Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/196

Deutscher

Stenografischer Bericht

196. Sitzung

Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Inhalt:

Absetzung des Zusatztagesordnungspunk- Dr. (DIE LINKE) ...... 23666 A tes 10 ...... 23653 A Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 23667 A Tagesordnungspunkt 41: Erwin Rüddel (CDU/CSU) ...... 23667 D a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Dr. (SPD) ...... 23669 C rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Rechte von (CDU/CSU) ...... 23671 A Patientinnen und Patienten (Drucksache 17/10488) ...... 23653 B Tagesordnungspunkt 42: b) Antrag der Abgeordneten , Dr. Martina Bunge, Katrin Kunert, weite- a) Erste Beratung des von der Fraktion der rer Abgeordneter und der Fraktion DIE SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Aufnahme von Kultur und LINKE: Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten Sport in das Grundgesetz (Drucksache 17/6489) ...... 23653 B (Drucksache 17/10644) ...... 23672 C c) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- b) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Schmeink, Ingrid Hönlinger, , Dr. , , weiterer weiterer Abgeordneter und der Fraktion Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Förderung des Sports ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte von Patientinnen und Patienten durch- Aufgabe des Staates setzen (Drucksache 17/6152) ...... 23672 C (Drucksache 17/6348) ...... 23653 C c) Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia , Bundesminister Jochimsen, Jan Korte, , wei- BMG ...... 23653 D terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kultur gut stärken – Staatsziel Dr. Marlies Volkmer (SPD) ...... 23655 D Kultur im Grundgesetz verankern (Drucksache 17/10785 (neu)) ...... 23672 D Wolfgang Zöller (CDU/CSU) ...... 23657 A Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 23673 A (DIE LINKE) ...... 23658 D Dr. (CDU/CSU) ...... 23673 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 23660 B Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... 23674 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. (FDP) ...... 23675 D Bundesministerin BMJ ...... 23661 C Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 23676 A Dr. Carola Reimann (SPD) ...... 23662 D (BÜNDNIS 90/ Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) ...... 23664 C DIE GRÜNEN) ...... 23676 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Dr. , Parl. Staatssekretär Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ BMI ...... 23677 D DIE GRÜNEN) ...... 23705 C Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 23678 C Norbert Schindler (CDU/CSU) ...... 23706 C Siegmund Ehrmann (SPD) ...... 23679 D Gabriele Groneberg (SPD) ...... 23708 A Reiner Deutschmann (FDP) ...... 23680 D Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) ...... 23681 C Tagesordnungspunkt 13: (BÜNDNIS 90/ a) Erste Beratung des von der Bundesregie- DIE GRÜNEN) ...... 23682 B rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Tier- (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 23683 B schutzgesetzes (SPD) ...... 23684 D (Drucksache 17/10572) ...... 23709 A Joachim Günther (Plauen) (FDP) ...... 23686 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand der Entwick- Jens Petermann (DIE LINKE) ...... 23686 D lung des Tierschutzes 2011 (Tierschutz- Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . 23687 B bericht 2011) (Drucksache 17/6826) ...... 23709 A c) Antrag der Abgeordneten Alexander Tagesordnungspunkt 43: Süßmair, Dr. , Dr. Dietmar Erste Beratung des von der Bundesregierung Bartsch, weiterer Abgeordneter und der eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fraktion DIE LINKE: Landwirtschaftli- Änderung des Zwölften Buches Sozialge- che Nutztierhaltung tierschutzgerecht, setzbuch sozial und ökologisch gestalten (Drucksache 17/10748) ...... 23689 C (Drucksache 17/10694) ...... 23709 A Dr. , Parl. Staatssekretär , Parl. Staatssekretär BMAS ...... 23689 C BMELV ...... 23709 B Bernd Scheelen (SPD) ...... 23690 D Heinz Paula (SPD) ...... 23710 D (FDP) ...... 23692 C Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 23712 B Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... 23694 A Alexander Süßmair (DIE LINKE) ...... 23713 D

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 23695 C DIE GRÜNEN) ...... 23714 C Bettina Kudla (CDU/CSU) ...... 23696 D (CDU/CSU) ...... 23715 C Gabriele Hiller-Ohm (SPD) ...... 23697 D (CDU/CSU) ...... 23699 A Tagesordnungspunkt 46: Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- DIE GRÜNEN) ...... 23699 D schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Tagesordnungspunkt 44: Joachim Hacker, , Antrag der Abgeordneten , Heinz Paula, weiterer Abgeordneter und Eva Bulling-Schröter, Dr. Kirsten Tackmann, der Fraktion der SPD: Flugzeugbesatzun- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE gen und Reisende vor kontaminierter LINKE: Teller statt Tank – EU-Importver- Kabinenluft schützen bot für Kraft- und Brennstoffe aus Bio- – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus masse Tressel, , , (Drucksache 17/10683) ...... 23700 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kontami- Niema Movassat (DIE LINKE) ...... 23701 A nierte Kabinenluft in Flugzeugen unter- (CDU/CSU) ...... 23701 D binden Dr. (SPD) ...... 23703 B (Drucksachen 17/7611, 17/7480, 17/9451) . . 23717 A Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) ...... 23704 B Peter Wichtel (CDU/CSU) ...... 23717 B Niema Movassat (DIE LINKE) ...... 23705 B Hans-Joachim Hacker (SPD) ...... 23718 B Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) ...... 23705 C Torsten Staffeldt (FDP) ...... 23720 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 III

Thomas Lutze (DIE LINKE) ...... 23722 A Anlage 2 (BÜNDNIS 90/ Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina DIE GRÜNEN) ...... 23722 D Reiche auf die Frage 14 des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Torsten Staffeldt (FDP) ...... 23723 C NEN): Zeitpunkt des Beginns der Energie- (CDU/CSU) ...... 23724 D wende und Festhalten am Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Stromsektor bis 2020 auf 40 Prozent (194. Sitzung, Drucksa- Nächste Sitzung ...... 23726 C che 17/10736) ...... 23727 D

Anlage 1 Anlage 3 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23727 A Amtliche Mitteilungen ...... 23728 A

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23653

(A) (C)

196. Sitzung

Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Beginn: 9.01 Uhr

Präsident Dr. : Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria begrüße Sie herzlich. Ich freue mich über die erkennbar Klein-Schmeink, Ingrid Hönlinger, Fritz Kuhn, gute Laune. Sie könnte damit zusammenhängen, dass der weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND - von der Fraktion Die Linke beantragte Zusatzpunkt 10, NIS 90/DIE GRÜNEN Aktuelle Stunde mit dem Titel „Konsequenzen aus dem Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts“, jeden- Rechte von Patientinnen und Patienten durch- falls für heute abgesetzt wird. setzen (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ah! – – Drucksache 17/6348 – Oh! – Rainer Brüderle [FDP]: Das interessiert Überweisungsvorschlag: die doch gar nicht mehr!) Ausschuss für Gesundheit (f) (B) Rechtsausschuss (D) – Ich hoffe, dass die Protokollführer alle Ahs und Ohs Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und personengenau im Protokoll erfassen werden. – Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da bitte ich drum!) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dauer von 90 Minuten vorgesehen. – Jedenfalls stelle ich zu der Absetzung dieses Tagesord- Auch das ist offensichtlich einvernehmlich. Dann kön- nungspunktes ein ziemlich breites Einvernehmen fest. nen wir so verfahren. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 41 a bis 41 c Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- auf: nächst dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- serung der Rechte von Patientinnen und Pa- Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: tienten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das – Drucksache 17/10488 – deutsche Gesundheitswesen ist deshalb so leistungsfä- Überweisungsvorschlag: hig, weil sich die Patientinnen und Patienten auf ein be- Ausschuss für Gesundheit (f) sonderes Vertrauensverhältnis zum Arzt, zur Ärztin ihrer Rechtsausschuss Wahl verlassen können. Diese Bundesregierung will das Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis auch durch Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales dieses Patientenrechtegesetz weiter stärken. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kathrin Der Arzt schuldet eine Behandlung nach den Regeln Vogler, Dr. Martina Bunge, Katrin Kunert, weite- der ärztlichen Kunst. Er muss sich fortbilden, um sein rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wissen auf dem neuesten Stand zu halten. Er muss auch seine Grenzen kennen. Das heißt, wenn er nicht weiter- Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten weiß, muss der Arzt die Patienten zu einem Spezialisten – Drucksache 17/6489 – weiterverweisen. Dabei können täglich Fehler passieren, wenn Ärztinnen und Ärzte handeln. Bei Verdacht auf Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Krebs wird das Gewebe vielleicht nicht zu einer Unter - Rechtsausschuss suchung eingeschickt, ein Röntgenbild wird falsch ge- 23654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Bundesminister Daniel Bahr (A) deutet. Kann ein Verdacht auf eine Blinddarmentzün- Leistungsansprüchen nicht rechtzeitig entscheidet. Wenn (C) dung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so ist also eine Krankenkasse nicht innerhalb einer Frist, die das Hinauszögern einer Operation ein Behandlungsfeh- ihr der Patient gesetzt hat, entschieden hat, dann kann ler. Oder: Das falsche Knie wird operiert, eine Klemme die Patientin oder der Patient diese Leistung auf dem wird bei einer Operation im Bauch vergessen, das Lö- Wege der Kostenerstattung in Anspruch nehmen. Das sungsmittel bei der Anästhesie wird verwechselt. All das heißt, hier stärken wir auch die Rechte der Patientinnen sind Fehler, die Ärztinnen und Ärzten schon passiert und Patienten gegenüber ihrer Krankenkasse. Denn häu- sind. Das Patientenrechtegesetz, das die Bundesregie- fig hören wir davon, dass Patientinnen und Patienten rung dem Deutschen Bundestag heute vorlegt, wird dazu verärgert sind, weil die Krankenkasse nicht rechtzeitig beitragen, Fehler im ärztlichen Verhalten künftig besser entschieden hat und sie hingehalten werden. Auch hier zu vermeiden. Das ist im Interesse der Patientinnen und müssen die Patientenrechte gestärkt werden, damit Pa- Patienten in Deutschland und im Interesse eines vertrau- tienten endlich die Leistungen bekommen, die sie für die ensvollen Verhältnisses von Arzt und Patient. Behandlung dringend brauchen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Jahrelang wurde in Deutschland ein Patientenrechte- Unser Leitbild ist der mündige Patient, der seine gesetz diskutiert. Schon Vorgängerregierungen haben Rechte kennt, der dem Arzt kompetent gegenübertritt sich mit den Patientenrechten beschäftigt und diskutiert, und der mit dem Arzt über seine Behandlung spricht. ob ein Patientenrechtegesetz auf den Weg gebracht wer- Deswegen regelt das Patientenrechtegesetz auch, dass den soll. Die SPD-Justizministerin Frau Zypries, die der Patient künftig Einblick in die Patientenakte hat, um SPD-Gesundheitsministerin haben etwas beispielsweise bei Verdacht auf Fehler zu sehen, was der für die Patientenrechte in Deutschland getan: Sie haben Arzt gemacht hat. in den letzten Legislaturperioden eine Broschüre vorge - legt. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat jetzt schon Ansprüche ge- ( [FDP]: Was?) genüber dem Arzt!) Eine FDP-Justizministerin, ein FDP-Gesundheitsminis- Es soll darüber gesprochen werden, wie die Behand- ter in dieser schwarz-gelben Bundesregierung legen den lung aussieht, welche Risiken die Behandlung birgt und Patientinnen und Patienten in Deutschland nicht weiter welche Folgen die Behandlung hat. Zum Beispiel sehen nur Broschüren vor, wir bei individuellen Gesundheitsleistungen nun vor, dass der Arzt auch darauf hinweisen muss, dass Kosten (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: entstehen können. Er soll diese Kosten beziffern und (B) Richtig!) (D) auch darauf aufmerksam machen, dass die Kosten einer sondern sie legen ihnen ein Gesetz vor, damit den Pa- individuellen Gesundheitsleistung von der gesetzlichen tientinnen und Patienten endlich transparent gemacht Krankenkasse nicht ausreichend getragen werden, son- wird, dass sie Rechte und Pflichten haben. dern dass der Patient selbst Kosten tragen muss. Dies soll dazu dienen, dass der mündige Patient die Informa- (Petra Ernstberger [SPD]: Aber halbherzig!) tionen hat und selbst entscheiden kann, welche Leistung Dieses Gesetz bündelt die Rechte für die Patienten, da- er in Anspruch nimmt. mit sie den Ärzten auf Augenhöhe gegenübertreten kön- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nen. Es wird über die Frage diskutiert, wie Patienten ihre (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Rechte geltend machen können. Dieses Gesetz sieht erst- Dieses Gesetz stärkt die Patienten; denn erstmals wird mals vor, dass bei groben Behandlungsfehlern nicht der klar geregelt, dass Patienten bei Verdacht auf Fehler die Patient dem Arzt den Fehler nachweisen muss, sondern Hilfe ihrer Krankenversicherung in Anspruch nehmen der Arzt nachweisen muss, dass er alles richtig gemacht können. hat. Jetzt wird vonseiten der Opposition und von außen die Forderung gestellt, es müsse eine generelle Beweis - So kann die Krankenversicherung beispielsweise bei lastumkehr geben. der Beweiserleichterung helfen, indem ein Gutachten er- stellt wird, oder sie kann darauf hinweisen, wo Rechte (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE wie geltend gemacht werden können. Nach einer Um- GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) frage kennen sechs von zehn Patientinnen und Patienten – Die Forderung nach einer generellen Beweislastum- ihre Rechte nicht. Deswegen brauchen wir die Bünde- kehr steht doch in der Öffentlichkeit im Raum und ist lung der Rechte in diesem eigenen Patientenrechtege- auch aus Ihren Reihen gekommen. setz, damit sich die Patientinnen und Patienten nicht al- leine auf Gerichtsentscheidungen und Richtersprüche (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE berufen müssen, sondern ihre Rechte endlich transparent GRÜNEN]: Es stellt kein Einziger diese For - in einem Gesetz verankert vorfinden. Das Patientenrech - derung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ tegesetz ist der Beitrag dazu. CSU]: Die Grünen sind völlig zufrieden!) Darüber hinaus können sie ihrer Krankenversiche- Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Dass der Arzt rung Fristen setzen, wenn die Krankenversicherung bei bei einem groben Behandlungsfehler beweisen muss, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23655

