Freikorps Oberland Gedenken Als Umkämpfter Erinnerungsort
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Dipl. Soziologe Werner Hartl Das Oberland-Gedenken am Schliersee als umkämpfter Erinnerungsort •••••••••••• Herausgeber: Gemeinnützige Respekt! Kein Platz für Rassismus GmbH Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main [email protected] www.respekt.tv Autor: Werner Hartl studierte Diplom Soziologie, Volkswirtschaftslehre sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er arbeitet als Bildungsreferent im IG Metall Bildungszentrum Lohr am Main und leitete von 2007 bis 2016 das IG Metall Jugendbildungszentrum am Schliersee. Kontakt: [email protected] Frankfurt und München – 27. Januar 2019 2 •••••••••••• 1 Um was es geht ...................................................................................... 4 2 Hintergründe zur Geschichte des Freikorps Oberland ....................................... 6 2.1 Niederschlagung der Münchner Räterepublik im April und Mai 1919 ....................6 2.2 Gründung des Freikorps Oberland und dessen Rolle in München 1919 ................. 10 2.3 Die Kämpfe in Oberschlesien 1921 ........................................................... 11 3 Phasen des Oberland-Gedenkens von 1921 bis heute ....................................... 17 3.1 Von der Grundsteinlegung 1921 bis 1945 ................................................... 17 3.2 Neuerrichtung gegen Widerstände und Einweihung – 1951 bis 1956 .................... 18 3.3 Etablierung im Schlierseer Festkalender – 1960er Jahre ................................. 21 3.4 Ehre und Treue – 1968 bis 1990 .............................................................. 24 3.5 Gärung und Klärung – 1990 bis 2010 ......................................................... 27 3.6 Ausgrenzung und Distanzierung – 2010 bis heute.......................................... 32 4 Exkurs: vom Oberland über Oberschlesien nach Auschwitz ............................... 35 5 Perspektiven des Gedenkortes am Schlierseer Weinberg .................................. 39 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................ 43 3 •••••••••••• Der vorliegende Text basiert auf einem Vortrag, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe „gedenken – umdenken – versöhnen. Das Annabergdenkmal in Schliersee“ des katholischen Bildungswerks im Landkreis Miesbach e.V. gehalten wurde. Titel der Veranstaltung, auf der Dr. Thomas Schlemmer und Dipl. Soziologe Werner Hartl sprachen, lautete „Die beiden Denkmäler von 1923 und 1956. Wie wirken sie in der Nachkriegszeit fort?“ . 4 •••••••••••• 1 Um was es geht Dem Freikorps Oberland, das 1919 aus der republikfeindlichen und antisemitischen Thule- Gesellschaft hervorging, ist am Schliersee eine Gedenktafel gewidmet. Dieses Denkmal, sowie die jährlich stattfindende Ehrung der Gefallenen Freikorps-Kämpfer beim „Sturm auf den Annaberg“ in Oberschlesien, sorgen seit vielen Jahren für Kritik und Protest. Der vorliegende Text soll einen Beitrag dazu leisten, sich ein Bild vom Charakter und der politischen Bedeutung des belasteten Gedenkortes machen zu können. Ziel ist es, eine kritische Meinungsbildung auf Grundlage historischer Quellen und der vorliegenden Rechercheergebnisse zu fördern. Für ein Verständnis der Zusammenhänge ist es wichtig, die Gründungsgeschichte des Freikorps Oberland und dessen Rolle in der Frühphase der Weimarer Republik zu kennen. Es werden daher zu Beginn die Ereignisse des revolutionären Umbruchs bei Kriegsende 1918, zur Zeit der Münchner Räterepublik 1919 und bei der Auseinandersetzung in Oberschlesien 1921 in gebotener Kürze dargestellt und in Verbindung mit dem Freikorps Oberland gebracht. Es folgt ein schlaglichtartiger Blick auf die Geschichte des Oberland-Gedenkens am Schliersee. Einzelne Phasen, mit dem sich über die Zeit wandelnden Charakter des Gedenkens, werden skizziert und benannt. Der Kategorisierung der Phasen liegt eine Analyse der Berichterstattung der regionalen sowie überregionalen Presse, Veröffentlichungen in der rechtsextremen Szene und Rechercheergebnisse des Autors zugrunde. Beleuchtet wird weiterhin das mit dem Oberland-Gedenken verbundene politische Umfeld der „Kameradschaft Freikorps Oberland – Bund Oberland“. Aus der Sichtung der Literatur und dem Aufspüren historischer Dokumente werden exemplarisch einzelne Rechercheergebnisse vorgestellt. Sie zeigen, wie ideologische und politische Verbindungslinien zu einer Verstrickung des Freikorps- und Bund Oberland mit dem Nationalsozialismus und dem System des „Dritten Reiches“ führten. Im Schlusskapitel soll der Versuch unternommen werden die Bedeutung des Gedenkortes im politisch rechtsstehenden Lager zusammen zu fassen. Für die Diskussion zur möglichen Neugestaltung des Gedenkortes am Schliersee werden Eckpunkte benannt, die als Orientierung für Gestaltungsvorschläge dienen können. 