Die Rückkehr Des Bibers Castor Fiber L. (Castoridae, Rodentia) Nach Baden- Württemberg (Südwestdeutschland) - Nur Eine Bereicherung Der Artenvielfalt?
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© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Die Rückkehr des Bibers Castor fiber L. (Castoridae, Rodentia) nach Baden- Württemberg (Südwestdeutschland) - nur eine Bereicherung der Artenvielfalt? VON R. ALLGÖWER & O. JÄGER Abstract "landscape architects" provoke conflicts with farmers, pisciculture and water ma- The Return of the Beaver nagement. This resulted in a massive nega- Castor fiber L. (Castoridae, Rodentia) tive media campaign against beavers. People to Baden-Württemberg (Southwest in Baden-Württemberg became insecure be- Germany) - only an Enrichment of cause of lacking experience and knowledge Species Diversity? about these animals. This was the reason for the start of the Already during in the first third of the "pilot project beaver 2000" at Fichtenau in 19'h century all beavers were exterminated the north-east of Baden-Württemberg. The in Baden-Württemberg. In 1830 the last aim was to promote "a socially acceptable re- were shot at the Upper Rhine and in 1834 turn of the beaver" and to "ease the conflict at the Danube. During the following 150 potentials". First of all people were informed years local people lost their knowledge by expert knowledge about the recent beaver about beavers. The former habitats were situation. Then areas with beaver habitats changed and used intensively by man. were bought or special agreements were In contrast to the neighbour countries made with owners. Most problems arose be- cause of the intensive use of beaver habitats Bavaria (Germany), Switzerland and Alsace along and near to the water edge. Maize (France), no beavers were released in Baden- fields for example which reach as far as the Württemberg. But unexpectedly some water edge are used by beavers for feeding beavers were observed at the High and Upper and lead to conflicts with farmers. But espe- Rhine during the mid-1970s. It took about 20 cially these maize fields promote the erosion years until the first beavers became estab- of banks and increase water pollution by ni- lished successfully. Because musk rat trapping trogen, phosphor, herbicides and others. was stopped officially in the late 1980s more and more beavers settled along the High Therefore the return of the beaver after Rhine. Meanwhile they also enter Baden- about 150 years is not only an enrichment of species diversity but also shows the thought- Württemberg across the Danube and its tri- less use of wetlands and water resources, es- butaries. The town Ulm near the Bavarian pecially along river banks. border acted as a barrier and most beavers wandered along tributaries as Wörnitz and Key words: beaver, Castor fiber, re-colo- Hier to the Southwest. Meanwhile 60 settle- nization, landscape use, conflict potential, ments with almost 300 animals exist. Baden-Württemberg Colonisation of beavers in Baden-Würt- temberg is related to the strong increase of Zusammenfassung the Bavarian and Swiss beaver populations. Especially in Bavaria with a beaver popula- Der Biber wurde bereits im ersten Drittel Denisia 9, zugleich Kataloge der OÖ. Landesmuseen tion exceeding 3000 individuals these des 19. Jahrhunderts in Baden-Württemberg Neue Serie 2 (2003), 107-119 107 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at le viel mehr als 3000 Biber leben, hat dieses größte europäische Nagetier mit seinem Wirken als Landschaftsgestalter den Unmut vieler Land- und Teichwirte, aber auch der Wasserwirtschaft erregt. Eine wahre „Hetz- jagd" in der Presse war das Resultat. Diese teils begründete, teils unbegründete Kam- pagne hat sehr stark zur Verunsicherung der Bürger in Baden-Württemberg geführt, die den Biber bis dahin noch nicht aus eigener Erfahrung kannten. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2000 ein Pilotprojekt in der Gemeinde Fichtenau im Nordosten Baden-Württembergs ins Le- ben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat die Rückkehr des Bibers nach Baden-Württem- berg verträglich zu gestalten und größere Konflikte im Vorfeld zu vermeiden, bezie- hungsweise zu entschärfen. Dabei wurde zu- nächst durch eine verstärkte Öffentlichkeits- Abb. 1: Der Biber Castor fiber, das größte ausgerottet. Die letzten Tiere wurden um arbeit das sachliche Wissen um den Biber Nagetier und eine der ältesten 1830 im Oberrheingebiet und um 1834 an Großtierformen Europas. Foto: T. Hulik wieder in die Bevölkerung getragen. Im Rah- der Donau zur Strecke gebracht. In den fol- (Die Abbildungen stammen, soweit nicht men von Flurbereinigungsverfahren und anders angegeben, von den Verfassern.) genden 150 Jahren verlor sich nicht nur das Landkäufen konnten anthropogen genutzte, Wissen um den Biber in der Bevölkerung. kritische gewässernahe Areale, mit