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Die Rückkehr des Castor fiber L. (Castoridae, Rodentia) nach Baden- Württemberg (Südwestdeutschland) - nur eine Bereicherung der Artenvielfalt?

VON R. ALLGÖWER & O. JÄGER

Abstract "landscape architects" provoke conflicts with farmers, pisciculture and water ma- The Return of the Beaver nagement. This resulted in a massive nega- Castor fiber L. (Castoridae, Rodentia) tive media campaign against beavers. People to Baden-Württemberg (Southwest in Baden-Württemberg became insecure be- ) - only an Enrichment of cause of lacking experience and knowledge Species Diversity? about these animals. This was the reason for the start of the Already during in the first third of the "pilot project beaver 2000" at Fichtenau in 19'h century all beavers were exterminated the north-east of Baden-Württemberg. The in Baden-Württemberg. In 1830 the last aim was to promote "a socially acceptable re- were shot at the Upper and in 1834 turn of the beaver" and to "ease the conflict at the . During the following 150 potentials". First of all people were informed years local people lost their knowledge by expert knowledge about the recent beaver about beavers. The former habitats were situation. Then areas with beaver habitats changed and used intensively by man. were bought or special agreements were In contrast to the neighbour countries made with owners. Most problems arose be- cause of the intensive use of beaver habitats Bavaria (Germany), and Alsace along and near to the water edge. Maize (France), no beavers were released in Baden- fields for example which reach as far as the Württemberg. But unexpectedly some water edge are used by beavers for feeding beavers were observed at the High and Upper and lead to conflicts with farmers. But espe- Rhine during the mid-1970s. It took about 20 cially these maize fields promote the erosion years until the first beavers became estab- of banks and increase water pollution by ni- lished successfully. Because musk rat trapping trogen, phosphor, herbicides and others. was stopped officially in the late 1980s more and more beavers settled along the High Therefore the return of the beaver after Rhine. Meanwhile they also enter Baden- about 150 years is not only an enrichment of species diversity but also shows the thought- Württemberg across the Danube and its tri- less use of wetlands and water resources, es- butaries. The town Ulm near the Bavarian pecially along river banks. border acted as a barrier and most beavers wandered along tributaries as Wörnitz and Key words: beaver, Castor fiber, re-colo- Hier to the Southwest. Meanwhile 60 settle- nization, landscape use, conflict potential, ments with almost 300 animals exist. Baden-Württemberg Colonisation of beavers in Baden-Würt- temberg is related to the strong increase of Zusammenfassung the Bavarian and Swiss beaver populations. Especially in Bavaria with a beaver popula- Der Biber wurde bereits im ersten Drittel Denisia 9, zugleich Kataloge der OÖ. Landesmuseen tion exceeding 3000 individuals these des 19. Jahrhunderts in Baden-Württemberg Neue Serie 2 (2003), 107-119

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le viel mehr als 3000 Biber leben, hat dieses größte europäische Nagetier mit seinem Wirken als Landschaftsgestalter den Unmut vieler Land- und Teichwirte, aber auch der Wasserwirtschaft erregt. Eine wahre „Hetz- jagd" in der Presse war das Resultat. Diese teils begründete, teils unbegründete Kam- pagne hat sehr stark zur Verunsicherung der Bürger in Baden-Württemberg geführt, die den Biber bis dahin noch nicht aus eigener Erfahrung kannten.

Aus diesem Grund wurde im Jahr 2000 ein Pilotprojekt in der Gemeinde Fichtenau im Nordosten Baden-Württembergs ins Le- ben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat die Rückkehr des Bibers nach Baden-Württem- berg verträglich zu gestalten und größere Konflikte im Vorfeld zu vermeiden, bezie- hungsweise zu entschärfen. Dabei wurde zu- nächst durch eine verstärkte Öffentlichkeits- Abb. 1: Der Biber Castor fiber, das größte ausgerottet. Die letzten Tiere wurden um arbeit das sachliche Wissen um den Biber Nagetier und eine der ältesten 1830 im Oberrheingebiet und um 1834 an Großtierformen Europas. Foto: T. Hulik wieder in die Bevölkerung getragen. Im Rah- der Donau zur Strecke gebracht. In den fol- (Die Abbildungen stammen, soweit nicht men von Flurbereinigungsverfahren und anders angegeben, von den Verfassern.) genden 150 Jahren verlor sich nicht nur das Landkäufen konnten anthropogen genutzte, Wissen um den Biber in der Bevölkerung. kritische gewässernahe Areale, mit entfernter Der ehemalige Lebensraum des Bibers wurde liegenden getauscht werden. Dort wo ein vom Menschen sehr stark verändert und aus- Tausch ausgeschlossen und sich eine Land- giebig genutzt. Als Beispiel sei hier die Tul- nutzung bis zum Gewässerrand nicht ändern la'sche Rheinbegradigung angeführt. Im ließ, wurden entsprechende prophylaktische Gegensatz zu den Nachbarländern Bayern, Maßnahmen ergriffen oder aufgezeigt. Meist Schweiz und Elsass (Frankreich) wurden in wurden hier einvernehmliche Regelungen Baden-Württemberg keine Biber ausgesetzt. vereinbart. Durch die Ansiedlung des Bibers Überraschender Weise tauchten dann doch vielfach aufgeworfene Probleme waren oft Mitte der 1970er Jahre am Hochrhein und ein Fingerzeig auf eine unsachgemäße an- Oberrhein wieder vereinzelte Biber auf. Von thropogene Landnutzung. Beispielsweise sind da an vergingen rund 20 Jahre bis sich die Maisanbauflächen, die bis an das Ufer von ersten Tiere erfolgreich etablieren konnten. Fließgewässer reichen, bei der Anwesenheit Nachdem gegen Ende der 1980er Jahre die des Bibers nicht nur konfliktträchtig, son- amtlich forcierte Bisamjagd eingestellt wur- dern erhöhen neben der Erosion, auch den de, ließen sich immer mehr Tiere am Hoch- Eintrag schadstoffhelasterer Oberflächenwäs- rhein nieder. Auch über die Donau und ihre ser. Auch intensive Pflegemaßnahmen im Nebengewässer kamen sie nun nach Baden- Rahmen der Gewässerhygiene, die dem Be- Württemberg. Allerdings wirkt die Stadt streben des Bibers zuwider laufen, konnten Ulm nach wie vor als Barriere, so dass bis relativiert werden. Insofern ist die Rückkehr jetzt die meisten Tiere über die Nebenflüsse des Bibers nach 150 Jahren Abwesenheit der Donau, allen voran Wörnitz und liier, nicht nur eine Bereicherung der Artenviel- den Weg nach Baden-Württemberg fanden. falt, sondern zeigt uns auch den allzu sorglo- Inzwischen gibt es hier im Südwesten rund sen Umgang mit natürlichen Ressourcen im 60 Vorkommen mit fast 300 Bibern. Bereich der Gewässer auf. Die Besiedlung Baden-Württembergs durch den Biber ist in erster Linie auf die Einleitung kräftig angewachsene bayrische, sowie auf die schweizerische Biberpopulation zurück- Der Biber ist eine der ältesten Groß- zuführen. Gerade in Bayern, wo mittlerwei- tierformen Mitteleuropas (Abb. 1). HlNZE

