodukt bzw. zu einem anderen Anbieter) werden diese Kosten erneut verrechnet (zzgl. Wech- Eine Riester-Rentenversicherungsvertrag wird mit ei- selkosten in Höhe von bis zu 150 Euro je Vertrags- ner Vielzahl von Kosten belastet, die im Regelfall guthaben), wobei bis zu 50 Prozent des übertragenen vom Beitrag abgezogen werden: Kapitals bei der Berechnung der „erneuten“ Ab- 1. Abschluss- und Vertriebskosten auf laufende Bei- schluss- und Vertriebskosten berücksichtigt werden träge dürfen. 2. Abschluss- und Vertriebskosten auf Beitragserhö- Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Es können hungen noch weitere Kosten hinzukommen – so werden z.B. bei fondsgebundenen Riester-Rentenversicherungen

18 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales noch Fondskosten bei der Tarifkalkulation berück- Diese Kostenstruktur ist insbesondere dann ein Prob- sichtigt: Ausgabeaufschläge, Kosten der Fondsver- lem für die Sparerinnen und Sparer, wenn der Ver- waltung (Managementgebühren, Depotbankgebüh- trag nicht (wie bei Vertragsabschluss vorgesehen) ren, Transaktionsgebühren und sonstige Betriebsge- „durchgehalten“ wird. bühren) etc. Diese Kostenbelastung sowie -intransparenz ist vom Gesetzgeber (im Altersvorsorge-Zertifizierungsge- setz) ausdrücklich geregelt. Beispiel 1: Kostenübersicht einer fondsgebundenen Riester-Rentenversicherung (Auszug aus den Allge- meinen Versicherungsbedingungen des Anbieters):

19 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Beispiel 2: Kostenübersicht eines Riester-Fondssparplans (Auszug aus dem Muster-Produktinformations- blatt des Anbieters):

Sparpläne können(!) eine günstigere Kostenstruktur Riester-Verträgen in der vom Gesetzgeber verlangten aufweisen als Versicherungsprodukte. Dies gilt aber Garantie der eingezahlten Beiträge. Diese Garantie ist nur für die Ansparphase. Bei der Übertragung des zwar nur sehr eingeschränkt, da sie nur auf einen Guthabens in eine Rentenversicherung (zum 85. Le- Zeitpunkt bezogen greift: So muss zu Beginn der bensjahr des Sparers – siehe oben) werden vergleich- Auszahlungsphase mindestens die Summe der ein- bare Kosten wie oben dargestellt verrechnet. gezahlten Beiträge (Eigenleistung zzgl. staatliche Zu- 2. Vom Gesetzgeber verursachte/ausgelöste Kosten lage) garantiert werden (was eine erneute Verrech- nung von Abschluss- und Vertriebskosten bei der Neben den Abschluss-/Vertriebs- und Verwaltungs- Übertragung in eine Rentenversicherung – z.B. bei kosten besteht ein wesentliches Kernproblem bei Sparplänen – nicht ausschließt). Diese Garantien

20 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales sind aber sehr teuer – und je niedriger die Zinsen, die sonstigen privaten Lebens- und Rentenversiche- desto teurer wird diese Garantie für den Riester-Spa- rungen sein dürfen. Hier lässt der nationale Gesetz- rer. Dies gilt gleichermaßen für Anlagen in festver- geber – nach aktuellem Stand – eine Lücke. Da staat- zinslichen Wertpapieren wie auch für Anlagen in lich geförderte Altersvorsorgeprodukte nicht unter Aktien. Vor dem Hintergrund der aktuellen Niedrig- die Versicherungsanlageprodukte (als Teil der zinsphase erhöht sich damit der Kostendruck auf die PRIIPs) fallen und somit auch nicht unter die IDD- Anbieter. Exemplarisch äußert sich diese Problema- Richtlinie fallen, müsste hier auf nationaler Ebene tik bei Banksparplänen: Sie gelten (in der Einzah- eine Regelung erfolgen. lungsphase) als sehr kostengünstig. Da die Kosten Das Schutzniveau von IDD könnte vor allem in drei- bei vielen Tarifen mit den Zinserträgen verrechnet erlei Hinsicht als Richtschnur für ein angemessenes werden, haben die meisten Anbieter das Neugeschäft Schutzniveau der Verbraucherinnen und Verbrau- mit Banksparplänen eingestellt. Durch den weiteren cher fungieren: Fortgang dieser Niedrigzinsphase verschärft sich bei allen Riester-Angeboten die Problematik, Kosten 1) IDD-Richtlinie und IDD-Umsetzungsgesetz überhaupt decken zu können. fordern eine Offenlegung von Interessenkonflikten, damit nicht gegen das Gebot verstoßen wird, immer Fazit: Neben den hohen Abschluss-/Vertriebs- und "im bestmöglichen Interesse des Kunden" zu han- Verwaltungskosten ist die aktuelle Nullzinspolitik deln. IDD fordert außerdem bei Versicherungsanlage- im Zusammenspiel mit der gesetzlich vorgeschriebe- produkten die detaillierte Offenlegung der Vertriebs- nen Kapitalgarantie ein weiterer gewichtiger Grund kosten auf Nachfrage des Kunden. Beide IDD-Anfor- für das Scheitern der Riester-Vorsorge. derungen beinhalten insofern sowohl eine Offenle- 3. Basisprodukte als Alternative gung von Provisionen als auch strikte Kostenbegren- Um Alternativen zu den aktuellen Riester-Varianten zungen. zu eröffnen, muss der Gesetzgeber zunächst ermögli- 2) Nicht durch die IDD-Richtlinie, aber durch chen, dass Anbieter auf die Kapitalgarantie verzich- das deutsche IDD-Umsetzungsgesetz soll die Honor- ten können (sofern die Kunden es wünschen). arberatung im Versicherungsbereich gefördert wer- Ist diese Voraussetzung erfüllt, könnte mehr Wettbe- den (strikte Trennung von Provisionsvermittlung werb ausgelöst werden, wenn ein Markt für ein ein- und Honorarberatung, Einführung des neuen Hono- faches, verständliches und kostengünstiges Basispro- rar-Versicherungsberaters, Provisionsabgabeverbot dukt geschaffen wird, der – unter den gleichen Re- für Vermittler und Provisionsdurchleitung für Hono- geln – mit den anderen Riester-Produkten konkur- rarberater usw.). Dies ermöglicht transparente Rech- riert. nungsstellungen, separiert nach Beratungsleistung und Produktprämie. Um große Einheiten herzustellen, die eine entspre- chende Kaufkraft am Markt platzieren, könnte zur 3) Nach dem neuen Produktfreigabeverfahren Bereitstellung des Basisprodukts ein öffentlich ver- nach IDD (Artikel 25 der Richtlinie sowie §23VAG-E walteter Fonds platziert werden. im Umsetzungsgesetz) müssen alle neuen Produkte durch die Versicherer selbst vorab getestet werden, Der Fonds könnte ob sie den Bedürfnissen eines festgelegten Zielmark- 1. als Dachfonds organisiert werden, der in tes entsprechen, was nach der Markteinführung zu- private Fonds investiert und durch Degressionsvor- sätzlich "regelmäßig überprüft" werden muss. Das teile in einem kollektiven Anlagestock vergleichbare bedeutet, dass z.B. auch transparente und realisti- Kostenvorteile wie bei institutionellen Großanlegern sche Sterbetafeln sowie die Verteilung von Risiken realisiert, so dass sich die Verwaltungskosten ent- und Erträgen in kapitalbildenden Versicherungen sprechend reduzieren würden. Denkbar wäre auch angemessen zu gestalten sind. 2. ein Pensionsfonds, der – analog zum Pensi- 5. Bewertung onsfonds in der bAV – keine Gewinnerzielungsab- Aus Verbrauchersicht ist entscheidend, ob er einer sicht hat, sondern ausschließlich die Alterssicherung bestimmten Vorsorgeform vertrauen kann. Das Ver- der Sparer durchzuführen hat. Dieser Pensionsfonds trauen kann dadurch gestärkt werden, indem ein ließe sich als Generationenfonds (nach dem Konzept Vorsorgeprodukt so beschaffen ist, dass es nachvoll- des „kollektiven Risikoausgleichs“ von Professor ziehbar ist. Dies entbindet den Einzelnen nicht von Oskar Goecke) konzipieren, der über einen Reserve- der Verantwortung, sich zu informieren. Wenn aller- puffer Kapitalmarktschwankungen glättet. dings die Informationsbeschaffung mit hohen Kosten Neben dem Kostenaspekt muss bei einem öffentli- verbunden ist, schadet dies der Nachvollziehbarkeit chen Fonds aber zwingend eine Politik- und Staats- und schmälert das Vertrauen. Hier ist es entschei- ferne sichergestellt sein. dend, dass durch ein einfaches und kostengünstiges Basisprodukt Vertrauen in die private Vorsorge wie- 4. Verbraucherpolitische Anforderungen an die derhergestellt und gestärkt wird. Gestaltung möglicher Basisprodukte Bei einem Basisprodukt muss sichergestellt sein, dass die Informations- und Beratungspflichten für die Altersvorsorgeprodukte nicht geringer als die für

21 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)888 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

Zusammenfassung der Alterung belastet. Denn während das Rentenni- Angesichts der zu erwartenden demografischen Ent- veau von 2015 bis 2030 nur um weniger als 7 % wicklung können die Renten künftig nicht mehr sinkt (von 47,7 auf 44,5 %), steigt der Beitragssatz ganz so stark steigen wie die Löhne. Die von der um über 17 Prozent (von 18,7 auf 21,9 %). Eine Er- Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene deutliche Anhe- höhung des Rentenniveaus auf 53 % würde die An- bung des Rentenniveaus würde die mit der Alterung passungslast bei den Beitragszahlern noch vervielfa- der Gesellschaft verbundenen Lasten noch stärker chen, den Beitragssatz erheblich in die Höhe treiben auf die Beitragszahler verschieben. Dabei werden die mit der Folge gravierender Auswirkungen auf die Beitragszahler schon nach geltendem Recht mehr als Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungssitua- doppelt so stark wie die Rentner durch die Kosten tion.

22 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Die gleichfalls von der Fraktion DIE LINKE vorge- 2045 von insgesamt 109, 122 und 142 Mrd. € zur schlagene Überführung der Riesterrente in die ge- Folge (Quelle: „Gesamtkonzept zur Alterssicherung“ setzliche Rentenversicherung würde die künftige Fi- BMAS, S. 56). nanzierbarkeit der Rentenversicherung zusätzlich er- Das prognostizierte (und gesetzlich zulässige) wei- schweren. Richtig wäre, die zusätzliche Altersvor- tere Absinken des Rentenniveaus von 48,0 % in sorge zu stärken und die Riester-Zulagenförderung, 2016 auf 44,5 % in 2030 und 41,7 % in 2045 hätte auch aufgrund der seit 2001 eingetretenen Lohn- keine Zunahme der Altersarmut zur Folge. Denn die und Gehaltsentwicklung, deutlich zu erhöhen. Renten würden dennoch weiter steigen, wenn auch Das im Antrag der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜ- mit einer leicht geringeren Rente als die Löhne und NEN enthaltene grundsätzliche Bekenntnis zum Gehälter. So werden die Renten bei Zugrundelegung „Drei-Säulen-System“ der Alterssicherung ist zu be- der erwarteten Lohnentwicklung bis 2045 jährlich grüßen. Allerdings bietet der Vorschlag, einen staat- um mehr als 2 % pro Jahr steigen. Damit würde vo- lichen Pensionsfonds als „einfachen und kosten- raussichtlich auch die Kaufkraft der Renten weiter günstigen Standardweg“ der kapitalgedeckten zu- steigen. sätzlichen Altersvorsorge einzuführen, keine Vor- Zudem ist zu beachten, dass allein aus der Höhe der teile, die private Versorgungswerke nicht erfüllen gezahlten gesetzlichen Rente nicht auf Altersarmut bzw. nicht erfüllen könnten. geschlossen werden kann, weil bei Rentnern auch Im Einzelnen Einkommen aus anderen Alterssicherungssystemen, Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Zeit für einen Arbeitseinkommen, Vermögen – auch des (Ehe)Part- Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben“) ners – hinzukommen. So weist der aktuelle Alterssi- cherungsbericht der Bundesregierung folgende Net- Rentenformel beibehalten tohaushaltseinkommen für Rentner (ab 65 Jahre) aus: Ein Anheben des Rentenniveaus würde die Betrags- Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen zahler und Steuerzahler erheblich zusätzlich belas- von Ehepaaren betrug 2015 in Deutschland 2.543 €, ten. Die daraus resultierenden Wachstums- und Be- das von alleinstehenden Männern 1.614 € und das schäftigungsverluste würden die Finanzierungsbasis durchschnittliche Einkommen von alleistehenden der Sozialversicherung und der Rentenversicherung Frauen betrug 1.420 €. nachhaltig deutlich schmälern mit der Folge, dass Dem Alterssicherungsbericht ist auch zu entnehmen, zur Aufrechterhaltung eines überzogenen Rentenni- dass die aus Gründen der Beitragsstabilisierung er- veaus weitere Beitragssatzanhebungen und Bundes- forderliche Absenkung des Sicherungsniveaus in der zuschüsse erforderlich würden. Hier würde zum gesetzlichen Rentenversicherung durch zusätzliche Nachteil aller Beteiligten und Betroffenen ein Teu- Vorsorge ausgeglichen werden kann. Das Netto-Ge- felskreis entstehen, aus dem ein Entrinnen nur noch samtversorgungsniveau, das auch den Einfluss des sehr schwer möglich wäre, d. h. nur mit erheblichen Überganges auf die nachgelagerte Besteuerung abbil- und umgehenden Leistungskürzungen in der Zu- det, wird so langfristig aufrechterhalten bzw. sogar kunft. leicht gesteigert. Der Alterssicherungsbericht belegt Erschwerend bzw. verstärkend kommt hinzu, dass zudem, dass gerade auch Geringverdiener die staatli- durch die demografische Entwicklung auch in ande- che Riester-Förderung nutzen - „Wird nur die pri- ren Sozialversicherungszweigen – Krankenversiche- vate staatlich geförderte Altersvorsorge betrachtet, rung und Pflegeversicherung – ceteris paribus kräf- zeigt sich, dass Geringverdiener sogar etwas häufiger tige Betragssatzerhöhungen drohen. An der beste- einen Riester-Vertrag besitzen als Besserverdiener.“ henden Haltelinie beim Beitragssatz von höchstens Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt der Sozialbei- 22 % muss auch über das Jahr 2030 hinaus festgehal- rat in seinem aktuellen Gutachten zum Rentenversi- ten werden. Es gibt keinen ökonomischen Grund, cherungsbericht der Bundesregierung. Er weist zu- weshalb künftig eine höhere Zwangsabgabebelastung dem darauf hin, dass die im Rentenversicherungsbe- verkraftbar sein sollte. richt unterstellte Zinsdelle als Folge der Niedrigzins- Die aktuellen Modellrechnungen zu alternativen phase kaum Einfluss auf das spätere Gesamtversor- Rentenniveaus im „Gesamtkonzept zur Alterssiche- gungsniveau haben wird (0,1 Prozentpunkte). rung“ des Bundesarbeitsministeriums machen die Die Gesamtversorgungssituation hängt zudem von Mehrbelastungen für die Betrags- und Steuerzahler der Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge in in erschreckender Weise mehr als deutlich. Bei Fest- der 2. und 3. Säule ab. Nach Einschätzung der Bun- schreibung eines Mindestrentenniveaus auf 46 % desregierung zeigt sich, dass bei der Verbreitung der würde der Betragssatz bis 2045 auf 25,8 % steigen. zusätzlichen Altersversorgung deutliche Fortschritte In heutigem Geldwert entspricht das einer Zusatzbe- erzielt werden konnten. Mittlerweile gibt es lastung von 94 Mrd. € wovon 19 Mrd. € auf zusätzli- 20,4 Mio. aktive bAV-Anwartschaften und rund che Bundesmittel entfielen. Das Festschreiben des 16,5 Mio. Riester-Verträge. Bezogen auf die Zahl der Rentenniveaus auf 53 % hätte eine noch stärkere Er- sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Al- höhung der Personalzusatzkosten zur Folge. Eine ter von 25 bis unter 65 Jahren haben mehr als 70 % solche Entwicklung würde zwangsläufig zu einer der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Verschlechterung der Wettbewerbs-fähigkeit der Un- Anspruch auf eine Zusatzrente aus der betrieblichen ternehmen in Deutschland führen, was sich auch ne- Altersversorgung oder aus einer Riester-Rente. Hinzu gativ auf Beschäftigung und Wohlstand auswirken kommen 53 Mio. (weitere) kapitalbildende Lebens- würde, mit der Folge, dass weiterer Druck auf die versicherungen bzw. private Rentenversicherungen. Beitragssätze entstünde. Mindestrentenniveaus von Außerdem müssen – gerade vor dem Hintergrund 48 %, 50 % und 53 % hätten Mehrbelastungen in der behaupteten Zunahme der Altersarmut – weitere

