Februar 1945 BdSudSD , Tagesbericht Nr. 17 vom 26. Februar 1945, gez. Fehlis BA R 70/N/14

1. Im Räume Röros wurde eine Widerstandsgruppe ermittelt, die den Auftrag hatte, das gesamte Tal zwischen Stören und Röros zu einem gegebenen Zeitpunkt kampfmäßig zu sperren. Bisher wurden 12 Untergruppen erkannt, deren Versorgung z.T. auf dem Luftwege erfolgte. Größere Mengen Sabotagematerial, Waffen, Sprengstoff und ein Lager mit Ver- sorgungsbehältern wurden sichergestellt. Die Aktion läuft noch. 2. Bei den weiteren Ermittlungen gegen die illegale KPN in (vgl. Tagesbericht vom 14. 2., Ziff. 4) wurden in einer Anlaufstelle für Mitglieder der KPN 4 Personen festgenommen. 2 der Festgenommenen waren Hersteller der illegalen Zeitung "Norsk Vilje". 3. Am 20. 2. wurde erneut ein Einbruch in das Versorgungsamt in Fana bei Bergen verübt, (vgl. Tagesbericht vom 12. 2., Ziffer 12). Die Täter raubten die Textilkartei. Teile des am 4. 2. geraubten Volksregisters wurden in Samdalen bei Nesttun in Säcke verpackt auf freiem Felde wiedergefunden. Der Vorsteher des Versorgungsamtes und ein Angestellter sind flüchtig. 4. In der Halle des Seefliegerhorstes in Tromsö entstand am 21. 2. gegen 8.00 Uhr infolge Unachtsamkeit eines Werkmeisters ein Brand, durch den 1 Flugzeug, Typ Do 24, vernichtet, ein zweites beschädigt und die Halle eines Gerätelagers zerstört wurden. Die durch den Brand zur Explosion gebrachten 1000 2 cm-Flakgeschosse verursachten nur geringen Schaden, da sie über Wasser krepierten. Drei Monteure wurden leicht verletzt. Der Sachschaden beträgt etwa 1 Million Reichsmark. 5. Am 23. 2. gegen 23.45 Uhr wurde die Eisenbahnstrecke Ranheim-Hundhammer (Bereich Drontheim) an 3 Stellen durch Sprengungen unterbrochen. 6. In der Zeit vom 8. bis 12. 2. wurden in Lillehammer 4 Fernschreibkabel der Wehrmacht und 8 Fernsprechleitungen, davon 3 Rikstelefonleitungen, von unbekannten Tätern durch- schnitten. 7. Im Zuge der Aufrollung der Flüchtlingsorganisation in Oslo (vgl. Tagesbericht vom 12. 2.) wurden weitere 18 Personen festgenommen. 8. Am 23. 2. gegen 18.30 Uhr erschoß in Oslo ein Unteroffizier einen ihn angreifenden Nor- weger in Notwehr. 9. In Tretten bei Lillehammer wurde am 23. 2. gegen 21.30 Uhr ein NS-Mann von un- bekannten Tätern durch 2 Kopfschüsse getötet. Die Ehefrau des Ermordeten wurde gefesselt und in einen Stall geschleppt. 10. Bei einer am 21. 2. durchgeführten sittenpolizeilichen Razzia in verschiedenen Lokalen in Oslo wurden 66 Frauen dem Gesundheitsamt vorgeführt. Bei 7 Frauen wurde Geschlechts- krankheit festgestellt.

BdSudSD Oslo, Situationsbericht - Meldungen aus Norwegen Nr. 90 vom 1. März 1945 BA R 70/N/13, Bl. 90-105

Allgemeine Stimmung und Lage. Die Auffassungen des norwegischen Volkes über die militärische Entwicklung haben wesent- liche Veränderungen während der Berichtszeit nicht erfahren. Nach wie vor ist der über-

1543 März 1945 wiegende Teil der Bevölkerung davon überzeugt, daß sich Deutschland gegenüber dem gleich- zeitigen Druck der Offensiven im Westen, im Osten und in der Luft nicht mehr lange werde halten können, und glaubt, diese Auffassung durch die offizielle Nachrichtengebung insofern bestätigt zu sehen, als diese den Ernst der Lage in keiner Weise mehr zu beschönigen ver- suche. Die Tatsache, daß die Presse vom Einsatz von Alarmeinheiten und insbesondere von der rücksichtslosen Heranziehung der Hitler-Jugend spreche, müsse als sicheres Zeichen dafür geweitet werden, daß das deutsche Volk hoffnungslos ausgeblutet sei. Wenn es heiße, daß die Kürzung der Lebensmittelrationen im Reich nur vorübergehender Art sei, so sei dies nur ein Wechsel auf die Zukunft, mit dem versucht werde, das deutsche Volk weiter bei der Stange zu halten. Weite Verbreitung haben Gerüchte gefunden, wonach sich Deutschland bereits in chaoti- scher Auflösung befinde. In Berlin sei es sogar schon zu Demonstrationen der Flüchtlinge gekommen, die - zum Teil bewaffnet - gegen die Weiterführung des Krieges demonstriert hätten (). Die Hungersnot in Deutschland sei bereits so groß, daß die deutschen Soldaten in Norwegen angeblich Kartoffeln nach Hause schickten (Drontheim). Trotz einer gewissen probolschewistischen Propaganda (Tromsö), die insbesondere mit dem Argument arbeitet, daß die Bolschewisten keine ernsten Absichten auf Norwegen hätten, was schon aus ihrem Verhalten in Nordnorwegen abgeleitet werden könne, breitet sich, vor allem in bürgerlichen Kreisen, die Furcht vor dem Bolschewismus immer mehr aus (vgl. Nr. 88 des Situationsberichtes vom 8. 2. 45). Man ist größtenteils der Meinung, daß es zu Kämpfen zwi- schen den Westmächten und den Bolschewisten in Deutschland kommen werde, nachdem der deutsche Widerstand zusammengebrochen sei. Die Hoffnung, daß es den Westmächten in diesem Falle gelingen werde, die bolschewistischen Armeen aufzuhalten und zu vernichten, ist mehr und mehr im Schwinden begriffen. Angesichts dieser düsteren Zukunftsperspektiven entspringen dem politischen Wunschtraum des größten Teiles der Bevölkerung immer mehr Gerüchte, wonach angeblich Friedensbestrebungen zwischen den Westmächten und Deutsch- land festzustellen seien. Deutschland soll den Engländern und Amerikanern freien Durch- marsch durch das Reichsgebiet zugesagt haben, wenn diese sich bereit erklärten, gemeinsam mit der deutschen Wehrmacht gegen die Bolschewisten zu kämpfen (Stavanger). Während die Kriegserklärung der Türkei an Deutschland und Japan nur wenig beachtet wurde, da man ihr ebenso wenig praktische Bedeutung beimißt, wie den Kriegserklärungen weiterer ferner gelegener Staaten, wird die Haltung Schwedens mit außerordentlicher Span- nung verfolgt. Man rechnet in weiten Kreisen damit, daß Schweden in wenigen Tagen dem Druck der Alliierten nachgeben und Deutschland ebenfalls den Krieg erklären wird, zumal die öffentliche Meinung Schwedens immer mehr eine militärische Hilfe fur Norwegen fordere. Wenngleich man sich zum Teil hiervon - evtl. im Zusammenhang mit einer Invasion der Westmächte - die "Befreiung" erhofft, scheint andererseits die Auffassung vorzuherrschen, daß es für Norwegen vorteilhafter wäre, wenn Schweden seine Neutralität beibehielte, da Norwe- gen im anderen Falle zum zweiten Male Kriegsschauplatz werden würde (). Mit besonders starken Sorgen stellt man sich die Frage, ob die Deutschen an einen Rückzug aus Norwegen denken. Meldungen aus allen Teilen des Landes lassen erkennen, daß man für diesen Fall die schlimmsten Befürchtungen hegt. Ganz abgesehen davon, daß man befurchtet, die Deutschen würden Norwegen vor Verlassen des Landes gründlich verwüsten, fürchtet man, daß bürgerkriegähnliche Zustände eintreten. In den Sabotage- und Terrorhandlungen glaubt man in diesem Zusammenhang Proben dafür sehen zu können, wie sich die Verhältnisse in einem "befreiten" Norwegen gestalten könnten. In der breiten Masse werden diese Handlungen überwiegend den Kommunisten in die Schuhe geschoben und verurteilt, da sich die Folgen gegen das norwegische Volk selbst auswirkten, wobei besonders auf die Versorgungs- schwierigkeiten hingewiesen wird.

1544 März 1945

Im gleichen Zusammenhang hat die Versenkung des Küstenschiffes "Austri" durch englische Torpedoflugzeuge nördlich Haugesund in weitesten Kreisen der Bevölkerung entschiedene Ablehnung gefunden. Aus Stavanger wird hierzu gemeldet, daß die Versenkung selbst in aus- gesprochen englandfreundlichen Kreisen wirkliche Empörung hervorgerufen habe. Einer der geretteten Norweger habe in einem Presseinterview zum Ausdruck gebracht, er sei "immer Jössing gewesen", aber durch das Vorgehen der Briten gegen ein Schiff, das keinerlei Kriegs- material an Bord gehabt habe, seien ihm "die Augen geöffnet worden". Auch unter der übrigen Bevölkerung habe man die englischen Flieger als "Banditen" und "Gangster" bezeichnet. Aus Bergen wird berichtet, daß in dortigen Gegnerkreisen die Meinung vertreten worden sei, die Engländer verschenken durch diese Art der Kriegführung ihre Sympathien in Norwegen. Durch ihr rücksichtsloses Vorgehen gegen die norwegische Bevölkerung betrieben die Eng- länder eine bessere Propaganda für die NS und für Deutschland, als diese das selbst könnten. Die Führerproklamation aus Anlaß des 25. Jahrestages der Verkündigung des Partei- programms hat nach den bisher vorliegenden Meldungen der Zuversichtlichkeit in den Reihen der NS einen neuen bedeutenden Auftrieb vermittelt. Besonders werden in deutschfreundlichen Kreisen starke Hoffnungen an die Versicherung des Führers geknüpft, der Krieg werde noch in diesem Jahre zu einer Wende führen. Im Zusammenhang hiermit erhielt die Bildung von Ge- rüchten eine neuerliche Belebung, die von "unheimlichen Waffen" wissen wollen, die Deutsch- land bald einsetzen werde. In Gegnerkreisen wird den Ausführungen des Führers entgegenhalten, daß die Entwicklung in den letzten Jahren immer wieder anders verlaufen sei, als sie von deutscher Seite voraus- gesagt worden sei. Man brauche deshalb den prophetischen Worten des Führers keine größere Bedeutung beizumessen. Im übrigen wisse der Führer wirkliche Aktivposten für einen deut- schen Sieg ja auch nicht mehr anzuführen. Allgemeines Interesse hat das Interview gefunden, das Reichskommissar Terboven einem schwedischen Pressevertreter gewährte und das auch in der norwegischen Presse veröffent- licht wurde. Die Kommentierung seitens der norwegischen Bevölkerung ist dabei über- raschend positiv. Nach übereinstimmenden Meldungen sind die Ausführungen des Reichs- kommissars nicht als "propagandistisches Manöver" abgetan, sondern als recht sachlich be- urteilt worden. Man sei überrascht gewesen, daß der Reichskommissar über die norwegischen Verhältnisse doch recht gut unterrichtet sei und sei seinen Gedankengängen weitgehend ge- folgt. Bergen meldet, die Veröffentlichung des Interviews habe dort gerade durch das zeitliche Zusammenfallen mit den Meldungen über die Versenkung der "Austri" eine besondere Wirkung ausgeübt. Eindruck hätte die einleuchtende Erklärung hinterlassen, daß die Sabotage die Interessen des norwegischen Volkes, nicht aber der Deutschen schädige. In Kreisen der Wirtschaft und der Intelligenz hat man die über die Ernährungslage ge- machten Ausführungen als den Tatsachen entsprechend anerkannt. Dagegen haben die An- gaben über die Verteidigungskraft Norwegens nicht überzeugt. Man weist darauf hin, daß ja auch der Atlantik-Wall im Westen dem alliierten Ansturm nicht habe standhalten können. Auch die Feststellung des Reichskommissars, daß lediglich 240 Deutsche im Reichs- kommissariat tätig sind, wird von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geglaubt. Den Äußerungen des Reichskommissars über die Todesurteile wurden die bekannten Argumente der gegnerisch eingestellten Teile der norwegischen Bevölkerung entgegengehalten (vgl. Nr. 89 des Situationsberichtes vom 19. 2. 45). Innerhalb der NS ist die Veröffentlichung des Interviews mit lebhafter Zustimmung auf- genommen worden. Man ist besonders erfreut, daß der Reichskommissar in so klarer Weise zur NS als staatstragender Partei Stellung genommen habe. Viel besprochen wurden in der Bevölkerung in letzter Zeit Aufforderungen der illegalen "Heimatfront", durch die der einzelne Norweger angehalten wird, bestimmte Weisungen zu

1545 März 1945 befolgen und insgesamt "Befehlen der Heimatfront ohne Zögern Folge zu leisten". In ähnlicher Weise, wie dies vor mehreren Monaten gegenüber den norwegischen Bauern geschah, hat die "Heimatfrontführung" jetzt eine Parole an die Fischer herausgegeben. Darin heißt es u.a., daß die knapper gewordene Lebensmittelversorgung es erfordere, daß jeder Produzent und Kauf- mann sein Äußerstes tue, um der Bevölkerung die notwendigen Lebensmittel zu verschaffen. Da der gewöhnliche Küstenfang im Gegensatz zum Heringsfang und Lofotenfang nur der norwegischen Versorgung zugute komme, solle so viel als möglich gefangen werden. Schwarzhandelspreise dürften dabei nicht verlangt werden. Fischer und Aufkäufer, die direkt zu Schwarzhandelspreisen an die Deutschen verkauften, würden zu gegebener Zeit als Landes- verräter abgeurteilt werden. Dies gelte im besonderen Maße für die freiwillige Übernahme von Transporten für die Deutschen. Die Tatsache, daß aus Gewinnsucht selbst Munitionstransporte übernommen würden, sei eine der unmittelbaren Ursachen dafür, "daß unsere Alliierten sich gezwungen sehen, Fischerfahrzeuge anzugreifen". Für den Tod norwegischer Landsleute seien somit diese Gewinnsüchtigen verantwortlich. Eine andere Parole aus der letzten Zeit fordert dazu auf, zur Vorbereitung einer schnellen und effektiven gerichtlichen Abrechnung mit den Angehörigen der NS und anderen mit den Deutschen zusammenarbeitenden Personen dadurch beizutragen, daß alle Angaben über "landesverräterische Tätigkeit der Quislinger" gesammelt und durch Zeugenbenennungen belegt werden.

Nasjonal Sämling.

Innerhalb der NS ist eine einheitliche stimmungsmäßige Reaktion hinsichtlich der Kriegslage nicht festzustellen. Es kann jedoch bei einem Teil der Mitglieder, vornehmlich in der Provinz, von einer bemerkenswerten Krisenfestigkeit gesprochen werden. Berichte aus Bergen und Drontheim heben die Ruhe hervor, mit der man von selten der NS die Lage beurteilt. Beson- ders die Führerproklamation vom 24. 2. habe das Vertrauen in die militärische Kraft Deutsch- lands neu belebt und zur stimmungsmäßigen Festigung beigetragen. Demgegenüber bringen übereinstimmende Meldungen aus Oslo unter dem Eindruck des anhaltenden Drucks der Bolschewisten im Osten und der amerikanischen Offensive im Westen zunehmende Zweifel an einem deutschen Siege zum Ausdruck, die sich auch in den Fylken Opland, Hedmark und Rogaland verstärken. In der breiten Masse der Parteimitglieder versuche man, sich mit allem abzufinden und die Dinge an sich herankommen zu lassen. Gerüchten über angebliche Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und England über einen Separatfrieden sei man geneigt, Glauben zu schenken. In Oslo werde von zahlreichen Mitgliedern immer wieder die Frage nach dem Schicksal der NS-Mitglieder im Falle der zu erwartenden deutschen Nieder- lage gestellt, wobei man sich damit tröste, daß von englischer Seite nichts Böses zu erwarten sei, da man ja als unbedeutendes Mitglied nichts Unrechtes gewollt habe und sich daher auch nicht schuldig fühle. Trotz mancher Annäherungsversuche an den Gegner seien sich jedoch die meisten Mitglieder über die Unzweckmäßigkeit des "Ruderns" im klaren, aus der Erkenntnis, daß die einzige Chance ein deutscher Sieg sei. Immerhin seien bei einer Reihe von Mitgliedern bedenkliche Bemühungen um Anschluß an den Gegner wahrzunehmen, die sich in einer steigenden Ablehnung gegenüber deutschen Einflüssen äußerten. Auch aus Drontheim wurden ähnliche Tendenzen innerhalb der "nationalen Front" der NS gemeldet, die vorerst aus einer Furcht vor dem drohenden Schicksal zu entnehmen sei. In diesem Zusammenhang drückten Parteimitglieder in Oslo ihr Bedauern über die Zurückhaltung des Förers aus, von dem eine Darstellung über die politische und militärische Lage jetzt mehr denn je erwartet würde. Von großer Bedeutung sei daher die vom Reichskommissar vor der Parteiführerschaft Nor- wegens am 18. 2. in Oslo gehaltene Rede gewesen, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlas- sen habe, um so mehr, als es der Reichskommissar verstanden habe, die Gründe für das Nicht-

1546 März 1945

Zustandekommen des Friedensschlusses zwischen Deutschland und Norwegen einleuchtend darzulegen. Nicht zuletzt habe der kameradschaftliche Ton in den Unterredungen des Reichs- kommissars mit den einzelnen Persönlichkeiten der Partei eine Atmosphäre des Vertrauens und der Einsicht geschaffen. Auch die von Quisling gegebene Erklärung und Begründung zu diesem Problem habe allgemeines Verständnis gefunden. Fylkesförer Römcke, der sich mit seiner Meldung an die Front als Gegner der juristischen Auslegung der Souveränitätsfrage bekannte, brachte nach der Tagung im Schloß zum Ausdruck, daß die Versicherung des Führers bezüglich der späteren Wiederherstellung der norwegischen Souveränität durch die Art ihrer Auslegung ihm und anderen Parteiführern in ihrer ganzen Bedeutung bewußt ge- worden sei, daß jedoch durch einen Friedensschluß das wesentlichste Argument dem Gegner, der den Kriegszustand de jure zum Ausgangspunkt seiner ablehnenden Haltung nähme, aus der Hand geschlagen würde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Rolle, die der Gesandte Stören bei den in der ersten Februarhälfte angestellten Erörterungen über die Souveränitätsfrage spielte. Der mit seinen politischen Konzeptionen hausierende Gesandte habe in Diskussionen über die Souveränitätsfrage erklärt, daß alle Anstrengungen Norwegens darauf gerichtet sein müßten, diese Frage in positivem Sinne zur Entscheidung zu bringen. Die Souveränität Norwegens sei ein Schritt auf dem Wege zur Neutralität. Erst wenn Norwegen souverän sei, könne es sich leichter aus einer gefährlichen Lage durch eine neutrale Politik befreien. In seinen An- deutungen sei Stören so weit gegangen, zu erwähnen, daß seine Außenpolitik nach Erlangung der vollen Souveränität sowohl nach Osten als auch nach Westen frei und ohne jede Rücksicht auf Deutschland geleitet werden würde. Die durch die Kriegslage entstandene stimmungsmäßige Belastungsprobe der NS-Mitglieder erfuhr eine weitere Verschärfung durch neue politische Morde an NS-Mitgliedern. Neben der Bestürzung machte sich immer mehr die Forderung nach radikaler Bekämpfung der Terroris- ten geltend; die Aussetzung hoher Geldbeträge als Belohnung für die Mithilfe der Bevölkerung wird von Seiten der NS als wirkungslos beurteilt mit dem Hinweis, daß die Einschüchterung der Bevölkerung bereits so weit vorgeschritten sei, daß aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen in solchen Fällen von Anzeigen bei der Polizei Abstand genommen würde. Die Aktivität der gesamten Parteiarbeit in Mittelnorwegen wird weiterhin getragen von der Initiative des Drontheimer Fylkesförers R o g s t a d, der nach seiner Rede am 5. 2. 45 aus allen Teilen Norwegens schriftliche Sympathie-Äußerungen erhielt. Regelmäßige Schulungs- vorträge vor jeweils 400 geladenen politischen Gegnern (die bisher nicht wagten, die Vorträge durch Nichterscheinen zu sabotieren) wurden abgelöst durch eine in ihrer Art neue Mitglieder- Werbeaktion des Fylkesförers in Haltdalen, die ein Werbeergebnis von 67 neuen Mitgliedern erbrachte und zur Gründung einer neuen Ortsgruppe führte, deren Lagförer in einer am 16. 2. stattgefundenen öffentlichen Versammlung bestimmt wurde. Eines der neu geworbenen Mit- glieder wurde im Rahmen einer sicherheitspolizeilichen Aktion gegen eine bestehende Militär- organisation in diesem Bereich festgenommen, wobei der Betreffende erklärte, die Absicht gehabt zu haben, der Polizei auf dem Wege über Rogstad Meldung über die Militär- organisation zu machen. Zu diesen Überlegungen sei er gekommen, nachdem er die Rede Rogstads und dessen Enthüllungen über die Heimatfront gelesen hätte. Es ist beabsichtigt, den Festgenommenen wieder zu entlassen und als Lagförer in diesem Bezirk einzusetzen. Rogstad versucht z.Zt. in seinem Bereich mit mehr oder weniger Gewalt im Rahmen einer Versammlungs-Großaktion neue NS-Ortsgruppen zu gründen und zu diesem Zweck vor einflußreichen, mit Hilfe von Männern des Hird und der Germanischen SS herangeholten Bürgern zu sprechen. Quisling soll sich über die neuen Maßnahmen sehr anerkennend ge- äußert haben. Eine sich an die Tendenz Rogstads anlehnende Aktion wurde von Fylkesförer Tharaldsen

1547 März 1945 am 25. 1. in Aalesund durchgeführt. Geladene politische Gegner wurden aufgefordert, für oder gegen den Bolschewismus Stellung zu nehmen. 40 bekannte Personen aus Aalesund spra- chen sich bei dieser Gelegenheit durch unterschriftliche Erklärung gegen den Bolschewismus aus. Die Namen wurden am nächsten Tage in der örtlichen Tagespresse veröffentlicht. Die im Rahmen dieser Kundgebung gehaltene Rede Tharaldsens habe dem Bericht aus Aalesund zufolge in der Bevölkerung geradezu aufwühlend gewirkt. Zeitungen, die die Rede in Wortlaut brachten, seien den Verkäufern förmlich aus den Händen gerissen worden. Tharaldsen habe in seiner Rede den Kampf gegen die Heimatfront in Möre und Romsdal angekündigt, wodurch es ihm gelungen sei, weite Gegnerkreise einzuschüchtern und die öffentliche Meinung zu einer kritischen Einstellung gegenüber der Heimatfiront zu beeinflussen. Unter den Parteimitgliedern stärkte die Aktivität Tharaldsens das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Willen zu einer intensiven Mitarbeit. Die schwedische Presse befaßte sich ausführlich mit der Aktion Tharald- sens, die als "Terror der Quisling-Männer" hingestellt wird.

Gegnerische Tätigkeit.

Nachdem die Bestrebung der kommunistischen Landesleitung stärkeren Einfluß auf die nor- wegische Heimatfront zu gewinnen, gescheitert ist, versuchen die Kommunisten, von unten her über Tarnorganisationen in die Heimatfront einzudringen. Diese Bemühungen werden von den Gewerkschaften unterstützt. So wird in der kommunistisch orientierten norwegischen illegalen Hetzschrift "Friheten" von den norwegischen Gewerkschaften die Forderung erhoben, daß auch die Kommunisten unbedingt in der norwegischen Heimatfrontführung vertreten sein müßten. Die Forderung wird damit begründet, daß die tüchtigsten Kampfkräfte der norwegi- schen Widerstandsbewegung von den Kommunisten gestellt würden und daß die beste Garan- tie gegen ein Wiederaufleben der Reaktion und des Nazismus in Norwegen nach dem Kriege die Aufnahme der Kommunisten in die Führung der Heimatfront sei. Die Heimatfront, so heißt es in der Hetzschrift weiter, müsse eine einheitliche Führung haben, damit sie den Kampf zu einem raschen und siegreichen Ende führen könne. Auch die schwedische kommunistische Zeitung "Ny Dag" veröffentlichte Mitte Februar unter der Überschrift "Die norwegischen Gewerkschaften verlangen, daß die Kommunisten in der Führung vertreten sind" diese in der illegalen Hetzschrift aufgestellte Forderung. In welchem Maße die Heimatfront ihre Organisation immer stärker ausbaut, zeigt die Auf- deckung der Heimatfront im Bereich Stavanger, wo wiederum einige Fachgruppen festgestellt wurden. Hier lag die Leitung in den Händen des norwegischen Advokaten Andreas Cappe- 1 e η, der im Oktober 1944 geflüchtet war und im Januar 1945 in Oslo ergriffen werden konn- te. Nach der Flucht des C. übernahm sein jetzt festgenommener Vertreter die Leitung. Unter den weiteren Festgenommenen befinden sich der Finanzleiter, der Propagandaleiter, der Sach- bearbeiter für soziale Fragen und ein Kurier. Dieser Kurier war gleichzeitig der Leiter einer Organisation für stille Betriebssabotage, die die Aufgabe hatte, wehrwichtige Betriebe zu sabotieren, wichtige Maschinen durch Herausnahme von Maschinenteilen unbrauchbar zu machen und eine Werkpolizei zu gründen, die bei einer Invasion in Tätigkeit treten sollte. Außer dem Leiter der Organisation wurden noch eine Anzahl örtlicher Leiter festgenommen. Außerdem zeigt die Teilnahme eines Angehörigen der Heimatfront an Besprechungen der kommunistischen Gruppen und seine Zusammenarbeit mit mehreren kommunistischen Agenten und Instrukteuren erneut, daß die Kommunisten beabsichtigen, immer enger mit den unteren Stellen in der Heimatfront zusammenzukommen. Einen weiteren Einblick in die Ausbautätigkeit der Heimatfront gibt die Zerschlagung der Heimatfrontorganisation für den Bezirk Vest-Agder. Während bisher durch die Erfassung der Ökonomie-Gruppe und der Gruppe Handwerk der Heimatfront in Oslo zum ersten Male be-

1548 März 1945 kannt wurde, daß auch in der Heimatfront Untergruppen bestehen, deutet die Erfassung von Fachgruppen im Bereich Vest-Agder darauf hin, daß die Heimatfront ihre Organisation immer weiter ausbaut. Der Leiter des Bezirkes Vest-Agder der Heimatfront, der Missionssekretär und Krankenpfleger Harald D e I i h η, der gleichzeitig Leiter einer Flüchtlings- und Unterstüt- zungsorganisation für die Angehörigen flüchtiger oder festgenommener Personen war, wurde mit 15 Männern festgenommen, die er als Fachgruppenleiter der Heimatfront oder als deren engste Mitarbeiter eingesetzt hatte. So bestanden Fachschaften für Ärzte, Zahnärzte, Rechts- anwälte, Lehrer, Ingenieure, Betriebsführer, für gewerkschaftliche Fragen und für Fragen der Polizei und der kommunalen Verwaltung. Der Fachgruppenleiter für die Polizei war der Poli- zeibevollmächtigte Thorleif F a r b r o t, (NS-Mitglied) der für die Flüchtlingsorganisationen Grenzausweise beschaffte. Er hatte sich bereit erklärt, im Invasionsfalle die Geschäfte des Polizeimeisters zu übernehmen. F. hatte bereits 6 norwegische Polizeibeamte als Mitarbeiter geworben. Die Bezirksleitung der Heimatfront stellte auch eine illegale Hetzschrift "Sörlandsfront" her, die wöchentlich in einer Auflage von 800 Exemplaren hergestellt und verbreitet wurde. Das Material für die "Sörlandsfront" wurde aus illegalen Hetzschriften genommen, die der Bezirks- leitung aus Oslo zugeschickt wurden. Bei der Aufrollung der unter Leitung des Kommunisten Ragnar Armand S o 11 i e ("Pelle") stehenden Sabotagegruppen wurde festgestellt, daß bei der Durchführung von Sabotagean- schlägen sogenannte "Aktionslags" eingesetzt wurden. Nach der Festnahme des S o 11 i e, der eine führende Rolle in der Widerstandsbewegung spielte, wurden mehrere dieser Aktionslags der Mil.Org. zerschlagen. Diese Lags bestanden aus dem Lagführer und 6 Mann und hatten die Aufgabe, Sabotageanschläge, Raubüberfalle und politische Morde durchzuführen. Jedem Lag gehörten 2 Mitglieder der Mil.Org., 2 komm. Terroristen und 2 von dem Lagführer oder dem Gruppenleiter besonders ausgewählte Saboteure an. Ihre Aufträge erhielten sie unmittelbar von "Pelle" durch einen Mittelsmann. 3 Lagführer und 12 Mitglieder dieser Aktionslags wurden festgenommen. Bei der Festnahme wurden 4 Terroristen erschossen, ein Angehöriger der deutschen Sicherheitspolizei und 2 norwegische Dolmetscher verwundet. Durch die Festnahme von S o 11 i e, der durch den Leiter der Terror- und Partisanenarbeit der KPN, Asbjörn Sunde ("Osvald"), eingeführt worden war, wurden 20 Sabotage- und Terrorakte aufgeklärt, an denen S o 11 i e zum Teil selbst beteiligt gewesen war. S. nahm im September 1942, nachdem Sunde in Deckung gegangen war, Verbindung mit der Mil.Org. auf und flüchtete dann 1943 nach Schweden. Im August 1944 kehrte er nach Norwegen zurück und betätigte sich als Saboteur.

Terror und Sabotage. Am 17. 2. wurde ein NS- und SS-Angehöriger auf dem Nachhausewege von 10 unbekannten Personen - angeblich Heimatfront - überfallen und seiner NS- und SS-Ausweise beraubt. Die Täter konnten unerkannt entkommen. Am 19. 2. drangen 5 bewaffnete Banditen gewaltsam in die Wohnung des norw. St. A. Oskar R e ρ η e s, Oslo, Bygdö Allee 75, ein, durchwühlten sämtliche Räume und entkamen un- erkannt nach Mitnahme einiger Telefonnummern und Adressen. Einer der Täter befand sich in Uniform und war mit einer MP bewaffnet. Am 20. 2. wurde ein Einbruch in das Versorgungsamt in Fana bei Bergen verübt. Die Täter raubten eine Textilkartei. Teile des bereits am 4. 2. geraubten Volksregisters konnten in Sam- dalen bei Nestun, in Säcke verpackt, auf freiem Felde wiedergefunden werden. Der Vorsteher des Versorgungsamtes und ein Angestellter sind flüchtig. Der Polizeikonstabel Hem von der Polizeistation Tönsberg kehrte von einer am 21. 2. 45

1549 März 1945 nach Nötteröy unternommenen Dienstreise nicht wieder zurück. Es besteht die Vermutung, daß er von Terroristen durch Betäubungsmittel bewußtlos gemacht und in diesem Zustand entführt wurde. In den Abendstunden des 22. 2. drangen 4 bis 5 bewaffnete Banditen in das Radiolager in Stavern bei Larvik ein und raubten 40 bis 50 Radioapparate, mit denen sie auf einem mit- geführten LKW unerkannt entkamen. Am 23. 2. 45 wurde der Elchjäger Bödvar S ρ r e k k e η h u s, 19. 4. 84 Tretten geb., wohnhaft in Tretten, von 2 unbekannten Tätern in seiner Wohnung erschossen, nachdem ein dort anwesendes Bauernehepaar und seine Ehefrau gefesselt worden waren. Die Täter konnten unerkannt entkommen. Sprekkenhus war NS-Mitglied. Am 23. 2., gegen 23.45 Uhr, wurde die Eisenbahnstrecke Ranheim-Hundhammer (Bereich Drontheim) an 3 Stellen durch Sprengungen unterbrochen. In Tretten bei Lillehammer wurde am 23. 2. ein NS-Mann von unbekannten Tätern durch 2 Kopfschüsse getötet. Die Ehefrau des Ermordeten wurde gefesselt und in einen Stall ge- schleppt. Am 27. 2. wurde ein Sabotageanschlag gegen die Lokomotivwasserpumpen auf dem Bahn- hof in Otta verübt. 3 Pumpanlagen wurden vollkommen zerstört.

Kirche. Im Anschluß an seinen Vorschlag, die abgesetzten und ausgewiesenen Pfarrer in ihre alten Stellungen wieder einzusetzen, richtete Bischof F r o y 1 a η d [Fr0yland] ein Schreiben an das Kirchendepartement, in dem er sich für die Freilassung des ehemaligen Bischofs Berggrav einsetzte. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Ich habe stets geglaubt, daß Dr. Eivind Berggrav seine Frau in seinem Eigentum drau- ßen in Asker, wo er interniert und unter Polizeibewachung sein soll, bei sich habe. Kürzlich wurde mir allerdings von zuverlässiger Seite mitgeteilt, daß dies nicht der Fall sei. Seine Frau hat nicht einmal Erlaubnis, ihren Mann zu besuchen. Weiterhin darf er ihr nur alle 14 Tage schreiben und sie muß bei der Polizei erscheinen um den Brief zu lesen und darf ihn nicht mit nach Hause nehmen, weil sie angeblich früher einmal eine Erklärung mißbraucht haben soll, die der Absender über eine Gesangbucharbeit abgegeben hatte. Weiter wurde mir erzählt, daß, als man zu Weihnachten 1943 Dr. Berggrav angeboten habe frei zu kommen, man folgende Bedingungen gestellt habe: 1. daß er versprechen solle, nicht das Land zu verlassen. 2. daß er keine politische Agitation treiben solle. 3. daß er keine kirchenpolitische Agitation treiben solle, 4. nicht zu predigen. Mit den drei ersten Bedingungen soll er einverstanden gewesen sein, aber nicht mit der vierten, da diese gegen seine Christenpflicht und sein Ordinationsgelübde im Widerspruch stehe. Da- gegen deutete er an, daß man ihm ja Redeverbot auferlegen könne, dem er sich dann auch fügen werde. In Übereinstimmung mit meinem früheren Vorschlag, die verabschiedeten und ausge- wiesenen Geistlichen freizugeben, erlaube ich mir vorzuschlagen, daß Dr. Berggrav unter den drei ersten Bedingungen freigegeben wird. Wenn er predigt, wird nach meiner Meinung kein Unheil angerichtet. Es wird für den Ausfall des Krieges keine Rolle spielen. Für die Entwicklung hier zu Hause wird es auch nicht zum Schaden gereichen, im Gegenteil muß man annehmen, daß man dann der Agitation, die nun auf Grund seiner Intemierung be- trieben wird, den Boden entzieht.

1550 März 1945

Sollte man auf diesen grundsätzlichen Vorschlag nicht eingehen können, erlaube ich mir zu beantragen, daß seine Frau ihn jede Woche besuchen darf und daß er die Freiheit bekommt, Briefe zu schreiben und zu empfangen." Dieser Brief ist als neuer Versuch Froylands zu werten, sich bei der Opposition zu emp- fehlen und sich rechtzeitig "an Land zu rudern".

Deutsch-Norwegische Gesellschaft.

Nach dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden und Mitbegründers der Deutsch- Norwegischen Gesellschaft, Prof. Dr. Klaus Hansen, auf Grund eines diesbezüglich an ihn ergangenen schriftlichen Verlangens des Kultur- und Parteiministers Fuglesang vom 19. 11. 44 hat der mit der vorläufigen Wahrnehmung des Vorsitzes beauftragte Großkaufmann Olaf Fermann in einem Zeitraum von rund drei Monaten die Gesellschaft geleitet. Die Rolle Fermanns während dieser Zeit hat die Möglichkeit einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit der für die Gesellschaft zuständigen deutschen Seite auf längere Sicht als durchaus fragwürdig erscheinen lassen. Daneben hat ein verschiedentliches, unverständliches Eingreifen Fermanns in bestehende, bewährte Formen der Arbeit der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft, (verfehlte Änderungsversuche an der bisherigen Gestaltung der allwöchentlichen Filmabende, an Aufmachung und Titel der Deutsch-Norwegischen Zeitschrift, der personellen Zusammen- setzung ihrer Schriftleitung sowie an der kulturpolitischen Werbearbeit unter den Mitgliedern durch Verbreitung entsprechenden Schrifttums) die bereits früher gehegten Zweifel neu be- stätigt, daß es ihm auch nach der rein sachlichen Seite hin an den nötigen Voraussetzungen für eine derartige Aufgabe fehlt. Es war daher zu begrüßen, daß Fermann in der vergangenen Woche durch die Ernennung eines neuen Vorsitzenden von der vorläufigen Leitung der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft entbunden wurde. Mit Zustimmung des Minister- präsidenten hat Minister Fuglesang den Hauptschriftleiter Η. Ε η d s j ö mit der Nachfolge von Prof. Klaus Hansen beauftragt. Endsjö hat in der Zwischenzeit bereits eine Reihe interner Weisungen Fermanns rückgängig gemacht. Von seiten Fermanns, der nach der Erledigung seines bisherigen Auftrages nur noch im Großen Rat der Gesellschaft sitzt, besteht auf Grund zuverlässiger Anhalte indessen nach wie vor ein ausgesprochenes Interesse auf irgendeiner Grundlage - (er selbst hat sich als der besondere gesellschaftliche Betreuer der ausländischen Gäste der Vereinigung bei deren Veranstaltungen in Vorschlag gebracht) - auch weiterhin eine führende Rolle bei der Gesellschaft zu spielen. Die im Zusammenhang mit dem Fall R. D y s t h e und der Absetzung Prof. Klaus Hansen in Umlauf gekommenen Gerüchte über bedenkliche politische Bestrebungen der Deutsch- Norwegischen Gesellschaft, die zu einer ziemlichen Beunruhigung in den Mitgliederkreisen und einer Reihe von Austritten führte, sind in der Zwischenzeit stark abgeklungen. Die Er- nennung des neuen Vorsitzenden unter Mitwirkung der NS-Führungsstellen ist in Parteikreisen - bei dem bisher vielfach gespannten und problematischen Verhältnis zwischen der Deutsch- Norwegischen Gesellschaft und der NS - mit Genugtuung aufgenommen worden.

Schule und Erziehung.

Im Zusammenhang mit der weitgehenden Einschränkung bzw. völligen Einstellung des ordent- lichen Lehrbetriebes der norwegischen Schulen aller Art auf eine längere Zeitdauer (Heizungs- ferien) hat eine neue, lebhafte Propaganda für das System des "Fernunterrichts" (norwegisch: Korrespondance-Skole) eingesetzt, auf die ein besonderer Hinweis erforderlich erscheint. Es ist seit längerer Zeit festzustellen gewesen, daß im ganzen Land immer mehr solcher "Schulen", deren Lehrsystem in einem nach unterschiedlichen Formen aufgezogenen Unter-

1551 März 1945 richts-Schriftverkehr zwischen Lehrer und Schüler besteht, wie Pilze aus der Erde schießen. In den letzten Jahren ist die Einrichtung der "Korrespondance-Schulen" mehr und mehr in den Dienst der politischen Bestrebungen gestellt worden, sich der Einflußnahme des Staates und der NS auf den Gang der Erziehung und Ausbildung möglichst zu entziehen. Nach vor- liegenden Anhalten werden in diesem Winterhalbjahr von dem Unterrichtsverfahren der "Kor- respondance-Schulen" in die Zehntausende von Schülern aller Altersstufen erfaßt. Dabei stel- len die einzelnen "Schulen" ein jeweils für sich arbeitendes Privatunternehmen von insgesamt mehreren hundert Lektoren und sonstigen Lehrern dar, die ihrerseits - zum mindesten vorläufig -untereinander in keinem festen Verband organisiert sind. Nach vorliegenden Meldungen handelt es sich in personeller Hinsicht häufig um Lehrkräfte, die in ihrer politischen Haltung als negativ gelten. In einer Reihe von Fällen sollen sich dem vorerwähnten Unterrichtssystem besonders Lehrer zugewandt haben, die seinerzeit im Zusammenhang des Lehrerbunds- Konflikts oder sonst wegen ihrer feindlichen Einstellung zur Entlassung aus dem öffentlichen Schuldienst gelangt sind.

Recht u. Verwaltung. Innenminister Vasbotten sprach vor den Regierungsmitgliedern, Reichsleitem und Fyl- kesförern anläßlich der Führer-Tagung der NS am 17./18. 2. 45 über das neue Fylkesmann- Gesetz. Der Vortrag des Innenministers hat, wie festgestellt werden konnte, bei den Zuhörern, ins- besondere den Fylkesförern, einen ausgezeichneten und nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Entsprechend einem Wunsche des Ministerpräsidenten soll der Vortrag auf Grund des be- stehenden Allgemeininteresses in Partei und Staat in der Form einer Broschüre herausgebracht werden. In seinen Ausführungen befaßte sich Minister Vasbotten einleitend mit der grundsätzlichen Frage: "Zentralisation oder Dezentralisation der Verwaltung," wobei er auf die Vor- und Nachteile beider Verwaltungsprinzipien einging. Eine zentralisierte Verwaltung werde durch die Zusammenfassung der Entscheidungen in einer Spitze sicherer und einheitlicher und trage damit der "Erhaltung der Reichseinheit" besser Rechnung, doch träten auch Mängel deutlicher hervor. Die Gefahr der "Schreibtischentscheidungen ohne den notwendigen Kontakt mit den Belangen des Lebens" wirkten als Bürokratismus tötend auf das Verantwortungsgefühl. Diese Gefahr sei im Vergleich zur dezentralisierten Verwaltung erheblich größer. Auf die Schwächen der dezentralisierten Verwaltung hinweisend, in der Distriktsinteressen, lokale Wirtschafts- interessen, Personalverhältnisse, das Fehlen des großen Überblicks in lokalen Organen usw. leicht ihren Einfluß auf die verwaltungsmäßigen Entscheidungen ausüben und dabei Ungleich- heiten in der praktischen Verwaltung der verschiedenen Teile eines Landes hervorrufen könn- ten, führte Minister Vasbotten wörtlich folgendes aus: "In unserem Land mit den großen Abständen und den stark unterschiedlichen geographischen, wirtschaftlichen, verkehrstechnischen und bevölkerungsmäßigen Verhältnissen würden die Voraussetzungen für eine große Dezentralisation weit eher als in den meisten anderen Ländern gerechtfertigt sein. Bei uns muß sich deshalb die Zentralverwaltung in der Hauptsache auf folgendes beschränken. 1. Prinzipielle Angelegenheiten, Richtlinien und generelle Bestimmungen für das ganze Land. 2. Verwaltung von landesumfassenden Institutionen und Organen. 3. Kontrolle der Lokalverwaltung.

1552 März 1945

Es muß die Hauptaufgabe der Zentralverwaltung sein, die Lokalverwaltung durch allgemeine Bestimmungen und Richtlinien in Form von Gesetzen, Verordnungen, Reglements, Rund- schreiben u.ä und durch die Auslegung solcher Bestimmungen zu leiten. Die Rücksicht auf die Reichseinheit und auf gleichartige Behandlung macht es unnötig, daß alle möglichen einzelnen Angelegenheiten an das Departement zur Entscheidung vorgelegt werden. Die notwendige Gleichrichtung bei den Entscheidungen muß dadurch erreicht werden, daß die Departements und die anderen zentralen Verwaltungsorgane generelle Richtlinien für die Art und Weise, in der die Lokalverwaltung ihre Entscheidung treffen soll, herausgeben." Nach längeren Ausführungen und Hinweisen auf die geschichtliche Entwicklung der Fylkes- mannstellung kam Minister Vasbotten auf das aktuelle Problem des Verhältnisses von Staat und Partei, Fylkesmann und Fylkesförer zu sprechen. Über diese rechtspolitisch sehr schwie- rige Frage führte der Minister im einzelnen folgendes aus: "Über das Verhältnis zu den Fylkesförern bestimmt das Gesetz nur, daß der Fylkesmann 'in enger Zusammenarbeit mit dem Fylkesförer stehen soll', in derselben Weise wie das Fylkesfö- rergesetz bestimmt, daß der Fylkesförer 'im engstem Kontakt mit dem Fylkesmann arbeiten soll.' Die Gesetzgebung überträgt, wie bekannt, den Fylkesförern in einzelnen Fällen eine gewisse verwaltungsmäßige Macht. In diesem Sinne wird vom Fylkesförer seine Mitwirkung bei einer Reihe von verwaltungsmäßigen Ernennungen verlangt, z.B. gemäß § 4 der Kommunal Ver- ordnung, der besagt, daß der Fylkesmann die Ernennung des Vorsitzenden im Einvernehmen mit dem NS-Fylkesförer und dem Ordförer vornehmen soll. Eine Änderung dieses Verhält- nisses bringt das Fylkesmanngesetz nicht. Es mag aber erwähnt werden, daß das Innenriksdepartement vorschlagen wird, auch für die Ernennung der Ordförer entsprechende Regelungen gesetzlich festzulegen. Nach dem Gesetz über die Leitung in Landesteilen, die von der Verbindung mit der Zentral- verwaltung abgeschnitten werden, wird dem betreffenden Fylkesförer als Vertreter des Minis- terpräsidenten für die Zwischenzeit die Befugnis übertragen, die sonst der Ministerpräsident und die Departements haben. Er wird dann also für diese Zeit der Übergeordnete des Fylkes- mannes, ohne daß die Gewalt des Fylkesmannes ohne weiteres an den Fylkesförer übergeht. Auch hierin tritt keine Veränderung ein. Worauf ich indessen besonders hinweise, ist die Tatsache, daß das Fylkesmanngesetz in- direkt eine gewisse Ausweitung des politischen Kontrollgebietes des Fylkesforers mit sich bringen wird. Gemäß Beschluß über die Fylkesförer hat der Fylkesförer die oberste politische Kontrolle Uber alle öffentlichen Behörden des Fylkes. Weiterhin ist auch dem Fylkesförer die Wahr- nehmung der Interessen der Bevölkerung und außerdem die Rolle des Vermittlers zwischen der Bevölkerung und der Verwaltung übertragen. Beschlüsse und Angelegenheiten, die nicht direkt durch die Verwaltung erledigt werden können, werden durch die Reichsleitung oder den Förer behandelt. Nachdem die Dezentralisierung der Verwaltungsbehörden, die das Fylkes- manngesetz voraussetzt, vorgenommen worden ist, wird dadurch auch das Gebiet der Kontroll- tätigkeit des Fylkesforers automatisch ausgeweitet werden. Viele der Dinge, die jetzt durch die zentrale Verwaltung entschieden werden, werden den Fylkesmännern übertragen werden, und statt seine Berichte an das Generalsekretariat zu senden, damit dieses die Sache weiter an den Verbindungsmann des betreffenden Departements gehen läßt, kann der Fylkesförer jetzt in weit größerem Ausmaße selber die Frage direkt mit dem Fylkesmann aufnehmen und sie lokal lösen. Selbst, wenn das Kontrollgebiet in dieser Weise erweitert wird, wird die politische Kontroll- arbeit des Fylkesforers doch in vieler Weise leichter und durch die Zusammenfassung der

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Fylkesverwaltung beim Fylkesmann vereinfacht werden. Und mit der stärkeren Stellung, die der Fylkesmann in der Verwaltung erhält, wird er seinerseits in größerem Ausmaße als vorher den Fylkesförer in der mehr politischen Arbeit beistehen können. Es liegt deshalb aller Grund vor zu glauben, daß das neue Gesetz über die Fylkesmänner auch dem politischen Fortgang in den Fylken beste Möglichkeiten geben wird, wenn nur Fyl- kesförer und Fylkesmann in positiver und guter Arbeit zueinander finden."

Schwedische Norwegen-Hilfe.

