3. Empfangsgebäude Der Berlin- Hamburger Eisenbahn in Brandenburg
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3. Empfangsgebäude der Berlin- Hamburger Eisenbahn in Brandenburg Paulinenaue Paulinenaue war um 1845 ein Gut mit etwa nannt. Im Jahr 1883/84 musste das Bahn- zehn Häusern. Der Gutsbesitzer Friedrich hofsgebäude deutlich erweitert werden, da Wilhelm von Knoblauch betrieb eine bedeu- Paulinenaue mit Eröffnung der Zweigstrecke tende Rinderzucht. Das war wohl der Grund nach Neuruppin zum Umsteigebahnhof wur- dafür, dass er sehr daran interessiert war, de. Zwischen 1901 und 1924 verkehrte au- eine Bahnstation zu erhalten. Jedenfalls er- ßerdem eine Kleinbahn zwischen Paulinen- klärte er sich bereit, den Betreibern der BHE aue und Rathenow. einen Teil seines Grundbesitzes zu verkau- fen, wenn er dafür einen Haltepunkt auf sei- Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel das Gut ner Feldmark Paulinenaue bekäme. Da die auf verschiedene Eigentümer, die nach dem anderen Grundbesitzer dieser Gegend Vor- Zweiten Weltkrieg enteignet wurden. Nun behalte gegen die Durchführung der Eisen- entstand hier der Sitz der Brandenburgi- bahn durch ihr Gebiet hatten, kaufte die BHE schen Militäradministration, einen anderen Knoblauch für 9961 Taler 28 Morgen und Teil baute man ab 1949 zu einer landwirt- 125 Quadratruten seines Landes ab und schaftlichen Akademie aus. Nach der “Wen- legte wie versprochen einen Haltepunkt an. de” wurde die Nachfolgeinstitution der Aka- Das Gebäude, unter der Leitung des Frie- demie aufgelöst. Dieser Funktionsverlust sacker Baumeisters Raetzel errichtet, wurde brachte natürlich auch einen Rückgang der jedoch erst etwa ein Jahr nach Eröffnung der Einwohnerzahlen mit sich; heute leben in Strecke fertig. Nun hielten hier täglich drei Paulinenaue noch 1.330 Menschen. Personenzüge und ein Güterzug pro Rich- tung. Die Fahrtzeit nach Berlin betrug etwa Das ursprüngliche Paulinenauer Empfangs- eine Stunde, ins benachbarte Friesack eine gebäude, für das Baumeister Raetzel am 20. halbe. Mai 1847 die Baupläne eingereicht hat, macht nur einen kleinen Teil des heutigen Bahnhofs Obwohl der Ort so klein war, war der Raum- aus. Es gehört zu der großen Anzahl der ein- bedarf der Bahn groß, denn es musste eine fachen Empfangsgebäude mit flachem Sat- Vielzahl von Mitarbeitern untergebracht wer- den. So ließ die Bahn im Lauf der Jahre etli- che Häuser für ihre Beamten in der Nähe des Bahnhofs errichten. 1861 kam sogar 1 Ansichtskarte des erweiterten Paulinenauer eine Schule hinzu, da die 7 bis 8 km langen Bahnhofs von 1938 Fußwege in die angrenzenden Orte für die 2 Eingang des erweiterten Bahnhofs auf der etwa 30 Kinder des Gutsbezirks und der Ortsseite, 1940er Jahre Bahnstation nicht zumutbar waren. Um 1885 3 Das leer stehende Bahnhofsgebäude vom Ort machten die Mitarbeiter der Bahn mit ihren aus gesehen Familien etwa zwei Drittel der Paulinenauer 4 Der Paulinenauer Bahnhof im Winter 2004/ Bevölkerung aus. Neben dem Stationsvor- 2005 steher werden 23 Bahnbedienstete, darun- 5 Entwurf zu einem Erweiterungsbau des ter der Restaurateur, ein Bahnmeister, eini- Empfangsgebäudes auf Bahnhof Paulinen- ge Bahnwärter und Weichensteller, ein Ver- aue, vermutlich 1883. Die Schnitte durch den wieger, ein Diäter und