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(1960) misst ihm beinahe den Status eines Stadt Pultusk. Auch wurden damals schon lebenden Fossils zu. Schon zu Anfang des die erste Versuche zur künstlichen Ansied- Pleistozäns war der Biber Castor fiber in ganz lung unternommen. Noch im 16. Jahrhun- Europa verbreitet. Durch die letzte Eiszeit dert befahl Herzog Johann Adolf von nach Süden abgedrängt, kehrte er mit dem GOTTORP, einige Biber, die auf seine Bitte anschließend milder werdenden Klima wie- aus dem inneren Deutschland geliefert wor- der in die ursprünglichen Regionen Mittel- den waren, in der Schlei-Bucht in Schles- europas zurück. Bereits zu Beginn des Allu- wig-Holstein auszusetzen (NIETHAMMER viums bevölkerte der Biber das alte Verbrei- 1963). Doch sorgten sich eigentlich die we- tungsgebiet wieder zahlreich (HlNZE 1960, nigsten Menschen um diese Tiere, nicht zu FREYE 1978). Selbst noch bei Ausgrabungen letzt deshalb, weil sie auch als Fischfeinde jungstein- und bronzezeitlicher Siedlungen galten (HlNZE 1956), zudem führten die Be- am Federsee, Schreckensee, Inzighofen an gehrlichkeiten zu einer immer häufigeren der Donau, Reusten bei Tübingen, auf dem Nachstellung. So kam es, wie es kommen Goldberg bei Nördlingen, in den Pfahlbau- musste. Im 19. Jahrhundert wurde das größ- siedlungen am Bodensee oder in den kelti- te Nagetier Europas in weiten Teilen Mittel- schen Siedlungen wie der Heuneburg, bei europas ausgerottet. Die letzten Bestände in Hundersingen an der Donau oder im Für- Baden-Württemberg hielten sich im Donau- stengrab von Eberdingen-Hochdorf waren raum in den Oberämtern Laupheim, Ried- Biberknochen häufig nachzuweisen. Oft lingen und Ulm. Hier am Zusammenfluss dienten insbesondere Kiefer und Zähne des von Donau und Hier wurden 1828, 1832, Nagers als Grabbeigaben (VOGEL 1941, 1834 die letzten drei Biber auf württember- GRAF 1967). In den folgenden Jahren nahm gischen Boden erbeutet. Die beiden letzten die kulturelle Bedeutung von Europas größ- Biber im oberen Donauraum überhaupt wur- tem Nagetier beständig zu. Sein Pelz wurde den im Winter 1847/48 unterhalb der Mün- im frühen Mittelalter hoch geschätzt. Je dung der Brenz in die Donau, in Bayern er- dunkler das Fell war, umso höher wurde es legt. Auch am Oberrhein wurde der letzte bewertet. Aus den hellen „minderwertige- Biber 1830 zur Strecke gebracht (VOGEL ren" Pelzen wurden lediglich noch teuer zu 1941, WAECHTER 1972). Die äußerst kriti- bezahlende Pelzkappen hergestellt. Am be- sche Situation des Bibers war der Obrigkeit gehrtesten war jedoch das Bibergeil, das wohl bekannt. So durften diese Tiere in Castoreum, für das sehr hohe Preise gezahlt Bayern und Sachsen ab 1857 nur noch für wurden. Ihm wurde eine große medizinische den königlichen oder fürstlichen Hof ge- Wirkung zugesprochen (HlNZE 1960). In ei- schossen werden (DjOSHKlN & SAFONOW ner Abhandlung von Johann J. BRÄUNER 1972). Doch auch hier wurde nur zehn Jah- 1717 in Frankfurt am wurde die medi- re später der letzte Biber zur Strecke ge- zinische Einsatzmöglichkeit und Wirkung bracht (WEINZIERL 1973). des Bibergeils, die vom Aphrodisiakum bis zum Allheilmittel reichte, ausführlich be- schrieben. Als Lieferant für medizinische Die Umgestaltung der Stoffe diente der Biber noch die nächsten ursprünglichen Lebensräume 200 Jahre, bis Ende des 19. Jahrhunderts (KRÖNINC 1936). Natürlich war auch das In den anschließenden fast 150 „biber- Fleisch dieses Tieres verlockend. So erklärte freien" Jahren, also etwa fünf bis sechs Men- der Jesuitenpater CHARLEVOIX 1754, „Bezüg- schengenerationen, verlor sich das Wissen lich seines Schwanzes ist er ganz Fisch, und er um diese einst heimische Wildtierart. Die ist als solcher gerichtlich erklärt durch die medi' Flüsse wurden zur Gewinnung von Acker- zinische Fakultät in Paris und im Verfolg dieser und Siedlungsland begradigt. Beispielsweise Erklärung hat die theologische Fakultät ent- war der Oberrhein zu Beginn des 19. Jahr- schieden, dass das Fleisch an Fastentagen geges- hunderts noch ein Wildstrom. In seiner Fur- sen werden darf' (zitiert in HlNZE 1960, p: kationszone floss er in zahlreichen flachen 27). Bereits im 14. und 15. Jahrhundert wur- und sich ständig verändernden Stromarmen. de versucht diese Tiere zu züchten, beispiels- Der Auenbereich erstreckte sich über eine weise in den Bibergärten der polnischen Breite von mehreren Kilometern. Durch die TuUa'sche Begradigung des Oberrheins und