Bundesminister Daniel Bahr (A) dass er alles richtig gemacht hat, ist der richtige Weg, um Dafür brauchen wir auch ein Beschwerdemanage- (C) mit Augenmaß vorzugehen und das vertrauensvolle ment in den Krankenhäusern. Dafür brauchen wir in den Arzt-Patienten-Verhältnis zu schützen. Krankenhäusern eine Kultur, die eine Kultur des Ver- trauens und nicht eine Kultur des Misstrauens ist. Nicht (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) durch immer mehr Regelungen, nicht durch immer mehr Weitere Beweislastumkehrungen, meine Damen und Dokumentationspflichten werden die Patienten gestärkt. Herren, oder sogar eine generelle Beweislastumkehr Sie werden gestärkt, wenn der Arzt die ausreichende würden in Deutschland zu amerikanischen Verhältnissen Zeit hat, sich um seine Patienten zu kümmern, und nicht führen, zum Bürokratieangestellten einer Krankenkassenverwal- tung wird. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Quatsch!) Wir wollen, dass der Arzt genügend Zeit hat, sich im Gespräch mit dem Patienten auseinanderzusetzen, dass und ich will nicht, dass der Arzt als Erstes an das Risiko es ein Beschwerdemanagement gibt, wenn der Patient denkt, dieses vermeiden will und deswegen eine Defen- unzufrieden ist, dass dies dazu führt, dass Prozesse im sivmedizin in Deutschland stattfindet. Krankenhaus verbessert werden und dass sich Patienten (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der künftig informieren können, in welchem Krankenhaus CDU/CSU) sie am besten behandelt werden. Ich will nicht, dass er an seine Haftpflicht- oder Rechts- All das stärkt die Patienten in Deutschland. Heute ist schutzversicherung denkt. Vielmehr soll der Arzt in ein guter Tag für die Patienten in Deutschland, weil end - Deutschland das Bestmögliche tun und dabei auch Risi - lich eine Bundesregierung ein Patientenrechtegesetz vor- ken eingehen müssen, damit der Patient geheilt wird. legt, das die Rechte der Patientinnen und Patienten bün- Denn wir wollen in Deutschland eine Fehlervermei - delt, sie möglichst auf Augenhöhe mit dem Arzt stärkt dungskultur und nicht eine Risikovermeidungskultur. Es und ihnen die Möglichkeit gibt, in Deutschland die best - soll das Beste für den Patienten getan werden, mögliche Behandlung zu bekommen – mit einem ver- trauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie was dafür!) Vielen Dank. und das muss im Mittelpunkt des vertrauensvollen Arzt- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patienten-Verhältnisses stehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) (D) Gleichzeitig wird darüber diskutiert, ob ein Entschä- Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin digungsfonds eingeführt werden soll; auch das ist eine Dr. Marlies Volkmer. Forderung der Opposition und anderer. Ich kenne, meine (Beifall bei der SPD) Damen und Herren, bisher keinen konkreten umsetzba- ren Vorschlag für einen solchen Entschädigungsfonds. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich glaube, dass das in der Systematik unserer Recht- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor sprechung auch im Verhältnis zwischen Arzt und Patient zweieinhalb Jahren haben wir an dieser Stelle den An- der falsche Weg wäre; denn wenn ein Arzt einen Scha- trag der SPD für ein modernes Patientenrechtegesetz dis- den zu verantworten hat, dann muss er dafür haften. kutiert. Dann ist er dafür verantwortlich, und dann kann es nicht sein, dass die Solidargemeinschaft der Beitragszahler da- (Heinz Lanfermann [FDP]: Der liegt aber für herangezogen wird und das finanziert. heute nicht vor!) Wir wollen nicht, dass es für Ärztinnen und Ärzte ei- Ein solches Gesetz muss die Rechte zusammenfassen, nen Anreiz gibt, zu sagen: Es gibt ja den Entschädi- muss aber auch die Rechte der Patientinnen und Patien- gungsfonds, der zahlt dann schon im Schadensfalle. – ten weiterentwickeln und muss dafür sorgen, dass die Vielmehr muss derjenige, der einen Schaden verursacht Patienten diese Rechte wahrnehmen können; hat, zum Schadenersatz herangezogen werden, und nicht die Solidargemeinschaft soll dafür aufkommen müssen. (Zuruf von der FDP: Dann können Sie ja Ich meine, das Verursacherprinzip muss hier gewahrt zustimmen!) bleiben, meine Damen und Herren. denn sonst nützen die besten Formulierungen und die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) besten Paragrafen nichts. Insofern geben wir mit dem Patientenrechtegesetz (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten viele gute Antworten, die die Rechte der Patienten stär- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ken und die das besondere Vertrauensverhältnis zwi- Nun haben Sie sich sehr lange Zeit gelassen, ehe Sie schen Arzt und Patient weiter ausbauen. Wir gehen vom einen solchen Entwurf für ein Patientenrechtegesetz auf mündigen Patienten aus, wir gehen von dem Arzt aus, den Weg gebracht haben. der sich fortbildet, der an seinen Fehlern arbeitet und der dafür sorgt, dass das Bestmögliche für den Patienten ge- (Zuruf von der FDP: Sie haben zehn Jahre lang tan wird. gar nichts gemacht!) 23656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Dr. Marlies Volkmer (A) Wir alle kennen den Satz: Was lange währt, wird gut. Die Beweislast liegt zu 100 Prozent beim Patienten, (C) Trifft das für diesen Fall zu? Sie kennen wahrscheinlich während die Beweismittel … zu 100 Prozent auf schon unsere Antwort: Nein, natürlich nicht. Die Ziele Seiten des Arztes sind. dieses Gesetzentwurfes sind bis zur Unkenntlichkeit ver- wässert worden. Da, Herr Minister Bahr, nützt es auch Das sagt Susanne Mauersberg vom Verbraucherzentrale nichts, wenn Sie sich hier hinstellen und alles aufzählen, Bundesverband. Sie hat völlig recht. Daran ändert sich was in dem Gesetzentwurf steht. Das gibt es in der Tat mit diesem Gesetz nichts. alles schon. Sie haben jetzt tatsächlich nur den ersten (Beifall bei der SPD) Punkt erledigt und das geltende Recht zusammengefasst. Der Patient muss nach wie vor nachweisen, dass der (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist falsch!) Arzt den Fehler begangen hat und dass dadurch der Ge- Das reicht uns aber nicht. Von daher müssen Sie sich sundheitsschaden eingetreten ist. Er muss langwierige nicht wundern, wenn von vielen Seiten Kritik geäußert und teure Prozesse führen. In dieser Zeit hat er keine wird, von den Betroffenen, von Patientenverbänden, von finanzielle Unterstützung. In diesen Fällen würde ein den Anwälten für Medizinrecht und von den Kranken - Härtefallfonds, den wir vorschlagen und den viele Be- kassen. Nur die Ärztekammer ist zufrieden mit diesem troffene fordern, Unterstützung für die Patienteninnen Gesetz. Für die Ärzte gibt es keine höheren Anforderun - und Patienten bedeuten. gen. Dieses Gesetz ist ein Placebo, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der SPD) GRÜNEN) und das war von Ihnen auf der Regierungsbank auch so Natürlich müssen sich die Haftpflichtversicherer an gewollt. der Finanzierung dieses Fonds beteiligen. Wir wollen Von daher ist dieses Gesetz in der Ausrichtung völlig mitnichten eine Beweislastumkehr, aber wir wollen Be- konsequent: Patientinnen und Patienten erhalten nicht weiserleichterungen in den Fällen, in denen mit hoher mehr Rechte. Das beginnt schon bei der Aufklärung. Es Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, gehört dazu, dass der Patient weiß, wie oft in einer be- dass der Schaden im Krankenhaus entstanden ist, zum stimmten Einrichtung ein Eingriff vorgenommen wird, Beispiel wenn in dem Krankenhaus hohe Infektionsraten wie hoch die Komplikationsrate ist, wie der normale vorkommen und der Patient eine solche Infektion hat. Behandlungsverlauf ist. Er muss auf Alternativen zur Entscheidend für Patienteninnen und Patienten, einen Diagnostik und Therapie hingewiesen werden, auch Behandlungsfehler nachweisen zu können, ist die voll- dann, wenn diese an der betreffenden Einrichtung nicht (B) ständige und richtige Dokumentation. Auch hier reicht (D) durchgeführt werden und der Patient eventuell in eine es nicht, was Sie im Gesetzentwurf vorgesehen haben. andere Einrichtung geht. Wir wollen gesetzlich geregelt haben, dass eine Software Ich bin Ärztin. Ich kann mir diese Informationen ho- vorgeschrieben wird, die die Fälschung elektronischer len, und das tue ich auch. Meine Kolleginnen und Kolle- Patientenakten verhindert. gen tun das auch. Aber was wir Ärzte für uns in An- (Beifall bei der SPD) spruch nehmen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, muss generell für alle Patienteninnen und Pa- Sie haben recht: Im Gesetz ist vorgesehen, dass Kran- tienten gelten. kenkassen ihre Versicherten unterstützen müssen, wenn sie glauben, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Aber (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem es fehlt die Regelung, wie die Mindestunterstützung aus - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sehen soll. Reicht vielleicht ein Faltblatt oder ein kurzes Diese selbstverständliche Information trifft in beson- Beratungsgespräch aus? Auch hier muss deutlich nach- derer Art und Weise auf die individuelle Gesundheits- gebessert werden. leistung, IGeL, zu. Hier nützt es nichts, wenn im Be- Jeder Behandlungsfehler, jeder Schaden durch ein handlungsvertrag steht, wie teuer eine Leistung ist. Der Medizinprodukt ist einer zu viel. Schadensregulierung Patient muss vielmehr wissen, warum eine Leistung, ist nur eine Hilfe und kann körperliche Beschwerden, zum Beispiel die Augendruckmessung, manchmal eine körperliche Schäden und menschliches Leid natürlich Leistung der Krankenkasse ist und manchmal nicht. Der nicht ausgleichen. Von daher ist die Frage der Patienten - Patient muss aufgeklärt werden, dass eine Therapie, die sicherheit eine ganz entscheidende. Hierbei geht es da- ihm angeboten wird und die er privat bezahlen soll, von rum, die Qualitätssicherung zu verbessern, die Zulas- der Krankenkasse nicht bezahlt wird, weil der Nachweis sungsregelungen für Medizinprodukte zu verbessern und der Wirksamkeit nicht gegeben ist. Produktkontrollen vorzunehmen. Wir haben mit unse- Sie haben völlig recht: Wo Menschen arbeiten, sind rem Antrag „Mehr Sicherheit bei Medizinprodukten“, auch Fehler nicht ausgeschlossen. Aber Patienten, die ei- den wir im Juni eingebracht haben, den Weg aufgezeigt. nen Behandlungsfehler erlitten haben, sind in einer sehr Selbst wenn uns heute ein deutlich besseres Patienten- schwierigen Position. rechtegesetz vorliegen würde, dann muss das natürlich durch andere gesetzliche Regelungen ergänzt werden. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE Auch solche liegen auf dem Tisch. Sie, liebe Kollegin- GRÜNEN]: Genau so ist es!) nen und Kollegen von der Union und von der FDP, sind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23657