Die schwedische Norwegen-Hilfe hat nunmehr beschlossen, die regelmäßigen Lebens- mittelsendungen nach Norwegen erneut, und zwar von 676 t auf 10001 monatlich zu erhöhen. Man hofft, sehr bald die erforderlichen Waren beschaffen und gewisse Transportschwierig- keiten beheben zu können. Die Waren sollen im verstärkten Maße auf dem Seewege nach Norwegen gesandt werden. Nach dem Eintreffen der vermehrten Lebensmittellieferungen will die schwedische Norwegen-Hilfe sofort mit Betriebsspeisungen beginnen. Wie der Vorsitzende der schwedischen Donator-Repräsentation, Pfarrer W e e b e, er- klärte, nimmt man in Schweden Anstoß daran, daß die norwegische Nationalhilfe in die Tätig- keit der schwedischen Norwegen-Hilfe eingeschaltet ist. Die Nationalhilfe, die durch Minister Riisnaes als Präsidenten und Rechtsanwalt Foss als Landesleiter eine NS-Leitung hat, ist bei der Spedition der Waren der schwedischen Norwegen-Hilfe und bei der Kinderbespeisung behilflich, ohne jedoch maßgeblichen Einfluß auf die Warenverteilung auszuüben. Die schwedische Norwegen-Hilfe versucht, die Nationalhilfe wegen ihrer NS-Leitung auszu- schalten und an ihre Stelle den - aus politischen Gründen aufgelösten - "Verein Norden" treten zu lassen. Die Donator-Repräsentation ist deswegen bei Minister Riisnaes vorstellig geworden und hat darauf hingewiesen, daß durch die Einschaltung der Nationalhilfe die Gebefreudigkeit in Schweden gemindert werde und zahlreiche Norweger die Unterstützung der schwedischen Norwegen-Hilfe nicht annehmen wollten. Minister Riisnaes hat die Angelegenheit dem Minis- terpräsidenten unterbreitet. In der Osloer Zeitung "Aftenposten" wurden wiederholt Zuschriften von einzelnen Norwe- gern veröffentlicht, die an der Warenverteilung durch die schwedische Norwegen-Hilfe Kritik übten. U.a. hieß es darin, daß die Waren häufig an Personen gingen, die mehr als genug für ihren eigenen Bedarf hätten, während wirklich Notleidende nicht berücksichtigt würden. Die Donator-Repräsentation hat die Redaktion der Zeitung gebeten, derartige Zuschriften in Zukunft nicht mehr aufzunehmen, da sie das Ansehen der Donator-Repräsentation schädigten und in Schweden die Gebefreudigkeit beeinträchtigen würden. Nach einer Meldung des schwedischen Senders Mótala empfing der Sozialminister der norwegischen Exilregierung, S t ö r s t a d, den in London weilenden Vorsitzenden der schwedischen Norwegen-Hilfe, L i η d b e r g, und dankte ihm im Namen der Exilregierung für die wertvolle Hilfeleistung der schwedischen Norwegen-Hilfe. Gemäß der vorgenannten Meldung erklärte Störstad weiterhin, die Zukunft werde noch größere Anforderungen an die schwedische Norwegen-Hilfe stellen; er hoffe, daß die jetzige gute Zusammenarbeit andauern werde; die schwedischen Anstrengungen in kritischer Stunde versprächen das Beste für gute zukünftige Beziehungen zwischen dem schwedischen und norwegischen Volke. In der Rund- funkmeldung heißt es weiter, daß Lindberg betont habe, diese Hilfe solle dem norwegischen Brudervolk auch fernerhin zuteil werden.

1554 März 1945 d) Wirtschaft.

Ernährung und Landwirtschaft. Allgemeine Versorgungslage. Bedenkliche Ausfiihrungen des Ministers F r e t h e i m zur Lage der Landwirtschaft anläßlich einer Rede in Sarpsborg. - Mit Verschlechterung der Ver- sorgungslage häufen sich Klagen über Arbeitsweise der örtlichen und zentralen Versorgungs- Institutionen. Die Anspannung der Ernährungslage, die insbesondere im Nordraum infolge der Transport- schwierigkeiten zu Engpässen und starker Verringerung der vorhandenen Läger führte, macht sich nach den vorliegenden Berichten in verstärktem Maße nunmehr auch in Mittelnorwegen mehr und mehr bemerkbar. Auch hier ist vor allem das Ausbleiben von Lebensmittellieferun- gen auf Transportschwierigkeiten zurückzuführen. Tatsächlich ist die Wagengestellung für Lebensmitteltransporte fortwährend äußerst gering. Ein besonderer Mangel herrscht an Nähr- mitteln. Aus Drontheim wird berichtet, daß die letzten Lieferungen für Mittelnorwegen bis Juli-August 1944 zurücklägen. So sei z.B. die letzte Haferflocken-Zuteilung im Juni-Juli 1944 erfolgt. Ähnlich lägen die Verhältnisse insbesondere bei anderen Nährmitteln, sowie Kon- erven, Hülsenfrüchten, Hartbrot und neuerdings auch bei Kaffee-Ersatz und Zucker. Der Um- satz der Großhändler sei in der zweiten Jahreshälfte 1944 gegenüber den ersten 6 Monaten um ca. 30% , teilweise bis zu 50% zurückgegangen. Die Kolonialwaren-Großhändler seien nicht mehr in der Lage, ihre Detaillisten auf dem flachen Lande mit Waren zu versorgen. Größere Bevölkerungskreise in Mittelnorwegen sowie auch in Nordnorwegen ließen sich daher bereits die notwendigsten Waren, vor allem Zucker, nach vorheriger Einsendung ihrer Marken an den Händler mit der Post zuschicken. Diese Praxis belaste bereits den Postverkehr ungünstig. Obwohl man sich augenscheinlich in Regierungs- und Parteikreisen hinsichtlich des Ernstes der Lebensmittellage, die sich durch die bestehenden und weiter verschärfenden Transport- schwierigkeiten kritisch gestalte, im klaren sei, wäre die Öffentlichkeit offiziell auf die zu erwartenden Kürzungen der Rationen noch nicht aufmerksam gemacht worden. Von verant- wortungsbewußten Parteikreisen werden insbesondere gegen Minister Whist sowie die gesam- te derzeit bestehende Versorgungsorganisation scharfe Angriffe gerichtet. In diesem Zusammenhang wird auch scharfe Kritik an Minister F r e t h e i m geübt, der mit seinen Ausführungen, die er in einer Rede am 13. 2. in Sarpsborg machte, den Beweis dafür geliefert habe, wie oberflächlich und mangelhaft die zuständigen Persönlichkeiten des Ver- sorgungssektors über die tatsächliche Lage informiert seien. Fretheim erklärte u.a., daß für die bevorstehende Frühjahrsbestellung Saatgut und Samen für Wurzelgemüse in reichlichem Maße zur Verfügung stände. Der Mangel an Saatkartoffeln, bedingt durch Kürzung des Kartoffel- anbau-Areals, müsse durch einen verstärkten Anbau von Wurzelgemüse wettgemacht werden. Weiterhin führte er aus, daß er die Lage der Kunstdünger-Versorgung günstig beurteile. Tat- sache ist, daß auf allen angeführten Gebieten starker Mangel oder zumindest Engpässe zu erwarten sind. Wie den eingegangenen Berichten einheitlich zu entnehmen ist, stieß die Rede des Ministers überall auf scharfe Ablehnung. Es wird bemerkt, daß z.B. die vorhandenen Saatkartoffelbestände allgemein bei weitem nicht ausreichen, um eine, wie der Minister erklärte, ca. 14% verringerte Anbaufläche zu bestellen. Die Bauern haben zum größten Teil im Herbst die Saatkartoffelrücklagen angreifen müssen, um die ihnen gestellten Auflagen zu erfüllen. Es wird darauf hingewiesen, daß das Landwir- schaftsministerium versprochen habe, für Ersatz zu sorgen. Die Transportlage sei inzwischen jedoch derart schwierig geworden, daß selbst für den Fall, daß irgendwo Kartoffeln lagerten, mit einer Anlieferung nicht mehr gerechnet werden könne. Völlig unverständlich erscheine die Erklärung des Ministers über die Düngemittellage, da bei der jetzigen Transportmittellage mit der versprochenen Besserung keinesfalls zu rechnen sei.

1555 März 1945 In Drontheimer-Großhändler-Kreisen erklärt man dazu, es sei bereits früher die Politik der Regierung gewesen, lediglich allgemeine Anweisungen zu geben und Quoten zu verteilen. Die Zuteilungsquoten hätten sich gegenüber dem Vorjahr zwar kaum geändert. Geliefert seien bisher jedoch lediglich 65% Kali-Düngemittel, 55% Hydro-Stickstoff, 90% Odda-Stickstoff und überhaupt kein Phosphorsäuredünger. Als Grund für die geringen Lieferungen würden Transportschwierigkeiten angegeben. Gera- de der Mangel an Phosphorsäure würde sich, wie die Bauern erklären, bei der diesjährigen Ernte deutlich auswirken. Der Boden habe seit drei Jahren fast gar keine Phosphorsäure mehr erhalten und sei ausgelaugt. Bereits bei der letzten Ernte hätten sich Qualitätsver- schlechterungen, insbesondere bei Getreide und Heu bemerkbar gemacht. Nach vorliegenden Meldungen haben die immer offenkundiger werdenden Schwierigkeiten in der allgemeinen Versorgungslage dazu geführt, daß die Arbeitsweise der Versorgungs- behörden von der Öffentlichkeit immer kritischer betrachtet wird. Verhältnismäßig häufig werden die Leiter der örtlichen und regionalen Versorgungsämter angegriffen, denen man vorwirft, daß sie nicht mehr verantwortungsvoll ihren Aufgaben nach- kämen. Diesbezügliche konkrete Meldungen liegen aus Frederikstad, Stavanger und Bergen vor. In diesem Zusammenhang wurde jedoch andererseits in letzter Zeit in wachsendem Maße von den örtlichen Verwaltungsstellen scharfe Kritik an der Arbeit des Departements bzw. der Regierungsstellen in Oslo geübt. Die Kritik gipfelt in Feststellungen, daß man höchstens für Oslo und Umgebung, aber nicht für das gesamte Land plane. Am schärfsten wird die Tätigkeit des Versorgungsdepartements angegriffen. Verbesserungsvorschläge und Anregungen seien dort kaum anzubringen. Im Falle der Annahme blieben sie monatelang ohne Bearbeitung. Auf Notrufe und Anfragen werde meist überhaupt nicht reagiert. Hierfür seien zahlreiche Beispiele zu erbringen. Wenn etwas geschehe, dann meist nur in den Fällen, wo sich ein klarer Vorteil für Oslo ergebe. Es ist bemerkenswert, daß diese Vorwürfe in gewissen Partei- und Verwaltungskreisen Oslos ebenfalls erhoben werden. Vor allem wird hinsichtlich vieler Fragen der Versorgungs- organisation und ihrer Wirksamkeit neuerdings Minister Whist stärker angegriffen. Statt an den Ausbau einer schlagkräftigen Versorgungsorganisation zu gehen und offensichtliche Mängel abzuändern - so argumentiert man in diesen Kreisen - habe er einen rein formellen Ausbau der Organisationen des Naeringssambandes intensiviert. Diese Arbeit habe lediglich zu politischen Schwierigkeiten geführt und wenige praktische Erfolge gebracht. Tatsache sei dagegen, daß z.B. die Verteilung der Versorgungsgüter noch heute durch die Grossisten nach einem Quoten Verhältnis durchgeführt werde, für das im wesentlichen frühere Umsätze ohne Rücksichten auf die veränderte Transportmittellage maßgebend seien. - Von einem Mitarbeiter der Kanzlei des Ministerpräsidenten Quisling wurde ein Promemoria ausgearbeitet, das eine Reihe von konkreten Vorschlägen für eine vollkommene Umstellung des norwegischen Versorgungs-Systems zur Behebung eines Großteils der jetzigen Schwierigkeiten enthält.

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 18 vom 4. März 1945, gez. Fehiis BA R 70/N/14

1. Im Räume Röros, insbesondere im Gebiet von Holtdalen, wurde die dort von 8 englischen Agenten Anfang 1944 aufgebaute Mil.Org. zerschlagen (vgl. Tagesbericht v. 26. 2., Ziff. 1). Insgesamt wurden 87 Mil.Org.-Angehörige festgenommen, darunter 12 Gruppenführer, die Mil.Org.-Gruppen in den Gebieten von Kotsoy bis Aalen aufgebaut hatten. 2 Gruppenführer

1556 März 1945 wurden auf der Flucht und wegen Widerstandes erschossen. Führer der Widerstandsgruppe war der Pfarrer Β e nt ζ e η aus Holtdalen, militärischer Leiter der Bauer Bern Η of s t a d aus Singsaas. Die englischen Agenten waren bereits im Dezember 1943 auf dem Hochgebirge zwischen Holtdalen und Selbu durch Flugzeuge abgesetzt worden und hatten den Auftrag, im Gebiete von Kotsoy bis Aalen eine kampfstarke Mil.Org. aufzubauen, zu gegebener Zeit das gesamte Tal zwischen Stören und Röros abzuriegeln, Brücken, Eisenbahnlinien und Straßen zu spren- gen und dadurch der deutschen Wehrmacht eine Marschstraße abzuschneiden. Diese Agenten- gruppe kommt ferner als Täter der im Räume Stören-Röros um die Jahreswende verübten Eisenbahnanschläge in Frage. Bisher wurden 38 Waffen-, Munitions- und Sprengstofflager ermittelt, von denen 29 ge- borgen wurden. Die restlichen, an Berghängen und in Berghöhlen gelegenen Lager sind durch Lawinen verschüttet. Folgendes Material wurde erfaßt: 5 LMG 9 Reserveläufe für LMG 37 Gewehre 57 Maschinenpistolen 99 Coltpistolen 331 Eierhandgranaten 25 Dosen mit Zündern für Eierhandgranaten 8 Seitengewehre 24 Aufpflanzgewehre 166 LMG-Magazine 14 Gewehrschutztaschen mit Zubehör 6 Kisten mit Reinigungsgerät für Coltpistolen 5 Sanitätskästen 26 Tragriemen für Gewehre 64 MP-Magazinfüller 64 Ölbehälter für Gewehre 46 Tragriemen für MP 55 Reinigungsstöcke für Gewehre 3 Werkzeugtaschen fur LMG 509 Verbandspäckchen 1 Jagdgewehr 1 Kleinkalibergewehr 40 653 Schuß Infanteriemunition 4710 " Coltmunition 16 125 Schuß MPi-Munition 59 " Munition für Schnellfeuergewehr 13 amerik. Schnellfeuergewehre 7 Kanister mit Zündschnur und Sabotagematerial 19 Kanister mit Zündschnur und Stangendynamit 1 Kanister mit Zündschnur und Sprengkapseln 1 Kanister mit getragenen Kleidungs- und Uniformstücken 1 Kanister mit Fallschirmen und Kochgeschirr 6 Kanister mit Fallschirmen 31 Päckchen Fallschirmjägerverpflegung.

1557 März 1945 2. Bei einer Suchaktion im Räume Söland und Hogstad () wurde folgendes ab- geworfenes Material sichergestellt: 73 Schnellfeuergewehre 24 Gewehre älteren Typs 24 Seitengewehre 6 leichte Maschinengewehre 5 Maschinenpistolen 7000 Schuß Munition für Schnellfeuergewehre 5750 " MG-Munition 1500 MPi-Munition 3000 " Gewehrmunition 50 Eierhandgranaten 8 Fallschirme verschiedenes Sabotagematerial. 3. In der Sache Landfall (vgl. Tagesbericht v. 14. 2. Ziff. 4) wurden 2 weitere Personen festgenommen, die mit Landfall wegen Gründung des Freiheitsrates und Bildung sogenannter Spezialkomitees in Verbindung gestanden hatten. 4. Im Bereich Stavanger wurde eine Hetzschriftenorganisation aufgerollt, die das Flugblatt "Slutkamp" (Schlußkampf) herstellte und verbreitete. Der Redakteur, 2 Hersteller und Ver- breiter und 1 Kurier wurden festgenommen. 1 Rundfunkgerät 1 elektr. Vervielfältigungsapparat 1 Reiseschreibmaschine sowie eine Anzahl Matrizen und Druckschriften wurden sichergestellt. 5. Am 1. 3. wurde in Oslo die Deckungsstelle einer Schwedenflucht-Organisation aus- gehoben. U.a. wurden 26 französische arbeitsflüchtige Zivilarbeiter festgenommen, die nach Schweden geschafft werden sollten. 6. Bei Durchsuchung der Geschäfts- und Lagerräume eines flüchtigen Großkaufmannes in Oslo wurden außer einem umfangreichen Lebensmittellager, das vermutlich illegalen Zwecken diente, Päckchen gefunden, die an in Grini einsitzende Häftlinge geschmuggelt werden sollten. 7. Am 27. 2. gegen 21.50 Uhr wurde die Lokomotiv-Wasserpumpanlage des Bahnhofes Otta (Opland) durch Sprengstoffanschlag zerstört. Die Täter hatten an den Wasserpumpen Spreng- ladungen angebracht, die durch Zeitzündung ausgelöst wurden. 8. Am 25. 2. gegen 18.40 Uhr wurde gegen die Autoreparatur-Werkstatt E r i k s e η in Oslo, Gjelleraasen, ein Sprengstoffanschlag verübt. Der für die Organisation Todt arbeitende Betrieb und 2 Kraftfahrzeuge wurden vernichtet, 7 Kraftfahrzeuge schwer beschädigt. Der Gesamt- schaden beträgt etwa 100 000 Kronen. 9. Am 17. 2. wurden 3 in einer Autoreparatur-Werkstatt in Porsgrunn untergestellte Kraftfahr- zeuge der Wehrmacht durch Sprengladungen zerstört. Weitere Sprengladungen wurden vor Explosion entdeckt und entfernt. 10. In den Abendstunden des 22. 2. drangen 5 bewaffnete und maskierte Männer in das Radio- lager in Stavern bei Larvik ein und raubten 40 bis 50 Radioapparate, die sie auf einem LKW fortschafften. Die Täter entkamen unerkannt. 11. Am Vormittag des 1.3. drangen 3 bewaffnete Männer in die Fana Sparebank in Minde bei

1558 März 1945

Bergen ein, zwangen das Personal in einen Raum, banden die Angestellten an Händen und Füßen und raubten 10 bis 12 000 Kronen. Die Täter entkamen unerkannt. 12. In Oslo wurde ein Angehöriger der Germanischen SS-Norwegen von unbekannten Perso- nen überfallen und seiner Ausweise beraubt.

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 19 vom 6. März 1945, gez. Fehlis BA R 70/N/14

1. Im Bereich Drammen wurde eine etwa 11 Mann starke kommunistische Sabotagegruppe ermittelt, zu der auch 2 Russen gehörten. Bisher wurden 6 Mann festgenommen, darunter der 28jährige Gerhard Haddeland, der an folgenden Anschlägen beteiligt war: 1. Sprengstoffanschlag gegen die Knottfabrik in Kongsberg im September 1944 (vgl. Tages- ber. v. 3. 10. 44, Ziff. 5), 2. Anschlag gegen einen der NS angehörenden Wachmann der Kongsberger Waffenfabrik (vgl. Tagesbericht v. 20. 11. 44, Ziff. 10), 3. Anschlag gegen die Dienststelle der deutschen Sicherheitspolizei in Drammen, bei dem ein Dienststellenangehöriger verletzt wurde (vgl. Tagesber. v. 24. 11. 44, Ziff. 7). 2. Nach technischer Ermittlung durch die Funkmeßstelle der Ordnungspolizei wurde am 2. 3. auf einer Hütte in der Nordmarka ein Funksender während des Betriebes ausgehoben. Der Funker wurde beim Fluchtversuch schwer verletzt, ein Bewacher erschossen, ein zweiter un- verletzt festgenommen. 2 Sendegeräte mit Unterlagen, 2 Maschinenpistolen, 3 Pistolen und einige Handgranaten wurden sichergestellt. Nach den bisherigen Ermittlungen handelt es sich bei dem ausgehobenen Sender um einen Sender der Zentralleitung der Mil.Org. 3. Im Gebirge bei Holanda in der Nähe von Stören (Bereich Drontheim) wurde eine Station des britischen Schiffsmeldedienstes ausgehoben. Funker und Melder wurden festgenommen, 2 Sendegeräte und sämtliche Funkunterlagen sichergestellt. In diesem Zusammenhange wurden außerdem der Leiter, ein britischer Agent, und 18 Angehörige der Nachrichtenorganisation "XU "festgenommen. 4. Am 6. 3. wurde in der Solheimgate in Oslo eine Deckungsstelle für Schwedenflüchtlinge ausgehoben. Beim Betreten der Wohnung durch Angehörige der deutschen Sicherheitspolizei wurde von einem [!] der drei anwesenden Personen geschossen. Ein Kriminalangestellter und ein Dolmetscher wurden leicht verletzt. Der Täter zog sich bei der Flucht Oberschenkelbruch zu, die beiden anderen Personen wurden im Feuergefecht leicht verletzt. 5. Am 5.3. gegen 17.00 Uhr drangen 5 bewaffnete Männer in die Räume der Firma Ohlsen und Borge A/S in Oslo ein und legten nach Überwältigung des Wächters Sprengladungen an. Die Werkstatt und das Gebäude brannten aus. Die Firma arbeitet zu 50% für die . 6. Am 5. 3. gegen 1[?].00 Uhr wurde gegen ein dem Reichskommissariat gehörendes Radio- lager in der Dronningensgate 10/12 in Oslo ein Sprengstoffanschlag verübt. Es wurden etwa 800 Geräte vernichtet. 7. Am 6. 3. drangen 4 maskierte Männer in die Sparkasse in Bö (Telemark) ein und raubten etwa 30 000 Kronen. Die Täter entkamen unerkannt. 8. Am 5. 3. entstand in einem Strohlager der Wehrmacht in Sundalsoera ein Großbrand. Ver- mutlich liegt Sabotage vor. Die Höhe des Schadens ist noch nicht bekannt.

1559 März 1945 9. Zwischen den Stationen Holmestrand und Smerstein gerieten am 2. 3. zwei mit Stroh be- ladene Güterwagen durch Funkenflug in Brand. Die Lokomotive wurde mit Holz geheizt. 10. Am 3. 3. gegen 16.10 Uhr wurden während der Nachmittag-Vorstellung in die Toilette des Nordland-Varieté in Oslo Tränengasbomben geworfen. 2 Norweger, die der Tat verdächtig sind, wurden festgenommen. 11. Am 3. 3. wurde eine etwa 16 Jahre alte Norwegerin in Bergen erschossen. Der Verdacht richtet sich gegen einen Schiffsjungen des deutschen Schiffes "Schwaben". 12. Die 36jährige Krankenschwester Margarete R o g η u m, die sich als Ärztin ausgab und als solche bei der Transportflotte Speer beschäftigt war, wurde festgenommen. 13. In der Nacht zum 3. 3. wurden im Stadtgebiet von Oslo wiederum die bekannten deutsch- sprachigen Hetzschriften "Beobachter" und "Ein Volksgenosse antwortet Dr. Göbbels" ver- breitet. 14. Nach einer in Stavanger am 26. 2. durchgeführten sicherheitspolizeilichen Razzia wurden 54 Frauen dem Gesundheitsamt zugeführt, das bei 3 Frauen Geschlechtskrankheit feststellte.

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 20 vom 9. März 1945, gez. Fehlis BA R 70/N/14

1. Im Zuge weiterer Ermittlungen gegen die KPN in Bergen (vergleiche Tagesbericht v. 26. 2. Ziff. 2) wurden 21 Personen festgenommen, die sich zum Teil als Funktionäre innerhalb der KPN betätigt hatten. 2 Personen, die sich ihrer Festnahme widersetzten, wurden durch Schüsse verletzt. Einer der Festgenommenen war Hersteller falscher Grenzzonenausweise. Bei ihm wurden Blankoformulare, Stempel und Matrizen sichergestellt. 2. Mit Unterstützung der norwegischen Staatspolizei und Kräften der Wehrmacht wurde von der Dienststelle des KdS Stavanger ein weiterer Zugriff gegen die kommunistische Terror- und Sabotagegruppe unternommen. (Vgl. Tagesbericht v. 29. 12. 44 Ziff. 3) 20 Mitglieder dieser Gruppe wurden festgenommen, darunter der Bruder des bei der ersten Aktion fest- genommenen Leiters der kommunistischen Organisation in Stavanger und ein Angestellter eines Lensmannes, der für kommunistische Agenten gefälschte Ausweise ausgestellt hatte. 3. Am 5. 3. wurde in Oslo ein Papiergroßhändler festgenommen, bei dem Maschinenwaffen, Coltpistolen und Eierhandgranaten sichergestellt wurden. Außerdem wurde bei ihm umfang- reiches Ausspähmaterial der Zentralstelle der Sicherungs- und Aufklärungsgruppe der Mil. Org. gefunden. 4. In der Nacht vom 8. zum 9. 3. wurden in Oslo bei einer Festnahmeaktion gegen Angehörige der Mil. Org. 1 Gruppenführer 1 Truppführer 4 Lagführer und 10 Angehörige der Mil.Org. festgenommen. 5. In Lillehammer wurden 11 Mitglieder der Mil.Org. festgenommen.

1560 März 1945

6. Am 6. 3. gegen 15.00 Uhr traf eine Streife der norwegischen Staatspolizei und des Hird in einer Sackgasse in Oslo auf 2 Personen, die sofort flüchteten. Von der Streife verfolgt, nahmen sie hinter einem Holzstoß Deckung und beschossen die Streife. Drei Strei- fenangehörige wurden verletzt. Die Täter entkamen. Die Untersuchung der aufgefundenen Patronenhülsen ergab, daß die gleiche Pistole verwendet worden war, mit der der Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei, Generalmajor Marthinsen, (vgl. Tagesbericht v. 9. 2. Ziff. 1) den tödlichen Kopfschuß erhielt. I. Bei der Aushebung einer Deckungsstelle für Schwedenflüchtlinge in Oslo kam es am 6. 3. zu einem Schußwechsel, bei dem ein Dienststellenangehöriger und ein Dolmetscher der deut- schen Sicherheitspolizei leicht verletzt wurden. Von den drei in der Deckungsstelle sich auf- haltenden und festgenommenen Personen erlitten zwei leichte Schußverletzungen. 8. In Oslo wurden am 3. 3. sechs jugendliche Norweger festgenommen, die mit einer Flücht- lingsorganisation in Verbindung standen und einen fahnenflüchtigen deutschen Soldaten nach Schweden bringen wollten. 9. In der Nacht vom 5. zum 6. 3. brach in einer für die Wehrmacht arbeitenden Tischlerei in Stange (Bereich Lillehammer) ein Brand aus, durch den u.a. eine Holzbaracke, Bestandteile für 20 Gerätewagen und 50 Wagenräder zerstört wurden. Die Werkstätten selbst blieben un- beschädigt. Der Schaden beträgt etwa 40 000 Kronen. Wahrscheinlich liegt Sabotage vor. 10. Am 5. 3. entstand in einem Strohlager der Wehrmacht in Sundalsöra ein Großbrand. Sabo- tage ist anzunehmen. II. Am 3. 3. gegen 22.15 Uhr wurden eine Spinnereifabrik in Ringebu und etwa 5000 kg Rohwolle durch Brand vernichtet. Der Gesamtschaden beträgt etwa 110 000 Kronen. Brand- ursache ist wahrscheinlich Sabotage. 12. Am 2. 3. wurde durch eine in der Nähe des im Hafen von Porsgrunn liegenden Fracht- schiffes "Kalmar" (1000 BRT) erfolgte Explosion ein großes Leck in den Schiffsrumpf ge- rissen, wodurch das Schiff bis an die Luken sank. Ein Wachposten will kurz vor der Explosion ein in braunes Packpapier und mit Bindfaden umschnürtes Paket in der Nähe des Schiffes treibend gesehen haben. 13. Am 6. 3. drangen 4 maskierte Männer in die Räume der Sparkasse in Bö (Telemark) ein und raubten etwa 30 000 Kronen. Die Täter entkamen unerkannt. 14. An der norwegischen Grenze, südlich Björnfell, wurde ein schwedischer Fähnrich fest- genommen, der angeblich in Unkenntnis die Grenze überschritten und Aufnahmen von deut- schen Stellungen gemacht hatte. Der Fähnrich hatte u.a. Kartenmaterial bei sich. 15. In Tromsö wurde ein Polizeikonstabel wegen Aushändigung von Blanko-Legiti- mationskarten an Häftlinge festgenommen. 16. Nach der am 2. 3. im Stadtgebiet von Oslo durchgeführten sittenpolizeilichen Razzia wurden 67 Frauen dem Gesundheitsamt vorgeführt. Sechs Frauen waren geschlechtskrank. 17. Im Monate Februar wurden 581 Fahndungsersuchen bei der Fahndungskartei des BdS bearbeitet. 124 Fahndungsersuchen wurden durch Festnahmen erledigt:

1561 März 1945

Fahndungsersuchen: Febr. (Jan.) erledigt: Febr. (Jan.)

Fahnenflüchtige 104 (82) 42 (35) Flüchtige Norweg. 378 (220) 57 (58) Kriegsgefangene 43 (36) 12 (11) Ausländer 57 (90) 12 (12) Deutsche Rechts- brecher 9 (11) 1 (9)

BdSudSD Oslo, Situationsbericht - Meldungen aus Norwegen Nr. 91 vom 10. März 1945 BA R 70/N/13, BI. 137-149a

Allgemeine Stimmung und Lage.

Wenngleich es den Anschein hat, daß die Leidenschaftlichkeit, mit der ein Teil der norwegis- chen Bevölkerung in letzter Zeit die militärische Entwicklung verfolgt, zu Gunsten einer sehr abwartenden Haltung etwas nachgelassen hat, sind irgendwie ins Gewicht fallende Verän- derung im allgemeinen Stimmungsbild in der Berichtszeit nicht eingetreten. Die fast uneinge- schränkte Einheitlichkeit in der Auffassung über die Art der erwarteten Kriegsentscheidung be- steht ebenso fort, wie die von dieser Annahme ausgehenden Überlegungen in ihrer Mannig- faltigkeit und ihren grundsätzlichen Unterschiedlichkeiten nichts eingebüßt haben. Gilt es somit allgemein als eine Selbstverständlichkeit, daß der Krieg flir Deutschland verloren ist, so gehen die Meinungen bereits in der Frage nach dem Zeitpunkt des erwarteten deutschen Zu- sammenbruchs weit auseinander. Glauben die einen, Deutschland werde dem gewaltigen Druck der nunmehr kombinierten alliierten Offensiven schon in wenigen Tagen oder Wochen erliegen, so meinen andere, auf Grund der bisherigen militärischen Leistungen Deutschlands mit der Möglichkeit rechnen zu müssen, daß die deutsche Führung doch noch über Mittel ver- fügen könnte - seien dies nun neue Waffen oder auch nur die völlige Ausschöpfung der letzten Menschenreserven - womit es den Krieg zwar in seinem Ausgang nicht mehr ändern, wohl aber noch um einige Monate werde verlängern können. Dort glaubt man z.T. die Auflösung im Reich schon in vollem Gange, hier - und zwar in starken Teilen der Bevölkerung - ist man der Überzeugung, daß nach allen bisherigen Anzeichen Moral und Disziplin des deutschen Volkes auch die schwersten Belastungen ertragen werden und das Volk den Kampf bis zum völligen Untergang fortführen werde. Der fanatische Kampf, den angeblich Deutschland in völlig hoffnungsloser Lage gegen die ganze Welt führe, wird vielfach als "Selbstmordpsychose" gedeutet - und insbesondere im Zusammenhang mit der letzten Rede von Reichsminister Dr. Goebbels - als verzweifelter Entschluß der nationalsozialistischen Führung, ganz Deutschland und, wenn möglich, auch ganz Europa beim eigenen Sturz mit in den Abgrund zu reißen. Von noch größerer Verschiedenheit sind die Gedanken, die man sich über die möglichen Folgen des Kriegsschlusses und über den Aufbau einer neuen Weltordnung macht. Übereinstimmend gilt jedoch für den überwiegenden Teil der Bevölkerung, daß die Fragestellungen zu diesen Themen meist eine recht wenig optimistische Grundstimmung, oft ausgesprochenen Pessimismus erkennen lassen. Die Entwicklung in den von den Alliierten besetzten Gebieten hat starke Befürchtungen aufkommen lassen, es könnten ähnliche Zustände auch in Norwegen nach einer "Befreiung" eintreten. Die Behandlung der verschiedenen Exilregierungen ebenso wie der Interessen der kleinen Völker auf den Konferenzen der sowjetrussischen, nordamerikanischen und britischen Staatsmänner hat die Furcht vor dem

1562 März 1945

Bolschewismus verstärkt und zugleich das Vertrauen zu den westlichen Alliierten tiefer erschüttert, als man sich dies selbst eingestehen will. Gedanken, es würde für Norwegen vielleicht doch am günstigsten sein, wenn die deutsche Besatzungsmacht bis Kriegsende im Lande verbliebe, erhalten von diesen Tatsachen her immer wieder neue Nahrung und finden, wie z.B. aus Stavanger berichtet wird, bei der vorherrschenden Sorge über gegenwärtige und künftige Versorgungsschwierigkeiten unmittelbar nach Beendigung des Krieges deutlichen Ausdruck in einer auffälligen Ablehnung der Generalstreikparolen. In diesem Zusammenhang wird selbst von ausgesprochenen Gegnern immer häufiger festgestellt, daß Norwegen trotz bald fünfjähriger Besetzung in diesem Kriege bisher glimpflicher davongekommen sei als irgend ein anderes kriegführendes Land und daß auch die Versorgung - gemessen an Ländern mit ähnlichem Schicksal - über Erwarten gut gewesen sei (Oslo, Bergen). Als einzige Punkte wirklich negativer Kritik bleiben bei solchen Erwägungen in gemäßigteren Gegnerkreisen oft nur der von den Deutschen angeblich ausgeübte "Terror" mit "Geiselerschießungen, Massenarrestationen und Deportierungen" und nicht zuletzt der Vorwurf, die Deutschen hätten dem norwegischen Volk ein verhaßtes Verräterregime aufgezwungen - zwei der Hauptargumente, mit denen die von London gesteuerte Propaganda die Schaffung und Erhaltung einer einheitlichen deutschfeindlichen Front in Norwegen betrieben hat. Es würde nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre überraschen, zeigte die Masse der gegnerisch eingestellten Bevölkerung angesichts des augenblicklichen Standes der militärischen Entwicklung in ihrer Einstellung zu Deutschland ein anderes Bild als das spontaner Genugtuung und Schadenfreude. Endlich, so meint man, müsse Deutschland all' das Elend und das Leid selbst auskosten, das es durch seine Angriffshandlungen über so viele andere Länder gebracht habe. Es ist die von Rachegefühlen bestimmte Reaktion, die - in ihrem Wesen relativ einheitlich - in ihrer Heftigkeit im einzelnen jeweils abhängt vom Grade der deutschfeindlichen Verhetzung des einzelnen Norwegers. Trotz dieser allgemein verbreiteten Grundeinstellung erbringen Meldungen aus allen Teilen des Landes in letzter Zeit immer zahlreichere Belege dafür, daß nebenher auch in nicht deutschfreundlich eingestellten Kreisen eine Betrachtungsweise merkbar Boden gewinnt, die, dem humanitären Denken des Norwegers entspringend, als ein gewisses Mitgefühl bezeichnet werden kann. Zugleich mehren sich Äußerungen, die von einer ehrlichen Bewunderung der Haltung zeugen, mit der das deutsche Volk den schweren Rückschlägen dieser Zeit gegenübertritt. Wie früher berichtet, unterliegen die Angriffe der anglo-amerikanischen Luftwaffe auf deutsche Städte schon seit längerem der Kritik eines Teiles der norwegischen Bevölkerung und werden von diesen im Gegensatz zu früher jetzt auch als Terrorangriffe bezeichnet (vgl. Situationsbericht Nr. 89). In letzter Zeit gilt dies, wie z.B. aus Stavanger gemeldet wird, im besonderen Maße in den Fällen, wo Städte angegriffen wurden, die mit Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten überfüllt waren. Aus der gleichen Einstellung heraus wurden die Kriegserklärungen der Türkei und anderen Staaten "fünf Minuten vor Toresschluß" vielfach ebenso ironisiert wie die alliierte Diplomatie, auf deren Druck hin diese Staaten gehandelt hätten. Aus Bergen wird berichtet, daß die "bevorstehende Vernichtung Deutschlands" in Wirtschaftskreisen bedauert werde, da das deutsche Volk auf Grund seiner wirtschaftlichen Leistungen das ihm auf der Konferenz von Jaita zugedachte Schicksal "eigentlich nicht verdient" habe. Ein Bericht aus Stavanger faßt ähnliche Beobachtungen dahingehend zusammen, daß sich eine steigende Animosität gegenüber England und teilweise auch Amerika bemerkbar mache, die mehr gefühlsmäßige als politische Ursachen hätten. In gleicher Richtung wirken sich, wie früher mehrfach berichtet, alliierte Luftangriffe auf Ziele in Norwegen aus, wenn durch sie nichtmilitärische Ziele getroffen werden, sowie im besonderen

1563 März 1945 Maße die Versenkung norwegischer Küstenschiffe (vgl. Situationsbericht Nr. 90). Aus wird in dieser Verbindung eine starke Beunruhigung der Bevölkerung des dortigen Bereichs, insbesondere der Südküste von Lista - Mandai - Kristiansand bis über Arendal hinaus, auf Grund feindlicher Einflüge gemeldet. Der erstmals außergewöhnlich starke Flakbeschuß in Arendal habe zu Gerüchten Anlaß gegeben, wonach die deutsche Rotte nach Arendal und Kristiansand verlegt werden solle. Bezeichnend für die Nervosität der Bevölkerung sei, daß die gerüchtweise verbreitete Behauptung, im Hafen von Arendal liege ein mit Munition beladenes Schiff, zahlreiche in der Nähe des Hafens wohnhafte Personen veranlaßt hat, ihre Wohnungen vorübergehend zu räumen. Insgesamt haben die häufigeren Feindeinflüge der letzten Zeit, z.T. auch Minenabwürfe über Land (in Oslo wurden am 24. 2. 45 innerhalb des Stadtgebietes 20 Seeminen, über dem Stadtrand von Kristiansand in der Nacht vom 2. zum 3. 3. 45 ebenfalls mehrere Seeminen abgeworfen) neben der Furcht vor Kriegshandlungen auch die Gerüchtebildung Uber eine evtl. bevorstehende Invasion wieder stärker belebt. In gleicher Weise wirkte sich ein von Feindflugzeugen abgeworfenes Flugblatt aus, in dem das "norwegische Oberkommando Direktiven für Norweger" gibt, wie sie "norwegische und alliierte Truppen sowie die Mitglieder der norwegischen Heimatstreitkräfte bei der Befreiung Norwegens" unterstützen können. Zu dieser Beunruhigung trugen weiter die überall verbreiteten Gerüchte von dem angeblich unmittelbar bevorstehenden Kriegseintritt Schwedens nicht unwesentlich bei (vgl. Situationsbericht Nr. 90). Die Gerüchte wurden besonders hartnäckig, nachdem bekannt geworden war, daß auf Grund eines Vorfalles, der sich am 23. 2. 45 auf dem Grenzbahnhof Björnfjell bei Narvik abspielte, von schwedischer Seite am 24. 2. 45 der Zugverkehr über die Grenze nach Narvik eingestellt wurde. Die schwedischen Verlautbarungen in dieser Angelegenheit fußen auf entstellenden Schilderungen über angeblich provozierendes Verhalten eines norwegischen Grenzpolizeibeamten bei der auf der norwegischen Seite der Grenze erfolgten Durchsuchung einer schwedischen Lokomotive, auf der ein norwegischer Flüchtling illegal nach Schweden verbracht werden sollte, und über die angebliche Bedrohung des schwedischen Bahnpersonals durch deutsche Soldaten. Durch die Einstellung des Zugverkehrs auf der genannten Strecke liegt der über Schweden führende Dreiecksverkehr Drontheim - Narvik z.Zt. still. In den letzten Tagen wurden von schwedischer Seite lediglich einige Waggons mit Lebensmitteln für die Zivilbevölkerung sowie insbesondere Sendungen der schwedischen Norwegen-Hilfe zugelassen. Stark besprochen wird in der Bevölkerung zur Zeit eine neue Parole, die von der Führung der "Heimalfront" ausgegeben worden ist. Die Parole, die u.a. auch durch illegale Flugblätter verbreitet wird, fordert die norwegische Jugend auf, auch in diesem Jahre den Einberufungen zum Arbeitsdienst nicht Folge zu leisten. Ein bezeichnender Vorfall wird aus Tönsberg berichtet. Bei der Beerdigung von 6 englischen Fliegern am 3. 3. 45 durch die Kommunalverwaltung versammelten sich vor dem Friedhof 700 - 1000 Personen, um so an der Bestattungsfeier teilzunehmen. Der Zugang zum Friedhof selbst wurde ihnen durch 2 norwegische Polizeibeamten verwehrt. Am Grabe wurden durch norwegische Geistliche Gebete und Predigten sowie ein Gedenkwort vorgetragen, davon letzteres in englischer Sprache. Es wurden 20 - 30 Kränze niedergelegt, zum Teil mit norwegischen und englischen Papierfähnchen und mit Karten folgenden Wortlauts: "Ihr werdet in Norwegen geliebt - Ihr starbt für England. Letzte Grüße von Norwegen". - Obwohl genügend Träger und Hilfsarbeiter vorhanden waren, fungierten mehrere Einwohner als freiwillige Sargträger, darunter der Internist des Krankenhauses in Tönsberg.

1564 März 1945

Gegnerische Tätigkeit. Die sicherheitspolizeilichen Ermittlungen gegen die Mil.Org. führten im Bereich Bergen zur Zerschlagung der im Aufbau befindlichen Gebietsorganisation von Sogn. Diese Untergruppe stand unter der Leitung des Norwegers Trygve S e b o e. Die von S. als Bereichsleiter eingesetzten Mitarbeiter hatten die Aufgabe, in ihrem Bereich Zwölfergruppen zu bilden und die Mitglieder im Gebrauch von Schußwaffen zu schulen. Im Falle einer Invasion durch die Alliierten sollten dieser Mil.Org. Sogn folgende Aufgaben zufallen: 1. Die Kampfkraft der deutschen Truppen durch Sprengungen von Brücken und Sperrung von Wegen herabzusetzen, 2. vorbereitete Sprengungen durch Deutsche in Werken zu verhindern, 3. Festnahme der Angehörigen der Sicherheitspolizei und sämtlicher Mitglieder der NS, 4. Beseitigung aller Telegrafen- und Funkstationen, 5. vorbereitende Arbeiten für die Übernahme der Zi vil Verwaltung durchzuführen. Die Organisation stand mit 4 in britischen Diensten stehenden Agenten in Verbindung, von denen 3 unter den Decknamen "Ole", "Nils" und "Harald" bekannt geworden sind. Diese Agenten wurden auf dem Luftwege durch britische Flugzeuge versorgt. Die Überholung eines Gebietes nach einem Einflug einer Feindmaschine führte zur Auffindung von einem Koffersendegerät, einem amerikanischen Sendegerät, einem amerikanischen Empfangsgerät mit Zubehör, 2 Rahmenhaftminen, einem Kleinempfänger, einer Kiste mit 12 Brandsätzen, Zündmittel für Haftminen. Die Ermittlungen im Bereich des Kommandeurs Drontheim gegen die Urheber der Eisenbahnanschläge im Gebiet von Röros und gegen eine Widerstandsgruppe im gleichen Raum führten in der Zeit vom 15. bis 24. 2., insbesondere im Gebiet von Holtdalen zur Aufrollung der dort von englischen Agenten Anfang Juni 1944 aufgebauten Mil.Org. Insgesamt konnten 87 Angehörige dieser Widerstandsgruppe, davon 12 Gruppenführer, festgenommen werden, die in den Gebieten von Kotsoy [Kots0y] und Aalen Mil.Org.-Gruppen aufgebaut hatten. 2 Gruppenführer wurden auf der Flucht wegen Widerstandes erschossen. Diese Widerstandsgruppe stand unter der Führung des Pfarrers Bentzen aus Holtdalen. Der militärische Leiter war der Bauer Bernt Η o f d a 1 aus Singsaas. Aus den im Agentenhauptquartier im Hochgebirge bei Holtdalen vorgefundenen Unterlagen geht hervor, daß die englischen Agenten bereits im Dezember 1943 auf dem Hochgebirge zwischen Holtdalen und Selbu durch Flugzeug abgesetzt worden sind und den Auftrag hatten, in dem Gebiet von Kotsoy bis Aalen eine kampfstarke Mil.Org. aufzubauen, die zur gegebenen Zeit das gesamte Tal zwischen Stören und Röros abriegeln, Brücken, Eisenbahnlinien und Straßen sprengen sollte, um dadurch der deutschen Wehrmacht eine Marschstraße abzuschneiden. Diese Agentengruppe kommt als Täter der um die Jahreswende verübten Eisenbahnanschläge im Röroser Gebiet in Frage. Die Versorgung dieser Widerstandsgruppe mit Waffen, Munition und Sprengstoff erfolgte im Laufe des Sommers und Herbstes 1944 auf dem Luftwege durch britische Flugzeuge. Es wurden 38 Waffen-, Munitions- und Sprengstofflager ermittelt, von denen 29 geborgen wurden. Die restlichen an Berghängen und in Berghalden gelegenen Lager sind durch Lawinen verschüttet. Unter dem geborgenen Sabotagematerial befinden sich leichte Maschinengewehre, Gewehre, Maschinenpistolen, Coltpistolen, Eierhandgranaten, Seitengewehre, amerikanische Schnellfeuergewehre und große Mengen Munition, Sprengstoff und anderes Sabotagematerial.

1565 März 1945

Terror und Sabotage.

Am 17. 2.45 wurde die Eisenbahnstrecke Drontheim-Stören bei Stele an der Ler-Brücke durch Sprengungen an mehreren Schienenstößen unterbrochen. Am 25. 2. erfolgte ein Anschlag auf die Autoreparaturwerkstatt E r i k s e η in Oslo, die zu 75% für die OT arbeitet. 9 Kraftfahrzeuge wurden zerstört bzw. beschädigt. Am 25. 2. wurde die Benzinstation Gjelleraasen bei Oslo durch einen Sprengstoffanschlag vernichtet. Am 1. 3. erfolgte ein Raubüberfall auf die Fana Sparebank in Minde bei Bergen, bei dem durch unerkannte Banditen 10 bis 12 000 Kr. geraubt wurden. Am 3.3. wurden während der Nachmittagsvorstellung Tränengasbomben in die Toilette des Nordlandvarietés geworfen, ohne daß Personen- oder Sachschaden entstand. Am 3. 3. wurden bei der Eisenbahnstation Aal 9 Sprengkapseln in einem leeren Güterwagen gefunden. Schaden ist nicht entstanden. Am 5. 3. Großbrand im Strohlager der Wehrmacht in Sundalsöra, durch den erheblicher Sachschaden verursacht wurde. Am 5. 3. Sprengstoffanschlag auf die Firma Olsen u. Borge, Schiffsreparaturwerkstatt. Zerstört wurden Maschinenanlagen und 4-stöckiges Wohnhaus. Am 5. 3. Sprengstoffanschlag gegen Radiolager des RK-See, bei dem ca. 800 Apparate, die zur Ausrüstung für Schiffe dienten, vernichtet wurden. Am 6. 3. Raubüberfall auf die Sparkasse Bö (Telemark), bei dem 30 000 Kronen geraubt wurden. Am 3.3. wurde die Spinnereifabrik Ringebu durch Brand vollständig zerstört, dabei 5000 kg Rohwolle vernichtet. Der Brand ist wahrscheinlich auf Sabotage zurückzuführen. Am 8. 3. drangen 2 bewaffnete Banditen in den Kassenraum der Osloer Spare-Skillingsbank ein und raubten 12 000 Kr. Am 9. 3. erfolgte ein Einbruch in das Versorgungsamt in Nittedal, wobei sämtliche Rationierungskarten und eine Kartei gestohlen wurden. Am 9. 3. Überfall von 3 bewaffneten Banditen auf die Wohnung des Haakon Myhre in Bjernedal (Nittedal) und Raub von etwa 7000 Kr. Bei der Festnahme von Personen, die sich zum Teil als Funktionäre innerhalb der KPN in Bergen betätigt hatten, wurden 2, die sich ihrer Festnahme widersetzten, durch Schüsse verletzt. Am 6. 3. gegen 15.00 Uhr traf eine Streife der norwegischen Staatspolizei und des Hird in einer Sackgasse in Oslo auf 2 Personen, die sofort flüchteten. Von der Streife verfolgt, nahmen sie hinter einem Holzstoß Deckung und beschossen die Streife. Drei Streifenangehörige wurden verletzt. Die Täter entkamen. Die Untersuchung der aufgefundenen Patronenhülsen ergab, daß die gleiche Pistole verwendet worden war, mit der der Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei, Generalmajor Marthinsen, den tödlichen Kopfschuß erhielt. Bei der Aushebung einer Deckungsstelle für Schwedenflüchtlinge in Oslo kam es am 6. 3. zu einem Schußwechsel, bei dem ein Dienststellenangehöriger und ein Dolmetscher der deutschen Sicherheitspolizei leicht verletzt wurden. Von den drei in der Deckungsstelle sich aufhaltenden und festgenommenen Personen erlitten zwei leichte Schußverletzungen. In der Nacht vom 5. zum 6. 3. brach in einer für die Wehrmacht arbeitenden Tischlerei in Stange (Bereich Lillehammer) ein Brand aus, durch den Sachschaden in Höhe von etwa 40 000 Kr. entstand. Am 2. 3. wurde durch eine in der Nähe des im Hafen von Porsgrunn liegenden Frachtschiffes "Kalmar" (1000 BRT) erfolgte Explosion ein großes Leck in den Schiffsrumpf gerissen, wodurch das Schiff bis an die Luken sank.

1566 März 1945

In der Nacht vom 10. zum 11. 3. ereignete sich auf dem Schwimmkran "Golith" [!] am Vaerle-Kai in Moss eine starke Detonation. Der Kran war beim Ausladen von Lokomotiven. Er sackte langsam ab und liegt auf 5,5 m Wassertiefe. Umkippen nicht wahrscheinlich. Ein Bewachungsmann ist vermißt. Sabotage ist anzunehmen. Der Kran war von erheblich wirtschaftlicher Bedeutung.

Kirche.