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schen Lebensgemeinschaften zerstört. Ab- flussgeschwindigkeit, Erosion sowie Hoch- wassergefahr unterhalb der Ausbaustrecke erhöhten sich durch die Maßnahmen be- trächtlich (KLAIBER et al. 1997). Wie dem Rhein erging es auch anderen großen Flüssen Baden-Württembergs, beispielsweise Donau, , oder Hier (Abb. 2).

Die Landschaft wurde zunehmend nach menschlichen Gesichtspunkten gestaltet, Wälder gerodet, Ackerflächen angelegt, Straßen und Siedlungen gebaut oder er- weitert. Land- und Forstwirtschaft, aber auch Gemeinden und Städte nutzten das Land immer häufiger bis in unmittelbare Nä- he des Gewässerrandes. Hierfür wurden die noch bestehenden gewässerbegleitenden Gehölze größtenteils gerodet. Der Eintrag des Pflanzendüngers bis in unmittelbare Ge- wässernähe führte zu einer Monotonisierung Abb. 2: Das zeitgemäße Erscheinungsbild deren Fortführung durch Max HüNSELL zu der bislang artenreichen gewässerbegleiten- großer Flüsse in Baden-Württemberg, hier Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die die Donau bei Tuttlingen. Alles andere als den Kraut- und Staudenvegetation. Selbst in zahlreichen Flussschiingen und Flussarme in „biberfreundlich". noch annähernd naturnahen Abschnitten ein geschlossenes Flussbett von etwa 75 bis der Donau, beispielsweise bei Beuron, wach- 100 Meter Breite zusammengedrängt. Da- sen Weichhölzer nur noch spärlich entlang durch verschwanden Inseln und Kiesbänke. der Ufer. Kleinere Bäche und Gräben sind Von Hochwasserdämmen umgeben, wurde mittlerweile zu Entwässerungsgräben degra- das Flussbett kanalisiert. Der Rhein büßte diert. Die Ufer der Fließgewässer sind auf damit zwischen Basel und Worms ein Viertel weiten Strecken mit Betonplatten oder Abb. 3: Betonierte Ufer, Schleusen, seiner Länge von ehemals 354 Kilometern Blockwürfen verbaut. Staustufen wirken teil- Staustufen, Wasserkraftwerke und Wehre ein. Durch den Dammbau gingen zudem 660 weise als unüberwindbare Hindernisse im erschweren dem Biber die Fortbewegung Quadratk i lometer Überschwemmungsfläche Verlauf der Gewässer (ALLGÖWER 2000a, un- durchs Wasser, aber auch andere publ.) (Abb. 3). Als einzige Bereicherung aquatische Organismen haben keine zwischen Basel und Karlsruhe verloren. Chance hier weiterzukommen. Hierdurch wurden große Teile der auentypi- der zerstörten Auenlandschaft sind heute die wenigen, erhaltenen Altarmschlingen und die relativ jungen Baggerseen anzusehen.

Wiederansiedlungsprojekte und ihre Auswirkungen Der Ursprung der baden-württembergi- schen Biber liegt in den Nachbarländern Schweiz, Elsass und Bayern (ALLGÖWER 1993, unpubl., 1998). Zwar gab es auch in Baden-Württemberg mehrere Gesuche Biber anzusiedeln, doch wurden sie, mit Ausnahme einer zu Forschungszwecken angelegten Aus- setzung abgelehnt (ALLGÖWER 1994a, un- publ., RIEDER & ROHRER 1982, RIEDER 1985) (Abb. 4).