23 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Formen der privaten Vorsorge wie Sparkonten, Fest- Chancen. Gleichwohl bedarf dieser Entwurf noch ei- geld, Sparbriefe, Investmentfonds und Aktien be- niger Verbesserungen, um das Ziel einer weiteren rücksichtigt werden. Mit der Riester-Förderung, die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge, insbe- bei Geringverdienern bereits ab 5 € Monatsbeitrag in sondere in kleinen und mittleren Betrieben zu errei- vollem Umfang gewährt werden kann, ist es gelun- chen. gen, auch solchen Personen zusätzliche Vorsorge zu Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ermöglichen, die sie sich sonst nicht hätten leisten NEN „Für eine faire und transparente private Alters- können (mehr als 60 % aller Riester-Sparer verdie- vorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System“ nen weniger als 30.000 € im Jahr). Diese dem Alters- sicherungsbericht zu entnehmenden Aussagen zei- Riester-Renten stärken gen, dass die Reformen und bisherigen Anstrengun- Das grundsätzliche Bekenntnis zum „Drei-Säulen- gen dazu beigetragen haben, das Sicherungsniveau System“ der Alterssicherung ist zu begrüßen. Aller- der heutigen und das der zukünftigen Rentnergene- dings bietet der Vorschlag, einen staatlichen Pensi- ration stabil zu halten. onsfonds als „einfachen und kostengünstigen Stan- Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Die Riester- dardweg“ der kapitalgedeckten zusätzlichen Alters- rente in gesetzliche Rentenversicherung überführen“ vorsorge einzuführen, keine Vorteile, die private Versorgungswerke nicht erfüllen bzw. nicht erfüllen Riester-Rente stärken statt abwickeln könnten. Eine Stärkung der kapitalgedeckten Alters- Die geförderte private Altersvorsorge muss gestärkt vorsorge ist auch ohne einen Staatsfonds erreichbar. werden und darf nicht, wie im Antrag der Linkspar- Der Vorschlag gibt vor allem keine Antwort darauf, tei gefordert, abgewickelt und in die gesetzliche Ren- weshalb ein staatlich organisierter Fonds die Heraus- tenversicherung überführt werden. Sie ist ein unver- forderungen der Kapitalmärkte, insbesondere im zichtbarer Bestandteil einer tragfähigen, finanzierba- Hinblick auf die anhaltende Niedrigzinsphase und ren und zukunftsfesten Alterssicherung. Aufgrund die Schwankungsanfälligkeit der Märkte, besser be- des demografischen Wandels ist der Anfang 2000 wältigen sollte als die bestehenden Träger der Al- eingeleitete Paradigmenwechsel, die kapitalgedeckte tersvorsorge. Ungelöst – und auch nicht lösbar – ist Altersvorsorge zu stärken und dadurch die demogra- zudem das Problem, dass ein staatlicher Fonds nie- fisch belastete umlagefinanzierte gesetzliche Renten- mals vollständig vor einem späteren staatlichen Zu- versicherung zu entlasten, nach wie vor richtig. griff geschützt werden kann. Statt auf staatliche Lö- Eine Einstellung der Förderung der privaten Alters- sungen zu setzen, sollten die vorhandenen Struktu- vorsorge und Überführung der Anwartschaften auf ren der betrieblichen und privaten Altersvorsorge ge- die gesetzliche Rentenversicherung würde diese po- stärkt und ausgebaut werden (vgl. oben). sitive Entwicklung hingegen beenden, die gesetzli- . Die Forderung, die Grundzulage „spürbar“ zu er- che Rentenversicherung überfordern und somit die höhen, ist richtig. Allerdings sollte, anders als Beitragszahler und den Bund erheblich belasten. vorgeschlagen, die Förderung nicht allein auf Denn aus den zufließenden Beiträgen würden sich eine reine Zulagenförderung beschränkt werden. Rentenansprüche begründen, die von späteren Gene- Der steuerliche Sonderausgabenabzug muss er- rationen im Umlageverfahren finanziert werden halten bleiben, da die Förderung jeder Person müssten. entsprechend dem Vorsorgebedarf gewährt wer- Vielmehr sollte die zusätzliche Altersvorsorge – ge- den sollte und dieser variiert mit dem Einkom- rade aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes men. Eine Begrenzung der Förderung nur auf ge- – durch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen ge- ringe Einkommen – wie gefordert – würde allen stärkt werden. Hierzu gehört insbesondere die Öff- anderen Versicherten die Chance nehmen, mit nung der Riester-Förderung für alle Erwerbstätigen. staatlicher Förderung ergänzen für das Alter vor- Außerdem sollten die Förderbeträge der Riester-Vor- zusorgen und den Lebensstandardsicherung im sorge – 15 Jahre nach Inkrafttreten der Reform – an- Alter abzusichern. gepasst werden. Heute muss ein Durchschnittsver- . Ebenfalls nicht zielführend ist der Vorschlag, die diener aufgrund der Einkommensentwicklung deut- Zulagenförderung auch auf freiwillige Beiträge in lich mehr Beiträge für die unverändert hohe Grund- die Rentenversicherung auszuweiten. Denn mit zulage von 154 € zahlen als bei Einführung der Ries- dieser Förderung sollen gerade Anreize für die terförderung. Auch aufgrund der Niedrigzinsphase kapitalgedeckte – und weniger demografisch be- ist eine Anpassung geboten, da eine gleich hohe lastete (vgl. oben) – Altersvorsorge gesetzt wer- Rente heute einen deutlich höheren Sparaufwand er- den und nicht für die gesetzliche Rentenversi- fordert. Eine Erhöhung der Grundzulage von 154 auf cherung. Mit freiwilligen Beiträgen in der gesetz- 200 € bzw. eine Erhöhung des zulässigen Sonderaus- lichen Rentenversicherung würde die künftige gabenabzugs von 2.100 auf 3.000 € wäre aufgrund Finanzierungslast im umlagefinanzierten System der seit 2001 eingetretenen Lohn- und Gehaltsent- noch zusätzlich erhöht werden. wicklung angemessen. . Das Anliegen, die Transparenz und den Informa- Auch die Rahmenbedingungen der betrieblichen Al- tionsgehalt bei Riester-Produkten zu erhöhen, ist tersvorsorge müssen verbessert werden. Der aktuelle grundsätzlich nachvollziehbar. Allerdings sollten vorliegende Entwurf eines Betriebsrentenstärkungs- zunächst die Auswirkungen der erst mit Beginn gesetzes bietet insbesondere mit der Erhöhung des dieses Jahres eingeführten Vorgaben des Produk- steuerfreien Zuwendungsrahmens von 4 auf 8% und tinformationsblattes abgewartet und bewertet mit Einführung der reinen Beitragszusage durchaus werden, bevor weitere Änderungen erwogen wer-

24 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

den. Zudem ist der Mehrwert der gewollten zu- weiteren geforderten Vorgaben für Sterbetafeln, sätzlichen Informationen, z. B. über die konkrete Risikoverteilung und Zertifizierungskriterien, da Höhe der Provision, nicht erkennbar. Abzu- hier kein zusätzlicher Nutzen erkennbar ist. lehnen sind die – teilweise unklar gelassenen –

25 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)889 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 SoKa-BAU Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG

1. Zusammenfassung der Stellungnahme  Die Bauwirtschaft hat im branchenübergreifen-  Gemessen an den sog. Ersatzraten hat die gesetz- den Vergleich in Deutschland einen mehr als liche Rente in Deutschland im europäischen Ver- doppelt so hohen Anteil an gesetzlichen Er- gleich nur ein unterdurchschnittliches Siche- werbsminderungsrenten (55 Prozent) und ein rungsniveau. Auch unter Berücksichtigung der früheres Renteneintrittsalter. Ursächlich dafür zweiten und dritten Säule der Altersversorgung sind vorrangig die vielfach körperlich belasten- liegt Deutschland in Europa auf den hinteren den Tätigkeiten. Weitere branchenspezifische Be- Plätzen. sonderheiten wie witterungsbedingte Arbeitsaus-

26 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

fälle sowie häufige Arbeitgeberwechsel mit Un- dabei die Rechtssicherheit für die zu Grunde lie- terbrechungszeiten wirken im Verbund nachtei- genden Tarifverträge mit ihrer Allgemeinverbind- lig auf den gesetzlichen Rentenanspruch. lichkeit.  Die Tarifpartner in der Bauwirtschaft haben des- 2. Situation des Rentenniveaus in Deutschland und halb bereits 1957 mit der sog. Rentenbeihilfe ein Besonderheiten in der deutschen Bauwirtschaft obligatorisches, überbetriebliches Zusatzversor- Die gesetzliche Rentenversicherung hat in Deutsch- gungssystem zum Ausgleich dieser Nachteile ge- land in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker schaffen und zur Durchführung die Zusatzversor- ihre Altersversorgungsfunktion eingebüßt. Nach Be- gungskasse des Baugewerbes AG (ZVK-Bau) als rechnungen der OECD1 liegt die sog. Bruttoersatz- gemeinsame Einrichtung gegründet. Die Funkti- rate2 des gesetzlichen Rentensystems in Deutschland onsfähigkeit beruht insbesondere auf Branchenta- für einen Durchschnittsverdiener bei nur noch 37,5 rifverträgen, über deren Allgemeinverbindlich- Prozent. Dies liegt unterhalb des OECD-Durch- keit sowohl eine flächendeckende Beteiligung al- schnitts von 41,3 Prozent und wird innerhalb der ler Bauunternehmen als auch die langfristige Europäischen Union nur noch von Schweden, Ir- Planbarkeit der Finanzierung sichergestellt wird. land, Estland, den Niederlanden und Großbritannien Die ZVK-Bau hat in 2015 mehr als 330 Mio. Euro untertroffen. Auch die Berücksichtigung der zweiten an rund 370.000 Rentner ausgezahlt. Seit Januar und dritten Säule des deutschen Altersversorgungs- 2016 wird die überwiegend umlagefinanzierte systems sowie die steuerliche Förderung der Alters- Rentenbeihilfe aufgrund der demografischen Ver- vorsorge in Deutschland ändern nichts an dem änderungen in der Bauwirtschaft durch die voll- grundsätzlich vergleichsweise schlechten Abschnei- ständig kapitalgedeckte Tarifrente Bau abgelöst. den des deutschen Alterssicherungssystems im in- Die rechtliche Grundlage hierfür bilden weiter- ternationalen Vergleich. Das gesamte Sicherungsni- hin die allgemeinverbindlich erklärten Branchen- veau liegt auch in der Netto-Betrachtung unterhalb tarifverträge. des OECD-Durchschnitts.  Zu der Möglichkeit einer freiwilligen betriebli- Zur Einschätzung der Versorgungsleistung in der chen Altersversorgung durch Entgeltumwand- Bauwirtschaft würde sich ein Vergleich zwischen lung zeigen die Erfahrungen in der Bauwirt- Neurentnern der Bauwirtschaft und männlichen schaft, dass sie die obligatorische Branchenlö- Neurentnern aus Westdeutschland anbieten.3 Ein di- sung nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann. rekter Vergleich der Rentenzahlbeträge ist allerdings  Dass die Verbreitung betrieblicher Altersversor- nicht angebracht, da entsprechende Durchschnitts- gung mit Branchenlösungen wie in der Bauwirt- zahlen der Deutschen Rentenversicherung auch ehe- schaft am erfolgreichsten gelingt, hat auch der malige Beschäftigte mit einbeziehen, die nur einer Gesetzgeber erkannt. Von zentraler Bedeutung, Teilzeittätigkeit nachgegangen sind und dadurch gerade wegen der Langfristigkeit der Finanzie- entsprechend niedrige Rentenansprüche haben. Teil- rungsmodelle und der Leistungsansprüche, ist zeitarbeit ist in der Bauwirtschaft allerdings sehr viel schwächer verbreitet.4

1 OECD (2015), Pensions at a Glance 2015, S. 141. 2 Die Bruttoersatzrate setzt die Rentenleistungen ins Verhältnis zu den Löhnen und Gehältern vor Renteneintritt. Die OECD bezieht diese auf die gesamten vor Renteneintritt erzielten Löhne und Gehälter. 3 Informationen über den Rentenbezug liegen SOKA-BAU für Neurentner vor, da zur Beantragung der Rentenbeihilfe der gesetzliche Rentenbescheid eingereicht werden muss. Die Rentenbeihilfe gilt aber lediglich für westdeutsche Beschäftigte. 4 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeiteten im ersten Quartal 2016 rund 27 Prozent der sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigten in Teilzeit. Im Baugewerbe lag die Teilzeitquote dagegen lediglich bei 11 Prozent.

27 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Anteile der Rentenarten an den Rentenzugängen 2015

50 40 30 20 10 0

Bauwirtschaft Männer, Westdeutschland

Quelle: SOKA-BAU und Deutsche Rentenversicherung.

Aufschlussreich ist jedoch ein Vergleich der Renten- Bereits in den 1950er-Jahren wurde deutlich, dass arten. Während im Jahr 2015 nur rund für die Beschäftigten der Bauwirtschaft die gesetzli- 36 Prozent der Rentenzugänge in der Bauwirtschaft che Rente allein häufig nicht auskömmlich sein Regelaltersrenten oder Renten für (besonders) lang- würde. Darunter litt auch die Attraktivität der Bran- jährig Versicherte in Anspruch nehmen konnten, che, und so standen die Tarifvertragsparteien der waren dies rund 74 Prozent der männlichen Renten- Bauwirtschaft – der Hauptverband der deutschen zugänge in Westdeutschland. Im Gegenzug liegt der Bauindustrie (HDB), die Industriegewerkschaft Bau- Anteil der Erwerbsminderungsrenten in der Bauwirt- Steine-Erden (Vorläuferin der heutigen IG Bauen-Ag- schaft entsprechend höher, da die körperliche Arbeit rar-Umwelt) und der Zentralverband des Deutschen am Bau grundsätzlich nach wie vor hohe Ansprüche Baugewerbes (ZDB) – vor der Frage, wie eine Verbes- an die Gesundheit der Beschäftigten stellt. Der An- serung der Altersversorgung flächendeckend erreicht teil der Erwerbsminderungsrenten betrug im Jahr werden könnte. Das Ziel war, die durch bauspezifi- 2015 für die Rentenzugänge in der Bauwirtschaft sche Besonderheiten verursachten Rentenminderun- rund 55 Prozent, in Westdeutschland für männliche gen zu kompensieren und die Beschäftigten dadurch Neuzugänge dagegen nur rund 23 Prozent. Darüber denjenigen anderer Branchen sozialpolitisch gleich- hinaus lag das durchschnittliche Rentenzugangsalter zustellen. im vergangenen Jahr für Beschäftigte aus der Bau- Die zentralen Herausforderungen für das zu schaf- wirtschaft lediglich bei 60,9 Jahren, während west- fende Versorgungssystem lagen insbesondere in der deutsche Männer im Durchschnitt mit 61,9 Jahren in kleinbetrieblichen Struktur der Branche und dem Rente gingen. Für die Beschäftigten am Bau hat die hohen Anteil nicht ganzjähriger Beschäftigungsver- Rente also eine ausgeprägtere Lohnersatzfunktion. hältnisse bei dem gleichen Arbeitgeber. Diese Fakto- 3. Herausforderungen der Bauwirtschaft bei der ren schlossen eine betriebliche Altersversorgung im Altersversorgung herkömmlichen Sinne von vornherein aus. Gleich- Bis heute ist die Beschäftigung in der Branche durch zeitig führten sie zu der Anforderung, bei dem Fi- witterungsbedingte Arbeitsausfälle, häufigen Arbeit- nanzierungssystem eine gleichmäßige und wettbe- geberwechsel und hohe körperliche Belastungen ge- werbsneutrale Kostenverteilung auf die Betriebe zu kennzeichnet. Diese Faktoren wirken sich im Ver- erreichen. bund mindernd auf die gesetzliche Rente aus. Auch 4. Von der Rentenbeihilfe zur Tarifrente Bau – die heute noch sind 36 Prozent aller Arbeitnehmer in Evolution einer Branchenlösung der Bauwirtschaft weniger als sechs und 53 Prozent Die Einführung der Rentenbeihilfe und damit ver- weniger als zwölf Monate pro Kalenderjahr bei ei- bunden die Gründung der ZVK-Bau waren im Jahr nem Arbeitgeber beschäftigt. Der Anteil der Erwerbs- 1957 die Lösungen der Tarifvertragsparteien für ein minderungsrenten ist im Vergleich mit anderen branchenspezifisches Altersversorgungssystem. Branchen zudem weiterhin überdurchschnittlich hoch. Hinzu kommt, dass die Bauwirtschaft seit je- Bei der Rentenbeihilfe handelt es sich um eine soli- her überwiegend kleinbetrieblich strukturiert ist. darische, größtenteils umlagefinanzierte überbetrieb- Über 80 Prozent der Baubetriebe haben zehn oder liche Altersversorgung. Eine wichtige Grundlage bil- weniger Arbeitnehmer. dete von Anfang an die verbindliche Gültigkeit der Regelungen für alle Unternehmen der Branche, was