5 •••••••••••• 2 Hintergründe zur Geschichte des Freikorps Oberland Um das Oberland-Gedenken am Schlierseer Weinberg verstehen und bewerten zu können, sind grundlegende Kenntnisse über die Geschichte des Freikorps Oberland und dessen Aktionen in der Frühphase der Weimarer Republik erforderlich. Zwei Ereignisse spielen bei der Herausbildung der Ziele und des Charakters sowie den späteren politischen Aktionen des Freikorps Oberland eine entscheidende Rolle. Über die gewaltsame Niederschlagung der Münchner Räterepublik 1919 und die Grenzkämpfe in Oberschlesien 1921 wird daher im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben und mit der Geschichte des Freikorps Oberland in Verbindung gesetzt. 2.1 Niederschlagung der Münchner Räterepublik im April und Mai 1919 Angesichts der immensen Zahl an Gefallenen nach vier Jahren Stellungskrieg und der immer schlechter werdenden Versorgungslage, waren große Teile der Bevölkerung kriegsmüde. Die anfängliche Begeisterung für den Waffengang schlug nach und nach in ihr Gegenteil um. Schon im Frühjahr 1918 wurde beispielsweise durch die Streiks in Munitionsfabriken offensichtlich, dass Teile der Bevölkerung Bild 2: Kundgebung auf der Münchner Theresienwiese am 7. November 1918. die Sinnhaftigkeit des Krieges anzweifelten. Im Herbst 1918 waren viele Soldaten nicht mehr bereit, sich sinnlos an der Front zu opfern. Sie wollten zurück zu ihren Familien, in denen sie schmerzlich vermisst wurden. Den militärischen Oberbefehlshabern war die aussichtslose militärische Lage längst bewusst. Den drohenden Zusammenbruch an den Fronten vor Augen, drängte die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff den militärischen Oberbefehlshaber Kaiser Wilhelm II. im Spätsommer 1918 zu Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten. Anfang November begann mit den Matrosenaufständen in Kiel ein revolutionärer Umbruch des gesellschaftlichen Systems. Die revolutionäre Stimmung griff nun auch auf Bayern über. Am 7. November 1918 wurde mit der Ausrufung des Freistaates die Monarchie in Bayern gestürzt und eine provisorische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Kurt Eisner gebildet. Zentrale Ziele der Politik Eisners waren permanente Mitbestimmung weiter Teile der Bevölkerung und Verwirklichung des Friedens nach Ende der Kampfhandlungen im November 1918. Kurt Eisner war der Meinung, der Weg für Frieden sei für immer sicher, da 6 •••••••••••• „wir die Schuldigen an diesem Weltverbrechen (…) so menschlich beiseite schoben, wie noch niemals, mit einer Rücksicht, die jene nicht verdient haben“ 1 Eisner versuchte in den folgenden Wochen zwischen Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), die eine parlamentarische Demokratie anstrebten und unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), den Verfechtern einer Rätedemokratie, zu vermitteln. Er glaubte, Rätesystem und Parlament könnten als unabhängige demokratische Institutionen nebeneinander bestehen. Die Räte würden sich mit der Zeit ganz von selbst durchsetzen und die Parlamente in der Machtausübung ablösen. 2 Bei den ersten demokratischen Wahlen zum bayerischen Landtag im Januar 1919 erlitt die USPD, die Partei Kurt Eisners, jedoch eine herbe Niederlage. Am 21. Februar 1919 wurde Eisner, bereits auf dem Weg zur Bekanntgabe seines Rücktritts, von dem nationalistisch gesinnten Attentäter Anton Graf von Arco auf Valley erschossen. Über die Motive des Attentäters gibt ein überliefertes Zitat Auskunft: Bild 3: Attentatsstelle Kurt Eisner im Februar 1919. „Eisner strebt nach Anarchie, er ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher, er fühlt nicht deutsch, er untergräbt jedes deutsche Gefühl, er ist ein Landesverräter. (…) Ich hasse den Bolschewismus“ 3 Der Ermordung Kurt Eisners ging eine Welle antisemitischer Hetze und Verleumdungen voraus. Eine herausragende Rolle spielte hierbei die völkisch-antisemitische und republik- feindliche Thule-Gesellschaft, der auch der Attentäter Graf von Arco zugeordnet wird. Die Thule-Gesellschaft war eine Geheimorganisation, die im August 1918 aus dem antisemitischen Germanenorden 4 hervorging. Sie wurde nach dem Sturz der Monarchie 1918 zur wichtigsten gegenrevolutionären Kraft in München und entwickelte sich weiter zur zentralen Wegbereiterin der nationalsozialistischen Bewegung. Aus der Thule-Gesellschaft sollte auch das Freikorps Oberland hervorgehen. Nach der Ermordung Eisners kam es zu einer Zuspitzung der Ereignisse. Der Zentralrat der bayerischen Republik, legitimiert durch den Rätekongress 5, übernahm die Regierungsgewalt. Am 17. März 1919 bildete der bayerische Landtag eine weitere, von der SPD geführte und von der Bayerischen Volkspartei (BVP) tolerierte Minderheitsregierung unter Einschluss von 1 Auszug aus der Rede Kurt Eisners vom 17. November 1918. Zitiert nach Weidermann 2017, Seite 72. 2