Als erstes begannen die Schweizer Biber auszusetzen. Die Eidgenossen entließen zwi- schen 1956 und 1977 an 30 verschiedenen

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Orten 141 Biber der Unterarten Castor fiber fiber. Castor fiber vestulanus und Castor fiber galliae. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bildete sich in den 1980er Jahren ein stabi- ler und expandierender Bestand mit rund 350 Tieren (STOCKER 1985, RAHM &. BAET- T1G 1996). Im Elsass kamen 1964 die ersten Rhonebiber, Castor /. g., an der Doller bei Mühlhausen frei. Inzwischen wohnen hier rund 80 Tiere. Bis heute werden im Elsass, vor allem an den Zuflüssen des Oberrheins, der und der 111 sowie dem Rheinsei- tengraben immer wieder Tiere freigelassen. Der Bestand dürfte im Elsass mittlerweile auf 400 bis 500 Tiere angewachsen sein (JA- COB 1990, 1992, 2002). In Bayern siedelte der Bund Naturschutz Bayern zwischen 1966 und Ende der 1970er Jahre Biber ver- schiedener Herkunft und Unterarten, wie Castor canadensis, Castor f. f., Castor f. v. Abb. 4: Immer wieder gibt es in Baden- und Castor /. g., an. Insgesamt setzte der J.-C. JACOB pers. Mitt. 2003). Auch am Hochrhein waren bis Ende der 1980er Jahre Württemberg Gerüchte über sogenannte BUND Bayern in diesem Zeitraum 120 Tie- „Kofferraumbiber". Bis auf den heutigen re an der Donau und dem unteren Inn aus nur vier Vorkommen mit 15 bis 20 Tieren Tag sind jedoch alle Individuen freiwillig (WEINZIERL 1973, REICHHOLF 1976, SCHWAB vorhanden. An der Ostflanke Baden-Würt- zugewandert oder hier geboren. 1992). Nach 20 Jahren hatte sich ihre An- tembergs und an der Donau wurden zwar zahl bereits verzehnfacht (SCHWAB 1992). hin und wieder wandernde Tiere beobach- tet, doch konnten bis Ende der 1980er Jah- Bereits Mitte der 1970er Jahre wurden re noch keine Ansiedlungen festgestellt wieder einzelne Biber in Baden-Württem- werden (ALLGÖWER 1993, unpubl.). Überra- berg beobachtet. Sie kamen gelegentlich in schenderweise ändert sich die Situation zu- die reliktären Altarme des südlichen Ober- mindestens am Hochrhein und im Donau- rheins, dem Taubergiessen. Die Biber, die einzugsgebiet schlagartig mit Einstellung der Abb. 5: Die Biber nagen wieder in Baden- hier ab und zu gastierten, stammten aus dem Württemberg. Seid rund 20 Jahren werden amtlich forcierten Bisamjagd 1989 (ALLGÖ- gelegenen Marckolsheim, wo 1972 ei- sie im Süden und Osten immer zahlreicher. WER 1994b). Zwar cibt es keinen direkten Foto: T. Hulik nige Familien angesiedelt wurden (RlEPER & ROHRER 1982). Auch am Hochrhein wurden schon in den 1970er Jahren verein- zelt wandernde Biber beobachtet (Abb. 5). Im Osten jedoch, an der Grenze zu Bayern, traten die Nager erst Ende der 1980er Jahre in Erscheinung (ALLGÖWER 2002C).

Entwicklung der Biberpopulation in Baden- Württemberg

Nachdem bereits in den 1970er Jahren die ersten elsässischen Biber an das badische Ufer des Oberrheins kamen, konnten sich hier, bis heute, trotz allem nur 2 bis 3 Tiere im Naturschutzgebiet Taubergiessen etablie- ren. Ansonsten blieb es bei einigen wenigen Verbissspuren im Raum Kehl, Freistett und Rheinstetten (ALLGÖWER 1994a, unpubl.,