ein Postverwalter ge- Gesamtbau zeigen auch das Büffet 26 Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Eisenbahn in Brandenburg | Paulinenaue 1 2 3 4 5 Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Eisenbahn in Brandenburg | Paulinenaue 27 6 6 Entwurf zu einem Erweiterungsbau des Empfangsgebäudes auf Bahnhof Paulinen- aue. Ansicht von der Perronseite und Erd- wohl der Bahnhof noch von 40 Regional- geschossgrundriss, vermutlich 1883. Der Express-Zügen täglich angefahren wird, rechte, vierachsige Bauteil stellt das ur- steigen dort nach Auskünften der DB vom sprüngliche Bahnhofsgebäude von 1847 Herbst 2005 nur noch etwa 240 Reisende dar ein und aus. Das Gebäude wird für den Betrieb nicht mehr benötigt und ist dem Verfall preisgegeben. Alle Scheiben sind zer- teldach, zweigeschossig mit vier Fenster- schlagen, die Erdgeschossfenster mittler- achsen zum Bahnsteig und drei Achsen in weile verbrettert. die Tiefe. Die Besonderheit besteht darin, dass dieses breit gelagerte Gebäude mit der Giebelseite zum Bahnsteig steht. Bei der Erweiterung Zitat aus dem Schreiben Wilhelm von der Jahre 1883/84 wurde daraus ein lang- Knoblauchs aus Pessin an den Landrat gestrecktes, aus mehreren Baukörpern zu- von Bredow vom 13. März 1844: sammengesetztes, asymmetrisches Ensem- ble, das durch die Kombination von flachen “Auf Ew. Hochwohlgebohren geehrtes und hoch aufragenden Bauteilen wie dem Schreiben vom 3. Mts., wegen der Berlin- Turm einen verspielten, aber zugleich span- Hamburger Eisenbahn, beehre ich mich nungsvollen Charakter erhielt. ergebenst zu erwidern, dass wenn ich auf meiner Feldmark Paulinenaue, ei- Der Hauptzugang wurde nun in den Mit- nen Anhaltepunkt bekommen könnte, teltrakt verlegt, wo sich auf der einen Seite nicht abgeneigt bin, in Betreff dieser, der die deutlich vergrößerten Warte- und Res- Eisenbahn-Direction Anerbietungen zu taurationsräume anschlossen, während die machen.” andere Seite einschließlich des Altbaus den Diensträumen vorbehalten blieb. Die Warte- BLHA Rep. 6B Landratsamt Westhavel- räume waren mit aufwendig gestalteten land, Nr. 673, zitiert nach Joachim Büffets für den Verkauf von Speisen und Scholz Getränken ausgestattet.Von all der Herrlich- keit ist heute nicht mehr viel erhalten: Ob- 28 Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Eisenbahn in Brandenburg | Paulinenaue Friesack Wie Paulinenaue profitierte auch Friesack über viele Jahrhunderte die Geschicke der davon, dass die Direktion der BHE im Stadt. Nicht nur die Landwirtschaft, sondern Februar 1844 beschlossen hatte, die Stre- auch Handel und Handwerk blühten auf. Als cke nicht über Kremmen, sondern durch das die Bahnstrecke gebaut und der Bahnhof auf Westhavelland zu führen. Und auch hier war einem Sandhügel etwa 2 km außerhalb der man offenbar sehr daran interessiert, die Stadt angelegt wurde, wird Friesack etwa Vorteile auszunutzen, die das neue Ver- 2.000 Einwohner gehabt haben (1.289 im kehrsmittel versprach. Bereits am 2. Februar Jahr 1800 und 3.331 im Jahr 1900). 