28 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales durch die Allgemeinverbindlicherklärung der zu sorgungshöhe für diese Personengruppe hat. Ledig- Grunde liegenden Tarifverträge gewährleistet wird. lich für die Beschäftigten der alten Bundesländer, Da die Rentenbeihilfe einen Ausgleich für durch die bei Einführung der Tarifrente Bau das 50. Le- bauspezifische Risiken verursachte Rentenminde- bensjahr schon vollendet hatten, bleibt die Renten- rungen bieten soll und sich diese umso stärker be- beihilfe alleine gültig. merkbar machen, je länger die Beschäftigung in der Im Gegensatz zur größtenteils umlagefinanzierten Branche dauert, steigt die Höhe der Rentenbeihilfe – Rentenbeihilfe ist die Tarifrente Bau vollständig ka- abhängig von den in der Bauwirtschaft zurückgeleg- pitalgedeckt. Durch diesen Paradigmenwechsel ten Beschäftigungszeiten – ebenfalls stufenweise bis wurde die zusätzliche Altersversorgung in der Bau- zur derzeitigen Maximalleistung von 88,70 Euro je wirtschaft gegenüber den Problemen des demografi- Monat an. schen Wandels nahezu immunisiert. Bei der Ta- Dass für die Beschäftigten der Bauwirtschaft die rifrente Bau wird aus jedem einzelnen Beitrag sofort Rentenbeihilfe nach wie vor ein wichtiger Baustein ein unverfallbarer Versorgungsbaustein für die spä- ihrer Altersversorgungssituation ist, zeigt die Tatsa- tere Altersversorgung generiert. Die Höhe der später che, dass allein im Jahr 2015 Leistungen von mehr zu zahlenden zusätzlichen Altersversorgung richtet als 330 Mio. Euro an mehr als 373.000 Empfänger sich nach der Summe der bis dahin angesammelten ausgezahlt worden sind. Bausteine. Besondere Regelungen für Insolvenzfälle, Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenen- Gravierende Entwicklungen in der Branche, dazu ge- schutz bilden ergänzende Solidarelemente im Sys- hören auch demografische Effekte, haben das Ren- tem. Da sich die Höhe der einzelnen Versorgungs- tenbeihilfesystem etwa ab Mitte der 1990er-Jahre vor bausteine nach dem individuell gezahlten Beitrag stärkere Finanzierungsherausforderungen gestellt. So richtet, sind – je nach Dauer der Beschäftigung in hat sich die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer in der Branche – wesentlich höhere Leistungen dar- der Bauwirtschaft innerhalb weniger Jahre von rd. stellbar als bei der Rentenbeihilfe. So kann diese auf 890.000 (1995) auf rd. 550.000 (2002) drastisch ver- Grundlage allgemeinverbindlich erklärter Tarifver- ringert. Gleichzeitig stieg der Bestand an Leistungs- träge durchgeführte Branchenlösung künftig auch beziehern weiter an. Vor diesem Hintergrund hatten stärker dem Umstand Rechnung tragen, dass sich das sich die Tarifvertragsparteien zu diesem Zeitpunkt Versorgungsniveau aus der gesetzlichen Rente ggf. darauf verständigt, eine langfristige Umstellung auf weiter reduzieren wird. ein Anwartschaftsdeckungsverfahren einzuleiten. Hierzu dienten auch die neuen Regelungen im Tarif- 5. Ausschließlich freiwillige betriebliche Altersver- vertrag über Rentenbeihilfen im Baugewerbe vom sorgung – eine Alternative für die Bauwirt- 31.10.2002. schaft? Die Zahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft Die Tarifvertragsparteien haben die bauspezifischen nahm in den folgenden Jahren nicht zu, so dass sich Probleme bei der Altersversorgung mit den Mitteln das Verhältnis von aktiven Beschäftigten zu den lau- des Tarifrechts gelöst. Der Rückgriff auf eine gemein- fenden Leistungsbeziehern noch stärker veränderte. same Einrichtung zur Durchführung der (über-)be- Ein in erheblichem Umfang umlagefinanziertes Sys- trieblichen Altersversorgung ermöglicht es ihnen, in tem wie die Rentenbeihilfe kann diese Verschiebung eigener Verantwortung den Besonderheiten der auf Dauer nicht auffangen. Branche angemessen Rechnung zu tragen und die ta- riflichen Regelungen bei Bedarf veränderten Rah- So haben sich die Tarifvertragsparteien der Bauwirt- menbedingungen anzupassen. Dieser Lösungsweg schaft auf eine grundlegende Reform der Zusatzver- war von vornherein auf eine verpflichtende Teil- sorgung in der Bauwirtschaft verständigt und das nahme und Beitragsfinanzierung durch alle Arbeit- Versorgungssystem neu gestaltet. Mit der neuen Ta- geber der Branche angelegt – für nicht tarifgebun- rifrente Bau wurde die Umstellung auf ein kapitalge- dene Arbeitgeber erfolgt diese durch die Allgemein- decktes System ab dem 01.01.2016 vollzogen. Die verbindlichkeit der für die Altersversorgung maßgeb- Tarifrente Bau, basierend auf dem Tarifvertrag über lichen Tarifverträge. Diese ermöglicht wegen der eine zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe kleinbetrieblichen Struktur und des hohen Konkur- (TZA Bau), löst das Rentenbeihilfesystem, das für renzdrucks in der Branche erst ein solches System Neuzugänge zum 31.12.2015 geschlossen wurde, einer flächendeckenden Zusatzversorgung und si- sukzessive ab. Die Tarifrente Bau gilt für alle ab dem chert fairen Wettbewerb durch gleiche Lohnneben- 01.01.2016 erstmals in die Bauwirtschaft eintreten- kosten für die Unternehmen der Branche. den Arbeitnehmer, für alle Auszubildenden (wobei deren Beitrag den Ausbildungsbetrieben über das Aus heutiger Sicht bestätigt sich der vorausschau- Berufsbildungsverfahren erstattet wird) sowie erst- ende Ansatz. Allein auf die mit dem Altersvermö- mals auch für die Beschäftigten in den neuen Bun- gensgesetz geschaffene Möglichkeit, durch eine frei- desländern. willige Entgeltumwandlung zusätzliches Altersein- kommen zu schaffen, hätte die Baubranche nicht Sie gilt auch für Beschäftigte in den alten Bundes- wirksam setzen können. Ein Beleg hierfür sind die ländern, die am 31.12.2015 das 50. Lebensjahr noch Zahlen der Verbreitung der geförderten Altersversor- nicht vollendet hatten. Vorhandene Ansprüche im gung durch die ebenfalls von SOKA-BAU angebo- bisherigen Rentenbeihilfesystem werden bei Renten- tene BauRente ZukunftPlus (TZR). Diese basiert eintritt in einem Günstigkeitsvergleich berücksich- zwar ebenfalls auf einem Tarifvertrag; dieser ist je- tigt. Damit wird sichergestellt, dass die Systemum- doch nicht für allgemeinverbindlich erklärt. Der An- stellung keine negativen Auswirkungen auf die Ver- teil der Arbeitnehmer, die neben der Rentenbeihilfe

29 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

über eine auf einem Arbeitgeber- und einem Arbeit- dass nicht nur nach Auffassung der Bundesregierung nehmerbeitrag (Entgeltumwandlung) beruhende TZR Betriebsrenten noch nicht ausreichend verbreitet verfügen, liegt auch 15 Jahre nach Einführung des sind. Die Bundesregierung stellt in ihrem Gesetzent- Systems noch unter 15 Prozent. wurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz vom Entscheidende Faktoren für die Teilnahme an der 21.12.2016 fest, dass besonders in kleinen Unterneh- Entgeltumwandlung sind die Betriebsgröße des Ar- men und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkom- beitgebers und die Höhe des Verdienstes des Arbeit- men Lücken bestehen. Die Erfahrungen der Bauwirt- nehmers. In kleinen und mittleren Betrieben, wie sie schaft, die seit 2001 die Entgeltumwandlung mit Ar- für die Bauwirtschaft typisch sind, ist die betriebli- beitgeberzuschuss auf tariflicher Grundlage fördert, che Altersversorgung insgesamt deutlich geringer stützen diese Einschätzung. verbreitet als in großen Unternehmen. Der Ergän- Die Bundesregierung spricht sich dafür aus, weitere zende Bericht der Bundesregierung zum Rentenver- Anstrengungen zu unternehmen, um eine möglichst sicherungsbericht 20165 weist darauf hin, dass in Be- weite Verbreitung der betrieblichen Altersversor- triebsstätten mit weniger als zehn Arbeitnehmern gung und damit verbunden ein höheres Versorgungs- der Anteil der Anwärter bei nur 28 Prozent liegt, niveau der Beschäftigten durch kapitalgedeckte Zu- während in Betrieben mit mindestens 50 Beschäftig- satzrenten zu erreichen. Eine Möglichkeit dazu ist ten mehr als 44 Prozent eine Anwartschaft erwerben. ein branchesweites, von den Tarifparteien auf Für Betriebe mit über 1.000 Beschäftigten beträgt der Grundlage allgemeinverbindlicher Tarifverträge ge- Anteil sogar 83 Prozent.6 Eine entscheidende Rolle staltetes Zusatzversorgungssystem, wie es die Bau- spielt auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Nur wirtschaft bereits 1957 eingerichtet hat. Die Bundes- 6,6 Prozent der Arbeitnehmer, die noch kein volles regierung fördert diesen Ansatz durch die seit 2015 Jahr in einem Unternehmen beschäftigt waren, wan- im Tarifautonomiestärkungsgesetz vorgesehene Mög- delten im Jahr 2014 Entgelt um. Bei einer Unterneh- lichkeit, Tarifverträge über gemeinsame Einrichtun- menszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren betrug gen, die die betriebliche Altersversorgung betreiben, der Anteil 32,1 Prozent.7 unter erleichterten Voraussetzungen für allgemein- Darüber hinaus zeigt eine Analyse des Statistischen verbindlich zu erklären (§ 5 Abs. 1a Tarifvertragsge- Bundesamtes, dass sich die Beteiligungsquoten mit setz). steigendem Verdienst erhöhen.8 Beschäftigte mit ei- Werden die Voraussetzungen für die langfristige Ver- nem Bruttostundenlohn unter 10 Euro beteiligen sorgung im Alter durch Tarifverträge geschaffen, sich beispielsweise nur zu 6,2 Prozent an der Entgel- liegt es auf der Hand, dass gerade im Hinblick auf tumwandlung. Demgegenüber weisen Beschäftigte das ausdrücklich hierfür neu gestaltete Instrument mit einem Bruttostundenlohn über 23 Euro eine Be- der Allgemeinverbindlicherklärung ein zuverlässiger teiligungsquote von 36,4 Prozent auf. und dauerhafter Rechtsrahmen bestehen muss. Nur Im Ergebnis wird also deutlich, dass gerade in der dann haben es die Tarifvertragsparteien einer Bran- Bauwirtschaft die strukturellen Besonderheiten che in der Hand, solide und leistungsfähige Versor- (kleinbetrieblich, hohe Fluktuation, höherer Anteil gungssysteme zu gestalten und deren langfristige Fi- gering Verdienender) dazu führen, dass eine freiwil- nanzierbarkeit zu gewährleisten. Tarifpartner in lige betriebliche Altersversorgung eine obligatori- Branchen, die bislang noch keine von den Arbeitge- sche überbetriebliche Branchenlösung nicht erset- bern (mit-)finanzierte betriebliche Altersversorgung zen, sondern bestenfalls ergänzen kann. vorsehen, werden nur auf dieser Grundlage die nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz zu fördernden 6. Abschließende Bewertung Rentenversorgungssysteme begründen. 15 Jahre Erfahrungen mit dem Anspruch auf Entgelt- umwandlung zur Altersversorgung haben gezeigt,

5 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016), Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversiche- rungsbericht 2016 gemäß § 154 Abs. 2 SGB VI (Alterssicherungsbericht 2016). 6 Ebenda, S. 135. 7 Ebenda, S. 132-133. 8 Vgl. T. Weber und M. Beck (2015), Entgeltumwandlung in Deutschland – Eine Analyse auf Basis der Verdienststrukturer- hebung 2010, in: WISTA – Wirtschaft und Statistik, Nr. 1/2015, S. 60.

30 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)890 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Prof. Dr. Eckart Bomsdorf, Köln

Diese Stellungnahme hat nicht das Ziel, den Renten- Berücksichtigung der aktuellen und der zu erwarten- versicherungsbericht bzw. den Alterssicherungsbe- den Situation der gesetzlichen Rentenversicherung richt der Bundesregierung zu diskutieren. Es wird gemacht. ebenso nicht als Aufgabe angesehen, dem Gutachten Zusammenfassung des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht und zum Alterssicherungsbericht eine weitere Stel- 1. Der Rentenversicherungsbericht zeigt, dass die lungnahme hinzuzufügen. Im Folgenden werden nur gesetzliche Rentenversicherung aktuell gut auf- einige Bemerkungen zum Rentenversicherungsbe- gestellt ist und dies auch in Zukunft bleiben richt sowie zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE wird, wenn die Rentenanpassung auf den gegen- bzw. der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter wärtig geltenden Regeln aufbaut. Dies schließt

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nicht aus, dass auch Nach- oder Neujustierun- Nicht zuletzt deshalb werden im Rentenversi- gen in der Alterssicherung, speziell der gesetzli- cherungsbericht immer mehrere Berechnungsal- chen Rentenversicherung, notwendig werden ternativen angegeben. können. 11. Beim Alterssicherungsbericht sind speziell bei 2. Dabei sollte es unmittelbar einsichtig sein, dass der Berechnung des Gesamtversorgungsniveaus Generationen, die nur 2/3 der Kinder haben, die die Annahmen teilweise sehr ambitioniert. nötig sind, um sich selbst zu reproduzieren, 12. Zu einzelnen Punkten des Rentenversicherungs- auch entsprechend weniger aus einer nach dem berichtes an dieser Stelle nur zwei Bemerkun- Umlageverfahren finanzierten gesetzlichen Al- gen. Zum einen ist festzustellen, dass die fernere tersvorsorge erwarten können. Zusätzliche Al- Lebenserwartung 65-jähriger Frauen in der rea- tersvorsorge ist zwingend erforderlich. listischeren Generationenbetrachtung bereits 3. Eine vollständige Übertragung von Lohnerhö- heute bei über 23 Jahren und damit höher liegt hungen auf die Rente ist weder sinnvoll noch fi- als der Wert, der für 2030 in Periodenbetrach- nanzierbar. tung angenommen wird. Entsprechend gilt dies 4. Die noch indirekt im Beitragssatzfaktor der Ren- für Männer, bei denen die Lebenserwartung für tenanpassungsformel enthaltene Riesterkompo- die heute 65-Jährigen bereits knapp 20 Jahre be- nente könnte gestrichen werden. trägt und damit ebenfalls bereits heute höher als der für 2030 im Rentenversicherungsbericht an- 5. Die Definition der Standardrente sollte im Zuge genommene Wert ist. Diese aus aktuell berech- der Erhöhung des gesetzlichen Rentenzugangsal- neten Generationensterbetafeln entnommenen ters angepasst werden. Zahlen sind insbesondere dann relevant, wenn 6. Das Rentenniveau ist keineswegs eine in jedem es darum geht, die durchschnittliche Rentenbe- Fall über die Qualität der Rentenversicherung zugsdauer – zum Beispiel 65-Jähriger – anzuge- Auskunft gebende Größe. ben. Im Jahr 2030 dürfte die fernere Lebenser- wartung 65-jähriger Frauen (Männer) bei 25 (22) 7. Wenn im Bereich der gesetzlichen Rentenversi- Jahren und damit deutlich höher als im Renten- cherung über das Jahr 2030 hinaus gedacht wer- versicherungsbericht angegeben sein. den soll, ist auch über ergänzende zukunftsrele- vante Maßnahmen in diesem Bereich zu disku- 13. Die Höhe der Lebenserwartung ist auch relevant, tieren, es genügt nicht, nur Ziele zu definieren. wenn wie im Alterssicherungsbericht die bei der Verrentung der ergänzenden Altersvorsorge re- 8. Gleichzeitig ist bei einer Setzung von Zielen in sultierenden Auszahlungen bestimmt werden der gesetzlichen Rentenversicherung immer sollen. wieder zu hinterfragen, ob eine stärker einnah- menorientierte Rentenpolitik betrieben werden 14. Eine weitere Bemerkung betrifft die Modellrech- soll, und damit ein nicht zu hoher Beitragssatz nungen, die im Zusammenhang mit der Ent- das primäre Ziel ist, oder ob eine mehr ausga- wicklung der Anpassung der Ostlöhne an die benorientierte und zugleich renteniveauorien- Westlöhne im Rentenversicherungsbericht vor- tierte Rentenpolitik mit dem Ziel einer Stabili- gelegt werden. Es erschließt sich nicht, wieso sierung oder sogar Erhöhung des Rentenniveaus ein zusätzliches Wachstum der Ostlöhne um im Vordergrund steht. jährlich 2,4 Prozentpunkte gegenüber den West- löhnen erforderlich sein soll, um eine vollstän- Zum Rentenversicherungsbericht und zum Alterssi- dige Anpassung der Ostlöhne an die Westlöhne cherungsbericht bis zum Jahr 2030 zu erreichen – vielleicht ist 9. Der Rentenversicherungsbericht 2016 der Bun- hier ein anderes Jahr gemeint. desregierung schreibt im üblichen Maße frühere Zur Leistungsfähigkeit der Riester-Rente Rentenversicherungsberichte fort. Er skizziert unter anderem den aktuellen Zustand der ge- 15. Zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE, die setzlichen Rentenversicherung und gibt einen sich primär mit der Riester-Rente, der Rentenan- Überblick über die mögliche Entwicklung der passungsformel und dem Rentenniveau beschäf- Einnahmen und Ausgaben sowie des Vermögens tigen, ist u.a. festzustellen: der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Vo- 16. Die Riester-Rente hat die in sie gesetzten Erwar- rausberechnungen beruhen natürlich auf Mo- tungen nicht erfüllt. Dies hat mehrere Gründe. dellannahmen, die sich zwar an der Realität ori- entieren, langfristig jedoch nicht als Schätzwerte 17. Bei der Einführung der Riester-Rente war diese der jeweiligen Größen anzusehen sind. Daraus letztlich keine zusätzliche Altersvorsorge, son- resultierend geben die Pfade der Entwicklung dern sie diente in erster Linie dazu, das Loch zu der Einnahmen und Ausgaben sowie auch des stopfen, das sich durch ihre Einbeziehung in die Rentenwertes und des Rentenniveaus nur Inter- Rentenanpassungsformel in der Rente erst auf- valle für mögliche Entwicklungen an, denen tat. Insoweit wäre es im Grunde konsequent, die eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen Entwicklung der Riester-Rente nicht allein im ist, die jedoch mit keiner Wahrscheinlichkeits- Alterssicherungsbericht, sondern auch im Ren- aussage verbunden werden können. tenversicherungsbericht darzustellen. 10. Über die Annahmen, speziell zur Entwicklung 18. Da die Riester-Rente nicht obligatorisch war und der Löhne, lässt sich natürlich trefflich streiten. ist, war ihre dämpfende Einbeziehung in die Rentenanpassungsformel in der seinerzeit ver-