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Biber prozentualer Anteil im Gewässersystem hier noch überlebenden Bestandes. Bei jähr- Jahr Vorkommen Anzahl Tiere Donau Oberrhein Hochrhein lich, durchschnittlichen Zuwächsen von 1988 5 15-20 0% 25% 75% 15-20%, wurde innerhalb von nur sechs 1992 7 -30 0% 14% 86% Jahren der Bestand durch die Jagd auf ein 2000 35-40 -140 54% 9% 37% Drittel der Größe zuvor reduziert. Selbst die über mehrere Jahre grassierende Nagerpest 2003 rund 60 -300 60% 5% 35% (Pseudotuberkulose), die zeitweise zu einem Rückgang des Bestandes führte, ließ den- Tab. 1: Die Entwicklung des Biberbestandes Nachweis, dass in den Haargreiffallen auch in Baden-Württemberg anhand von Popula- Jungbiber verendeten, doch werden die Bi- noch einen Zuwachs von 25 % innerhalb ei- tionsschätzungen. ner Dekade zu (HINZE 1960). Daher ist es zu- samstrecken mit in Betracht bezogen, so mindestens überdenkenswert, ob nicht die fällt auf, dass am Hochrhein etwa im Be- zögerliche Rückkehr des Bibers nach Baden- reich des Landkreises Waldshut nur verhält- Württemberg in Zusammenhang mit der Be- nismäßig wenige Bisame erlegt wurden. Al- jagung des Bisams zu sehen ist und eine er- in diesem Bereich gelang es dem Biber forderliche Bisamjagd zukünftig nur noch in Baden-Württemberg zuerst Fuß zu fassen. mit Lebendfallen erfolgen darf. Im Vergleich dazu, lagen die Bisamstrecken in den Landkreisen Schwäbisch Hall und Zu Anfang der Besiedlung Baden-Würt- Ostalbkreis, also an der Grenze zu Bayern, tembergs durch den Biber existierten rund etwa 10 mal so hoch und am Oberrhein, an 75 % aller Vorkommen am Hochrhein und nur 25 % am Oberrhein, besser im Tauber- Abb. 6: Die Verbreitung des Bibers Castor der Grenze zum Elsass sogar 20 mal so hoch fiber in Baden-Württemberg im Jahr 2000. (ALLGÖWER 1990, unpubl.). Sehr sensibel giessen (Tab. 1). Anfang der 1990er Jahre Im Osten wandert er von den Donau- reagiert der Biber auf die Bejagung, was hi- nahm dann die Anzahl der Bibervorkommen nebenflüssen Wörnitz und Hier in Richtung zunächst am Hochrhein zu. Im Osten Baden- Westen ein. Im Süden, am Hochrhein, storisch belegt ist. 1710 galt der Biber noch Württembergs kamen die ersten Nager aus kommt er zwischen Bodensee und Basel als gemein im Oberrheingraben. Bereits 120 bis auf wenige Lücken flächendeckend vor. Jahre später wurde hier der letzte Biber Bayern zu uns. Da die Stadt Ulm, aufgrund Im Westen, am Südlichen Oberrhein gibt es ihres „biberunwürdigen" Donauausbaues, erlegt (LlNSTOW 1908). Auch die Bejagung bislange nur zwei Vorkommen im Tauber- lange Zeit als Barriere wirkte, wanderte ein giessen. Die Dreiecke markieren zufällige an der Elbe nach dem 1. Weltkrieg führte Großteil der Biber in die Nebenflüsse Wör- Beobachtungen von wandernden Bibern. zu einer drastischen Verringerung des nitz und später auch Hier ab. Von dort aus drangen sie Richtung Westen vor, so dass dann auch erste Ansiedlungen an , Brenz, Egau, liier, Aitrach, verschiedenen Donaualtarmen und Baggerseen entstanden. Der Schwerpunkt der Wiederbesiedlung ver- schob sich zusehends in den Einzugsbereich der Donau. So lag im Jahr 2000 bereits mehr als die Hälfte der neuen Ansiedlungen im Gewässernetz der Donau (Tab. 1).

Die Tendenz ist weiter ansteigend. Ursa- che hierfür sind der technische Ausbau des Hochrheins im Raum Basel. Hier endet der „Gebirgsfluss Hochrhein" in einem beto- nierten Kanal, ohne ökologisches Potenzial für den Biber. Im Osten entspringt der Hochrhein dem Bodensee, der aufgrund sei- ner Größe und des geringen Populations- druckes zunächst eher eine Barriere, als ein günstiges Refugium darstellt. Dadurch hat der Biber nur die Chance neue Lebensräume in den Gebirgsbächen des Südschwarzwal- des zu finden.

Auch die in Baden-Württemberg nach hochwassertechnischen Gesichtspunkten

112 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at ausgebaute Donau beherbergt nur wenige Bibervorkommen, welche sich ausschließ- lich auf die reliktären Altarme oder Bagger- seen beschränken. Der größte Teil der Bi- bervorkommen siedelt hier in den größeren Nebengewässern. Von dort wandern die Bi- ber in Richtung Nordwesten, um neue Ge- wässer zu besiedeln. Markant erscheint da- bei, dass sich die Nager zunächst bevorzugt an Baggerseen und Teichen niederlassen. Hier leben die zumeist subadulten Tiere ein bis zwei Jahre. Treffen sie während dieser Zeit keinen geeigneten Geschlechtspartner, wandern sie weiter. Im Nordosten Baden- Württembergs ist das Potenzial des Gewäs- sersystems jedoch noch nahezu unendlich groß. Die Chance für die abwandernden Tiere einen Artgenossen zu treffen, ist daher relativ klein. Flüsse wie Jagst und bieten dem Biber zwar ein gewisses Lebens- raumpotenzial, doch ihre Gewässernetze Abb. 7: Breite Uferstreifen vermeiden nicht sind groß und der Populationsdruck in diese al. 1992). Natürlich gibt es auch beim Biber nur Konflikte mit dem Biber, sondern schützen auch das Gewässer vor Erosion, Richtung noch zu gering, um reproduzieren- individuelle Eigenheiten und Vorlieben. So Schadstoffeintrag und Nährstoffbelastung. de Ansiedlungen relativ schnell zu realisie- nimmt der Biber für die von ihm sehr ge- ren. Deshalb dürfte die natürliche Besied- schätzten Pappeln und Weiden auch Über- lung Baden-Württembergs durch den Biher landgänge von bis zu 30 Metern in Kauf. noch einige Zeit in Anspruch nehmen Ein entscheidendes Kriterium liegt in der (Abb. 6). Breite der Gewässerrandstreifen, das heißt der ehemaligen Weich- und Hartholzauen. Hier beginnt das Management eines Biber- Welcher Umgang wird heute habitats. mit dem Biber gepflegt? Angeregt durch die Erfahrungen in Habitatmanagement Frankreich und den ostdeutschen Ländern, wo der Biber niemals ausstarb, die Umwelt Hilfreich für das Habitatmanagement sich aber dennoch veränderte, lag der Ge- war ein angeordnetes Flurbereinigungsver- danke nahe mit einem „Biberprojekt" po- fahren des Landesamtes für Flurneuordnung. tenzielle Konflikte, die durch die Wieder- Die erfolgreichste Möglichkeit Konflikten kehr des größten europäischen Nagers ent- zwischen Mensch und Biber vorzubeugen, ist stehen könnten, bereits im Vorfeld zu ent- die Einrichtung eines 20 Meter breiten, schärfen. Ja, die Gewohnheiten des Bibers beidseitigen Gewässerrandstreifens, so wie fordern direkt dazu auf prophylaktisch tätig ihn das Gewässerschutzprogramm seit über zu werden. So finden 95 % der Holznutzung 30 Jahren vorsieht. Durch das Flurneuord- auf den ersten fünf Metern des Uferstreifens nungsverfahren war es nun möglich, zumin- statt. Rund 90 % der Biberspuren erstrek- dest teilweise gewässerangrenzende Flächen ken sich auf die ersten zehn Meter des Ufer- aus der Nutzung zu nehmen und dem Ge- streifens (Abb. 7). Sein Verhalten führt da- wässer- beziehungsweise Biberschutz zur Ver- zu, dass neun von zehn landwirtschaft- fügung zu stellen. Diese Flächen wurden lichen Anbauflächen, die bis zum Gewäs- dann dem Land oder den Gemeinden, also serrand reichen, gleichfalls vom Biber fre- öffentlichen Eigentümern, zugewiesen. Die quentiert werden. Liegen die Agrarflächen privaten Eigentümer wurden mit gewässer- dagegen 20 Meter und weiter vom Gewäs- fernen Flächen „entschädigt". Eine weitere serrand entfernt, sinkt die Schadenshäufig- Möglichkeit private Eigner und Biber „aus- keit an den landwirtschaftlich genutzten einander zu halten" ist der Kauf gewässeran-