Der ehemalige Propst am Dom zu Drontheim, Arne F j e 11 b u, der bereis im Jahre 1942 auf Grund seiner deutsch- und NS-feindlichen Haltung seines Postens enthoben und aus Drontheim verwiesen wurde, ist nach Meldungen der schwedischen Presse und des Londoner Rundfunks nach seiner Flucht nach Schweden als Bischof fìir die von den deutschen Truppen geräumten nordnorwegischen Gebiete eingesetzt worden. Nach einer Auslandsmeldung hat Fjellbu die Leitung des "Feldpfarrerdienstes im befreiten Nordnorwegen" übernommen. Die schwedischen Zeitungen "Dagens Nyheter", "Svenska Dagbladet" u.a. brachten folgende Meldung: "Dompropst Fjellbu aus Drontheim wurde zum Bischof in den befreiten nordnorwegischen Gebieten ernannt. Der Bischof ist in Finnmarken angekommen, wohin er sich von Schweden zusammen mit norwegischen Polizeitruppen begeben hatte. Das norwegische Kirchen- und Unterrrichtsministerium in London teilt mit, daß Fjellbus Ernennung, die bis auf weiteres gilt, schon am 15. 12. 44 erfolgte. Er erhielt Vollmachten, wie sie die außerordentliche Lage erfordert. Er ist auch Führer der Feldprediger im befreiten Nordnorwegen und wurde selbst nach Antritt seines Amtes zum Feldprediger ernannt". Svenska Morgenbladet schreibt: "Bischof Arne Fjellbu, der z.Zt. mit den norwegischen Polizeitruppen von Schweden in das befreite norwegische Gebiet kam, hat sich bereits mit dem Wiederaufbau der kirchlichen Arbeiten in Finnmarken beschäftigt. Die Zusammenarbeit mit den Pfarrern und Schulbehörden ist bereits eingeleitet und der erste Gottesdienst mit Bischof Fjellbu fand in Bjoernevatn bei Kirkenes statt". Der Londoner Rundfunk gab am 19. 1.45 folgende Meldung durch: "Das Kirchen- und Unterrichtsministerium teilt mit: Durch kgl. Resolution vom 15. Dezember v.J. ist Dompfarrer Arne Fjellbu als Bischof in den befreiten Gebieten des Haalogaland Bischoftums bis auf weiteres konstituiert worden. Er wird die kirchliche Verwaltung dieser Gebiete leiten, und als Bischof liegt ihm die kirchliche Aufsicht bezüglich Pfarrer, Kirchen- und Gemeindearbeit ob. Die Vollmachten, die die außerordentliche Lage erforderlich macht, sind ihm erteilt worden. Bischof Fjellbu wurde kurz vor seiner Konstituierung als Bischof zum Feldpfarrer ernannt, und er begleitet als solcher unsere Polizeitruppen nach den befreiten Gebieten. Als fungierender Bischof übernimmt er auch die Leitung des Feldpfarrerdienstes in diesem Abschnitt". Fjellbu richtete an die Pfarrer und Gemeindekirchenräte für die "befreiten Gebiete des Bistums Haalogaland" einen Hirtenbrief, in dem er u.a. folgendes ausführte: "In dem befreiten Teil von Norwegen sind wir wieder unseren gesetzlichen norwegischen Behörden unterstellt. Wir haben wieder einen Rechtsstaat mit unserem gesetzlichen König und mit der von unserem Volke anerkannten Verfassung . . . Der Teil der norwegischen Kirche, der sich in den befreiten norwegischen Gebieten befindet, nimmt die Zusammenarbeit mit dem Staat wieder auf und zwar in der Überzeugung, daß der Staat die geistige Freiheit und die Selbständigkeit der

1567 März 1945

Kirche und die Pflicht der Kirche, dem Herren der Kirche treu zu sein, respektieren wird . . . Ich bitte aber diejenigen Pfarrer, die ihre Ämter niedergelegt haben, darum, bei dem Gottesdienst in der Gemeinde in Verbindung mit dem Verlesen dieses Briefes öffentlich zu erklären, daß sie ihre Ämter mit sämtlichen Pflichten und Rechten wieder übernehmen... Die vieljährige Besetzung hat nicht nur große Leiden mit sich geführt, sondern auch große Schwierigkeiten auf moralischem und religiösem Gebiet gebracht. Hier haben wir einen riesigen Wiederaufbau vor uns. Wir dürfen nicht vergessen, wofür die norwegische Kirche in diesen Jahren gekämpft hat. Gegen den stärksten äußeren Widerstand hat die Kirche die ewigen Werte behauptet, nämlich: Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe. Jetzt darf die Kirche in diesem Kampf nicht nachlassen. Selbst wenn wir Freiheit von äußeren Feinden erreicht haben, sind noch genügend Feinde vorhanden. Der Teufel, die Welt und unser eigenes Fleisch haben viel Macht gewonnen, daher ist eine Sammlung der christlichen Kräfte innerhalb unseres Volkes mehr als je zuvor dringend notwendig. ... Unsere Arbeitsbedingungen hier in dem befreiten Gebiet Norwegens sind jedoch sehr schwer. Die Befreiung erfolgte gleichzeitig mit dem Abbrennen und Vernichten von Heimen und Häusern und all der Sachen, die die Menschen brauchen. An vielen Stellen sind auch Kirchen und Bethäuser in Schutt und Asche gelegt worden. Uns sind die meisten Möglichkeiten, ein Leben des Heimes und ein Leben der Gemeinde um die Heiligen Worte und das Sakrament leben zu können, genommen worden. ... In einer solchen Zeit muß der Pfarrer die Gewißheit haben, daß er in jedem Haus und in jeder Erdhütte Gehilfen hat. Auf jeden Fall müssen alle christlich gesinnten Lehrer und Lehrerinnen ihre Verantwortung erkennen. Gibt es dort kein Haus, das zu Ehren Gottes gebaut wurde, müssen wir die Räume, die es dort gibt, für den Gottesdienst und für die Spendung der Sakramente benutzen. ... Mit diesen Worten will ich Euch, Pfarrer und Gemeinden in den befreiten Gebieten des Bistums Haalogaland begrüßen. Vieles habt Ihr verloren, vieles habt Ihr durchmachen müssen, aber großes habt Ihr auch bekommen. Die Sonne der Freiheit durfte zuerst über diesen Teil des Landes scheinen".

Schule.

Nach einer Meldung aus Stavanger macht sich an dem dortigen Handelsgymnasium eine Schülerstreikbewegung bemerkbar. Nach den am 1. 3. beendeten Weihnachtsferien blieb bei Schulbeginn die sogenannte Studentenklasse mit 73 Schülern geschlossen dem Unterricht fern, während von der ersten Klasse mit 40 Schülern nur einzelne erschienen. In den anderen Klassen waren keine Streikerscheinungen zu bemerken. 23 Schüler der Studentenklasse hatten Entschuldigungen eingesandt, von denen die Mehrzahl unbegründet waren. Die Schulleitung hat nunmehr jeden fehlenden Schüler schriftlich aufgefordert, den Schulbesuch innerhalb 14 Tagen wieder aufzunehmen. Die lange Frist wurde mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten im Verkehr festgesetzt. Die Lehrer erschienen vollzählig zum Unterricht. Der Direktor äußerte sich auf Befragen dahingehend, daß es sich nach seiner Meinung um einen organisierten Streik handele, denn das allgemeine Verhalten der Schüler kurz vor den Ferien habe bereits daraufhingedeutet.

Norwegisches Schijäger-Bataillon.

Im Verfolg der militärischen Räumung Finnlands wurde das norwegische Schijäger-Bataillon im Dezember des vergangenen Jahres aus dem finnischen Raum herausgezogen und befindet

1568 März 1945 sich seitdem im südlichen Norwegen. Ministerpräsident Quisling bemühte sich stark darum, das Bataillon unter seine Führung zu bekommen und wehrte sich insbesondere dagegen, es außerhalb Norwegens zum Einsatz kommen zu lassen. Andererseits lagen begründete Befürchtungen vor, daß bei einem eventuellen Einsatz im nordnorwegischen Raum mit Überläufern gerechnet werden müßte, falls dem Bataillon auf der Feindseite norwegische Einheiten gegenüberstehen würden. Das Schijäger-Bataillon wurde deshalb dem Höheren SS- und Polizeifiihrer "Nord" unterstellt, dem es zum Einsatz gegen Terror- und Sabotage-Trupps zur Verfügung steht. Inzwischen waren im Bataillon innerhalb kurzer Zeit eine beträchtliche Anzahl von Fahnenflüchtigen, Entlassungsgesuchen und Festnahmen wegen Trunkenheit zu verzeichnen. Es wurde deshalb der Plan gefaßt, das Bataillon auseinanderzuziehen (nicht aufzulösen) und im Verhältnis 1 : 1 auf 3 Kradschützen-Kompanien der Ordnungspolizei aufzuteilen, wobei die ehemaligen 3 Kompaniechefs des Bataillons weiter als Kompaniechefs Verwendung finden sollten. Der bisherige Bataillonskommandeur, SS-Hauptsturmführer Halle, der sich als Führer des Bataillons ungeeignet erwies, wurde durch SS-Sturmbannfuhrer Η o e 1 ersetzt, der gleichzeitig als Inspekteur dieser 6 SS-Polizei-Schijäger-Kompanien eingesetzt wurde. Der Geist in den Kompanien hat sich nach Durchführung dieser Maßnahmen außerordentlich gebessert. Insbesondere wurde die inzwischen erfolgte Motorisierung und die Tatsache freudig begrüßt, daß der Dienst auf dem Kasernenhof eine erfreuliche Abwechslung erhalten habe. Ministerpräsident Quisling stand dem Plane der Auseinanderziehung des Schijäger- Bataillons zunächst ablehnend gegenüber, erklärte aber schließlich sein Einverständnis. Nach einer hier vorliegenden Meldung soll jedoch inzwischen der Gesandte Stören unter Benutzung bestimmter Nachrichtenwege unmittelbar bei Reichsstellen gegen die durchgeführte Lösung Stellung genommen und sich für eine andere Regelung verwandt haben.

Germanische SS Norwegen.

Nachdem vor einigen Wochen SS-Untersturmführer Dr. S c h j ö r e η als Stabsleiter der Germanischen SS abgelöst und auch die Ersetzung Torkildsens als Schriftleiter von "Germaneren" erfolgte (vgl. Situationsbericht Nr. 84 vom 1. 5. 45 [!]), hat Minister Fugle- s a η g jetzt gegen Dr. Schjören und Torkildsen Parteigerichtsverfahren angestrengt. Der Wechsel in der Stabsleitung der Germanischen SS und in der Schriftleitung von "Germaneren" war trotz der zweifellos vorhandenen Verdienste Dr. Schjörens und Torkildsens notwendig geworden, weil auf Grund der bestehenden Spannungen mit Minister Fuglesang, die zu einem Teil auf das nicht immer diplomatische Verhalten Dr. Schjörens und Torkildsens zurückgehen, eine Zusammenarbeit zwischen der Germanischen SS und dem Generalsekretariat der Partei kaum noch möglich war. Als neuer Stabsleiter wurde deshalb SS- Untersturmführer L i η d ν i g eingesetzt, während Dr. Schjören und Torkildsen für einen von diesen seit längerem selbst angestrebten Fronteinsatz freigegeben wurden. Es durfte erwartet werden, daß Minister Fuglesang auch seinerseits alles tun würde, was der Schaffung eines guten Arbeitsverhältnisses dienlich sein könnte. Die Einleitung der fraglichen Verfahren hat deshalb starkes Befremden erweckt. Inzwischen hat Dr. Schjören es abgelehnt, zur Waffen-SS einzurücken, bevor die von Minister Fuglesang gegen ihn erhobenen Vorwürfe geklärt sind. Die Zeitung "Germaneren" wird zur Zeit von dem bisherigen Redaktionssekretär P. Pedersen Tjöstland nach denselben Richtlinien wie bislang weiter geführt, wobei jedoch die früher teils versteckten, teils offenen Angriffe gegen die Parteiführung unterbleiben.

1569 März 1945

Verwaltung und Recht.

Entlassung und teilweise Festnahme von unzuverlässigen Beamten und Angestellten in den Stadtgemeinden Oslo und Aker. Säuberung der Departements-Verwaltungen von gegnerisch eingestellten Beamten und Angestellten. Von Seiten der örtlichen Parteiführung in Oslo (Fylkesförer Holm) wurden im Einvernehmen mit den Bürgermeistern der beiden Städte Oslo und Aker Listen über unzuverlässige Beamte und Angestellte der Stadtverwaltungen aufgestellt. Nach mehreren Beratungen zwischen Innendepartement, Fylkesführung und den Bürgermeistern, wurden Ende Februar insgesamt etwas über 60 Beamten aus ihren Stellungen entlassen. Von diesen befindet sich bereits ein Teil (etwa 10 bis 12) seit einiger Zeit in Haft. Nach Unterrichtung des Ministerpräsidenten wurden von der norwegischen Staatspolizei 11 weitere als besonders unzuverlässig erkannte Beamte und Angestellte festgenommen. Um besondere Härten zu vermeiden, beabsichtigt das Innendepartement in begründeten Fällen (zahlreiche Kinder usw.) den entlassenen Beamten ein bestimmtes Wartegeld zu genehmigen. Eine vom Ministerpräsidenten eingesetzte Kommission beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit damit, für sämtliche Departements Listen von unzuverlässigen Beamten und Angestellten zu erstellen. Die in der Zwischenzeit fertiggestellten Listen sind in den letzten Tagen den einzelnen Ministern persönlich mit dem Hinweis zugeleitet worden, die namhaft gemachten Personen, aus ihren Stellungen zu entlassen. Soweit bekannt wurde, umfaßt die dem Justizminister vorgelegte Liste 1/3 des gesamten Personalbestandes seines Departements. Von ca. 60 Beamten und Angestellten werden 20 zur Entlassung vorgeschlagen. Die Liste für das Innendepartement umfaßt 51 Personen, was etwa 20% des Gesamt-Personalstandes entspricht. Das umfangreicher besetzte Naeringsdepartement soll insgesamt 140 Beamte und Angestellte zur Entlassung bringen. Nach den bisherigen Feststellungen scheinen die Minister nicht geneigt zu sein, den gemachten Vorschlägen grundsätzlich und in vollem Umfange zuzustimmen.

Norwegen-Hilfe des Damen-Komitees Kopenhagen.

Nachdem die schwedische Norwegen-Hilfe und das norwegische Rote Kreuz ihre Hilfstätigkeit für Norwegen erheblich verstärkt haben (vgl. zuletzt Meldungen aus Norwegen Nr. 88 v. 8. 2. 45, Seite 24 und Nr. 90 v. 1. 3. 45, Seite 24, 25) wird nunmehr auch das Damen- Komitée Kopenhagen seine Lebensmittellieferungen nach Norwegen und seine Hilfsarbeit steigern. Die Lebensmittelsendungen des Damen-Komitées, die bisher etwa 250 t. und 15 000 Standardpakete monatlich betrugen, sollen verdoppelt werden. Man will mit diesen Mehrlieferungen vor allem Beamte und Angestellte von Eisenbahn, Post, Telegraf, Straßenbahn, Zoll und Arbeiter, soweit sie nicht mehr als 6000,- Kr. jährlich verdienen, unterstützen. Außerdem sollen die Kinderbespeisungen erweitert werden. Ein Schiff mit vermehrten Lebensmittellieferungen ist bereits aus Dänemark abgegangen. In Zukunft werden gewisse Transportschwierigkeiten zu überwinden sein, um den Plan des Damen-Komitées bezüglich der verstärkten Norwegen-Hilfe durchführen zu können.

Norwegisches Rotes Kreuz,

Das norwegische Rote Kreuz erhielt vom internationalen Roten Kreuz rund 100 000 Büchsen kondensierte Milch, 1800 kg Zucker und 28 300 Schachteln Würfelkäse. Während frühere

1570 März 1945

Sendungen des internationalen Roten Kreuzes durch verschiedene norwegische Hilfsorganisationen gemeinsam verteilt und zum Teil für die Bespeisungen der schwedischen Norwegen-Hilfe zur Verfügung gestellt wurden, werden die vorgenannten Lebensmittel durch das norwegische Rote Kreuz und den Vertreter des internationalen Roten Kreuzes, Dr. Ho f f m a η η, der z.Zt. in Norwegen weilt, zur Verteilung gebracht. Die Waren sind angeblich für kranke Kinder und alte Leute bestimmt.

Schwedische Norwegen-Hilfe.

Für Bespeisungen sandte die schwedische Norwegen-Hilfe im Monat Februar 950 t Lebensmittel, darunter 456 t Kartoffelflocken, 151 t Erbsen und 122 t Haferflocken nach Norwegen. An weiteren Waren, die durch das Versorgungsdepartement zur Verteilung kommen, führte die schwedische Norwegen-Hilfe im gleichen Monat 3223 t Lebensmittel, in der Hauptsache Weizenmehl und Fett, nach Norwegen ein. Außerdem wurden 68 t gebrauchte Kleider und Schuhe sowie 29 000 Satz Kinderzeug und 52 000 Paar Kinderstiefel geliefert. Mit der Begründung, daß sie wegen der beträchtlichen Steigerung der Lieferungen der schwedischen Norwegen-Hilfe dringende Besprechungen in Stockholm durchführen müßten, reisten in diesen Tagen 4 Mitglieder der schwedischen Donator-Repräsentation in Oslo, nämlich Pfarrer W e e b e, Direktor H a 11 g r e η, Direktor E k b 1 o m und Disponent Hake nach Stockholm. Sowohl Ekblom (Firma A/S Per Kure, Oslo) als auch Disponent Hake (Firma Wennersgren Cappelen A/S, Oslo) sind deutschfeindlich eingestellt.

Wirtschaft.

Sozialdepartement. Unter Beibehaltung seiner Stellung als Reichsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz schied Astrup in diesen Tagen als Sozialrat aus dem Sozialdepartement aus und wurde mit einem Sonderauftrag im Landwirtschaftsdepartement im Zusammenhang mit der Beschaffung der erforderlichen Arbeitskräfte für den Holzeinschlag betraut. Administrativ bleibt Astrup weiterhin dem Sozialdepartement unterstellt. Als Nachfolger Astrups wurde der Bürgermeister von Eidskog, A 1 m, zum Sozialrat ernannt. Dies ist insofern bemerkenswert, als Minister Lippestad dem Ministerpräsidenten gegenüber wiederholt zum Ausdruck brachte, daß er die Stellung eines Sozialrats fiir gänzlich überflüssig halte, weil durch die derzeitigen innerpolitischen Verhältnisse die Aufgaben des Sozialdepartements sehr beschränkt seien und noch nicht einmal er als Minister voll ausgelastet sei. Für den Fall, daß der Ministerpräsident trotzdem die Ernennung eines Sozialrates für notwendig halten sollte, hatte Minister Lippestad hierfür den Direktor des Statistischen Zentralbüros und der Versicherungsvereinigung,T h e s e η, in Vorschlag gebracht. Lippestad begründete seinen Vorschlag damit, daß er selbst keine Kenntnisse im Versicherungswesen habe und die Versicherungsfachleute im Sozialdepartement entweder wegen ihrer gegnerischen Einstellung entlassen werden mußten oder wegen illegaler Tätigkeit von der Deutschen Sicherheitspolizei festgenommen wurden. Für die Einsetzung des Alm als Sozialrat ist insbesondere Kanzleichef Lundesgaard eingetreten. A 1 m, der von Beruf Lehrer ist, hat früher der Arbeiterpartei angehört und war einige Zeit in untergeordneten Stellungen der Fachlichen Landesorganisation tätig. Er ist heute Mitglied der NS und wird in charakterlicher Hinsicht gut beurteilt. Allgemein wird in norwegischen Fachkreisen zu der Ernennung Alms zum Sozialrat kaum Stellung genommen. Es wird jedoch zum Ausdruck gebracht, daß ihm die nötigen Erfahrungen für diese Stellung fehlen dürften.

1571 März 1945 Fachliche Landesorganisation.

Der Leiter von "Sol i Arbeid", Kaare Rein, wurde vor wenigen Tagen zum Leiter der Fachlichen Landesorganisation ernannt. Der bisherige Landesleiter, Odd F o s s u m, wird voraussichtlich eine Stellung in der "Kooperativen Landesforening" (ähnlich den Konsumgenossenschaften im Reich) erhalten. Die Berufung des Rein zum Landesleiter wurde von den Verbandsleitern und übrigen Gewerkschaftsfunktionären mit Befriedigung aufgenommen. Rein gilt als ein charakterlich sauberer Mann, der auch über die nötigen fachlichen Voraussetzungen verfügt. In Gewerkschaftskreisen wurde im Zusammenhang mit der Ernennung Reins zum Landesleiter erklärt, daß Rein der einzige sei, dem es gelingen könnte, die Verhältnisse in der Fachlichen Landesorganisation zu ordnen, zumal er über das nötige Vertrauen bei den deutschen Dienststellen verfüge.

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 21 vom 14. März 1945, gez. Fehlis BA R 70/N/14

1. In den Abendstunden des 10. 3. wurde der Lensmann in Rauland (Telemark) aus seiner Wohnung gelockt und entführt. Ein Bruder des Lensmannes begab sich auf die Suche und fand den Lensmann mit 4 bewaffneten Männern in einer Hütte. Es kam zu einem Feuergefecht, in dessen Verlauf der Bruder des Lensmannes 2 der bewaffneten Männer erschoß und die beiden anderen in die Flucht jagte. Die Männer trugen am Ärmel Fallschirmjägerabzeichen und norwegische Flagge, auf der Mütze das Abzeichen H VII. 2. Norwegische Polizei verfolgte nach einem Pferdediebstahl eine Spur, die zur Langfallvann- Hütte (Bereich Drammen) führte, wo das gestohlene Pferd geschlachtet gefunden wurde. Schüsse auf die Hütte wurden aus dieser heraus erwidert, so daß Verstärkung angefordert werden mußte. Beim Eintreffen eines Jagdkommandos der Wehrmacht mit deutscher Sicherheitspolizei und Hird waren die Hütteninsassen verschwunden. Bei Durchsuchung der Hütte wurden 1 Maschinengewehr, 1 Maschinenpistole und 2 Karabiner gefunden sowie eine Brieftasche, die Unterlagen über den vermutlichen Täterkreis enthält. Die Hütte wurde abgebrannt. 3. An den Eisenbahnschienen der Strecke Drontheim-Stören bei Molstad, 4 km nördlich Heimdalvatten, wurden am 10. 3. 6 Sprengladungen angebracht, von denen eine explodierte, als der letzte Wagen eines Zuges darüberfuhr. Es entstand nur geringer Schaden. 4. In der Nacht vom 10. zum 11. 3. ereignete sich auf dem Schwimmkran "Goliath" am Vaerle-Kai in Moss eine starke Detonation. Der Kran, der Lokomotiven auslud, sackte ab und liegt in einer Wassertiefe von 5,5 m. Ein Wachtposten ist vermißt. Es wird Sabotage durch einen von Landseite abgesetzten Sprengstoffträger mit Selbstantrieb vermutet. Die in Norwegen schon in 2 Fällen beobachtete Sabotagemethode, die auch bei Werftanlagen gefährlich werden kann, macht erhöhte Aufmerksamkeit aller Sabotageposten erforderlich. Die Sabotageposten müssen daher angewiesen werden, nicht nur das Objekt selbst zu bewachen, sondern auch die nähere Umgebung: Verdächtige Boote, schwimmende Gegenstände, Blasenbildung, Unterwasserlaufbahnen abgeschossener Sprengmittelträger usw. 5. Auf der Schiffswerft in Tromsö wurde ein Sabotageversuch entdeckt. Saboteure hatten Eisenteile und Eisenspäne in Zahnradgetriebe und Drehbänke ge[s]treut. Schaden entstand

1572 März 1945 nicht. Bei Gelingen des Anschlages wäre u.U. die gesamte Werft ausgefallen. 2 der Tat verdächtige Norweger wurden festgenommen. Die Verhütung des Sabotagefalles ist der besonderen Aufmerksamkeit der dem Werftsicherungskommando zugeteilten Polizeikräfte zu verdanken. Aus der Tatsache, daß sich das Licht in einer Werkhalle nicht einschalten ließ und die Sicherungen herausgedreht waren, schöpfte der Führer der Polizeikräfte Verdacht. Er veranlaßte daraufhin genaueste Untersuchung der Werkhalle und konnte dadurch wertvollste Maschinen vor der Zerstörung retten. Ihm wurde besondere Anerkennung ausgesprochen. Alle Sabotageposten sollen auch auf die kleinsten Unregelmäßigkeiten achten, ihnen sofort auf den Grund gehen und die [zu] sichernden Objekte gleichzeitig überholen. 6. Am 10. 3. wurde bei der Firma Norsk Sauer- und Wasserstofffabrik in Oslo eine Sauerstofflasche festgestellt, die mit Sprengstoff gefüllt war. Nach den bisherigen Ermittlungen ist die Flasche im Herbst vergangenen Jahres in Nylands Mek. Werkstatt, Oslo, gefüllt worden. 7. Am 12. 3. gegen 16.00 Uhr gab ein unbekannter junger Mann in der Autoreparatur- Werkstatt Citroen in Oslo, Drammensveien, einen in Papier verpackten Autoreifen ab. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, daß der Autoreifen eine mit 2 Bleistiftzündem und 3 Sprengkapseln versehene, etwa 12,5 kg schwere Sprengstoffladung enthielt. Das Vorkommnis zeigt wiederum, daß bei Paketen und sonstigen verpackten Gegenständen, die von unbekannter Seite und unter der Hand abgegeben werden, besondere Vorsicht am Platze ist. Vorsichtsmaßnahme: Pakete im Beisein des Überbringers auspacken oder von ihm selbst auspacken lassen. 8. Der Posten der Brückenwache Mjöndalen (Bereich Drammen) wurde am 9. 3. gegen 12.40 Uhr von einem unerkannt gebliebenen Mann beschossen. 9. Am 9. 3. gegen 22.00 Uhr wurde ein Einbruch in das Versorgungsamt Nittedal verübt, bei dem sämtliche Rationierungskarten und eine Kartei entwendet wurden. Etwa um die gleiche Zeit drangen 3 bewaffnete Männer in eine Wohnung in Björnedal (Nittedal) ein und raubten etwa 7000 Kronen. 10. Am 8. 3. gegen 13.50 Uhr drangen 2 bewaffnete Männer in den Kassenraum der Osloer Spare-Skillingsbank, Ellert Sundsgate ein, hielten den anwesenden Kassierer und eine Angestellte in Schach und raubten etwa 12 000 Kronen. Die Täter entkamen unerkannt. 11. Am 13. 3. wurde in Aal (Hallingdal) ein Bauer ermordet aufgefunden. Das Motiv der Tat ist unbekannt. Der Ermordete gehörte nicht der NS an. 12. In Bodo (Bereich Narvik) wurden 4 Angehörige einer Organisation festgenommen, die ausländischen Arbeitern zur Flucht nach Schweden verhalf. 13. In Sander bei Kongsvinger wurden 4 junge Norweger aus Oslo, in der Nähe von Björkelangen (Kongsvinger) ein Ostarbeiter, in einer Hütte in Nord-Odal (Hedmark Fylke) 4 ukrainische Hilfswillige festgenommen, die nach Schweden zu fliehen versuchten. 14. Auf der Knabengrube verunglückte ein zum Postendienst eingeteilter Wehr- machtsangehöriger dadurch tödlich, daß er durch fahrlässiges Anbrennen von Papierresten in einer Abfalltonne eine dort auf ungeklärte Weise hineingelangte kleinere Sprengstoffmenge zur Entzündung brachte. 15. Nach einer sittenpolizeilichen Razzia am 8. 3. in kleineren Lokalen von Oslo wurden 41 Frauen dem Gesundheitsamt vorgeführt, das in einem Falle Geschlechtskrankheit feststellte.

1573 März 1945 BdSudSD Oslo, Situationsbericht - Meldungen aus Norwegen Nr. 92 vom 20. März 1945 BA R 70/N/13, Bl. 150-172

Allgemeine Stimmung und Lage.

Die Beurteilung der Kriegslage hat in der Berichtszeit eine gewisse Verschiebung nur insoweit erfahren, als die Offensiverfolge der westlichen Alliierten beim überwiegenden Teil der nor- wegischen Bevölkerung optimistischere Erwartungen hinsichtlich der künftigen Machtver- hältnisse zwischen den Alliierten erweckt haben. Die Überschreitung des Rheins bei Remagen hat in diesem Zusammenhang ganz besondere Beachtung gefunden. Die Erwartungen, daß es den Briten und Amerikanern gelingen werde, bei der Gestaltung des Friedens den eigenen Wünschen gegenüber den bolschewistischen Machtansprüchen Geltung zu verschaffen, haben sich durch die Entwicklung im Westen im gleichen Grade wieder gefestigt, wie die Furcht vor dem Bolschewismus verringert wurde. Ein gewisser Eindruck der Veröffentlichungen über die bolschewistischen Greuel im Osten Deutschlands ist, insbesondere in bürgerlichen Kreisen, trotzdem unverkennbar, wenngleich die einschlägigen Berichte zumeist für in propagandisti- scher Absicht übertrieben gehalten werden. Einzelereignisse an den Fronten werden z.Zt. bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Entwicklung bei Remagen und Bekämpfung der deutschen Brückenköpfe an der Ostseeküste) umso weniger erörtert, als man die Niederlage Deutschlands allgemein für unausbleiblich hält. Man glaubt, der Fall Berlin[s] werde nicht mehr lange aufzuhalten sein und rechnet im Anschluß daran mit einer deutschen Kapitulation. Vereinzelte, zahlenmäßig nicht unbedeutenden Personenkreise sind jedoch der Auffassung, daß die deutsche Führung auch bedeutend weitergehende Gebietsverluste hinnehmen und den Kampf "bis zum bitteren Ende" weiterführen wird, ja, daß der Kampf selbst nach völliger Besetzung Deutschlands als Partisanenkrieg fortgesetzt werden wird. In diesem Zusammen- hang gibt man in weitesten Kreisen selbst bei ausgesprochen deutschfeindlicher Grundein- stellung seiner wachsenden Bewunderung fiir die Haltung der deutschen Wehrmacht und des deutschen Volkes insgesamt immer häufiger Ausdruck. Überlegungen, wie sich die deutsche Führung bei einem Zusammenbruch der Reichsver- teidigung verhalten werde, haben zu Gerüchten geführt, die Norwegen in diesem "letzten Akt des Krieges" eine besondere Rolle zuweisen. Es wird u.a. erzählt, der Führer werde sich nach Norwegen begeben, um sich dort mit seinen letzten Truppen solange wie möglich zu ver- teidigen. Verschiedentlich will man wissen, daß das Führerhauptquartier bereits nach Norwegen verlegt worden sei und daß sich der Führer und Reichsführer-SS Himmler bereits im Lande befänden. Die Frage nach der Haltung Schwedens in der Schlußphase des Krieges wird weiterhin viel behandelt (vgl. Situationsbericht Nr. 90 und 91), doch sind wesentliche neue Faktoren in die- sen Erörterungen während der Berichtszeit nicht aufgetreten. Aus Lillehammer wird in diesem Zusammenhang gemeldet, daß die lebhafte Gerüchtepropaganda, die sich mit einem bevor- stehenden Eingreifen Schwedens unter Mitwirkung der norwegischen Polizeitruppen be- schäftige, besonders unter der Jugend der an Schweden grenzenden Gebiete des dortigen Be- reiches nicht ohne Wirkung geblieben sei. Es werde dort immer deutlicher der Wunsch ge- äußert, möglichst bald in Schweden zu sein. Unter den jungen Norwegern würden immer häufiger Pläne besprochen, Osterfahrten ins Gebirge zu unternehmen, mit dem Ziel, die schwedische Grenze zu erreichen. Immer intensiver wird in allen Schichten der Bevölkerung die Frage diskutiert, welche Fol- gen die erwartete Niederlage Deutschlands für die Verhältnisse in Norwegen haben könnte, wobei die Zustände in den von den Alliierten "befreiten" Gebieten zumeist eine recht

1574 März 1945 pessimistische Grundstimmung geschaffen haben. Im Zusammenhang hiermit hat ein Leit- artikel der Zeitung "Aftenposten" unter der Überschrift "Norwegens griechische Aussichten gesichert" starke Beachtung gefunden, in dem ein illegales Flugblatt ("Fritt Land") zitiert wird, das sich in scharfer Weise gegen den Kommunismus wendet. In dem Flugblatt heißt es u.a.: "Obwohl wir wünschen, daß die Russen die Nazis vernichten, wünschen wir trotzdem keine russische Besetzung Norwegens. So vollständig blind sind wir nun auch nicht, daß wir nicht einsehen, daß Rußland heute weit entfernt ist von einer Demokratie und Zustände aufweist, die vielleicht hundertmal schlimmer sind als die des Nationalsozialismus. Die heutige Verbindung zwischen England und Rußland muß lediglich als ein militärisches Bündnis angesehen werden, um die Nazis besiegen zu können. Sobald Deutschland besiegt ist, wird es mit der Einigkeit zwischen den Partnern bald zu Ende sein. Es ist anzunehmen, daß der Russe dann größere Teile von Norwegen und vielleicht auch von Schweden besetzen will. Diese Gebiete würde der Russe ohne Vertreibung mit Gewalt niemals wieder verlassen. Wir müssen uns auf England und die USA verlassen, koste es, was es wolle." Mit welcher Intensität die Diskussion über diese Fragen geführt wird, geht aus dem Inhalt illegaler Flugblätter "nationaler" Prägung mit aller Deutlichkeit hervor. Ein anscheinend von der Leitung der "Heimatfront" herausgegebenes Flugblatt ("Alvorlige Ord") befaßt sich, aus- gehend von den Verhältnissen in den "befreiten" Ländern, mit der künftigen Entwicklung Norwegens, wobei es als "im höchsten Grad notwendig" erachtet wird, "auf Grund der Be- gebenheiten in Belgien und Griechenland einen unerschütterlichen Standpunkt einzunehmen, um derartige grauenvolle Episoden in Norwegen unbedingt zu vermeiden." Wörtlich heißt es: "Es ist ein unglücklicher und deprimierender Gedanke, daß sich unter den Heimatfrontleuten solche befinden, die die Besetzung des Landes durch die Deutschen dazu benutzen wollen, um durch das Elend des Krieges ihre politischen Gegner, mit deren Ansichten sie bereits in der Vorkriegszeit nicht übereinstimmten, loszuwerden, oder anders gesagt, die einen politischen Vorteil für sich herausschlagen wollen. Diese stellen sich mit der NS, die dasselbe getan hat, auf eine Stufe. Wir werden keinerlei politischen oder materiellen Lohn für unseren Kampf um die Freiheit des Vaterlandes zu erwarten haben und noch viel weniger einen solchen verlangen. Wer das tut, stellt sich mit den übelsten Barackenbaronen auf eine Stufe. Wir müssen uns so verhalten, daß nicht der geringste Grund vorliegt, Norwegen nach dem Kriege wegen innerer Verhältnisse besetzt zu halten, denn diese müssen nüchtern und ruhig sein und auf der Basis vom 8. April 1940 weitergeführt werden können. Dann werden wir alles andere säubern können, so wie es einer Kultumation würdig ist. Wir dürfen nicht zeigen, daß wir von gewissen anderen Leuten eine gewisse 'Kultur' gelernt haben. Es darf zu keinen Ab- rechnungen auf der Straße oder in den Treppenhäusern kommen. So etwas gehört in den Ge- richtssaal". Das Flugblatt fordert die Rückkehr des Königs, den Zusammentritt des Stortings, "der sich unbeugsam gegen alle Ausschreitungen zeigen soll", vorherige Festnahme aller "Nazisten" und entsprechende Sofortmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Unter dem Hinweis auf die Unantastbarkeit der konstitutionellen Rechte des Königs und der demokratischen norwegi- schen Regierungsform beschwört es die Anhänger der "Heimatfront", einig zu bleiben und keinen fremden Einflüssen zu unterliegen. Es wendet sich vor allem gegen einen "Kreis von Heimatfrontleuten oder Emigranten, der den norwegischen Volkswillen darstellen möchte." Die Forderung dieses Kreises, daß der König solange nicht zurückkommen dürfe, solange die militärische Macht bei Eisenhower liege, sei als Wortklauberei zurückzuweisen, denn weder Eisenhower noch seine Soldaten könnten den Wunsch haben, in Norwegen zu sein, wenn es

1575 März 1945 sich zeige, daß die Norweger selbst für Ruhe und Ordnung sorgen könnten. Wörtlich heißt es hierzu in dem Flugblatt: "Kein einziger von uns in der Heimatfront oder von den Emigranten hat irgendein Recht, einen Platz in der Regierung zu bekommen, ganz gleichgültig, welcher Partei der eine oder andere angehörte. Diejenigen, die einen Platz in der norwegischen Regierung haben wollen, müssen erst den Beweis erbringen, daß sie den Volkswillen in genügender Stärke hinter sich haben. Wir in der Heimatfront haben nur für unser Land und unsere Freiheit gekämpft und wir hoffen, daß ein Gleiches auch bei den Emigranten der Fall ist. Niemand von uns hat für einen Platz in der Regierang gekämpft. Eine Diktatur wollen wir nicht haben, auch keine neunazistische." Unter dem Hinweis, daß einige Emigranten versuchen, den Storting als eine nicht mehr dem Volkswillen entsprechende Institution hinzustellen, wird versucht, der Diskussion zu be- gegnen, die besonders durch die Dokumenten-Veröffentlichung in "Aftenposten" über die Haltung des Stortings im Jahre 1940 in Gegnerkreisen stark belebt wurde: "Dann will man uns erzählen, daß die Mitglieder des Stortings kompromittiert seien, weil sie mit der Okkupationsmacht verhandelt haben und weil einzelne von ihnen bei diesen Ver- handlungen zu weit gingen. Es ist natürlich leicht für uns, die außerhalb dieser Sache stehen, uns auf Kosten der Stortingsmänner groß zu tun. Aber alles - sowohl die Drohungen wie der Druck, die vorlagen - könne vollständig erst nach Beendigung des Krieges beleuchtet werden, und wir, die wir den richtigen Zusammenhang kennen, wissen auch, daß die Kritik weit weni- ger scharf werden wird. Eins ist in jedem Fall sicher, nämlich daß die Standhaftigkeit unserer Stortingsmänner bewirkte, das Terboven im Zorn die Verhandlungen abbrach. Aus diesem Grunde kam überhaupt kein Übereinkommen zustande. Unter allen Umständen ist es sehr unwahrscheinlich, daß 159 der besten Männer und Frauen des Landes im Durchschnitt schlechtere Norweger sein sollen als wir anderen. Das soll man uns ohne Beweise nicht bieten und es soll auch nicht während der Verdunkelung geflüstert werden, sondern in jedem Fall soll es in Übereinstimmung mit der Forderang des Volkes an Offenheit, Ehrlichkeit, Redlichkeit und gesicherte Gerichtsverfahren im offenen Tageslicht vorgelegt werden." Das Blatt wendet sich dann gegen den Vorwurf, der einem großen Teil von Norwegern wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Deutschen gemacht werden könne, und sagt: "Das Wort 'kompromittiert' soll man überhaupt gegen unsere Landsleute heute mit großer Vorsicht anwenden. Wir sehen dabei völlig von der NS und anderen ab, die den Krieg zu persönlichem Gewinn benutzt haben, dadurch, daß siQ freiwillig bei den Deutschen und deren Handlangern Arbeit suchten. Tatsache ist ja, daß sozusagen das ganze Volk genötigt war, für die Besatzungsmacht zu arbeiten. " Wie stark in diesen Diskussionen die Londoner-Exilregierang kritisiert wird, geht aus den nachstehenden Ausführungen der Flugschrift hervor: "Sowohl Staatsminister Nygaardsvold als auch Stortingspräsident Hambro haben in ihren Weihnachtsbriefen angedeutet, daß die Heimatfront einen Platz in der neuen Regierang be- kommen soll. Was meinen sie mit der Heimatfront? Wer gehört der Heimatfront an? Wir hof- fen, daß sie damit die Leute meinen, die während des Krieges im Verborgenen das Volk hier führten und auf die das Volk baut. Wenn die Regierang abzugehen wünscht, nachdem sie zurückgekommen ist, oder sich neu konstruieren lassen will, so kann dies einzig und allein auf dem parlamentarischen Weg geschehen, d.h. unter Mitwirkung des Stortings. Es ist vielleicht gefährlich, den schwierigsten Augenblick in der Geschichte des Landes zu benutzen, um einen Bruch mit dem Parlamentarismus hervorzurufen. Der eine Bruch kann leicht einen zweiten herbeiführen und es endet wie in Griechenland - mit einem Zusammenbruch. "

1576 März 1945

In ihrem weiteren Inhalt wendet sich die Flugschrift nochmals scharf gegen diejenigen, die dafür eintreten, daß nach der "Befreiung" auf das bisherige demokratische System und auf die Wahlen verzichtet werden könne, und schließt mit folgender Aufforderung: "Laßt uns nicht unsere schmutzige Wäsche waschen, wenn die ganze Welt auf uns blickt. Laßt uns lieber noch eine kleine Weile warten, bis wir wieder für uns allein sind. Hierüber müssen wir einig sein, absolut einig. Jeder muß unerschütterlich stehen; dadurch können wir vielem Unglück entgehen. Wir können auch den Schrecken des Bürgerkrieges entgehen, die leider bereits teilweise in gewisser Beziehung vorhanden sind." Das Wiederaufleben der Sabotagetätigkeit in der Nacht vom 14. zum 15. 3. 45, in der im süd- norwegischen Raum zahlreiche Anschläge gegen Eisenbahnlinien geführt und in Oslo das Verwaltungsgebäude der norwegischen Staatsbahn in die Luft gesprengt wurde, in dem die Transportkommandantur der Wehrmacht untergebracht war, hat in allen Teilen des Landes stärkstes Aufsehen erregt. Dabei wird übereinstimmend berichtet, daß die Anschläge vom weitaus größeren Teil der Bevölkerung abgelehnt werden. Allgemein wird der Sinn dieser Zerstörungen bezweifelt, da Deutschland den Krieg ohnehin verloren habe. Nicht nur die deut- schen Gegenmaßnahmen, sondern auch die unmittelbaren Folgen der Anschläge würden dem norwegischen Volke selbst die schwersten Bürden auferlegen. Scharfe deutsche Gegenmaßnahmen wurden nach Bekanntwerden der Anschläge überall erwartet. Die Veröffentlichung der 14 Todesurteile gegen Saboteure hat deshalb nirgendwo überrascht. Im Gegensatz zu früher wird weitgehend anerkannt, daß die Besatzungsmacht zu solchen Maßnahmen zum Schutze ihrer Interessen gezwungen ist. Die Meldungen über die Reaktion der norwegischen Bevölkerung besagen fast ausnahmslos, daß die nach Todes- urteilen früher stets starke Welle der Empörung diesmal praktisch ausgeblieben sei. Hierzu hätte insbesondere auch beigetragen, daß über die illegale Tätigkeit der verurteilten Saboteure Einzelheiten bekanntgegeben worden seien. Die Veröffentlichungen der Presse, wonach sich die Störungen im Verkehrsnetz nachteilig für die Versorgung auswirken werden, lassen die Bevölkerung befiirchten, daß die Anschläge zur Begründung für bevorstehende Kürzung der Lebensmittelrationen benutzt werden. Sehr häufig werden die Anschläge Fallschirmspringern zugeschrieben, die bei den häufigen Feindeinflügen in der vorangegangenen Zeit abgesetzt worden seien. Oft werden sie auch als Auftakt zu größeren Auseinandersetzungen oder als Vorbereitung fiir eine Invasion oder einen schwedischen Einmarsch gedeutet. Vereinzelt heißt es, daß an den Sabotageakten gegen die Verkehrseinrichtungen auch Angehörige der deutschen Wehrmacht beteiligt seien, da diese hofften, auf diese Weise dem Abtransport an die kämpfende Front zu entgehen. Aus Τ r o m s ö wird berichtet, daß man fur die nächste Zeit auch dort mit Sabotage- anschlägen rechnet, zumal zu deren Vorbereitungen angeblich 2 Funktionäre der "Heimat- front" aus Südnorwegen eingetroffen sein sollen. In diesem Zusammenhang hat bei der nordnorwegischen Bevölkerung das Verschwinden des Polizeipräsidenten F i a η e und einiger weiterer Personen - darunter ein Angehöriger der norwegischen Ordnungspolizei - beträchtliches Aufsehen erregt und Anlaß zu verschiedenen Vermutungen und Gerüchten gegeben. Einerseits wird davon gesprochen, daß Fiane, der von einer am 6. 3. 45 mit einem Kutter angetretenen angeblichen Dienstreise nicht zurückgekehrt ist, in Richtung Hammerfest - Kirkenes geflohen sei, während von anderen ein Unglücksfall angenommen wird. Auffällig ist, daß die Reise wenige Tage nach der Festnahme einiger Ord- nungspolizisten unternommen wurde. Das Ordnungspolizeikorps des Polizeipräsidiums Trom- sö ließ in seiner Gesamthaltung seit längerem zu wünschen übrig, was nicht zum geringsten auf die ausgesprochen pessimistische Einstellung des Fiane zurückgeführt wird.

1577 März 1945

Norwegische Emigration.

Im Verfolg der Agitation der norwegischen Emigranten in Schweden für einen militärischen Einsatz Schwedens zur "Befreiung" Norwegens erließ der "Arbeitsausschuß des schwedisch- norwegischen Freiwilligen-Verbandes" einen Aufruf zur Bildung eines schwedischen Freiwil- ligen-Korps für Norwegen. Laut schwedischen Pressemeldungen heißt es in dem Aufruf u.a.: "Die humane schwedische Hilfe muß durch eine aktive ergänzt werden. Die Vorbereitung eines Freiwilligen-Korps ist daher äußerst aktuell. Verhandlungen über die Formen der Auf- stellung eines solchen Korps, über Ausrüstung und Ausbildung sind z.Zt. zwischen dem schwedisch-norwegischen Freiwilligenverband und den betreffenden Behörden im Gange. Der schwedisch-norwegische Freiwilligenverband vertritt dabei Hunderte von jungen Leuten aus allen Lagern, die sich bereit erklärt haben, im Rahmen der schwedischen Wehrmacht eine Ausbildung durchzumachen, um dann aktiv an dem norwegischen Freiheitskampf teilzu- nehmen. Ein Freiwilligeneinsatz in dem erforderlichen Umfang wird jedoch nur durch einen Massenanschluß ausgebildeter schwedischer Jugend erreicht. Der schwedisch-norwegische Freiwilligenverband ermahnt daher alle Freunde Norwegens in unserem Lande: 'Bildet unmittelbar Lokalabteilungen in euren Heimatorten, deren Mitglieder bereit sind, sich einer erforderlichen schnellen Ausbildung zu unterziehen und sich aktiv für den Kampf um Norwegens Befreiung zu verpflichten.'["] Laut Mitteilungen der schwedischen Presse wird der "Außenminister" der norwegischen Emig- rantenregierung in London, Trygve L i e, Chef der norwegischen Delegation auf der Konferenz in San Francisko am 25. 4. sein. Die übrige Zusammensetzung der Delegation liegt den gleichen Meldungen zufolge noch nicht fest.

Nasjonal Sämling.

Wenngleich aus den einzelnen Fylken übereinstimmend berichtet wird, daß der Kern der NS- Mitglieder trotz der ernsten militärischen Gesamtlage auch weiter eine gewisse Ruhe und Zu- versicht zeigt, führt die Entwicklung an den Fronten doch gleichzeitig dazu, daß sich immer mehr Mitglieder mit dem Gedanken an eine deutsche Niederlage abzufinden beginnen. In Mitgliederkreisen, wo man sich seit langem Gedanken darüber macht, welches persönliche Schicksal man nach der Niederlage zu erwarten habe, versucht man sich in letzter Zeit damit zu trösten, daß der einzelne "kleine" NS-Mann wohl nicht allzu ängstlich zu sein brauche. Es habe ja für den Gegner keinen Sinn, jeden Angehörigen der NS zu liquidieren. Die Deutschen hätten auch nicht alle Kommunisten erschossen, obwohl sie diese als ihre schlimmsten Feinde betrachteten. Allerdings sei zu erwarten, daß mit den führenden Männern und den Aktivisten der NS bedeutend härter verfahren werde. Oft versucht man, die Mitgliedschaft in der NS gegenüber dem "nationalen" Gegner mit der Erklärung zu entschuldigen, man habe ja nur am Kampf gegen den Kommunismus teilnehmen wollen. So hätten die norwegischen Kriegsfreiwilligen ja auch nur gegen die Bolschewisten, niemals aber gegen England oder Amerika gekämpft. In diesen Kreisen der NS hofft man in gewissen antibolschewistischen Tendenzen auf bürgerlich-gegnerischer Seite willkommene Ansatzpunkte fiir eine Verständigung finden zu können. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß die Meldungen aus den meisten Fylken davon sprechen, daß sich die Masse der NS-Angehörigen in der Mitarbeit an den Auf- gaben der Bewegung stark zurückhalte. Andererseits seien Beispiele eigentlichen Abrückens von der NS in der letzten Zeit verhältnismäßig selten festzustellen, da sich auch die auf Grund der Lage verängstigten Mitglieder darüber klar seien, daß ihnen dies heute nichts mehr nütze.