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wendeten Form nicht gerechtfertigt. Zudem wa- 26. Eine direkte Übernahme der prozentualen Ent- ren die Renditeerwartungen nicht zuletzt unter wicklung der Bruttolöhne und -gehälter sozial- Kostengesichtspunkten zu hoch. Sie belastet zu- versicherungspflichtig Beschäftigter auf den dem einseitig die Arbeitnehmer; ihre Förderung Rentenwert würde langfristig zu einer nicht ge- ist wegen der nachgelagerten Besteuerung quasi rechtfertigten Besserstellung der Rentner gegen- nur eine Steuerverschiebung. über den Beitragszahlern und zu immer höhe- 19. Die Riester-Rente, wie von der Fraktion BÜND- ren, nicht mehr vermittelbaren Beitragssätzen NIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen, vollständig führen. auf ein Zulagensystem umzustellen, könnte eine Zum Rentenniveau als Maß für die Rentenqualität aus heutiger Sicht zielgenauere Förderung er- 27. Die DRV Bund definiert das Rentenniveau wie möglichen, es entspräche jedoch nicht mehr der folgt: „Das Rentenniveau stellt die Relation zwi- ursprünglichen Zielsetzung. Und es würde dazu schen der Höhe der Standardrente (45 Jahre Bei- führen, dass eine nachgelagerte vollständige Be- tragszahlung auf Basis eines Durchschnittsver- steuerung der Riester-Rente rechtlich nicht mög- dienstes) und dem Entgelt eines Durchschnitts- lich ist, da diese dann ja zum größten Teil aus verdieners dar. versteuertem Einkommen finanziert wurde. 28. Maßgebend ist das Nettorentenniveau vor Steu- 20. Die Entwicklung der Riester-Rente wird im Al- ern. Dabei werden von der Standardrente die da- terssicherungsbericht dargestellt. Hier werden rauf entfallenden Sozialabgaben (Kranken- und allerdings im Wesentlichen nur die Anzahl der Pflegeversicherung) abgezogen. Vom Durch- Verträge, die geförderten Personen und die Bei- schnittsverdienst werden ebenfalls die darauf träge sowie die staatliche Förderung aufgezählt, entfallenden durchschnittlichen Sozialabgaben über etwa zu erwartende Leistungen und Rendi- (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenver- ten wird nichts ausgesagt. Bei der Berechnung sicherung) sowie zusätzlich der durchschnittli- des Gesamtversorgungsniveaus gehen die theo- che Aufwand zur zusätzlichen privaten Alters- retisch möglichen Leistungen ein. vorsorge abgezogen.“ Zum Interessenausgleich durch die Rentenanpas- 29. Das derart bestimmte Rentenniveau ist somit sungsformel u.a. abhängig vom Beitragssatz zur gesetzlichen 21. Auch heute folgt die Rente den Löhnen, d.h. Rentenversicherung. Würde ceteris paribus der aber nicht, dass die Rente – besser der Renten- Beitragssatz zur Rentenversicherung erhöht, so wert – um denselben Prozentsatz wie die Löhne stiege das Rentenniveau ebenfalls, obwohl sich steigt. Dies kann aber sinnvollerweise auch die Rentenhöhe gar nicht verändert hätte. nicht der Fall sein. 30. Doch im Gegensatz zu stark vereinfachten Rech- 22. Zumindest eine Veränderung des Beitragssatzes nungen, die immer wieder als Argument gegen in der gesetzlichen Rentenversicherung muss die Absenkung des Rentenniveaus angebracht eine Auswirkung auf die Rentenanpassung ha- werden, steigt in der Praxis auch bei sinkendem ben, da ansonsten die keine Rentenversiche- Rentenniveau die Standardrente. Ein Absinken rungsbeiträge zahlenden Rentner besser daste- des Rentenniveaus heißt nur, dass die Standard- hen würden als die sozialversicherungspflichtig rente langsamer gewachsen ist als der Durch- Beschäftigten. schnittsverdienst. So ist beispielsweise nach 23. Eine – zugegebenermaßen nur geringfügige – Angaben der DRV Bund von 2012 bis 2016 der Verbesserung der Rentenanpassung bei steigen- Durchschnittsverdienst um rund 10 %, die Stan- dem Beitragssatz würde sich ergeben, wenn der dardrente um 7 % gestiegen. Wert 96 beim Beitragssatzfaktor in der Renten- 31. Vielleicht wäre es hier interessant, einen Zu- anpassungsformel durch den Wert 100 ersetzt sammenhang zwischen Höhe der Standardrente würde und insoweit gewissermaßen die Riester- und Höhe der Grundsicherung herzustellen. Die komponente wieder aus der Rentenanpassungs- Differenz oder das Verhältnis beider Größen formel verschwände. sollte einen bestimmten Wert nicht unterschrei- 24. Der Nachhaltigkeitsfaktor, der das zahlenmäßige ten. Wobei die Standardrente sich allerdings Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern be- auch an der jeweils geltenden Regelaltersgrenze rücksichtigt, bezieht indirekt die demografi- orientieren sollte. schen Veränderungen der Bevölkerung in die 32. Außerdem wäre es nützlich, trotz der Probleme Rentenformel mit ein. Im Übrigen hat dieser wegen der aktuell unterschiedlichen Besteue- Faktor in der Vergangenheit auch positiv auf die rung der gesetzlichen Rente, etwas über die Ent- Rentenanpassung gewirkt. wicklung des Nettorentenniveaus (nach Steuern) 25. Eine Gesellschaft die, vereinfacht gesagt, nur gut zu erfahren, wie es indirekt im Alterssiche- zwei Drittel der Kinder hat, die sie benötigt, da- rungsbericht bei der Berechnung des Gesamtver- mit die Elterngeneration sich reproduziert, kann sorgungsniveaus ermittelt wird. auch nur entsprechend weniger aus der nach 33. Die immer wieder angesprochene Armut im Al- dem Umlageverfahren finanzierten gesetzlichen ter ist in erster Linie keine Sache der Renten, Rentenversicherung erwarten. Diese Situation sondern eine Folge der Löhne; sie würde auch schlägt sich u.a. im Nachhaltigkeitsfaktor nie- durch die angestrebte Erhöhung des Rentenni- der. veaus nicht beseitigt, allenfalls etwas gemildert werden. Eine Anhebung von Niedrigrenten auf

33 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

das Grundsicherungsniveau wird ggf. weiter nö- 39. Beitragssatz und Rentenniveau gleichzeitig zu tig sein. stabilisieren, geht unter den gegebenen Umstän- Zur Rentenniveauanhebung den zwar ebenso wenig wie die sogenannte Quadratur des Kreises, doch sollte es möglich 34. In ihrem Antrag stellt die Fraktion DIE LINKE es sein, eine Art Interessenausgleich zwischen den so dar, als ob die Anhebung und Stabilisierung beiden Größen zu finden. Schließlich gilt: Die des Rentenniveaus auf 53 % fast zum Nulltarif Beitragszahler von heute sind die Rentner von zu haben wäre. morgen. 35. Natürlich ist es möglich, das Rentenniveau un- Zum Drei-Säulen-System mittelbar allein durch eine Beitragssatzanhe- bung wieder auf ein Niveau von 53 % anzuhe- 40. Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ben. In den von der Fraktion DIE LINKE in der NEN vorgelegte Antrag mit dem Vorschlag eines Begründung ihres Antrages vorgestellten zielori- stabilen Drei-Säulen-Systems beinhaltet zum entierten Rechnungen sehr unterschiedlicher Teil Maßnahmen, die schon früher u.a. von Ver- Genauigkeit, wird von einer Beitragssatzanhe- tretern unterschiedlicher Parteien immer wieder bung von 2,13 Prozentpunkten gesprochen. vorgeschlagen wurden. Er hätte bereits vor über (Folgt man den Einlassungen der DRV Bund, 15 Jahren bei Einführung der Riester-Rente kon- wären es eher rund 2,5 Prozentpunkte.) Diese sequent umgesetzt werden müssen. Die dama- Erhöhung soll dazu verwendet werden, um den lige Bunderegierung hatte andere Ziele in den Rentenwert und damit auch die Standardrente Vordergrund gestellt. um gut zehn Prozent zu steigern. Dass diese 41. Die unter II (1) des Antrags der Fraktion BÜND- Maßnahme gerade die jüngere Generation belas- NIS 90/DIE GRÜNEN angeregte Einführung ei- tet, wird nicht diskutiert. Gleichzeitig wird der nes Pensionsfonds erweist sich bei genauerer Eindruck erweckt, dass mit dieser Beitrags- Betrachtung ebenfalls als wenig innovativ. satzerhöhung alle zukünftigen Probleme gelöst Gleichwohl könnte seine Einrichtung hilfreich seien. Das ist natürlich keineswegs der Fall. Im sein. An einen solchen Fonds dürfen jedoch Gegenteil, soll dieses Rentenniveau langfristig keine zu hohen Erwartungen gestellt werden. So gehalten werden, würde sich im Jahr 2030 ver- hat u.a. der Bund einen Vorsorgefonds mit dem mutlich ein Beitragssatz in der Größenordnung Ziel eingerichtet, die Versorgung und die Bei- von 27 bis 28 Prozent ergeben. hilfe der ab 2005 eingestellten Bundesbeamten 36. Wiederholt wird in diesem Zusammenhang von vollständig aus diesem Vorsorgefonds zu finan- der Steigerung der Produktivität gesprochen, die zieren. Dieses Ziel hat der Gesetzgeber im De- alle Probleme lösen kann. Dass durch eine Stei- zember 2016 revidiert, da sich ganz offenbar die gerung der Produktivität direkt die Renten einer Realität nicht an die Kalkulationen gehalten hat, steigenden Anzahl von Rentnern zu finanzieren mit anderen Worten, der Pensionsfonds kann seien, ist jedoch weitgehend eine Legende. Pro- nicht das leisten, was er ursprünglich leisten duktivitätssteigerungen machen sich üblicher- sollte. Hätte es sich hier um eine verbindliche weise in mindestens ebenso hohen Steigerungen Leistung im privaten Versicherungsbereich ge- der Löhne und Gehälter bemerkbar. Folgen nun, handelt, hätte der Fonds quasi Konkurs anmel- wie von der Fraktion DIE LINKE angestrebt, die den müssen. Renten voll der Lohnentwicklung, so steigen die 42. Die unter II (2) des Antrags aufgeführten Punkte Renten entsprechend und es bleibt vom Produk- zur Neuregulierung der Riester-Förderung sind tivitätszuwachs nichts mehr übrig, was der Fi- der Versuch, die Riester-Rente attraktiver zu ge- nanzierung zusätzlicher Rentner dienen könnte. stalten. Die unter II (3) aufgeführten, vor allem Auch hier zeigt sich, dass der Nachhaltigkeits- verbraucherorientierte Maßnahmen klingen sehr faktor notwendig ist. positiv, sie sind aber für den Verbraucher letz- 37. Im Übrigen ist eine Steigerung der Produktivität ten Endes nicht das Entscheidende. häufig nur zu Lasten der Arbeitnehmerinnen 43. Entscheidend ist: Zusätzliche geförderte private und Arbeitnehmer zu erreichen. In manchen Be- oder betriebliche Altersvorsorge ist immer nur reichen, z.B. im Pflegebereich, sind wohl keine so gut, wie sie von der Mehrheit der Bevölke- Steigerungen mehr möglich. rung angenommen wird und wie ihre Leistun- 38. Vielleicht wäre es im Zusammenhang mit dem gen sind. Rentenniveau sinnvoll, erneut über eine pro- gressiv dynamische Rente nachzudenken.

34 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)899 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Deutscher Gewerkschaftsbund

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen dazu – die Sicherungsfunktion der gesetzlichen sich für ein verlässliches und zukunftsgerichtetes Rentenversicherung ergänzend und nicht ersetzend Alterssicherungssystem ein. Der DGB fordert daher – muss die betriebliche Altersversorgung gestärkt einen Kurswechsel in der Rentenpolitik, mit dem und verbreitert werden. Ziel die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken Im politischen Diskurs hat sich in letzter Zeit viel und wieder leistungsorientiert auszugestalten. Das bewegt. Die Leistungskürzungen durch die Gesetzes- Rentenniveau darf daher nicht noch tiefer sinken änderungen in den 2000er Jahren sowie die gute Be- und muss auf dem heutigen Wert von rund 48 Pro- schäftigungslage haben zu einem aktuell außeror- zent netto vor Steuern stabilisiert und möglichst auf dentlich geringen Beitragssatz zur gesetzlichen Ren- etwa 50 Prozent angehoben werden. Begleitend tenversicherung geführt. Unstrittig ist auch, dass die

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Leistungskürzungen zwar vollumfänglich wirken, kann, beschränkt sich nicht auf die Absicherung im das gesunkene Rentenniveau aber nicht durch pri- Alter zum Zeitpunkt des Rentenbeginns. Mit be- vate Riester-Renten ausgeglichen werden kann. Dies trachtet werden müssen die gesamte Rentenbezugs- ist neben dem stark gesunkenen Zinsniveau auch phase und das Risiko der Erwerbsminderung. Der auf strukturelle Gründe, auf eine viel zu geringe DGB schlägt daher vor, zukünftig die Modellrech- Verbreitung und auf qualitative Mängel der Pro- nungen entsprechend zu erweitern, indem die Ren- dukte zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund be- tenbezugsphase sowie mindestens die Absicherung grüßt der DGB die breite gesellschaftliche Debatte bei Erwerbsminderung und ggf. auch die Hinterblie- über das richtige Rentenniveau sowie das Ziel der benenversorgung einbezogen werden. Lebensstandardsicherung und wie dieses künftig er- Die Bundesregierung unternimmt erstmals im Alters- reicht werden kann. Neben den Anträgen von DIE sicherungsbericht (S. 173) eine ergänzende Berech- LINKE. und Bündnis 90/Die Grünen gibt es auch ei- nung: Dabei wird eine aufgrund der Rente mit 67 um nen umfassenden Vorschlag aus dem Bundesminis- bis zu zwei Jahre verlängerte Erwerbsbiographie an- terium für Arbeit und Soziales, der allerdings inner- genommen. Daraus ergibt sich mathematisch halb der Bundesregierung nicht in allen Teilen Kon- zwangsläufig ein höheres „rechnerisches“ Rentenni- sens ist, sowie vielfältige Diskussionsbeiträge aus veau. Um neben den „Chancen“ auch die Risiken ob- den drei Regierungsparteien. jektiv darzustellen, schlägt der DGB vor, künftig Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen auch zu zeigen, wie sich das Versorgungsniveau ent- sich für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik ein wickeln würde, wenn weder eine längere Erwerbsbi- und fordern eine breite, offene und ehrliche Debatte ographie noch ein späterer Rentenbeginn erreicht über die zukünftige Ausgestaltung der deutschen würde. Es ist das Gesamtversorgungsniveau zu er- Alterssicherung. Begleitend zur Stärkung der ge- mitteln, auf Basis einer nicht verlängerten Erwerbs- setzlichen Rentenversicherung und der betriebli- biographie bei einem faktischen Rentenbeginn mit chen Altersversorgung muss der Arbeitsmarkt ge- dem 65. Lebensjahr – trotz steigender Regelalters- stärkt, prekäre Beschäftigung eingedämmt und sozi- grenze, d. h. unter Berücksichtigung möglicher Ab- alversicherungspflichtige Beschäftigung aufgebaut schläge. werden. Außerdem müssen Elemente des Sozialaus- Der DGB kritisiert darüber hinaus, dass die Kapital- gleichs für Zeiten der Arbeitslosigkeit, bei niedri- marktrenditen, die den Berechnungen zum Gesamt- gem Lohn oder für Bildungszeiten wieder gestärkt versorgungsniveau zugrunde liegen, optimistisch und die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente sind. Um der Unsicherheit langfristiger Renditean- gestrichen werden. Dies ist aus Sicht der Gewerk- nahmen gerecht zu werden, aber auch um den Le- schaften auch in Zeiten des demographischen Wan- sern die überragende Bedeutung der Renditeannah- dels leistbar, wenn die Weichen heute entsprechend men bei langfristigen Berechnungen zu verdeutli- gestellt werden. chen, wären langfristige Alternativszenarien statt le- Zu den Vorlagen im Einzelnen: diglich einer unterstellten kurzen Zinsdelle hier der a) Unterrichtungen durch die Bundesregierung angemessene Weg der Darstellung. auf Drucksache 18/10570: b) Anträge der Fraktion DIE LINKE. „Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche b.1) auf Drucksache 18/10471: „Zeit für einen Kurs- Rentenversicherung, insbesondere über die Entwick- wechsel – Rentenniveau deutlich anheben“ lung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltig- b.2) auf Drucksache 18/8610: „Die Riester-Rente in keitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Bei- die gesetzliche Rentenversicherung überführen“ tragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Ren- Der Antrag „Zeit für einen Kurswechsel“ zielt darauf tenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des ab, die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und als Ziel der Rentenversicherung wieder ein und zum Alterssicherungsbericht 2016“ sowie stabiles Rentenniveau in den Mittelpunkt zu stellen. auf Drucksache 18/10571: Dieses grundsätzliche Ziel teilt der Deutsche Ge- „Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Ren- werkschaftsbund, auch wenn er in Ausgestaltung, tenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbe- Höhe und Zeitpunkt durchaus abweichende Ansich- richt 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum ten zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. hat. Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssi- Für den DGB ist klar, dass im Zentrum der gesetzli- cherungsbericht 2016“. chen Rentenversicherung ein Leistungsversprechen Der DGB nimmt die Berichte der Bundesregierung stehen muss. Dies bedeutet konkret, dass wir ein kritisch zur Kenntnis. Grundsätzlich werden die Be- stabiles Rentenniveau brauchen, damit die Renten richte begrüßt, da sie wesentliche Aspekte und mit- wieder der Wohlstandsentwicklung und den Löhnen telfristige Folgen der geltenden Rechtslage darstel- folgen. Wir brauchen dafür einen gesellschaftlichen len. Konsens darüber, welches Rentenniveau wir anstre- ben und wie dies kurz- und langfristig zu finanzie- Aus Sicht des DGB wären die Berichte jedoch zu er- ren ist. In diesem Sinne ist der vorliegende Antrag gänzen. Für eine umfassende Darstellung der Wir- als ein Diskussionsbeitrag zu begrüßen, der die not- kungen der Reformen fehlen wichtige Informationen. wendige gesellschaftliche Debatte bereichert. Ergänzend werden sollten die Modellrechnungen zum Gesamtversorgungsniveau (RVB wie auch ASB). Der Antrag „Riester-Rente überführen“ fordert dar- Die Frage, ob und wieweit die zusätzliche private über hinaus, dass die Förderung privater Riester- Vorsorge das sinkende Rentenniveau ausgleichen