Dr. Marlies Volkmer (A) aufgefordert, diese Regelungen ernsthaft zu prüfen, mit (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C) uns zu diskutieren und, wenn möglich, umzusetzen. Ich kenne keine Regierungszeit, in der so viele Ver- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten besserungen für die Patienten erreicht wurden wie in die- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE ser. Dank Umstellung der Finanzierung haben wir zum GRÜNEN) ersten Mal genügend Geld, sodass wir keine Leistungen kürzen müssen. Mit der Überleitung der Unabhängigen Präsident Dr. Norbert Lammert: Patientenberatung vom Modellvorhaben zu einer profes - Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Zöller für sionellen Regelversorgung ist ein Vorteil für den Patien- die CDU/CSU-Fraktion. ten geschaffen worden. Das Krankenhaushygienegesetz schützt die Patienten besser vor Infektionen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel- Wolfgang Zöller (CDU/CSU): marktes bestimmt der Zusatznutzen für die Patienten Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und künftig den Preis der Medikamente. Natürlich werden Kollegen! Frau Kollegin Volkmer, wenn Sie uns auffor- die Patientenvertreter in diese Beratungen einbezogen. dern, mit Ihnen zu diskutieren, möchte ich Sie auffor- Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz passen wir die dern, unseren Gesetzentwurf erst einmal zu lesen. Was Versorgungsplanung den Bedürfnissen der Versicherten Sie hier nämlich vorgetragen haben, hat mit diesem Ge- an und nicht umgekehrt. Auch das geschieht wiederum setzentwurf leider nichts zu tun. unter Einbindung der Patientenvertreter. Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz richten wir auch die (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Na, na, na!) Pflege verstärkt an den Bedürfnissen der Menschen aus, zum Beispiel durch die Unterstützung neuer Wohnfor - Wer von Ihnen weiß, wo und wie die Rechte auf Ein- men. sicht in Ihre Krankenakten geregelt sind? Es gibt den § 810 des Bürgerlichen Gesetzbuches, es gibt Landge - Mit dem Patientenrechtegesetz runden wir jetzt diese richtsurteile, zum Beispiel vom Landgericht Aachen aus Bemühungen ab. Wir wollen, dass ein vertrauensvolles dem Jahr 1985, und, und, und. Die Unübersichtlichkeit Miteinander in den Praxen zur Regel wird. Das Patien- führt dazu, dass ein Viertel aller Versicherten gar nichts tenrechtegesetz liefert hierfür ein modernes, tragfähiges von einem Recht auf Einsicht weiß und dass 63 Prozent Fundament. Denn nur wenn man sich als Partner ver- zu Unrecht meinen, bei einem Arztwechsel die Original- steht, können Therapien passgenau individuell abge- unterlagen verlangen zu können. stimmt werden, was, wie wissenschaftlich bewiesen ist, (B) Aber nicht nur die Versicherten sind verunsichert. die Erfolgsaussichten einer Krankheitsbewältigung (D) Viele Ärzte verneinen ihre Pflicht auf Erstellung einer enorm befördert. Kopie, und viele Krankenkassen schicken ihre Versi - Aus diesem Grund haben wir den Begriff „Patienten- cherten dann mit solchen Fragen zu uns. Dass Patienten schutzgesetz“ zunächst einmal in die Schublade gelegt verbriefte Rechte und Leistungen wie Bittsteller einkla - und alle Beteiligten zu einem Gespräch eingeladen, um gen müssen, ist nicht akzeptabel. Darüber hinaus benöti- den größtmöglichen Konsens vor dem Gesetzgebungs- gen auch die Ärzte und das medizinische Personal Klar- prozess auszuloten. In über 300 Gesprächen ist dies heit, welche Rechte und Pflichten sie treffen. gelungen. Seitens der Fachleute gibt es keine Extremfor - Ich mache keinem einen Vorwurf; auch wir von der derungen mehr. Die einen sagten: „Ein Patientenrechte- Politik tragen hier Verantwortung. Die Zersplitterung des gesetz brauchen wir nicht“, die anderen forderten eine Rechts, vom Grundgesetz über Sozialgesetzbuch, Bürger - totale Beweislastumkehr im Falle eines Behandlungsfeh - liches Gesetzbuch, Röntgenverordnung, Reichsversiche- lers. rungsordnung, Berufsrecht bis hin zu Gerichtsentschei- dungen, erschwert einen Überblick über bestehende Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist gelun- Rechte und fördert dadurch natürlich Vollzugsdefizite. gen, nach fast 20 Jahren Diskussion einen ausgewoge- Das Ergebnis kennen wir: Unwissenheit und Irrtümer nen Entwurf vorzulegen. über Patientenrechte zerstören nicht nur Vertrauensver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hältnisse, sie führen auch zu erheblichen sozialen und gesundheitlichen Nachteilen. Sicher, auch ich als Patientenbeauftragter habe noch den Das beenden wir heute. einen oder anderen Wunsch. Ich könnte mir zum Bei- spiel vorstellen, dass wir im parlamentarischen Verfah- (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE ren darüber diskutieren, wie mit Mitbestimmungsrechten GRÜNEN]: Leider nicht!) in Verfahrensfragen im Gemeinsamen Bundesausschuss umgegangen wird. Mit der Bündelung und Weiterentwicklung der Patien- tenrechte in einem Patientenrechtegesetz setzen wir – im Der Entschädigungsfonds wurde angesprochen. Übrigen von vielen scheinbar noch gar nicht wahrge- nommen – eine Wende in der Gesundheitspolitik fort, (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Härtefallfonds! – nämlich die Wende dahin, dass der Patient im Mittel- Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE punkt unserer Bemühungen steht und nicht wie bisher GRÜNEN]: Härtefallfonds! Das ist nämlich die vorhandenen Strukturen. ein Unterschied!) 23658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Wolfgang Zöller (A) – Härtefallfonds. – Die Ärzteschaft war voll auf unserer freies medizinisches Gutachten zur Verfügung gestellt (C) Seite, nur die Versicherungswirtschaft hat ihn strikt ab- wird. Das ist ein großer Fortschritt. gelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Das glaube ich Schnellere Entscheidungen durch die Krankenkassen: auch! Das wissen wir!) Ich habe Briefe bekommen, in denen es hieß: Die Ge- Ich sage Ihnen klipp und klar: Mit mir gibt es keinen nehmigung meines Rollstuhls hat acht Monate gedauert. – Entschädigungsfonds; denn dann müssten die Versicher- Das ist eine Beschwerde, die ab dem kommenden Jahr ten dafür bezahlen, dass im Zweifelsfall ein Arztfehler nicht mehr vorkommen darf. Der Rollstuhl muss inner- ausgeglichen wird. Mit einer solchen Lösung können wir halb von drei Wochen genehmigt sein. Die Frist von drei nicht vor die Öffentlichkeit treten. Wochen wird die Verfahren wesentlich beschleunigen. Auch das ist ein Vorteil für die Versicherten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ( [CDU/CSU]: Genau!) An dieser Stelle darf ich mich beim Gesundheitsmi- nister, bei dir, lieber Daniel, und bei der Justizministerin Stärkung der Patientenrechte: Sie werden gelesen ha- recht herzlich bedanken. ben, dass die Patientenvertreter in die Bedarfsplanung stärker eingebunden werden, was für die medizinische (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Versorgung auf dem flachen Land entscheidend ist. DIE GRÜNEN: Oh!) Ein ganz wichtiger Punkt zum Schluss: umfassende – Ja. – In den vorhergehenden Jahren sind die Gespräche Information für Patientinnen und Patienten. Wir stellen immer gescheitert, weil sich die beiden Ministerien nicht immer wieder fest: Die wenigsten kennen ihre Rechte, einigen konnten. Man kann feststellen, dass die beiden und wer seine Rechte nicht kennt, kann sie nicht einfor - Häuser optimal zusammengearbeitet und einen sehr gu- dern. Wir werden durch ein verständliches Informations- ten Gesetzentwurf vorgelegt haben. system für mehr Transparenz sorgen, eine Aufgabe, die dem Patientenbeauftragten zukommt. Wir werden die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bürger also ordentlich informieren. Lassen Sie mich stichpunktartig darauf eingehen, was Meine sehr geehrten Damen und Herren, Moral und der Gesetzentwurf für die Patienten bedeutet: der Umgang miteinander können nicht gesetzlich gere- Die Aufnahme des Behandlungsvertrages in das Bür- gelt werden. Mit dem Patientenrechtegesetz schaffen wir gerliche Gesetzbuch: Es ist schon mehr als ein Zusammen- aber die Voraussetzungen für einen faireren Umgang in (B) fügen; denn jetzt wird es wirklich zum Gesetz erhoben. Pa- Partnerschaft. Das dient dem Ziel, wie alle Bemühungen (D) tienten und Ärzte können künftig in diesem Gesetz im Gesundheitswesen, einer optimalen medizinischen nachlesen, welche Rechte und Pflichten sie haben: Was Versorgung. muss die Aufklärung beinhalten? Bekomme ich das ge - Vielen Dank. wünschte Dokument, ja oder nein? Es ist geregelt, dass offengelegt werden muss, wenn die Kosten einer Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – handlung von der Krankenkasse nicht voll übernommen Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE werden. Es wird außerdem festgeschrieben, in welchen GRÜNEN]: Herr Zöller, Sie können mehr!) Fällen es bei einem Behandlungsfehler eine Beweislast- umkehr gibt. Auch das ist ein Vorteil für die Patienten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die effektive Qualitätssicherung durch Risikoma- Harald Weinberg ist der nächste Redner für die Frak- nagement- und Fehlermeldesysteme: Meldungen wie: tion Die Linke. „Falsches Bein amputiert, weil die Markierung auf dem (Beifall bei der LINKEN) Thrombosestrumpf war, der vor der OP ausgezogen wurde“, dürften künftig der Vergangenheit angehören. Harald Weinberg (DIE LINKE): Unser Ziel ist eine neue Fehlerkultur, um dadurch Be- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und handlungsfehler so weit wie möglich zu vermeiden. Ein Kollegen! Meine Damen und Herren! Wegen des Ent- wichtiger Faktor hierfür ist, aus Fehlern und vor allem wurfs des Patientenrechtegesetzes, über den wir heute auch aus Beinahefehlern zu lernen. In Deutschland gilt hier debattieren, klingelt seit Wochen mein Telefon, und nach wie vor, dass man sucht, wer den Fehler gemacht das Fax quillt über. hat, statt sich stärker damit zu beschäftigen, warum der Fehler begangen wurde, und die Ursachen abzustellen. (Zurufe von der FDP: Oh! – Heinz Durch das Risikomanagement- und Fehlermeldesystem Lanfermann [FDP]: Schaffen Sie sich E-Mail wird die richtige Struktur vorgegeben, um dies umsetzen an!) zu können. Es gibt auch noch einen finanziellen Anreiz für Krankenhäuser, die sich an diesem System beteili - Leider ist es nicht überschäumende Begeisterung über gen. diesen Gesetzentwurf, die eine Vielzahl überglücklicher Patientinnen und Patienten zum Telefonhörer greifen Mehr Unterstützung bei Behandlungsfehlern. Oft lässt, sondern die übergroße Enttäuschung über das, was wird verschwiegen, dass jetzt gesetzlich geregelt wird, Sie, meine Damen und Herren von Union und FDP, nach dass den Patienten von den Krankenkassen ein kosten- jahrelanger stiller Beratung ausgeheckt haben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23659

Harald Weinberg (A) In Ihrem Koalitionsvertrag hatten Sie vor drei Jahren leidender wurde, der hat es ganz schwer. Er muss sich um (C) noch von einem Patientenschutzgesetz gesprochen. Es seine Genesung kümmern und gleichzeitig gegen ein pro- geht aber nicht nur um den Schutz der Patienten, sondern fessionelles Kartell von Ärzteschaft, Krankenhausver- auch darum, ihnen Rechte zu geben, und darum, ihnen waltung und Ärztehaftpflichtversicherung samt Anwäl- Möglichkeiten an die Hand zu geben, dass sie diese ten und Gutachtern ankämpfen, um die Schuld zu Rechte auch durchsetzen können. Die Überschrift des beweisen. Dazu muss der Patient aufzeigen – das ist be- Gesetzentwurfs zeigt, dass Sie unsere Nachhilfe ange - reits erwähnt worden –, dass erstens wirklich eine falsche nommen und dazugelernt haben: aus Patientenschutz- ist Behandlung vorliegt und zweitens die Schädigung ur- Patientenrechtegesetz geworden. sächlich auf die falsche Behandlung zurückzuführen ist. Diejenigen, die das zu begutachten haben, sind wiederum (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ihre Ärzte und werden von Ärztekammern oder den Ärz- Nachhilfe brauchen wir nicht!) tehaftpflichtversicherungen bezahlt. Solche Gerichtsver- Bei den Inhalten haben Sie diese Einsicht leider nicht fahren dauern im Übrigen Jahre, oft auch Jahrzehnte. gezeigt. Wir hätten uns für die Patientinnen und Patien- Sehr häufig ist es so, dass die Geschädigten das Ende des ten gefreut, wenn Sie unsere Vorschläge oder, wenn Sie Gerichtsverfahrens nicht mehr erleben. unsere Vorschläge nicht nehmen wollten, die der Grünen oder die der SPD übernommen hätten. Wir hätten uns Leider wird den Geschädigten durch den jetzt vorge- gefreut, wenn Sie zum Beispiel die erleichterte Regelung legten Entwurf eines Patientenrechtegesetzes kaum ge- bei der Beweislast in den Gesetzentwurf hineingeschrie - holfen. Es soll keine generelle Erleichterung der Beweis- ben hätten. last eingeführt werden. So haben die Geschädigten weiterhin die Beweislast zu tragen, und die Ärzte haben (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE die Beweismittel in den Händen. Nur bei groben Behand- GRÜNEN]: Genau!) lungsfehlern wollen Sie eine Beweislastumkehr einfüh- Wir hätten uns auch gefreut, wenn Sie die Vorschläge ren. Das ist aber heute schon gängige Praxis vor Gericht. der Betroffenen, also der Patientinnen- bzw. Patienten - Doch was nun ein grober Fehler ist, wird wiederum durch verbände, in den Gesetzentwurf hineingeschrieben hät- einen Arzt entschieden. ten. Stattdessen haben Ihnen die Ärzte- und Kranken- Sie wollen auch keinen unabhängigen Gutachterpool hausverbände die Hand beim Schreiben geführt. einrichten. Die Geschädigten werden sich also weiterhin (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ein an Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen Schwachsinn!) wenden müssen, die bei den Ärztekammern angesiedelt sind und zum größten Teil für die Ärzte und gegen die Da muss man sich nicht wundern, wenn zum Schluss (B) Patienten entscheiden. (D) wenig herauskommt, was den Patienten bei der Durch- setzung ihrer Rechte hilft. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Oh Gott!) ( [CDU/CSU]: Klassenkampf! Im- Es wird nach Ihren Plänen leider auch keinen Härte- mer nur Klassenkampf!) fall- oder Entschädigungsfonds geben, aus dem Geschä- digten schnell und unbürokratisch zumindest eine finan- Deshalb steht in dem Gesetzentwurf jetzt nur das, was zielle Entschädigung geleistet werden könnte. bislang auch durch Richterrecht schon geregelt und gül- tig war. Kommen wir zu den individuellen Gesundheitsleis- (Jens Spahn [CDU/CSU]: Stimmt nicht! – tungen – ein besonderes Ärgernis für viele Patientinnen Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wiederum und Patienten. Das sind Leistungen, die die Kasse nicht falsch! Lesen Sie es doch einmal, bevor Sie et- übernimmt und für die die Patientinnen und Patienten was Falsches sagen!) beim Arzt extra zahlen müssen: wenige sinnvoll, die meisten überflüssig, einige sogar schädlich! Auch hier Zum Teil bleiben Sie sogar hinter der bisherigen Recht- schreiben Sie nur die Verpflichtung zur Aufklärung über sprechung zurück. mögliche Kosten in den Gesetzentwurf. Das kann doch nicht alles sein. Dabei wissen auch Sie genau: Manche Gut, die Krankenkassen bekommen ein paar Zusatz- Ärztinnen und Ärzte nutzen IGeL-Leistungen, um ihren aufgaben, wenn es darum geht, Patientinnen und Patien- Umsatz zu erhöhen. Dafür gibt es sogar spezielle Ver - ten zu unterstützen. kaufstrainings, die bis vor kurzem noch vom Bundes- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aha!) wirtschaftsministerium gefördert worden sind. Das war es aber auch, und das ist aus unserer Sicht deut- (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: So ist das!) lich zu wenig. Die Linke fordert darum in ihrem Antrag, einen klaren (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten rechtlichen Rahmen zu schaffen, damit die Patientinnen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und Patienten nicht über den Tisch gezogen werden. Worum geht es im Kern eigentlich? Viele Patientinnen (Beifall bei der LINKEN) und Patienten haben die leidvolle Erfahrung gemacht, dass man als Patient nach einem Behandlungsfehler keine Dazu gehören eine angemessene Bedenkzeit, ausrei- guten Karten hat. Wer schon vor der Behandlung krank chende Informationen und unabhängige Beratung über war und aufgrund eines Ärztefehlers noch kränker und Sinn, Nutzen und Alternativen genauso wie Maßnahmen 23660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Harald Weinberg (A) der Qualitätssicherung. Nichts davon findet sich aller- Stellen in diesem Gesetzentwurf wider. Sie von der (C) dings in diesem Gesetzentwurf. CDU/CSU wissen das sehr genau. Nicht umsonst haben wir drei Jahre warten müssen, bis dieser sehr verküm- Auch bei den Rechten von Patientenorganisationen merte Gesetzentwurf vorgelegt wurde. Das ist ein ganz bleiben Sie sehr schmalbrüstig. Die Patientenorganisatio- klarer Nachweis dafür, dass es einen langen Prozess des nen werden im Gemeinsamen Bundesausschuss, dem Ringens gegeben hat, bis Sie überhaupt zu diesem Er- wichtigsten Gremium der Selbstverwaltung im Gesund- gebnis gekommen sind. heitswesen, weiterhin am Katzentisch sitzen müssen und erhalten noch nicht einmal in Verfahrensfragen ein (Heinz Lanfermann [FDP]: Wir haben sieben Stimmrecht. Dass diese darüber verbittert sind, darf Sie Jahre auf Ihre Vorschläge gewartet!) nicht wundern. Das ist eigentlich schade, wenn man sich anschaut, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) was Sie, Herr Zöller, in den letzten drei Jahren auf Grundlage zahlreicher Gespräche mit Patientenverbän- Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, ich weiß schon, dass einige von Ihnen sehr wohl zumin- den – dies ist durchaus anerkennenswert – vorgebracht dest einen Teil unserer Kritik teilen und mit dem Gesetz- und vorgeschlagen haben. Wir konnten zahlreiche Pres- seartikel darüber lesen. Genau das hat dazu geführt, dass entwurf recht unzufrieden sind. wir alle die Hoffnung hatten, wir kämen ein Stückchen (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann sagen weiter als nur bis zu dem, was jetzt vorliegt. Sie uns einen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Darum appelliere ich an Sie: Setzen Sie sich im weiteren Verfahren lautstark dafür ein, dass dieser Gesetzentwurf Betrachten wir einmal den Gesamtansatz. Natürlich noch entscheidende Änderungen erfährt, die im Interesse ist es richtig, einen eigenständigen Untertitel im Bürger- der Patientinnen und Patienten sind, und nicht so durch lichen Gesetzbuch zu schaffen, in dem der Behandlungs- das Parlament geht. vertrag geregelt wird. Aber bringt dies tatsächlich mehr Rechte? Wir haben eben schon gehört: Es gibt kein ein- Vielen Dank. ziges zusätzliches Recht, das insbesondere den Patien- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ten, die einen Behandlungsfehler erlitten haben, weiter- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN helfen würde. 20 Jahre nachdem erstmals Vorschläge auf den Tisch gelegt worden sind, 20 Jahre, in denen es und des Abg. Dr. Edgar Franke [SPD]) Hoffnungen gegeben hat, dass die Stellung von geschä- digten Patienten vor Gericht verbessert wird, ist das aus- Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) gesprochen kümmerlich. (D) Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die Kollegin Maria Klein-Schmeink. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Kommen wir zu den anderen Bereichen, die mit Pati- Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- entenschutz zu tun haben. Sie haben ja im Koalitionsver- legen! Ich will hier nicht wiederholen – diese Punkte trag von einem Patientenschutzgesetz gesprochen. Das wurden schon genannt –, was in diesem Entwurf des Pa- weckte die Hoffnung, dass gerade der Aspekt der Patien- tientenrechtegesetzes sinnvoll ist. tensicherheit, der Fehlervermeidung konsequent ange- gangen wird. Nichts da! Was finden wir dazu in diesem (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Danke!) Gesetzentwurf? Es sind nur ganz wenige Regelungen im In diesem Patientenrechtegesetz sollen tatsächlich erst- SGB V vorgesehen, und fast alle haben eine eher freiwil- mals all die Rechte der Patienten gebündelt werden, die lige Grundlage. Es gibt keinen Ansatz, der dazu führt, in verschiedenen Gesetzeswerken, allerdings sehr ver- dass wir ein stringentes System der Fehlervermeidung, streut, verankert sind. Es ist natürlich eine große Erleich- des Fehlermonitorings, des Beschwerdemanagements terung und stellt einen Fortschritt dar, wenn diese Rechte und des Risikomanagements bekommen. Nirgendwo fin - tatsächlich transparent und gebündelt vorliegen. Das det man wirklich verbindliche Regelungen, dafür aber aber, meinen wir, ist zu wenig Anforderung an ein Pati - viele Aufgabenstellungen, die sich an den G-BA und die entenrechtegesetz. gemeinsame Selbstverwaltung richten. An keiner Stelle heißt es: Jede Einrichtung, jede Praxis, jedes Kranken - (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haus hat genau dies zu tun und dabei bestimmte Quali- sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. tätsstandards einzuhalten. – Diese klare Verbindlichkeit Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) finden wir in Ihrem Gesetzentwurf nicht. Wir meinen, Dieses Patientenrechtegesetz ist zwar von zwei FDP- das ist nicht ausreichend. Ministern auf den Weg gebracht worden, aber – das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muss man doch sagen – diese beiden Minister mussten sowie bei Abgeordneten der LINKEN) mehr zum Jagen getragen werden, als dass sie sich zu überzeugten Verfechtern einer wirklichen Patientenori - Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Einrichtung von entierung und einer Stärkung von Patientenrechten auf- Medizinprodukteregistern; die Debatte um Brustimplan- geschwungen hätten. Genau dies spiegelt sich an vielen tate haben wir ja geführt. Auch hier bleibt es dabei: Was Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23661

