Beiwort Zur Karte 6,11
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HISTORISCHER ATLAS 6, 11 VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen Beiwort zur Karte 6,11 Bauernkrieg 1524/25 Heereszüge der Aufständischen und des Schwäbischen Bundes von HANS-MARTIN MAURER Dreißigjähriger Krieg 1620-1634/1635-1638/1639-1647 von SIEGFRIED NIKLAUS I Der sogenannte Bauernkrieg von 1524/25 war ein zu älteren Zeiträumen wohl günstigen Stand erreicht. Aufstand der großen Mehrheit der Bevölkerung gegen Die im Hochmittelalter in den Städten entwickelten die herrschenden Gewalten. Er ging von der ländlichen Selbstverwaltungsrechte wirkten im Spätmittelalter Bevölkerung aus, die damals überwiegend landwirt- auch aufs Land hinaus, vor allem da, wo Herrschaft schaftlich tätig war, aber er ergriff auch die unteren nicht streng und kontinuierlich ausgeübt wurde. Die und teilweise die mittleren Schichten des städtischen Abwanderung in die Städte, aber auch z.B. die Seuchen Bürgertums. Er richtete sich gegen die Territorial- des 14. Jahrhunderts, machten menschliche Arbeits- staaten mit ihrer Bürokratie, gegen den ritterschaft- kräfte wertvoll und verbesserten für viele die wirt- lichen Adel, gegen die patrizische Führungsschicht der schaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten. Aber im Städte und mit besonderem Zorn gegen kirchliche ausgehenden 14. und im 15. Jahrhundert setzte eine Herrschaftsträger und Institutionen. Es war ein gewalt- Gegenbewegung ein. Die Bevölkerung wuchs nach- sames Aufbegehren der breiten Massen gegen die weislich wieder, auch auf dem Lande, und so mußten oberen Stände, die Macht, Einfluß und Freiheit exklu- sich immer mehr Menschen in die natürlich begrenzten siv unter sich aufgeteilt hatten. Ressourcen und Erträge teilen. Gleichzeitig versuchten Der Bauernkrieg brach in der Wendezeit zwischen die Herrschaften, ihren Einfluß und ihre Administration Mittelalter und Neuzeit aus und ist eine Folge der da- zu intensivieren und zu erweitern. Überall da, wo die mit verbundenen Krisenerscheinungen. Nahezu alle gegenseitigen Rechte nicht eindeutig festlagen, sam- Probleme, die jene Zeit bewegten und erschütterten, melte sich Konfliktstoff: z.B. in der Nutzung der Wäl- gingen auch in die Thematik des Bauernkriegs ein. Die der (des wichtigsten Rohstoffes), der Weide, der Jagd, Forschung ist sich heute darüber einig, daß monokau- des Fischfangs, aber auch im Grenzbereich von Herr- sale Erklärungen nicht ausreichen, wenn auch die Beto- schaftsausübung und Selbstverwaltung, also in der Ge- nungen im einzelnen und die Gesamtwürdigungen sich meindeverwaltung und im Gerichtswesen. Immer wie- noch erheblich unterscheiden. der erwies sich die Herrschaft, die ihre Bürokratie aus- An dieser Stelle können nur wenige zusammenfas- baute und das Recht der Juristen dem Gewohnheits- sende Bemerkungen darüber vorgelegt werden, wie es recht entgegenstellte, als der stärkere Teil, eine Er- trotz der eingewurzelten und im Grunde kaum bestrit- fahrung, die bei den Betroffenen Unzufriedenheit, Miß- tenen feudalen Strukturen jener Gesellschaft zu einer trauen, Verbitterung und vor allem Sorge über die so verbreiteten und dichten Aufstandsbewegung kom- weitere Entwicklung erzeugen mußte. men konnte. Die Verhältnisse der ländlichen Bevölke- Nun führt ein Wandel objektiver Verhältnisse im all- rung hatten im 13. und 14. Jahrhundert einen im Ver- gemeinen nur dann zu politischer Motivierung, wenn gleich 1 6,11 HANS-MARTIN MAURER / BAUERNKRIEG 1524/25 ein entsprechender Bewußtseinsprozeß stattfindet. In vertragliche oder gerichtliche Absicherung des ge- diesem Zusammenhang muß auf die Erfindung des wohnheitsrechtlichen Zustands, des »alten Rechts«. Buchdrucks hingewiesen werden, der den Gedanken kri- Die zweite Phase ist durch verstärktes Eindringen reli- tischer, reformerischer Schriftsteller weite Verbreitung giöser Forderungen bestimmt und durch den Wandel verschaffte und geistig aufgeschlossene Menschen hell- von der Abwehr zu offensivem Vorgehen. Zahlungen hörig machte. Aber auch die bereits erwähnte Entwick- an die Herrschenden wurden weitgehend eingestellt lung der Selbstverwaltung und zumal die im 15.Jahr- und Weisungen nicht mehr befolgt. Gleichzeitig kam hundert sogar von manchen Landesherren geforderte es zu Demonstrationsmärschen hin und her durch das landständische Bewegung weckte politisches Denken Land, die zu einer weitgehenden Solidarisierung der auch in Köpfen der unteren Stände. So ist es bereits im Bevölkerung führten. Die Ziele wurden nun höher ge- 15.Jahrhundert immer wieder zu lokalem Widerstand, steckt: eine Entlastung der unteren Bevölkerungs- zu Auseinandersetzungen, ja zu einer ganzen Reihe be- schichten von bisherigen Pflichten und eine Mitkon- grenzter Aufstände gekommen. trolle an der Herrschaftsausübung entweder über »Ein- Die große Erhebung