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Rentenversicherungen (bei Vertrauensschutz) einge- c) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf stellt wird und die Versicherten das Recht erhalten, Drucksache 18/7371: „Für eine faire und transpa- ihre angesparten Beiträge freiwillig in die GRV zu rente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei- überführen. Aus Sicht des DGB haben sich die priva- Säulen-System“ ten Riester-Renten nicht bewährt. Es ist also durch- Der DGB teilt die Einschätzung, dass sich die Erwar- aus sinnvoll zu prüfen, ob künftig bei Bestands- tung nicht erfüllt hat, dass das sinkende Rentenni- schutz auf eine weitere Förderung privater Renten- veau durch private Vorsorge ausgeglichen werden versicherungen verzichtet wird. Wenig sinnvoll er- kann. Auch aus Sicht des DGB ist die gesetzliche scheint der Vorschlag, das angesparte Kapital in die Rentenversicherung zu stärken. Allerdings steht der GRV zu überführen, auch wenn dies aufgrund der DGB den im Antrag formulierten konkreten Lösungs- aktuell wesentlich höheren Rendite für die Versi- vorschlägen teilweise kritisch gegenüber. Aus Sicht cherten individuell lukrativ erscheint. Der DGB be- des DGB wäre eine Fortführung privater Riester-Ren- fürchtet zum einen Mitnahmeeffekte, da Haushalte ten in Form eines staatlichen Vorsorgefonds oder mit hohem Einkommen überdurchschnittlich häufig von Basisprodukten keine Lösung. Ein staatlicher Riester-Verträge abgeschlossen haben und gerade Vorsorgefonds würde neue Risiken mit sich bringen, diese Haushalte dann erhebliche Summen überfüh- darunter Fragen des politischen Zugriffs oder der ren würden. Außerdem ist unklar, wie die gesetzli- Marktmacht, die an dieser Stelle nicht weiter vertieft che Rentenversicherung die überführten Gelder werden sollen. Auch greift der Gedanke zu kurz, die sinnvoll anlegen soll, da sie keine renditeorientierte Altersvorsorge weitgehend auf Armutsvermeidung Anlagepolitik betreibt. Es besteht dann die Gefahr, zu orientieren, da es bei der Absicherung der Be- dass das Geld nicht oder nur gering verzinst wird schäftigten immer auch darum geht, durch einen an- und entsprechende Mehrbelastungen auf die Versi- gemessenen Lohnersatz einen sozialen Abstieg im cherten zu kämen. Zudem ist der Vorschlag unver- Alter und bei Erwerbsminderung zu verhindern. einbar mit dem anders gearteten Finanzierungssys- tem der gesetzlichen Rentenversicherung: Die zu- Zu begrüßen sind die Vorschläge, im Bereich der Al- sätzlichen Einnahmen würden den Rücklagen zuge- tersvorsorge mehr Transparenz zu erzeugen und die führt, was unmittelbar die Beiträge senkt oder ihre Effizienz bei privaten Versicherungen zu erhöhen. Erhöhung verhindert. Die entstehenden Ansprüche Auch aus Sicht des DGB ist es notwendig, dass die und künftigen Renten aus diesen Beträgen müssten Versicherten eine übersichtliche und sachgerechte hingegen aus den Pflichtbeiträgen der zukünftigen Information über ihre Rentenansprüche erhalten. Versicherten finanziert werden, was zu intertempo- Diese Information muss Qualität und Umfang der ralen Verteilungseffekten führen würde. Ansprüche in den verschiedenen Vorsorgewegen ob- jektiv bewertbar und für die Versicherten verständ- lich machen. Ziel muss es sein, mit einheitlichen Wertmaßstäben eine wirkliche Transparenz in der Vorsorge zu erreichen. Die Vorschläge der Grünen sind insoweit zielführend.

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DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)900 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Prof. Dr. Ursula Engelen-Kefer, Berlin

Auf Grundlage der Vorlagen a) bis e) für die öffentli- finanziellen Spielräume des Alterseinkünftegesetzes che Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozi- und die staatliche Förderung genutzt werden, um ales des Deutschen Bundestages gebe ich folgende eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen“, teile ich Stellungnahme ab: nicht. Wie die Bundesregierung in ihrem Rentenversiche- Begründung: rungsbericht 2016 feststellt, wird „die gesetzliche (1) Festgestellt wird in dem Rentenversicherungsbe- Rente zukünftig nicht ausreichen“…“um den Le- richt 2016 ein Abfall des Sicherungsniveaus der ge- bensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuset- setzlichen Altersrenten netto vor Steuern von derzeit zen.“ Die Schlussfolgerung, dass der erworbene Le- 48 Prozent auf 47 Prozent 2024 und 44,5 Prozent bensstandard nur erhalten bleiben“ kann, “wenn die

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2030. Damit erfolgt bereits jetzt ein starker Rückgang vorgenommen. Für die überwiegende Mehrheit der des Rentenniveaus von 53 Prozent im Jahr 2000, der Rentner wurden mithin die Berechnungsgrundlagen in den nächsten Jahren erheblich ansteigen wird. für die gesetzliche Altersrente ohne einen finanziel- Ausschlaggebend hierfür sind die Kürzungsfaktoren len Ausgleich gekürzt. Auch hat dies weitere soziale in der gesetzlichen Rentenversicherung seit den Ungerechtigkeiten geschaffen. Eine zusätzliche kapi- Riester Reformen 2001 (Riester Faktor, Nacholfaktor, talgedeckte Alterssicherung können sich Arbeitneh- Nachhaltigkeitsfaktor). Darüber hinaus erfolgten be- mer im unteren Einkommensbereich, Arbeitslose, reits in den vergangenen 15 Jahren erhebliche Kauf- Familien, Frauen, Alleinerziehende trotz staatlicher kraftverluste bei den Renten. Förderung nicht leisten. Entsprechend machen die (2) Verschärft wird die Kürzung bei den Altersrenten kapitalgedeckten Zusatzrenten nur einen verschwin- weiterhin durch die pauschale Anhebung der Alters- dend geringen Anteil an den Altersrenten aus. grenzen für den Übergang aus dem Erwerbsleben in Zudem werden die Riesterrenten auf die Grundsi- die Altersrente ab 2012 von 65 auf 67 Jahre. Wie Un- cherung im Alter angerechnet. Nach den Finanzkri- tersuchungen und Erfahrungen zeigen, liegen weder sen seit 2007 und den Niedrig- bzw. Nullzinsen ver- die gesundheitlichen Voraussetzungen noch die Ar- lieren kapitalgedeckte Alterssicherungsanlagen au- beitsmarktbedingungen dafür vor. Für die große ßerdem immer mehr an Bedeutung. Hinzu kommen Mehrheit der Rentner bedeutet die Anhebung des die Intransparenz, sowie vor allem auch überdurch- Rentenalters eine Kürzung ihrer Altersrenten bis an schnittlich hohe Verwaltungskosten, was auch nach ihr Lebensende von 3,5 Prozent pro Jahr des vorzeiti- jahrzehntelanger Kritik der Verbraucherverbände im- gen Übergangs in die Rente. mer noch nicht behoben wurde. (3) Gleichzeitig erfolgt ein negativer kumulativer Ef- (6) Besonders negativ ist der mit den Riester Refor- fekt beim Sicherungsniveau der Renten mit der Aus- men erfolgte Einbruch in die paritätische Finanzie- weitung von prekärer Beschäftigung sowie Niedrig- rung. Mit dem gesetzlichen Beitragsdeckel wurden löhnen durch einen Teil der Hartz Gesetze, insbe- die Beitragssätze festgeschrieben: auf 20 Prozent sondere Hartz IV sowie die Deregulierung im Ar- 2020 und 22 Prozent 2030. Als Äquivalent wurde beits- und Sozialrecht. Betroffen sind in Deutschland der Abfall des Sicherungsniveaus der Altersrenten etwa ein Fünftel aller abhängig Beschäftigten und in ebenfalls begrenzt- auf 46 Prozent 2020 und 43 Pro- zunehmendem Maße auch Selbständige. Geradezu zent 2030- mithin für viele Rentner auf ein Niveau skandalös ist die Armutsfalle bei Arbeit und im Al- nahe an der Grundsicherung, wenn nicht sogar da- ter durch die Explosion der Minijobs auf inzwischen runter. Die kapitalgedeckten Zusatzrenten, mit de- über 7 Millionen. Dies gilt zu über zwei Drittel für nen der Abfall des gesetzlichen Rentenniveaus aus- Frauen und dabei in besonders starkem Maße für Al- geglichen werden sollte, müssen von den Arbeitneh- leinerziehende. Wie längerfristige Prognosen des mern allein gezahlt werden. BMAS feststellen, wird das Sicherungsniveau der ge- Dies ist ein weiterer Grund für den dringenden Kurs- setzlichen Altersrenten bis 2045 weiter drastisch auf wechsel in der Rentenpolitik. Die gesetzliche Alters- 41,5 Prozent absinken. Damit wird sich das Risiko rente als maßgebliche Sicherung des Lebensstan- der Armutsrenten weiter erheblich verschärfen. dards muss wieder paritätisch aus Beiträgen von Ar- (4) Ich vertrete somit die Auffassung: Das sog. beitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden. „Dreisäulenmodell“ der Alterssicherung ist geschei- Der Abschluss ergänzender kapitalgedeckter Alters- tert. Erforderlich ist ein Kurswechsel in der Renten- vorsorge muss auf Freiwilligkeit basieren und darf politik. Zielrichtung muss die Wiederherstellung nicht durch den Abfall der gesetzlichen Alterssiche- der gesetzlichen paritätisch finanzierten Alterssi- rung erzwungen werden. cherung sein, die maßgeblich den Lebensstandard (7) Wenig überzeugend sind die Standard- Argu- im Alter absichert. Dazu müssen die Kürzungsfakto- mente, infolge der Demographie sei die gesetzliche ren (Riester-, Nachhol- und Nachhaltigkeitsfaktor) Rentenversicherung als maßgebliche Sicherung des aus der Rentenformel gestrichen werden. Darüber Lebensstandards im Alter nicht zu finanzieren. Die hinaus ist die Riester Treppe nach unten nicht nur strukturelle, d.h. erzwungene Ergänzung durch kapi- anzuhalten, sondern wieder stufenweise nach oben talgedeckte Zusatzversorgung sei daher alternativlos. zu gehen. Erforderlich ist ein Sicherungsniveau der Alternativlos mag dies für die private Versicherungs- Altersrenten netto vor Steuern von mindestens 53 branche sein, aber nicht für die Arbeitnehmer. Es Prozent (wie vor den Riester Reformen im Jahr entsteht der Eindruck: Die seit Jahrzehnten anhalten- 2000). Dies ist bereits ein Abfall gegenüber dem den demographischen Veränderungen infolge des Netto-Einkommen während der aktiven Erwerbs- Rückgangs der Geburtenrate einerseits und der Erhö- phase, aber kann noch als maßgebliche Sicherung hung der Lebenserwartung andererseits werden stän- des Lebensstandards im Alter angesehen werden. dig neu erfunden, um den Übergang zu kapitalge- (5) Die zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge deckten Alterssicherungssystemen zu begründen. kann niemals ein Ausgleich für die ausfallende ge- Dabei wird so getan, als ob nicht auch kapitalge- setzliche Altersrente sein. Der für immer mehr Rent- deckte Alterssicherungssysteme von den demogra- ner existenzbedrohende Trugschluss der Riester Re- phischen Veränderungen beeinflusst werden. Ausge- formen besteht darin, dass in die Rentenformel die blendet wird, dass sie darüber hinaus noch das er- Fiktion aufgenommen wurde, dass alle Rentner 4 hebliche Risiko der Entwicklung auf den Kapital- Prozent vom Brutto für eine kapitalgedeckte Alters- märkten sowie der privaten Finanzbranche tragen. rente zusätzlich zu ihren Beiträgen für die gesetzli- Den Vorschlag in dem Antrag der Faktion Bündnis che Altersrente aufwenden. Dies wurde nach jetzt 15 90/Die Grünen „Für eine faire und transparente pri- Jahren nur von einem kleineren Teil der Rentner

39 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales vate Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-Mo- (9) Die bisherigen Reformen der Großen Koalition- dell- - vor allem die Einrichtung eines Deutschlands Mütterrenten und der 63er Regelung- bringen zwar Fonds für eine kapitalgedeckte Altersvorsorge – erstmalig nach vielen Jahrzehnten des ständigen kann ich daher nicht teilen. Leistungsabbaus wieder Verbesserungen in der ge- Es wäre eine durchaus sinnvolle Alternative, wenn setzlichen Rentenversicherung. Allerdings lösen sie die Möglichkeiten der gesetzlichen Rentenversiche- nicht das Grundproblem der drastischen Absenkung rung für zusätzliche Altersvorsorge verbessert und des Sicherungsniveaus der Renten vor allem für die ausbaut würde. Eine staatliche Förderung wäre hier- zukünftigen Generationen. Zudem führen sie zu wei- bei bedeutend besser angelegt als die milliarden- teren Ungerechtigkeiten: bei den Müttern vor allem schweren Steuersubventionen für wenig durchsich- infolge der weiterhin bestehenden Nachteile zwi- tige und teilweise auch nicht verlässliche Altersvor- schen Ost und West sowie des fehlenden dritten sorgeprodukte der privaten Finanzbranche. Zudem Rentenpunktes; bei der 63er Regelung zwischen den bietet die gesetzliche Rentenversicherung neben den dauerhaft Beschäftigten, vorwiegend Männern mit Altersrenten wesentliche Zusatzleistungen- insbe- höheren Einkommen und Altersrenten sowie den sondere: Erwerbsminderungsrenten, Rehabilitation, Beschäftigten in den unteren Einkommensbereichen Hinterbliebenenversorgung. und mit unterbrochenen Erwerbsbiographien, dabei viele Frauen. Vor allem sind die Mütterrenten aus (8) Darüber hinaus bestehen erhebliche Spielräume Mitteln der Beitragszahler „fehl“ finanziert. Als ge- für die Finanzierung der Wiederherstellung einer ge- samtgesellschaftliche Leistungen müssen hierfür setzlichen Rentenversicherung, die den Lebensstan- Bundessteuern zur Verfügung gestellt werden. dard gerade auch für die zukünftigen Arbeitnehmer- und Rentnergenerationen wieder maßgeblich absi- (10) Bedenkenswert scheint mir der Vorschlag in chert. Die gute wirtschaftliche Entwicklung ermög- dem Antrag der Fraktion Die Linke, Die Riesterrente licht einen niedrigeren Beitragssatz für die Renten- in die gesetzliche Rentenversicherung zu überfüh- versicherung, als er nach dem Gesetz möglich wäre. ren. Dabei wären allerdings tragfähige Regelungen zu Dieser finanzielle Spielraum beträgt derzeit bereits finden, wie die Interessen derjenigen Betroffenen zu einen Prozentpunkt. Darüber hinaus werden die schützen sind, die ihre Riester Verträge erhalten Riesterrenten über Zulagen und Steuern mit etwa 3,5 wollen. Mrd. Euro im Jahr subventioniert- finanzielle Mittel, Zusammenfassung die sinnvoller zur Stabilisierung der gesetzlichen Wie die Bundesregierung in ihrem Rentenversiche- Rentenversicherung eingesetzt werden können. rungsbericht 2016 feststellt, wird „die gesetzliche Finanzielle Spielräume würden zusätzlich entstehen Rente zukünftig nicht ausreichen“…“um den Le- durch: die längst überfällige Einführung einer Er- bensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuset- werbstätigenversicherung; die Zahlung von Beiträ- zen.“ Die Schlussfolgerung, dass der erworbene Le- gen zur Rentenversicherung sowie für die Abschaf- bensstandard nur erhalten bleiben“ kann, “wenn fung der Zwangsverrentung für Langzeitarbeitslose; die finanziellen Spielräume des Alterseinkünftege- die Umwandlung der Minijobs in sozialversiche- setzes und die staatliche Förderung genutzt werden, rungspflichtige Vollzeit und Teilzeit; einen gesetzli- um eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen“, teile ich chen Mindestlohn von 11,80 Euro, der eine Alters- nicht. rente über dem Grundrentenniveau ermöglicht; die Begründung: Wiederherstellung des arbeits- und sozialrechtlichen Schutzes zur Bekämpfung der Missbräuche bei Leih- Festgestellt wird in dem Rentenversicherungsbe- arbeit, befristeter Beschäftigung, Werkverträgen und richt 2016 ein Abfall des Sicherungsniveaus der ge- Schein Selbständigkeiten. setzlichen Altersrenten netto vor Steuern von der- zeit 48 Prozent auf 47 Prozent 2024 und 44,5 Pro- Erforderlich ist ebenfalls eine deutliche Erhöhung zent 2030. Verschärft wird die Kürzung bei den Al- des Bundeszuschusses. Mehrere Leistungsbereiche tersrenten weiterhin durch die pauschale Anhebung der gesetzlichen Alterssicherung sind wesentliche der Altersgrenzen für den Übergang aus dem Er- Aufgaben des sozialen Ausgleichs. Sie sind mithin werbsleben in die Altersrente ab 2012 von 65 auf nicht aus Beitragsmitteln, sondern vom Steuerzahler 67 Jahre. zu finanzieren. Darüber hinaus reicht der Bundeszu- schuss schon heute nicht aus, um die sogenannten Gleichzeitig erfolgt ein negativer kumulativer Ef- versicherungsfremden Leistungen abzudecken und fekt beim Sicherungsniveau der Renten mit der müsste daher zusätzlich um etwa 20 Milliarden Euro Ausweitung von prekärer Beschäftigung sowie erhöht werden. Hierzu bedarf es einer sozial ausge- Niedriglöhnen durch einen Teil der Hartz Gesetze, wogenen Steuerreform, die Spitzeneinkommen, insbesondere Hartz IV sowie die Deregulierung im große Vermögen und Erbschaften sowie Kapitaler- Arbeits- und Sozialrecht träge höher besteuert. Ich vertrete somit die Auffassung: Das sog. Erst als Letztes wäre dann zu prüfen, ob zur Finan- „Dreisäulenmodell“ der Alterssicherung ist geschei- zierung der Leistungsverbesserungen auch eine An- tert. Erforderlich ist ein Kurswechsel in der Renten- hebung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Ren- politik. Zielrichtung muss die Wiederherstellung tenversicherung erforderlich wäre. Umfragen zeigen, der gesetzlichen paritätisch finanzierten Alterssi- dass moderate Beitragserhöhungen akzeptiert wer- cherung sein, die maßgeblich den Lebensstandard den könnten, wenn spürbare Leistungsverbesserun- im Alter absichert. Das Sicherungsniveau der ge- gen bei den zukünftigen Renten erfolgen. setzlichen Altersrenten muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden Die zusätzliche kapitalgedeckte