Maria Klein-Schmeink (A) die Wirtschaft betrifft, findet man nur freiwillige Selbst- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- (C) verpflichtungen. Es gibt keinen Ansatz, eine gesetzliche ministerin der Justiz: Regelung vorzunehmen. Sie sagen nicht etwa: Wir tref - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- fen im Hinblick auf Medizinprodukteregister eine ver- nen und Kollegen! Liebe Frau Klein-Schmeink, Sie ha- pflichtende Regelung und schaffen damit Instrumente, ben versucht, den vorliegenden Gesetzentwurf kleinzu- die für Qualitätssicherung, aber auch für Transparenz reden. Das ist Ihnen beim besten Willen nicht gelungen. sorgen. – Auch in diesem Punkt ist Ihr Gesetzentwurf ein großer Ausfall. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Rich- tig! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Er ist Zu den Gutachten. Sie sind stolz darauf, dass Sie in schon klein! Den muss man nicht kleinreden!) Ihrem Gesetzentwurf eine entsprechende Verpflichtung der Krankenkassen verankert haben. Vorher war das eine Denn Sie konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kannregelung. Es gab diese Möglichkeit also schon, und sieben Jahre Rot-Grün zu keinem einzigen Gesetzent- sie wurde gerade von den großen Kassen umfangreich wurf geführt haben. genutzt. Aber: Was tun Sie, um diese Gutachten tatsäch - (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) lich zu qualifizieren? Was tun Sie, um Mindeststandards festzulegen? Was tun Sie, um den Gutachtern Weiterbil- Wenn alle Regelungen schon lange in der Schublade ge- dungen zu ermöglichen? Nur so kann ja überhaupt eine legen hätten, längst klar wären und schon aufgeschrieben hohe Qualität der Gutachter gewährleistet werden. Zu worden wären, dann könnten wir heute über die Verbes- alldem findet sich in diesem Gesetzentwurf nichts, Fehl- serung eines vielleicht schon vorliegenden Patientenrech- anzeige. tegesetzes debattieren. Wir, diese Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen, legen heute allerdings erstmals (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in der Geschichte der Beratungen im Bundestag einen So, meinen wir, kann eine wirkliche Unterstützung von Gesetzentwurf zur Stellung der Patienten vor. Außerdem Patienten nicht aussehen. finden die Regelungen dieses Gesetzentwurfes ihren Nie- derschlag erstmals auch im Bürgerlichen Gesetzbuch; in (Heinz Lanfermann [FDP]: Sie nörgeln ja dieses schaut man ja, wenn man rechtliche Regelungen selbst über Sonnenschein!) im Hinblick auf einen Behandlungsvertrag sucht. Allein Schauen wir weiter; es besteht auch noch folgendes das ist schon ein Mehrwert. Es ist jetzt ganz leicht in Er- Problem: Eine Beteiligung der Patientenorganisationen fahrung zu bringen, und zwar ohne googeln oder umfang- im Rahmen der Selbstverwaltung in den verschiedenen reiche Auskünfte einholen zu müssen, welche Rechte und Gremien ist mittlerweile zwar, auf Betreiben von Rot- welche Pflichten der Behandelnde und der Patient haben. (B) Grün, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (D) (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Nicht bloß Rot- Der Mehrwert liegt auch darin, dass die Rechte jetzt Grün!) so festgelegt sind, dass der Patient dem Behandelnden seit Jahren vorgesehen. Aber was ist mit ihren Verfah- – das ist nicht nur der Arzt, sondern das sind auch alle rensrechten? Nicht einmal hier konnten Sie sich zu einer anderen, die medizinische Dienstleistungen erbringen – Regelung durchringen. auf Augenhöhe gegenübersteht. Der Patient ist nicht Bittsteller, und der Arzt bzw. der Behandelnde ist nicht Wir meinen, Sie sind an sehr vielen Stellen zu kurz ein Halbgott im weißen Kittel. Hier begegnen sich zwei gesprungen. Wir hoffen, dass wir die Kolleginnen und mit unterschiedlichen Anliegen: der Behandelnde, der Kollegen in den Reihen der CDU in Ihrem Bemühen um mit seinem Fachwissen dem Patienten helfen soll und ein besseres Patientenrechtegesetz noch ein bisschen be- muss und will, und der Patient, der ein Recht darauf hat, stärken können. Denn in Ihren Eckpunkten sind durch- alles zu erfahren und selbstbewusst entscheiden zu kön - aus einige Vorschläge enthalten, die auch die andere nen, in was er einwilligt und in was er nicht einwilligen Seite dieses Hauses für sinnvoll hält. Noch haben Sie die möchte. Dass das jetzt nachlesbar und transparent ist und Möglichkeit, ein wirkliches Patientenrechtegesetz auf dass es damit Rechtssicherheit gibt, ist ein wirklich gro- den Tisch zu legen. Ich bin noch nicht ganz ohne Hoff- ßer Fortschritt gegenüber der derzeitigen Situation, in nung. Aber wenn ich mir die anderen Gesetzgebungsver- der Fälle durch Rechtsprechung entschieden werden. fahren, die Sie noch vorhaben, ansehe – ich nenne nur das Betreuungsgeld –, dann bin ich etwas weniger opti- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mistisch, dass wir hier noch etwas erreichen. Die Verpflichtungen, die festgehalten worden sind, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind natürlich umfangreicher als die, die sich aus der sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- derzeitigen Rechtsprechung ergeben. Die Rechtspre - KEN) chung ist ja immer nur eine Entscheidung im Einzelfall. Daraus haben sich ein paar Grundsätze ergeben. Bei den Präsident Dr. Norbert Lammert: Informationspflichten gehen wir über das hinaus, was bisher durch Rechtsprechung niedergelegt ist – auch im Das Wort erhält nun die Bundesjustizministerin Frau Blick auf das, was sich entwickeln kann. Gerade in Be - Leutheusser-Schnarrenberger. zug auf die Verpflichtung zur Aufklärung machen wir in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Folgebestimmungen Konsequenzen für die Haftung der CDU/CSU) deutlich. Es ergeben sich daraus Beweiserleichterungen 23662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (A) und damit eine Stärkung der Patienten, gerade dann, (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Rich- (C) wenn zum Beispiel die Aufklärung unterblieben ist. tig!) Wenn in der Patientenakte einiges überhaupt nicht ent - In den einzelnen Paragrafen können wir doch nicht halten ist, vielleicht aber aufgeklärt wurde, dann gilt: aufzählen, was alles ein grober Behandlungsfehler ist. Das, worüber nichts ausgeführt worden ist, ist nicht er- Das kann man nie abschließend machen, sonst müsste folgt. Das wird in einer Auseinandersetzung dann zu- man ein Buch schreiben; das können wir nicht. Wir müs - gunsten des Patienten bewertet. sen objektive Kriterien erläutern; deshalb werden ent- Es handelt sich also um ein sehr gut ineinander grei- sprechende Beispiele in der Begründung des Gesetzes fendes Regelungswerk. Dies gilt für die Regelungen im aufgeführt. Das ist wichtig für die Anwendung, das ist Bürgerlichen Gesetzbuch, natürlich aber auch für das, wichtig für die Praxis. was in Bezug auf die Kassen und im Sozialgesetzbuch Dann macht nämlich eine neue Broschüre, die die geregelt wird. Bundesregierung nach Abschluss der Beratungen ge- Selbstverständlich schaut man gerade bei diesen Fra- meinsam herausgeben wird, auch Sinn. In diese werden gen – auch angesichts der Statistiken und bestimmt auch wir im Einzelnen das hineinschreiben, was wir jetzt im angesichts der Dunkelziffern im Hinblick auf Behand- Gesetzestext, aber insbesondere in der Begründung aus- lungsfehler, die wir nicht kennen – darauf, wie die Haf- führen. tung zwischen dem Patienten auf der einen Seite und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dem Behandelnden, dem Arzt, auf der anderen Seite aus- der CDU/CSU) tariert wird. Ausgangslage für uns war dabei zunächst einmal die Haftungsverteilung im Bürgerlichen Gesetz- Niemand, der nicht hier im Bundestag oder in der buch; daran orientieren wir uns. Dass jemand, der An- Bundesregierung Verantwortung trägt, hat bei diesem sprüche hat – die fixieren wir hier –, sie auch geltend Gesetzentwurf Hand geführt. machen muss, ist ein allgemeiner Grundsatz, der für alle (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bereiche gilt. Aber natürlich reicht das in diesem Be- reich nicht aus. Wir können das untereinander sowieso viel besser. Dann haben wir aber auch intensiv verhandelt. Wir haben bei (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr diesem Gesetzentwurf sehr früh mit den Abgeordneten richtig!) der Koalitionsfraktionen überlegt: Wie machen wir das am besten? Wir haben uns ausgetauscht, gerade natürlich Ein Patient steht ja vielen technischen Geräten gegen- auch mit Ihnen, Herr Zöller, weil insbesondere an Sie über und hat keinen Einblick in das, was in entscheiden- – Sie haben ja täglich ein offenes Ohr für die Patienten – (B) (D) den Momenten passiert. Er ist, wie es so schön heißt, die Anliegen herangetragen werden. All das hat Eingang nicht so nah dran, wenn es an die Behandlung geht. Dass in den Gesetzentwurf gefunden. Darüber werden wir jetzt wir deshalb Änderungen an dieser grundsätzlichen Be- debattieren. weisregelung vornehmen, ist ein ganz wichtiger Schritt. Natürlich hat sich das über Jahrzehnte auch schon in der Wir haben ausreichend Zeit, zu debattieren, damit am Rechtsprechung immer wieder ein Stück weit entwi- Ende der Legislaturperiode aus diesem Entwurf ein Ge- ckelt, aber das hat doch eine total andere Qualität. setz wird, das im Bundesgesetzblatt steht. Deshalb brin- gen wir ihn jetzt ein. Ihm ging eine gründliche Vorarbeit Lesen Sie bitte auch einmal die Begründung im Ge- voraus. Die Zielrichtung dabei war einerseits, Patienten- setzentwurf, in der wir über zig Seiten deutlich machen, rechte zu stärken. Wir wollten mit diesem Gesetzentwurf was „grober Behandlungsfehler“ heißt. Wir entwickeln andererseits aber auch kein generelles Misstrauen gegen- dort Beispiele und sagen, was das voll beherrschbare Be- über dem Behandelnden hervorrufen; denn wir brauchen handlungsrisiko ist; denn auch in diesen Fällen – und doch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt bzw. Be- nicht nur bei einem groben Behandlungsfehler – gilt die handelndem und Patient. Auch das wird durch diesen Beweislastumkehr, Gesetzentwurf gestärkt. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Rich- Vielen Dank. tig!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) weil der Patient bei einem voll beherrschbaren Behand- lungsrisiko auf der Seite des Behandelnden im Kranken- Präsident Dr. Norbert Lammert: haus natürlich nur wenig vortragen und einbringen kann. Carola Reimann ist die nächste Rednerin für die SPD- Fraktion. Diese Beweislastumkehr ist zum Beispiel ganz ent- scheidend beim Umgang mit der Gefahr von Infektio- (Beifall bei der SPD) nen. Hinsichtlich der hygienischen Standards in Kran- kenhäusern kann der Patient nichts ausrichten. Das ist Dr. Carola Reimann (SPD): ein beherrschbares Risiko derjenigen, die eine Leistung Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- erbringen. Wir erwähnen entsprechende Beispiele in un- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Januar 2010 serer Gesetzesbegründung ganz bewusst, damit man da- hat der Patientenbeauftragte bei seiner Vorstellung im ran ablesen kann, in welche Richtung wir mit den Geset- Gesundheitsausschuss angekündigt, dass er 2011 ein Pa- zesformulierungen gehen. tientenrechtegesetz verabschieden will. Jetzt endlich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23663