aber, an der sich die Massen ungen« nach schweizerischem Vorbild oder über land- ganzer Landschaften beteiligten, war eigentlich doch ständische Institutionen. nur möglich, wenn über materielle, rechtliche und poli- Die Märsche, die ungeahnten Erfolg hatten und zu tische Anliegen hinaus das Verhältnis zwischen Bevöl- massenhaftem Zulauf führten, leiteten zur Phase der kerung und Führungsschicht in tieferer Weise gestört, Gewaltanwendung über, um die Herrschaften und ihre wenn das von Generationen her bestehende Legitimi- Vertreter einzuschüchtern und gefügig zu machen. An- tätsdenken grundsätzlich fragwürdig geworden war. griffsziele waren vor allem Klöster und Burgen, die Dies nun geschah durch die Reformation Luthers, wenn geplündert und zum Teil zerstört wurden. Geistliche, das der Reformator selbst auch nicht erstrebte und Vor- Adelige und Beamte wurden unter Druck gesetzt und würfe dieser Art sogar entrüstet von sich wies. Das zeit- erpreßt, jedoch nur in einzelnen Fällen verletzt oder liche Zusammenfallen von kirchlicher Reformation und gar getötet (wie in Weinsberg). Der Terror, der von Bauernkrieg ist nicht zufällig, der Bauernkrieg ist ohne manchen Gruppen (nicht von allen) ausgeübt wurde, das Wirken Luthers so, wie er sich ereignete, nicht dürfte letztlich in dem ständischen Haß der unteren vorstellbar. Darüber waren sich bereits die kritisch Schichten, die über Generationen Geringschätzung und denkenden Zeitgenossen einig, und auch die moderne Schikanen erlitten hatten, begründet sein. In der zwei- Forschung sieht die Zusammenhänge, wenn sie auch oft ten Hälfte des Aprils und im Mai 1525 war der nicht klar und umfassend genug herausgearbeitet Höhepunkt des Aufstands erreicht: Er hatte revolutio- werden. Die radikale Kritik Luthers an kirchlichen Ge- näre Formen angenommen, und das ganze Land war in bräuchen, Verfahren und Lehrsätzen hat in der Bevöl- Bewegung, war zum Operationsgebiet aufständischer kerung Sehnsucht nach besseren Zuständen und wahren Gruppen geworden, die erwartungsvoll eine grund- Glaubensgrundlagen so leidenschaftlich geweckt, daß sätzliche Neuordnung der sozialen und politischen die alten Abhängigkeiten brüchig wurden. Die innere Verhältnisse erstrebten und, mindestens zum Teil, ent- Lösung von gewohnten Autoritäten, die geistige Auf- schlossen waren, sie durchzusetzen. Viele Herrschen- lehnung machte die Gemüter frei auch für die wirkliche, den und ihre Vertreter waren erschreckt, fassungslos, die politische Empörung. eingeschüchtert, sie waren großenteils durch die Vor- Der Aufstand begann im Herbst 1524 im Raum zwi- gänge einfach überrollt worden, schienen einer Gegen- schen Hochrhein, Bodensee und Südschwarzwald. Hier wehr nicht mehr fähig, blickten ohnmächtig und wie kaum beruhigt griffen die Unruhen zu Beginn des Jahres gelähmt in die Zukunft. Die Führer der Bauernheere 1525 auf Oberschwaben und das Allgäu über, wo sie be- aber schickten sich an, für die öffentliche Ordnung zu reits den Charakter einer organisierten Massenbewegung sorgen, interimistisch an die Stelle der Regierungen zu annahmen. Im März kam es zu Zusammenrottungen im treten, um politische und polizeiliche Gewalt zu über- Fränkischen, im Territorium der Reichsstadt Rothenburg nehmen. und im Odenwald. Innerhalb der folgenden Wochen Aber das Heer des Schwäbischen Bundes war zu entflammte dann der Aufruhr in fast allen Teilen des dieser Zeit bereits auf dem Marsch, und damit begann heutigen Landes Baden-Württemberg (und in vielen an- die kriegerische Phase der großen Auseinandersetzung. deren Gebieten des südlichen und mittleren deutsch- Der Feldherr Georg Truchseß von Waldburg stellte sprachigen Raums). eine der großen Aufstandsgruppen nach der anderen Dabei entfaltete die Bewegung eine Entwicklung, zum Kampf, schlug sie und ließ die Flüchtenden gna- eine innere Dynamik, die das Verhalten der Teilnehmer, denlos verfolgen und niedermachen. Nach ersten Ge- ihr Vorgehen, ihr Bewußtsein, ihre Vorstellungen und fechten in Oberschwaben im April fand die große Ziele beeinflußte und zum Teil wandelte. Sie begann als Entscheidungsschlacht in unserem Gebiet am 12. Mai Widerstandsbewegung gegen Übergriffe von Herr- bei Böblingen statt, der am 2. Juni der Sieg über die schaftsträgern, als Protest gegen die materielle Ver- fränkischen Gruppen bei Königshofen folgte. Im schlechterung der bäuerlichen Lage. Ziel war die Herbst war die Empörung im ganzen Land niederge- rungen, die alten Gewalten kehrten zurück, und es 2 HANS-MARTIN MAURER / BAUERNKRIEG 1524/25 6,11 begann die Phase der Strafverfolgung und der Scha- schen Führung des Bundes belastet, ist insgesamt doch densersatzforderungen. das Beispiel einer taktisch glänzend durchgeführten Schien so der Bauernkrieg zunächst ein totaler Miß- militärischen Unternehmung. Er ist aber auch ein Bei- erfolg zu sein, so werden seine langfristigen