40 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Altersvorsorge kann niemals ein Ausgleich für die schaffung der Zwangsverrentung für Langzeitar- ausfallende gesetzliche Altersrente sein. beitslose; die Umwandlung der Minijobs in sozial- Besonders negativ ist der mit den Riester Reformen versicherungspflichtige Vollzeit und Teilzeit; einen erfolgte Einbruch in die paritätische Finanzierung. gesetzlichen Mindestlohn von 11,80 Euro, der eine Mit dem gesetzlichen Beitragsdeckel wurden die Altersrente über dem Grundrentenniveau ermög- Beitragssätze festgeschrieben: auf 20 Prozent 2020 licht; die Wiederherstellung des arbeits- und sozial- und 22 Prozent 2030. rechtlichen Schutzes zur Bekämpfung der Miss- bräuche bei Leiharbeit, befristeter Beschäftigung, Wenig überzeugend sind die Standard- Argumente, Werkverträgen und Schein Selbständigkeiten. infolge der Demographie sei die gesetzliche Renten- versicherung als maßgebliche Sicherung des Le- Erforderlich ist ebenfalls eine deutliche Erhöhung bensstandards im Alter nicht zu finanzieren. Den des Bundeszuschusses. Erst als Letztes wäre dann Vorschlag in dem Antrag der Faktion Bündnis zu prüfen, ob zur Finanzierung der Leistungsverbes- 90/Die Grünen „Für eine faire und transparente pri- serungen auch eine Anhebung des Beitragssatzes in vate Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich Modell- - vor allem die Einrichtung eines Deutsch- wäre. lands Fonds für eine kapitalgedeckte Altersvorsorge Die bisherigen Reformen der Großen Koalition- – kann ich daher nicht teilen. Mütterrenten und der 63er Regelung- bringen zwar Es wäre eine durchaus sinnvolle Alternative, wenn erstmalig nach vielen Jahrzehnten des ständigen die Möglichkeiten der gesetzlichen Rentenversiche- Leistungsabbaus wieder Verbesserungen in der ge- rung für zusätzliche Altersvorsorge verbessert und setzlichen Rentenversicherung. Allerdings lösen sie ausbaut würde. nicht das Grundproblem der drastischen Absen- kung des Sicherungsniveaus der Renten vor allem Finanzielle Spielräume würden zusätzlich entste- für die zukünftigen Generationen hen durch: die längst überfällige Einführung einer Erwerbstätigenversicherung; die Zahlung von Bei- Bedenkenswert scheint mir der Vorschlag in dem trägen zur Rentenversicherung sowie für die Ab- Antrag der Fraktion Die Linke, Die Riesterrente in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen.

41 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)901 Ausschuss für Arbeit und Soziales 19. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V.

Wir bedanken uns herzlich für die Einladung zur seine Funktionsfähigkeit insgesamt langfristig si- Anhörung. Zur Vorbereitung der Anhörung übersen- cherzustellen. Notwendig sind Maßnahmen, die da- den wir Ihnen wunschgemäß unsere Stellungnahme für sorgen, dass die gesetzliche Rente tatsächlich zu den o.g. Vorlagen, wobei wir uns als bundeswei- nachhaltig leistungsfähig und für nachfolgende Ge- ter Fachverband für alle Fragen der betrieblichen Al- nerationen finanzierbar bleibt und die sie ergän- tersversorgung auf die für die betriebliche Altersver- zende zusätzliche Alterssicherung ihre Aufgabe er- sorgung relevanten Aspekte beschränken möchten. füllen kann, das Absinken des Rentenniveaus zu- Das deutsche Alterssicherungssystem bedarf einer mutbar zu kompensieren. Erfahrungen und eine umfassenden Reform, um den anstehenden demogra- Vielzahl von Beispielen im Ausland zeigen, dass fischen Herausforderungen gerecht zu werden und sich nur in einem ausgewogenen Drei-Säulen-Modell

42 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales mit einer richtigen Balance von Umlage- und Kapi- hätte, eine lebensstandardsichernde Versorgung im taldeckungselementen auf Dauer mit einem über- Alter zu gewährleisten. Dies war nur im Zusammen- schaubaren finanziellen Aufwand für alle Beteiligten spiel mit einer ergänzenden Zusatzversorgung mög- (Arbeitnehmer/Arbeitgeber/Staat) eine leistungs- lich. und generationengerechte Alterssicherung erzielen Aus unserer Sicht ist jetzt die Politik gefordert, Maß- lässt. nahmen zu ergreifen, die den Auswirkungen des In Deutschland wurde bereits vor anderthalb Jahr- niedrigen Zinses auf die kapitalgedeckten Systeme zehnten ein Paradigmenwechsel zugunsten eines entgegenwirken und diese abmildern. Hierzu gehört ausgewogenen Drei-Säulen-Systems eingeleitet, um u.a. der Verzicht auf feste Garantien im Rahmen von bei der gesetzlichen Rente den weiteren Beitragssatz- tariflichen Regelungen zu Betriebsrenten, der jetzt anstieg - auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähig- im geplanten Betriebsrentenstärkungsgesetz (BR-Drs. keit deutscher Unternehmen und um die jüngere Ge- 780/16 v. 30.12.2016) vorgesehen ist. Dies sieht auch neration nicht zu überfordern - zu dämpfen. Dieser der Sozialbeirat so (Randziffer 88). Auch die Anhe- eingeschlagene Weg sollte aus unserer Sicht konse- bung des steuerlichen Förderrahmens für Leistungen quent fortgesetzt und die bereits durchgeführten Re- der bAV ist ein wichtiger Schritt. Er reicht allerdings formen nicht mehr zurückgedreht werden, wie dies nicht aus, weil angesichts der anhaltenden Niedrig- z.T. gefordert wird (BT-Drs. 18/10471, BT-Drs. zinsphase heute ein weitaus höherer Aufwand im 18/8610). Erforderlich ist, dass das Zusammenspiel Rahmen eines kapitalgedeckten Alterssicherungssys- von gesetzlichen und sie ergänzenden Alterssiche- tems notwendig ist, um eine ausreichende ergän- rungssystemen stabil und nachhaltig ist. Kontinuität, zende Absicherung für das Alter zu erreichen. Der Planbarkeit und Verlässlichkeit sind für alle Beteilig- Sozialbeirat spricht hier mit Recht von einer „be- ten und nicht zuletzt für die betroffenen Bürger un- grenzten Verbesserung“. Zudem fehlen Maßnahmen, erlässlich. Eine Rückabwicklung und Überführung die es den bestehenden Systemen der betrieblichen von seit 2001 aufgebauter kapitalgedeckter Riester- Altersversorgung erleichtern, auch angesichts der Versorgung in die umlagefinanzierte gesetzliche anhaltenden Niedrigzinsphase ihren Verpflichtun- Rente bedeutet einen Systembruch und führt zu Ver- gen nachzukommen. Der Sozialbeirat weist in die- werfungen im Rahmen der gesetzlichen Rente. Selbst sem Zusammenhang zutreffend auf die Situation von wenn dies auf freiwilliger Basis erfolgen sollte, be- regulierten Pensionskassen u.a. hin und signalisiert deutet dieser Schritt eine zusätzliche Belastung hier Handlungsbedarf (Randziffer 82). künftiger Beitragszahlergenerationen und ist aus un- Im Hinblick auf ihre kollektiven und institutionellen serer Sicht abzulehnen. Strukturen, der Tradition einer anteiligen (zuweilen Die gesetzliche Rente wird auch in Zukunft für die alleinigen) Arbeitgeberfinanzierung, den geringen Menschen im Alter die tragende Säule der Alterssi- Kosten im Vergleich zur privaten Absicherung, der cherung sein. Es besteht jedoch zu Recht allgemein Möglichkeit zum internen Solidarausgleich und Konsens, dass sie alleine auch mit weiteren Maßnah- nicht zuletzt der sog. Systemrendite, ist in erster Li- men zur Stabilisierung des Rentenniveaus (Erhö- nie die kapitalgedeckte betriebliche Altersversor- hung des Rentenalters, Steigerung des Beitragssatzes, gung ein für Arbeitnehmer unverzichtbarer Baustein, Erhöhung des Bundeszuschusses) nicht die Aufgabe wenn in Zukunft für die Menschen ein angemesse- bewältigen kann, für künftige Generationen ein ange- nes Einkommen im Alter gewährleistet sein soll. Wir messenes Einkommen im Alter abzusichern und Al- begrüßen es deshalb sehr, dass mit dem vorgelegten tersarmut in der Breite zu vermeiden. Es führt des- Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur halb kein Weg an einer Stärkung der die gesetzliche Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Rente ergänzenden kapitalgedeckten Alterssiche- Änderung anderer Gesetze die im Koalitionsvertrag rungssysteme vorbei. Nur gemeinsam mit einer zu- angekündigte Weiterentwicklung der betrieblichen sätzlichen kapitalgedeckten Altersversorgung kann Altersversorgung noch in dieser Legislaturperiode eine stabile Grundlage für eine auskömmliche Al- umgesetzt und damit der bereits 2001 eingeschla- terssicherung geschaffen werden. Diese Auffassung gene Weg zu ihrem Ausbau konsequent weiterver- bestätigen der Rentenversicherungsbericht 2016, der folgt wird und die Betriebsrente damit neben der ge- diesen ergänzende Alterssicherungsbericht 2016 so- setzlichen Rente zu einem zentralen tragenden Ele- wie das Sondergutachten des Sozialbeirats zum Ren- ment der Alterssicherung gemacht werden soll. Posi- tenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssiche- tiv werten wir auch, dass dies zunächst auf freiwilli- rungsbericht 2016. ger Basis geschieht. Eine Angebotsverpflichtung des An der Notwendigkeit des Ausbaus und der Stär- Arbeitgebers schafft einen nicht zu unterschätzen- kung der die gesetzliche Rente ergänzenden kapital- den Regelungsbedarf für den Gesetzgeber und bringt gedeckten Systeme ändert auch das anhaltende Zins- neue Haftungsrisiken für die Arbeitgeber. Auch ein tief nichts, das es diesen Systemen derzeit er- wie auch immer geartetes neues Basisprodukt schwert, die durch Absinken der gesetzlichen Rente (BürgerInnenfonds u.a. - BT-Drs. 18/10384), das ne- hervorgerufene wachsende Sicherungslücke zu ben die schon bestehenden Möglichkeiten tritt, eine schließen. Es ist zwar richtig, dass die mit dem Al- betriebliche Altersversorgung zu organisieren, ist aus tersvermögensgesetz verknüpften Erwartungen an unserer Sicht wenig hilfreich, schon weil ein solcher die „Riester-Rente“ und den Ausbau der Betriebs- Weg neue Komplexitäten schafft, die gerade vermie- rente bislang nicht in Erfüllung gegangen sind. den werden sollten. Falsch ist aber im Zusammenhang mit der kapitalge- Die Stärkung der bAV durch das Altersvermögensge- deckten Zusatzversorgung die Annahme, dass die ge- setz im Jahre 2001 hat bereits zu einem deutlichen setzliche Rente in den Jahren zuvor ausgereicht Zuwachs von Betriebsrenten geführt. Auch wenn die

43 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Datensituation, was die bAV angeht, noch verbesse- Hier bedarf es aus unserer Sicht noch weiterer An- rungsbedürftig ist – hierauf weist der Sozialbeirat strengungen und es sollte im anstehenden parlamen- zutreffend hin und begrüßt zu Recht Überlegungen tarischen Verfahren die Chance genutzt werden, wei- zur statistischen Auswertung der den Finanzämtern tere Verbesserungen auf den Weg zu bringen und gemeldeten Zahlungen aus Alterssicherungssyste- Hemmnisse für eine flächendeckende Verbreitung zu men –, so besteht doch Einigkeit darüber, dass nach beseitigen. wie vor noch großer Handlungsbedarf besteht, was Für eine nachhaltig höhere Teilnahmequote in der ihre Verbreitung angeht. Ziel der im Rahmen des Ge- bAV ist es erforderlich, dass man die derzeitigen setzesvorhabens (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vor- Problemfelder Sozialversicherung, Komplexität und gesehenen Maßnahmen ist vor allem eine bessere Anrechnung auf die Grundsicherung gezielt angeht. Verbreitung der bAV in kleinen und mittelständi- Die dazu bereits vorgesehenen Maßnahmen reichen schen Betrieben sowie bei Niedrigverdienern. Hier aus unserer Sicht noch nicht aus, um Betriebsrenten spielt die bAV, wie sich auch aus dem Alterssiche- einen deutlichen Schub zu verleihen. So sollte der rungsbericht 2016 ergibt, bisher eine nur untergeord- Gesetzgeber u.a. die Unterschiede bei der Bewertung nete Rolle. Das Gesetz ist damit ein wichtiger Schritt von Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz nach vorne zu einem System einer nachhaltig zu- und in der Steuerbilanz reduzieren und § 6a EStG, kunftsfesten Altersversorgung für alle Arbeitnehmer. in dem die Bildung der steuerlichen Pensionsrück- Wir begrüßen und unterstützen ausdrücklich das Be- stellungen geregelt wird, modernisieren. Insgesamt streben der Bundesregierung, durch die im Betriebs- ist diese Vorschrift in ihren zentralen Regelungsbe- rentenstärkungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen die reichen veraltet, denn die bAV-Landschaft in Verbreitung der bAV zu erhöhen und das Versor- Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten gungsniveau für Arbeitnehmer zu verbessern und grundlegend verändert, während § 6a EStG an diese damit die Altersversorgung insgesamt zu stärken. Entwicklungen nicht angepasst wurde. Zu nennen Der Freibetrag bei der Grundsicherung für freiwillige sind insbesondere der zu hohe Rechnungszins von 6 Zusatzrenten und die steuerliche Förderung eines v.H. sowie das gesetzlich vorgesehene Teilwertver- Arbeitgeberzuschusses für Beschäftigte mit niedri- fahren, das zur Bewertung von modernen Pensions- gem Einkommen sind – auch nach Ansicht des Sozi- zusagen völlig ungeeignet ist. albeirats - ebenso wie die Freistellung von Leistun- gen der Riester-Rente von Sozialabgaben zukunfts- Ein weiteres noch nicht zufriedenstellend gelöstes weisende Maßnahmen, die die Situation von Nied- Hemmnis für den weiteren Ausbau von Betriebsren- rigverdienern verbessern. ten ist u.a. die Belastung mit Sozialabgaben. Der So- zialbeirat (Randziffer 87) bedauert zu Recht, dass der Mit dem sog. Sozialpartnermodell soll die weitere Ausschluss der Doppelverbeitragung auf die Riester- Ausbreitung der bAV stärker als bisher tarifvertrag- Rente beschränkt bleibt. Betriebsrenten dürfen aus lich verankert werden. Das Sozialpartnermodell legt unserer Sicht nicht gleichzeitig in der Finanzie- die Verantwortung für die gedeihliche Fortentwick- rungs- und Leistungsphase mit Beiträgen zur gesetz- lung und den Ausbau der bAV in die Hände der Ta- lichen Kranken- und Pflegeversicherung belastet rifpartner. Für diesen Ansatz spricht, dass die Tarif- werden. Dies schafft Fehlanreize, die ein großes partner nicht nur über eine autonome Rechtset- Hemmnis für den weiteren Ausbau der betrieblichen zungsmacht, sondern auch über die nötigen finanzi- Altersversorgung darstellen. Wir begrüßen es sehr, ellen Mittel verfügen. Die von den Tarifpartnern aus- dass im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgeset- gehandelten Wege erfassen zwingend eine hohe An- zes geplant ist, Riesterverträge im Bereich der bAV zahl von Arbeitnehmern und sie gewährleisten auch künftig in der Leistungsphase nicht mehr mit Beiträ- einen fairen Interessenausgleich und genießen des- gen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu belas- halb bei den Beteiligten hohes Vertrauen. Zudem ten. Heute werden bei Inanspruchnahme der Riester- können aufgrund einer hohen Anzahl von Versor- förderung, anders als bei den im Rahmen der priva- gungsberechtigten bessere Konditionen mit den zur ten Vorsorge abgeschlossenen Riesterverträgen, so- Durchführung eingeschalteten externen Versor- wohl in der Finanzierungs- als auch in der Leis- gungsträgern vereinbart und auch die Komplexität tungsphase Beiträge zur Kranken- und Pflegeversi- und der Versorgungsaufwand - insbesondere für die cherung erhoben; in der Leistungsphase sogar mit Arbeitgeber - gesenkt werden. Wir teilen insoweit dem vollen vom Rentner allein zu tragenden Bei- die Einschätzung des Sozialbeirats. Das Gesetzesvor- tragssatz. Diese Ungleichbehandlung ist den Be- haben geht aus unserer Sicht in die richtige Rich- troffenen kaum zu vermitteln. Die Doppelverbeitra- tung, weil es auf kollektive Lösungen, statt einer gung ist auch der Grund dafür, dass Riesterverträge weiteren Individualisierung der Absicherung im Al- bisher bei der bAV trotz der gerade für Niedrigver- ter setzt. Es bietet vielversprechende Ansätze im diener attraktiven Zulagen nur eine untergeordnete Hinblick auf eine sachgerechte Fortentwicklung der Rolle spielen. bAV und ihre weitere Verbreitung. Allerdings gibt es aus unserer Sicht noch Nachbesserungsbedarf, wenn Ungelöst bleiben zahlreiche andere Fälle der Dop- die Reform insgesamt erfolgreich sein soll. pelverbeitragung. Hierzu gehört die Fortführung ei- ner Pensionskassenzusage bzw. Pensionsfondszu- Die betriebliche Altersversorgung wird der ihr zuge- sage mit eigenen Mitteln nach Beendigung des Ar- dachten Aufgabe – Übernahme einer substantiellen beitsverhältnisses vom Arbeitnehmer aus seinem Absicherungsfunktion / universelle Absicherung für Nettoeinkommen. Während 2010 höchstrichterlich Arbeitnehmer – nur gerecht werden können, wenn entschieden wurde, dass die Leistungen aus einer sie weitere Impulse und echte substantielle Verbes- vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bei einem serungen – auch für bestehende Systeme – erhält.