Dr. Carola Reimann (A) liegt der Gesetzentwurf vor. Es ist mittlerweile Septem- Dass sich die CSU und die FDP nicht immer ganz ei- (C) ber 2012! Über zwei Jahre hat sich die schwarz-gelbe nig sind, ist kein neues Phänomen. Koalition mit diesem wichtigen Thema Zeit gelassen. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Was?) Wir waren auch geduldig gewesen; denn es ist ein kom- plexes Thema; das ist hier schon angeklungen. Ich sage nur: Betreuungsgeld. Auch mir ist wie der Kollegin Volkmer die schöne (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist Redensart eingefallen: Was lange währt, wird endlich doch ein Textbaustein, den Sie da haben!) gut. Leider bewahrheitet sie sich bei diesem Gesetzent- Dass aber die Meinung des Patientenbeauftragten ebenso wurf nicht. Wir mussten lange warten, aber das Warten wenig zählt, ist bitter. hat sich leider nicht gelohnt. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das (Jens Spahn [CDU/CSU]: Na!) stimmt!) Das sieht die Regierung erwartungsgemäß anders. Bei Kollege Zöller hatte sich als Patientenbeauftragter eben- der Präsentation des Kabinettsbeschlusses im Mai hätte falls frühzeitig für einen derartigen Fonds ausgespro- man den Eindruck bekommen können, einem epochalen chen. Ende des Jahres 2010 sagte er in der Frankfurter Ereignis beizuwohnen; so gut, so neu sei das Gesetz. Da Rundschau – ich zitiere –: wurden große Worte gewählt. Er sichert eine schnelle Hilfe für die Betroffenen Mit dem, was tatsächlich im Gesetzentwurf steht, hat und könnte auch dazu beitragen, jahrelange Ge- das allerdings herzlich wenig zu tun. Neues enthält der richtsprozesse mit unsicherem Ausgang zu vermei- Entwurf nämlich nicht. den. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das Das sehen wir auch so. Aber selbst wenn außer den Kol- stimmt doch gar nicht!) legen noch zahlreiche Patientenorganisationen, Medizin- Der Anspruch an ein neues Gesetz sollte aber sein, dass rechtler – das ist schon angeklungen –, Anwälte, Ver- es mehr bringt, als die bisher in verschiedenen Gesetzen braucherschutzorganisationen und die Bundesländer und Urteilen bereits bestehenden Patientenrechte zusam- diesen Fonds fordern, ist das für den Minister anschei- menzuführen. nend kein Grund, zu handeln. Das, finde ich, ist schade und vor allem schlecht für die Patientinnen und Patien- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Frau ten. Kollegin, Sie hätten mehr zuhören sollen!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Entwurf dieses Patientenrechtegesetzes ist eine (B) der LINKEN) (D) schöne Fleißarbeit, aber nichts wirklich Neues. Der Patientenbeauftragte – Herr Zöller, Sie wissen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass ich eine hohe Meinung von Ihnen habe – der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wir haben es gelesen. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber nicht ver- auch!) standen!) hat gerade angeführt, dass die Versicherungswirtschaft – Es sind ganze acht Seiten mit einer sehr umfangreichen dagegen war. Das ist leider ein beredtes Beispiel dafür, Begründung; das können wir schon bewältigen. – Große auf welcher Seite die Regierung wirklich steht. Worte, aber für die Patientinnen und Patienten wird dieses (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Gesetz keine spürbare Wirkung haben. Das Zusammen- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) führen bestehenden Rechts allein genügt nicht den Anfor- derungen an ein wirklich modernes Patientenrechtege- Ich dachte immer, Sie seien Patientenbeauftragter und setz. Dieser Gesetzentwurf ist ein politisches Placebo, das nicht Versicherungsbeauftragter. den Betroffenen keine wirklichen Verbesserungen brin- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) gen wird – leider! Der Gesetzentwurf, Kolleginnen und Kollegen, greift deshalb zu kurz. Patientenrechte müssen Wir von der SPD-Bundestagsfraktion fordern, dass in vielen Bereichen wirklich ernsthaft erweitert werden. ein Härtefallfonds nach dem Wiener Vorbild aufgelegt Der Bundestag ist aufgefordert, hier nachzubessern. wird. Dieser soll eintreten, wenn es keinen sicheren Nachweis der Schadensursache oder des Verschuldens Ein erstes Beispiel: Im Gesetzentwurf fehlt ein Härte- gibt, wenn eine seltene oder bislang unbekannte Kompli - fallfonds, mit dem Patientinnen und Patienten in Härte- kation auftritt, die den Versicherten stark schädigt, wenn fällen unbürokratische, schnelle Hilfe gewährt wird. die Durchsetzung des Schadensersatzanspruches unzu - Auch Kollege Singhammer hatte ihn im Februar 2012 mutbar lange dauern würde oder wenn eine finanzielle gefordert. Ich zitiere: „Ich halte die Einrichtung eines Hilfe aus sozialen Gründen oder anderen Gründen gebo- Entschädigungsfonds für notwendig.“ ten erscheint. Das wäre eine echte Verbesserung. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Genau!) Kolleginnen und Kollegen, auch die Medizinprodukte Das war in der Süddeutschen Zeitung im Februar dieses und die damit verbundenen Probleme werden im Gesetz- Jahres zu lesen. entwurf nicht angesprochen; das blendet die Regierung 23664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Dr. Carola Reimann (A) völlig aus. Der Skandal um schadhafte Brustimplantate PKV-Versicherte keine Versicherten mit Patientenrech- (C) zu Beginn dieses Jahres hat aber gezeigt, dass wir im In- ten zweiter Klasse sind? teresse der Patientinnen und Patienten etwas tun müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Es ist schließlich nicht so, als hätte es nicht bereits früher der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Probleme mit Metallhüftgelenken und Defibrillatoren GRÜNEN) gegeben. Die derzeitigen Regelungen reichen, wie wir wissen, nicht aus, die Sicherheit der Patientinnen und Es ist schlimm genug, dass sie ihre Versicherung nicht Patienten in vollem Umfang zu gewährleisten. wechseln dürfen wie gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten. Aber im Fall eines gesundheitlichen (Beifall bei der SPD) Schadens müssen sie, finde ich, die gleichen Rechte ha- Während aus den Reihen der Opposition schon ent- ben. sprechende Anträge erarbeitet und im Bundestag debat- (Beifall des Abg. Harald Weinberg [DIE tiert wurden und auch die EU-Kommission bereits einen LINKE]) Verordnungsvorschlag vorgelegt hat, ist immer noch un- klar, wie die Bundesregierung die Sicherheit von Medi- Auch da gibt es noch Nachbesserungsbedarf. zinprodukten verbessern will. Die Chance, dies im Pa- Vielen Dank. tientenrechtegesetz zu regeln, wurde bisher klar vertan. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir brauchen aber schärfere und unangemeldete Kon- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE trollen, eine europaweit einheitliche Zulassung für Me- GRÜNEN) dizinprodukte der höheren Klassen, eine Pflicht zum Ab- schluss einer Haftpflichtversicherung und die Errichtung eines Entschädigungsfonds sowie nicht zuletzt ein Im- Präsident Dr. Norbert Lammert: plantatregister zur Versorgungsforschung und ein Ver- Das Wort erhält nun der Kollege Jan-Marco Luczak zeichnis der Patienten zur Rückverfolgung und Informa- für die CDU/CSU-Fraktion. tion der Patientinnen und Patienten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einen letzten der FDP) Punkt ansprechen; denn auch über die Quelle größten Ärgernisses für Patientinnen und Patienten in der ambu- Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): lanten Behandlung, die IGeL-Leistungen, ist im Gesetz- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der entwurf nichts zu finden. Name ist Programm: Wir behandeln heute das Gesetz (B) zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Pa- (D) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Steht tienten. Genau das ist das Ziel der christlich-liberalen doch drin!) Koalition. Trotz der vielen Unkenrufe, die wir vonseiten Die IGeL-Leistungen müssen gesetzlich Versicherte aus der Opposition hören, erreichen wir dieses Ziel mit dem ihrem privaten Geldbeutel zahlen. vorliegenden Gesetzentwurf. (Heinz Lanfermann [FDP]: Es gibt keinen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zwang!) Wir haben bereits heute ein gutes und leistungsfähi- Der medizinische Nutzen ist jedoch sehr oft zweifelhaft. ges Gesundheitssystem. Patienten können in aller Regel Wir fordern deshalb Maßnahmen zur Kontrolle, zum darauf vertrauen, dass sie, wenn sie zu einem Arzt ge - Beispiel ein Verbot, am selben Tag GKV-Leistungen und hen, dort eine qualitativ hochwertige medizinische Be- IGeL-Leistungen bei einem Patienten abzurechnen, so- handlung bekommen und dass ihnen durch Ärzte und an- wie einen verpflichtenden schriftlichen Behandlungsver- dere im Gesundheitswesen tätige Personen geholfen trag, eine schriftliche Rechnung und eine umfassende In- wird, wieder gesund zu werden. formationspflicht des Arztes, die nicht delegiert werden Aber – auch das gehört natürlich zur Wahrheit – im kann. Behandlungsalltag treten an der einen oder anderen Kolleginnen und Kollegen, auch wenn mir vor allem Stelle Defizite auf. Da werden Behandlungswünsche von die gesetzlich Versicherten am Herzen liegen, will ich Patienten nicht immer ausreichend respektiert, da erfolgt noch etwas zu den Privatversicherten sagen. Alles, was die notwendige Aufklärung nicht immer in hinreichen - mit dem Patientenrechtegesetz im SGB V für die gesetz- dem Maße, und im schlimmsten Fall gibt es Behand- lich Versicherten zusammengestellt wurde, muss eigent- lungsfehler mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. lich auch für die privat versicherten Patientinnen und Der Patient ist hier in aller Regel schutzbedürftig, und Patienten gelten. Normalerweise werden deshalb die zwar nicht nur, weil er krank ist und sich deshalb in me- SGB-V-Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz oder dizinischer Behandlung befindet, sondern vor allen Din- gegebenenfalls im Versicherungsaufsichtsgesetz nach- gen deswegen, weil er medizinischer Laie ist und ihm vollzogen, oder wie wir sagen, wirkungsgleich umge- die Sachkenntnis fehlt, Art und Weise sowie Erfolg oder setzt. Misserfolg einer Behandlung erkennen und einschätzen zu können. Ich wundere mich: Im Patientenrechtegesetz findet sich dazu nichts. Muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung in Kollegen vor allem von der FDP, wirklich sagen, dass den vergangenen Jahrzehnten eine sehr komplexe, sehr Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23665