1578 März 1945

Nach einer Meldung aus Harstad haben dort im Laufe der letzten Woche 6 NS-Mitglieder ihren Austritt erklärt, darunter der ehemalige Polizeimeister und Sveitförer des Hird, Lian. Allerdings sei diese Kategorie von NS-Anhängern bestrebt, in der Öffentlichkeit möglichst wenig aufzufallen. Während bei dieser Lage zahlreiche Bemühungen der örtlichen NS-Führungen, die Partei- arbeit durch öffentliche und interne Veranstaltungen zu intensivieren, die Resignation der Mitglieder nicht habe beseitigen können, besagen eine Reihe von Meldungen, daß gut auf- gezogene Veranstaltungen, in denen die Schicksalhaftigkeit des gemeinsamen großen Kampfes wirkungsvoll dargestellt werde, zu einer wesentlichen Festigung der Haltung des einzelnen NS-Mannes beitragen können. So wird über eine deutsch-norwegische Heldengedenkfeier in D r a m m e η berichtet, daß die im größten Kino der Stadt durchgeführte Feierstunde, in deren Verlauf der Territorialabschnittsbefehlshaber, der Gebietsbeauftragte der NSDAP und der Fylkesförer (Tjersland) sprachen, bei den norwegischen Teilnehmern einen tiefen Eindruck hinterlassen habe. In gleicher Richtung haben sich nach einer Meldung aus Bergen Ar- beitstagungen der Vertrauensleute der NS in den Fylken Sogn und Fjordane sowie Bergen und Hordaland ausgewirkt. Aus Drontheim wird berichtet, daß eine öffentliche Versammlung der NS mit dem Stabsleiter des Hird, Orvar S a e t h e r, und Fylkesförer R o g s t a d als Rednern wiederum überfüllt gewesen und von der Bevölkerung stark beachtet worden sei. Im übrigen spreche man in Drontheim davon, daß Rogstad Weisung erhalten habe, als Nachfolger von Generalmajor Marthinsen die Leitung der norwegischen Sicherheitspolizei zu übernehmen. In deutschfreund- lichen Kreisen sei man hierüber ziemlich verbittert, da Rogstad bekannt und beliebt sei und man die Auffassung vertrete, daß er in Tröndelag am erfolgreichsten arbeiten könne. Es sei zu befürchten, daß er in Oslo bald isoliert sein werde, womit die "nationale Front" innerhalb der NS ihr Ziel, den deutschfreundlichen Rogstad auszuschalten, erreicht haben würde. Aus verschiedenen Teilen des Landes werden Fälle gemeldet, wo mangelnde persönliche Sauberkeit einzelner führender Mitglieder der NS Außenstehenden willkommenen Anlaß zur Kritik gäbe. In einem Bericht aus Stavanger wird ein Vorfall geschildert, der die Ein- stellung maßgeblicher NS-Funktionäre zum Schwarzhandel illustriert. Der Leiter der Fach- lichen Distriktsorganisation Rogaland, Sverre Johanson, der mit der Eisenbahn von Sta- vanger nach Oslo fuhr, habe sich vor allen Mitreisenden dem Genuß seiner Marschverpflegung hingegeben, zu der u.a. folgendes gehört habe: 2 Weißbrote, 1 größerer Topf Butter, Beef- steaks, Schinken, 12-16 Dosen Sardinen, 8-10 Eier und einige Flaschen Bier. J. habe auf der Reise die NS-Nadel getragen und sei den in Stavanger mit eingestiegenen Personen bekannt gewesen. Dabei habe er kurze Zeit vorher in einer öffentlichen Kundgebung in Stavanger gegen den Schwarzhandel gesprochen, wobei er die Worte gebraucht habe: "Es muß gegen den Schwarzhandel eine Volkserhebung stattfinden, und die Arbeiter sollen an ihrer Spitze marschieren". Die Mitreisenden des J. hätten sich später im Gang des Zuges über ihre Be- obachtungen unterhalten, wobei das Verhalten des "Arbeiterführers" verallgemeinernde scharfe Vorwürfe gegen die NS ausgelöst habe. Nach einem Bericht aus Drontheim würden dort als offenes Geheimnis Unregelmäßig- keiten besprochen, die dem Leiter des Versorgungsamtes für Süd-Tröndelag, F o 1 1 e g, vorgeworfen werden. F. hat zusammen mit seinem Kontorchef, Loe, aus Reservebeständen des Versorgungsamtes an verschiedene prominente NS-Angehörige der Stadt größere Mengen von Konserven ausgegeben und sie auch sonst in einer Weise begünstigt, die von den damit bekanntgewordenen Kreisen als Bestechung bezeichnet wird. Fylkesförer Rogstad sah sich veranlaßt, Folleg seines Amtes zu entheben und setzte an seiner Stelle den früheren Sekretär und zeitweiligen Leiter des VA Drontheim, A.C. E r i k s e η, ein. Bezeichnenderweise wird gegen die Einsetzung des E. gerade von chauvinistischen NS-Kreisen Sturm gelaufen.

1579 März 1945 Von dem auf die Zersetzung der NS eingestellten illegalen Flugblatt "Norsk Hird" ist eine erste Nummer des Jahrgangs 2 erschienen und in NS-Kreisen besprochen worden. Die ge- nannte Nummer beschäftigt sich u.a. mit dem Mord an dem Hirdchef und Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei, Generalmajor Marthinsen, und dem Besuch Quislings im Führerhauptquartier. Über Marthinsen heißt es, daß er immer einer der erbittertsten Gegner der politischen Linie des Förers gewesen sei, indem er die Rettung Norwegens in einer engen Zusammenarbeit mit Deutschland gesehen habe. In diesem Zusammenhang greift das Blatt die Hinrichtung von 4 "Geiseln" an, die nur dazu geeignet sei, den Haß gegen die NS und die Kluft innerhalb der Partei zu vertiefen. Die beste Art, dem Schicksal Marthinsens zu entgehen, sei eine norwegische Politik, die selbst von den schärfsten Gegnern geachtet werde. In dem Artikel über den Besuch Quislings im Führerhauptquartier schreibt "Norsk Hird", die Deutschen hätten ihre Versprechung, Norwegen die Souveränität zurückzugeben, wiederum nicht gehalten, sondern hätten den Norwegern stattdessen das Stortingsgebäude überlassen, das für die Nationalsozialisten das Symbol der Politik "der zerbrochenen Gewehre" sei. Im Hird haben die Einberufungen und die Kasernierung von Hirdmännem stim- mungsverschlechternd gewirkt. Die lange Dauer der Kasernierung, die keinen aktiven Einsatz darstelle bedeute, so wird erklärt, für die Gebiete Südnorwegens, in denen ohnehin eine erheb- liche illegale Tätigkeit stattfinde, eine Gefahr, deren Folgen man bald zu spüren bekommen werde. Auch in den nicht unmittelbar betroffenen Mitgliederkreisen wird häufig die Frage gestellt, warum diese Einheiten nicht zur Bekämpfung der Sabotagegruppen verwendet würden. Im Hird kasernierte Bauern aus Südnorwegen machen geltend, daß sie für die Er- nährung Norwegens jetzt eine viel wichtigere Aufgabe zu erfüllen hätten, als ihre Zeit in einer Kaserne totzuschlagen. Zu einem wirklichen aktiven Einsatz gegen den inneren Gegner als Polizist oder Grenzschutzmann sei man gern bereit, wenn dies der Sache einen wirklichen Nutzen bringen würde. Die Forderung nach aktivem Einsatz kam auch in allen Berichten zum Ausdruck, die anläß- lich einer Führertagung der 3. Hird-Fordeling in Oslo von den verschiedenen Fylkingführern abgegeben wurden. Vor allem die angebliche Verwendung der jungen Hirdmänner zur Be- wachung von AT-Dienststellen wurde scharf kritisiert. Die Hirdmänner seien in guter Stimmung und in der Hoffnung in die Alarmeinheiten eingerückt, daß sie an Aktionen zur Bekämpfung gegnerischer Organisationen teilnehmen würden. Fylkingführer Tokle forderte, daß der Hird schnellstens in einer Weise mobilisiert werde, daß er in kürzester Frist von einem Ort zum anderen gebracht werden könne. Den örtlichen Führern und auch den Hirdleuten müßten bestimmte Polizeibefugnisse erteilt, die Ausrüstung und Bewaffnung verbessert werden. Als Beispiel fur einen erfolgreichen Einsatz könne Thronsens 1. Fordeling genannt werden, die in der letzten Zeit in ihrem Gebiet auf Aktion gewesen sei. Sveitförer Söber kritisiert in außerordentlich scharfer Weise die letzte Mobilisierung, bei der er eine Reihe von sinnlosen Befehlen und Gegenbefehlen erhalten habe. Auch er forderte die Einberufung aller männlichen Mitglieder zum Hird. Er betonte, daß es sich darum handle, den Deutschen in jeder Weise beizustehen, doch müsse auch dafür gesorgt werden, daß der Hird eine Initiative unter eigener Führung entfalten könne.

Gegnerische Flug- und Hetzschriftenpropaganda.

Seit Beginn dieses Jahres hat die gegnerische Hetz- und Flugschriftenpropaganda in Norwe- gen stark zugenommen. Bei der Fülle der Hetzschriften fällt vor allem auf, daß sich ein erheb- licher Teil von ihnen in Form und Inhalt an die deutschen Soldaten und zivilen Reichs- deutschen in Norwegen wendet. Deutschsprachige Klebezettel, Flugblätter und Zeitungen wurden in den vergangenen Wochen in großer Zahl über ganz Norwegen verbreitet.

1580 März 1945

Die Klebezettel sind etwa 8 : 12 cm groß und tragen schwarze und rote Aufdrucke, die stark ins Auge fallen. U.a. wurden Zettel mit folgenden Aufschriften geklebt: "Dein Gruß sei Schluß!" "Weiter Hitlerkrieg bedeutet weiter Luftkrieg ..." "Die Front will Frieden" "Es kommt der Tag" (Zeichnung: Hakenkreuz am Galgen, dahinter aufgehende Sonne) "Raus aus der Scheiße oder rin mit Hitler ins Massengrab des deutschen Volkes". Die mit den Klebezetteln zusammen verteilten Flugblätter sind als OKW-Befehle, Aufrufe der NSDAP, Merkblätter für erste Hilfe, usw. getarnt. Alle verfolgen das Ziel, die in Norwegen eingesetzten Truppen zu zersetzen, ihre Wehrkraft zu schwächen und die Einsatzfreudigkeit der Reichsdeutschen herabzumindern. Im Flugblatt "Der Fall Blaskowitz und seine Folgen" wird die Strafversetzung des Generals durch den Reichsführer SS als Zeichen dafür hingestellt, daß der Reichsführer aus persön- lichem Machtstreben heraus gegen eine Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und Waffen-SS sei und daß er diese isolieren wolle, um sie als Werkzeug gegen seine persönlichen Feinde zu benutzen. Gegen die SS sind auch die Klebezettel mit den Aufschriften "Scheiße" und VolkS- Schädlinge" gerichtet. Verzeichnisse der bombardierten Städte mit Angaben der betroffenen Straßen, Zusammen- stellungen von Zahlen der Gefallenen und Obdachlosen, gefälschte Aufrufe der NSDAP, sich bei den Gauleitern nach verschollenen Angehörigen zu erkundigen, zielen daraufhin, die Sorge der Deutschen um ihre Heimat zu vermehren und sie dadurch in ihrer Widerstandskraft er- lahmen zu lassen. Flugblätter wie "Noch fahren U-Boote aus" sind darauf ausgerichtet, den Lesern den Glau- ben an ein nahe bevorstehendes erfolgreiches Wiederaufleben des U-Bootkrieges zu nehmen. In mannigfacher Form werden die Soldaten aufgefordert, aus der augenblicklichen Lage Deutschlands die allein übrig bleibende Folgerung zu ziehen, und sich in Schweden oder ande- ren neutralen Ländern internieren zu lassen. Unter diesen Schriften ist das illustrierte Heft "Die nackte Wahrheit" neuartig. Das Heft enthält Fotografien eines nackten Mädchens und Karikaturen von führenden Persönlichkeiten Deutschlands und Auszüge aus deren Reden. Der Zersetzung und Schwächung der Wehrkraft dienen weiterhin die als Liederhefte, Feld- gesangbücher, Jahreskalender usw. getarnten Ratschläge, wie man sich krank und vollkommen wehrdienstunfähig schreiben lassen kann. Die bekannte deutsch-sprachige Zeitung "Beobachter", die sich als "Organ der deutschen Freiheitspartei" bezeichnet, wurde auch in den vergangenen Wochen über ganz Norwegen verbreitet. Sie bringt Frontnachrichten und tendenziöse Artikel über die deutsche Partei- und Staatsführung. Die geschickte Aufmachung und der psychologisch wirksame Inhalt eines Teiles dieser meist im Ausland gedruckten Schriften zeigt die Mitwirkung jüdischer Propagandisten bei der Her- stellung der Hetzblätter.

Gegnerische Tätigkeit.

In den Abendstunden des 14. und in der Nacht zum 15. 3. 45 wurden in Oslo und im süd- norwegischen Räume eine große Anzahl Sprengstoffanschläge gegen Strecken, Brücken und Einrichtungen der norwegischen Staatsbahn verübt, die darauf gerichtet waren, systematisch den Nachschubverkehr der Wehrmacht und den Transport kriegswichtiger Wirtschaftserzeug- nisse auf der Hauptverkehrslinie von Oslo nach dem Süden sowie im Eisenbahntransport-

1581 März 1945 system um den Oslofjord auf längere Zeit hinaus lahmzulegen. Gegen 21.15 Uhr wurde das Verwaltungsgebäude der Norwegischen Staatsbahn am Ost- bahnhof in Oslo, in dem die Transportkommandantur des WBN untergebracht ist, durch Sprengstoffanschlag zum Teil zerstört. 6 Wehrmachtsangehörige und 1 Stabshelferin fanden dabei den Tod. Das Aktenmaterial der Transportkommandantur war in Panzerschränken auf- bewahrt und ist erhalten geblieben, so daß die Kommandantur weiter arbeitsfähig ist. Es fanden folgende Anschläge statt: A. Hauptstrecke Oslo-Drammen-Kongsberg-. a) Eisenbahnstrecke Drammen-Kongsberg zwischen den Stationen Gulskogen-Pukerud an 4 Stellen durch Sprengungen unterbrochen. b) Eisenbahnunterfiihrung bei Vestfossen an der Bahnstrecke Drammen-Kongsberg ge- sprengt. c) Stromzufuhr auf der Strecke Drammen-Kongsberg-Skollenberg unterbrochen. d) Eisenbahnlinie Kongsberg-Nordagutu zwischen den Stationen Meheia-Saggrenda auf einer Strecke von 700 m 33mal gesprengt. e) Eisenbahnstrecke Kongsberg-Nordagutu nördlich des Bahnhofs Nordagutu durch Spren- gungen unterbrochen. f) Eisenbahnbrücke bei Valebö/Nisterud über den Hoppestadelv auf der Strecke Kongsberg- Skien gesprengt. Die deutsche Brückenwache wurde von 10 Saboteuren angegriffen, 2 Soldaten fielen im Kampf, 2 wurden schwer verletzt. Die Saboteure konnten entkommen. g) Die 59 m lange Eisenbahnbrücke, 8 km nördlich Neslandsvatn (Strecke Kongsberg- Kristiansand) durch Sprengstoffanschlag zerstört. B. Schmalspurstrecke Drammen-Larvik. a) 6 Sprengstoffanschläge gegen den Schienenstrang der Strecke Drammen-Tönsberg zwi- schen Galleberg und Sande. b) Sprengung von 3 Eisenbahnweichen am Bahnhof Nykirke, zwischen Drammen und Töns- berg. c) Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Barkaaka, (nördlich Tönsberg). Lokomotive und 1 Wagen des Zuges entgleist. Personenschaden nicht eingetreten. d) Sprengstoffanschlag gegen Eisenbahnkörper in der Nähe des Bahnhofes Borre bei . Das Bahnpersonal wurde von den Saboteuren unter Waffenandrohung in Schach gehalten. e) In Raastad bei Sandeijord auf der Strecke Tönsberg-Larvik wurde eine Haftmine, die am Gleis angebracht war, ausgebaut. f) Eisenbahnstrecke bei Stokke zwischen den Stationen Tönsberg und Sandeijord durch Sprengung zerstört. g) 13 Weichen im Bahngelände von Tönsberg durch Sprengstoffanschläge zerstört. h) Sprengung einer Weiche in der Nähe des Bahnhofs Sandefjord. i) Sprengstoffanschlag gegen Eisenbahnbrücke bei Sandefjord. Brücke nur teilweise zerstört, da mehrere Sprengladungen entdeckt und ausgebaut werden konnten. k) Sprengstoffanschlag gegen die 165 m lange Eisenbahnbrücke über den Laagenfluß bei Larvik, wobei Mittelstück in einer Länge von ca. 35 m herausgesprengt wurde. 1) Sprengstoffanschlag gegen die Eisenbahnunterfiihrung bei Kjöse zwischen Larvik und Eidanger. C. Hauptstrecke Oslo-Frederikstad-Schwedische Grenze. a) Sprengstoffanschlag gegen Lokomotivschuppen auf dem Bahnhof Ski, Bahnstrecke Oslo- Moss. 2 Lokomotiven und 1 Waggon wurden vernichtet, die Stromzufuhr nach Skien und

1582 März 1945

die Telefonverbindung Askim-Mysen unterbrochen. b) Mehrere Sprengstoffanschläge gegen Schienenstrang zwischen den Stationen Moss und Sarpsborg. c) 3 kleine Brücken bei Frederikstad durch Sprengungen zerstört. Strecke unterbrochen, dar- unter 1 Brücke bei Rygge östlich von Moss. Zwischen Moss und Frederikstad wurde ein Saboteur festgenommen, der zugegeben hat, mit fünf anderen Saboteuren die Brücke bei Rygge gesprengt zu haben. Am 17. 3. 45 gegen 4.45 Uhr fand eine weitere Brückensprengung 15 km nordwestlich Skien (Strecke Drammen-Kristiansand) statt. Am 21. 3. 45 gegen 2.00 Uhr erfolgte auf der Eisenbahnstrecke Faaberg-Hunder ein Spreng- stoffanschlag. Von einem unmittelbar danach die Strecke passierenden Güterzug entgleisten die Lokomotive und 8 Waggons. In der gleichen Nacht gegen 3.20 Uhr wurde die Eisenbahnstrecke Steinberg-Hokksund in einer Länge von 150 m 3mal gesprengt. An 4 weiteren Stellen wurden Sprengladungen aus- gebaut. Es entstand Schaden am Oberbau. Auch gegen Autoreparaturwerkstätten fanden in der Berichtszeit wiederum Sprengstoffan- schläge statt. So wurde am 19. 3. 45 gegen 3.00 Uhr ein Anschlag in der Autoreparaturwerk- statt und Garage der Fa. Bilhuset, Oslo, Bygdö-Alle, Ecke Lamprechtsgate, verübt. Es ent- wickelte sich ein Großfeuer, das durch rasches Eingreifen der Feuerwehr eingedämmt werden konnte. Die Mehrzahl der Fahrzeuge wurde gerettet. Zur gleichen Zeit erfolgte gegen eine weitere Werkstatt der gleichen Firma in unmittelbar Nähe der ersten Sprengstelle ein zweiter Sprengstoffanschlag, der großen Sachschaden ver- ursachte. Die bei den Anschlägen zerstörten Kraftwagen deutscher Dienststellen wurden durch Be- schlagnahme von Kraftfahrzeugen aus dem norwegischen Zivilsektor ausgeglichen, so daß die Sabotageakte sich letztlich für das norwegische Wirtschaftsleben selbst ungünstig auswirken.

Kirche.

In den letzten Wochen ist in der Tagespresse (insbesondere "Aftenposten") eine lebhafte Dis- kussion über Kirche und Christentum im Gange. Bisweilen erscheinen 2 bis 3 Aufsätze in einer Nummer. Die Anregung hierzu ging von Redakteur Flood, Aftenposten, aus und fand Billigung beim Kirchendepartement, weil man glaubte, dadurch den Kirchenstreit auf eine andere Ebene verlegen zu können und hoffte, die oppositionellen Geistlichen zu einem Ge- dankenaustausch mit den NS-Pfarrern, loyalen Geistlichen und religiös interessierten Laien bringen zu können. Neben einigen wertvolleren Beiträgen ist das meiste, was in der Tagespresse veröffentlicht wurde, unbedeutend und flach. Verglichen mit deutschen Verhältnissen fällt besonders auf, daß die hier teilweise sehr erregt erörterten Probleme in Deutschland vor etwa 30 bis 50 Jahren die kirchliche und religiöse Diskussion beherrschten, heute jedoch überholt und vergessen sind. Zwei Themen treten in der Diskussion besonders hervor: 1. Religion und Weltanschauung. Der alte Gegensatz von Glaube und Wissen - christlichen Dogmen und naturwissen- schaftlichem Weltbild - wird hervorgeholt, wobei die Behauptung sich wiederholt, christliche Lehre und Verkündigung stimmten nicht mit den Ergebnissen der Wissenschaft überein, seien vernunftwidrig und daher falsch. Den Theologen wird vorgeworfen, sie hätten keine Logik und könnten oder wollten nicht denken. Auch werden sie direkt beschuldigt, unehrlich und un-

1583 März 1945 wahrhaftig zu sein. Aus der Sorge um ihr Einkommen wagten sie nicht, den Gemeinden reinen Wein über die Ergebnisse der theologischen Forschung einzuschenken. Aus dieser Kritik her- aus wird die Forderung nach einer neuen Reformation oder Weiterftihrung der Reformation Luthers abgeleitet. (Ein Katholik, der auch an der Debatte teilnimmt, fordert natürlich um- gekehrt die Rückkehr zur Mutterkirche). Daneben sind auch neuere Forderungen zu finden: mehr naturnahes, sinnenfreudigeres, vor allem männlicheres Christentum. Gegen die theo- logische Zanksucht und Rechthaberei der verschiedenen Richtungen fallen scharfe Worte. 2. Staatskirche oder Freikirche? Daß diese Frage überhaupt erörtert wird, ist aus dem Grunde verwunderlich, als der Kirchen- streit der vergangenen Jahre zum Teil deswegen so heftig wurde, weil die norwegische Regie- rung unbedingt an der Staatskirche festhielt. Trotzdem stellen einige Einsender ziemlich scharf die These auf, die Staatskirche habe keine Berechtigung, denn nur eine verschwindend kleine Minderzahl der Bevölkerung bestehe aus echten Christen. Demgegenüber verteidigen andere Einsender die Staatskirche als die für Staat und Volk zuträglichste Form, zu der ja auch 97% der Bevölkerung gehörten. Ein Teil der Zeitungsartikel bezieht sich auf das Buch des Ingenieurs Ν y b ö: "Eine neue Reformation - Dogmenglaube oder Christenglaube", in dem gegen das Alte Testament zu Felde gezogen wird. Ein anderer Teil Beiträge gruppiert sich um die Frage: "Ist der Krieg Gottes Wille?" Von seiten der kirchlichen Opposition hat niemand an der Pressedebatte teilgenommen, so daß diese nur ein Bild der Strömungen in den NS-Kreisen ergibt. Dagegen sind die Gegensätze der Auffassungen unter den NS-Pfarrern, loyalen Geistlichen und religiös interessierten Laien selbst so scharf geworden, daß das Kirchendepartement nunmehr die gesamte weitere öffentli- che Diskussion verbieten wird. Der eigentliche Zweck der Auseinandersetzungen, den Kir- chenstreit mehr auf rein theologisch-wissenschaftliches Gebiet zu überführen, ist gescheitert und hat nur zur Uneinigkeit unter den NS-Pfarrern selbst geführt.

Deutsch-Norwegische Gesellschaft.

Nachdem durch die Ernennung des Hauptschriftleiters Η. Ε η d s j ö die Vorsitzenden-Frage der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft zu einer Lösung gebracht worden ist, dürfte es nun- mehr auch im weiteren Vorstand der Gesellschaft zu wesentlichen Veränderungen kommen. Die personelle Zusammensetzung der Landesleitung sah bisher folgendermaßen aus: Stellvertretender Vorsitzender: Prof. Wilhelm Rasmussen. Ordentliche Vorstandsmitglieder: Komponist D. Monrad-Johannsen, Prof. Dr. Mehle, Direktor R. Dysthe, Minister Skancke und Generalkonsul Stephanson. Aus persönlichen Gründen vermeiden Prof. Rasmussen und Monrad-Johannsen es seit einiger Zeit, überhaupt noch irgendwie zusammenzutreffen und halten sich daher von den Ver- anstaltungen fern. Prof. Mehle gilt nach seinem Austritt aus der NS als nur noch schwer trag- bar. Die Stellung Direktor Dysthes im Vorstand ist dagegen nach den bekannten Vorgängen völlig unmöglich geworden. Minister Skancke gehört dem Vorstand mehr oder minder nur dem Namen nach an, da er zu Sitzungen nicht erscheint. Unter diesen Umständen ist es als ein ganz besonderer Gewinn zu betrachten, das Minister Vasbotten sich grundsätzlich bereiterklärt hat, als zweiter Vorsitzender aktiv an der Führung der Gesellschaft teilzunehmen. Des weiteren haben auf eine diesbezügliche Vorfrage des Vorsitzenden Η. Ε η d s j ö hin auch Minister Skarphagen und Universitätsrektor Hoel ihre Zusage gegeben, in den Vorstand einzutreten. Mit einer solch repräsentativen Besetzung der Landesleitung der Deutsch-Norwegischen Ge- sellschaft dürfte diese sich sowohl in personeller wie auch sachlicher Hinsicht Voraussetzun-

1584 März 1945 gen für ihre Arbeit schaffen, wie sie die bisherige Entwicklung nicht aufzuweisen gehabt hat.

Schule und Erziehung.

Im Zusammenhang mit dem derzeitigen starken Widerstand der Handelsschulen gegen die vor kurzem erlassenen Bestimmungen über die Registrierungspflicht der Handelsschüler (beiderlei Geschlechts) über dem 17. Lebensjahr konnten verschiedene illegale Flugblätter erfaßt wer- den, die den fraglichen Schulen entsprechende Richtlinien für ihr Verhalten gegenüber den Arbeitsämtern und den sonstigen norwegischen Staatsstellen geben. Die bisherigen Er- fahrungen haben gezeigt, daß diese Parolen weitgehend einheitlich befolgt werden. Nachstehend werden die wichtigsten dieser Weisungen übersetzt im Wortlaut wieder- gegeben: "Unter Hinweis auf den 'Nationalen Arbeitseinsatz' ist allen Handelsgymnasien und Handels- schulen auferlegt worden, dem zuständigen Arbeitsamt entsprechende Unterlagen über alle neu zur Anmeldung kommenden Schüler, die das 17. Lebensjahr überschritten haben, zu über- senden. Das Arbeitsdirektorat hat sich vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt darüber zu entscheiden, ob die Jungen und Mädchen, die auf diese Weise zur Registrierung gelangt sind, dem Arbeitseinsatz zugeführt werden oder ihnen gestattet werden soll, weiterhin zur Schule zu gehen. Man darf davon ausgehen, daß das Letztere nur in besonderen Fällen geschehen wird. Nach dieser Sachlage ist es klar, daß kein Junge und kein Mädchen über 17 Jahre sich bei einer Handelsschule anmelden darf. Diejenigen, die bereits einen solchen Schritt getan haben, müssen ihre Anmeldung umgehend zurückziehen. Eine solche Anmeldung ist nämlich in der Praxis gleichbedeutend mit einer freiwilligen Meldung zum Arbeitseinsatz und ein Verrat an der norwegischen Front." Es folgt dann nachstehende Weisung "an die Vertrauensmänner": ["]Die Leiter der Handelsschulen und Handelsgymnasien sowie die übrigen Lehrer dieser Anstalten haben dafür Sorge zu tragen, daß die Listen über die Schüler der betreffenden ge- fährdeten Jahrgänge nur in die Hände zuverlässiger Personen kommen, die ihrerseits dafür verantwortlich sind, daß ein jeder dieser Schüler die schriftlichen Parolen erhält und auch in anderer Weise entsprechend unter Einfluß genommen wird." Diese Weisungen der "Heimatfront" sind in den letzten Wochen ergänzt worden durch ein- schlägige Weisungen der "Schulfront", die in ihrer Gesamtheit folgenden Wortlaut haben: "An einzelne Handelsschulen ist erneut von den örtlichen Arbeitsämtern die Aufforderung ergangen, die Schülerlisten ihrer Lehranstalten einzusenden. Dieses Mal erstreckt sich die betreffende Aufforderung auch auf solche Schüler, die bereits am Ende des vorigen Schul- jahres die Anstalten verlassen haben. Wir bringen deshalb nochmals in Erinnerung, daß Schülerkarteien, Schulprotokolle, Personalverzeichnisse usw., die für die NS oder die Deutschen von Vorteil sein können, in einem Umfang, wie nur eben möglich, von den Schulen entfernt werden oder entsprechende Vorkehrungen getroffen sind, daß diese bei kürzester Warnfrist in Sicherheit gebracht werden können. Dieses gilt sowohl für die Schüler der Tages- ais der Abendkurse. Wenn es einmal nicht anders gehen sollte, so ist die Auslieferung solcher Unterlagen einfach zu verweigern. Es wäre ein Vertrauensbruch, wenn man die betreffenden Schüler den 'Be- hörden' ausliefern wollte; es handelt sich daher hier um eine Gewissenssache. Man kann (bei Befragungen) auch evtl. zum Ausdruck bringen, daß eine Auslieferung als Denunziation aufge- faßt werde und sehr ernsthafte Folgen für einen nach sich ziehen könne. Neuere Erfahrungen in der obigen Angelegenheit haben erwiesen, daß die 'Behörden' sich

1585 März 1945 scheuen, ihre Machtmittel, mit denen sie so oft gedroht haben, zur Anwendung zu bringen, wenn sie merken, daß die Front fest ist. - Dieses Mal sind die Handelsschulen in der Feuer- linie. Wir halten unseren Abschnitt der Front. Macht die Parole bekannt. Sucht Verbindung mit den anderen Schulen!" Nach den hier vorhandenen Anhalten wird der Konflikt der Handelsschulen mit den Arbeits- ämtern künftig noch mehr an Geschlossenheit und Aktivität zeigen. Zu dem in Situationsbericht Nr. 89 vom 19. 2. 45 gemeldeten Konflikt an der Kathedral- schule in Kristiansand ist ergänzend zu berichten, daß Rektor und Lehrer der fraglichen Schule nunmehr überein gekommen sind, durch die Übernahme der Unterrichtsstunden der fest- genommenen Lehrkräfte (entgegen den diesbezüglichen Parolen der "Heimatfront") den Unterrichtsbetrieb sicherzustellen. Die rund 100 Schüler und Schülerinnen der 4 Abschlußklassen sind dagegen nicht wieder in der Schule erschienen. Von ihrer Seite wird die Auffassung vertreten, daß die unterrichtsmäßige Vorbereitung auf das Abitur während des vergangenen Jahres derart unzureichend gewesen ist, daß es erforderlich sei, von Beginn des neuen Schuljahres im Herbst an das Jahrespensum zu wiederholen und sich erst 1946 zur Prü- fung zu stellen. Nach dem Ausfall der 4 Klassen bis auf weiteres kann die Unterrichtserteilung an der fraglichen Schule mit den verbliebenen Lehrkräften durchaus bestritten werden. Die Wiederaufnahme des Schulbetriebes an dieser maßgebenden Lehranstalt Kristiansands ist in den Kreisen der Elternschaft mit besonderer Befriedigung aufgenommen worden.

Technische Hochschule Drontheim.

Der Lehrbetrieb an der Technischen Hochschule in Drontheim wurde am 19. 2. 45 wieder aufgenommen. Die Erwartungen des Hochschul-Rektors, daß zumindest ein Teil der Studen- ten, die im Herbst des vergangenen Jahres auf Grund bestimmter Parolen der "Heimatfront" von der Hochschule ferngeblieben waren, zurückkehren würden, weil nach den (bereits von früher her) geltenden Hochschulgesetzen bei einer Unterbrechung von mehr als 6 Monaten ein Anrecht auf Fortsetzung des Studiums erlischt, haben sich dabei nicht erfüllt. Von den über 600 immatrikulierten Studenten der Technischen Hochschule erschienen bisher nur rund 60. Von ihnen gehört der überwiegende Teil - rund 40 - 45 - der NS an. Trotz dieser äußerst schwachen Beteiligung sind Rektor und Hochschulkollegium gewillt, den Lehrbetrieb im üb- lichen Umfange weiterzuführen. Dabei ist besonders darauf hinzuweisen, daß bei der Techni- schen Hochschule als Forschungs- und Versuchsanstalt umfangreiche Aufträge von Wissen- schaft und Industrie vorliegen. Im Hinblick auf diese Aufträge erscheint der vorübergehende Ausfall eines größeren studentischen Lehrbetriebes keineswegs ungünstig. Mit der Durch- führung der von norwegischer und deutscher Seite (darunter Wehrmacht und OT) der Hoch- schule gestellten Aufgaben soll z.Zt. das gesamte feste Personal an Ingenieuren, Technikern, Laboranten, Handwerkern usw. - insgesamt rund 280 Personen - voll beschäftigt sein.

Schwedische Norwegen-Hilfe. Wie bereits im letzten Situationsbericht (Nr. 91 S. 21/22) erwähnt wurde, haben sich 4 Ver- treter der schwedischen Donator-Repräsentation in Oslo zu Verhandlungen mit der Leitung der schwedischen Norwegen-Hilfe nach Stockholm begeben. Bei einem Presse-Empfang machten sie Ausführungen über Tätigkeit, Bedeutung und Pläne der schwedischen Norwegen-Hilfe und die Versorgungssituation in Norwegen. Die Stockholmer Zeitungen brachten darüber Berichte sowie Leitartikel, und zwar unter Überschriften wie: "Schwedische Hilfe ernährt ein Drittel von Groß-Oslos Bevölkerung" (Svenska Morgenbladet und Stockholms Tidningen).

1586 März 1945

"Hilfsbedürftigkeit des norwegischen Volkes steigt ununterbrochen" (Ny Dag). "Norwegen-Hilfe der größte Diversehandel des Nordens. Hilfsbedürftigkeit in Norwegen wächst in katatrophalem Maße." (Svenska Dagbladet). "Die heutige Situation in Norwegen kann nicht zu schwarz gemalt werden." (Morgon Tidningen). "Jeder Norweger leidet Not." (Dagens Nyheter).

Den Zeitungsberichten zufolge gaben die Vertreter der Donator-Repräsentation, insbesondere der Vorsitzende Pfarrer W e e b e und Disponent Hake, vor der Presse im einzelnen folgende Erklärungen ab: Von der schwedischen Norwegen-Hilfe würden z.Zt. 240 000 Norweger, davon in Oslo 130 000, mithin ein Drittel der Gesamtbevölkerung, bespeist. Bisher seien 44 Millionen kg Lebensmittel an die norwegische Bevölkerung zur Verteilung gelangt. Die Bespeisungen erfolgten an 600 verschiedene Speisestellen im ganzen Lande. Täglich würden Lebensmittel- Portionen in Höhe von 30 t ausgeteilt, davon 8 t Fleisch. Weiterhin seien 600 t benutzte Kleider sowie 75 000 Paar erstklassige Schnürstiefel zur Verteilung gekommen und 50 000 Schulkinder eingekleidet worden. 9000 Familien und 8000 Patenkinder würden mit Geld unterstützt. Die Donator-Repräsentation untersuche alle Möglichkeiten, um die Hilfstätigkeit zu erweitern, und habe recht große Pläne. Man wolle neue Altersgruppen, insbesondere Kinder von 2 bis 7 Jahren, unterstützen und Alleinstehenden, bei denen zum Teil wirklich Not herrsche, helfen. Die schwedische Norwegen-Hilfe befasse sich des weiteren z.Zt. damit, Kinder aufs Land zu schicken und ein Heim für solche Nervenkranke einzurichten, die durch den Krieg, z.B. durch Bombardierungen, Explosionen und "seelische Erregungen infolge der allgemeinen Lage" schwer betroffen seien. Bemerkenswert sind die Ausführungen, die seitens der 4 Repräsentanten über die "Garantien bezüglich Mißbrauchs der schwedischen Norwegen-Hilfe" gemacht wurden. An den meisten Stellen gäbe es schwedisch geborene Vertreter, die kontrollierten, daß kein "Mißbrauch" ge- trieben werde. Alle Leistungen kämen der norwegischen Zivilbevölkerung zugute. Es sei bis- her von keinem "Mißbrauch" berichtet worden. Bezeichnend ist weiterhin, daß bei Aufzählung der norwegischen Hilfsorganisationen, die bei den Bespeisungen tätig sind, die norwegische National-Hilfe, die bekanntlich eine NS- Leitung hat, nicht erwähnt wurde. Zu der Versorgungssituation in Norwegen führte Pfarrer W e e b e (lt. Dagens Nyheter) folgendes aus: Heute dürfe er wohl sagen, daß man nicht zu schwarz malen könne, wenn man die Wahrheit aufzeigen wolle. Jeder Norweger leide Not. Man benötige 150 Eisenbahnwagen wöchentlich, um der schlimmsten Not abzuhelfen. Schweden habe in Norwegen sehr viel "goodwell[!]" verursacht, und es sei notwendiger denn je, daß in Schweden "alle Segel gesetzt würden", denn es sähe im heutigen Norwegen für viele sehr düster aus. Die 4 Vertreter der Donator- Repräsentation seien nach Stockholm gekommen, um wegen Vergrößerung der Hilfe für das notleidende Norwegen zu unterhandeln und Schweden zu weiteren kräftigen Maßnahmen aufzufordern, damit den Norwegern durch die Notlage hindurchgeholfen werde. Besonders scharf drückte sich laut "Morgon-Tidningen" der - als deutschfeindlich bekannte - Disponent Hake aus. Die Hilfsbedürftigkeit in Norwegen sei, so erklärte H. "außerorden- tlich groß" und die Donator-Repräsentation "ertränke fast in Briefen, die um Hilfe bäten." Die Kleiderversorgung sei traurig. In den besten Fällen kämen die Kinder in Vaters oder Mutters alten Schuhen - und Kleidern - wie es in "Ny Dag" heißt - zur Schule und in vielen Fällen seien

1587 März 1945 diese mit etwas bekleidet, was man mit dem besten Willen nicht als Schuhe bezeichnen könne. "Ny Dag" behauptet weiter, Hake habe erklärt, viele Kinder müßten zuhause bleiben, weil sie nichts anzuziehen hätten. Pfarrer W e e b e betonte, die umfassende Schwedenhilfe werde sicherlich in Zukunft bestimmte Folgen nach sich ziehen, da es sich hier um das Verhältnis zwischen Schweden und Norwegen handle (so u.a. Stockholms-Tidningen). Sehr scharf ist der Leitartikel von "Expressen". Es heißt dort, der Lebensmittelmangel in Norwegen sei "schreiend". Schwedens Hilfe für Norwegen beruhe ganz auf dem guten Willen der Besatzungsmacht und könne jeden Augenblick unterbunden werden. Vollwertige Norwegen-Hilfe könne nicht anders als durch einen energischen Krafteinsatz mit effektiver militärischer Bereitschaft geleistet werden. Gemäßigter ist der Leitartikel in dem Regierungs- organ "Morgon-Tidningen". Die Zeitung schreibt, der Hunger würde ein täglicher Gast in tausenden norwegischen Familien sein, falls nicht Hilfe aus Schweden käme. Man wolle so lange wie möglich helfen und neue Hilfe sei jetzt nötig. Das Wort des Pfarrers Weebe wiege schwer. Von legaler norwegischer Regierungsseite, d.h. seitens der norw. Exilregierung in London, habe man an der schwedischen Norwegen-Hilfe das größte Interesse. Durch die nordische Solidarität würde die Bürde des norwegischen Volkes erleichtert, die norwegische Jugend und damit die Zukunft des norwegischen Volkes gerettet.

Wirtschaft. Allgemeine Versorgungslage. Die allgemeine Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, vor allem mit Nährmitteln, Fett und Kartoffeln, sowie auch Zucker ist nach hier vorliegenden Berichten äußerst an- gespannt und zum Teil unzureichend. Aus Stavanger wird berichtet, daß dort seit ca. 4 Wochen weder Butter noch Margarine zugeteilt wurden. Die Speckzuweisungen werden nur als geringfügiger Ausgleich empfunden. Die Bekanntgabe, daß ab 5. 3. eine Fettsonderzuteilung auf Fleischkarte erfolgen soll, hat Verwunderung erregt, da der größte Teil der Verbraucher noch über uneingelöste Marken verfügt. Daß es sich bei dieser Zuteilung um eine Sonderlieferung der schwedischen Norwegen-Hilfe handelt, ist nicht allgemein bekannt. Zur Fettversorgung meldet Narvik, daß für den dortigen Bereich ein offener Bedarf von 12 000 kg bestehe. Im Fylke Vestagder fehlten am 1. 3.45 111 562 kg (ungedeckte Marken). In diesem Fylke soll im Laufe des Monates März eine Sonder- zuteilung von 1/2 kg dänischen Speck ausgegeben werden. Die Bezugsrechte für Zucker sind gleichfalls noch nicht voll erfüllt. Während in Kristiansand durch Anlieferungen aus Dänemark die offenstehenden Mengen von 74 138 kg gedeckt werden konnten, wird aus Nordnorwegen über eine völlig unzureichende Versorgung geklagt. Narvik benötigt z.B. zur Befriedigung des Bedarfs 17 000 kg. Äußerst schwierig ist im gesamten norwegischen Räume die Kartoffelversorgung. Die vor- liegenden Berichte stellen dazu fest, daß zahlreiche Familien, vornehmlich aus der arbeitenden Bevölkerung, tatsächlich tagelang ohne eine Kartoffelmahlzeit sind. Infolge der Kartoffelver- knappung wird stärker auf Brot zurückgegriffen. Hierin dürften die wiederholt aufgetretenen Klagen über die unzureichende Brotversorgung begründet sein. Für Narvik wurden durch Lieferung aus Wehrmachtsbeständen 3000 kg Trockenkartoffeln zugeteilt. Diese Maßnahme hat die dortige Versorgung aufgelockert. Um die Schwierigkeiten bei der Kartoffelversorgung zu überbrücken wurden Aufrufe zur freiwilligen Abgabe von 10% der Einkellerungskartoffeln erlassen. Fühlbare Erfolge aufgrund dieses Aufrufes waren bisher noch nicht zu verzeichnen. Nach vorliegenden Berichten wurde die angespannte Versorgungslage jedoch fast überall -

1588 März 1945 jedenfalls in finanziell gut gestellten Kreisen - durch Zuschüsse vom "Schwarzen Markt" ver- bessert. Letzteres gilt insbesondere für Teile der städtischen Bevölkerung. Die vorliegenden Berichte besagen, daß für die Landbevölkerung, aber auch für die in den Landgemeinden wohnenden Arbeiter die zusätzliche Beschaffung von Lebensmitteln noch kein unüberwindbares Problem sei. Die Kontrolle der Bauern und ihrer Produktion sei nach wie vor so unzureichend, daß ohne weiteres beachtliche Mengen abgezweigt werden könnten. Begünstigt werde diese Entwicklung einmal durch die Auswirkung von Gegnerparolen, die in Anbetracht der Versorgungslage zur Lieferung von Lebensmitteln an "nationale Norweger" aufforderten, zum anderen durch die Transportlage, durch die auch der Abtransport landwirt- schaftlicher Produkte erschwert werde. Eine Auflockerung der allgemeinen Versorgungslage trat in den Küstenbezirken in den letzten Wochen durch die guten Fischanlandungen ein. Dem Hinterlande jedoch konnten die Erträgnisse der reichlichen Fänge infolge der Transportlage und - soweit es das Gebiet des Oslo-Fjords betrifft - wegen der hier erfolgten zahlreichen Eisenbahnsabotagefalle kaum zu- gänglich gemacht werden. Die zu Beginn der Herings-Saison in den Küstenstädten eingeführte Rationierung wurde wegen des großen Umfanges der Fänge durchweg wieder aufgehoben. Die Bevölkerung hatte daher in den betreffenden Gebieten überall die Möglichkeit, sich mit Vor- räten einzudecken. Die infolge einer kürzlichen Schlechtwetterperiode an der Westküste gehegte Befürchtung, daß trotz der guten Fangergebnisse bei Beginn der Saison die Vorjahrsausbeute bei weitem nicht erreicht werden würde, hat sich nunmehr als unbegründet herausgestellt. Durch die reich- lichen Fänge der letzten Wochen sind die Vorjahrszahlen z.T. erheblich übertroffen worden. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß diese Ergebnisse unter ungünstigen Voraussetzungen bei Mangel an Öl und z.T. schlechtem Netzwerk erzielt wurden. Die Aussichten sind weiterhin gut, z.T. ist es bereits fraglich, wie die gelandeten und noch zu erwartenden Fänge verwertet bzw. abtransportiert werden können. Die Heringsmehlfabriken sind infolge Brennstoffmangels nicht in der Lage, die Fangergeb- nisse in vollem Umfange aufzunehmen. Für den Abtransport und damit für die Nutzbar- machung der Fänge wirkt sich sowohl auf dem Schifftransportgebiet wie auch bei der Eisen- bahn der Transportraummangel infolge der Kohlenschwierigkeiten ungünstig aus. Für das Gebiet Stavanger, Egersund und Kristiansand kommen dazu noch die Auswirkungen der Sabotageanschläge gegen die Sörlandbahn. Beachtenswert erscheint eine Meldung aus Narvik, die besagt, daß die dortigen Packer be- strebt seien, möglichst viele Lagerware herzustellen. Diese Erscheinung wird damit begründet, daß man mit einem baldigen Kriegsende rechne und daß dann die vorhandene Lagerware günstigere Geschäftsaussichten biete, als es der jetzige Verkauf an die Fischeinkaufsgemein- schaft darstelle.

Verkehr.

Verkehrsmäßige und wirtschaftliche Auswirkungen von Sabotageanschlägen gegen das Eisenbahnnetz um den Oslofjord. Stimmungsmäßige Reaktion in norwegischen Wirtschaftskreisen. Durch Sabotageanschlag auf das Eisenbahnnetz um den Oslofjord in der Nacht vom 14. auf 15. 3. 45 (Einzelaufstellung siehe Teil Gegner) wurde der Eisenbahnverkehr in diesem Gebiet empfindlich gestört. Auf der Strecke Oslo - Moss - Fredrikstad (östlich des Oslofjords) konnte jedoch trotz der Vielzahl der Sprengungen die Wiederinbetriebnahme von Teilstrecken bereits einige Tage später erfolgen. Mit der Aufnahme des Durchgangsverkehrs kann binnen kurzer

1589 März 1945

Zeit gerechnet werden. Die großen Brücken blieben an diesen Strecken unversehrt. Dagegen wird der Durchgangsverkehr westlich des Oslofjords und zwar auf der Schmalspurstrecke Drammen-Larvik und auf der Normalstrecke (elektrisch) Drammen - Nordagutu - Skien - Porsgrunn - Larvik, sowie auf der Strecke Nordagutu - Kristiansand (Hauptstrecke Oslo - Kristiansand) für mehrere Wochen gesperrt sein, weil hier durch die Anschläge unter anderem auch große Brücken zerstört wurden. Wirtschaftlich besonders nachteilig wirkt sich die Blockierung der sogenannten "Hydro- Strecke" zwischen Rjukan und Heröyn aus. Während die Abfuhr von Düngemitteln auf dem Schiffswege möglich ist, kann eine Verladung auf der Eisenbahn nicht erfolgen, weil bis zur Herstellung der zerstörten Brücken ein Anschluß an das mittel- und westnorwegische Eisen- bahnnetz nicht besteht. Der dadurch eintretende Ausfall an Düngemitteln wird für die norwegische Landwirtschaft und für die diesjährige Feldbestellung schwerwiegende Folgen haben. Die Düngemittel Versorgung 1944/45 ist durch die Überlastung der Eisenbahn seit Herbst v.J. (Rückführung der Truppen und Evakuierten aus Finnland bzw. Nordnorwegen) und durch die Störung und Beeinträchtigung der Schiffahrt infolge der starken Feindtätigkeit an sich äußerst ungünstig. Am 1. März waren an Düngemitteln - nach dem Transportplan des norwegischen "Generaldirektorates für Transport" - noch: 19 6001 per Bahn und 34 500 t per Schiff insbesondere nach Mittel- und Nordnorwegen zu verfrachten und zu transportieren. Wenngleich auch infolge der durch Kohlenmangel bereits veränderten Transportsituation diese Aufgabe sowohl für die Eisenbahn als auch für die Schiffahrt kaum lösbar erschien, so ist nunmehr durch die voraussichtlich mehrwöchentliche Eisenbahnunterbrechung jede Aussicht auf eine noch rechtzeitige Belieferung und Verteilung der Düngemittel für die Feldbestellung geschwunden. Neben den Auswirkungen für den Düngemitteltransport zeigen sich solche auch für den Transport aller anderen lebenswichtigen Güter für die norwegische Versorgung. Im Netz der Sörlandbahn war in letzter Zeit gerade ein gewisser Stau im Umlauf der Güterwagen ein- getreten, der sich nun nicht nur nicht beseitigen läßt, sondern durch Lahmlegung der Strecken auch für die Zukunft noch weitergehende Rückwirkungen haben wird. Die Sabotagefälle werden sich vorwiegend gegen die norwegische Bevölkerung selbst aus- wirken. Alle bereits genehmigten Frachtbriefe des zivilen Sektors wurden für ungültig erklärt. Der Wehrmachts- und deutsche Bedarf wird nach Wiederherstellung der Strecke bevorzugt abgefertigt. Die Reaktion selbst ausgesprochen gegnerischer Wirtschaftskreise läßt erkennen, daß man sich im klaren darüber ist, daß derartige Verkehrsunterbrechungen sich weitgehendst für die norwegische Versorgung selbst ungünstig auswirken werden. Nach den aus diesen Kreisen erfaßten Stimmen setzt sich dort mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß derartige Sabotage "Wahnsinn" sei. Einen praktischen Wert haben, wie die Erfahrung bei ähnlichen Fällen bisher zeigte, der- artige Erkenntnisse jedoch nicht.