44 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Versicherungsunternehmen abgeschlossenen Direkt- An der Finanzierung seiner Betriebsrente kann sich versicherung, die der Arbeitnehmer nach seinem der Arbeitnehmer auch durch sog. echte Eigenbei- Ausscheiden aus dem Betrieb privat als Versiche- träge beteiligen. Echte Eigenbeiträge liegen dann vor, rungsnehmer fortführt, insoweit nicht beitragspflich- wenn der Arbeitnehmer bereits versteuertes und ver- tig sind, werden auf Leistungen aus Pensionskassen beitragtes Einkommen als eigene Beiträge (aus Netto- bzw. Pensionsfonds weiterhin Beiträge zur Kranken- einkommen) in die bAV einfließen lassen möchte, § und Pflegeversicherung fällig, wenn der Arbeitneh- 1 Abs.2 Nr.4 BetrAVG. Auch in diesen Fällen kommt mer nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsver- es zu einer zweimaligen Verbeitragung in der Kran- hältnis seine Versicherung privat fortgeführt hat. ken- und Pflegeversicherung. Diese Ungleichbehandlung wird von der Sozialge- Unverständlich ist auch, dass trotz der vorgesehenen richtsbarkeit rein formal damit begründet, dass der Anhebung des steuerlichen Höchstbetrages im Rah- institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts an- men des § 3 Nr. 63 EStG auf 8.v.H. weiterhin nur ders als bei der Direktversicherung nie völlig verlas- 4.v.H. beitragsfrei bleiben. Der Gesetzgeber sorgt da- sen werde n könne. Damit wird aber der vom Gesetz- mit erneut systematisch für eine Doppelverbeitra- geber ausdrücklich im Betriebsrentenrecht vorgese- gung. hene Anspruch des Arbeitnehmers, nach Ausschei- den aus dem Arbeitsverhältnis seine Versorgung pri- Nicht nur die o.g. Fälle der Belastung von Versor- vat weiterzuführen, unattraktiv. gungsaufwand und Leistung mit Beiträgen zur Kran- ken- und Pflegeversicherung verhindern eine Aus- Einer Korrektur bedarf auch die Behandlung pau- weitung der betrieblichen Altersversorgung. Einen schalbesteuerter Beiträge und echter Eigenbeiträge. starken Fehlanreiz hat das GKV-Modernisierungsge- Für Direktversicherungs- und Pensionskassenzusa- setz zum 1. Januar 2004 gebracht. Seit diesem Zeit- gen, die vor dem 1. Januar 2005 erteilt wurden, be- punkt müssen alle in der gesetzlichen Krankenversi- stand die Möglichkeit der sogenannten Pauschalver- cherung versicherten Bezieher von Betriebsrenten steuerung. In diesen Fällen wurden die Finanzie- auf ihre laufenden Versorgungsbezüge und Kapital- rungsbeiträge mit einem Lohnsteuersatz von 20 v.H. zahlungen den vollen Beitragssatz zur Kranken-und in der Finanzierungsphase belastet. Erfolgte die Fi- Pflegeversicherung entrichten. Bis zum 31. Dezem- nanzierung durch den Arbeitnehmer im Wege der ber 2003 waren Kapitalleistungen beitragsfrei und Entgeltumwandlung aus Sonderzahlungen (z. B. auf laufende Versorgungsbezüge fiel nur der halbe Weihnachtsgeld), so geschah dies sozialabgabenfrei. Beitragssatz an. Im Ergebnis wurden und werden da- Erfolgte die Finanzierung allerdings aus laufendem mit alle Betriebsrenten in erheblichem Umfang „ge- Einkommen, so wurden und werden Sozialabgaben kürzt“. Das Vertrauen in verlässliche Rahmenbedin- fällig. In diesen Fällen kommt es ebenfalls zu einer gungen der betrieblichen Altersversorgung wurde Verbeitragung von Versorgungsaufwand und späte- dadurch stark beeinträchtigt. Gerade für Bezieher rer Leistung. niedriger und mittlerer Einkommen hat die betriebli- che Altersversorgung damit erheblich an Attraktivi- tät verloren. Dem gilt es entgegenzuwirken.

45 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschussdrucksache 18(11)906 Ausschuss für Arbeit und Soziales 20. Januar 2017 18. Wahlperiode

Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 23. Januar 2017 zum a) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10570 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2016 (Alterssicherungsbericht 2016) und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016 BT-Drucksache 18/10571 c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben BT-Drucksache 18/10471 d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen BT-Drucksache 18/8610 e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen- System BT-Drucksache 18/7371 Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D., München

In Kürze: 2. Auch in Zukunft wird die Kaufkraft der Renten 1. Die Ausdehnung des Prognosehorizontes der steigen. Eine einseitige Fixierung des Rentenniveaus rentenpolitischen Eckdaten von 2030 auf 2045 ist zu auf einen Prozentsatz, der den heutigen noch über- begrüßen. Diese Eckdaten zeigen deutlich, dass die steigt, ist abzulehnen, weil sie dieses Nachhaltig- GRV keine finanziellen Spielräume hat und nach keitsproblem zu Lasten jüngerer Generationen noch 2030 nicht nachhaltig finanziert ist. weiter verschärfen und zu einer wirtschaftlichen Si- tuation führen würde, die problematischer ist als

E-Mail vom 19.01.2017

46 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales diejenige vor dem Beginn der rot-grünen Koalition Fasst man diese für den Zeitraum bis 2040 zusam- 2002. men, so würde der Gesamtbeitragssatz in der Sozi- 3. Da der einzige Grund für ein Absinken des Ren- alversicherung von heute knapp 40 Prozent auf tenniveaus nach 2040 die steigende Lebenserwar- 54% steigen (23.5% an die GRV, 24,5% an die GKV, tung ist, bietet es sich an, das Rentenalter so zu dy- 4% an die SPV plus 2% an die Arbeitslosenversiche- namisieren, dass sowohl Rentenbezugszeit als auch rung), wobei das BMWi eine noch höhere Belastung Lebensarbeitszeit ansteigen, und zwar in einem Ver- von 59.9% prognostiziert (Abbildung 3). Dabei ist hältnis von 2:1. Dies macht die Finanzierung der optimistisch unterstellt, dass der Beitragssatz zur Ar- GRV unabhängig von der jeweiligen Lebenserwar- beitslosenversicherung auf 2 (bzw. 3) Prozent zu- tung. Damit würde bereits ab 2040 das Rentenniveau rückgehen wird. Diese Entwicklung ist daran zu wieder ansteigen. messen, dass es ein erklärtes Ziel aller Bundesregie- rungen in den vergangenen 25 Jahren war, den Ge- 4. Bei der Riester-Rente ist das Glas je nach An- samtbeitrag zur Sozialversicherung auf einem Wert sicht halb voll oder halb leer; gescheitert ist sie je- unterhalb von 40 Prozent (und den Beitragssatz zur doch nicht. Sie hat deutlich mehr Haushalte im ein- Rentenversicherung unter 20 Prozent) stabil zu hal- kommensschwachen Segment erreicht als die be- ten. triebliche Altersvorsorge. Die Konstruktionsfehler beider Säulen sollten nicht durch eine Erhöhung der Ein Anstieg der Beitragssätze zur Sozialversicherung Förderung, sondern vor allem durch eine bessere In- um mehr als 10 Prozentpunkte würde die Wettbe- formationspolitik und die Einführung eines Stan- werbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft schwer schädigen und zu einer massiven Verlagerung von dardprodukts nach schwedischem bzw. britischem 1 Vorbild ausgeglichen werden. Arbeitsplätzen ins Ausland führen. Davon wären nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern 1. Ausgangssituation auch diejenigen negativ betroffen, die primär von Alle Überlegungen zur Finanzierung der umlageba- Sozialtransfers leben, also beispielsweise die Rent- sierten Sozialsysteme werden durch den demogra- ner. Es ist daher zu erwarten, dass, bevor die Bei- phischen Wandel dominiert. Ihm liegt der bislang tragssätze die genannten Niveaus erreichen, Eingriffe ungebrochene Trend einer steigenden Lebenserwar- ins Leistungsrecht in mehreren Zweigen der Sozial- tung und einer weiterhin niedrigen Geburtenrate zu- versicherung vorgenommen werden müssen, um ei- grunde. Auch wenn die Geburtenrate sich in den nen solchen Anstieg zu verhindern. Je später solche vergangenen Jahren von 1,35 auf 1,47 Kinder im Le- Reformen angepackt werden, umso drastischer müs- ben einer Frau leicht erhöht hat, ist nach wie vor sen sie ausfallen und umso mehr Unmut werden sie jede Generation um etwa ein Drittel kleiner als die bei den Bürgern auslösen, die auf die zuvor gelten- Vorgängergeneration, so dass die Zahl der Älteren den Leistungsversprechen vertraut haben. Wir wür- relativ zu den Jüngeren weiter steigen wird. den in eine Situation ähnlich wie der zu Beginn der rotgrünen Koalition 2002 zurückfallen: niedriges Wichtig ist hierbei, dass sich die demographische Wirtschaftswachstum, stagnierende Reallöhne, keine Struktur nach 2030 nicht etwa stabilisiert, sondern finanziellen Spielräume für die Sozialsysteme. dass es ganz im Gegenteil zu einem weiteren Schub des Altenquotienten zwischen 2030 und 2040 von 2. Aufhebung der Beitragsdeckelung, Fixierung ei- 49,5 auf 56,7 kommt (Abbildung 1). Daher ist es zu nes Mindestrentenniveaus über dem heutigem Ni- begrüßen, dass das BMAS im vergangenen Herbst veau Vorausschätzungen der finanziellen Kenndaten der Falsch ist die oft zitierte Vorstellung, dass aufgrund gesetzlichen Rentenversicherung bis 2045 veröffent- des sinkenden Rentenniveaus die Kaufkraft der Ren- licht hat, die im Wesentlichen frühere Berechnungen ten absolut sänke und daher immer mehr Rentner bestätigen (Werding 2014; Prognos AG 2015; Buslei nur noch eine Rente in Höhe der Grundsicherung o- und Peters 2016; Deutsche Bundesbank 2016; Bör- der gar weniger beziehen werden. Das Rentenniveau sch-Supan, Bucher-Koenen und Rausch 2016, Abbil- beschreibt nicht die absolute Höhe der monatlichen dung 2). Demnach wird der Beitragssatz bereits ab Rentenzahlungen und damit nicht die Kaufkraft der dem Jahr 2031 die Marke von 22% überschreiten Renten, sondern das Verhältnis der durchschnittli- und das Nettorentenniveau vor Steuern ab dem Jahr chen Rentenzahlung zum durchschnittlichen Lohn. 2036 die 43%-Grenze unterschreiten. Dies zeigt, dass Die Absenkung des Rentenniveaus durch die ver- es nicht nur keine finanziellen Spielräume nach schiedenen Faktoren in der Rentenformel bewirkt, 2030 gibt, sondern die GRV nicht nachhaltig finan- dass die Rentenzahlbeträge um etwa ein Drittel we- ziert ist. Dies zeigt sich auch darin, dass die „Nach- niger stark wachsen als die Löhne. Dennoch wird haltigkeitslücke“ der GRV durch die Reformen auch in Zukunft die Kaufkraft der Renten steigen, zwar deutlich verringert, nicht aber vollständig ge- da die Löhne stärker steigen als das Rentenniveau schlossen werden konnte, vgl. Werding (2016) und sinkt (Abbildung 4). Dieses auf dem unglücklich so European Commission (2015). benannten Begriff „Rentenniveau“ beruhende Miss- Im Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim verständnis mag ein Grund für die Befürchtungen BMWi (2016) werden zudem Projektionen für die künftiger Altersarmut und für den Ruf nach einer übrigen Zweige der Sozialversicherung genannt. höheren Untergrenze für das Rentenniveau sein.

1 Eine hohe Belastung des Faktors Arbeit führt zu geringeren Arbeitsanreizen und senkt damit den volkswirtschaftlichen Output. Untersuchungen von Trabandt und Uhlig (2011, 2013) kommen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland die Steuers- ätze auf Arbeit bereits ein Niveau erreicht haben, das nahe am Aufkommensmaximum liegt. Weitere Erhöhungen könnten zwar das Aufkommen um maximal 5% des BIP steigern, würden gleichzeitig aber das BIP selbst um bis zu 22% senken

47 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Nimmt man einen jährlichen Produktivitätszuwachs werden. Die Betroffenen könnten dann immer noch von 1,5% an, der etwa dem langfristigen Durch- einen um 1 Jahr längeren Ruhestand genießen als schnitt der letzten 25 Jahre entspricht, dann wächst ohne den Anstieg der Lebenserwartung.2 Auf dieser die Kaufkraft der Renten trotz absinkendem Niveau Überlegung beruhte die im Volksmund „Rente mit um ca. 1% jährlich. Die Renten der nächsten Genera- 67“ genannte Erhöhung der Regelaltersgrenze in der tion werden also ca. 30% mehr Kaufkraft haben als GRV im Zeitraum 2012 bis 2031, die im Jahr 2007 als die heute ausbezahlten Renten. Da die Grundsiche- RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz beschlossen rung laut Gesetz an die Kosten eines sozial-kulturell wurde. angemessen definierten Warenkorbes gebunden ist, Steigt die Lebenserwartung weiter, so dürfte die Al- werden die Renten eher stärker steigen als die tersgrenze in den Folgejahren nicht bei 67 stehen Grundsicherung, so dass der Abstand sich eher er- bleiben, sondern müsste automatisch so angepasst höhen als vermindern wird. Eine zunehmende Al- werden, dass sich Erwerbs- und Rentenbezugszeit im tersarmut mit dem absinkenden Rentenniveau zu be- gleichen Verhältnis 2:1 verlängern. Eine solche gründen ist daher falsch. Die Gründe für eine zuneh- Maßnahme wird bei den betroffenen Altersgruppen mende Altersarmut liegen ausschließlich in den Ver- oft als Angriff auf einen „Besitzstand“ interpretiert. änderungen in der Struktur der Erwerbstätigkeit, de- Dies scheinen die Erfahrungen mit der 2007er Re- ren negative Auswirkungen zielgenau mit arbeits- form, die in der Bevölkerung sehr unpopulär war, zu markt-, bildungs- und integrationspolitischen Maß- bestätigen. Damals wurde jedoch der falsche Ein- nahmen bekämpft werden müssen. druck genährt, dass die zwei zusätzlichen Erwerbs- Eine Anhebung der in SGB VI §154 festgelegten Un- jahre eine um zwei Jahre kürzere Rentenbezugsdauer tergrenze des Nettorentenniveaus vor Steuern, das implizieren. Dies ist falsch, da tatsächlich die Ren- im Gesetz als „Sicherungsniveau“ bezeichnet wird, tenbezugsdauer um ein Jahr steigen wird. wäre als Armutsvermeidungsstrategie wenig zielge- So haben die Niederlande im Jahr 2012 eine automa- nau, da dadurch alle Renten erhöht würden, nicht tische Anpassung der Regelaltersgrenze ihrer Grund- nur die der von Armut Gefährdeten. Dies würde den rente an die Entwicklung der Lebenserwartung be- Nachhaltigkeitsfaktor aushebeln und damit den Bei- schlossen, die in der Bevölkerung weitgehend akzep- tragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bzw. tiert wurde. Ähnliche automatische Anpassungsre- den Bundeszuschuss massiv anheben, vgl. Abbil- geln wurden in Italien, Schweden und Norwegen dung 5. Die ohnehin schon stark ansteigende Sozial- und teilweise in Frankreich eingeführt. Der wichtige abgabenquote (Abbildung 3) würde noch weiter an- Punkt ist, dass eine Anpassung dynamisch erfolgt, steigen und die deutsche Wirtschaft in einen Zu- also auf demographische Entwicklungen flexibel rea- stand bringen, der noch ungünstiger wäre als derje- gieren kann und sowohl die Rentenbezugszeit als nige vor 2002. auch die Lebensarbeitszeit erhöht wird, so dass sich Rentenpolitische Maßnahmen zur Vermeidung künf- prozentual der „Besitzstand“ nicht ändert. tiger Altersarmut – nach einem Scheitern von ar- Konsequenterweise sollten mit steigender Lebenser- beitsmarkt-, bildungs- und integrationspolitischen wartung nicht nur die Altersgrenze, sondern auch Maßnahmen – müssen zielgenau auf Personen in andere mit dem Lebensalter verbundene Parameter den Gruppen ausgerichtet werden, die unter den Al- der Rentenversicherung angepasst werden. Dazu tersarmen besonders häufig anzutreffen sind. Dies zählen die Mindestzeiten für langjährige bzw. beson- sind vor allem drei Gruppen: Langzeitarbeitslose, ders langjährige Versicherungen (von 35 auf 37 bzw. Erwerbsgeminderte und Kleinstselbstständige. 45 auf 47 Jahre) und die Definition des Standard- 3. Automatische Anpassung der Regelaltersgrenze rentners (von 45 auf 47 Jahre), der wiederum das po- Der nach 2030 sich weiter fortsetzende Anstieg des litisch wichtige Sicherungsniveau (Nettorentenni- Altersquotienten hat definitorisch nur einen einzi- veau vor Steuern) bestimmt. Würde die Figur des gen Grund, nämlich eine weitere Erhöhung der Le- Standardrentners 47 anstatt 45 Jahre lang sozialversi- benserwartung, da in den Berechnungen des Statis- cherungspflichtig arbeiten, läge das ausgewiesene Si- tischen Bundesamtes alle übrigen Parameter kon- cherungsniveau im Jahr 2030 um ca. zwei Prozent- stant gesetzt werden. Eine effektive Reform der GRV punkte höher bei etwa 45,5% und könnte bis nach muss also hier, dem eigentlichen Grund, ansetzen. 2050 über der Marke von 45% gehalten werden, Eine höhere Lebenserwartung bedeutet bei konstan- ohne dass weitere Maßnahmen erforderlich wären. ter Regelaltersgrenze, dass die Laufzeit der Renten- Würde man konsequenterweise auch die Definition zahlung entsprechend steigt und die Rentnergenera- des Standardrentners nach 2030 dynamisieren, tion im Umlageverfahren länger auf Kosten der nach- könnte das Sicherungsniveau bereits vor 2040 wie- folgenden Generation lebt, die dafür einen höheren der ansteigen und die finanzielle Belastung der GRV Beitragssatz tragen muss. Auf der anderen Seite ist durch die steigende Lebenserwartung wäre vollstän- eine steigende Lebenserwartung in der Regel auch dig neutralisiert, vgl. Abbildung 6. mit besserer Gesundheit und höherer Leistungsfä- 4. Riester-Rente und betriebliche Altersvorsorge higkeit im 7. Lebensjahrzehnt verbunden. Will man Eine Beibehaltung, sogar Stärkung der kapitalge- die Relation zwischen der Länge des Erwerbslebens deckten Säulen ist wichtig, weil sie neben der pro- und des Ruhestands in etwa aufrechterhalten, so duktiven Arbeit auch das Produktivkapital als Fi- müsste bei einem Anstieg der Lebenserwartung um 3 Jahre das Rentenalter um 2 Jahre hinausgeschoben