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ter folgenschweren Unfälle haben die aus der Nutzung befreiten Gewässerrandstreifen ei- ne weitere nicht zu unterschätzende Wir- kung. Sie verringern die Ufererosion durch den verstärkten Pflanzenbewuchs und deren Wurzelwerk. Zudem wird die Filtration des aus den Landwirtschaftsflächen einströmen- den Oberflächenwassers beträchtlich gestei- gert. Somit wird letztendlich auch die Qua- lität des Wassers erheblich aufgewertet. Die- se Tatsachen liegen also nicht nur im Inter- esse der Gewässerbiologie oder des Bibers, sondern auch im Interesse der Menschen.

Zum forcierten Flächentausch wurde im Projektgebiet sowie in den angrenzenden Gewässersystemen eine nach HEIDECKE (1989) modifizierte Habitatbewertung vor- genommen (ALLGÖWER 2000b, unpubl.). Damit lassen sich potenzielle Konfliktzonen am Gewässer auch ohne die Gegenwart des Abb. 8: bchmale bache, mit pessimalen grenzender Machen oder ganzer Teiche. Dort Uferstreifen, in landwirtschaftlich intensiv Bibers erkennen. Kritische Standorte kön- wo die Besitzverhältnisse nicht zu ändern genutzten Gebieten beschwören die Kon- nen beispielsweise durch eine gezielte An- sind, wäre eine Minderung der Nutzung des flikte mit dem Biber um die gewässernahe pflanzung von standorttypischen, autoch- Landnutzung geradezu herauf. Uferbereiches auch mit Extensivierungsver- thonen Weichhölzern mittelfristig ent- trägen zu erzielen (Abb. 8). Dabei sollte schärft werden. Hierbei ist jedoch ein Kom- mindestens ein Abstand von zehn Metern promiss einzugehen. Einerseits beschleuni- zum Gewässerrand eingehalten werden. Die- gen solche Pflanzaktionen den Aufwuchs ei- se Distanz liegt auch im Interesse eines ner Weichholzaue, die sich unter natür- Landwirtes, da der Biber seine zunächst lichen Bedingungen erst über einen viel län- nicht offensichtlichen Uferbaue drei bis vier geren Zeitraum entwickeln kann, anderer- Abb. 9: Die landwirtschaftliche Nutzung Meter tief in die Böschung gräbt. Dadurch seits müssen solche Anpflanzungen kurz- entlang von Gewässern endet oft erst an besteht für den Bewirtschafter die Gefahr, und mittelfristig gepflegt werden, damit ihre der Wasserkante. Die am Bild unten liegen- Entwicklung und Entfaltung nicht auf die den Holzknüppel markieren den eingebro- mit seinen schweren Maschinen einzubre- chenen Uferbau. chen. Neben der Vermeidung dieser mitun- landwirtschaftlich genutzten Flächen „über- greift". Hier ist dann die Gegenwart des Bi- bers wiederum hilfreich, da er dazu tendiert die Aufwuchsflächen zu „durchforsten". Des weiteren können kritische Stellen im Be- reich des Hochwasserschutzes ausgemacht werden, auf die während der Besiedlungs- phase ein besonderes Augenmerk gelegt werden sollte. Trotz aller guten Vorsätze können nicht alle bestehenden Unzuläng- lichkeiten erfasst werden. Im Verlauf der Be- siedlungsphase kommt es immer wieder zu „unvorhergesehenen Problemen" die eine „ad hoc-Lösung" fordern.