entfernter Der ehemalige Lebensraum des Bibers wurde liegenden getauscht werden. Dort wo ein vom Menschen sehr stark verändert und aus- Tausch ausgeschlossen und sich eine Land- giebig genutzt. Als Beispiel sei hier die Tul- nutzung bis zum Gewässerrand nicht ändern la'sche Rheinbegradigung angeführt. Im ließ, wurden entsprechende prophylaktische Gegensatz zu den Nachbarländern Bayern, Maßnahmen ergriffen oder aufgezeigt. Meist Schweiz und Elsass (Frankreich) wurden in wurden hier einvernehmliche Regelungen Baden-Württemberg keine Biber ausgesetzt. vereinbart. Durch die Ansiedlung des Bibers Überraschender Weise tauchten dann doch vielfach aufgeworfene Probleme waren oft Mitte der 1970er Jahre am Hochrhein und ein Fingerzeig auf eine unsachgemäße an- Oberrhein wieder vereinzelte Biber auf. Von thropogene Landnutzung. Beispielsweise sind da an vergingen rund 20 Jahre bis sich die Maisanbauflächen, die bis an das Ufer von ersten Tiere erfolgreich etablieren konnten. Fließgewässer reichen, bei der Anwesenheit Nachdem gegen Ende der 1980er Jahre die des Bibers nicht nur konfliktträchtig, son- amtlich forcierte Bisamjagd eingestellt wur- dern erhöhen neben der Erosion, auch den de, ließen sich immer mehr Tiere am Hoch- Eintrag schadstoffhelasterer Oberflächenwäs- rhein nieder. Auch über die Donau und ihre ser. Auch intensive Pflegemaßnahmen im Nebengewässer kamen sie nun nach Baden- Rahmen der Gewässerhygiene, die dem Be- Württemberg. Allerdings wirkt die Stadt streben des Bibers zuwider laufen, konnten Ulm nach wie vor als Barriere, so dass bis relativiert werden. Insofern ist die Rückkehr jetzt die meisten Tiere über die Nebenflüsse des Bibers nach 150 Jahren Abwesenheit der Donau, allen voran Wörnitz und liier, nicht nur eine Bereicherung der Artenviel- den Weg nach Baden-Württemberg fanden. falt, sondern zeigt uns auch den allzu sorglo- Inzwischen gibt es hier im Südwesten rund sen Umgang mit natürlichen Ressourcen im 60 Vorkommen mit fast 300 Bibern. Bereich der Gewässer auf. Die Besiedlung Baden-Württembergs durch den Biber ist in erster Linie auf die Einleitung kräftig angewachsene bayrische, sowie auf die schweizerische Biberpopulation zurück- Der Biber ist eine der ältesten Groß- zuführen. Gerade in Bayern, wo mittlerwei- tierformen Mitteleuropas (Abb. 1). HlNZE 108 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at (1960) misst ihm beinahe den Status eines Stadt Pultusk. Auch wurden damals schon lebenden Fossils zu. Schon zu Anfang des die erste Versuche zur künstlichen Ansied- Pleistozäns war der Biber Castor fiber in ganz lung unternommen. Noch im 16. Jahrhun- Europa verbreitet. Durch die letzte Eiszeit dert befahl Herzog Johann Adolf von nach Süden abgedrängt, kehrte er mit dem GOTTORP, einige Biber, die auf seine Bitte anschließend milder werdenden Klima wie- aus dem inneren Deutschland geliefert wor- der in die ursprünglichen Regionen Mittel- den waren, in der Schlei-Bucht in Schles- europas zurück. Bereits zu Beginn des Allu- wig-Holstein auszusetzen (NIETHAMMER viums bevölkerte der Biber das alte Verbrei- 1963). Doch sorgten sich eigentlich die we- tungsgebiet wieder zahlreich (HlNZE 1960, nigsten Menschen um diese Tiere, nicht zu FREYE 1978). Selbst noch bei Ausgrabungen letzt deshalb, weil sie auch als Fischfeinde jungstein- und bronzezeitlicher Siedlungen galten (HlNZE 1956), zudem führten die Be- am Federsee, Schreckensee, Inzighofen an gehrlichkeiten zu einer immer häufigeren der Donau, Reusten bei Tübingen, auf dem Nachstellung. So kam es, wie es kommen Goldberg bei Nördlingen, in den Pfahlbau- musste. Im 19. Jahrhundert wurde das größ- siedlungen am Bodensee oder in den kelti- te Nagetier Europas in weiten Teilen Mittel- schen Siedlungen wie der Heuneburg, bei europas ausgerottet. Die letzten Bestände in Hundersingen an der Donau oder im Für- Baden-Württemberg hielten sich im Donau- stengrab von Eberdingen-Hochdorf waren raum in den Oberämtern Laupheim, Ried- Biberknochen häufig nachzuweisen. Oft lingen und Ulm. Hier am Zusammenfluss dienten insbesondere Kiefer und Zähne des von Donau und Hier wurden 1828, 1832, Nagers als Grabbeigaben (VOGEL 1941, 1834 die letzten drei Biber auf württember- GRAF 1967). In den folgenden Jahren nahm gischen Boden erbeutet. Die beiden letzten die kulturelle Bedeutung von Europas größ- Biber im oberen Donauraum überhaupt wur- tem Nagetier beständig zu. Sein Pelz wurde den im Winter 1847/48 unterhalb der Mün- im frühen Mittelalter hoch geschätzt. Je dung der Brenz in die Donau, in Bayern er- dunkler das Fell war, umso höher wurde es legt. Auch am Oberrhein wurde der letzte bewertet. Aus den hellen „minderwertige- Biber 1830 zur Strecke gebracht (VOGEL ren" Pelzen wurden lediglich noch teuer zu 1941, WAECHTER 1972). Die äußerst kriti- bezahlende Pelzkappen hergestellt. Am be- sche Situation des Bibers war der Obrigkeit gehrtesten war jedoch das Bibergeil,