Holzeinschlag. Der zur Aufrechterhaltung des notwendigsten Verkehrs - insbesondere bei der Staatsbahn - nach Umstellung von Kohle- auf Holzfeuerung besonders zu intensivierende Holzeinschlag kommt nach den vorliegenden Meldungen im allgemeinen nur sehr langsam in Gang. Die theoretischen Planungen, die darauf hinaus liefen, für den Holzeinschlag vor allem die bei

1590 März 1945

Betriebsstillegungen infolge Kohlenmangels frei werdenden Arbeitskräfte zu verwenden, wobei in organisatorischer Hinsicht die Einrichtungen der Staatsbahn und des norwegischen Arbeitsdienstes im größtmöglichen Umfang mit herangezogen werden sollten, ließen sich offensichtlich nur schwer in die Tat umsetzen. Schon bei den Verhandlungen der beteiligten Behörden ergaben sich Schwierigkeiten und Hemmnisse, ein lang andauerndes Hin und Her bei der Feststellung von Zuständigkeiten, Herausgabe von Anordnungen und der Festlegung von Verantwortlichkeiten, das erkennen ließ, wie die beteiligten Stellen in Erkenntnis der sachlichen Schwierigkeiten dazu neigten, der Verantwortung möglichst auszuweichen. Wie aus norwegischen Fachkreisen dazu verlautet, herrschte dort der Eindruck vor, daß lange Wochen mit praktisch resultatlosen Beratungen verloren gingen und der im Rahmen des Landbruksdepartement hinsichtlich der Sicherstellung der Arbeitskräfte fiir die Durchführung des Holzeinschlages mit einem Sonderauftrag betraute Fylkesförer Astrup trotz allen guten Willens unter diesen Umständen wenig Aussichten hat, seine Aufgabe wirklich erfolgreich durchzufuhren. Es ist damit zu rechnen, daß gegenüber diesen inneren Schwierigkeiten die sachlichen noch ungleich größer seien. Einmal versuchen die zum Erliegen kommenden Be- triebe ihren Arbeiterstamm möglichst lange zu halten (hierbei spielt die Betrachtung der militärischen Lage und das Bestreben, baldigst wieder voll einsatzbereit zu sein, eine stärkere Rolle als soziale Gedankengänge), zum anderen ist auch die Neigung der frei werdenden Arbeitskräfte zur Waldarbeit gering. Praktisch fehlt es stark an Arbeitskleidung und Schuhen, sowie an Handwerkszeug. Zur Sicherstellung der notwendigen Geräte ist allerdings von Minister Whist an die Fylkesmänner eine generelle Anweisung zur Beschlagnahme aller ein- schlägigen Werkzeuge herausgegeben worden. Derartige Beschlagnahmungen sind aber teilweise bereits früher örtlich zur Sicherstellung des Holz- und Generatorholzbedarfs vorgenommen worden, so daß diese Maßnahme nicht restlos zu einer Beseitigung des Mangels führen dürfte und darüber hinaus auch auf die letzten privaten Bestände zurückgegriffen werden müßte. Trotz der auf dem norwegischen Sektor sich abzeichnenden Schwierigkeiten ist man norwe- gischerseits jedoch über den inzwischen angeordneten Einsatz der OT für den Holzeinschlag wenig erfreut. Man vertritt die Meinung, daß auch die OT eine längere Anlauffrist brauche und befürchtet die Einschaltung der infolge der Einstellung vieler Bauvorhaben frei gewordenen norwegischen Bauunternehmen mit all den bekannten ungünstigen Auswirkungen hinsichtlich des Preis- und Lohnwesens (Überverdienste). Darüber hinaus befürchtet man weiter, daß diese deutsche Einschaltung zu einem Zurückziehen der Gegnerparolen führen werde, die bisher für eine Unterstützung des Holzeinschlages - wenn auch aus anderen Erwägungen heraus - ein- traten. Der Reichsbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Astrup, hat in letzter Zeit eine Reihe von Waldgebieten, vor allem das Gebiet um Kongsvinger, besucht und dort mit den ver- schiedensten Behörden und Personen Besprechungen über den Arbeitseinsatz und die Lage im Holzeinschlag geführt. Astrup hat bei seinen Besuchen festgestellt, daß 1. die Beschaffung von Kartoffeln für die Holzfäller, 2. die Bereitstellung der Futtermittel für die dort eingesetzten Pferde und 3. die Versorgung der Holzfäller mit der nötigen Arbeitskleidung, insbesondere Schuhwerk, die schwierigsten Probleme sind.

1591 März 1945

Arbeits- und Sozialwesen.

Arbeitseinsatz. Die Arbeitseinsatzbehörden und Berufsverbände befassen sich in erhöhtem Maße mit der veränderten Arbeitseinsatzlage, die durch die infolge der Kohle- und allgemeinen Kriegs- situation notwendig gewordenen Stillegungen bzw. Auskämmung von Betrieben entstanden ist. Eines der schwierigsten Probleme ist in diesem Zusammenhang die Erfassung der frei gewordenen bzw. noch frei werdenden Arbeitskräfte, da diese sich in der überwiegenden Mehrzahl nicht auf den Arbeitsämtern melden. So sind beispielsweise in der Bau-Industrie z.Zt. 20 000 Personen weniger beschäftigt als im Voijahre, ohne daß sich von diesen bisher eine nennenswerte Anzahl zur anderweitigen Arbeitsvermittlung auf den Arbeitsämtern ge- meldet hat. Dies ist deshalb umso bedenklicher, als für den Holzeinschlag ein großer Bedarf an Arbeitskräften besteht. Bisher wurde lediglich aus Larvik gemeldet, daß sich die Einstellung größerer Bauvorhaben der Wehrmacht und die Evakuierung Nordnorwegens in einem größeren Angebot an Arbeitskräften fühlbar gemacht habe. Der größte Teil der frei ge- wordenen Arbeiter hatte auch hier zunächst mit der Meldung bei den Arbeitsämtern gezögert, anscheinend um vorerst die Maßnahmen der Arbeitseinsatzbehörden abzuwarten. Da bisher jedoch keine besonderen Maßnahmen getroffen wurden, werden die Meldungen bei den einzelnen Arbeitsämtern zahlreicher. Die Arbeitsämter im Bereich Larvik sind bemüht, die frei gewordenen Arbeitskräfte in der Waldarbeit unterzubringen. Hierbei haben sich besondere Schwierigkeiten ergeben, da viele von ihnen mit der Waldarbeit nicht vertraut sind. Die zur Waldarbeit vermittelten Arbeiter klagen über unzureichende Kleidung, Mangel an Schuhwerk, und auch über den geringen Verdienst. Hinzu kommt, daß die bisher außerhalb ihrer Wohnorte dienstverpflichtet gewesenen Arbeiter meist nur widerwillig erneut eine Arbeit außerhalb ihres Wohnsitzes annehmen. In einem Rundschreiben an seine Mitglieder hat der Norwegische Arbeitgeberverein zu der veränderten Arbeitseinsatzlage unter der Überschrift "Die drohende Arbeitslosigkeit" Stellung genommen. Die Arbeitgeber werden darin aufgefordert, nach Möglichkeit die Arbeiter mit Aufräumungsarbeiten, Reparaturen usw. zu beschäftigen oder sie vom Betrieb aus beim Holz- einschlag oder in der Landwirtschaft einzusetzen. Arbeiter, die in der Lage sind, sich selbst eine andere Beschäftigung zu verschaffen, sollen hierzu die Möglichkeit erhalten. Außerdem empfiehlt der Arbeitgeberverband im Falle von Betriebseinschränkungen vorzugsweise die Familienversorger weiter zu beschäftigen, soweit dies aus betriebsmäßigen Gründen möglich ist. Von einer beschränkten Arbeitszeit wird in dem Rundschreiben im allgemeinen abgeraten, da die Arbeiter infolge der hohen Lebenskosten mit einem reduzierten Lohn kaum auskommen könnten. Des weiteren werden die Arbeitgeber aufgefordert, die Arbeiter von einer be- absichtigten Kündigung bzw. Betriebseinschränkung frühzeitig zu benachrichtigen und die dadurch entstehenden Probleme mit den Vertrauensmännern zu besprechen. Abschließend weist der Arbeitgeberverein darauf hin, daß es im Interesse aller sei, zu versuchen, die drohende Arbeitslosigkeit soweit als möglich zu beschränken, sei es durch Beschaffung von Ersatzarbeit oder durch Aufrechterhaltung der laufenden Arbeiten. Die Betriebe müßten be- müht sein, den Arbeitern auch dann zu helfen, wenn bereits die Produktion eingestellt werden mußte. Wie zu erkennen ist, versuchen die betroffenen Betriebe tatsächlich durchweg ihren Arbei- terstamm solange wie möglich zu halten oder wenigstens in Betriebsnähe und somit kurzfristig erreichbar anderweitig unterzubringen. Der Einsatz der frei werdenden Arbeitskräfte beim Holzeinschlag wird im übrigen dadurch nicht gefördert.

1592 März 1945

Französische Arbeiter. In den Situationsberichten ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß in letzter Zeit die Zahl der Fluchtfálle französischer Arbeiter, die nach Deutschland rückgeführt werden sollten, erheblich zugenommen hat. Der Grund hierfür ist sowohl in der Angst vor dem Seetransport und vor Luftangriffen als auch in der Furcht vor einer militärischen Einberufung zu suchen. Diese Annahme hat sich durch die Aussagen von 26 Franzosen bestätigt, die bei Aushebung einer Deckungsstelle einer Schwedenfluchtorganisation festgenommen wurden. Nachstehend werden einige Vernehmungsauszüge wiedergegeben:

1. "Ich wollte deshalb nach Schweden gehen, weil ich Angst vor der Überfahrt und den Bombardements in Deutschland habe, auf keinen Fall, weil ich gegen Deutschland ein- gestellt bin. Ich habe es bedauert, daß ich meinen schönen Arbeitsplatz bei der Nordag auf- geben mußte." 2. "Ich wollte nach Schweden gehen, weil ich wirklich Angst hatte, nach Deutschland zu kommen. Ich wollte mein Leben nicht durch ein Bombardement verlieren." 3. "Ich wollte lediglich deshalb nach Schweden fliehen, weil man mir erzählte, daß wir be- stimmt in Deutschland nicht heil ankommen würden." 4. "Ich wollte nur deshalb fliehen, weil ich vor der Überfahrt nach Deutschland Angst hatte. Man hat mir erzählt, daß alle Schiffe von den Engländern bombardiert würden.["] 5. "Ich wollte nur nach Schweden, um ungestört meinem Beruf nachgehen zu können." 6. "Ich wollte nach Schweden gehen, weil die Propaganda der Norweger mich derartig beeinflußt hat. Die Norweger erklärten mir, daß ich ein toter Mann sei, wenn ich erst ein- mal auf dem Schiff wäre." 7. "Ich wollte nach Schweden fliehen, weil ich nicht nach Deutschland wollte. Wir fürchten uns alle vor dem Bombardement." 8. "Ich wollte nur deshalb nach Schweden gehen, um nicht einem Bombardement zum Opfer zu fallen." 9. "Ich kann nur sagen, daß ich nichts gegen Deutschland habe. Ich habe lediglich Angst, da die schlimmsten Dinge über die Bombardements in Deutschland erzählt werden."

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 23 vom 26. März 1945, gez. Fehlis RAO/RK/HSSPF/SIPO-SD/Eske 3

1. Vom SS- und Polizeigericht Nord wurden am 15. 3. 14 Norweger zum Tode verurteilt, die u.a. an folgenden Anschlägen und Raubüberfällen beteiligt waren: Sprengstoffanschlag gegen Mek. Werkstatt Olaf Jahre in Oslo (vgl. Tagesber. v. 29. 12. 44 Ziff. 8). Sprengstoffanschlag gegen Autoreparatur-Werkstatt Caspari in Oslo (vgl. Tagesber. v. 12. 2.45 Ziff. 7). Sprengstoffanschlag gegen Kraftwagenprüfstelle in Sinsen (vgl. Tagesber. v. 6. 2. 45 Ziff. 8). Sprengstoffanschlag gegen Luftwaffen-Ersatzteillager in der Ringnes-Brauerei in Oslo (vgl. Tagesber. v. 17. 10. 44 Ziff. 6). Sprengstoffanschlag gegen Benzinlager Shell in Oslo (vgl. Tagesber. v. 23. 1.45 Ziff. 2). Sprengstoffanschlag gegen Schleifsteinfabrik in Fetsund (vgl. Tagesber. v. 11. 8. 44 Ziff. 2).

1593 März 1945

Raub der Tageskasse in der U-Bahnstation Nationaltheater in Oslo (vgl. Tagesber. v. 20. 12. 44 Ziff. 4). Raub einer größeren Menge von Lebensmitteln des norwegischen Arbeitsdienstes (vgl. Tagesber. v. 14. 2. 45 Ziff. 9). Raub mehrerer Schreibmaschinen bei der Firma Lexow in Oslo (vgl. Tagesber. v. 29. 1. 45 Ziff. 6). Raub bei einem Maurermeister in Oslo (vgl. Tagesber. v. 26. 1. 45 Ziff. 9). 2. Am 18. 3. wurde in Zusammenarbeit mit der Funkmeßstelle der Ordnungspolizei im Walde bei Movatn ein Sender ausgehoben. Der Funker und ein Bewacher (Angehöriger der norwegischen Kriminalpolizei) wurden auf der Flucht erschossen. 6 Personen wurden fest- genommen, darunter eine Frau, die ebenfalls als Bewacherin fungierte. Ein Sendegerät, Funk- unterlagen, eine Maschinenpistole mit 2 gefüllten Magazinen und eine Coltpistole wurden sichergestellt. 3. Im Zusammenhang mit einem Peiltrupp der Wehrmacht und Kräften der Ordnungspolizei wurde im Gebirge bei Bredvik, nördlich Florö (Bereich Bergen) eine Funkstation des britischen Schiffsmeldedienstes ausgehoben. Ein Agentenfunker wurde festgenommen, ein anderer im Verlaufe eines Feuergefechtes so schwer verletzt, daß er verstarb. Beide Agenten waren im August 1944 durch ein englisches Kriegsfahrzeug in der Nähe von Bredvik an Land gesetzt worden. Auf Grund weiterer Erimittlungen wurden 3 Personen festgenommen, die mit den Funkern in Verbindung standen. 3 Sendegeräte, 1 Empfänger, 2 Handdynamos, 2 Akkus, 1 Netzanschlußgerät, 1 Maschinenpistole, 2 Pistolen und 1 Koffer mit Senderzubehörteilen wurden sichergestellt. 4. Bei Aufrollung der Mil.Org. im Räume Dombaas, Otta und Vaagaa [Vàgà] wurde der Leiter der Mil.Org. Otta im Feuergefecht erschossen, ein norwegischer Dolmetscher der Sicher- heitspolizei getötet und ein Sanitätsunteroffizier verwundet. 7 Funktionäre der Mil.Org. Vaagaa wurden festgenommen. 5. Am 15. 3. wurden in Oslo 14 Angehörige einer Kurierlinie der Mil.Org. festgenommen, die interne Mitteilungen der Export- und Sicherungsgruppe beförderte. 6. In Oslo wurden 4 Angehörige der Mil.Org., darunter 2 Kuriere mit aufschlußreichem Material, festgenommen. 7. Am 19. 3., gegen 3,15 Uhr wurde je ein Sprengstoffanschlag gegen die Firma Bilhuset, Oslo, Bygdö-Allee 23 und gegen deren Zweiggarage, Haxthausensgate 3, verübt. Im Hause Bygdö-Allee entwickelte sich ein Großfeuer, das durch rasches Eingreifen der Feuerwehr eingedämmt werden konnte. Die Mehrzahl der Fahrzeuge wurde gerettet. Im Hause Haxthausensgate wurden 7 PKW und 1 LKW teils zerstört, teils erheblich beschädigt. An beiden Gebäuden trat erheblicher Schaden ein. 8. Am 21. 3. wurde gegen die Eisenbahnstrecke Faaberg-Hunder ein Sprengstoffanschlag verübt. Von einem aus Richtung Hamar kommenden Güterzug, der unmittelbar nach der

1594 März 1945

Sprengung die Schadenstelle passierte, entgleisten die Lokomotive und 8 Wagen. 9. Am 21. 3. wurde die Eisenbahnstrecke Steinberg-Hokksund an 3 Stellen auf eine Länge von 150 m durch Sprengung unterbrochen. 4 weitere an den Schienen angebrachte Spreng- ladungen konnten ausgebaut werden. Es entstand nur Schaden am Oberbau. 10. Am 17. 3. wurde westlich des Ortes Lunde ein Pfeiler einer Eisenbahnbrücke durch Sprengstoffanschlag beschädigt. Der Verkehr wurde nicht unterbrochen. 11. Am 24. 3. gegen 9.30 Uhr wurden auf der Bergensbahn bei der Station Hol 2 mit Öl ge- füllte Tankwagen gesprengt. 12. Am 24. 3. gegen 10.10 Uhr wurde ein Wasserrohr der Talsperre in Sandviken durch un- bekannte Täter gesprengt. Die Talsperre gehört zur Storemoellen-Werft in Sandviken (Bereich Bergen). Der Schaden ist gering und kann durch Auswechseln eines Rohres in etwa 3 Tagen behoben werden. 13. Am 25. 3. gegen 3.00 Uhr wurde gegen die Folkestad-Knottfabrik in Moss ein Spreng- stoffanschlag verübt. 2 bewaffnete Männer fesselten den Wachmann und dessen Ehefrau und führten dann den Anschlag durch. Die Fabrik arbeitete zum Teil für die Wehrmacht. 14. Am 18. 3. gegen 11.00 Uhr brach in der Knottfabrik des NSKK in Kristiansand ein Brand aus. Ein Teil der Halle wurde zerstört, die Trockenanlage blieb betriebsfähig. Die Brand- ursache ist noch nicht geklärt. 15. In Kristiansand wurde ein 22jähriger Norweger festgenommen, der im Besitze von 90 Stangen Dynamit, 20 Patronen Geomit, 18 Sprengkapseln, Resten einer Zündschnur war. Der bei einer für die Wehrmacht arbeitenden Baufirma beschäftigte Norweger hatte den Sprengstoff nach und nach gestohlen, um ihn bei einem Bauern gegen Butter einzutaus[ch]en. 16. Am 17. 3. gegen 14.00 Uhr drangen 3 bewaffnete Männer in den Kassenraum der Bank in Vaksdal (Bereich Bergen) ein und raubten etwa 10 000 Kronen. Die Täter gaben sich als Angehörige der deutschen Sicherheitspolizei aus und flüchteten nach der Tat in einem Ruder- boot. 17. Am 14. 3. drangen 5 bewaffnete Männer in die Räume des norwegischen Bürger- wachkontors in Oslo ein, hielten die Angestellten in Schach und raubten 19 Karteikästen mit etwa 10 000 Karteikarten. Duplikate der Bürgerwachkartei sind an anderer Stelle vorhanden. 18. Am 21. 3. gegen 23.00 Uhr kam es im St. Olaf-Hospiz in Oslo zu einer Schießerei zwischen Wehrmachtsangehörigen. Ein Obermaat, der von der GFP wegen vermutlicher Schwedenflucht festgenommen werden sollte, rief 2 Flaksoldaten hinzu mit dem Bemerken, daß sich im Hospiz Norweger aufhielten, die Fahnenflüchtige nach Schweden bringen wollten. Die Flaksoldaten drangen daraufhin in das Hospiz ein und forderten die anwesenden Zivilisten, unter denen sich auch Angehörige der Geheimen Feldpolizei befanden, auf, die Hände hochzuheben. Als dieser Aufforderung nicht gleich Folge geleistet wurde, eröffneten die Flaksoldaten das Feuer, das von den GFP-Angehörigen erwidert wurde. Ein Flaksoldat und ein Angehöriger der GFP wurden erschossen, der zweite Flaksoldat schwer verletzt. 19. Am 21. 3. überwältigten 5 russische Kriegsgefangene (Wlassow-Anhänger) des Lagers Sildhopvatn (Bereich Narvik) die aus einem Feldwebel und 2 Mann bestehende Lagerwache,

1595 März 1945 entwaffneten diese und flüchteten unter Mitnahme der Waffen in Richtung Schweden. 20. Auf einem Saeter zwischen Hjerkinn und Kongsvoll (Strecke Dombaas-Opdal) wurden 2 deutsche Unteroffiziere erschossen aufgefunden. 21. Am 19. 3. wurde der Lensmann in Örje von unbekannten Tätern erschossen. 22. Ein auf der Strecke Tönsberg-Drammen bei einer Zugkontrolle festgenommener Norweger versuchte in Drammen auf dem Wege zur Polizei zu entfliehen und wurde erschossen.

BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 24 vom 30. März 1945, gez. Fehlis RAO/RK/HSSPF/SIPO-SD/Eske 3

1. Ein Kommando der Ordnungspolizei geriet bei einer Hütte am Nykjuasjöen (etwa 6 km südostwärts Vikersund) mit einer Gruppe bewaffneter Männer in ein Feuergefecht, in dessen Verlauf 2 Angehörige der Ordnungspolizei fielen. 2 Banditen wurden erschossen, 2 fest- genommen. In der Hütte und deren näheren Umgebung wurde folgendes Material sicher- gestellt, das aus Abwürfen stammt: 2 Behälter Sprengstoff, 2 " Sprengstoff, Munition, Handgranaten, 1 " Sprengmaterial, 1 Kanister Munition, 1 leichtes Maschinengewehr, 5 Gewehre (2 mit Seitengewehr), 8 Schnellfeuergewehre, 1 Pistole, 1 Kleinempfänger, mehrere Blinkgeräte, 12 Paar Schuhe, 11 Schlafsäcke, 6 Fallschirme, 1 Rucksack mit 2 Fallschirmen, 3 Rucksäcke (leer). Die Hütte wurde abgebrannt. 2 bis 3 km nördlich des Nykjuasjöen wurde eine verlassene Hütte festgestellt, in der sich nach den Aussagen der Festgenommenen eine weitere Gruppe der Mil.Org. etwa 14 Tage aufgehalten hat. In der Hütte wurden lediglich einige Fallschirme ge- funden. Bei Abbrennen der Hütte flogen 3 versteckt angelegte Waffenlager in die Luft. Wahrscheinlich hat die Gruppe vor ihrer Flucht Zeitzünder angelegt. 2. Bei einer von Kräften der Sicherheitspolizei, Ordnungspolizei und Marine durchgefühlten Suchaktion wurde in einer Felsenhöhle in der Nähe von Stavenes (Askevoll) der Unterschlupf von Agentenfunkern entdeckt, die sich seit dem 18. 8. 44 in Norwegen aufgehalten hatten und am 15. 3. 45 von einem englischen Kriegsfahrzeug abgeholt worden waren. Es wurde nur noch Geräte-Zubehör (Antennenmaterial usw.) gefunden. 7 Personen, die mit den Agenten- funkern in Verbindung standen, wurden festgenommen. 3. In Zusammenarbeit mit der norwegischen Staatspolizei wurde der Überfall auf die Fanabank in Minde bei Bergen (vgl. Tagesber. v. 4. 3. Ziff. 11), auf die Vaksdal-Sparebank in Vaksdal (vgl. Tagesber. v. 26. 3. Ziff. 16) und auf das Gemeindehaus in Fana (vgl. Tagesber.

1596 März 1945 v. 12. 2. Ziff. 12) geklärt. Nach einem Feuergefecht in dem Unterschlupf der Bankräuber auf der Insel Osteroey gelang es, einen Haupttäter festzunehmen, 3 andere sind flüchtig. Die Gruppe wurde von einem aus England zurückgekehrten Norweger geführt, der sämtliche Mitglieder der Bande mit Maschinenpistolen ausgerüstet hatte. Ein Norweger, der den An- gehörigen dieser Gruppe Unterschlupf gewährt hatte, wurde festgenommen. 4. Die Ermittlungen nach den Tätern des Sabotageanschlages gegen eine Buchbinderei in Bergen (vgl. Tagesbericht v. 12. 2. Ziff. 6) führten zur Festnahme von 3 jungen Männern, die sich zur Durchführung von Sabotagehandlungen und Verbreitung von illegalen Hetzschriften zusammengeschlossen hatten. Außerdem wollten sie deutsche Soldaten im Dunkeln nieder- schlagen und ihnen die Pistolen rauben. 5. Am 27. 3. zwischen 4.00 und 6.00 Uhr wurden zwischen den Stationen Östeinstul und Hjuksebö (Strecke Kongsberg-Nordagutu) 2 Hochspannungsmaste gesprengt. Beim Ausbau einer Sprengladung an einem 3. Mast verunglückte ein Wehrmachtsangehöriger tödlich. 6. Am 26. 3. gegen 23.30 Uhr wurden auf der Bahnstrecke Kongsberg-Nordagutu, zwischen den Stationen Saggrenda-Meheia, 2 Masten der Starkstromleitung gesprengt, 4 weitere durch Sprengungen beschädigt. 7. Am 30. 3. gegen 2.45 Uhr wurde auf der Eisenbahnstrecke Oslo-Fredrikstad die 10 m lange Eisenbahnbrücke zwischen den Stationen Kambo und Moss gesprengt. 8. Am 30. 3. gegen 4.30 Uhr wurde ein weiterer Sprengstoffanschlag gegen die etwa 10 m lange Brücke der Eisenbahnstrecke Drammen-Tönsberg zwischen Drammen und Skoger verübt. 9. Am 26. 3. gegen 22.30 Uhr drangen 3 bewaffnete Männer in eine Wohnung in Lilleström ein und raubten Silbersachen und Kleidungsstücke. 10. Aus den Beständen eines norwegischen Lagers in Harstad wurden 60 000 Zigaretten, einige Pakete Tabak und größere Mengen Zigarettenpapier gestohlen. 3 norwegische Lager- arbeiter wurden festgenommen. 11. Am 24. 3. wurde in Oslo ein norwegisches Ehepaar festgenommen, das illegal lebenden Personen Unterschlupf gewährte und der KPN als Postanlaufstelle diente. Die Ehefrau war außerdem als Kurierin tätig. 12. Bei einer Razzia in einem Wohnlager für deutsche Werftarbeiter wurden in der Nacht vom 17. zum 18. 3. 23 Norwegerinnen und 1 Reichsdeutsche angetroffen und vorläufig fest- genommen. Bei 8 Frauen wurden Geschlechtskrankheiten festgestellt. 7 der geschlechts- kranken Frauen waren bereits als Infektionsquellen bekannt. Sie wurden in Vorbeugungshaft genommen. Nach einer am 21. 3. in mehreren kleinen Lokalen von Oslo durchgeführten sicherheitspolizei- lichen Razzia wurden 26 Frauen dem Gesundheitsamt vorgeführt. 4 Frauen waren geschlechts- krank.

1597 April 1945 BdSudSD Oslo, Situationsbericht - Meldungen aus Norwegen Nr. 93 vom 4. April 1945 BA R 70/N/13, Bl. 173181a

Allgemeine Stimmung und Lage.

Der Optimismus in der Beurteilung der militärischen Lage, den die ersten Rheinüber- schreitungen seitens der westlichen Alliierten bei der Masse der gegnerisch eingestellten nor- wegischen Bevölkerung ausgelöst hatte, ist auf Grund der weiteren anglo-amerikanischen Offensiverfolge auf rechtsrheinischem Gebiet in den letzten Tagen sprunghaft angestiegen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf das bald erwartete Kriegsende, in geringerem Maße jedoch auch in Bezug auf das Kräfteverhältnis zwischen dem Bolschewismus und den westlichen Alliierten. Von zahlenmäßig unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, ist die norwegische Bevölkerung so fest wie nie zuvor davon überzeugt, daß Deutschland keinerlei Aussicht mehr habe, der sicheren Niederlage zu entgehen. Die militärische Situation des Reiches sei durch den Ausfall der wichtigsten Rüstungszentren hoffnungslos geworden. Deutschland zehre jetzt hinsichtlich seiner Rüstung von der Substanz, was bei dem ungeheueren Verschleiß infolge der feindlichen Überlegenheit innerhalb eines nach Tagen zu zählenden Zeitraumes zur völligen Erschöpfung führen müsse. Nach einer Meldung aus Kristiansand hofft die dortige Bevölkerung, am 9. April das Ende des Krieges feiern zu können. - Von den gleichen Gesichtspunkten aus wird die Lage hinsichtlich der Deutschland zur Verfügung stehenden Reserven beurteilt. Man glaubt, insbesondere in den häufigen Meldungen vom tapferen Einsatz Jugendlicher Bestätigungen der Auffassung sehen zu können, daß infolge der bisherigen hohen deutschen Verluste kampf- tüchtige Jahrgänge in Deutschland fehlen. Diese Meinung werde im übrigen auch von An- gehörigen der deutschen Wehrmacht häufig geäußert. Von der Möglichkeit des Einsatzes neuer geheimer Waffen wird in der Bevölkerung bei der gegenwärtigen Lage kaum noch gesprochen. Die in der vergangenen Zeit hierüber gemachten Andeutungen werden als Bluff bezeichnet, dessen propagandistische Absicht heute restlos enthüllt sei, da sonst bei der kritischen Situation alle vorhandenen Mittel längst eingesetzt worden wären. Lediglich in manchen Kreisen der NS versucht man, sich mit Spekulationen über neue Waffen letzte Hoffnungen zu erhalten. Zu der optimistischen Grundstimmung der norwegischen Bevölkerung trägt wesentlich die Annahme bei, daß man sich hinsichtlich der Furcht vor einer künftigen Vorherrschaft Sowjet- rußlands in Europa etwas erleichtert fühlen dürfe. Der Vormarsch der Briten und Amerikaner in das deutsche Kernland zeige, daß den westlichen Alliierten Kräfte genug zur Verfügung stünden, ihren Forderungen bei der Gestaltung des Friedens entsprechend Nachdruck zu ver- leihen. So heißt es beispielsweise aus Stavanger, daß "die in Bezug auf die Nachkriegsentwick- lung so oft gehegte Bolschewistenfurcht in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr diskutiert" werde. Aus anderen Teilen des Landes (Drontheim, Bergen, Kristiansand) wird andererseits gemeldet, daß sich die Bevölkerung weiter Sorgen über die Frage mache, in welchem Umfang die Nachkriegsverhältnisse durch Stalin bestimmt werden. Es wird befürchtet, die Bolsche- wisten könnten ganz Norwegen besetzen, ehe es zu der erwarteten Auseinandersetzung zwischen Sowjetrußland auf der einen und England - Amerika auf der anderen Seite komme. Gedämpft wird die allgemeine Hochstimmung weiter durch die Ungewißheit, wie sich die deutschen Besatzungstruppen in Norwegen nach dem "Zusammenbruch des Reiches" ver- halten werden. Während von Teilen der Bevölkerung angenommen wird, daß die Besatzungs- truppen in diesem Falle kapitulieren werden, meint man in anderen Kreisen, daß Norwegen als eine letzte Bastion bis zum äußersten verteidigt wird und das norwegische Volk damit alle Schrecken des Krieges werde erleben müssen (vgl. Situationsbericht Nr. 92). Im letzteren

1598 April 1945

Falle werde der Widerstand der deutschen Truppen durch den gemeinsamen Angriff der Alliierten in kürzester Zeit gebrochen werden. Auch Schweden, dessen Eintritt in den Krieg im gegenwärtigen Augenblick von der illegalen Presse für unzweckmäßig gehalten wird, da die Vorteile die für das norwegische Volk in einem solchen Falle entstehenden Nachteile nicht aufwiegen würden, werde in einem solchen Stadium der Entwicklung einen aktiven Beitrag zur Säuberung Norwegens leisten. Sorgen, die ebenfalls geeignet sind, den bestehenden Optimismus zu dämpfen, macht sich die Bevölkerung im besonderen Maße über die künftige Versorgung. Die militärische Ent- wicklung selbst lasse erwarten, daß Lieferungen aus dem Reich bald gänzlich eingestellt würden, nachdem in Deutschland bereits Einschränkungen in der Lebensmittelzuteilung vor- genommen worden seien, da die Ernährungsbasis Deutschlands infolge der bedeutenden Ge- bietsverluste im Osten nicht einmal für die Bevölkerung des nicht besetzten Reichsgebietes ausreiche. So klammert man sich an die Hoffnung, daß es den Engländern und Amerikanern gelingen möchte, die Ernährung des norwegischen Volkes sicherzustellen. Man versucht, sich in diesen Hoffnungen durch Gerüchte stärken zu lassen, nach denen die Bevölkerung in Kirkenes und in der Ostfinnmark mit großen Mengen an Lebensmitteln und Bekleidung be- liefert worden sein soll. Aus Narvik wird hierzu gemeldet, daß in diesen Gerüchten der Grund für die Flucht von Norwegern aus dem dortigen Gebiet in Richtung Kirkenes zu suchen sei. Über Ostern war trotz der Verkehrseinschränkungen und Reiseschwierigkeiten überall ein lebhafter Reiseverkehr festzustellen, der sich aller verfügbaren Verkehrsmittel bediente. Ge- rüchte, wonach sich in den Ostertagen "etwas Besonderes" ereignen werde, wurden häufig besprochen, ohne daß ihnen jedoch die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit besonderes Gewicht beilegte. Die Feiertage verliefen ohne besondere Ereignisse.

Gegnerische Tätigkeit.

Die verstärkte Einflugtätigkeit feindlicher Versorgungsflugzeuge in den letzten Wochen zeigt, daß der Gegner die Ausrüstung, Ausbildung und Versorgung der Mil.Org. schnell zum Abschluß bringen will. Dies geht auch aus schriftlichem Material hervor, das bei Zugriffen gegen die Mil.Org. erfaßt werden konnte. So wird in einem Befehl eines Gebietschefs der Mil.Org. im Bereich Dombaas die Ausgabe der bisher gesammelt gehaltenen Waffen an die Mil.Org.-Gruppen angeordnet. Weiter heißt es in dem Befehl, es seien Uniformen zugesagt, wie sie die norwegischen Infanterietruppen in England hätten. Der Gebietschef erinnert ferner daran, daß sämtliche Mannschaften baldigst im Gebrauch der Waffen instruiert werden müßten und sich bereitzuhalten hätten. In einem Befehl eines Distriktchefs an seine Zellenmänner heißt es u.a., die Arbeit und Aus- bildung in den Gruppen sei gut verlaufen, und es bestehe Anlaß, der weiteren Entwicklung vertrauensvoll entgegenzusehen. Es seien genügend Waffen abgeworfen worden, und er er- warte mustergültige Disziplin und gute Kameradschaft. Zweifellos ist die Mil.Org. darauf vorbereitet, bewaffnete und uniformierte Banden zum aktiven Handeln einzusetzen. Uniformierte Gruppen der Mil.Org., bzw. Gruppen in uniform- ähnlicher Kleidung, wurden in der letzten Zeit in 3 Fällen festgestellt: In den Abendstunden des 10. März wurde der Lensmann in Rauland von einer uniformierten Gruppe entführt. Die Männer trugen braune Uniformen, auf den Ärmeln Fallschirmjäger- abzeichen und norwegische Flagge. An den Mützen war das Abzeichen "H 7" (Haakon VII) angeheftet. In der Nacht vom 14. zum 15. März wurden 8 mit grauen Uniformen bekleidete Männer beobachtet, die die norwegische Flagge als Ärmelstreifen trugen. Es ist anzunehmen, daß sie

1599 April 1945

die Eisenbahnbrücke bei Eggevaag, 60 km westlich von Larvik, gesprengt haben. Eine 12 Mann starke, mit uniformähnlichen Kleidungsstücken ausgerüstete Bande wurde am 13. März im Gebiet von Notodden gestellt. 2 Angehörige der Bande wurden erschossen, die übrigen zum Teil verletzt festgenommen. Die Männer trugen braune Armbinden mit auf- gedruckter norwegischer Flagge. In den Morgenstunden des 29. März wurde eine zentrale Anlaufstelle im Gebiet nördlich von Otta ausgehoben. Bei dem sich entwickelnden Feuergefecht wurde der Leiter der Außen- dienststelle der Sicherheitspolizei und des SD Dombaas getötet und ein deutscher Kraftfahrer leicht verletzt. Ein Angehöriger der Mil.Org. wurde erschossen und ein führender Agent schwer verwundet. Bei diesem Unternehmen wurden Abwuifplätze ausfindig gemacht und in einer selbstgebauten Hütte eine Funkstation mit Gerät und Unterlagen erfaßt. Der Funker wurde auf der Flucht erschossen. Bei dieser Funkstation handelt es sich vermutlich um eine Funkstelle des innernorwegischen Funknetzes. Unter dem sichergestellten Material befindet sich eine genaue Ausarbeitung über die geplante Zerstörung der Hochfrequenzanlage des Tele- fon-Verstärkeramtes in Otta. Die Leitung der Mil.Org. wollte zur Durchführung des geplanten Anschlags 10 deutsche Uniformen liefern. Weitere gute Erfolge bei der Aushebung von Sendern wurden im Bereich Oslo, Bergen und Drontheim erzielt: Im Walde bei Movatn (Bereich Oslo) wurde ein Sender ausgehoben, wobei Funker und Bewacher erschossen und 6 Personen festgenommen wurden. Ein Sendegerät, Funkunterlagen und Maschinenwaffen wurden sichergestellt. Im Gebirge bei Brettvik (Bereich Bergen) wurde eine Funkstation des britischen Schiffs- meldedienstes ausgehoben. Dabei wurde ein Agentenfunker festgenommen, ein anderer ver- starb an den im Verlauf eines Feuergefechtes erlittenen Verletzungen. Diese Agenten waren im August 1944 durch ein englisches Kriegsfahrzeug in der Nähe von Brettvik an Land gesetzt worden. 3 Sendegeräte, 1 Empfänger, sonstiges Funkgerät und Waffen wurden sichergestellt. Bei Aufrollung der Mil.Org. Volda (Bereich Drontheim) wurde der Standort von 2 Sende- stationen bei Oksavik in einer Felsenhütte ermittelt und ausgehoben. Die Funker konnten nicht mehr erfaßt werden, da sie einige Zeit vorher von einem Motorboot nach England abgeholt worden waren. Bei diesen Sendern handelte es sich um Wetter- und Schiffsmeldestationen, die seit Mai 1944 arbeiteten. 2 Sendegeräte und sonstiges Material wurde sichergestellt. Wie die gegnerischen Organisationen auch an einer Durchsetzung des mittel- und nord- norwegischen Raumes interessiert sind, zeigt die Aushebung einer Nachrichtenorganisation im Raum Tognan und Saltan. Diese Organisation erhielt über Schweden Aufträge für den Ausbau der Mil.Org. und für die Durchführung von Brückensprengungen. Gleichzeitig war sie Schleusenorganisation für Personen, Pakete und Briefe nach Schweden. In Mo i Rana wurde eine ähnliche Flüchtlings- und Sabotageorganisation ermittelt und ausgehoben. Sie stand unter der Leitung eines ehemaligen norwegischen Leutnants, der diese Gruppe im Auftrage des norwegischen Majors Dahl in Stockholm zu dem Zwecke ge- gründet hatte, Fotoapparate und Rundfunkgeräte von Schweden nach Norwegen zu bringen, sowie illegale Post und die von seinen Agenten gefertigten Berichte über militärische Anlagen und Transporte über die Grenze nach Schweden zu schaffen. Der Leutnant hält sich jetzt ver- mutlich in Schweden auf, wo er mit der militärischen Ausbildung von Norwegern befaßt ist. Die gegnerische Sabotagetätigkeit richtete sich weiterhin in erster Linie gegen das Trans- portwesen, wobei wiederum die von Oslo nach Süden führenden Eisenbahnstrecken die Ziele waren: Am 21. März wurde die Eisenbahnstrecke Drammen-Kongsberg zwischen Mjöndalen und Steinberg auf einer Länge von 150 m 3mal gesprengt. 7 weitere Sprengladungen konnten rechtzeitig entfernt werden.

1600 April 1945

Am 24. März erfolgte ein Sprengstoffanschlag gegen 2 Eisenbahntankwagen auf der Bergensbahn zwischen Hol und Rottenheim, wobei die mit Öl gefüllten Wagen ausliefen. Am 26. März wurden an der Eisenbahnstrecke Kongsberg-Nordagutu zwischen den Stationen Saggrenda und Meheia 2 Masten der Starkstromleitung gesprengt und 4 weitere Masten beschädigt. Am 27. März erfolgte ein Sprengstoffanschlag gegen 2 Hochspannungsmasten an der Strecke Kongsberg-Nordagutu zwischen den Stationen Öysteinstul und Hjusebe [Hjukseb0]. Am 30. März wurde die 10 m lange Eisenbahnbrücke der Strecke Drammen-Tönsberg in der Nähe der Station Skoger gesprengt und ein Anschlag gegen eine Eisenbahnbrücke zwischen Kambo und Moss verübt. Weitere Sabotageanschläge richteten sich gegen ein Wasserrohr der Talsperre in Sandviken, gegen eine Knottfabrik in Moss und gegen einen Sauerstofftank bei Sandefjord. Die Zahl der Terrorakte gegen Einzelpersonen und der Raubüberfälle ist etwas gesunken: Am 19. März wurde der Lensmann aus Örje von 3 unbekannten Männern erschossen. Am 26. März überfielen 3 bewaffnete Männer die Wohnung eines Norwegers in Lilleström und raubten Silbersachen und Kleidungsstücke. In Harstad wurde auf ein norwegisches Lager ein Raubüberfall ausgeführt und 60 000 Zigaretten, mehrere Pakete Tabak und größere Mengen Zigarettenpapier gestohlen. Am 3. April wurde das Maschinenhaus im Dampfsägewerk Drammen, das zu 85% fur die Wehrmacht arbeitete, durch Brand vollständig vernichtet. Ob Sabotage vorliegt, ist noch un- geklärt. Bei der Straßenkontrolle am 3. 4. bei Grefsen-Sanatorium wurde ein Lieferwagen an- gehalten, dessen Fahrer eine Pistole bei sich hatte. In Verfolgung dieser Spur konnten 2 Taucheranzüge, Sabotagematerial und einige Waffen sichergestellt und eine Sabotage- sowie Flugblattgruppe aufgerollt werden. Durch die Funkmeß-Stelle Oslo wurde auf einer Insel des Lutsivanned (östlich Sandnes) ein Agentensender festgestellt. Bei dem Versuch an die Insel heranzukommen, wurden die Boote beschossen, wobei der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Stavanger, SS- Obersturmbannführer W i l k e η s, und ein Leutnant fielen. Ein Angehöriger der Funkmeß- Stelle Oslo wurde verletzt. Am 4. April erfolgte im Schmieröllagerschuppen auf dem Gelände der Eisenbahnwerkstätte in Drammen eine Explosion, die einen Brand verursachte. Die Feuerwehr war durch blinden Alarm an [an]derer Stelle gerufen worden.

Kirche.

Über den bereits in den "Meldungen aus Norwegen" berichteten Vorschlag des Bischofs F r ö y 1 a η d, die verwiesenen Geistlichen freizugeben bzw. zurückzuberufen und auch den ehemaligen Bischof Berggrav freizulassen, um dadurch eine Beilegung der Kirchenspal- tung zu erreichen, fand Ende März eine Besprechung zwischen Kirchenminister Skancke und Bischof F r ö y 1 a η d statt. Skancke gab zu, daß er eine Beilegung des Kir- chenkonfliktes für vorteilhaft ansehe und daß dies ein schwerer und wirksamer Schlag gegen die politische Opposition und Heimatfront, sowie gegen die Londoner Exilregierung bedeuten würde. Er stehe jedoch auf dem Standpunkt, daß sich die Pfarrer bei einer Freilassung ver- pflichten müßten, gegen Haß und Bürgerkrieg zu wirken und gegen Sabotage und Terror zu reden. Außerdem müßten sie eine Erklärung gegen den Bolschewismus unterschreiben. Es sei jedoch zu erwarten, daß die wieder eingesetzten Pfarrer nicht wagen würden, etwas gegen den Terror zu unternehmen. Er schlug Fröyland vor, er solle nach der Insel Helgöya fahren und mit den dort internierten Bischöfen und Pfarrern unterhandeln. Fröyland entgegnete, dies sei

1601 April 1945 ganz unmöglich, weil er auf diese Herren wie das rote Tuch auf den Stier wirke. Er halte es für besser, wenn Skancke selbst mit Berggrav spräche, denn Berggrav sei in Wirklichkeit gar nicht so aggressiv, und es sei ein Irrtum zu glauben, daß Berggrav die eigentlich treibende Kraft des Widerstandes gewesen sei. Skancke entließ F r ö y 1 a η d mit der Bemerkung, er wolle sich den Vorschlag einer Rücksprache mit Berggrav überlegen. Bei der Lage der Dinge erscheint es sehr zweifelhaft, ob die abgesetzten und verwiesenen Geistlichen von einer evtl. Erlaubnis, zurückzukehren und ihren Pfarrdienst wieder aufzu- nehmen, überhaupt Gebrauch machen würden. Bei der Entwicklung der militärischen Lage Deutschlands betrachten die Pfarrer ihr "Märtyrertum" als sehr zukunftsreich und wollen es nach Möglichkeit beibehalten. Sie würden nur dann zurückkehren, wenn ihre alten Bischöfe einschließlich Berggrav freigelassen und wieder eingesetzt würden und wenn sie dann von diesen zurückgerufen würden. Bischof F r ö y 1 a η d äußerte sich einem Gewährsmann gegenüber dahingehend, es sei klar, daß die NS-Bischöfe alle zurücktreten müßten, wenn der frühere Zustand wieder her- gestellt werden würde. Die Mehrheit des Bischofkollegiums sei auch ohne weiteres dazu bereit, in der Erwartung, daß sie dann mit gewöhnlichen Pfarrämtern versehen würden. (In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß Fröyland sich bereits eine neue Pfarrstelle angesehen haben soll.) Ohne Fühlungnahme mit Berggrav seien alle Maßnahmen zwecklos. Nur Berggrav und der in Grini befindliche Professor H a 11 e s b y könnten gemeinsam etwas ausrichten; auch würden diese beiden den Mut haben, gegen Sabotage und Terror aufzutreten. Ferner wären diese beiden die einzigen, die bei den übrigen Geistlichen genügend Autorität besäßen und diese würden auf sie hören. Es würde eine Spaltung der Oppositon erreicht werden, und diejenigen, die gegen Sabotage und Terror seien - und dies seien nicht wenige -, hätten autoritäre Sprecher und eine Führung, während sie jetzt, da sie führerlos seien, sich nicht zu rühren wagten.

Tätigkeit des norwegischen, schwedischen und dänischen Roten Kreuzes.

Die Zusammenarbeit des norwegischen, schwedischen und dänischen Roten Kreuzes hat sich in letzter Zeit immer enger gestaltet. Der Präsident des norwegischen Roten Kreuzes, Direktor Heyerdahl, stattete im Laufe dieses Jahres dem Präsidenten des schwedischen Roten Kreuzes, Prinz Karl und dem Präsidenten des dänischen Roten Kreuzes, Kammerherrn Β ü 1 o w, Besuche ab, um die Beziehungen zwischen dem norwegischen sowie dem schwedischen und dänischen Roten Kreuz zu vertiefen und möglichst große Hilfeleistungen für Norwegen zu erreichen. Das schwedische und das dänische Rote Kreuz ließen dem norwegischen Roten Kreuz beträchtliche Unterstützungen zuteil werden. Präsident Heyerdahl sandte dem Prinzen Karl zum Geburtstag ein - auch in der schwedischen Presse und im schwedischen Rundfunk beachtetes - Telegramm, in dem es u.a. heißt: "Ihre Kgl. Hoheit bedeuten für uns in Norwegen den besten Vertreter des Roten Kreuzes. An die wärmsten Wünsche für Sie und Ihre große humanitäre Arbeit knüpfen wir einen auf- richtigen und tiefgefiihlten Dank für die erwiesene Hilfe und das Mitgefühl, das Sie uns in einer schweren und schwierigen Zeit erwiesen haben." Der Vizepräsident des schwedischen Roten Kreuzes, Graf Bernadotte, erhielt bei seinen wiederholten Besuchen in Berlin die grundsätzliche Zusage des Reichsführers-SS und Zu- stimmung des Reichsaußenministers zur Überführung der in verschiedenen Konzen- trationslagern im Reich befindlichen norwegischen und dänischen Häftlinge, einschließlich der Polizeibeamten und norwegischen Studenten, in ein gemeinsames Sammellager in Neuengamme bei Hamburg.

1602 April 1945

Die bereits angelaufene Überführung der Häftlinge und ihre Betreuung erfolgt durch das schwedische und das dänische Rote Kreuz, die eine größere Kraftwagenkolonne, Personal, Lebensmittel und Medizin zur Verfugung gestellt haben. Weibliche Häftlinge werden von dieser Maßnahme nicht betroffen. Das schwedische Rote Kreuz teilte dem Präsidenten Heyerdahl mit, daß es sich hierbei nicht nur um ein politisches Entgegenkommen Deutschlands gegenüber Schweden, sondern auch um eine Geste handle, die sowohl dem Roten Kreuz wie auch Skandinavien gelte. Dem Grafen Bernadotte habe man in Berlin erklärt, "Deutschland fühle sich trotz allem mit den nordischen Völkern verbunden." Präsident Heyerdahl bedankte sich beim schwedischen Roten Kreuz für diese "prachtvolle und großzügige Hilfe."

Wirtschaft.