Dr. Jan-Marco Luczak (A) ausdifferenzierte Judikatur zum Arzthaftungs- und zum Auch in vielen anderen Punkten werden die Rechte der (C) Behandlungsrecht entwickelt. Sie hat versucht, die In- Patienten gestärkt. teressengegensätze, die es zwischen Arzt und Patient na- turgemäß dann gibt, wenn bei einer medizinischen Be- Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sa- handlung einmal nicht alles glatt gelaufen ist, in ein gen, das sei ein politisches Placebo und ein verkümmer- ausgewogenes und sachgerechtes Verhältnis zu bringen. ter Gesetzentwurf. Es ist wirklich unangemessen, in die- ser Art und Weise mit den Rechten von Patienten Das Problem dabei ist, dass Patienten in aller Regel umzugehen. keine Juristen sind. Kein Patient kennt also den Umfang und auch die Grenzen der ihm zugesprochenen Rechte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was ist die Folge daraus? Die Folge ist eine Intranspa - Wir haben verschiedene Punkte aufgegriffen. Uns ist renz, aus der eine Unsicherheit der Patienten darüber re- die Einwilligung, die ein Patient zu seiner Behandlung sultiert, welche Rechte sie tatsächlich haben. Die Folge geben muss, sehr wichtig. Deshalb ist nach unserer Mei- davon wiederum ist, dass die Patienten den Ärzten nicht nung ein abgestuftes System aus Information und Auf- auf Augenhöhe begegnen können und deswegen auch klärung des Patienten für die Wirksamkeit der Einwilli- manchmal Probleme haben, ihre Rechte durchzusetzen. gung notwendig. Wir stärken die entsprechenden Rechte Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern. des Patienten in diesem Punkt, weil wir der Meinung Wir wollen, dass Patienten selbstbewusst, selbstbe- sind, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im stimmt und eigenverantwortlich über ihre Behandlung, Mittelpunkt stehen muss. Das erreichen wir mit diesem über ihre Therapie entscheiden können. Wir setzen hier- Gesetz. bei auf das Leitbild des mündigen Patienten, der umfas- Des Weiteren geht es um Fragen der Beweislastvertei- send über seine Rechte informiert ist und weiß, in wel- lung und der Haftung. In Haftungsprozessen ist es in der che Behandlung er einwilligt. Damit stärken wir das Regel entscheidend, wer was beweisen muss bzw. be- Vertrauensverhältnis zwischen Patient auf der einen weisen kann. Hier gibt es natürlich ein strukturelles Un- Seite und Arzt auf der anderen Seite. gleichgewicht im Verhältnis von Arzt zu Patient. Das Wie erreichen wir das? Wir glauben, dass es notwen- wollen und werden wir mit unserem Gesetz ausgleichen. dig ist, die relevanten Rechte und Pflichten, die es nach Wir schreiben die besondere Beweislastverteilung, die es der Rechtsprechung und in vielen Gesetzen schon jetzt schon im richterrechtlichen Bereich gibt, im BGB fest. gibt, klar, nachvollziehbar und transparent in einem Ge- Auf die verschiedenen Vermutungsregelungen muss ich setz zu regeln. Aus diesem Grunde bündeln wir diese nicht näher eingehen, weil sie schon dargelegt wurden. Rechte dort, wo sie für jeden auffindbar und nachlesbar Nur so viel: Wir sorgen dafür, dass die Patienten ihre (B) sind, nämlich in einem eigenen Abschnitt des Bürgerli- Rechte auch in der Rechtspraxis durchsetzen können. Es (D) chen Gesetzbuchs. Wir konstruieren dazu den eigenen stellt einen ganz wesentlichen Fortschritt dar, dass wir Vertragstypus des Behandlungsvertrags. Mit dieser um- das gesetzlich kodifiziert haben. fassenden Kodifizierung schaffen wir die notwendige (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Ich muss langsam zum Schluss kommen. Wir wollen Unser Blick richtet sich dabei nicht alleine auf die Pa- auch kein überzogenes Haftungsregime haben. Wir wol- tienten, sondern es ist auch für die andere Seite – für die len ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Ärzte und die anderen im Gesundheitswesen tätigen Per- Wenn wir – wie zum Teil gefordert – die Vermutung ge- sonen – wichtig, ihren Pflichtenkanon zu kennen. Denn setzlich festgeschrieben hätten, dass auch einfache Be- nur dann können sie sich darauf einstellen und im Be- handlungsfehler immer als schuldhaft anzusehen sind, handlungsalltag die notwendigen Schritte unternehmen. kämen wir zu einer Defensivmedizin, die sich fort- Wir schaffen also Orientierung für die Patienten, aber schrittlichen Behandlungsmethoden nicht öffnen kann. eben auch für die Mediziner. Und das ist gut so. Das wollen wir nicht. Deswegen haben wir uns entspre- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- chenden Forderungen verschlossen. neten der FDP) Was regeln wir nun im Einzelnen? Meine Redezeit ist Präsident Dr. Norbert Lammert: zu knapp bemessen, um alle Details darzustellen. Wir Herr Kollege, Sie müssen jetzt nicht langsam, son- orientieren uns im Wesentlichen an dem Wunsch nach dern zügig zum Schluss kommen. Verlässlichkeit und Kontinuität hinsichtlich der Rechte, (Heiterkeit) die es schon gibt. Allein mit dieser Kodifizierung schaf - fen wir schon einen Mehrwert, weil damit Transparenz herrscht. Jeder Patient kann ins Bürgerliche Gesetzbuch Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): schauen und weiß dann, was seine Rechte und Pflichten Ich komme zum Schluss. sind. Allein das ist ein bemerkenswerter Schritt. Ich stelle fest: Wir haben hier einen gesetzgeberi- Aber dabei bleiben wir nicht stehen – auch wenn das schen Drahtseilakt zwischen der Kodifizierung auf der von der Opposition hier zum Teil anders dargestellt wird. einen Seite und dem notwendigen Spielraum für die Ge- Natürlich gibt es bei den Informations- und Aufklä- richte auf der anderen Seite, um einzelfallbezogene, ge- rungsrechten der Patienten Fortschritte. Wir haben uns rechte Entscheidungen treffen zu können, bewältigt. Das sehr genau angeschaut, was wir da machen müssen. leistet dieser Gesetzentwurf. Ich finde, er ist gut gelun- 23666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Dr. Jan-Marco Luczak (A) gen. Nun gehen wir gestärkt in die parlamentarischen 2002 wird in Deutschland – anders als in den USA und (C) Beratungen. anderen europäischen Ländern – kaum zur Kenntnis ge- nommen. Ganz leise beginnt jetzt eine Diskussion. Ent- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) worfen wird ein „Manifest für eine menschliche Medi- zin“. Das ist gut so. Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke hat nun Martina Bunge (Beifall bei der LINKEN) das Wort. Ich will zwei Punkte aus der Charta herausgreifen. Sie (Beifall bei der LINKEN) fordert, Interessenkonflikte beizulegen und allein den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Patientinnen und Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Patienten erwarten keine Unfehlbarkeit, Frau Ministerin, aber sie erwarten, dass allein ihr Wohl das therapeutische Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Handeln bestimmt und nicht persönliche Vorteile, gleich Auch ich schätze ein: Ihr Gesetzentwurf zu den Patien- ob Vergütungsvorteile oder Geschenke; denn diese kön - tenrechten, werte Kollegen von der Koalition, ist ein nen dazu führen, dass ein Arzt bewusst sein Handeln än- „wirkungsloses Feigenblatt“ und lässt die Geschädigten dert. Interessenkonflikte bei Therapeuten müssen offen im Regen stehen. Nach den großen Ankündigungen von benannt und erheblich verringert werden. Die Vorlage Ihrer Seite, verehrter Herr Kollege Zöller, als Patienten- der Bundesregierung reicht dazu bei weitem nicht aus. beauftragter sind die Patientinnen und Patienten maßlos Die von Ihnen vorangetriebene Vermarktlichung des Ge- enttäuscht. sundheitssystems bewirkt genau das Gegenteil. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der LINKEN) GRÜNEN) Die Charta fordert Wahrhaftigkeit von einem Arzt. Warum müssen wir aber überhaupt so intensiv über Patienten erwarten keinen perfekten Arzt, aber sie er- die Patientenrechte diskutieren? Der Hauptgrund ist mei- warten zu Recht, dass ihr Arzt einen Fehler zugibt und nes Erachtens, dass das Vertrauen der Patientinnen und die Verantwortung übernimmt, statt die Fehler zu vertu- Patienten in die medizinische Versorgung – und hier vor schen. Aber dann steigt ihm die Haftpflichtversicherung allen Dingen in die ärztliche Versorgung – abnimmt. auf den Kopf. So kann keine Fehlerkultur entstehen, Dieser Vertrauensverlust ist ein Alarmsignal für das Ge- Herr Minister, in der man aus Fehlern lernt. Lernen muss sundheitssystem. Im Grunde ist die dringende Notwen- das ganze System. digkeit eines Patientenrechtegesetzes ein Armutszeugnis (B) (Heinz Lanfermann [FDP]: Wir wollen eine (D) für die vorherrschende Gesundheitspolitik. Fehlervermeidungskultur!) (Beifall bei der LINKEN) Wenn ein Fehler passiert, brauchen die Patientinnen und Das Vertrauen nimmt sicherlich auch ab, weil Patien- Patienten eine generelle Erleichterung bei der Beweis- tinnen und Patienten kritischer werden und sich orga- last, nicht nur in schweren Fällen. Dazu stehen wir. nisieren und weil ärztliche Fehler durch präsentere Me- dien viel stärker öffentlich werden. Aber das Vertrauen Das derzeitige Konstrukt der Haftpflichtversicherung nimmt besonders dadurch ab, dass vor allen Dingen Ärz- bei Gesundheitsberufen sorgt dafür, dass Fehler ver- tinnen und Ärzte zunehmend in einen Interessenkonflikt tuscht und die Existenz bestimmter exponierter Berufs- zwischen persönlichen Vorteilen und guter Behandlung gruppen und damit die Versorgung gefährdet werden. der Patientinnen und Patienten kommen. Die zuneh - Ganz offensichtlich ist, dass durch die aktuelle Situation mende Vermarktlichung unseres Gesundheitssystems, der freiberuflichen Hebammen das Wahlrecht der werden- die auch die Ärztinnen und Ärzte immer stärker erreicht, den Mütter hinsichtlich der Art der Entbindung mehr schwächt das Vertrauen in die Versorgung. Das Ver - und mehr eingeschränkt wird. Das darf nicht hingenom- trauen ist aber eine Grundvoraussetzung für eine gelin- men werden. gende medizinische Therapie. Daher gilt es, das Ver- (Beifall bei der LINKEN) trauen zu stärken. Daher fordert die Linke einen Haftungsfonds. Herr (Beifall bei der LINKEN) Zöller, wenn einer dafür und einer dagegen ist, dann Dies kann ein Gesetz allein nicht leisten. Aber es muss muss die Politik zum Wohle der Patientinnen und Patien- ein Beitrag dazu sein. ten entscheiden. Dazu sind wir hier. Für Vertrauen brauchen wir ein Gesundheitssystem, (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. in dem der Patient wieder im Mittelpunkt steht, ein Ge- Dr. Marlies Volkmer [SPD]) sundheitssystem, das nicht Tummelplatz wirtschaftlicher Interessen ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der LINKEN) Das wäre doch ein schöner Schlusssatz gewesen, Frau Kollegin. Wir brauchen wieder eine intensive Diskussion und einen modernen Konsens über die Ethik des Arztberufes. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Die Charta zur ärztlichen Berufsethik aus dem Jahre und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23667