1860 ge- hatten die Stadtvertreter der Eisenbahnge- lang es der Stadt eine Garnison zu bekom- sellschaft das Angebot gemacht, ihr 2 Mor- men, was auch durch den Eisenbahnan- gen Land unentgeltlich zu überlassen. Neu- schluss begünstigt worden sein mag. 1886 haus sprach sich im Gegenzug dafür aus, in war dieser Abschnitt der Stadtgeschichte Friesack einen Bahnhof anzulegen. Aus der Ortschronik erfahren wir, dass Friesack, auf einer leichten Erhöhung mitten 1 Der EG-Grundriss des Bahnhofs Friesack im Luch angelegt, schon 1327 als Stadt aus dem 20. Jahrhundert zeigt die Grund- bezeichnet wurde und im Schutze einer Burg rissorganisation nach der Erweiterung: stand. Burg und Stadt erlebten im Verlauf Der linke Eingang diente dem Zugang zu ihrer Geschichte mehrere gewaltsame Er- den Obergeschossen, der rechte führte zu oberungen, bis im 15. Jahrhundert Ruhe ein- Vestibül und Wartesälen. Im Erweiterungs- kehrte. Die Familie von Bredow bestimmte bau wurde seitlich ein weiterer Zugang zu den Wohnräumen angelegt 1 Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Eisenbahn in Brandenburg | Friesack 29 2 3 2 “Revisionszeichnung zum Erweiterungsbau des Empfangsgebäudes auf Bahnhof Frie- sack”, vermutlich um 1878. Seitenansicht Einwohnern Sitz des Amtes Friesack, das des Erweiterungsbaus, Längsschnitt und sich bis nach Paulinenaue erstreckt. Kellergrundriss. Die beiden rechten Achsen zeigen die Erweiterung Das Friesacker Empfangsgebäude ist, ent- 3 Abnahmezeichnung zum Stellwerksgebäude sprechend der damaligen Größe und Be- Frk als Anbau an das Empfangsgebäude deutung des Ortes, im streng klassizisti- auf Bahnhof Friesack, erstellt von der schen, gradlinigen Stil errichtet worden. Die Königlichen Eisenbahn-Direktion Altona Ansicht der 1860er Jahre zeigt einen längs im November 1905 zur Bahn liegenden, zweigeschossigen Bau mit völlig flach erscheinendem Dach und ins- gesamt 7 Fensterachsen, wovon die beiden äußeren als leichte Risalite vorspringen. Das jedoch wieder beendet. Den Friesackern Gebäude wird durch ein kräftiges Fenster- blieb die Landwirtschaft als wichtigster gesims gegliedert, im Putz ist eine Quade- Erwerbszweig. Am Ende des Zweiten Welt- rung angedeutet und die Fenster weisen kriegs durch einen lang anhaltenden Brand schlichte Verdachungen auf. Unter dem Dach- zerstört, erlangte Friesack ab 1950 durch die gesims zieht sich zusätzlich eine Reihe Ansiedlung einer Ingenieurschule für Land- Dachluken entlang, in der Tiefe reicht das technik Bedeutung, die bis 1992 hier exi- Gebäude über vier Achsen. Auf der Stadt- stierte. Heute ist die Stadt Friesack mit 2840 seite ist der mittig gelegene, durch eine Rah- 30 Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Eisenbahn in Brandenburg | Friesack 4 5 6 7 4 Der erweiterte Friesacker Bahnhof in einer Ansichtskarte von Anfang des 20. Jahrhun- derts – auch der Stellwerksanbau ist bereits das Bahnhofsgebäude schon bald als zu vorhanden. klein, sodass es um 1878 Richtung Osten 5 Eingangsseite des Bahnhofs Friesack in um zwei Achsen erweitert wurde. 1905 kam einem optisch noch ansprechenden Zu- an der Ecke noch ein Stellwerksanbau dazu. stand, vermutlich Ende der 1990er Jahre 6 Der verbarrikadierte und vollgeschmierte Das Empfangsgebäude mit einer Netto- Bahnhof hinter den Personenschutzgittern geschossfläche von 1.300 m2 steht seit 1995 in einer Aufnahme aus dem Jahr 2005 unter Denkmalschutz und bietet heute ein 7 Der ehemalige mittlere Eingang als Zugang trauriges Bild: Alle Fenster sind verbrettert, zu den Beamtenwohnräumen