Allgemein. Die allgemeine Lage auf dem Wirtschaftssektor hat in der Berichtszeit keine wesentlichen Änderungen erfahren. Die durch die bekannten Ursachen stark angespannte Rohstoff-, Ver- kehrs- und Versorgungslage läßt durch das Eintreten weiterer Einflüsse (z.B. Sabotageakte) sachlich, örtlich und zeitlich wechselnder Art Schwerpunkte bzw. besondere Krisenlagen ent- stehen, die immer wieder die Abhängigkeit der norwegischen Wirtschaft vom Funktionieren der Zufuhren und des Verkehrsnetzes deutlich machen. Aus diesem Grunde steht der Holzeinschlag zur Beschaffung des Heizstoffes an Stelle der nun fast völlig zur Neige gegangenen Kohlenvorräte und damit zur Aufrechterhaltung des allernotwendigsten Bahnverkehrs sowie die Frage der Lebensmittelversorgung im Vorder- grund der Sorgen der Behörden und der Bevölkerung. Im übrigen waren bereits längere Zeit vor Ostern die Auswirkungen der in Norwegen traditionellen "Osterruhe" zu verzeichnen. Trotz der schwierigen Verkehrsverhältnisse haben, wie Berichte aus den verschiedensten Landesteilen erkennen lassen, insbesondere führende Wirtschaftskreise auf den üblichen Land- bzw. Hüttenaufenthalt nicht verzichtet, um eine längere Abwesenheit in Anlehnung an den üblichen Osterurlaub im Hinblick auf die militärische Entwicklung planmäßig als Gelegenheit auszunutzen, unmittelbar bevorstehenden militärischen, politischen oder polizeilichen Aktionen auszuweichen, bzw. um der Notwendig- keit eigener Entschlüsse zu entgehen. Aus Bergen wird berichtet, daß an der Westküste von der Osterruhe lediglich die Fischerei und die davon abhängigen Wirtschaftszweige ausgenommen waren. Die über Erwarten günstigen Fangergebnisse riefen hinsichtlich der Verwertung laufend neue Schwierigkeiten hervor, (Salzmangel, Kohlenmangel in den Heringsmehl- und Ölfabriken, Transportschwierig- keiten). Da der Abtransport, bzw. die Verwertungsmöglichkeit infolge der vorher geschilderten Mangelzustände begrenzt war, wurde versucht, möglichst viele Heringe an die Küsten- bevölkerung abzugeben. Auch die Betriebe wurden aufgefordert, für ihre Belegschaften Heringe einzusalzen. Wie bereits erwähnt, führen die Transport- und Rohstoffschwierigkeiten zu zeitlich und örtlich unterschiedlichen Engpässen bei verschiedenen Versorgungsgütern, die bei Lebens- mitteln jedoch bisher überbrückt werden konnten. Z.Zt. wird im Bezirk Tromsö über Schwierigkeiten bei der Brotversorgung geklagt. Die

1603 April 1945 geringen vorhandenen Läger reichen nur noch für kurze Zeit. Angekündigte Zufuhren aus dem Süden sind noch nicht eingetroffen. Genereller Mangel herrscht überall einheitlich an Kunstdünger, dessen Zufuhr infolge Man- gel an Transportmöglichkeiten und Treibstoff nicht möglich sei. Die vorhandenen Bestände stellen zwischen 20 bis 40% des eigentlichen Bedarfes dar. Aus den Bereichen Narvik und Tromsö werden bedeutende Frostschäden am Saatgetreide gemeldet. Im übrigen wird überall einheitlich auf den Kartoffelmangel und - daraus resultierend - auf die Gefahr der Verminderung des Bestandes an Saatkartoffeln hingewiesen. Trotz der steigenden Versorgungsschwierigkeiten und der sich deutlich abzeichnenden Ge- wißheit, daß mit den vorhandenen Vorräten gewisser Lebensrnittel der Anschluß an die nächs- te Ernte bei den derzeitigen Rationssätzen nicht erreicht werden wird und auch mit Zufuhren aus dem Reich nicht mehr zu rechnen ist, haben die norwegischen Behörden trotz aller Hin- weise im übrigen noch immer keine Lebensmittelkürzungen ausgesprochen. Hinsichtlich der Holzbeschaffung für den Bahnverkehr liegen Meldungen vor, die besagen, daß trotz der teilweise vorhandenen Holzvorräte befürchtet werden muß, daß die Eisenbahn- transporte nicht immer aufrecht zu erhalten sein werden. Teilweise bestünden hinsichtlich der Verwendung lagernden Holzes zwischen Landwirtschaftsdepartement, Generatorausschuß und der Staatsbahn Unklarheiten. Aus Kristiansand wird hierzu berichtet, daß Anfragen, in denen um Entscheidung gebeten wurde, bisher unbeantwortet blieben. Die dem Holzeinschlag entgegenstehenden Schwierigkeiten sind unverändert groß. Die Waldeigentümer zeigen von sich aus kein Interesse an der Erfüllung der ihnen gemachten Auflagen mit dem Hinweis, daß die eigentliche Einschlagszeit (Winter) und damit die Mög- lichkeit eines leichteren Abtransportes des Holzes bereits vorüber sei. Auch die Tatsache, daß aus vergangenen Einschlagsperioden teilweise noch große Bestände nicht abtransportiert wer- den konnten, wird als Grund für die Unlust zu neuen Einschlägen angegeben. Bei den privaten Waldbesitzern kommt dazu noch die Preis- und Lohnfrage, die zu einem Mangel an Arbeits- kräften führe. Angebliche Tarifüberschreitungen deutscher Dienststellen bei der Bezahlung der gleichen Arbeiten werden als Grund für das Fernbleiben der zur gewöhnlichen Waldarbeit ausgeschriebenen Arbeiter und damit z.T. als Ursache der Nichterfüllung der geforderten Kon- tingente angegeben. Als besonderes markantes Beispiel, wie in einzelnen Einschlaggebieten gearbeitet wird, bzw. wie wenig die geplanten Kontigente erfüllt werden, zeigt nach einer Meldung aus Kristiansand das Ergebnis im Lensmannsbezirk Aaserai. Dort seien von den in der Einschlagsperiode auf- erlegten 750 Maal bisher nur 50 Maal erreicht worden. Für den Holzeinschlag wurde im übrigen in letzter Zeit von der Heimatfront für Wald- besitzer, Bauern und Arbeiter eine illegale Anweisung herausgegeben, die unter Hinweis auf die ungünstige deutsche Kohlenversorgungslage die ergangenen Einschlagsbefehle als brutale und die norwegische Forstwirtschaft im großen Umfange schädigende Maßnahme hingestellt [!]. Aus diesem Grunde soll der Holzeinschlag für deutsche Zwecke nach Möglichkeit sabotiert werden. Andererseits wird jedoch dargelegt, daß man für eigene Belange binnen kurzer Zeit großen Bedarf an Holz haben werde. Für diesen zukünftigen Verbrauch sollen Waldbesitzer und Bauern den Einschlag in größtmöglichem Umfange in Gang setzen und alle freien Arbeitskräfte dazu ausnützen. Die unter dem Einfluß der allgemeinen Lage zu beobachtende Zurückhaltung dürfte, durch diese Anweisung weiter gefördert, demnach auch hinsichtlich des Holzeinschlages ihre Aus- wirkungen haben.

1604 April 1945 BdSudSD Oslo, Tagesbericht Nr. 26 vom 10. April 1945, gez. Fehlis RAO/RK/HSSPF/SIPO-SD/Eske 3

1. Bei Aufrollung der Mil. Org im Bereich Lillehammer wurde ein Waffen- und Sabotage- mittellager erfaßt. Sichergestellt wurden: 27 engl. Maschinenpistolen, 103 Magazine für Maschinenpistolen, 2 Revolver, 7200 Schuß MPi-Munition, 3 Haftminen, 4 große Rollen Knallzündschnur, 8 kleine Rollen Zündschnur, 215 Rollen Plastik-Sprengstoff, 59 Zeitzünder, 120 Sprengkapseln, 48 Schienenzünder. 2. Die bei der Aufrollung der Mil.Org. in Os entflohenen Agenten (vgl. Tagesber. v. 5. 4. Ziff. 4) wurden nach ihrer Rückkehr aus dem Gebirge festgenommen. Der zunächst als ab- gestürzt gemeldete Agent hatte sich lediglich in einer Felsspalte verborgen gehalten. Durch die Vernehmung eines der Agenten wurde ein Sabotagelager bekannt und ausgehoben, das aus 15 Eisenfássern und 11 Kisten mit Sabotagematerial, 2 Kisten mit MP-Munition und Eierhand- granaten bestand[.] Darüber hinaus wurde ein Zugriff gegen die Mil.Org. im Räume Voss ge- führt und 24 Mil.Org.-Angehörige festgenommen. 3. Bei den Ermittlungen gegen die Mil.Org. (vgl. Tagesber. v. 9. 3. Ziff. 4 und 26. 3. Ziff. 6) wurde eine Mitarbeiterin der Mil.Org.-Nachrichtenorganisation "Efterlysningsvesenet (EV)" festgenommen. Sie hatte als Sekretärin des Osloer Postamtes die Herstellung von Fotokopien und Auswertung von Briefen deutscher und norwegischer Dienststellen für die Mil.Org. er- möglicht. Der inzwischen festgenommene Leiter der illegalen Polizeigruppe innerhalb der norwegischen Staatspolizei, der Staatspolizeibeamte Strenge-Naes, war von der Efterlysningsvesenet beauftragt, Erkundigungen über einen zu liquidierenden Staatspolizei- beamten einzuziehen. Mit Strenge-Naes wurden 3 weitere Staatspolizeibeamte als Angehörige der illegalen Polizeigruppe festgenommen. Weitere Ermittlungen gegen die Mil.Org. Oslo führten zur Festnahme von 8 Kampfgruppenangehörigen, darunter 3 Truppführem und einem Lagführer. Instruktions- material und Kleinempfanger wurden sichergestellt. 4. Bei der Aufrollung der Flugblatt- und Sabotagegruppe in Oslo (vgl. Tagesber. v. 5. 4. Ziff. 7) wurden bisher 8 Personen festgenommen, darunter der Leiter der Flugblattverteilergruppe. Bei einem 19jährigen Schüler, der mit anderen Schülern zusammen die Verteilung über- nommen hatte und an den Klebe- und Verteileraktionen im Februar stark beteiligt war, wurden etwa 5000 Flugblätter, Hetzschriften und Klebezettel, zum großen Teil in deutscher Sprache, sichergestellt. In der von Angehörigen der Sicherheitspolizei besetzten Wohnung des vermutlichen Leiters der Sabotagegruppe liefen 2 Personen an. Sie versuchten zu fliehen und wurden erschossen. 5. Die weitere Aufrollung der KPN in Bergen (vgl. Tagesber. v. 14. 2. Ziff. 4) führte zur Fest- nahme von 12 Personen, unter ihnen befinden sich ein Kurier der Heimatfront und ein Ver- bindungsmann zwischen Heimatfront und Freiheitsrat.

1605 April 1945

6. Aus einer im Räume Kristiansand abgeschossenen Feindmaschine wurde u.a. folgendes Material geborgen, das zweifellos der Mil.Org. zugefiihrt werden sollte: 4 Maschinengewehre, 8 Maschinengewehrläufe, 11 Maschinenpistolen, 1 schallgedämpfte Maschinenpistole, 28 Seitengewehre, 40 Infanteriegewehre, 1 Mehrladegewehr, 3 Revolver, 2 Leuchtpistolen, 58 MPi-Magazine, 61 SMG-Magazine, 5 Magazine für Mehrladegewehr, 104 Gurte mit je 50 Schuß Infanteriemunition, etwa 9000 Schuß Infanteriemunition, etwa 3000 " 9 mm Munition 3 Kleinempfänger, 1 Sendeempfangsgerät,

4 Spulenkästen, 2 Feldtelefone, 23 Schachteln mit Bleistiftzündern, 7 Stücke Gummidynamit, 2 Rollen Kabel, und verschiedene Werkzeuge, Bekleidungs- und Wäschestücke. Ein Teil der Waffen und alle Geräte sind beschädigt und unbrauchbar. 7. In der Nacht zum 6. 4. wurden gegen die Elektromotoren- und Dynamo-Werkstätte Vikleri in Tönsberg ein Sprengstoffanschlag verübt. Ein dort zur Reparatur befindlicher Elek- tromotor für den Hebekran der Kaldnes Werft in Tönsberg, mehrere kleinere Elektromotoren sowie Kraftwagenanlasser wurden zerstört. Der Betrieb arbeitet zu 30% fur die Wehrmacht. 8. In der Nacht zum 6. 4. wurden 2 Sauerstoffkompressoren der Firma Vera in Sandefjord durch Sprengstoffanschlag vernichtet. 9. Am 7. 4. gegen 22.50 Uhr wurde im Hafen von Rognan (Bereich Bodo) ein Sprengstoffan- schlag auf einen Kutter der Transportflotte Speer verübt. Es entstand leichter Schaden. Am 8. 4. erfolgte ein Sprengstoffanschlag auf die neue Fähre (300 t) in Rognan. Es entstand erheblicher Schaden. Personenverluste traten nicht ein. 10. Am 8. 4. wurde auf der Eisenbahnstrecke Nordagutu-Lunde zwischen den Stationen Gvarv und Akkerhaugen die Kontaktleitung gesprengt. 11. In den Morgenstunden des 7. 4. wurde der Lensmann Rönningen aus Eidanger auf der Straße erschossen aufgefunden. 12. Im Stadtgebiet von Oslo wurde die Hetzschrift "Judaspenger er daarlig forretning" (Judas- lohn ist ein schlechtes Geschäft) verbreitet, in Kristiansand handgeschriebene Klebezettel in norwegischer Sprache mit einem Aufruf zur Unterstützung der "Neuen norwegischen Sowjet- regierung".

1606 April 1945

13. Nach einer am 5. 4. im Löwenbräu und anderen Lokalen von Oslo durchgeführten sicher- heitspolizeilichen Razzia wurden 68 Frauen und Mädchen dem Gesundheitsamt vorgeführt. 13 waren geschlechtskrank.

BdSudSD Oslo, Bericht über die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit im 1. Viertel- jahr 1945 (Stand: 20. 3. 45) vom 11. April 1945, gez Fehlis BA/MA Film 107

1. Kommunismus.

Zentralkomitee der KPN Die Ermittlungen gegen Angehörige des Zentralkomitees der KPN führten im vergangenen Vierteljahr zu guten Erfolgen. In Drammen wurde der langgesuchte Kommunist und Angehörige des Zentralkomitees, Sigmund M a t h i e s e η, (Deckname: "Guttorm" und "Dr. Jar") festgenommen. M a t h i e - sen war ehemaliger Kurier und Studienleiter der KPN, gehörte längere Zeit zum Haupt- quartier der politischen Abteilung der kommunistischen Landesleitung und stand mit dieser bis zuletzt in engster Verbindung. Vom Leiter der KPN, Peder F u r u b o t n, war er mit der Ausarbeitung des kommunistischen Schulungsmaterials beauftragt worden. Das von ihm zusammengestellte Material ging fertig ausgearbeitet und zusammengefaßt den einzelnen Distriktsschulleitern zur Unterrichtung zu. Auf Grund der Vernehmung des M a t h i e s e η konnten noch zwei Kuriere der KPN, darunter der persönliche Kurier des M a t h i e s e η festgenommen werden. Sie waren im Besitze der neuesten Instruktionen des Hauptquartiers und des neuesten Flugblattmaterials, darunter der fertigen Matrizen zu "Radio nytt". Die Fest- nahme dieser Kuriere ergab weitere Hinweise auf die Postzentrale in Drammen, die aus- gehoben werden konnte. Der Postverteiler und weitere 10 Personen wurden festgenommen. Sie standen mit den Postzentralen in Drammen und Oslo in Verbindung. Ein Mittelsmann zwischen der Zentrale in Drammen und Oslo wurde auf der Flucht erschossen. Bemerkenswert ist, daß eine Angehörige der Postzentrale über Mittelspersonen in Oslo Ver- bindung nach dem Polizei-Häftlingslager Grini unterhielt und auf diesem Wege Mitteilungen in das Lager und aus dem Lager schmuggeln ließ (Januar 1945). Weitere Ermittlungen gegen die Angehörigen des Zentralkomitees der KPN führten ferner zur Festnahme des seit langem gesuchten Kommunisten Johannes L a η d f a 11. L. war früher Leiter der kommunistischen Partei in Telemark und später Leiter der kommunistischen Bauernorganisation. Er wurde im Dezember 1943 neben dem noch flüchtigen Kommunisten Thorolf S ο 1 h e i m von F u r u b o t η beauftragt, die Bildung eines "Freiheitsrates" für Norwegen zu organisieren. Er hatte es verstanden, insbesondere in Östland auch bürgerliche Persönlichkeiten für diese Tarnorganisation der Kommunisten zu gewinnen und ein vor- läufiges Organisationskomitee für den Freiheitsrat zu gründen, an dessen Spitze er sich selbst gestellt hatte. Wegen dieser Erfolge wurde er im Frühjahr 1944 als Mitglied in das Sekretariat des Zentralkomitees der KPN aufgenommen. Auf Grund der Vernehmung des L a η d f a 11 wurden 26 seiner Mitarbeiter bekannt und festgenommen. Es handelt sich vorwiegend um Intellektuelle, die zur Mitarbeit im Freiheitsrat oder in den Spezialkomitees geworben worden waren. Es konnte festgestellt werden, daß Landfall Futubotn den Plan vorgetragen hatte, auf "demokratischer" Grundlage sogenannte "Spezialkomitees" zur Lösung der kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Fragen zu schaffen und diesen ein "Zentral- Plankomitee" als Führungsstelle vorzusetzen. Auf diese Weise sollte eine neue Basis für eine Zusammenarbeit mit der Heimatfront bzw. für die endgültige Übernahme der Führung des

1607 April 1945 gesamten Widerstandes in Norwegen durch die KPN geschaffen werden. F u r u b o t η war mit diesem Plan einverstanden. Infolge der Festnahme des L a η d f a 11 kam es nicht mehr zu seiner Durchführung.

KPN-Funktionäre Auf Grund weiterer Ermittlungen in Sachen "Landfall" gelang es am 9. 2., den seit 1940 flüch- tigen KPN-Funktionär Thorkel Andreas Jakobsen, Deckname: "Ström", in Bergen fest- zunehmen. Jakobsen war früher politischer Leiter der illegalen KPN für den Bezirk Oslo und au- ßerdem Sabotageleiter und militärischer Leiter für Oslo-Ost. In letzter Zeit führte er die il- legale KPN im Bezirk Vestfold und stand in enger Verbindung mit dem Leiter des "Freiheits- rates" in Vestfold, Thorolf S o 1 h e i m, Deckname "Johannes". Weitere 7 Personen, die mit Jakobsen in Verbindung standen, wurden ebenfalls festgenommen. Auf Grund der ge- wonnenen Kenntnisse konnte die Druckerei der illegalen Zeitung "Norsk Vilje" in Bergen ausgehoben werden. Eine komplette Setzerei mit fertigen Drucksätzen für die Hetzschrift sowie eine größere Menge fertiggestellter Exemplare wurden erfaßt. Aus der Vernehmung des "Ström" ergibt sich hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen KPN, Heimatfront und Mil.Org., daß seitens der Mil.Org. versucht wurde, kommunistische Teiroristen von Bergen nach England zu schaffen, um auf diese Weise deren Einfluß auszuschalten. Im Zuge weiterer Ermittlungen gegen die KPN in Bergen wurden 21 Personen fest- genommen, die sich zum Teil als Funktionäre innerhalb der KPN betätigt hatten. 2 von ihnen widersetzten sich ihrer Festnahme und wurden durch Schüsse verletzt. Einer der Fest- genommenen war Hersteller falscher Grenzzonenausweise; bei ihm wurden Blankoformulare, Stempel und Matrizen sichergestellt.

Kommunistische Sabotage- und Terrorgruppen Im Bereich Drammen wurde im März eine etwa 11 Mann starke kommunistische Sabo- tagegruppe ermittelt, von der 6 Mann festgenommen werden konnten, darunter der 28-jährige Gerhard Haddeland, der an folgenden Sabotageanschlägen beteiligt gewesen war: 1. Sprengstoffanschlag gegen die Knottfabrik in Kongsberg im September 1944. 2. Anschlag gegen einen der NS angehörigen Wachmann der Kongsberger Waffenfabrik im September 1944. 3. Anschlag gegen die Dienststelle der deutschen Sicherheitspolizei in Drammen, bei dem ein Dienststellenangehöriger verletzt wurde. In Stavanger, wo bereits im Dezember des vergangenen Jahres ein erfolgreicher Zugriff gegen eine kommunistische Terror- und Sabotagegruppe unternommen worden war, gelang es, diese Gruppe weiter aufzurollen. 20 Mitglieder der Gruppe wurden festgenommen, darunter der Bruder des bei der ersten Aktion festgenommenen Leiters der kommunistischen Organisation in Stavanger und ein Angestellter eines Lensmannes, der für kommunistische Agenten ge- fälschte Ausweise ausgestellt hatte.

2. Heimatfront.

Fachgruppen der Heimatfront Nachdem Ende Oktober vorigen Jahres in Oslo die Fachgruppe der Heimatfront für Wirt- schaft und Industrie ausgehoben worden war, konnte zu Beginn dieses Jahres auch die Gruppe Handwerk aufgedeckt werden. Sie setzte sich aus führenden Vertretern verschiedener Hand-

1608 April 1945 werkberufe zusammen und gab ensprechend den von London gegebenen Richtlinien die Paro- len fiir den illegalen Kampf der norwegischen Handwerker heraus. U.a. wurde ein Kürsch- nermeister, ein Instrumentenmacher, ein Schreinermeister und ein Goldschmied fest- genommen. Ein weiteres Mitglied dieser Gruppe, der in Oslo bekannte Buchdrucker Emil Μ o s tue, ist flüchtig.

Heimatfront Stavanger Im Bereich des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Stavanger gelang es, die dortige Organisation der Heimatfront aufzurollen. Es wurde festgestellt, daß sie von dem Ad- vokaten Andreas C α ρ ρ e I e η, der im Herbst 1944 flüchtete, aufgebaut und geleitet worden war. Der Vertreter Cappelens, der die Leitung nunmehr übernommen hatte, Ingenieur Olaf F1 a t h e i m, der Finanzleiter, der Sachbearbeiter für soziale Fragen, der Propaganda- leiter und etwa 30 andere Mitglieder wurden festgenommen, Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Leiter einer Organisation für stille Betriebssabotage, Bjarne O 1 s s ο η, sowie 7 Bezirksleiter dieser Organisation, die sich zum Ziele gesetzt hatte, wehrwichtige Be- triebe zu sabotieren, wichtige Maschinen durch Herausnehmen von Maschinenteilen un- brauchbar zu machen und eine sogenannte "Werkpolizei" zu gründen, die bei einer Invasion in Tätigkeit treten und eine etwaige Flucht der Arbeiter aus den Betrieben verhindern sollte.

Heimatfront Vest-Agder Im Bereich der Außendienststelle Kristiansand wurde die Heimatfront-Organisation fiir den Bezirk Vest-Agder zerschlagen. Der Leiter Harald D e h 1 i η, der gleichzeitig Leiter einer Flüchtlings- und Unterstützungsorganisation für die Angehörigen flüchtiger oder fest- genommener Personen war, wurde mit 15 Männern, die er als Fachgruppenleiter der Heimat- front oder als deren engste Mitarbeiter eingesetzt hatte, festgenommen. Es handelt sich bei den Festgenommenen u.a. um einen Arzt, einen Zahnarzt, einen Rechtsanwalt, einen Lehrer, einen Lektor und einen Polizeibevollmächtigten. Sie standen jeweils Fachgruppen ihrer Berufe vor. Der Fachgruppenleiter für die Polizei (NS-Mitglied) beschaffte außerdem für die Flüchtlings- organisation falsche Grenzausweise. Als Hauptverteiler der Unterstüzungsgelder wurden 5 Personen festgenommen. In der Zeit vom Juni 1944 bis Januar 1945 wurden 60 000 Kronen ausgezahlt. Unter weiteren festgenommenen 34 Personen befinden sich 3 Hauptverteiler und ein Schrift- leiter für die von der Heimatfront Vest-Agder herausgegebene illegale Zeitschrift "Sörlandsfront", zu der Material aus illegalen Schriften verwendet wurde, die der Bezirks- leitung von Oslo aus zugeschickt wurden.

3. Militärorganisation.

In der Berichtszeit wurden der Mil.Org. in den verschiedenen Teilen Norwegens empfindliche Schläge zugefügt. Kristiansand In Aamli und Treungen (Bereich Kristiansand) wurde im Januar die Mil.Org. aufgerollt und dabei 1 Gruppenführer, 10 Lagfiihrer und weitere Angehörige der Mil.Org. festgenommen. Folgende Waffen und Ausrüstungsgegenstände wurden sichergestellt: 2 Maschinengewehre, 2 Ersatzläufe für Maschinengewehre, 42 Magazine, 47 Maschinenpistolen,

1609 April 1945

2 USA-Militärgewehre, 4 USA-Revolver, 119 Handgranaten, 11 Dosen Handgranatenzünder, 4 Haftminen, 400 Rollen Dynamit zu je 250 gr, 3 Säcke Dynamit zu je 5 kg, 24 Rollen Schießbaumwolle, 71 Dosen Bleistiftzünder, 3 Dosen Zug- und Druckzünder, 21 m Zeitzündschnur, 1 Kiste mit ca. 350 Sprengkapseln, 19000 Schuß Munition 9 mm, 6260 Gewehrmunition, 550 Pistolenmunition, 3 Kleinst-Empfangsgeräte. Os bei Bergen Bei der Aufrollung der Mil.Org. im Räume Os bei Bergen wurden 2 Waffenlager auf der Halb- insel Ölen und ein drittes auf der Insel Langöy ausgehoben. Dabei wurde folgendes Material sichergestellt: 28 Maschinenpistolen, 216 Magazine, 12130 Schuß Munition, 582 Handgranaten, 24 Kisten Sabotagematerial. Hurum bei Drammen In Hurum, südlich Drammen, wurde ein Bekleidungslager der Mil.Org ausgehoben und 11 Mil.Org.-Angehörige festgenommen. Sarpsborg Bei einer Suchaktion nach einer Mil.Org.-Gruppe in der Nähe von Sarpsborg (Östfold) wurde ein verlassenes Lager gefunden, das aus 5 getarnten Bunkern bestand. Gefunden wurden: 1 vollständige Funkanlage, 10 leere Waffenbehälter, mehrere Fallschirme, 1 Sanitätslager und Sabotagematerial englischer und amerikanischer Herkunft.

Oslo In und bei Oslo wurden im Januar 5 Angehörige einer Bodenorganisationgruppe, unter ihnen der Führer der Gruppe, festgenommen. Die Gruppe war im Begriff, einen Waffenabwurf im Waldgebiet nördlich von Oslo in Empfang zu nehmen. Im Stadtgebiet von Oslo wurden bei der Aufrollung von Kampfgruppen der Mil.Org. 30 Personen, unter ihnen mehrere Lagführer, festgenommen. Die Angehörigen dieser Gruppe waren durchweg an modernen englischen Maschinenwaffen ausgebildet. In Oslo konnte femer eine Exportgruppe der Mil.Org. aufgerollt werden. Unter den Fest-

1610 April 1945 genommenen befanden sich mehrere flüchtige Mil.Org.-Angehörige aus Kristiansand und die Inhaber von Deckungsstellen in Oslo.

Röros Im Räume Röros, insbesondere im Gebiet von Holtdalen, wurde die dort von 8 englischen Agenten Anfang 1944 aufgebaute Mil.Org. zerschlagen. Insgesamt wurden 87 Angehörige der Mil.Org. festgenommen, darunter 12 Gruppenführer, die Mil.Org.- Gruppen in den Gebieten von Kotsoy bis Aalen aufgebaut hatten. 2 Gruppenführer wurden auf der Flucht und wegen Widerstandes erschossen. Führer der Widerstandsgruppe war der Pfarrer Β e η t ζ e η aus Holtdalen, militärischer Leiter der Bauer Bernt Η o f s t a d aus Singsaas. Die englischen Agenten waren bereits im Dezember 1943 auf dem Hochgebirge zwischen Holtdalen und Selbu durch Flugzeuge abgesetzt worden und hatten den Auftrag, im Gebiet von Kotsoy bis Aalen eine kampfstarke Mil.Org. aufzubauen, zu gegebener Zeit das gesamte Tal zwischen Stören und Röros abzuriegeln, Brücken, Eisenbahnlinien und Straßen zu spren- gen und dadurch der deutschen Wehrmacht eine Marschstraße abzuschneiden. Diese Agen- tengruppe kommt femer als Täter einer Reihe von Eisenbahnanschlägen in Frage, die im Räu- me Stören-Röros um die Jahreswende verübt wurden. Beim Vorgehen gegen diese Gruppe der Mil.Org. wurden 38 Waffen-, Munition- und Sprengstofflager ermittelt, von denen 29 ge- borgen werden konnten. Die restlichen, an Berghängen und in Berghöhlen gelegenen Lager sind noch durch Lawinen verschüttet. Folgendes Material wurde erfaßt: 5 LMG, 9 Reserveläufe für LMG, 37 Gewehre, 57 Maschinenpistolen 99 Coltpistolen 331 Eierhandgranaten, 25 Dosen mit Zündern fur Eierhandgranaten, 8 Seitengewehre, 24 Aufpflanzgewehre, 166 LMG-Magazine, 14 Gewehrschutztaschen mit Zubehör, 6 Kisten mit Reinigungsgerät für Coltpistolen, 5 Sanitätskästen, 509 Verbandspäckchen, über 40000 Schuß Infantriemunition, über 4000 " Coltmunition, über 16000 " MPi-Munition, 13 amerik. Schnellfeuergewehre, 7 Kanister mit Zündschnur und Sabotagematerial, 19 Kanister mit Zündschnur und Stangendynamit, 1 Kanister mit Zündschnur und Sprengkapseln, 1 Kanister mit Fallschirmen und Kochgeschirr, 6 Kanister mit Fallschirmen.

Volda, Bereich Drontheim In Volda und Umgebung (Bereich Drontheim) wurden 98 Angehörige der Mil.Org. fest- genommen. In 2 Felsenhöhlen am Rovdefjord wurden

1611 April 1945

2 Sender, 2 engl. Maschinenpistolen und 1 Coltpistole sichergestellt.

Aust- und Vest-Agder Bei der Aushebung der Mil.Org. Aust- und Vest-Agder, die am Ende des vergangenen Jahres erfolgte und sich bis zum Anfang des Jahrse 1945 erstreckte, wurden im Januar sichergestellt: 3 engl. MPi, 17 MPi-Magazine, 12 Handgranaten, 1 Dose Handgranatenzünder, 136 Rollen Dynamit, 30 Sprengkapseln 2 Rollen Schießbaumwolle, 2 Rollen Zeitzündschnur, 1 Rolle Knallzündschnur, 7 Rollen Bleistiftzünder, 700 Schuß Pistolenmunition.

Höyanger (Ber. Bergen) In Höyanger (Bereich Bergen) wurde die im Aufbau begriffene Mil.Org. zerschlagen. Der Leiter und 17 führende Mitglieder wurden festgenommen. Die als Führer eingesetzten Personen hatten die Aufgabe, 12er Gruppen zu bilden und Waffenunterricht zu erteilen. Im Falle einer Invasion sollten der Organisation folgende Aufgaben zufallen: Schwächung der Kampfkraft der deutschen Truppen durch Sprengung von Brücken und Wegen, Verhinderung der Zerstörung von Anlagen durch Deutsche, Festnahme der Angehörigen der Sicherheitspolizei und der NS, Besetzung der Telefon- und Funkstationen, Die Mil.Org. Höyanger stand mit 4 in englischen Diensten stehenden Agenten in Verbindung, die angeblich regelmäßig von Flugzeugen versorgt wurden. Bei einer Suchaktion wurden in dem Gebiet folgende Gegenstände sichergestellt: 1 Koffersender, 1 amerik. Sendegerät, 2 Rahmenhaftminen, 1 Miniaturradioempfänger, 1 Batteriemeßgerät, 1 Kiste mit 12 Brandsätzen, 1 Motorboot, einige Fässer Solaröl und Zündmittel für Haftminen.

1612 April 1945

Raum Notodden Im März wurde bei sicherheitspolizeilichen Unternehmungen gegen Angehörige der Mil.Org. an verschiedenen Stellen bewaffnete Männer festgestellt, die Uniformen bzw. uniformähnliche Kleidungsstücke oder militärische Abzeichen trugen. In den Morgenstunden des 11.3. wurde der Lensmann in Rauland aus seiner Wohnung gelockt und entfuhrt. Bei der Suche durch den Bruder wurde der Lensmann mit 4 bewaffneten Männern in einer Hütte angetroffen. Im Ver- laufe eines Feuergefechtes wurden 2 der bewaffneten Männer erschossen, die beiden anderen in die Flucht gejagt. Die Männer trugen am Ärmel Fallschirmjägerabzeichen und norwegi- sche Flagge, an der Mütze das Abzeichen "H7", (Haakon VII). Bei Gvammen (Raum Notodden) wurde eine Bandengruppe ausgehoben, wobei es zu einem Feuergefecht kam, bei dem 2 Banditen erschossen, 3 verletzt und 8 festgenommen wurden. 1 Maschinengewehr, 7 Maschinenpistolen, etwa 20 Gewehre, " 20000 Schuß Munition wurden sichergestellt. Die Festgenommenen trugen einheitliche braune Armbinden. Bei sich anschließenden weite- ren Unternehmungen wurden 5 bunkerähnliche Hütten gefunden, 20 Fallschirme, etwa 90 Gewehre und mehrere 1000 Schuß Munition sichergestellt. Ferner wurden nicht weit davon 2 weitere Waffenbunker ausfindig gemacht und 35 Behälter mit Sabotagematerial erfaßt. Im Laufe des Unternehmens wurde auch ein Verteilungslager mit 4 Maschinengewehren, 20 Maschinenpistolen 5 Behältern mit Sabotagematerial, mehreren Gewehren, 8 Schnellfeuergewehren und etwa 50000 Schuß Munition aufgefunden, unter den aufgefundenen Gegenständen befindet sich auch eine Waffe ähnlich dem Panzerschreck. Terror- und Sabotagegruppen der Mil.Org. Auch gegen die Terror- und Sabotagegruppen der Mil.Org. sind in der Berichtszeit erfolg- reiche sicherheitspolizeiliche Zugriffe geführt worden. In der Nähe von Oslo wurde in einer Hütte der Leiter mehrerer Sabotagegruppen, Ragnar Armand S olii e, Deckname "Pelle", der in der Widerstandsbewegung eine führende Rolle spielte, festgenommen. S o 11 i e wurde durch den jetzigen Leiter der Terror- und Partisanenleitung der KPN, As- björn Sunde, Deckname "Osvald", in die Sabotagearbeit eingeführt. Er nahm im Septem- ber 1942, als Sunde in Deckung ging, Verbindung mit der Mil.Org. auf und flüchtete 1943 nach Schweden. Im August 1944 kehrte er nach Norwegen zurück und betätigte sich als In- strukteur von Sabotagegruppen. Duch die Festnahme Sollies wurden insgesamt 20 Sabo- tagefälle aufgeklärt, die in der Zeit vom August 1944 bis 31. Januar 1945 durchgeführt wor- den waren. Geklärt wurden u.a. folgende Sabotagefälle: 2 Anschläge gegen Schleifsteinfabriken in Fetsund und Oslo, Überfall auf das Lohnbüro der Osloer Straßenbahn, 2 Anschläge auf Knottfabriken in Sandvika und Fransefoss,

1613 April 1945

Sprengstoffanschlag gegen die Versicherungsgesellschaft "Fram" in Oslo, 2 Anschläge gegen Eisenbahnstellwerke in Lilleström und Alnabru, Anschläge gegen 5 Schiffe im Osloer Hafen und in der Akers- und Nylands Mek. Werkstatt, 3 Anschläge gegen Vulkanisieranstalten in Oslo, Anschlag gegen eine Autowerkstatt in Oslo, Anschlag gegen einen Hebekran und 2 weitere Schiffe des Osloer Hafenwesens, 2 Anschläge mech. Werkstätten in Oslo.

Aktionslags Mitte Februar wurden in Oslo mehrere "Aktionslags" der Mil.Org. zerschlagen. Diese Aktionslags in Stärke von einem Lagführer und 6 Mann hatten die Aufgabe, Sabotage- anschläge, Raubüberfälle und politische Morde durchzuführen. 3 Lagführer und 12 Mitglieder wurden festgenommen. Dabei wurden 4 Terroristen erschossen, 1 Angehöriger der deutschen Sicherheitspolizei und 2 norwegische Dolmetscher verwundet. Bei der Zerschlagung der Akti- onslags konnten die 2 Tage vorher aus 2 Beständelagern des norwegischen Arbeitsdienstes geraubten Lebensmittel wieder sichergestellt werden. Außerdem wurden Maschinenwaffen und kleinere Sprengstofflager ausgehoben. Eine andere Gruppe der Mil.Org. in Oslo befaßte sich mit der Durchführung von Sabotage- aufträgen, Überfällen, Unschädlichmachung von Mitarbeitern der Polizei, schweren Dieb- stählen und Beschaffung von Lebensmitteln. Außerdem stellt sie die illegale Zeitschrift "Kronikken" her und unterhielt einen ausgedehnten Nachrichtendienst zwischen Häftlingen und deren Angehörigen. 8 mit Maschinenwaffen und Pistolen ausgerüstete Angehörige der Gruppe wurden festgenommen. 2 Anlauf- und Deckungsstellen wurden ermittelt. Sichergestellt wurden: 9 Schreibmaschinen, 1 Vervielfältigungsapparat, 1 Diktaphonanlage, Rundfunkgeräte, Abzugspapier und eine größere Menge fertiger Zeitungen. In Oslo gelang es ferner, einige Mitglieder einer Sabotage- und Terrorgruppe der Mil.Org. festzunehmen, durch die u.a. der Anschlag gegen das Motor- und Schmieröllager der Firma Shell, der die Vernichtung von 220 000 Litern Öl zur Folge hatte, geklärt werden konnte.

Versorgungsflugzeuge für die Mil.Org. Während im Monat Dezember 1944 102 Flugzeuge als Versorgungsflugzeuge für die Mil.Org. angesprochen wurden, sank diese Zahl im Januar auf 22. Im Februar stieg sie erheblich und erreichte mit 144 Flugzeugen die bisher höchste Anzahl. (Über die entsprechenden Zahlen des Monats März liegen noch keine Angaben vor. Es wurden im Januar 73 Abwurfbehälter sicher- gestellt. Das Abwurfmaterial bestand aus Waffen, Munition, Kleidungsstücken, Sabotage- mitteln und Verpflegung. Im Februar und März, vor allem in der 2. Hälfte des Monats Februar, wurden insgesamt etwa 175 große Kanister und 72 Trommeln erfaßt, die Maschinen- gewehre, Maschinenpistolen, Munition, Sprengstoff, Sabotagematerial, Eierhandgranaten und Panzerschrecks enthielten. Schwerpunkte der Abwürfe waren die Räume Notodden, Kongsberg, Skien, Hönefoss und Gjerdrum.

1614 April 1945

4. Sabotage und Terror.

Am 8. 2. gegen 9.00 Uhr wurde der Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei, Generalmajor Marthinsen, von unbekannten Terroristen erschossen. Marthinsen befand sich im Kraftwagen auf dem Wege zu seiner Dienststelle, als sein Wagen von einem Maschinen- gewehr, das hinter einem Holzstoß aufgebaut war, beschossen und zum Stehen gebracht wurde. Der aus dem Wagen springende Fahrer wurde von einem zweiten Terroristen, der auf der anderen Straßenseite stand, durch mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole verletzt, während ein weiterer Terrorist Marthinsen aus kürzester Entfernung beschoß. Der vordere Teil des Wagens wies zahlreiche Einschüsse auf. Nach dem Mord flüchteten die Täter zu Fuß unter Mitnahme des Maschinengewehrs. Am 6. 3. traf eine Streife der norwegischen Staatspolizei auf 2 Personen, die sofort flüchte- ten. Von der Streife verfolgt, nahmen sie hinter einem Holzstoß Deckung und beschossen die Streife, wobei 3 Streifenangehörige verletzt wurden. Die Täter entkamen. Die Untersuchung der aufgefundenen Patronenhülsen ergab, daß die gleiche Pistole verwendet worden war, mit der der Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei, Generalmajor Marthinsen, den tätlichen Kopfschuß erhielt. Im Zuge der Gegenmaßnahmen wurden durch Standgerichtsurteile vom 8. und 9. 2. ins- gesamt 21 Personen wegen fortgesetzter Beteiligung an Sabotageanschlägen, Raubüberfällen und Morden zum Tode verurteilt. Vom norwegischen Sondergericht wurden an dem gleichen Tage weitere 13 Personen wegen gleichartiger Delikte zum Tode verurteilt. Unter den zum Tode Verurteilten befindet sich auch der bereits erwähnte Leiter mehrerer Sabotagegruppen, Ragnar S o 11 i e. Am 27. 1. wurde das Haus Arbinsgate 4 in Oslo durch einen Sprengstoffanschlag völlig zerstört. Der Anschlag richtete sich gegen einen bei der Sicherheitspolizei tätigen norwegischen Dolmetscher, der in diesem Hause wohnte. Er konnte mit Verletzungen leichter Art aus den Trümmern geborgen werden. Weitere Anschläge richteten sich gegen das Dienstgebäude der norwegischen Staatspolizei in Larvik, gegen ein Wohngebäude von Angehörigen der norwegischen Staatspolizei und gegen die Wohnung von zwei Beamten der norwegischen Staatspolizei. Zahlreiche Anschläge wurden gegen Strecken, Brücken und Einrichtungen der norwegi- schen Staatsbahn verübt mit dem Ziel, die deutschen Truppenbewegungen zu stören und den Nachschubverkehr der deutschen Wehrmacht lahmzulegen. Am 14. 3. wurde das Verwaltungsgebäude der norwegischen Staatsbahn am Ostbahnhof in Oslo, in dem die Transportkommandantur des WBN untergebracht ist, durch Sprengstoffan- schlag fast völlig zerstört, wobei 6 Wehrmachtsangehörige und 1 Stabshelferin den Tod fan- den. In der Nacht vom 14. zum 15. 3. wurde das norwegische Eisenbahnnetz von einer Reihe von Anschlägen betroffen, die sich vor allem gegen die Hauptstrecken Oslo-Drammen-Kongsberg-Skien, Drammen-Larvik, Oslo-Fredrikstad-Schwedische Grenze richteten. In dieser Nacht wurden insgesamt 21 Anschläge verübt. Im Zuge der sich daran anschließenden Gegenmaßnahmen wurden 14 Saboteure und Terroristen durch das SS- und Polizeigericht Nord zum Tode verurteilt. Übersicht über die im 1. Vierteljahr 1945 durchgeführten Sabotageanschläge und Terrorakte:

1615 April 1945

7 Anschläge gegen Wehrmachtsobjekte, 46 Anschläge gegen Eisenbahnanlagen und -brücken, 20 Anschläge gegen Industrieeinrichtungen, 7 Anschläge gegen Nachrichtenverbindungen (Kabel), 11 Anschläge gegen Schiffe und Weiften, 1 Anschlag gegen Dienststelle der NS, 21 Anschläge gegen sonstige Anlagen (Knottfabriken, Garagen, Öllager). 3 Terrorakte gegen Reichsdeutsche, 4 Terrorakte gegen norwegische Mitarbeiter deutscher Dienststellen. 6 Terrorakte gegen norwegische Polizeibeamte, 12 Terrorakte gegen deutschfreundliche Norweger, 32 Raubüberfälle.

5. Spionage.

Funktätigkeit In den ersten Tagen des Januar wurde nach technischer Anpeilung durch die Funkmeß-Stelle der Ordnungspolizei ein Sender des Distrikts Oslo der Mil.Org ausgehoben. Der Funker, sein Zuträger und 11 Personen wurden festgenommen. Das Sende- und Empfangsgerät mit dem Sendeplan wurde sichergestellt. Am 15. 1. wurde durch den Streifendienst der norwegischen Staatspolizei bei Erwartung eines Treffs in Oslo ein Mann mit Funkunterlagen festgenommen, der auf sofortigen Vorhalt den Standort eines Sendegerätes preisgab. Die von der deutschen Sicherheitspolizei über- nommenen Ermittlungen führten zur Festnahme des Ersatzfunkers und zur Sicherstellung eines weiteren Sendegerätes. Es handelt sich um die Funkverbindung einer Spionagegruppe der Mil.Org. zur Norwegischen Gesandtschaft in Stockholm. Damit wurde erstmalig eine feste Funkverbindung zur Gesandtschaft in Stockholm festgestellt. Die Spionagegruppe unterhielt Kurierverbindungen in andere Landesteile und ist als Nachfolgegruppe einer im Herbst 1943 aufgerollten Spionagegruppe der Mil.Org. anzusehen. Auf einem Osloer Bahnhof wurde im Februar der Funkagent des SIS Jon Kristof- fersen gestellt und nach heftiger Gegenwehr festgenommen. Sein Sendegerät und Sende- unterlagen konnten sichergestellt werden. Kristoffersen ist seit Frühjahr 1942 als Spionage- und Funkagent des SIS in mehreren Einsätzen in Nordnorwegen tätig gewesen, wurde im Mai 1944 mit seiner Station ausgehoben, entkam aber damals und war zuletzt nach seinem Fallschirmabsprung in der Nähe von Oslo als Funkagent für den SIS und für eine Spionagegruppe mit der Bezeichnung "XU", die bisher als eine der Mil.Org. angegliederte Spionagegruppe für den Bereich Norwegen mit lediglich norwegischem Auftraggeber bekannt ist, tätig. Die Laufbahn des Kristoffersen als Spionage- und Funkagent ist bemerkenswert: Im Herbst 1941 nach Schweden geflüchtet, von dort Oktober 1942 mit Spionageaufträgen in Nordnorwegen eingesetzt, nach einigen Monaten über Schweden auf dem Luftwege nach England gelangt, dort als Funker ausgebildet. Mit Wasserflugzeug im August 1943 bei Onöy eingesetzt, dort bis November 1943 Schiffsmeldedienst betrieben, von einer "Katalina" nach England abgeholt und im Februar 1944 mit Kriegsschiff erneut zur Insel Onöy gebracht, wo er bis zu seiner Aushebung am 13. 5. 44 wieder Schiffsmeldedienst betrieb. Bei Aushebung ge- waltsamer Ausbruch durch Wehrmachtsabsperrung unter Niederschießen eines Wehrmachts- angehörigen. Flucht auf eine Nachbarinsel, von dort wiederum mit einem versteckten Reserve- gerät Funkverbindung mit England aufgenommen und Abholung durch eine "Katalina" er- reicht. Daran anschließend letzter Einsatz bei Oslo.

1616 April 1945

Durch den KdS Drontheim wurde der Leiter einer Spionagegruppe genannt "Helle", Peter Erik M u η t h e - Κ a a s, festgenommen, der als wichtiger Mitarbeiter von Spionage- gruppen bereits aus den Jahren 1942/43 bekannt war. Er betrieb Militärspionage im Räume Drontheim und berichtete über den Leiter einer Spionagegruppe mit der Deckbezeichnung "Överland" in Oslo nach Stockholm. Anscheinend ist die Spionagegruppe "Överland" ledig- lich eine andere Bezeichnung für die für den Bereich Norwegen tätige Spionagegruppe "XU". M u η t [h] c - Κ a a s war 1942 als Nachrichtenüberbringer zwischen dem Mitglied der Zentralleitung der Mil.Org., Rolf Ρ a 1 m s t r ö m, der Leiter der technischen Nachrichten- mittel und der Fachgruppe "Radio" war, und dessen nächsten Mitarbeiter und späteren Nach- folger Magister Jacob Sömme aus Oslo. Munthe - Kaas konnte nach der Fest- nahme des Jacob Sömme im November 1942 nach Schweden flüchten. Durch Zerschlagung einer Spionagegruppe "Trio", die selbständig, aber unter Mitbenutzung einer Kurierverbindung der Mil.Org. militärische Nachrichten an die Gesandtschaft in Stock- holm lieferte, wurde durch die Leiterin der "Trio"-Gruppe Elisabeth Ν i l s e η bekannt, daß Peter Munthe-Kaas im Sommer 1943 aus Schweden nach Norwegen zurückgekehrt war, um Spionagegruppen nach neuen Gesichtspunkten aufzubauen, die eine Aufrollung der Gesamtorganisation verhindern und andererseits eine zweckmäßige Zuweisung besonderer Aufgaben an einzelne Gruppen ermöglichen, sowie Doppelarbeit verhindern sollten. Peter Munthe - Kaas flüchtete im Herbst 1943 nach Festnahme der Elisabeth Ν i 1 s e η, an die er mit dem Ansinnen herangetreten war, ihre Gruppe in die von ihm geplante Organisation einzuschließen. Er war seit Mitte November 1944 als Leiter der Nachrichten- gruppe "Pelle" in Drontheim tätig. Am 2. 3. wurde auf einer Hütte in der Nordmarka bei Oslo ein Funksender während des Betriebes ausgehoben. Der Funker wurde beim Fluchtversuch schwer verletzt, ein Bewacher erschossen, ein zweiter unverletzt festgenommen. 2 Sendegeräte mit Unterlagen, 2 Maschinenpistolen, 3 Pistolen und einige Handgranaten wurden sichergestellt. Nach den bis- herigen Ermittlungen handelt es sich bei dem ausgehobenen Sender um einen Sender der Zentralleitung der Mil.Org. Im Gebirge bei Holanda in der Nähe von Stören (Bereich Drontheim) wurde eine Station des britischen Schiffsmeldedienstes ausgehoben. Funker und Melder wurden festgenommen, 2 Sendegeräte und sämtliche Funkunterlagen sichergestellt. In diesem Zusammenhange wurde außer dem Leiter ein britischer Agent und 18 Angehörige der Nachrichtenorganisation "XU" festgenommen. Im Raum Rognan-Saltdal (Bereich Bodo) wurde durch die Dienststelle des KdS Narvik eine Nachrichtenorganisation ausgehoben. Die Organisation erhielt von Schweden aus Aufträge für den Aufbau der Mil.Org. und für die Durchführung von Brückensprengungen. Gleichzeitig war sie Schleusenorganisation für Personen, Pakete und Briefe nach Schweden. 14 Angehörige der Organisation wurden festgenommen. In Mo i Rana (Bereich Drontheim) wurden 27 Angehörige einer Flüchtlings- und Spionage- organisation festgenommen, die unter Leitung des ehemaligen norwegischen Leutnants Arne Pedersen stand. Pedersen hatte diese Organisation im Auftrage des norwegischen Majors Dahl in Stockholm gegründet, zu diesem Zweck Fotoapparate und Rundfunkgeräte von Schweden nach Norwegen gebracht und illegale Post und die von seinen Agenten gefertigten Berichte über militärische Anlagen und Transporte nach Schweden geschafft.