Konfliktmanagement Wie bereits angeführt sind Flächen- tausch, Flächenkauf oder ein zehn Meter breiter nutzungsfreier Gewässerrandstreifen die besten Möglichkeiten Konflikte mit Bi-

114 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at bern zu vermeiden. Eine gewisse Entspan- nung im Vorfeld kann auch durch die Ent- wicklung einer Weichholzaue erzielt wer- den. Hier sollten verschiedene, autochtho- ne Weidenarten, Pappeln und Eschen im Vordergrund stehen. Natürlicherweise las- sen sich nicht alle Konflikte voraussehen, da uns die Sichtweise des Bibers, trotz vieler Erkenntnisse, nach wie vor verborgen bleibt. Deshalb ist neben diesen prophylak- tischen Maßnahmen die Hilfe vor Ort sehr wichtig. Gerade diese wird von den Bürgern positiv bewertet, da sie mit „ihren Proble- men" in den aktuellen Fällen von den Be- hörden nicht allein gelassen werden.

Während des Biberprojektes in Fichte- nau sind auch einige kritische Fälle aufge- treten. Beispielsweise ist ein Landwirt beim Mähen einer , die an einem Fischwei- her liegt, mit seinem Traktor eingebrochen. cherweise zog es der Biber jedoch vor, sich Abb. 10: Inzwischen bemüht sich der Biber Was war passiert? Der Biber hatte über das einen anderen Platz :u suchen. den eingebrochenen Uferbau zu Winterhalbjahr in die Uferböschung des reparieren. Da der Landwirt einen Weihers einige Uferbaue gegraben. Im Früh- Insbesondere bei kleinen Bächen mit Gewässerrandstreifen von sieben Metern nutzungsfrei lässt, steht einem weiteren niedrigem Wasserstand besteht die Gefahr, jahr mähte der Landwirt die Wiese. Dabei Handeln des Nagers nichts mehr im Wege. nutzte er den Wiesenbereich bis zur Gewäs- dass der Biber diese durch kleine Dämme serkante. In einem Abstand von etwa drei aufstaut. Bei entsprechender Topographie Metern zur Gewässerkante brach er in den des Geländes können solche Biberdämme Uferbau ein (Abb. 9). Glücklicherweise zur Vernässung von Wiesen oder anderen entstand außer dem Schreck kein Sachscha- Landwirtschaftsflächen führen. Auch hier den. Eine einfache und wirksame Lösung wäre dann über Extensivierungsverträge ei- bot sich hier an. Über einen Extensivie- ne gewisse Entspannung der Situation mög- rungsvertrag wurde ein sieben Meter breiter, lich. Im Zusammenhang mit den Biberdäm- an das Ufer grenzender Wiesenstreifen aus men treten mitunter auch etwas außerge- der Nutzung genommen (Abb. 10). wöhnliche Fälle zu Tage. So führte der durch den Biber verursachte Rückstau dazu, Ein außergewöhnlicher Fall mit einem dass die Abwässer einer Hauskläranlage Biberbau ereignete sich an der Rotach. nicht mehr abfließen konnten. Dieses Pro- Hier wurde vor vielen Jahren, im Abstand blem ist ohne technische Maßnahmen von etwa fünf Metern, ein Abgrabungssee nicht zu lösen. Nach einer Prüfung des mit einer Seitenlänge von rund 50 Metern Sachverhaltes müssen hier bauliche Verän- errichtet. Als Biber die Rotach besiedelten, derungen an der Kläranlage Abhilfe schaf- fanden sie an diesem See Gefallen. Proble- fen. Interessanterweise lieferte der Biber in matisch war dabei ihre Standortwahl zum diesem Fall durch seine Aktivitäten den Graben eines Uferbaus. Hierzu wurde näm- Hinweis, dass es trotz der Errichtung eines lich die Uferböschung ausgewählt, die öffentlichen Abwassernetzes noch immer gleichzeitig als Damm zwischen Abgra- Anlieger gibt, die ihre Hausabwässer, nur bungssee und Rotach fungiert. Jetzt, mit ei- über eine Setzgrube geklärt, in Fließgewäs- ner Tiefe des Uferbaues von zwei bis drei sers einleiten (Abb. 11). Metern bestand die Gefahr, dass der Damm zur Rotach hin durchbrochen und das Was- Ein häufiges Problem sind Streuobstwie- ser des Abgrabungssees weitgehend abflie- sen, die direkt an die Gewässer angrenzen, ßen würde. In diesem Fall könnte der wie zum Beispiel an Brenz oder Egau, denn Durchbruch durch das Eintreiben einer sie werden oft von den Bibern frequentiert. Spundwand verhindert werden. Glückli- Infolgedessen werden die Apfelbäume ange-

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nagt oder gar gefällt. Manche Streuobstbe- sitzer haben deshalb :ur Selbsthilfe gegriffen und haben kurier Hand die Apfelbäume mit Drahthosen umwickelt, um so dem Biber den Zugang erfolgreich zu verwehren.