2 Das Verhältnis 2:1 spiegelt die durchschnittliche Länge des Erwerbslebens (etwa 40 Jahre) und der Rentenbezugszeit (etwa 20 Jahre) wider.

48 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales nanzierungsgrundlage der Alterssicherung mobili- Befragungszeitpunkt bereits Rentenansprüche ober- siert und damit die Beitragslast der jüngeren Gene- halb der Grundsicherung erworben hatte (Gasche ration reduziert. Dies scheint zunächst eine reine und Lamla 2014). Schließlich wissen die wenigsten Umverteilungsmaßnahme zwischen Jung und Alt zu Haushalte über die Kosten und die Auszahlungsbe- sein. Da die jüngere Generation auf die steigende träge ihrer Riester-Verträge Bescheid (Bucher-Koe- Beitragslast mit einem niedrigeren Arbeitsangebot nen und Koenen 2015). reagieren Hier zeigt sich ein weiteres Strukturproblem der kann sowie Deutschland durch höhere Arbeitskosten Riester-Rente, nämlich die mangelnde Markttrans- an Wettbewerbsfähigkeit verlieren wird, ergeben parenz. Kosten und Auszahlungsbeträge sind von sich jedoch auch Effizienzgesichtspunkte, die dafür Vertrag zu Vertrag höchst unterschiedlich. Unter den sprechen, das Umlageverfahren im Zuge des demo- knapp 40 Riester-Produkten, die ca. 80% des Mark- graphischen Wandels nicht weiter auszudehnen, tes abdecken, beträgt der von den Vertriebs- und sondern durch eine höhere Kapitaldeckung zu ergän- Verwaltungskosten erzeugte Renditeverlust im Mit- zen. tel etwa 0,6 Prozentpunkte pro Jahr, was allein Die Reformen seit 2001 haben daher die Verbreitung schon sehr hoch ist. Bei 12% dieser Verträge liegt der privaten Altersvorsorge durch die Einführung dieser Verlust jedoch unter 0,2 Prozentpunkten, der staatlich geförderten Riester-Rente und der be- während er bei 20% dieser Verträge mehr als vier- trieblichen Altersvorsorge durch die sozialabgaben- mal so hoch ist (Gasche u.a. 2013). Der Wettbewerb freie Entgeltumwandlung zu stärken versucht. Dies auf dem Markt für Riester-Produkte hat es nicht ver- ist zum Teil auch gelungen; von „Scheitern“ kann mocht, solche großen Kostenunterschiede auszuglei- keine Rede sein, auch wenn man von einer vollstän- chen: niedrig rentierliche Riester-Produkte wurden digen Abdeckung weit entfernt ist. Der Anteil der nicht durch die günstigeren Produkte vom Markt Haushalte ohne kapitalgedeckte Altersvorsorge ist verdrängt. Dieses Versagen rechtfertigt die weiter un- nach Haushaltsumfragen von 73% im Jahr 2003 auf ten diskutierten Eingriffe. 39% im Jahr 2013 gesunken (Börsch-Supan u.a. In der betrieblichen Altersvorsorge herrscht ähnli- 2015). Fast die Hälfte der Haushalte hat mindestens ches Unwissen wie über die RiesterRente. Erschre- einen Riester-Vertrag, auch im untersten Einkom- ckenderweise ist es nicht nur auf der Arbeitnehmer-, mensquintil sind dies mehr als 20% (Abbildung 7). sondern auch auf der Arbeitgeberseite groß. Nur Unter den Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten 42% der Arbeitnehmer, die Anspruch auf eine Be- bieten 84% der Betriebe eine betriebliche Altersvor- triebsrente haben, geben an, dass sie einen Anspruch sorge an; oftmals ist diese ein verpflichtender Be- auf eine Betriebsrente haben. Von diesen wiederum standteil des Arbeitsvertrages (TNS-Infratest 2012). wissen nur 35%, welcher Teil ihres Gehaltes in die Bei kleinen und mittleren Unternehmen ist die Ver- Betriebsrente einfließt (Lamla und Coppola 2013). breitung jedoch deutlich niedriger. Im Durchschnitt Auf der Arbeitgeberseite geben 46% kleiner und über alle Betriebe liegt der Anteil derjenigen mit ei- mittlerer Unternehmen an, dass sie über die betrieb- ner betrieblichen Altersvorsorge bei 54%. Vor allem liche Altersvorsorge zu wenig wissen, um eine sol- unter Geringverdienern gibt es – im Gegensatz zur che anzubieten; 70% wissen nicht, dass es staatliche Riester-Rente – praktisch keine Beteiligung an der Fördermöglichkeiten gibt (Kiesewetter u.a. 2016). betrieblichen Altersvorsorge. Der Anteil im unters- Viel diskutiert wird daher zur Zeit das im Vereinig- ten Einkommensquintil liegt deutlich unter 5% (Bör- ten Königreich seit 2008 obligatorische und in den sch-Supan u.a. 2015; Abbildung 8). USA bei Betriebsrenten oft angewandte „Opting- Das von einem „Scheitern“ der kapitalgedeckten zu- Out“, das einen Kompromiss zwischen einem Obli- sätzlichen Altersvorsorge insgesamt keine Rede sein gatorium und der jetzigen Situation bilden soll. Er kann, zeigt vor allem die Tatsache, dass fast 80% der besteht darin, die Teilnahme an einer kapitalgedeck- deutschen Haushalte ihre ten Zusatzrente als Klausel des Arbeitsvertrages zu formulieren, die automatisch in Kraft tritt, wenn der „Rentenlücke“ füllen können, wenn man das Ge- Arbeitnehmer sich nicht aktiv dagegen ausspricht. samtvermögen als Maßstab nimmt (BörschSupan et al. 2016a; Abbildung 9). Die Rentenlücke ist dabei Opting-out Lösungen sehen sich jedoch einem Ziel- der Betrag, um die die Rente höher wäre, wenn es konflikt zwischen Flächendeckung und Transparenz die Rentenreformen der Jahre 2001 bis 2007 nicht ge- gegenüber. Information und Transparenz zu verbes- geben hätte. sern, ist daher eine wichtige Maßnahme. Kernele- ment ist hier eine für alle Produkte der Altersvor- Beide Formen der kapitalgedeckten Altersvorsorge sorge nach gleichen Regeln berechnete und gleich haben jedoch strukturelle Probleme, die größten- formulierte Renteninformation. Diese säulenüber- teils in schwerwiegenden Informationsmängeln be- greifende Standardisierung sollte so beschaffen gründet sind. Bei der Riester-Rente ist das Unwissen sein, dass auch eine nicht in Finanzdingen ausgebil- über die Förderberechtigung groß. Mehr als die dete Person die Rentenanwartschaften aller gesetzli- Hälfte derjenigen, die angeben, nicht förderberech- chen, privaten und betrieblichen Altersvorsorgean- tigt zu sein, sind jedoch förderberechtigt (Coppola und Gasche 2011). Besonders hoch ist der Anteil sprüche auflisten, addieren und mit ihrem jetzigen Uninformierter unter Geringverdienern. Unwissen Einkommen vergleichen kann. Dieser Reformvor- bzw. extremer Pessimismus herrscht auch über die schlag ist nicht neu, seine Verwirklichung jedoch Wahrscheinlichkeit, altersarm zu werden: 38% der bislang am Widerstand der Marktteilnehmer geschei- Haushalte geben an, im Alter mit Armut zu rechnen, tert. Hier ist daher ein staatlicher Eingriff geboten, obwohl die Hälfte dieser Haushalte zum

49 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales der die Marktteilnehmer zwingt, die vielen Detail- stanzgarantie übermäßig riskante Anlagen verhin- probleme solcher Renteninformationen zu lösen, an- dert. Schließlich sollten Staatsschuldverschreibun- statt sich hinter ihnen zu verstecken. gen wie alle übrigen Anlagen auch mit Risikoge- Der verbreitete Informationsmangel, wer die Zula- wichten versehen werden, um die Asymmetrie zwi- genförderung bei der Riester-Förderung in Anspruch schen Anlagen in Produktivkapital und Staats- nehmen darf, lässt sich durch eine allgemeine För- schuldverschreibungen aufzuheben. derberechtigung einfach beheben. Die Mehrkosten Die Auszahlungen aus einer im Rahmen einer Be- sind gering, da es nur wenige tatsächlich nicht för- triebsrente abgeschlossenen Riester-Rente sind der- derberechtigte Haushalte gibt, während es, wie oben zeit voll kranken- und pflegeversicherungspflichtig, dargestellt, viele gibt, die wegen dieses Informations- sofern der Versicherungsnehmer gesetzlich kranken- mangels keinen Riester-Rentenvertrag haben. versichert ist. Da die Beiträge aus dem Nettoeinkom- Auch die für die Versicherungsunternehmen ab- men des Arbeitnehmers finanziert werden müssen, schreckende und kostspielige Zulagenverwaltung werden solche Riester-Renten doppelt mit diesen So- ließe sich erheblich vereinfachen, wenn man auf den zialbeiträgen belastet. Diese Doppelverbeitragung vom Finanzamt erstellten Einkommensteuerbescheid ist anreizschädlich und sollte abgeschafft werden. zurückgreifen würde. Solange schließlich mehr als ein Drittel der Haus- Die Erfahrungen mit Kostenquotenobergrenzen für halte glaubt, dass sie im Alter nur die Grundsiche- Altersvorsorgeprodukte sind zwiespältig. Abgesehen rung beziehen werden, wäre es sinnvoll, gewisse davon, dass sie einen massiven Eingriff in die Frei- Freibeträge für private und betriebliche Altersvor- heit der Preisgestaltung darstellen, sind sie schwer sorgeleistungen in der Grundsicherung einzuführen, zu definieren, weil sich die Techniken der Finanz- so dass ein Anreiz bestehen bleibt, privat vorzusor- produkte laufend ändern. Dies führt zu einer großen gen. Dagegen mag sprechen, dass dies einer Doppel- Regulierungsbürokratie. förderung gleichkäme; gleichzeitig sollten sich je- doch die Ausgaben für die Grundsicherung vermin- Hilfreich wäre es, einen Markt für einfach zu verste- dern, wenn im Ergebnis weniger Menschen die hende Standardprodukte zu schaffen, die im Wett- Grundsicherung in Anspruch nehmen, weil genü- bewerb zu den derzeitigen Produkten stehen und da- gend Haushalte in diesem Drittel dann ausreichend her Druck auf andere Anbieter ausüben, ihre Pro- selbst vorgesorgt haben. dukte transparenter zu gestalten. Solche Standard- produkte sollten so konstruiert sein, dass ihre lang- Verweise fristige Rendite dem des realen Wachstums des Brut- Beske, F. und C. Krauss (2010), Ausgaben- und Bei- toinlandsproduktes entspricht. Dies sollten sie auch tragssatzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversi- garantieren. Der Fonds, der ein solches Standardpro- cherung bis 2060, Kiel. dukt anbietet, muss daher einen hinreichend großen Bomsdorf, E. und Winkelhausen, J. (2014), Der de- Puffer aufbauen, um Kapitalmarktschwankungen mographische Wandel bleibt ungebrochen trotz hö- weitgehend ausgleichen zu können. Zudem sollte herer Zuwanderung, Bevölkerungsvorausberechnung ein solches Standardprodukt sowohl die Einzah- für Deutschland bis 2060 auf der Basis des Zensus lungs- als auch die Auszahlungsphase in Form einer 2011, ifo Schnelldienst 22/2014 – 67. Jahrgang – 27. Leibrente umfassen. Durch die Verteilung der Aus- November 2014, 15-34. zahlung auf den im Mittel sehr langen Zeitraum des Rentenbezuges lassen sich die Auswirkungen von Börsch-Supan, A. (2007), "Rational Pension Reform". Kapitalmarktschwankungen weiter reduzieren und In: Geneva Papers on Risk and Insurance: Issues and das Volumen des Reservefonds verkleinern. Der be- Practice 4, 430-446. sondere Vorteil eines klar definierten Standardpro- Börsch-Supan, A., Bucher-Koenen, T., Coppola, M. duktes ist es, dass es sowohl für die private Alters- und Lamla, B. (2015): Savings in times of demogra- vorsorge im Rahmen der Riester-Förderung als auch phic change: lessons from the German experience, als Betriebsrenteninstrument für kleine und mittlere Journal of Economic Surveys, Jg. 29, H. 4, S. 807- Unternehmen im Rahmen der Entgeltumwandlung 829. genutzt werden kann. Börsch-Supan, A., T. Bucher-Koenen und J. Rausch Reformbedürftig sind auch die Anlagevorschriften (2016), Szenarien für eine nachhaltige Finanzierung für nicht fondsgebundene RiesterProdukte. Insbeson- der Gesetzlichen Rentenversicherung, MEA-Discus- dere unterlaufen Vorschriften, die effektiv darauf sion Paper 03-2016, erscheint in: ifo Schnelldienst, hinauslaufen, dass große September 2016. Teile des Altersvorsorgevermögens in Staatsschul- Börsch-Supan, A., Bucher-Koenen, T., Ferrari, I., den angelegt werden, den eigentlichen Sinn der Ka- Kutlu-Koc, V. und Rausch, J. (2016a): The develop- pitaldeckung, nämlich Produktivkapital für die Zwe- ment of the pension gap and German households‘ cke der Alterssicherung zu mobilisieren. Zudem be- saving behavior, MEA Discussion Paper 02-2016, wirken sie eine Vernichtung von Kaufkraft, da auf Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpoli- absehbare Zeit die Realzinsen von Staatsschuldver- tik, München. schreibungen unter Null liegen werden. Solche An- lagevorschriften sollten abgeschafft werden, zumal Breyer, F. und V. Ulrich (2000), Gesundheitsausga- die Beschränkung der Aktienquote bei gleichzeitiger ben, Alter und medizinischer Fortschritt: eine Re- Substanzgarantie, wie sie etwa die Riester-Rente der- gressionsanalyse, Jahrbücher für Nationalökonomie zeit vorschreibt, unsinnig ist, da bereits die Sub- und Statistik 220, 1-17.

50 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

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51 Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Abbildungen Abbildung 1:

Abbildung 2: Vorausberechnung von Beitragssatz und Sicherungsniveau

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Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Abbildung 3: Gesamtbelastung durch Sozialabgaben

Abbildung 4: Kaufkraft der Renten und Nähe zur Grundsicherung

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Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Abbildung 5: Mehrkosten bei festem Sicherungsniveau (Beiträge und Bundeszuschuss)

Abbildung 6: Vorausberechnung des Sicherungsniveaus bei Dynamisierung

Quelle: Börsch-Supan, Bucher-Koenen und Rausch (2016).

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Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Abbildung 7: Verbreitung der Riester-Rente nach verfügbarem Haushaltseinkommen

Abbildung 8: Verbreitung von Betriebsrenten nach verfügbarem Haushaltseinkommen

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Ausschussdrucksache 18(11)903 Ausschuss für Arbeit und Soziales

Abbildung 9: Verteilung der „Rentenlücke“

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