Sonstige Spionagetätigkeit Kurz vor der Wahrnehmung eines Treffs wurde Mitte Januar ein Inlandskurier einer Spiona- gegruppe der Mil.Org. festgenommen. Der Kurier hatte täglich in verschlossenen Briefen

1617 April 1945

Spionageunterlagen von einem Stadtteil in den anderen zwischen ihm nur unter Decknamen bekannten Personen auszutauschen. Durch Sichtung und Auswertung von Schriftstücken, die ein reichsdeutscher Zivilist auf einer Straße in Oslo gefunden hatte, ergaben sich Anhaltspunkte für die Tätigkeit einer Sicherungs- und Terrorgruppe sowie einer Spionagegruppe der Mil.Org. Die Sicherungs- und Terrorgruppe beschaffte Auskünfte über den Verbleib von Häftlingen und den Inhalt ihrer Aussagen. Ferner sammelte sie Unterlagen über Vertrauenspersonen der Sicherheitspolizei. Die Sammlung von Spionagemeldungen hatte ein Häftling des Lagers Grini aufgezogen und Mitarbeiter außerhalb des Lagers über einen mit Arbeiten bei der Fahrbereitschaft der Sicher- heitspolizei in Oslo ständig befaßten Häftling geworben. Regelmäßig wurden die Aufträge des Grinihäftlings durch den bei der Fahrbereitschaft tätigen Häftling an eine Frau weitergegeben, die ihrerseits für Weitergabe an einen Nachrichtensammler sorgte, von diesem die Fest- stellungen zu den Aufträgen entgegennahm und sie zur Weiterleitung nach Schweden an einen weiteren Mitarbeiter der Gruppe übergab.

6. Allgemeiner Widerstand.

Landesflucht Im Januar d.J. wurde in Oslo eine Landesfluchtorganisation ausgehoben und 47 Personen wurden festgenommen. Bei der Festnahme von Mitgliedern einer Transportgruppe für Schwedenflucht in Oslo wurde ermittelt, daß die Organisation seit mehreren Monaten wöchentlich 15 bis 20 Personen nach Schweden geschafft hatte. Sie stand in Verbindung mit der illegalen Facharbeiterorganisation in Stockholm, von der sie bezahlt und unterstützt wurde. Am 1.3. wurde in Oslo die Deckungsstelle einer Schwedenfluchtorganisation ausgehoben und dabei 26 französische arbeitsflüchtige Zivilarbeiter festgenommen, die nach Schweden geschafft werden sollten. Weiter wurden in Oslo 6 jugendliche Norweger festgenommen, die mit einer Flüchtlingsorganisation in Verbindung standen und fahnenflüchtige deutsche Solda- ten nach Schweden bringen wollten. Bei der Aushebung einer Deckungsstelle für Schwedenflüchtige in Oslo kam es am 6. 3. zu einem Schußwechsel, bei dem ein Dienststellenangehöriger und ein Dolmetscher der deutschen Sicherheitspolizei verletzt wurden. Von den drei in der Deckungsstelle sich auf- haltenden und festgenommenen Personen erlitten 2 leichte Schußverletzungen. Ende Januar wurden von der Außendienststelle Lillehammer 7 Angehörige einer Schweden- fluchtorganisation festgenommen, die seit August 1944 etwa 150 Personen nach Schweden geschafft hatten. In Kristiansand wurde ein Geistlicher als Leiter einer Landesfluchtorganisation fest- genommen. Er hatte nicht nur Norwegern, sondern auch russischen Kriegsgefangenen bei der Flucht geholfen. 7 Helfer des Pfarrers wurden festgenommen. An der Landesflucht waren in steigendem Maße Handwerker, Straßenbahner, Eisen- bahnbeamte, Seeleute und Kraftfahrer beteiligt. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß in der Nacht vom 8. zum 9. 2. 11 norwegische Schlepper, die in Fredrikstad und anderen Häfen des Osloer Fjordes lagen, verschwanden. Die Bootsbesatzungen sind vermutlich ge- waltsam zur Flucht nach Schweden gezwungen worden. Auffallig war die hohe Zahl von flüchtigen norwegischen Arbeitsdienstmännern.

Hetzschriften Über die Hersteller und Verbreiter der illegalen Schriften "Radio Nytt", Sörlandsfront, "Kro- nikken" und "Norsk Vilje" wurde bereits berichtet.

1618 April 1945

Im Bereich Stavanger wurde eine Hetzschriftenorganisation aufgerollt, die das Flugblatt "Slutkamp" (Schlußkampf) herstellte und verbreitete. Der Redakteur, 2 Hersteller und Ver- breiter und 1 Kurier wurden festgenommen, 1 Rundfunkgerät, 1 elektrischer Ver- vielfältigungsapparat, 1 Reiseschreibmaschine sowie eine Anzahl Druckschriften und Matrizen wurden sichergestellt. Eine größere Anzahl von Hetzschriften konnte erfaßt werden, die durch anonyme Post- sendungen, durch Abwurf auf Straßen und Plätzen, durch Klebeaktionen und durch Abwurf in Hausbriefkästen verbreitet worden waren. Allen gemeinsam ist, daß sie auf die derzeitige Kriegslage Bezug nehmen und zur Aufgabe des angeblich sinnlosen Kampfes auffordern. In der Fülle der Hetzschriften fallen vor allem die Flugschriften und Hetzblätter auf, die sich an die in Norwegen eingesetzten Deutschen wenden und in deutscher Sprache gehalten sind. Die von der Mil.Org. durchgeführte Propaganda soll den Eindruck erwecken, als ob innerhalb der Deutschen eine Bewegung bestehe, die sich die Zersetzung der Wehrkraft des deutschen Vol- kes zum Ziele gesetzt hatte. Das Material, das nach Form und Inhalt jüdische Hersteller verrät, ist vermutlich aus dem Ausland gekommen. 7. Übersicht über die im 1. Vierteljahr 1945 erfolgten Festnahmen:

Januar Februar März Kommunisten 64 133 113 Heimatfront 21 18 Mil.Org. 159 131 119 Versuchte Landesflucht u. Beih. 128 39 18 Flugschriftenherstellung u. Verbreitung 37 19 44 Abhören und Verbreitung von Feindnachrichten 11 38 37 Verbotener Waffenbesitz 13 6 3 Deutschfeindliche Handlungen und Äußerungen 34 20 25 Arbeitsverweigerung und Arbeitsbummelei 85 67 133 sonstige Tatbestände 132 91 57

BdSudSD Oslo, Situationsbericht- Meldungen aus Norwegen Nr. 94 vom 15. April 1945 BA R 70/N/13, S. 1-18

Allgemeine Stimmung.

Die Grundeinstellung der norwegischen Bevölkerung zum gegenwärtigen Kriegsgeschehen hat sich in der Berichtszeit nicht wesentlich verändert. Die Sicherheit der Überzeugung, das Kriegsende sei in Tagen, spätestens in den allernächsten Wochen zu erwarten, hat sich nach den weiteren Erfolgen der anglo-amerikanischen Truppen noch verstärkt. Besondere Aufmerksamkeit widmet man Gerüchten, wonach der deutsche Widerstand an den Fronten in voller Auflösung begriffen sei. So würden im Westen ganze Divisionen - nach in Bergen verbreiteten Gerüchten unlängst V/2 Millionen Soldaten - überlaufen oder sich erge- ben, während an der Ostfront hauptsächlich "Österreicher" in Massen zum Feinde überliefen. In den nicht besetzten Teilen des Reiches herrschten chaotische Zustände. Wie die Masse der Soldaten und viele Offiziere, sei auch die deutsche Zivilbevölkerung für die sofortige Be-

1619 April 1945

endigung des Krieges. Lediglich die Führung und die Partei verlangten den weiteren "selbst- mörderischen" Widerstand, da diese sowieso keine Aussicht hätten, ihr Leben zu retten. In dieser Verbindung sei auch die Werwolf-Bewegung zu sehen. Die kriegsmüde Be- völkerung der besetzten Reichsgebiete werde sich den mit dieser Tätigkeit verbundenen Ge- fahren kaum aussetzen wollen, sondern sei froh, daß für sie der Krieg zu Ende sei. Aus Stavanger wird gemeldet, die Aufrufe zu Mord und Sabotage schlössen nach Meinung dortiger Gegner aus, daß Deutschland eine "anständige Kriegführung" bzw. eine milde Behandlung nach Kriegsende verlangen könne. - In deutschfreundlich eingestellten Kreisen hat die Er- richtung des deutschen Freiheitssenders Genugtuung ausgelöst. Bemängelt wird, daß die Art der Durchführung dieser Aktion zu sehr den Eindruck einer von zentraler Reichsstelle ge- steuerten Maßnahme mache. Soweit diese in der Bevölkerung bisher bekannt wurden, haben zur Vertiefung der Über- zeugung vom bevorstehenden Kriegsende auch Ausführungen beigetragen, die anläßlich des 9. April in England und Schweden gemacht wurden. Sowohl in dem Gruß des Ex-Königs Haakon VII. an das norwegische Volk als auch in einer "Botschaft" des englischen Außenministers Eden, einer Rede von Bischof Fjellbu in London und bei den Feierlichkeiten der norwegischen Emigranten in Stockholm und Göteborg wurde das baldige Kriegsende als eine Selbstverständ- lichkeit vorausgesetzt. Die Furcht des weitaus überwiegenden Teils der norwegischen Bevölkerung vor dem Bol- schewismus hat in letzter Zeit erneut zugenommen (vgl. Situationsber. Nr. 93). In dieser Rich- tung haben sich die Kündigung des sowjetisch-türkischen Paktes und die sowjetrussischen Forderungen hinsichtlich der Meerengen ganz besonders aber die Meldungen ausgewirkt, die von den Absichten einer "Befreiung" Dänemarks und Beseitigung der "deutschen Bedrohung der skandinavischen Länder" durch russische Truppen sprechen. Der Anteil der Westmächte an der militärischen Entwicklung wird deshalb mit lebhafter Genugtuung verzeichnet und mit der Hoffnung verknüpft, daß die Anglo-Amerikaner früher als die Sowjetrussen Dänemark und Norwegen erreichen. Die Absicht der westlichen Alliierten, die "Befreiung" Norwegens nicht den Sowjets zu überlassen, glaubt man auch durch das Auftauchen amerikanischer Flugschri- ften belegt zu sehen, die in norwegischer Sprache u.a. ausführliche, bebilderte Beschreibungen der Organisation, Ausrüstung und Uniformen der amerikanischen Wehrmacht vermitteln. Die ersten Meldungen über die Reaktion auf den Tod Roosevelts besagen, daß der gegne- risch eingestellte Teil der Bevölkerung außergewöhnlich stark beunruhigt sei. Während man vor Stalin Angst habe und auf Churchill nicht vertraue, habe man in Roosevelt auf Grund seines engen Verhältnisses zum ehemaligen norwegischen Königshaus - Ex-Kronprinzessin Märta hat während des Krieges mit ihren Kindern jahrelang im Hause Roosevelts gelebt - immer den Garanten dafür gesehen, daß Norwegen "nichts passieren" werde. Der Tod Roosevelts habe deshalb tiefe Trauer und neue ernste Sorgen um die Zukunft Norwegens aus- gelöst. Die Frage, wie sich die deutschen Truppen in Norwegen nach dem angenommenen Zu- sammenbruch im Reich verhalten werden, ist weiterhin Gegenstand lebhafter Erörterungen (vgl. Situationsber. Nr. 93). Nach übereinstimmenden Meldungen aus verschiedenen Teilen des Landes wird aus diesem Grunde die Haltung der Deutschen in Norwegen von der Be- völkerung aufmerksam beobachtet. Die Disziplin der deutschen Soldaten werde angeblich immer schlechter. So seien z.B. in Bergen Massendesertierungen, vorgekommen. Angebliche Äußerungen von Wehrmachtsangehörigen ließen darauf schließen, daß der deutsche Soldat in Norwegen nach dem Zusammenbruch im Reich am liebsten die Waffen niederlegen werde. Darauf deute auch die in letzter Zeit immer häufiger in Erscheinung tretende deutschsprachige illegale Plakat- und Flugblattpropaganda hin, die sich gegen die Fortsetzung des Krieges wende und "zweifellos von den Deutschen selbst" durchgeführt werde. Auf einem Klebezettel

1620 April 1945 heißt es z.B.: "Weiter Hitlerkrieg bedeutet weiter Luftkrieg, bedeutet Vernichtung unserer Industrie, bedeutet Arbeitslosigkeit ohne Ende". Weitere Parolen sind "Wer weiter kämpft, kämpft gegen unsere Kinder", "Raus aus der ScheiSSe - oder 'rin mit Hitler ins Massengrab des deutschen Volkes" und "Dein Gruß sei: Schluß!" Mit dem Satz "Ein kurzer Sprung von 300 m fuhrt aus dem Krieg in den Frieden" fordert ein Flugblatt zur Grenzüberschreitung nach Schweden auf, wo man sich als politischer Flüchtling melden solle. - Andererseits ließen die Anlegung von Sperren, Kampfständen usw. darauf schließen, daß ein weiterer Widerstand beabsichtigt sei. Spürbare Veränderungen in der Beurteilung der Folgen einer solchen Alter- native sind ebenso wie hinsichtlich der Stellung Schwedens in einem solchen Falle gegenüber der letzten Berichtszeit nicht eingetreten. An innerpolitischen Ereignissen haben Aktionen der NS größeres Aufsehen erregt, durch die nicht der NS angehörende Norweger veranlaßt werden, sich gegen Sabotage und Meuchel- morde zu erklären. Von 120 einflußreichen Personen aus Gemeinden in der Nähe Oslos, die von Fylkesförer Holm vorgeladen wurden, haben 84 eine solche Erklärung unterschrieben. Eine ähnliche Aktion ist fiir Groß-Oslo mit 300 bekannten Persönlichkeiten geplant. Die "Heimatfront" hat mit einem Aufruf reagiert, in dem jede irgendwie geartete Teilnahme an diesen Aktionen als "Verrat an der norwegischen Front" gebrandmarkt und die Befolgung der Vorladung zum Fylkesförer verboten wird. Aus Drontheim wird berichtet, daß die Berufiing des Fylkesförers Rogstad zum Leiter der norwegischen Sicherheitspolizei von den Mitgliedern der NS außerordentlich bedauert werde. Die Position, die sich R. in Tröndelag geschaffen und die bereits über den mittelnorwegischen Raum hinaus auszustrahlen begonnen habe, hätte nach Ansicht dieser Kreise früher oder später zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideen führen können. Es sei deshalb nicht zu verstehen, daß einem solchen Gesichtspunkt keine Beachtung geschenkt würde. Außerdem fürchte man, daß man in Oslo nicht in der Lage sein werde, Rogstad, der wegen seiner Erfolge vom Gegner schon jetzt als "norwegischer Kriegsverbrecher Nr. 1" verschrien werde, vor Mordanschlägen zu schützen.

Innerpolitische Lage.

Die augenblickliche Situation wird in Kreisen um den Ministerpräsidenten offenbar zum Anlaß genommen, im Rahmen pessimistischer Lagebetrachtungen erneut zu erörtern, daß die Wie- derherstellung der norwegischen Souveränität für Deutschland eine wertvolle Unterstützung bedeutet haben würde. Man hat dabei vor allem die Pläne des Gesandten Stören im Auge, über eine Neutralitätserklärung Norwegens die Schaffung eines norwegisch-schwedisch-dänisch- finnischen Blocks zu betreiben. Bemerkenswert ist in dieser Verbindung ein Artikel, der im Februar unter der Überschrift "Endlich" in der schwedischen politischen Zeitung "Vägen Fra- maat" erschien und die deutsche Politik in der Frage der norwegischen Souveränität heftig kritisiert. Im Zusammenhang mit dem Besuch Quislings beim Führer wird die Frage gestellt, "ob es in diesen kritischen Monaten Quisling und Stören glücken wird, die norwegische Linie durchzusetzen, die vor allem in Stören einen zielbewußten Anhänger hat". Mit dem an- scheinend von Stören inspirierten Artikel dürfte beabsichtigt sein, darzutun, daß die Regierung Quisling kein willenloses Werkzeug der deutschen Politik ist. Das Verhältnis Deutschland - Norwegen ist gleichfalls Gegenstand eines von General Fröhlich-Hansen, dem Leiter der Auslandsorganisation der NS, Fylkesförer Fermann, und Prof. Hermann Harris Aall unterzeichneten Schreibens vom 23. 3. 45 an Ministerpräsident Quisling. In diesem wird eine eindeutige Erklärung darüber gefordert, ob sich Norwegen z.Zt. mit Deutschland im Kriegszustand befinde. Fröhlich-Hansen soll sich dahingehend geäußert haben, er sähe sich für den Fall, daß die Antwort unklar oder ausweichend sei oder das Be-

1621 April 1945 stehen des Kriegszustandes feststellen werde, außerstande, in seiner Stellung als Leiter des norwegischen Arbeitsdienstes zu verbleiben. Lebhafte Erörterungen des deutsch-norwegischen Verhältnisses wurden auch durch den Tagesbefehl des Wehrmachtbefehlshabers Norwegen aus Anlaß des 9. April ausgelöst. Nach einem Bericht aus Oslo habe man auf gegnerischer Seite frohlockend festgestellt, daß man nach fünfjähriger Besatzungszeit endlich von "Vorbereitungen" und "Plänen" spreche, Norwe- gen zu "erobern", während man 1940 behauptet habe, nicht als Eroberer sondern als Be- schützer der norwegischen Neutralität zu kommen. Von positiv eingestellten Norwegern wurde der Text des Tagesbefehls mit ungewöhnlicher Schärfe kritisiert. Es wird geltend gemacht, daß man entweder von deutscher Seite bisher tatsächlich getäuscht worden sei, oder aber es seien dem Gegner mit den fraglichen Formulierungen ungeschickterweise Waffen in die Hand ge- geben worden, mit denen den von der NS im Sinne Deutschlands verwandten Argumenten in der Diskussion über die Vorgänge des 9. April der Boden entzogen werde.

Gegnerische Tätigkeit.

Gegenüber den vergangenen Wochen und Monaten ist etwa seit Ostern auf Seiten der Heimat- front, Mil.Org. und sonstigen Widerstandsbewegungen eine auffällige Zurückhaltung festzu- stellen. Nach verschiedenen Meldungen der letzten Zeit befaßt sich die Mil.Org. z.Zt. mit der Bewaffnung und Durchorganisierung ihrer Einheiten, um sie für den entscheidenden Einsatz bereit zu halten. Bei der Aufrollung der Mil.Org. im Bereich Lillehammer wurde u.a. eine Anweisung der Mil.Org. für den Mobfall erfaßt, in der als Hauptaufgaben der Mil.Org. die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, die Sicherung von Verkehrswegen, die Bewachung wertvoller norwegischer Anlagen u.a. genannt werden. Die Gebietschefs sollen in der Nähe der Reichsstraße oder einer Eisenbahnstation Quartiere vorbereiten, das für die Verpflegung der Truppen notwendigen [!] Personal und die Ordonnanz für den Gebietschef namhaft machen. Weiter sind vom Gebietschef die für Festnahmen, Truppenverschiebungen, Internierungen usw. benötigten Kraftwagen auszusuchen. Besonders geeignete Leute sind für den Polizeidienst bestimmt. Sofern noch nicht geschehen, hat das Gebiet dem Abschnittschef sofort eine Aufstellung der wichtigen Büros und Anlagen (Telefon- und Telegrafenstationen, Kraftwerke, Molkereien, Mühlen, Eisenbahnstationen, Brücken, deutsche und NS-Büros usw.) zu übersenden. Ferner sind Angaben über die deutschen und norwegischen Gefangenenlager zu machen. Die Einleitung dieser Aufgaben darf jedoch nur auf Befehl geschehen, selbst dann, wenn die deutsche Kapitulation im Rundfunk verkündet werden sollte. In den Mob- Anweisungen wird nochmals auf die Beschleunigung der Instruktionsarbeiten und der sonstigen Vorbereitungen hingewiesen. Bei der oben erwähnten Aufrollung der Mil.Org. im Bereich Lillehammer wurde ein Waffen- und Sabotagemittellager erfaßt, das u.a. 27 engl. Maschinenpistolen 103 Magazine für Maschinenpistolen 7200 Schuß Munition für Maschinenpistolen 3 Haftminen 4 große Rollen Knallzündschnur 8 kleine Rollen Zündschnur 215 Rollen Plastik-Sprengstoff 59 Zeitzünder 120 Sprengkapseln und 48 Schienenzünder enthielt.

1622 April 1945

Im Räume Voss (Bereich Bergen) wurden 24 Angehörige der Mil.Org., darunter einige Grup- penführer festgenommen. 2 Agenten, die zunächst flüchten konnten, wurden bei ihrer Rück- kehr aus dem Gebirge gefaßt. Die Vernehmung einer der Agenten führte zur Aushebung eines Sabotagelagers, das aus 15 Eisenfässern und 11 Kisten mit Sabotagematerial, 2 Kisten mit Munition für Maschinenpistolen und Eierhandgranaten bestand. In Oslo wurde im Rahmen der Ermittlungen gegen die Mil.Org. eine Mitarbeiterin der Mil.Org.- Nachrichtenorganisation "Efterlysningsvesenet (EV)" festgenommen. Sie hatte als Sekretärin des Osloer Postamtes die Herstellung von Fotokopien und Ausweitung von Briefen deutscher und norwegischer Dienststellen für die Mil.Org. ermöglicht. Ferner gelang die Fest- nahme des Leiters der illegalen Polizeigruppe innerhalb der norwegischen Staatspolizei. Ihm war vom Efterlysningsvesenet die Einziehung von Erkundigungen über einen zu liquidieren- den Staatspolizeibeamten übertragen worden. 3 weitere Angehörige der Polizeigruppe wurden ebenfalls festgenommen. Bei der Aufrollung einer Nachrichtengruppe der "Milef (Militaer-Efterretningstjeneste- Nachrichtenorganisation der Mil.Org.) im Räume Fredrikstad wurde festgestellt, daß diese Gruppe Funk-Sprechverkehr mit Schweden durchgeführt hatte. Als Sendestelle wurde eine etwa 10 km von der schwedischen Grenze entfernt liegende Anhöhe benutzt. Es wurden Schiffsmeldungen teils klar, teils verschlüsselt durchgegeben. Im Räume Aaserai bei Lognavatn (Bereich Kristiansand) wurde ein Unternehmen durch- geführt mit dem Ziel, einen erkannten Agentensender auszuheben. Der Agentensender hatte jedoch seinen Standort gewechselt. Gleichzeitig mit der Aushebung des Senders sollte eine Überholung des Gebirgsraumes durchgeführt werden, die jedoch ergebnislos verlief, weil die Mil.Org. fernmündliche Warnungen bis in die letzten Gebirgsdörfer durchgegeben hatte. Ver- schiedene größere Gebirgssiedlungen wurden ohne männliche Bewohner angetroffen. In einer Hütte wurden eine Sendeantenne, 2 Rundfunkempfänger, ein Klartextspruch, Sabotagematerial und Kleidungsstücke gefunden. Ein Pfarrer, der seine Wohnung dem Agentenfunker als An- laufstelle zur Verfügung gestellt hatte, wurde festgenommen. Die Versorgungseinflüge im Monat März mit 14 Einflügen und insgesamt 117 Flugzeugen erstreckten sich nicht nur wie bisher auf den südnorwegischen Raum, sondern erfolgten erst- malig auch im Gebiet ostwärts des Sognefjords und im Raum ostwärts und nordostwärts Drontheim in stärkerem Maße. 86 volle Abwurfbehälter mit Waffen, Munition, Sabotage- material und sonstigen Ausrüstungsgegenständen wurden erfaßt und sichergestellt. Die oben geschilderte Zurückhaltung der Gegner war ebenfalls in der Sabotagetätigkeit fest- zustellen, wobei auch die in der letzten Zeit erfolgte Zerschlagung mehrerer Terror- und Sabo- tagegruppen eine gewisse Rolle gespielt haben dürfte. Es wurden durchgeführt: 2 Anschläge gegen Feldkabel, 1 Anschlag gegen einen Kutter der Transportflotte Speer, 1 Anschlag auf eine Fähre, 2 Eisenbahnanschläge, 1 Anschlag gegen ein Dampfsägewerk. Die bei diesen Anschlägen entstandenen Schäden waren geringfügiger Natur und konnten größtenteils bald wieder behoben werden. Dagegen bedeutet der Anschlag gegen das Sprit- lager in Tofte bei Hurum (Bereich Drammen) wegen der dabei vernichteten 56 000 Liter Sprit eine schwere Schädigung der norwegischen Zivilversorgung.

1623 April 1945 Nasjonal Sämling.

Die militärische Entwicklung der letzten zwei Wochen wirkte auf die Stimmung der NS- Mitglieder sehr deprimierend. Ein erheblicher Teil der NS hält einen unmittelbar bevor- stehenden Zusammenbruch Deutschlands für unabwendbar und beginnt, sich damit langsam abzufinden. Trotz dieser von Pessimismus geprägten Betrachtungsweise richte sich der Blick der weitaus meisten NS-Mitglieder jetzt in der "Stunde der Gefahr" stärker als bisher auf die deutsche Führung in Norwegen, von deren Maßnahmen künftig das Schicksal des einzelnen NS-Mitgliedes abhängig sei. Auch absolut deutsch-freundliche Parteimitglieder ziehen trotz ihres ehrlichen Glaubens an den Sieg und in der noch immer nicht aufgegebenen Hoffnung auf den Einsatz entscheidender neuer Waffen die Möglichkeit einer deutschen Niederlage in Er- wägung. Bei aller stimmungsmäßigen Belastung läßt die Haltung der Parteimitglieder eine gewisse Krisenfestigkeit erkennen. Distanzierungsversuche einzelner Mitglieder werden nicht mehr in dem Maße wie noch vor einigen Wochen, unternommen, allerdings spielt dabei die verbreitete Meinung, das einzelne NS-Mitglied habe von seinen Landsleuten bei einem Zusammenbruch nicht viel zu befürchten, eine wesentliche Rolle. Daß trotzdem Angst und Unsicherheit den Einzelnen anfechten, zeigen die von zahlreichen Parteimitgliedern ausgesprochenen Be- fürchtungen hinsichtlich der zugriffsicheren Aufbewahrung der Mitgliederkartot[h]eken bei den Ortsgruppen. Überfälle auf NS-Mitglieder, sowie das Ansteigen von Sabotageakten veranlaßten den Fyl- kesförer von Groß-Oslo, Holm, Maßnahmen zum Schutz der Parteimitglieder und zur Erhaltung der Einrichtungen des norwegischen Wirtschaftslebens zu ergreifen. Der von Quis- ling gebilligte Plan Holms sieht vor, einflußreiche, außerhalb der NS stehende norwegische Persönlichkeiten zu einer später in der Presse zu veröffentlichenden schriftlichen Erklärung gegen Sabotageakte und Morde an Parteimitgliedern zu veranlassen. Nachdem Justizminister R i i s η a e s eine von Quisling vorgeschlagene Beteiligung durch Maßnahmen gegen die sich Weigernden abgelehnt hatte, führte Holm die Aktion probeweise in 6 Gemeinden um Oslo in der Weise durch, daß jeweils 20 einflußreiche Personen zur Rück- sprache auf das örtliche Parteibüro beordert wurden, wo Holm nach kurzer Ansprache die Vorgeladenen zur Unterschrift der erwähnten Erklärung aufforderte. Von insgesamt 120 Vor- geladenen unterschrieben 84 die Erklärung, während 24 die Unterschrift verweigerten, die restlichen 12 waren nicht angetroffen worden. Zwei der 24 Weigerer ließ Holm auf Grund ihrer offensichtlichen Gegnerschaft durch Hird-Männer sofort festnehmen. In 11 weiteren Fällen veranlaßte der Fylkesförer die Vermögenseinziehung, zwei davon Betroffene gingen darauf in Deckung oder wurden landesflüchtig. Unter den Parteimitgliedern fand die Initiative Holms teilweise Anerkennung, mit dem Hin- weis, daß endlich von Seiten der Partei in dieser Richtung Aktivität gezeigt würde. Andererseits gelten die Maßnahmen Holms hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit sowie in Bezug auf ihre Durchführung als sehr umstritten und werden daher recht unterschiedlich beurteilt. Holm plant für die nächsten Tage [ein Wort unleserlich] die Durchführung einer gleichen Aktion für Groß-Oslo, wobei 300 einflußreiche Persönlichkeiten zur Abgabe der Erklärung aufgefordert werden sollen. In Mittelnorwegen hält die Aktivität der NS ungeachtet der Kriegslage unvermindert an. In Fortsetzung seiner bisherigen Linie griff Fylkesförer R o g s t a d am 22. 3. 45 vor mehreren tausend Hörem anhand beweiskräftigem, die Terror- und Sabotagetätigkeit kennzeichnenden Material, die Heimatfront als Wegbereiter für den Bolschewismus an und kündigte rücksichts- loses Vorgehen gegen jeden illegalen Widerstand an. In Ausnützung der erzielten Breiten- wirkung gründete Rogstad nach einer, ähnlich der in Haltdalen durchgeführten, kürzlich in

1624 April 1945

Singsaas erfolgten Werbeaktion, in dieser Gemeinde eine Ortsgruppe mit 82 Mitgliedern. Dem Beispiel Rogstads folgend, führte Fylkesförer Gjerstad in Stavanger am gleichen Tage (22. 3.) eine auf die Aufrollung der Heimatfront gerichtete Großkundgebung durch, die in 2 Lichtspielhäusern 1200 und auf dem Marktplatz 400 Personen erfaßte. Gjerstad behandelte die Terror- und Sabotagetätigkeit der Gegner unter eingehender Schilderung der Morde an NS- Mitgliedern, wobei er neben der Herausstellung der brutalen kommunistischen Methoden der Heimatfront besonders die Unterstützung der kommunistischen Gruppen durch prominente Geldgeber geißelte, deren Namen er der Öffentlichkeit mitteilte. Bei aller spitzfindigen Kritik war ein allgemeiner nachhaltiger Eindruck auf die Masse der Hörer und darüberhinaus in der breiten Öffentlichkeit unverkennbar. Seitens der Parteiführung beurteilt man diesen Versuch eines Einbruchs in die Heimatfront als gelungen.

Norwegischer Arbeitsdienst.

Wie Stellungnahmen, hauptsächlich aus bäuerlichen Kreisen, erkennen lassen, hat der norwe- gische Arbeitsdienst an Popularität trotz der intensiven gegnerischen Hetze im Voijahre ver- hältnismäßig geringe Einbuße erlitten. Vielmehr wandte sich ihm die Sympathie weiterer, bisher mit dem AT kaum in Berührung gekommener Kreise zu, aufgrund des Einsatzes des Arbeitsdienstes bei der Evakuierung der Bevölkerung aus Nordnorwegen. Der allgemeinen Lage Rechnung tragend, wurde von der generellen Einberufung eines Win- ter-Jahrganges Abstand genommen. Einer probeweisen Einberufung von 192 AT-Pflichtigen aus dem Hordaland-Fylke folgten gegen Ende des Voijahres 63 Männer, während 78 aus stichhaltigen Gründen zurückgestellt, 7 weitere von Lensmännern der einberufenden Stelle zugeführt wurden und der Verbleib von 44 AT-Pflichtigen unbekannt blieb. Im Verlauf des Winters wurden insgesamt 483 AT-Pflichtige in Winter-Sveits einberufen, wobei sich der Raum Tröndelag als günstiges Rekrutierungsgebiet erwies, d.h., die Ausfälle sich prozentual kaum von früheren Jahren unterschieden. In Südnorwegen erfolgte sukzessive die Aushebung von zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallenden Arbeitstrupps, vorzugsweise in Gebieten, die ein günstiges Rekrutierungsergebnis erwarten ließen. Die Einberufung des gesamten Sommer-Jahrganges ist für den Monat Mai geplant, wird jedoch in Anbetracht der angespannten Lage als absolut problematisch beurteilt. Im Gegensatz zu den Voijahren unterblieb in diesem Jahre aus taktischen Gründen die Musterung des Som- mer-Jahrganges, die im Falle der generellen Einberufung mit der Aushebung verbunden wer- den soll. Die Stimmung im Führerkorps des AT (z.Zt. noch 1200 Führer einschl. Lagförer) wird von AT-Führern selbst als äußerst negativ bezeichnet. Es bestehe der Wunsch, aus dem AT auszu- scheiden. Auch in neuordnungsbejahenden Kreisen, insbesondere der alten Parteimitglieder der NS, die das dünne Gerippe der zuverlässigen AT-Führer darstellen, fühlte man sich unter der obersten AT-Führung nicht wohl und gebe seiner Unzufriedenheit mit dem Wunsche nach Auflösung des gesamten AT Ausdruck. Die zuverlässigen AT-Führer wollten in Stellungen eingesetzt werden, wo sie endlich einmal positive Arbeit leisten könnten, z.B. als Aufsichts- und Kontrollorgane in der Polizei, Post Bahn usw. Bei einem Bestehenbleiben des AT sei im Falle einer ernsten Zuspitzung der Lage in Norwegen damit zu rechnen, daß das Gros der AT- Führer zum Gegner überwechselte. Aus den gleichen positiven AT-Führerkreisen wurde der Vorschlag gemacht, sämtliche AT- Führer durch einen Aufruf oder ein Rundschreiben vor die Alternative zu stellen, sich durch Unterschriftsleistung konsequent mit der Neuordnung solidarisch bzw. sich bereit zu erklären, jedem Befehl von seiten der norwegischen Führung im Ernstfalle Folge zu leisten oder aber zumindest eine allgemein gehaltene, die Loyalität im einzelnen festlegende Erklärung abzu-

1625 April 1945

geben. Im übrigen bestehe bei zahlreichen AT-Führern die sich auf Beobachtungen und Er- fahrungen stützende Auffassung, daß es besser sei, den AT aufzulösen, anstatt eine heute eher gefahr- als nutzbringende Institution künstlich am Leben zu erhalten. Meldungen aus Südnorwegen bringen übereinstimmend zum Ausdruck, daß der über- wiegende Teil der Führer, insbesondere der Unterführer, ihren Dienst im AT nur noch wider- willig versehen und nur noch gezwungenermaßen im AT blieben. Bei einer ernstlichen Zu- spitzung der Lage in Norwegen müsse mit Selbstauflösung gerechnet werden. Der Gegner-Terror richtete sich in diesem Jahre besonders intensiv und nicht ohne Erfolg gegen den weiblichen Arbeitsdienst. Die seit Februar laufende Musterung von Restbeständen des Jahrganges 1926 und dem 6000 Mädel umfassenden Jahrgang 1927 führte zu sehr unter- schiedliches Ergebnissen. Während beispielsweise in Kristiansand 90% und in Drontheim 60% erschienen, folgten in Porsgrunn von 80 einberufenen Mädeln nur 2 der an sie ergangenen Aufforderung. In welchem Umfange die "Heimatfront" imstande ist, die Durchführung staatlicher Maß- nahmen durch Terror zu verhindern, zeigt das Musterungsergebnis weiblicher AT-Pflichtiger im 2. Arbeitsdistrikt (Fylke Buskerud, Vestfold und Telemark). In dem ganzen Distrikt haben sich von 1015 Mädeln des Jahrganges 1927 nur 264 zur Musterung eingefunden. Dieses nega- tive Ergebnis erreichte die "Heimatfront" durch laufende Einschüchterungsversuche. In Skien wurden die Mädel vor dem Musterungslokal von Beauftragten der "Heimatfront" kontrolliert. Jedes Mädel erhielt außerdem die Parolen der "Heimatfront" schriftlich zugestellt, was in zahlreichen Fällen zur Annahmeverweigerung der Einberufungsschreiben führte: Die Be- folgung der Heimatfront-Parolen von Seiten der Eltern und Arbeitgeber kommt in den außerge- wöhnlich zahlreichen Rückstellungsanträgen zum Ausdruck. Nachdem in Orten wie Porsgrunn, Skien, Drammen usw. das Meldeergebnis teilweise unter 5% lag (1944 im gleichen Bezirk über 50%), wird in diesem Jahr anstatt der fünf vorgesehenen Lager nur ein weibliches AT-Lager belegt werden können, während noch im Vorjahre alle fünf Lager voll belegt waren. Das Nichterscheinen AT-pflichtiger Mädchen ist eindeutig auf die Auswirkung der Heimat- front-Parolen zurückzufuhren, die in Form von Flugblättern und Rundschreiben die AT- pflichtigen Mädchen zur Dienstverweigerung auffordern mit der Losung: "Tod dem AT" oder "In diesem Jahre sollen die Mädchen die Front halten, wie die Jungen es in den mobilisierten Jahresklassen im vorigen Jahr taten." "Kein guter Norweger wird Hilfe vom AT entgegennehmen. Es ist eine dementsprechende Parole gegeben worden. Der AT wird deshalb nur von Deutschen und Nazisten ausgenutzt werden. In Nordnorwegen mußten sie dem Feind bei dem schändlichsten Kriegsverbrechen, das je gegen unser Land verübt wurde, beistehen. Du mußt darauf vorbereitet sein, daß sich Ähnliches nicht wiederholen kann. Der AT sammelt die Jugend in Lagern. Bist Du Dir darüber klar, wie gefährlich das in die- sem Jahre ist? Irgendwann kann der Krieg auch hier im Lande auflodern, und was bedeuten dann solche Mädchenlager, über die die Quislinge und Deutschen Macht haben. Ihr könnt dazu gezwungen werden, Dienst für den Feind zu machen, etwa bei der Versorgung der Solda- ten und in den Lazaretten, während die Jungen auf der anderen Seite in unseren Heimat- gruppen stehen und zusammen mit den Soldaten, die von draußen kommen um Norwegen zu helfen, kämpfen. In diese Situation dürft Ihr nicht kommen. Lehnt es ab, etwas mit dem weib- lichen AT zu tun zu haben. Kein norwegisches Mädchen in diesem Jahre zum AT. Haltet mit den Jungen zusammen:"

1626 April 1945

Soweit Polizeikräfte ausreichend zur Verfügung standen, wurden die Mädchen zwangsweise vorgeführt. Die bei dieser Gelegenheit von den Mädchen gemachten Äußerungen, wie "Wir gehen ganz gern zum AT, sind aber gezwungen, der Parole Folge zu leisten", lieferten ein- deutig den Beweis für die praktische Auswirkung des Terrors. Das Durchschnittsergebnis, der z.Zt. noch im Fortgang befindlichen Einberufung beläuft sich demnach auf etwa 62% der AT- Pflichtigen, wobei zu bemerken ist, daß Bezirke wie Gjövik und Hamar als dem Terror der Heimatfront besonders ausgesetzte Gebiete bei den Einberufungen unberücksichtigt blieben und das für den Gesamterfolg ungünstige Ergebnis von Groß-Oslo noch aussteht. Wesentlichen Anteil an der sich in der breiten Öffentlichkeit festigenden Anerkennung des weiblichen Arbeitsdienstes haben die Erfahrungsberichte der im Herbst vorigen Jahres aus- geschiedenen weiblichen AT-Angehörigen, die in ihren Schilderungen den unpolitischen Charakter des weiblichen Arbeitsdienstes sowie gute Führung, einwandfreie Behandlung und reichliche Verpflegung herausstellten. Während ein geringfügiger Teil norwegischer Bauern die Hilfe von AT-Maiden ablehnte, erwartet die Mehrheit der Bauern auch in diesem Jahre die Hilfe des weiblichen Arbeitsdienstes, der im Laufe des Monats Mai 30 Lager beziehen soll. Um der Propaganda der "Heimatfront" entgegenzutreten, wurde an jede AT-Pflichtige eine Broschüre übersandt, in der die falschen Behauptungen an Hand von Tatsachen-Schilderungen widerlegt werden. Die Haltung der etwa 350 norwegischen AT-Führerinnen, die während der Evakuierung Nordnorwegens wertvolle Hilfe leisteten, zeichnete sich durch Einsatzfreudigkeit und Verläß- lichkeit aus.

Bürgerwache.

Wie aus Fredrikstad gemeldet wird, hat der dortige Polizeimeister einigen Personen, die einer Aufforderung zur Bürgerwache nicht Folge leisteten, Geldstrafen von jeweils Kr. 100,- auf- erlegt. Diese Strafverfügungen wurden von den betreffenden Personen nicht anerkannt, so daß hierdurch der erste Fall vor dem Byrett (Stadtgericht) zur Verhandlung kam. Das Gericht hielt das polizeiliche Strafmaß aufrecht und verurteilte den Angeklagten ebenfalls zu der vor- genannten Geldstrafe. Aber auch dieses Urteil wurde von dem Angeklagten nicht an- genommen, so daß nunmehr das Lagmannsrett (Landgericht) sich mit der gleichen Angelegen- heit befassen mußte. Auch dieses Gericht verurteilte den Angeklagten zu der gleichen Geld- strafe, die aber wiederum von dem Angeklagten nicht anerkannt wurde. Auf Grund dieser vorgeschilderten Umstände habe sich nun der Polizeimeister gezwungen gesehen, zur Klärung der Angelegenheit den Volksgerichtshof um eine endgültige Entscheidung anzurufen. Dieses Gericht habe jedoch die Sache mit dem Bemerken zurückgegeben, daß es sich um kein politisches Vergehen handele, der Volksgerichtshof nicht zuständig sei und daher also keine Entscheidung treffen könne. Da es nicht möglich war, durch richterliche Entscheidung die von der Polizei ausgesprochene Strafverfügung rechtskräftig werden zu lassen, liegen seither die Strafsachen unerledigt beim Polizeimeister. Die gegnerische Bevölkerung macht sich lustig über die bestehenden Zweifel in der Zuständigkeit der Gerichte bei Bestrafungen von Ver- gehen gegen die Bürgerwachtpflicht. Die "Heimatfront" hat diesen Fall in einer ihrer illegalen Schriften aufgegriffen.

Tätigkeit der Hilfsorganisationen.

Die Hauptlager der schwedischen Norwegen-Hilfe für Lebensmittel und Bekleidungsstücke befinden sich in Oslo, Drontheim und Narvik. Größere Lager werden auch in Bodo und Ber-

1627 April 1945 gen unterhalten. Für etwa 600 Bespeisungsstellen sind kleinere Versorgungslager vorhanden. Nach Angaben der schwedischen Donator-Repräsentation werden jeweils soviel Lebensmittel in die letztgenannten Lager geschafft, daß der Bedarf für einen Zeitraum von 3 Monaten ge- deckt ist. Gemäß den getroffenen Feststellungen befinden sich in und bei Bergen 2 Lager mit zusammen 25 t Lebensmitteln, davon 201 Kartoffeln. Aus diesen Beständen wird ein weiteres Lager für die Bespeisung von 10 000 alten und kranken Personen unterhalten. Ein in Kristiansand eingerichtetes Lager enthält Büchsenfleisch, Haferflocken, Graupen sowie andere Lebensmittel und dient zur Bespeisung von 750 Personen mit je 1/21 Suppe 4mal wöchentlich. Der augenblickliche Lebensmittelbestand reicht bis Mai aus. Aus Bodo wird berichtet, daß Personen, bei denen die Lebensrnittel lagern, häufig Essen für Freunde und Bekannte veranstalten. In Oslo wurden Personen lediglich deshalb, weil sie gute Beziehungen zu den Verwaltern der Lager hatten, überreichlich bedacht. Die Donator- Repräsentation hat Abhilfe dieser Mängel zugesagt. Das norwegische Rote Kreuz hat in Oslo sein Hauptversorgungslager und an mehr als 30 Punkten im ganzen Lande Reservedepots mit Lebensmitteln, Kleidern, Verbandsmaterial und Medizin eingerichtet. Wie der Präsident des norwegischen Roten Kreuzes dazu erklärte, habe man die Lager möglichst versteckt angelegt, um sie dem Zugriff illegaler Kräfte zu entziehen. Verschiedentlich, z.B. in Bergen, sind in den Lagern des norw. Roten Kreuzes auch Vorräte der schwedischen Norwegen-Hilfe untergebracht. Die schwedische Norwegen-Hilfe übergab dem norwegischen Roten Kreuz in Bergen 3600 komplette siebenteilige Anzüge sowie 6000 Paar neue Skistiefel, die zur Einkleidung sämtlicher Schulkinder der Volksschulen ausreichten, zur Verteilung. Wie dazu aus Bergen berichtet wird, erfolgte sie rein nach sachlichen und sozialen Gesichtspunkten und ist bisher nicht zu beanstanden gewesen.

BdSudSD Oslo, Situationsbericht - Meldungen aus Norwegen Nr. 95 vom 27. April 1945 BA R 70/N/13, S. 1-26

Allgemeine Stimmung und Lage.