Etwas problematischer ist die Anfütte- rung von Fischen und Enten an Gewässern, die in der Nähe von Landwirtschaftsflächen liegen. Durch diese unüberlegten, angle- risch oder jagdlich ambitionierten Hand- lungen werden die Biber auf den Ge- schmack, beispielsweise von Mais, gebracht. Natürlich wird ein Biber diesen süßen, stär- kehaltigen Leckerbissen nicht verschmä- hen. Erst einmal auf den Geschmack ge- kommen, wird ein Biber auch längere Über- landwege in Kauf nehmen, um diese Kultur- frucht wieder fressen zu können (Abb. 12). R Abb. 11: Trotzdem die meisten Anwohner ihre Abwässer in die Gemeindeklaranlage ent- Biberschutz sorgen, gibt es noch Anlieger, die den Überstand der Hauskläranlage in die Rotach einlei- ten. Da der Biber im weiteren Verlauf des Gewässers kleine Dämme anlegte, stauten sich Zugegeben, die Anwesenheit des Bibers die Abwässer zu einem übel riechenden kleinen See auf. Zur Abhilfe wurde der Anlieger und seine Eigentümlichkeiten rufen bei genötigt in das Abwassernetz der Gemeinde zu entsorgen. manchen Menschen das Bedürfnis nach Schutz hervor. Doch auch der Biber bedarf des Schutzes. So wird er nicht nur vom Deutschen Naturschutzrecht, sondern gera- de vom internationalen Naturschutzrecht geschützt. Ja viel mehr noch, nicht nur der europäische Biber selbst als international gefährdete Tierart, auch sein Lebensraum steht unter besonderem Schutz (Abh. 13). Schließlich wurden die Biber in Mitteleuro- pa bis auf zwei endemische Vorkommen an der Elbe und an der Rhone vor rund 150 Jahren durch Menschen ausgerottet. Die Gefahren für Biber bestehen heute zwar nicht mehr in einer rücksichtslosen Nach- stellung, doch die Zersiedlung der Land- schaft durch schnell befahrene Straßen for- dert ihre Opfer. Stellenweise werden sogar seine Reviere durch Straßen zerteilt. Die ab- wandernden Jungtiere sind ebenfalls durch den Straßenverkehr gefährdet. Hinzu kommt die Jagd auf Bisame mit Haargreiffal- len (Abb. 14). Da diese Fallen in der Regel Abb. 12: Der Biber auf völlig unspezifisch töten, werden insbeson- dem Weg zum dere die jungen Biber in Mitleidenschaft ge- Maisfeld. zogen. Deshalb sollte, in Gebieten in denen Unmittelbar im Biber leben, die Fallenjagd auf Bisame Anschluss an die Uferböschung höchstens von November bis Februar er- der Brenz laubt sein. Auch über längere Zeit gestellte befinden sich Reusen für den Fischfang werden ihnen zum große Verhängnis. Diese lassen sich jedoch mit ei- Maisfelder.

116 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at nem Gitter verschließen, dessen Maschen- weite zwar Fische passieren lässt, aber dem Biber den Zutritt versperren. Erfolgreich er- probt wurden diese Gitter bereits beim Fischotter. Des weiteren kann auch das größte europäische Nagetier an der Nager- seuche, der Pseudotuberkulose tödlich er- kranken. Unter anderem ist es deshalb not- wendig, möglichst viele Kadaver dieser Tie- re sicherzustellen. Nicht nur um die ent- scheidende Todesursache festzustellen und die zoologischen Sammlungen der Natur- kundemuseen zu bereichern, sondern auch um wissenschaftliche Untersuchungen be- spielsweise zur parasitären Belastung, gene- tischen Herkunft, oder dem Reproduktions- zustand der weiblichen Tiere zu ermög- lichen. Somit kann auch die Fitness der sich etablierenden Biberpopulation kontinuier- lich dokumentiert werden. Abb. 13: Der Biber und sein Lebensraum wird durch internationales Recht Öffentlichkeitsarbeit (FFH-Richtlinie der Europäischen Union) geschützt! Foto: B. Mertin Im „Biberprojekt Fichtenau" kommen unterschiedliche Gesichtspunkte zum Tra- gen. Einerseits muss zunächst das Informa- tionsdefizit der Bevölkerung zu dieser heimi- schen Tierart behoben werden, schließlich ist das Wissen um den Biber aus dem kultu- rellen Gedächtnis der Bevölkerung in den letzten eineinhalb Jahrhunderten verloren Abb. 14: Die amtlich forcierte Bisamjagd wurde bereits 1989 in Baden-Württemberg gegangen. Deshalb bedeutet die Rückkehr offiziell eingestellt. Dennoch werden im- des Bibers auch eine „Auseinandersetzung" mer wieder die für den Biber tödlichen mit einer inzwischen entfremdeten Tierart. Haargreiffallen entlang von Gewässerufern aufgestellt. Aus diesem Grunde ist es vor allem wichtig der Bevölkerung sachliche Informationen aus erster Hand zugänglich zu machen. Da- her ist die Öffentlichkeitsarbeit ein wichti- ger Aspekt des Biberprojektes Fichtenau.

Zunächst wurde hierzu die Bevölkerung bei öffentlichen Veranstaltungen über Sinn und Zweck sowie Inhalte des Biberprojektes Fichtenau unterrichtet. Im weiteren Verlauf des Projektes konnte der aktuelle Stand aus mehreren kurzen Artikeln dem Gemeinde- blatt Fichtenau entnommen werden. Darü- ber hinaus gab es auch Mitteilungen für die Regionalpresse. Zudem wurde die Bevölke- rung Fichtenaus mittels einer aktuellen Ver- anstaltung über die Ergebnisse des Biberpro- jektes informiert. Zum weiteren Verständnis wurde ein Faltblatt zur Biologie des Bibers entwickelt (Abb. 15). Dieses Faltblatt wur- de den Haushalten mit dem Gemeindeblatt

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Anschrift der Verfasser Dipl.-Biologe Rainer ALLGÖWER Büro für Ökosystemforschung Hermann-Hesse-Str. 14/1 D-75417 Mühlacker Germany e-mail: [email protected]

Dipl.-Biologe Oswald JÄGER Bezirksstelle für Naturschutz und Land- schaftspflege Stuttgart Ruppmannstr. 21 D-70565 Stuttgart Germany

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