(A) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): einfache Behandlungsfehler. Ich sage ausdrücklich „Be- (C) Das Profitdenken von Unternehmen erfordert einen weiserleichterung“ und nicht „Beweislastumkehr“. Da- starken Verbraucherschutz. Dem Profitstreben im Ge - mit meine ich: Wenn der Patient zur Überzeugung des sundheitssystem kann man mit einem Patientenrecht nur Gerichts darlegt, dass ein Behandlungsfehler vorliegt unzureichend begegnen. Ein Patientenrechtegesetz kann und dass ein Gesundheitsschaden eingetreten ist, muss das Gesundheitssystem nicht reparieren, aber es könnte der Arzt die Vermutung erschüttern, dass hier ein Kau- dafür sorgen, dass das System zumindest patienten- salzusammenhang besteht. Nur so kann ein effektiver freundlicher gemacht wird. Diese Gesetzesvorlage leis- Schutz von Patientinnen und Patienten erreicht werden. tet das nicht. Schade. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. und bei der LINKEN) Dr. Edgar Franke [SPD]) Ein weiterer wichtiger Faktor in Arzthaftungsprozes- sen ist die Frage, nach welchem Verfahren sachverstän- Präsident Dr. Norbert Lammert: dige Gutachter bestellt werden. In den allermeisten Fäl- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die len fehlt Juristinnen und Juristen der medizinische Kollegin Ingrid Hönlinger das Wort. Sachverstand. Das gilt für Anwälte/Anwältinnen ge- nauso wie für Richter/Richterinnen. Die Entscheidung Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): darüber, wer das medizinische Gutachten erstellt, ist so Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das in Wirklichkeit oft die vorweggenommene Entscheidung Patientenrechtegesetz wird durch folgende zentrale Be- darüber, wie der Prozess ausgeht. griffe gekennzeichnet und beschrieben: Beteiligungs- rechte, Aufklärungspflichten, Dokumentationsrechte und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor allem Transparenz und Rechtssicherheit. Schon an sowie bei Abgeordneten der SPD) dieser Begrifflichkeit lässt sich ablesen, dass es sich um Wir Grünen meinen deshalb: In die Entscheidungsfin- ein komplexes und besonders wichtiges Rechtsgebiet dung zu der Frage, welcher Gutachter bestellt wird, müs- handelt. Patientinnen und Patienten und auch Sie selbst, sen die Parteien viel stärker eingebunden werden als bis- meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, her. Wir brauchen klare und transparente Regeln für die haben, wie sich Ihren Worten entnehmen lässt, hohe An - Gutachtenvergabe. sprüche an dieses Gesetz. Diesen Ansprüchen wird das Patientenrechtegesetz in seiner jetzigen Form nicht ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) recht. Auch die Verfahrensabläufe bei den Schlichtungs- (B) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ und Gutachterkommissionen der Ärztekammern können (D) DIE GRÜNEN) wir noch verbessern. Wir sollten auch Möglichkeiten der Dass Sie uns nun endlich ein solches Gesetz vorlegen alternativen Streitbeilegung verstärkt nutzen. Mit dem und dass der Behandlungsvertrag damit als eigener Ver- Mediationsgesetz haben wir hier vor der Sommerpause trag im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert wird, begrü- überfraktionell, mit allen Fraktionen, eine sichere recht- ßen wir ausdrücklich. Sie erkennen damit an, dass zwi- liche Grundlage geschaffen. schen Patient und Arzt ein besonderes Rechtsverhältnis Diese und weitere Punkte wie ein Härtefallfonds, besteht. Die gesetzliche Regelung des Behandlungsver- meine Damen und Herren, müssen im Gesetzgebungs- trags war überfällig, ausreichend ist sie jedoch noch im- verfahren noch eingearbeitet werden; denn das oberste mer nicht. Sehr deutlich zeigt sich das bei der Festlegung Ziel dieses Gesetzes muss es sein, die Rechtsstellung der Beweislast. von Patientinnen und Patienten umfassend zu verbessern Hier kodifizieren Sie die ständige Rechtsprechung und diese im Behandlungsprozess von Betroffenen zu des BGH zur Beweislastumkehr bei groben Behand- Beteiligten zu machen. lungsfehlern. Demgemäß erkennen Sie nur hier an – Zi- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. tat von Seite 30 Ihres Gesetzentwurfs –: „… dass der Be- handelnde ‚näher dran‘ ist, das Beweisrisiko zu tragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Demgegenüber wird der Patient im Regelfall kaum et- bei der SPD und der LINKEN) was zur Klärung des Sachverhalts beitragen können …“. Aber schauen Sie doch genau hin! Das ist bei weniger Präsident Dr. Norbert Lammert: krassen Behandlungsfehlern nicht anders. Im Regelfall Das Wort hat nun der Kollege Erwin Rüddel für die ist es bei kleineren Fehlern sogar noch viel schwieriger CDU/CSU-Fraktion. für die Patientinnen und Patienten, den Behandlungsfeh- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ler nachzuweisen. neten der FDP) Das Besondere an einem Behandlungsvertrag ist doch gerade, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen Erwin Rüddel (CDU/CSU): den Vertragsparteien besteht, meine Damen und Herren. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Die Beweislastumkehr im Ausnahmefall reicht deshalb ren! Meine Fraktion sieht in dem vorliegenden Gesetz- nicht aus. Wir brauchen eine zusätzliche Beweiserleich- entwurf der Bundesregierung eine deutliche Verbesse- terung in Form einer widerlegbaren Vermutung auch für rung der Patientensituation und eine hervorragende 23668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Erwin Rüddel (A) Grundlage für die weitere parlamentarische Beratung. Den Krankenkassen wird bei der Genehmigung bean- (C) Mein Dank gilt neben den beteiligten Bundesministerien tragter Leistungen künftig eine Frist gesetzt. Entschei- vor allem unserem Kollegen Wolfgang Zöller, der sich den sie innerhalb dieses Zeitraumes nicht, gilt ein Antrag als Patientenbeauftragter der Bundesregierung seit vie- automatisch als genehmigt; der Patient bekommt also die len Monaten mit großem persönlichen Einsatz für dieses Kosten seiner Behandlung erstattet. wichtige Vorhaben engagiert hat. Insgesamt stellt der vorliegende Gesetzentwurf einen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meilenstein für unser Gesundheitswesen dar. Patientin- Mit dem Patientenrechtegesetz runden wir unsere er- nen und Patienten werden ihre Rechte besser kennen und folgreiche Gesundheitspolitik der letzten drei Jahre ab. besser durchsetzen können. Wir werden jetzt rasch in die Detailberatungen einsteigen und das Gesetz zügig verab- (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE schieden, damit die Neuregelungen mit Beginn des kom- GRÜNEN]: Oh! – Johannes Singhammer menden Jahres in Kraft treten können. [CDU/CSU]: Genau! Sehr gut! – Maria Klein- Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Damen und Herren, ich plädiere dafür, im Schlechtes Vorzeichen!) Zuge der weiteren parlamentarischen Beratungen die Einrichtung einer Stiftung zu prüfen, die Betroffenen in Wir schaffen mehr Transparenz und mehr Rechte für Härtefällen schnell und unbürokratisch Hilfe zukommen Patientinnen und Patienten. Wir bündeln diese Rechte in lässt. Ich bitte, diesen Härtefallfonds nicht mit einem einem einheitlichen Gesetz. Wir machen sie für jeder - Entschädigungsfonds zu verwechseln. Ein solcher Fonds mann nachprüfbar. Wir verankern das Arzt-Patient-Ver- sollte auch Fälle mit einbeziehen, in denen Ärztefehler hältnis erstmals im Bürgerlichen Gesetzbuch. wahrscheinlich, jedoch letztendlich nicht gerichtsfest Die Krankenkassen werden ihre Mitglieder künftig nachzuweisen sind. bei Verdacht auf Behandlungsfehler unterstützen, um eventuelle Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Der (Beifall des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜND- Gesetzentwurf richtet sich nicht gegen jemanden, son- NIS 90/DIE GRÜNEN]) dern sorgt für einen transparenten und fairen Ausgleich Die Hilfe würde zwar nicht auf einem Rechtsanspruch der Interessen. Er schützt das sensible Vertrauensverhält - beruhen, aber Betroffenen zugutekommen, die aufgrund nis zwischen Arzt und Patient. Bei Streitigkeiten ist die des gesundheitlichen Schadens in eine schwierige Le- Patientenakte das wichtigste Dokument. Wir stellen si- benslage geraten sind und rasche finanzielle Unterstüt- cher, dass Patienten in ihre Akte Einsicht nehmen kön- zung brauchen. nen. Beweiserleichterungen für die Patienten werden (B) (D) klar geregelt. Ferner müssen wir eine Lösung für den Fall finden, Bei groben Behandlungsfehlern muss der behan- dass ein Ärztefehler zwar nachgewiesen wurde, die Ver- delnde Arzt darlegen, dass er alles richtig gemacht hat, ursacherfrage aber nicht eindeutig geklärt werden kann. und nicht der Patient nachweisen, dass der Arzt einen Es kann nicht im Sinne der Betroffenen sein, dass es hier Fehler begangen hat. Diese Regelung greift die bisher lange Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Versi- entwickelte Rechtsprechung auf und sichert so das sen- cherungen gibt und die Patienten zwar im Prinzip recht, sible und ausgewogene System der Beweislastumkehr aber keine Entschädigung bekommen. im Prozess. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Patientinnen und Patienten erhalten auch mehr Rechte gegenüber Kliniken und Krankenkassen, und sie Deshalb sollten wir auch über einen Rückversiche- werden in unserem Gesundheitssystem zu Partnern auf rungsfonds nachdenken, der von den Versicherern zu fi- Augenhöhe. Dazu trägt nicht nur die vorgesehene Unter- nanzieren wäre. Dieser hätte zum Beispiel dann für die stützung seitens der Krankenkassen durch medizinische Schadensregulierung aufzukommen, wenn ein Arzt Gutachten beim Verdacht auf Behandlungsfehler bei, seine Versicherungsprämie nicht gezahlt hat. Ich sehe sondern auch die Verpflichtung für Ärzte und Kliniken, hier aber insbesondere die Ärztekammern und die Bun- sehr viel stärker als bisher Behandlungsfehler und Bei- desländer in der Pflicht, für die Kontrolle einer ausrei- nahefehler zu dokumentieren und auszuwerten. Wir stär- chenden und fortdauernden Berufshaftpflichtversiche- ken durch Einführung von Fehler- und Risikomanagement- rung der behandelnden Ärzte zu sorgen. systemen die Fehlervermeidungskultur. Außerdem wird ein Beschwerdemanagement in Krankenhäusern ver- Derzeit ist die Haftpflicht lediglich mit der Zulassung bindlich. gegenüber der Kammer nachzuweisen. Wenn sich aber der Tätigkeitsbereich verändert, wird bislang kein erneu - Zu den Rechten der Patienten wird in Zukunft neben ter Nachweis einer ausreichenden Berufshaftpflicht ge- der Einsicht in die Behandlungsunterlagen auch eine fordert. Nach meiner Einschätzung benötigen die Zulas- umfassende und rechtzeitige Aufklärung gehören. Damit sungsbehörden und Kammern Sanktionsmittel bis hin erhalten der Behandlungsvertrag sowie die Aufklärungs- zum Entzug der Approbation. und Dokumentationspflichten eine rechtliche Grundlage. Die von der Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichte - (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des rungen werden ausdrücklich zugunsten der Patienten ge- Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE setzlich geregelt. GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23669

Erwin Rüddel (A) Wünschenswert wäre eine bundeseinheitliche Rege- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (C) lung. Ich halte es für unerlässlich, dass die Länder eine Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Jawohl! lückenlose Kontrolle sicherstellen. Eine sehr gute Rede!) (Beifall der Abg. Dr. Marlies Volkmer [SPD]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Meine Damen und Herren, in Sachen Mitbestim- Nun spricht der Kollege Edgar Franke für die SPD- mungsrechte bei der Bedarfsplanung geht der vorlie- Fraktion. gende Entwurf in die richtige Richtung. Im Sinne der Beteiligungsrechte der Patientinnen und Patienten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) scheint er mir aber noch ausbaufähig zu sein. (Beifall des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜND- Dr. Edgar Franke (SPD): NIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Beste an diesem Gesetz, Herr Rüddel, ist Deshalb sollten wir über eine Erweiterung der Mitbe- meiner Ansicht nach sein Name. Eine wirkliche Stär - stimmungsrechte der Patientenvertreter im Gemeinsa- kung der Patientenrechte sucht man vergebens; da kann men Bundesauschuss nachdenken, etwa in Verfahrens- ich meinen Kolleginnen und Kollegen nur Recht geben. fragen, die den Ablauf der Sitzungen beeinflussen können. In diesem Gesetzentwurf ist im Wesentlichen das be- stehende Richterrecht, Herr Zöller, nochmals aufge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des schrieben worden. Frau Ministerin, das Richterrecht BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lediglich aufzuschreiben, kann sogar negative Auswir- – Sie sehen, wie gut die Grundlagen der Diskussion sind. kungen haben. Die Rechtsprechung hat die Patienten- rechte in den letzten Jahren dynamisch ausgeweitet. In Sachen Patientenakte sollte es auf Wunsch der Pa- Aber eine Normierung, wie Sie sie vornehmen, schreibt tienten künftig auch möglich sein, die Akte elektronisch den Status quo letztlich nur ein Stück weit fest. Damit zugänglich zu machen, wobei die subjektiven Eindrücke bremst sie sogar eine dynamische Weiterentwicklung, des Arztes auch weiterhin vertraulich bleiben müssen. eine Verbesserung der Rechte der Patienten. Insofern Schließlich ein Wort zu den sogenannten individuel- schadet dieses Gesetz mehr, als es nutzt. len Gesundheitsleistungen. Wir werden im zu verab- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der schiedenden Gesetz zweifelsfrei sicherstellen, dass die LINKEN) Patientinnen und Patienten ihre Entscheidung für oder (B) gegen eine individuelle Gesundheitsleistung ohne jeden Patientenrechte sind immer aus der Patientenperspek- (D) Druck und Zwang treffen können und dass die Versi - tive zu sehen. Was heißt das? Das heißt, man muss die cherten wirkungsvoll vor möglichem Missbrauch und Frage beantworten: Was möchte der Patient? Er möchte vor unnötigen und überflüssigen Maßnahmen geschützt möglichst alle medizinischen Leistungen erhalten, er möch- werden. Der Vertragsarzt muss die Zustimmung des Ver - te keine vorenthalten bekommen. Außerdem möchte er sicherten einholen und ihn auf die Pflicht zur Über- nicht schlecht und vor allen Dingen nicht unnötig behan - nahme der Kosten hingewiesen haben. Er muss also mit delt werden. Wir kennen die vielen Fälle, ihn denen je- dem Patienten vor Beginn der Behandlung einen Be- mand ein künstliches Kniegelenk verpasst bekommen handlungsvertrag mit Angabe der voraussichtlichen hat, obwohl er es nicht gebraucht hat. Der Patient muss Kosten abgeschlossen haben. Eine Vergütung darf nur sozusagen den Durchblick dafür haben, dass nicht mone- gefordert werden, wenn der Versicherte vor Beginn der täre, sondern medizinische Gründe für eine Behandlung Behandlung ausdrücklich verlangt hat, auf eigenen Kos- ursächlich sind. ten behandelt zu werden, und dies schriftlich bestätigt. Nachdem verschiedene Punkte schon sehr detailliert Das alles, meine Damen und Herren, wird im Rahmen angesprochen worden sind, möchte ich für meine Frak- des künftigen Patientenrechtegesetzes verbindlich gere- tion jetzt ein paar Punkte zusammenfassen. gelt werden. Versuche aus den Reihen der Opposition, hier weiterhin Panikmache zu betreiben, sind deshalb Erstens. Das zentrale Problem im Haftungsrecht ist die wirklich überflüssig. Beweislastsituation; das hat auch Frau Hönlinger ange- sprochen. Auch hier, Frau Ministerin, bringt der Gesetz- (Beifall bei der CDU/CSU) entwurf nichts Neues. Der Patient muss auch zukünftig Seit über zehn Jahren wird über ein Patientenrechte- die volle Beweislast tragen. Beweislasterleichterungen gesetz diskutiert. Ich weiß, dass auch zu Zeiten der rot- sind bei normalen, einfachen Behandlungsfehlern nicht grünen Regierung über ein Patientenrechtegesetz ge - vorgesehen. Das wäre allerdings erforderlich gewesen, sprochen wurde, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Wir haben die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vorarbeit geleistet!) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) es aber bei Worten geblieben ist, da man nicht die Kraft entwickelt hatte, ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Da- Natürlich gilt die Beweislastumkehr bei groben Behand- her bin ich dieser Regierungskoalition dankbar, dass sie lungsfehlern, aber dies entspricht der stetigen Rechtspre- nicht nur redet, sondern auch konkret handelt. chung und ist somit nichts Neues. 23670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Dr. Edgar Franke (A) Zu kritisieren ist auch, dass Ärzte zukünftig erst auf Des Weiteren wäre die Einführung der Pflicht zum (C) direkte Nachfrage eine Bewertung als Behandlungsfeh- Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die Herstel- ler mitliefern müssen. Dies hat aus unserer Sicht generell ler zwingend erforderlich. zu geschehen. Viertens. Der Härtefallfonds ist mehrfach angespro- Darüber hinaus brauchen wir in der Praxis ein neues chen worden. Wenn ich Herrn Rüddel richtig verstanden Fehler- und Beschwerdemanagement und eine Kultur, habe, ist auch er nicht ganz abgeneigt. Ein solcher Fonds Fehler zuzugeben. Wir haben im Gesetzentwurf ein straf- für soziale Härtefälle wäre sinnvoll. Dies wäre zum Bei - prozessuales Verwertungsverbot vorgesehen, sodass nie- spiel dann sinnvoll, wenn sich nicht genau ermitteln mand Angst davor haben muss, Fehler auch zuzugeben. ließe, wer schuld daran ist, dass sich ein Patient während Das, Frau Ministerin, ist positiv. eines Krankenhausaufenthalts mit einem Keim infiziert hat. Für den Fall, dass sich die Ursache oder das Ver - (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ schulden nicht genau ermitteln lassen, sollte ein Härte- CSU]) fallfonds greifen. Zweitens. IGeL-Leistungen sind im Patientenrecht, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sehr geehrter Herr Zöller, so gut wie nicht geregelt. Wir der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE wissen, dass den Patienten in letzter Zeit von Ärzten oft - GRÜNEN) mals freiwillige bzw. medizinische Nicht-Kassenleistun- Fünftens. Auch ein Patientenbrief müsste verbindlich gen angedreht – so muss man ehrlicherweise formulie- sein. Sie werden gleich sagen, dass es zu viel Bürokratie ren – werden. Zum Teil zahlen Patienten viel Geld dafür. in der Pflege gebe und dass die Ärzte durch zu viel Bü- Diese Leistungen sind schädlich; darüber brauchen wir rokratie belastet seien; aber ein Patientenbrief würde uns nicht zu unterhalten. Darmspülungen sind das beste Vertrauen und Transparenz schaffen. Er wäre aus unserer Beispiel. Sicht sinnvoll. Denn wenn Vertrauen aufgebaut wird, ließe sich die eine oder andere Streitigkeit, Herr Zöller, Herr Zöller, da bei jedem Haustürgeschäft eine Ein- präventiv verhindern. Insofern wäre ein solcher Patien - willigungssperrfrist gilt, frage ich mich, warum eine sol- tenbrief sehr wichtig. che Einwilligungssperrfrist nicht auch bei diesen Leis- tungen gilt. Warum räumt man dem Patienten nicht eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frist von beispielsweise zwei Tagen ein, innerhalb deren Letzter Punkt. Patientenrechte haben auch vor dem er widerrufen kann? Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr eine besondere Bedeutung; ich erinnere an die Entschei - (B) praktikabel! Das ist ja unglaublich!) dung des Bundesgerichtshofs zur Korruption im Gesund- (D) heitswesen. Wie Sie wissen, können niedergelassene Wenn es eine solche Einwilligungssperrfrist schon bei Ärzte nunmehr ungestraft Zahlungen kassieren, zum Bei - Haustürgeschäften gibt, dann muss es sie erst recht bei spiel dafür, bestimmte Medikamente zu verschreiben, Gesundheitsleistungen geben, meine sehr verehrten Da- und kein Patient kann etwas dagegen tun. Es besteht men und Herren. keine rechtliche Möglichkeit, dies zu sanktionieren. Es besteht keine strafrechtliche Prävention. (Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Und bei Lakritz wegen des hohen Blut - Vertrauen, Herr Zöller, ist ein hohes Gut. Patienten drucks! Dann müsste man auch zwei Tage müssen sich immer sicher sein, dass bei einer ärztlichen warten, bis man Lakritz kaufen darf!) Entscheidung allein medizinische und nicht finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Wir haben im Gesundheits - Außerdem glaube ich, dass auch ein schriftlicher Be- ausschuss gehört, dass es bei den Ärztekammern so gut handlungsvertrag vernünftig ist. wie keine Verfahren hierzu gibt. Es gibt deswegen keine Verfahren, weil es keine staatsanwaltschaftlichen Ermitt- Dritter Punkt. Die bestehenden Schwächen im Medi- lungen gibt. Die gibt es nicht, weil es keinen Straftatbe- zinproduktegesetz werden auch in diesem Gesetzentwurf stand gibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in- nicht geheilt. Da hätten wir als Sozialdemokraten mehr sofern beißt sich hier die Katze in den Schwanz. erwartet. Gerade die Skandale bei Brust- und Hüftim- Wir müssen gegen Korruption vorgehen. Wenn wir plantaten führen aus unserer Sicht vor Augen, dass dort nicht dagegen vorgehen, riskieren wir nicht nur die Ge- Handlungsbedarf besteht. Die Hersteller jedenfalls ha- sundheit der Patienten, sondern auch den guten Ruf der ben nichts oder nur wenig zu befürchten, und gerade bei Ärzte; von den Versichertengeldern ganz zu schweigen. Serienfehlern müssten wir die Hersteller an den Kosten der Entfernung des Implantats beteiligen. Das wäre sinn- Das Patientenrechtegesetz verdient aus unserer Sicht voll und aus meiner Sicht auch sachgerecht. seinen guten Namen eigentlich nicht; denn wichtige Dinge sind nicht geregelt. Die Rechte von Patientinnen (Beifall bei der SPD) und Patienten werden jedenfalls aus meiner Sicht nicht gestärkt. Insofern muss man vielleicht bis 2013 warten, Wir bräuchten ein Implantatregister zur besseren bis die SPD wieder mit einem starken Kanzler an der Rückverfolgung der Fälle, in denen ein Implantat einen Regierung ist. Fehler aufweist. Auch das wäre notwendig und vernünf- tig. Danke schön. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012 23671