Der Fortgang der feindlichen Offensiven im Osten, Westen und Süden, besonders aber der Beginn des bolschewistischen Angriffs auf die Reichshauptstadt, haben die norwegische Be- völkerung weiter in der Überzeugung bestärkt, daß der Zusammenbruch Deutschlands in Tagen zu erwarten sei. Bereits der Tagesbefehl des Führers wurde dahingehend gedeutet, daß die Lage des Reiches verzweifelt sei. Die Tatsache, daß sich der Führer nur an die Ostfront- kämpfer wandte, löste Vermutungen aus, die Deutschen setzten alles ein, um die Sowjets auf- zuhalten, leisteten im Westen dagegen keinen ernsthaften Widerstand mehr. In der Rede von Reichsminister Dr. Goebbels mit der Bekanntgabe, daß er in Berlin sei und dort bleiben werde, glaubte man einen weiteren Beweis dafür sehen zu können, daß die Lage auch von der deut- schen Führung aus als hoffnungslos beurteilt werde. Dieser Eindruck vertiefte sich noch durch die Proklamation, durch die bekanntgegeben wurde, daß sich der Führer selbst nach Berlin begeben habe, um die Verteidigung der Reichshauptstadt zu leiten. Nachdem alle Erwartungen hinsichtlich neuer Waffen und Kampfmittel nun endgültig zuschanden geworden seien, sehen die gleichen Kreise irgendwelche Hoffnungen, die Katastrophe noch abwenden zu können, lediglich noch in der Möglichkeit, daß sich die Gegensätze zwischen den Alliierten weiter in schnellem Tempo vertiefen. Die letzten Erfolge der Bolschewisten haben in allen nicht mit den Kommunisten sympathi- sierenden Teilen der norwegischen Bevölkerung die bestehende Furcht vor dem Bolschewis- mus weiter verstärkt. Man furchtet, daß die Einnahme Berlins den Sowjetrussen neue be-

1628 April 1945 deutende Möglichkeiten für die Durchsetzung ihrer imperialistischen und weltrevolutionären Ziele erschließen und eine unmittelbare Bedrohung West- und Nordeuropas bedeuten würde. Selbst in radikalen Gegnerkreisen versucht man sich deshalb immer noch die Hoffnung zu erhalten, daß in letzter Minute doch noch ein Ausgleich zwischen Deutschland und den West- mächten zustande kommen möchte. Die Frage nach dem Schicksal Norwegens im Falle der erwarteten deutschen Niederlage im Reich wird immer lebhafter erörtert. Zwar wird meist angenommen, daß der Kampfwert der deutschen Besatzungstruppen durch einen angeblichen Rückgang der Disziplin gesunken sei. So werden z.B. Gerüchte verbreitet, die deutschen Soldaten würden sich mit Zivilkleidem versehen und zu diesem Zweck selbst vor Raub nicht zurückschrecken (Stavanger). Selbst- morde und Fluchtfälle nach Schweden würden immer häufiger. Auch heißt es, man könne Gesprächen mit Deutschen entnehmen, daß von diesen der Krieg als verloren angesehen und militärischer Widerstand in Norwegen als sinnlos betrachtet werde. Trotzdem scheint sich, wie auch durch die illegale Flugblattpresse belegt wird, mehr und mehr die Überzeugung durchzusetzen, daß ein Zusammenbruch des Reiches nicht automatisch die Kapitulation der deutschen Streitkräfie in Norwegen zur Folge habe würde. Zur Vertiefung dieser Auffassung trug im besonderen Maße der Satz in dem Telegramm des Reichskommissars an den Führer zum 20. April bei: "Wir alle, gleichgültig welchen Rock wir tragen, bürgen mit unserem Leben dafür, daß die Festung Norwegen gehalten wird, bis der deutsche Sieg, die Ehre, die Freiheit und damit die Zukunft unseres Volkes endgültig gesichert sind." Man glaubt sich nun der Gefahr gegenüber zu sehen, den Krieg in aller seiner Härte im Lande zu erleben. Möglichkeiten, Kampfhandlungen in Norwegen doch noch zu entgehen, erhofft man sich zum Teil in einer in Verbindung mit der Konferenz von San Francisco erwarteten Pro- klamation der Alliierten, in welcher der Krieg für beendet und jeder Deutsche, der den Kampf fortsetzen werde, als Franktireur erklärt werden solle. Vor allem aber wird Schweden in dieser Frage eine bedeutende Rolle zugemessen. In einem Artikel der illegalen Zeitung "Kronikken" heißt es wörtlich: "Es scheint, als ob Schweden mehr und mehr in den Brennpunkt des Geschehens um unsere Befreiung rückt. Wir benötigen allerdings auch in einer solchen Situation das ganze Gewicht der schwedischen militärischen Stärke neben dem Durchmarschrecht für alliierte Truppen und der Überlassung von schwedischen Luftbasen an die alliierte Luftwaffe. Eine Landung alliierter Streitkräfte dürfte unzweckmäßig sein, solange die Möglichkeit besteht, Norwegen auf dem Wege über Schweden zu erreichen, nachdem Dänemark zuvor befreit worden ist." Man hofft, daß Schweden aus seiner bisherigen Zurückhaltung heraustreten und feste Zu- sicherungen abgeben wird, daß es im Falle deutschen Widerstandes seine militärische Macht einsetzen werde. Ein großer Teil der Bevölkerung gibt sich weiter der Hoffnung hin, daß im Falle kommender Auseinandersetzungen die Heimatfront keine aktive Rolle übernimmt, da befürchtet wird, daß es dann zu einem Bürgerkrieg kommt, dessen Wirrnisse von den Kommunisten zur Durch- setzung ihrer Ziele benutzt werden könnten. In diesem Zusammenhang ist der Leitartikel in "Aftenposten" vom 28. 4. 45 bemerkenswert. Nach der Feststellung, daß das Tauziehen der verschiedenen Mächte um die "Befreiung" Norwegens und der Machtkampf der verschiedenen politischen Gruppen zu militärischen Aktionen auf norwegischem Boden zu neuen Be- setzungen, zu Bürgerkrieg und Bolschewismus führen werde, was den Wünschen der großen Mehrheit des norwegischen Volkes zuwiderlaufe, schließt der Artikel mit den Parolen:

1629 April 1945

"Wir wünschen, daß die Besetzung auf friedliche Weise abgewickelt wird, ohne daß unsere Städte in Ruinen gelegt werden. Wir wünschen keine neue Besetzung. Wir wünschen keinen Bürgerkrieg. Wir wünschen keinen Bolschewismus. " Dem Zweck, die Anhänger der Nasjonal Sämling davon abzubringen, im gegebenen Falle auf deutscher Seite zu kämpfen, dient die Nr. 2 des 2. Jahrgangs der illegalen Zeitschrift "Norsk Hird". Nach einer Darstellung der Kriegslage heißt es in der vorliegenden Ausgabe: "Falls es gelingen sollte, unsere bewaffneten Formationen zum Einsatz gegen unsere Lands- leute zu mobilisieren, um die Deutschen zu decken, würde dies für alle Zukunft den Schatten des Bürgerkrieges auf den Namen unseres Förers und auf unsere ganze Bewegung werfen." Die gleichen Tendenzen lassen sich aus der Forderung nach einem "norwegischen" Hirdchef ebenso erkennen wie aus der Feststellung, "es ist nicht der Wille des Förers, daß der Hird heute zum deutschen Polizeidienst mobilisiert wird", und der Aufforderung an das "gestohlene Bataillon" (gemeint ist das Skijägerbataillon), sich "nicht in den Dienst der deutschen Polizei einzuverleiben." Im gleichen Zuge wird dazu aufgefordert, alle "nicht norwegischen" Führer aus der Bewegung zu entfernen. Als "nicht norwegisch" werden dabei vor allem die An- gehörigen der Germanischen SS Norwegen und darüber hinaus alle Personen verstanden, die zu Deutschland eine betont positive Haltung einnehmen. In der bangen Erwartung bevorstehender Ereignisse findet überall die Frage lebhaftes Inte- resse, ob sich Norwegen mit Deutschland im Kriegszustande befinde oder nicht. Da in der illegalen Presse in letzter Zeit immer häufiger von der bevorstehenden Abrechnung mit allen "Verrätern" die Rede war (vgl. Situationsbericht Nr. 90), ist man insbesondere in Wirtschafts- kreisen ohne Rücksicht auf die politische Einstellung daran interessiert, verbindliche Er- klärungen dafür zu erhalten, daß ein Kriegszustand zwischen Deutschland und Norwegen nicht bestehe und einem aus seinem loyalen Verhalten gegenüber den Deutschen daher nicht der Vorwurf des Landesverrats gemacht werden könne (vgl. Situationsbericht Nr. 94). Viel beachtet wurden deshalb einige Veröffentlichungen in "Aftenposten", die über- einstimmend nachzuweisen versuchen, daß Norwegens Stellung im jetzigen Krieg die eines besetzten neutralen Staates sei. So schreibt Prof. Hermann Harris A a 11 in einem Arti- kel, der die bezeichnende Überschrift "Die rechtliche Stellung norwegischer Staatsangehöriger zum Krieg anderer Staaten" trägt: "Zwischen der jetzigen norwegischen Regierung und Deutschland ist niemals Krieg gewesen." Auch das norwegische Volk habe nie gegen Deutsch- land mit dem Wissen Krieg geführt, "daß seine eigenen völkerrechtlichen Grundsätze von seiner vorherigen Regierung aufgegeben worden waren." Ein Betrogener aber müsse nach dem beurteilt werden, "was er gewollt haben würde, wenn er die Wahrheit bekannt haben würde." Bemerkenswert sind Prof. Aalls Feststellungen [unleserlich] "Ob sich ein Staat mit einem anderen im Krieg befindet, wird nicht von der einen Partei entschieden" und: "Wenn über die staatsrechtliche Stellung norwegischer Staatsangehöriger zwischen Norwegen und Deutschland Schwierigkeiten bestehen sollten, wird diese Frage deshalb nicht von Deutschland, sondern von den norwegischen Behörden entschieden". Im Leitartikel vom 25. 4. 1945 heißt es, für das norwegische Volk sei es "von Lebens- wichtigkeit, weiterhin unerschütterlich an der Neutralität unseres Landes festzuhalten". Am 27. 4. versucht "Aftenposten" die Frage zu beantworten, wie "die Gefangenschaft norwegischer Offiziere in Deutschland und die Teilnahme norwegischer Freiwilliger im Kampf gegen den Bolschewismus mit Norwegens Neutralität in Übereinstimmung gebracht werden können". Die Zeitung will feststellen, daß die Stellung der beiden fraglichen Personengruppen Beweise für

1630 April 1945

Norwegens neutrale Stellung im Krieg der Großmächte seien, nachdem die Vertreter der Kriegspolitik am 9. Juni 1940 geflohen seien. Dabei wird u.a. die These verfochten, die Front- kämpferbewegung werde "nicht von dem neutralen norwegischen Staat", sondern von der Partei Nasjonal Sämling betrieben, ebenso wie die Werbung für Finnland s.Zt. von der damaligen Regierungspartei, nämlich der Arbeiterpartei, durchgeführt worden sei. Von der gegnerisch eingestellten Bevölkerung werden die Leitartikel von "Aftenposten" aus den letzten Tagen einmal als ein Zeichen dafür bewertet, daß selbst die politischen Schriftleiter dieser pro-deutschen Zeitung endlich den Glauben an einen deutschen Sieg verloren hätten, zum anderen als krampfhafte Versuche beurteilt, sich durch juristische Spitzfindigkeiten von dem Vorwurf des Landesverrats freizusprechen. Unter norwegischen Freiwilligen hat ins- besondere ein angebliches "Eingesandt" in der Ausgabe vom 27.4. lebhafte Kritik ausgelöst. In der offensichtlich aus der Feder der Schriftleitung stammenden "Zuschrift" des angeblichen Frontkämpfers heißt es u.a.: "Ich stimme völlig mit 'Aftenposten' darin überein, daß Norwegen neutral sein muß. Er habe sich als Privatperson zum Kampf gegen den Bolschewismus gemeldet, aber gegen Landsleute wolle er nicht kämpfen: 'England kämpft für sich und Deutschland kämpft für sich['], aber wir Norweger wollen nicht gegeneinander kämpfen. Norwegen ist neutral und soll neutral bleiben." Gleichfalls im Hinblick auf in Norwegen zu erwartende Kampfhandlungen hat die Führung der Heimatfront einen neuerlichen Aufruf erlassen, in dem die norwegische Jugend nochmals aufgefordert wird, Einberufungen zum Arbeitsdienst keinesfalls Folge zu leisten: "Einberufung zum Arbeitsdienst ist Mobilisierung für den Feind, und die Uniform des Arbeitsdienstes ist eine feindliche Uniform. Verstehst du," so heißt es in dem Aufruf, "was es bedeutet, während des Freiheitskampfes in der Uniform des Feindes zu sein? - sei auf der Hut -, die Gesetze des Krieges sind unerbittlich hart." Die nach Überwältigung der norwegischen Wachmannschaften von bewaffneten Männern durchgeführte Entführung des Bischofs Berggrav aus seiner Hütte in Asker, wo er interniert gehalten wurde, wurde bei der Bevölkerung schnell bekannt. Ein Teil sprach von einem gut geglückten Coup norwegischer "Patrioten", während andere eine gewaltsame Ent- führung durch Angehörige der NS, durch Deutsche oder auch durch Kommunisten vermuten. In politisch führenden NS-Kreisen wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß Berggrav im Auftrage des konservativen Flügels der Heimatfront entführt worden sein könnte. Man weist in dieser Verbindung daraufhin, daß sich in Schweden z.Zt. der aus der Internierung in Deutschland entlassene Prof. S e i ρ, weiter der frühere Byfogd von Oslo, Harald Gram, und einige weitere bekannte Personen befänden, die in heftiger Opposition gegen die Londo- ner Exilregierung und die norwegische Legation in Stockholm stünden. Zähle man hierzu U t h e i m in London als Vertreter der norwegischen Kapitalisten, so ergäbe sich ein Kreis, dem als zentrale Figur nur noch Berggrav fehle, um als neue, von England gestützte bolsche- wistenfeindliche Regierung an die Stelle der überall unpopulären Regierung Nygaardsvold treten zu können. Verschiedentlich wird auch Advokat H j o r t, der sich ebenfalls in Schweden befindet, in diese Kombination einbezogen. Nachdem die Führung der Heimatfront inzwischen mitgeteilt hat, daß sie mit der Entführung Berggravs nichts zu tun habe, gewinnen in positiv eingestellten Kreisen mehr und mehr Ver- mutungen Verbreitung, daß Berggrav von Kommunisten entführt und vielleicht schon liqui- diert sei, da von diesen angenommen werde, daß er beim Eintreten schwieriger innerpolitischer Situationen den überwiegenden Teil des norwegischen Volkes hinter sich vereinen könnte und damit das größte Hindernis für die Durchsetzung der bolschewistischen Ziele sein werde.

1631 April 1945

Innerpolitische Entwicklung.

Die militärische Lage des Reiches war für Ministerpräsident Quisling sowie führende Partei- und Regierungskreise in der Berichtszeit wiederum der Anlaß, das deutsche Verhalten in der Frage der norwegischen Souveränität heftigster Kritik zu unterziehen, und zu unter- suchen, welche Folgerungen nach Ansicht dieser Kreise aus der gegenwärtigen Situation zu ziehen seien. Ministerpräsident Quisling ist - von der augenblicklichen Situation außerordentlich beeindruckt - tief verbittert darüber, daß ihm nach seiner Meinung alle Möglichkeiten zu irgendwelchen positiven politischen Lösungen von deutscher Seite konsequent verbaut würden, und hat deshalb seinen Rücktritt ernsthaft in Erwägung gezogen. Die unverzügliche Wiederherstellung der norwegischen Souveränität wird als notwendige Voraussetzung be- trachtet, wenn unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt noch etwas gerettet werden solle. Wenn man Norwegen die Basis fiir eine aktive norwegische Außenpolitik gebe, würden auch jetzt noch Möglichkeiten bestehen, auf dem Umweg über den Norden einen Beitrag zur Lösung der Krise zu leisten. Von der Überzeugung ausgehend, daß Deutschland nicht mehr in der Lage sei, dem Krieg mit militärischen Mitteln eine Wendung zu geben, und daß sich aus der gegenüber den ersten Kriegsjahren völlig veränderten Lage gänzlich neue Zukunftsaspekte ergäben, werden diese Gedanken in Regierungs- und Parteikreisen mit immer größerem Nachdruck vertreten. Der Gesandte Stören glaubt es sich zutrauen zu können, als Außenminister eines souve- ränen norwegischen Staates eine aktive Frontstellung eines Blocks der skandinavischen Staaten gegen Sowjetrußland auslösen, damit einen Konfliktstoff zwischen England und Amerika auf der einen und Sowjetrußland auf der andren Seite schaffen und mit diesem Aus- gangspunkt eine Einigung zwischen den Westmächten und Deutschland herbeiführen zu können. Der reale Hintergrund für die Verwirklichung dieser Möglichkeit müsse in der Tat- sache gesehen werden, daß für England ein notwendiges Interesse an der Fortführung des Krieges nicht mehr bestehe, wohl aber die Gefahr akut sei, daß der bisher erfüllte Sinn des Krieges durch die sowjetrussischen Eroberungen wieder verloren gehe. Es komme also darauf an, die taktischen und persönlichen Schwierigkeiten Churchills zu umgehen und ihm einen Weg zu weisen, der ihn der Notwendigkeit entheben könne, aus innerpolitischen Gründen einen Krieg fortzusetzen, der seinen außenpolitischen Sinn für ihn bereits erfüllt habe. In Verbindung mit der im Rahmen dieser Konzeption geforderten Wiederherstellung der norwegischen Souveränität ist die Stellung des Reichskommissariats immer wieder Gegen- stand lebhafter Erörterungen. Wie hierzu bekannt wird, hat Quisling erklärt, daß er die Ver- ordnung des Führers vom 24. April 1940 über die Einsetzung eines Reichskommissars in Norwegen nie anerkannt habe und auch nie anerkennen werde. Das Reichskommissariat sei ungesetzlich. Stören hat, - nach seinen Worten, um einem offenen Bruch zwischen dem Minister- präsidenten und dem Reichskommissar entgegenzuwirken - folgenden Vorschlag gemacht: "Das Reichskommissariat ist ein Teil der Besatzungsmacht eines ausländischen Staates. Der Verkehr mit dieser Besatzungsmacht hat in derselben Weise stattzufinden, wie es sonst im Verhältnis zu ausländischen Staaten üblich ist, nämlich über eine für den Verkehr mit aus- ländischen Staaten besonders eingerichtete Stelle. Dies wäre im Falle Norwegen die Außen- politische Abteilung des Ministerpräsidenten." Einen unverkennbar negativen Einfluß übt im gegenwärtigen Zeitpunkt auch Minister Whist auf den Ministerpräsidenten aus. Wie durch Gewährsmänner immer wieder belegt wird, versäume er keine Gelegenheit, in seinen Gesprächen mit Quisling versteckte und offene Angriffe gegen die Deutschen zu richten. Hinter diesen Sticheleien, die auf die Dauer ihren

1632 April 1945

Eindruck auf Quisling nicht verfehlten, stehe einmal die Auffassung, daß Deutschland an Norwegen nichts mehr liefern könne, umgekehrt aber Norwegen an Deutschland liefern müsse, so daß die Aufgabe des Reichskommissariats jetzt nur noch darin bestehe, Norwegen zu Gunsten Deutschlands auszuplündern. Auf der anderen Seite werde die Haltung Whists dadurch bestimmt, daß er den Krieg für Deutschland als verloren ansehe und es deshalb darauf ankomme, zu retten, was zu retten sei. Whists Forderung geht dahin, daß das Reichs- kommissariat endgültig abgelöst werden müsse. Es hat vielfach den Anschein, daß er hofft, den Ministerpräsidenten zu einem offenen Konflikt mit dem Reichskommissar treiben zu können.

Auch von sonst z.Zt. nicht besonders hervortretenden Personen aus der Umgebung Quislings werden politische Kombinationen gemacht, deren Ausgangspunkt eine deutsche Niederlage ist. Besonders gehässige Kommentare gegenüber Deutschland wurden in letzter Zeit z.B. von dem als Sachkenner für Marinefragen geltenden früheren Vertreter von "Fritt Folk" in Berlin, Grundvig-Gundersen, entwickelt. Dieser vertritt den Standpunkt, man könne nicht an das Versprechen des Führers glauben, daß Norwegen nach einem deutschen Sieg wieder frei und selbständig werden würde, denn es sei eine Selbstverständlichkeit, daß die Politik des Reichskommissars vom Führer gutgeheißen worden sei. Man müsse jetzt die Konsequenzen aus der veränderten Lage ziehen und verstehen, daß Norwegens einzige Rettung in einer nor- wegischen Front gegen den Bolschewismus unter dem Schutze Englands liege. Die West- mächte selbst seien daran interessiert, daß Europa nicht bolschewistisch werde, und sie seien auch stark genug, um dies zu verhindern. Eine ausgesprochen negative Haltung zeigt auch Minister L i ρ ρ e s t a d. Gesprächsweise erklärte er, daß seiner Meinung nach die deutschen Truppen in Norwegen nach einer Be- endigung des Widerstandes im Reich selbst kaum geneigt sein dürften, den Kampf fortzu- setzen. Als wichtigste Aufgabe der norwegischen Regierung bezeichnete er die Verhinderung des Bürgerkrieges. Wenn er trotz dieser pessimistischen Betrachtungsweise daran festhalte, daß Norwegen seine Souveränität erhalten müsse, so nur deshalb, weil er darin die Erfüllung eines deutschen Versprechens sehe. Nachdem Quisling von deutscher Seite fünf Jahre lang betrogen und mit leeren Versprechungen irregeführt worden sei, müsse es eine Anstandspflicht sein, durch die Gewährung der Souveränität seine Ehre wiederherzustellen. Die Frage, ob beispielsweise bei Erfüllung dieses Wunsches die NS bei kriegerischen Hand- lungen auf deutscher Seite stehen werde, wird von Lippestad verneint. Die Fortsetzung des Kampfes sei sinnlos. - Wegen der Freilassung der früher im Reich internierten Norweger Prof. S e i ρ, des früheren Polizeipräsidenten W e 1 h a ν e η und des Advokaten Η j o r t, die sich jetzt in Schweden aufhalten, hat Gesandter Stören in einem Schreiben an deutsche Adresse das Erstaunen dar- über ausgedrückt, daß diese Maßnahme ohne vorherige Besprechung mit den norwegischen Behörden durchgeführt worden sei. Er nahm diesen Vorgang zum Anlaß für die Feststellung, daß die Inhafihaltung von Geiseln für nach Schweden geflohene Personen keine Berechtigung mehr haben könne, "wenn politisch unzuverlässige Personen, die in Deutschland in Haft sa- ßen, Ausreiseerlaubnis nach Schweden bekommen". In diesem Zusammenhang ist die gleichfalls von Stören kommende Anfrage erwähnenswert, ob für die norwegischen politischen Gefangenen in Deutschland jetzt eine Möglichkeit zur Rückführung nach Norwegen bestehe.

Gegnerische Tätigkeit.

Die Versorgung und Ausrüstung der Mil.Org. mit Waffen, Sabotagematerial und anderen Ausrüstungsgegenständen hält weiterhin an. Die Versorgungseinflüge in den südnorwegischen

1633 April 1945

Raum haben wieder erheblich zugenommen. In der Zeit vom 1. 4. bis 24. 4. 45 erfolgten 15 Einflüge mit 185 Maschinen. Allein in der Nacht zum 24. 4. wurden die bekannten Schwer- punkträume Skien, Notodden, Krageröy [Krager0], Drangedal und Frederikstad von 20 bis 50 Maschinen überflogen und Material zur Versorgung der Widerstandsbewegung abgeworfen. Die Ergebnisse der zur Erfassung des Materials eingesetzten Jagdkommandos liegen noch nicht vor. Beim Überfliegen des Gebietes von Troelldahl im Bereich der Außendienststelle Odda wurden 6 Behälter abgeworfen, von denen 3 in einen See fielen. Die restlichen 3 Ver- sorgungsbomben wurden geborgen. Sie enthielten: 9 MG 4 MG-Läufe 16 Magazine 4596 Schuß Munition. Bei weiteren Zugriffen gegen die Mil. Org. wurden umfangreiche Lager mit Waffen, Munition, Sabotagematerial und Ausrüstungsgegenständen erfaßt. Bei einer Durchsuchungsaktion im Räume südwestlich Dokka wurden in 3 Waffenbunkern folgende Waffen sichergestellt: 25 LMG 50 Maschinenpistolen 120 Gewehre 4 Panzerschrecks, ferner große Mengen Munition zu den verschiedenen Waffen, Sprengstoff und Sabotage- material. Auf der Insel Kalvoey (Bereich Kristiansand) wurde ein Ausrüstungslager der Mil. Org. in den Kellerräumen eines leerstehenden Hauses ausgehoben. Sichergestellt wurden u.a.: 78 Rucksäcke 249 Kompasse 15 Kartentaschen 100 Paar Skischuhe 27 Paar Gummistiefel 21 Paar Filzstiefel 109 Windjacken 292 Armbinden mit norw. Flagge 93 Skimützen 27 Skihosen 27 Anoraks 675 Paar Sportstrümpfe 72 Paar Socken, weiß 82 Paar Handschuhe 25 Wollschals 49 Kopfschützer 52 Hemden 27 Pullover 25 Ölpellerinen 16 Zelte 15 Schlafsäcke Eßbestecke, Handwerkszeug usw.

1634 April 1945

Im Raum Sander und Galderud (Bereich Kongsvinger) wurde eine Gruppe der Mil.Org. zer- schlagen. Ein Gruppenführer, 2 Truppführer, 6 Lagführer und 25 Angehörige der Mil.Org. wurden festgenommen. Das zu dieser Gruppen gehörende Waffenlager wurde sichergestellt. Es enthielt u.a.: 12 Fallschirme 1 Maschinengewehr 8 Maschinenpistolen 40 Gewehre 12 000 Schuß Infanterie- und Mpi-Munition 20 Stangen mit Zündschnur ferner eine Anzahl Armbinden mit Aufdruck "H 7" Hjemmevemet. Bei einem sicherheitspolizeilichen Zugriff gegen die Mil.Org. im Räume Haugesund wurden mehrere umfangreiche Lager mit Waffen, Munition, Sprengmaterial und Uniformen sicher- gestellt. Vernehmungen ergaben, daß in der Osterwoche ein flüchtiger Norweger das Material mit seinem Kutter von englischen S-Booten übernommen und nach Haugesund gebracht hat. Im Zuge dieser noch andauernden Aktion wurden bisher 14 Personen wegen Beteiligung an Waffentransporten und Zugehörigkeit zur Mil.Org. festgenommen. Bei einem weiteren mit Unterstützung der Wehrmacht und norwegischen Staatspolizei im Räume Naerbö [Nsrb0] (Bereich Stavanger) durchgeführten Unternehmen wurden 10 Norweger wegen Zugehörigkeit zur Mil.Org. festgenommen. Sie hatten illegal arbeitende Gruppen laufend mit Lebensmitteln versorgt und Ausspähdienste geleistet. Bei einem der Festgenommenen wurde eine Liste Uber sämtliche Angehörige und Arbeitsgebiete der Dienst- stelle des BdS, Oslo, und Karten mit Einzeichnungen der Verteilung militärischer Kräfte im Räume südlich Stavanger und Egersund gefunden. Im Gebiet des Stenevand (Bereich Stavanger) wurde eine Agentengruppe ermittelt, die im Schutze des dichten Nebels fliehen konnte. Bei Durchsuchung der Hütte wurden Quarze für einen Sender gefunden. Vermutlich wurde hier eine Sendestation betrieben. Unter den in der Hütte sichergestellten Gegenständen befinden sich außer Bekleidungs- und Ausrüstungsgegen- ständen: 1 Radiogerät 1 Coltpistole 1 Kopfhörer 1 Taste 7 Quarze 2 MPi - mit Magazinen und Munition 2 Landkarten in Taschentuchformat Im gleichen Räume gelang die Festnahme eines am 27. 3. von englischen S-Booten nördlich der Insel Bömlo abgesetzten und mit falschen Papieren ausgestatteten Agenten, der den Auf- trag hatte, bei einem deutschen Rückzug oder einer englischen Landung die deutschen Spreng- vorbereitungen am Kai von Stavanger, an der Rosenbergwerft und am Kai von Sandnes un- schädlich zu machen. Durch Kräfte der Ordnungspolizei wurde im Gebirge westlich des Rangefjords eine be- waffnete Mil.Org.-Gruppe ausgehoben und 2 Angehörige der Gruppe im Feuergefecht er- schossen. Die Gruppe lag seit etwa 1 Jahr in den Wäldern und hatte die Aufgaben, Bunker- anlagen zu bauen und Abwurfmaterial sicherzustellen. 4 Hütten wurden niedergebrannt. Aus- sagen eines Kuriers führten zur Festnahme von 9 weiteren Angehörigen der Mil.Org. Im Grenzgebiet von Narvik, 18 km von der schwedischen Grenze entfernt, wurde ein deut-

1635 April 1945 scher Skispähtrupp von unbekannten Tätern beschossen und dabei ein Soldat verwundet. Ein in einer Mooshütte sichergestellter Funkspruch läßt auf illegale Tätigkeit in diesem Gebiet schließen. Die Täter sind vermutlich Angehörige einer aus Schweden gekommenen illegalen norwegischen Gruppe. Am 20. 4. 45 wurde in ganz Norwegen eine Sondergroßfahndung durchgefühlt. Dabei wurde in Aalesund ein Sender des britischen Schiffsmeldedientes ermittelt, der in einem Zelt im Gebirge bei Sore Vartdal behelfsmäßig untergebracht war. Bis Ende 1945 [!] hatte die Station von Darholm östlich Vigra Schiffsbewegungen durchgegeben. Der Funker, der bei einem Fluchtversuch angeschossen wurde, und sein Begleiter wurden festgenommen. Ebenfalls im Rahmen der Großfahndung wurde am 19. 4. in Oslo ein Truppführer der Mil.Org., der auf Grund einer ihm zugegangenen Warnung mit seinem Trupp geflüchtet, je- doch wegen des Todes seiner Frau nach Oslo zurückgekehrt war, festgenommen. Seine Ver- nehmung führte zur Festnahme von 6 weiteren, zum Teil fuhrenden Mitgliedern der Mil.Org. Der mit ihm geflüchtete, 24 Mann starke Trupp wurde am 20. 4. durch Kräfte der Ordnungs- polizei im Gebiet des Heikampen (nördlich Sörkedal) gefaßt. Blockhäuser und Hütten, die dem Trupp als Unterkünfte gedient hatten, wurden vernichtet. Der Truppführer hatte die Warnung über die beabsichtigte Festnahme von einem von der Wehrmacht zur Sicherheitspolizei abgestellten Unteroffizier (Dolmetscher) erhalten. Der Un- teroffizier wurde festgenommen und der Geheimen Feldpolizei übergeben. Die Mordanschläge gegen deutschfreundliche Personen, NS-Angehörige und norwegische Polizeibeamte haben in der Berichtszeit zugenommen. Am 19. 4. wurde der Polizeimeister von Hönefoss, Landerud, von Insassen eines vor- beifahrenden Kraftwagens durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Landerud war früher Ab- teilungsleiter bei der norwegischen Staatspolizei in Oslo und gilt als besonders zuverlässig. Auf einem Bauernhof in der Nähe von Geilo wurde ein Hird-Mann, in Vestfossen ein NS- Mann und vor einem Kaffeehaus in einem Vorort von Oslo ein norwegischer Frontkämpfer erschossen aufgefunden. Am 16. 4. wurde ein ehemaliger norwegischer Polizeibeamter von unbekannten Tätern erschossen. Die Sabotagetätigkeit richtete sich in erster Linie wiederum gegen die Verkehrswege. Es erfolgten Sprengstoffanschläge gegen eine Eisenbahnbrücke bei Steinkjer, gegen den Schie- nenkörper bei Mosjöen und am Bahnhof in Leer [Ler], gegen die Eisenbahnstrecke bei Najavaten, gegen Hochleitungsmasten in Heroen und gegen eine Weiche auf dem Bahnhof Kambo. Im Bereich Drontheim wurde der Schienenstrang zwischen den Stationen Cjelmoy und Fossen in einer Länge von 560 m 28mal und bei Kolaas 110 Schienen auf einer Strecke von 3 km vor und hinter einem Tunnel gesprengt. Ein geplanter Anschlag gegen die Nordsjoen-Eisenbahnbrücke auf der Strecke Svenseid-Boe wurde verhindert. Beim Anschlag gegen die Eisenbahnstrecke bei Najavaten, bei dem der Schienenstrang auf 1100 m durch 32 Doppelsprengladungen zerstört wurde, wurden Sprengkörper amerikani- scher Herkunft gefunden. Auch bei anderen Anschlägen im Räume Drontheim deuten Reste vorgefundenen Sabotagematerials auf amerikanische Herkunft hin. In diesem Zusammenhang verdient eine Veröffentlichung in der schwedischen Presse Beachtung, aus der hervorgeht, daß mehrere amerikanische Saboteure im schwedischen Grenzgebiet auftauchten und erstaunt waren, in Schweden gelandet zu sein. Sie gaben an, den Auftrag gehabt zu haben, mit ihrem Sabotagematerial über Norwegen abzuspringen. Der Anschlag gegen ein Heulager der Wehrmacht in Tönsberg, wobei fast 100 Tonnen Preßheu durch Feuer vernichtet wurden und der versuchte Anschlag gegen eine Heupresse im Hofe eines Bauern in Holmsbu bei Hurum deuten auf die Sabotageabsichten des Gegners auf die insbesondere in Südnorwegen befindlichen deutschen und norwegischen Rauhfutterlager

1636 April 1945 hin. Eine Veröffentlichung in der feindlichen Presse über die Bedeutung des Rauhfutters be- weist das Interesse des Gegners für derartige Lager. Weitere Anschläge richteten sich gegen den 1800 BRT Dampfer "Helga Elsa Russ" im Os- loer Hafen, gegen ein OT-Lager in Tönsberg, wobei 600 Liter Motorenöl vernichtet wurden, gegen das Organisationsbüro des norwegischen weiblichen Arbeitsdienstes in Oslo, gegen eine für die Wehrmacht tätige Autoreparaturwerkstatt und einen PKW der Ordnungspolizei in Oslo. Der Brand eines Touristenhotels in Hallingdal dürfte ebenfalls auf Sabotage zurückzuführen sein. Bei einem Sprengstoffanschlag auf das im Hafen von Oslo liegende norwegische Spezial- schiff "Belpamila" (3165 BRT) wurde ein zum Heben von Schwerstlasten dienender elektri- scher Motor zerstört. Eine Sprengladung an einem zweiten Motor konnte beseitigt werden. Bei Abschluß des Berichtes wird bekannt, daß es bei Eggedal zu einem Feuergefecht zwi- schen einer Abteilung deutscher Ordnungspolizei und norwegischen Hirds auf der einen und einer größeren Abteilung der Mil. Org. auf der anderen Seite kam, das auf deutscher Seite 5 Tote und 7 Verletzte forderte. Die Höhe der Verluste auf Seiten der Mil.Org. ist noch un- bekannt.

Nasjonal Sämling.

Die durch die militärische Lage Deutschlands bedingte Depression erfaßte weitere Kreise innerhalb der NS. Auch von selten der Aktivisten sehe man, Osloer und Bergener Meldungen zufolge, den Glauben und die letzte Hoffnung auf einen deutschen Sieg schwinden. Das Aus- bleiben der im Vertrauen auf den "letzten Trumpf' des Führers erwarteten Wende, insbesonde- re die Widerlegung der Erklärung des Führers in seinem Aufruf an die Soldaten der Ostfront: "Berlin bleibt deutsch!" durch die inzwischen eingetretene tatsächliche Entwicklung (Eindrin- gen der Bolschewisten in Berlin) habe die letzte Hoffnung begraben und neben Enttäuschung eine bleibende Resignation zur Folge. Auch führende Persönlichkeiten in der NS seien zu der Erkenntnis gelangt, der Führer suche im Kampf um Berlin den Heldentod und damit einen würdevollen Abgang von der politischen und geschichtlichen Bühne. Innerhalb der Partei wie überhaupt in der Öffentlichkeit in Nordnorwegen hätten daher Austritte bekannter Persönlich- keiten aus der NS, wie Soerenskriver Straumann, des ehemaligen Polizeimeisters von Svolvaer, Lian, des Polizeikapitäns Berg, Tromsö, und des Lensmannes Η o e 1, Karl- söy, Aufsehen erregt und würden als Schritt einer um sich greifenden Mutlosigkeit in der NS gewertet. Es sehe so aus, als möchten solche Elemente ihre bisherige Parteizugehörigkeit aus Angst nun ungeschehen machen. In der Bevölkerung Bergens sei von einer Selbstmord- Epidemie in der NS die Rede und im Zusammenhang damit eine Wandlung in der Einstellung des Durchschnittsbürgers gegenüber den NS-Mitgliedern insofern festzustellen, als man viel- fach seinem Mitleid mit dem Schicksal des einzelnen NS-Mitgliedes Ausdruck verleihe. Ungeachtet aller dieser stimmungs- und haltungsmäßigen Erscheinungen ist jedoch die NS in ihrer Gesamtheit durch einen aktiven, einsatzbereiten Mitgliederkem in organisatorischer Hinsicht als geschlossen zu bezeichnen. Die Auffassung, daß die Westmächte und auch die norwegische Exilregierung nach erfolg- tem Zusammenbruch Deutschlands auf die Unterstützung von seiten der breiten Masse der NS- Mitglieder in der Abwehr bolschewistischer Bestrebungen in Norwegen nicht verzichten könn- ten, sei heute unter den Parteimitgliedern nicht selten anzutreffen. Stimmungsmäßig stützend und die Kampfbereitschaft sowie das Selbstbewußtsein stärkend wirke sich in zunehmendem Maße die Ausbildung und Bewaffnung der Hirdmänner aus, die ihrer Genugtuung mit dem Hinweis Ausdruck geben, jetzt endlich nicht mehr wehr- und hilflos wie bisher zu sein.

1637 April 1945

Fylkesförer R o g s t a d wurde Mitte April zunächst für 3 Monate nach Oslo zur Über- nahme der Geschäfte des Chefs der norwegischen Sicherheitspolizei beordert. Die Nachfolger- frage für den Posten des Fylkesförers in Tröndelag konnte bisher einer zufriedenstellenden Lösung nicht zugeführt werden. Der nunmehr die Geschäfte des Fylkesförers in Drontheim führende Fylkes-Personalleiter Odd Dahl gilt als Werkzeug der "nationalen Front" der NS; er besitzt volle Unterstützung des Personalchefs in der Reichsleitung der NS, Arveskau. Die geplante Beauftragung des Drontheimer Bürgermeisters S t o k s t a d als Fylkesförer wird in deutschfreundlichen Kreisen als bedenklich angesehen insofern, als St. in seiner Bürgermeister-Funktion durch eine geeignete Persönlichkeit nicht zu ersetzen sei. Aus den gleichen Kreisen wurde die Ernennung eines befähigten Frontkämpfers zum Fylkesförer vor- geschlagen und dabei der Name des SS-Untersturmführers Arnfinn V i i k , Sohn des Generaldirektors der NSB, genannt. Unter den Hirdführern, besonders in Oslo, ist die Abberufung R o g s t a d s als Fylkesfö- rers Gegenstand lebhafter Diskussionen, wobei das Für und Wider der eventuellen gleich- zeitigen Ernennung Rogstads zum Hird-Chef mit der überwiegenden Tendenz besprochen wurde, daß R. für die nächste Zeit seine ganze Kraft zur Einarbeitung in die Stellung des Chefs der norwegischen Sicherheitspolizei benötige. Zahlreiche Stimmen sprechen sich gegen eine eventuelle Ernennung Rogstads zum Hird-Chef aus, mit dem Hinweis, daß Rogstad als Chef der norwegischen Sicherheitspolizei zu stark exponiert sei und notwendige militärische Er- fahrungen fur den Hirdchef-Posten nicht habe. Die im Zusammenhang damit hauptsächlich von den Fordelingschefs erneut aufgerollte Frage der Neubesetzung des Hirdchef -Postens ist nach wie vor ungelöst, obgleich der Ministerpräsident Quisling den Fordelingschefs erklärte, er sei nicht nur Oberster Hird-Chef, sondern auch Hird-Chef. Im Zuge der Militarisierung des Hird bzw. der Neuaufstellung von Hird-Bataillonen berief Quisling Oberstltn. Qui st zu seinem ersten militärischen Berater und setzte gleichzeitig SS- Hauptsturmführer Halle unter gleichzeitiger Beförderung zum Major als Leiter der Organi- sations-Abteilung im Hirdstab ein. Bei Ausübung seiner Befehlsgewalt stieß Halle auf scharfen Widerstand von seiten der 3 Fordelingschefs und des Stabsleiters Ovar S a e t h e r, die Halle beim Ministerpräsidenten mit dem Argument, er sei aus dem Skijägerbataillon "gegangen worden", militärischer Untüchtigkeit bezichtigten und außerdem Zweifel an seiner politischen Zuverlässigkeit aussprachen. Quisling wies die Bedenken mit der Erklärung zurück, Halle sei von ihm als militärischer Berater ohne Vollmachten eingesetzt. Er, Quisling selbst, sei der Hird-Chef. In ähnlicher Weise machten die 4 Hird-Führer bei Quisling auch ihr Mißtrauen gegenüber Quist geltend. Als "Beobachter" wurde Minister Fuglesang zu dieser zweistündigen Unterredung hinzu- gezogen. An dem früheren Schwebezustand in der Frage der obersten Hirdführung hat diese Aussprache nichts geändert. Die Aufstellung der geplanten 21 Hird-Bataillone beginnt nunmehr, aus dem Stadium der Vorbereitung herauszutreten. Durch Verfügung des Ministerpräsidenten erfolgt nunmehr die Erfassung der hirdpflichtigen männlichen NS-Mitglieder im Alter von 18 bis 55 Jahren durch den Fylkesförer. Einberufen wurden bisher etwa 2000 Mann. Darüber hinaus sind etwa 600 Hirdmänner im Werkschutz eingesetzt und etwa 300 in den 4 Hirdschulen kaserniert. Ein Teil der bereits ausgebildeten Hirdmänner ist beurlaubt. Diese Kräfte stoßen im Α-Falle zu den aufzustellenden Bataillonen. Die Durchführung der Einberufungen wird mit Rücksicht auf die notwendigen Frühjahrsbestellungen in den einzelnen Fylken unterschiedlich gehandhabt. Die Aufstellung der Bataillone und die Ausbildung erfolgt in Anlehnung an die ehemalige norwe- gische Wehrmacht, indem jeweils ein Viertel der Einheit kaserniert wird. Bei Zugrundelegung der Zahl von 12 000 Mann (21 Bataillone) kann heute ein Drittel als erfaßt gelten, so daß im Falle der Mobilisierung 3-4000 Hirdmänner schon jetzt zur Verfugung stehen könnten. Im

1638 April 1945

übrigen wird die Stimmung unter den bereits einberufenen Mannschaften als gut bezeichnet. Über das Ergebnis der Einziehungen hirdpflichtiger Parteimitglieder wird gemeldet, daß ein erheblicher Teil der Einberufenen in Deckung ging, um dem Militärdienst auszuweichen. So sei die Zahl der geflüchteten Parteimitglieder, die sich der Einberufung entzogen, ungleich größer als dies im Vorjahre anläßlich der Einberufungen zum Hird-Werkschutz der Fall war. Diese Haltung der Parteimitglieder entspringe dem Unwillen gegen die Mobilisierung, die von der breiten Masse der Parteimitglieder mit dem Hinweis abgelehnt werde, daß man sich als Mitglied in eine politische Partei, nicht aber als Soldat für eine militärische Abteilung ge- meldet habe. Die einberufenen Hird-Führer und -Männer machen sich immer wieder Gedanken über ihre völkerrechtliche Stellung und im Zusammenhang damit über die zu erwartende Behandlung im Falle von Kämpfen in Norwegen. Da das Hird-Dienstbuch nicht als Nachweis dafür anzusehen ist, daß der Besitzer in einem Verband der deutschen Wehrmacht kämpft, ist die Einfuhrung eines Soldbuches oder eines Kombattanten-Ausweises (dazu gelbe Armbinde mit Aufschrift "Deutsche Wehrmacht") vorgesehen. In Hird-Kreisen erzählt man sich das Beispiel von einem auf Feindseite kämpfenden norwegischen Offizier, der in Frankreich 3 norwegische SS- Männer verhört und sie dann als Verräter erschossen habe mit der Begründung, Norwegen stehe mit Deutschland im Kriege und die allein gültige Regierung sei die Regierung Nygaards- vold. Verbreitet ist die Meinung, vorwiegend unter den Hird-Führern, daß der Hirdmann im Falle der Gefangennahme sowieso als Verräter, nicht aber als Kriegsgefangener behandelt werden würde. Dennoch wird von der deutschen Hirdberatung die Wahrung völkerrechtlicher Grundsätze durch die Einführung eines entsprechenden legitimen Ausweises angestrebt.

Wirtschaft.

Die Versorgungslage ist unverändert angespannt. Sie wird auf dem Emährungssektor in den Küstengebieten durch den immer noch reichlichen Fischanfall entlastet. Die Schwierigkeiten bei der Kartoffelversorgung bestehen unverändert weiter. Die Brotversorgung wird über- wiegend als reibungslos bezeichnet. Lediglich aus dem Bereich Tromsö wurde berichtet, daß zur Überbrückung des infolge Ausbleibens des Nachschubs eingetretenen Mangels an Brot- mehl die Wehrmacht durch Überlassung gewisser Vorräte einspringen mußte. In diesem Zusammenhang wird in verschiedenen Meldungen über die Ernährungslage der norwegischen Bevölkerung darauf hingewiesen, daß in deutschen Kreisen (Wehrmacht und Zivil) die Fürsorge der deutschen Verwaltung und Wehrmacht für die norwegische Ver- sorgung angesichts der Lage im Reich durchweg als zu großzügig empfunden werde. Im übrigen ist in letzter Zeit wiederum verstärkt festzustellen, daß der Schwarzhandel mit Lebensmitteln - insbesondere bei Verknappung infolge von Transportschwierigkeiten - eine bedeutende Rolle für die Ernährung der Bevölkerung spiele. Vor allem werden nach wie vor Butter, Eier, Milch, Fleisch und Weißmehl im Schwarzhandel von den landwirtschaftlichen Erzeugern bezogen. Ein großer Teil der Bevölkerung hat unmittelbare oder mittelbare sichere Lebensmittelquellen auf dem Lande. Die Tätigkeit der Rationierungspolizei ist in dieser Rich- tung wenig intensiv, was weniger auf den Mangel an Kräften als auf das geringe Interesse zurückzuführen ist. Der private Schwarzhandel mit Lebensmitteln wird offensichtlich still- schweigend geduldet. Abgesehen von wenigen Beschlagnahmen werden Strafen kaum ver- hängt. Von Kontrollbeamten wurde erklärt, daß "Kleinigkeiten" (einige Liter Milch, einige Eier und ein wenig Butter oder Mehl) laut Anweisung als belanglos gelten und gewöhnlich nicht beanstandet werden. Daß dieser Mangel an Initiative überwiegend auf die inneren Ver- hältnisse bei der Preis- und Rationierungspolizei selbst zurückzuführen ist, läßt sich deutlich erkennen aus den Ergebnissen einer von der norwegischen Staatspolizei gegen eine in der

1639 April 1945

Preispolizeibehörde Oslo bestehende illegale Gruppe durchgeführten Aktion. Der Zugriff führte praktisch zur Auflösung dieser Behörde in ihrer bisherigen Zusammensetzung. Die Mitglieder der illegalen Gruppe hatten sich mit Schwarzhandelsgeschäften, als Kuriere, mit der Organisation der Landesflucht, der Landesfluchtbegünstigung, mit der Ausstellung falscher Polizeiausweise sowie mit dem Transport von Sprengstoffen zu Sabotageanschlägen in behör- deeigenen Kraftwagen betätigt und waren im Besitz von Waffen. Die Ermittlungen führten zur Festnahme von 5 illegal tätigen Beamten, während sich ein weiterer Teil der Beamten der Festnahme durch Flucht nach Schweden entzogen hat bzw. in Deckung ging. Nach einer Meldung aus Stavanger wird auch dort seitens der Rationierungspolizei nicht nur über kleinere Fälle hinweggegangen, sondern auch das Aufgreifen größerer Vergehen vom dortigen Dienststellenleiter der Behörde, offensichtlich in Verfolgung der Tendenz, Zurück- haltung zu üben, vernachlässigt. Diese Neigung zur Zurückhaltung und zum Ausweichen vor Entscheidungen ist unter dem Eindruck der Entwicklung verstärkt nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei Dienststellen des Staates und der Gemeinden zu verzeichnen. Es wird von allen Gebieten des Wirtschafts- lebens über derartige Beispiele berichtet. In Kreisen der Holzveredlungsindustrie sei so z.B. die Neigung unverkennbar, noch vorhandene Vorräte an Grob- und Staubkohle, über die we- gen der Kohlenknappheit anders disponiert wurde, zurückzuhalten. Das gleiche gilt für die Holzvorräte, die gleichfalls z.T. an die Staatsbahn abgetreten werden sollen. Auch die für den Holzeinschlag zu treffenden Entscheidungen und Anordnungen unterliegen offensichtlich weiterhin schon in den Zentralstellen der gleichen Tendenz des Hinauszögerns. Diese "Passivi- tät" ist symptomatisch für die jetzige Lage auf dem Wirtschaftssektor. Von seiten der Heimat- front wird sie gewissermaßen ergänzt durch die zu aktiverem Handeln auffordernden Gegner- parolen, die sich in letzter Zeit insbesondere mit der Beschaffung von Arbeitskräften für die angesichts auch nach der "Befreiung" unbedingt zu erwartenden Versorgungschwierigkeiten notwendig werdenden intensiveren Ausnutzung der norwegischen Land- und Forstwirtschaft und einer Anweisung an die Fischer und Exporteure zur Verhinderung der Fischausfuhr nach Deutschland, beschäftigen. So heißt es in der Anweisung über die Unterbringung der frei wer- denden Industriearbeiter unter Hinweis darauf, daß die den Deutschen dienlichen Arbeitsvor- haben, wie z.B. der Holzeinschlag für die Aufrechterhaltung des Transportwesens, davon selbstverständlich keinen Nutzen haben dürften, u.a.: "Die Bauerngruppe fordert Waldbesitzer und Landwirte auf das dringendste auf, all die Ar- beitskräfte, die sie ausfindig machen können, einzusetzen. In erster Linie sollen die Arbeits- losen aus der norwegischen Industrie eingesetzt werden. Solche Arbeiter aber, die von früher Erfahrungen in Wald- und Landwirtschaftsarbeiten haben, sollen bevorzugt in der Land- bzw. Forstwirtschaft beschäftigt werden. Was die Arbeiter aus den deutschen Betrieben betrifft, so wird es den Bauern und Waldbesitzern selbst überlassen, zu bestimmen, welche von diesen sie einstellen wollen. Es steht ihnen jedoch das Recht zu, sie kurzfristig zu entlassen. Nehmt alle Arbeitskräfte an, denen ihr irgendwelche Beschäftigung geben könnt und behaltet diejenigen, die ihre Arbeit zufriedenstellend ausführen, bis zum Schluß."

In der Parole an die Fischer und Exporteure heißt es: "Während des Krieges hatte der norwegische Fischfang eine besondere Bedeutung für die Fett- und Lebensmittelversorgung der Deutschen. In diesem Jahre hat er jedoch eine besonders große Rolle gespielt." Unter Hinweis auf andere besetzte Gebiete, wo der Lebensmittel- und Fettmangel sehr fühlbar geworden sei, nachdem der Feind vertrieben wurde, fordert dann die Heimatfrontleitung Fischer und Exporteure auf, "schwarz zu salzen" und den Fisch bis

1640 April 1945

Kriegsende zurückzuhalten. Es drohe in Norwegen in diesem Jahre die Gefahr der Hungersnot und es sei deshalb notwendig, auf diese Weise Lebensmittelreserven anzulegen. Über die Versorgung der Landwirtschaft mit Saatgut und Saatkartoffeln - wobei bei ersterem allgemein eine ausreichende Versorgung, bei letzterem örtlich schwankende Fehlmengen ge- meldet werden - wird aus Narvik berichtet, daß die Verhältnisse im Fylke-Nord-Troms be- sonders dadurch ungünstig lägen, daß die Bauern im Hinblick auf eine allgemein befürchtete Evakuierung auch dieses Raumes wenig Bereitschaft zur Zurückhaltung der Saatkartoffeln wie überhaupt fiir die Frühjahrsbestellung zeigten. Es wird deshalb eine verstärkte entsprechend propagandistische Beeinflussung der Bevölkerung für erforderlich gehalten, insbesondere mit dem Hinweis, daß einzig und allein sie die späteren Auswirkungen dieser Haltung zu spüren bekommen werde.

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