Dr. Edgar Franke (A) (Beifall bei der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak Auch das Versorgungsstrukturgesetz war in diesem (C) [CDU/CSU]: Mit Steinbrück wird es bestimmt Sinne ein Patientenrechtegesetz, weil es den Zugang zur nicht klappen! – Zuruf von der FDP: Behandlung auch im ländlichen Raum sicherer macht. Steinbrück will keine linken Experimente!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Übrigens ist auch die Neufassung der Approbations- Nun hat der Kollege Rudolf Henke als letzter Redner ordnung, in der der Minister verordnet, dass in der Aus- zu diesem Tagesordnungspunkt für die CDU/CSU-Frak- bildung der Ärzte Palliativmedizin und Schmerztherapie tion das Wort. heute einen größeren Umfang einnehmen, zwar kein Pa- tientenrechtegesetz, aber eine Patientenrechteverord- (Beifall bei der CDU/CSU) nung gewesen. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Genau!) Rudolf Henke (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun zum vorliegenden Patientenrechtegesetz. Ich Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Franke, glaube, dass es richtig ist, dass die Rechte hoch entwi - Ihre Rede trägt zumindest dazu bei, dass die Öffentlich- ckelt sind und dass sie durch die Rechtsprechung in gro- keit weiß, worauf sie sich einstellen muss und womit sie ßem Umfang gesichert sind. Aber das Bestreben – das rechnen muss. Wenn Sie sagen: „Das zentrale Instru- haben wir von allen gehört –, die Informationslage zu ment, das Vertrauen herstellt, ist ein Patientenbrief, der verbessern und die bestehenden Rechte zu verdeutli- regelmäßig geschrieben wird“, wenn das also das zen- chen, hat auch durch die früheren Versuche, das Richter- trale Instrument ist, das Vertrauen herstellt, dann scha- recht transparenter werden zu lassen, nicht zu dem er- den Sie mit dieser Argumentation sogar der Glaubwür- hofften Erfolg geführt. Insofern wollen wir mit diesem digkeit des Textes eines Antrags von Ihnen, in dem Sie Gesetz mehr Transparenz schaffen für Patienten, Ärzte einmal festgehalten hatten, dass das Leistungsniveau und Behandler; denn dieses Gesetz weitet die Gültigkeit und übrigens auch das Arzthaftungsrecht in Deutschland des entwickelten Richterrechts von der Arzt-Patienten- im internationalen Vergleich – ich zitiere Ihren Antrag – Beziehung auf andere Behandlungssituationen aus. Es beispielhaft gut sei. Dem widerspricht es, wenn Sie dann beschränkt sich nicht nur auf die Beziehung zu den Ärz - sagen, das Vertrauen muss erst geschaffen werden. ten. Wodurch wird denn Vertrauen geschaffen? Ich Gute Ärztinnen und Ärzte achten das Selbstbestim- glaube, Patienten haben dann Vertrauen, wenn sie erle- mungsrecht ihrer Patienteninnen und Patienten, respek- (B) ben, dass sie Zugang zur Behandlung haben. Das ist et- tieren die Würde der Kranken und schützen deren Privat- (D) was, was Vertrauen schafft. sphäre. Was schafft Vertrauen? Wenn die Patienten erleben, Dazu gehört auch, dass wir unsere Patienten über die dass Behandelnde genügend Zeit haben, dass deren Diagnose- und Therapieschritte und über ihren gesund- Kraft – Minister Bahr hat darauf aufmerksam gemacht – heitlichen Zustand in einer so verständlichen Form infor- nicht durch unsinnige Belastungen gebunden wird. Bis mieren und aufklären, dass sie die Tragweite der Be- zum Beweis des Gegenteils behaupte ich, dass dieser handlung, die in Betracht kommenden alternativen von Ihnen geforderte Patientenbrief an alle eine unsin - Behandlungsoptionen und die damit verbundenen Risi- nige Belastung wäre, die die Behandelnden davon ab- ken erfassen können. Der Gesetzentwurf will die Be- hält, sich den Patienten mit genügend Zeit zu widmen. lange von Menschen mit Behinderungen übrigens auch dadurch berücksichtigen, dass er die Verwendung der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Leichten Sprache für Menschen mit sogenannten geisti - Vertrauen wird geschaffen, wenn wir ein solidarisches gen Behinderungen fördert. Gesundheitswesen haben, in dem keiner die Sorge haben (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) muss, sich durch eine Behandlung zu ruinieren. Ver- trauen wird geschaffen, wenn man sich auch in schlech- Vor allem vor operativen Eingriffen muss dem Patien- ten Zeiten darauf verlassen kann, dass das Versprechen ten die notwendige Bedenkzeit zur Verfügung stehen, der Versicherungen eingelöst wird. Vertrauen wird ge- ohne dass deshalb Behandlungschancen verlorengehen. schaffen, wenn es ein Leitbild des therapeutischen Ar- Der Referentenentwurf sah vor, dass die Aufklärung beitsbündnisses von Arzt und Patient, von Behandler durch den Behandelnden erfolgen muss. Diese Regelung und Patient gibt. ist im Gesetzentwurf geändert worden. Dort steht, dass die Aufklärung entweder durch den Behandelnden oder In diesem Sinne, meine Kolleginnen und Kollegen, ist durch eine Person erfolgt, die über die zur Durchführung dies nicht das erste Patientenrechtegesetz in dieser Le- der Maßnahme notwendige Befähigung verfügt. Das gislaturperiode, es ist mindestens das dritte. Denn mit wird dem Arbeitsalltag, vor allem von Klinikärzten, bes - dem Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz von An- ser gerecht als die Fassung des Referentenentwurfs. fang 2010, vom Kabinett 2009 beschlossen, wurde ein Wolfgang Zöller hat in der ersten Debatte, die wir hier Ausgleich der aus Konjunkturgründen abgesenkten Bei- geführt haben, zugesagt, dass das Patientenrechtegesetz träge durch Steuermittel herbeigeführt. Damit haben wir im Dialog mit allen Betroffenen entwickelt wird. den materiellen Vertrauensanspruch der Patienten abge- sichert. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Genau!) 23672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2012

Rudolf Henke (A) Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Schilderungen Der letzte Vorschlag wird im Übrigen auch interfrak- (C) aus der Praxis auf die Formulierung des Entwurfes Ein- tionell gemacht, fluss genommen haben. Deswegen ist auch diese Zusage (Heiterkeit) eingehalten worden. nämlich die Drucksachen 17/10488, 17/6489 und 17/6348 (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu Es wäre ein großer Fehler, wenn jemand glauben überweisen. – Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Dann würde, keine Fehler zu haben. Überall da, wo Menschen sind die Überweisungen so beschlossen. arbeiten, passieren Fehler. Davon sind Ärztinnen und Ich rufe nun unsere Tagesordnungspunkte 42 a bis Ärzte nicht ausgenommen. Deswegen: Ja zu den Rege- 42 c auf: lungen zu CIRS. Im weiteren Beratungsprozess müssen wir aber noch einmal die Frage untersuchen: Was ist mit a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD ein- der rechtlichen Verwertung der Kenntnis, wenn jemand gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auf- im Rahmen von CIRS einen Fehler dokumentiert? Auch nahme von Kultur und Sport in das Grundge- die Frage der Arzthaftung muss noch einmal im Gesetz- setz gebungsverfahren betrachtet werden; denn wenn ein Arzt – Drucksache 17/10644 – keine oder eine zu geringe Haftpflichtversicherung hat, Überweisungsvorschlag: dann müssen wir eine Befugnis schaffen, die es erlaubt, Innenausschuss (f) auf Länderebene zu entscheiden, ob die Approbation Sportausschuss ruht, wenn die Haftpflichtversicherung nicht ausreichend Rechtsausschuss

ist. Hierzu müsste der Bund noch eine entsprechende Re- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Kultur und Medien gelung fassen. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Am 22. Oktober, wenn ich das Datum richtig im Kopf Kunert, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, weiterer habe Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Dr. Carola Reimann [SPD]: Das ist richtig!) Die Förderung des Sports ist Aufgabe des Staates – die Ausschussvorsitzende bestätigt das; ich bedanke mich –, werden wir eine große Anhörung im Ausschuss – Drucksache 17/6152 – haben. Dort werden wir natürlich weitere Fragen im Stil Überweisungsvorschlag: der bisherigen Diskussion behandeln müssen. Ich per- Sportausschuss (f) (B) Innenausschuss (D) sönlich glaube, dass in der Anhörung die Frage eine Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rolle spielen wird: Wie passen § 630 c Bürgerliches Ge- Ausschuss für Gesundheit setzbuch mit den neuartigen Informationspflichten und § 630 e BGB mit den weiter fortbestehenden Aufklä- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten rungspflichten zusammen? Harmonisieren sie schon Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte, Agnes hundertprozentig? Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wir müssen auch die Frage der Selbstbezichtigungsge- Kultur gut stärken – Staatsziel Kultur im bote diskutieren – das bezieht sich nicht auf die Abwehr Grundgesetz verankern einer Gesundheitsgefahr, für die es nötig und zwingend ist –, die besagt, dass auf Nachfrage ein Behandlungsfeh- – Drucksache 17/10785 (neu) – ler zugegeben werden muss. Das muss man vergleichen Überweisungsvorschlag: mit dem Nemo-tenetur-Prinzip der Juristen: Man muss Innenausschuss (f) sich nicht selbst anklagen. Das sind Fragen, die von der Ausschuss für Kultur und Medien (f) Koalition – ich bin sicher, auch von den Gutwilligen in Federführung strittig der Opposition – genauso konstruktiv in der weiteren Die ersten Verbrüderungsszenen zwischen den jewei- Debatte um den Gesetzentwurf behandelt werden, wie es ligen Gruppen finden schon im Plenarsaal statt. Wolfgang Zöller, Minister Bahr und Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger bereits getan haben. Des - (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: wegen freue ich mich auf die Fortsetzung dieser Diskus- Das ändert sich wahrscheinlich noch im Laufe sion. des Tages!) – Dem sehen wir mit Interesse entgegen. Ich bedanke mich zunächst einmal für Ihre Aufmerk- samkeit. Wir stimmen natürlich dafür, den Gesetzent- Jedenfalls ist für die Beratung dieser Vorlagen eine wurf in die Ausschüsse zu überweisen. Aussprachezeit von 90 Minuten vorgesehen. – Auch dazu gibt es offenkundig keinen Widerspruch. Dann ist (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- Präsident Dr. Norbert Lammert: nächst dem Kollegen Dieter Wiefelspütz für die SPD- Ich schließe die Aussprache. Fraktion.