Plenarprotokoll 12/74

Deutscher

Stenographischer Bericht

74. Sitzung

Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 13: Tagesordnungspunkt 14:

a) Beratung des Antrags des Abgeordneten Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Klinkert und der Fraktion der , , Diet- CDU/CSU sowie des Abgeordneten Ger- rich Austermann, weiterer Abgeordneter hart Rudolf Baum und der Fraktion der und der Fraktion der CDU/CSU sowie der FDP: Reaktorsicherheit in den Staaten Abgeordneten Dr. , Günther Mittel- und Osteuropas (Drucksache Bredehorn, Dr. , weiterer 12/1906) Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen Ländern (Drucksache 12/1323) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 6201 C Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Hinrich Kuessner SPD 6202 B Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Vorschlag für eine Richtlinie des Dr. Olaf Feldmann FDP 6204 A Rates zur Änderung der Richtlinie 08/836/EURATOM über die Grundnor- Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 6205 B - men für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte ge- Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär gen die Gefahren ionisierender Strah- BMWi 6206 C lungen im Hinblick auf die vorherige Klaus Brähmig CDU/CSU 6208 A Genehmigung der Verbringung radio- aktiver Abfälle (Drucksachen 12/350 Iris Gleicke SPD 6209 C Nr. 12, 12/1752) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP Ulrich Klinkert CDU/CSU 6189B 6211A Carl Ewen SPD 6212 B Klaus Lennartz SPD 6190D Dr. Gerhard Päselt CDU/CSU 6212 C Ulrich Klinkert CDU/CSU 6191 C Dr. Peter Eckhardt SPD 6213 D Gerhart Rudolf Baum FDP 6194 D Werner Dörflinger CDU/CSU 6215D Klaus Lennartz SPD 6196B Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 6216D Dr. PDS/Linke Liste 6197A Zusatztagesordnungspunkt: (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 6198A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirt Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . . 6198C schaft zu dem Antrag der Abgeordneten II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Gernot Erler, Hans Gottfried Bernrath, Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Lieselott Blunck, weiterer Abgeordneter Linke Liste 6222 C und der Fraktion der SPD: Soforthilfspro- SPD 6223 B gramm für die Sowjetunion und ihre Dr. , Parl. Staatssekretär BMWi Republiken 6224 D zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP: Hilfe zur Selbsthilfe für Nächste Sitzung 6227 C die Sowjetunion und ihre Republiken (Drucksachen 12/1321, 12/1580, 12/1975) Anlage 1

Dr. Rudolf Sprung CDU/CSU 6218A Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6229* A

Dr. Uwe Jens SPD 6219D Anlage 2

Dr. Heinrich L. Kolb FDP 6221 B Amtliche Mitteilungen 6230* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6189

74. Sitzung

Bonn, den 24. Januar 1992

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine gibt. Der katastrophale Sicherheitsstandard der Ke rn Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. -kraftwerke in Mitteleuropa, der jeden Tag zu einem neuen Tschernobyl führen kann, gebietet normaler- Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: weise ein sofortiges Abschalten der meisten der Reak- toren. Dies würde allerdings zu einem Zusammen- a) Beratung des Antrags des Abgeordneten Ul rich bruch der Energieversorgung und damit der Wirt- Klinkert und der Fraktion der CDU/CSU sowie schaft dieser L ander führen und eine vollständige des Abgeordneten Gerhart Rudolf Baum und Verelendung des Volkes nach sich ziehen. der Fraktion der FDP Reaktorsicherheit in den Staaten Mittel- und Ohne ausreichende Energie ist der notwendige Osteuropas wirtschaftliche Aufschwung in diesen Ländern nicht machbar. Kraß formuliert, stehen die Regierungen — Drucksache 12/1906 — dieser Länder vor der Entscheidung, das Volk entwe- Überweisungsvorschlag: der erfrieren zu lassen oder der weiteren Gefahr, die Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von den Reaktoren ausgeht, auszusetzen. (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Die zur Nachrüstung oder zum Ersatz der gefährli- Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenab- chen Reaktoren erforderlichen Finanzmittel sind so schätzung hoch, daß sie derzeit von den betroffenen Ländern b) Beratung und Beschlußempfehlung und des nicht annähernd aufgebracht werden können. Neben- Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- bei bemerkt, würde der vollständige Ausstieg aus der schutz und Reaktorsicherheit (17. Ausschuß) zu Kernenergie in diesen Ländern und deren Ersatz der Unterrichtung durch die Bundesregierung durch Wärmekraftwerke, sofern das technisch über- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur haupt machbar ist, zu einem erheblichen Ansteigen Änderung der Richtlinie 08/836/EURATOM der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen. über die Grundnormen für den Gesundheits- Der hier zu beratende Antrag enthält daher fol- schutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gende Forderungen an die Bundesregierung: gegen die Gefahren ionisierender Strahlun- gen im Hinblick auf die vorherige Genehmi- Erstens ist es notwendig, sich zunächst einmal aktiv gung der Verbringung radioaktiver Abfälle an der Entwicklung multilateraler Hilfsaktionen für die Staaten Mittel- und Osteuropas zu beteiligen und — Drucksachen 12/350 Nr. 12, 12/1752 — so weit wie möglich durch bilaterale Unterstützungs- Berichterstattung: maßnahmen zu flankieren. Dies gilt insbesondere für Abgeordnete Klaus Har ries die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Reinhard Weis (Stendal) Gerhart Rudolf Baum Die zweite Forderung lautet, auf eine bessere Koor- dinierung und schnellere Realisierung von internatio- Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von nalen Unterstützungsprogrammen hinzuarbeiten und einer Stunde vor. Ich gehe davon aus, das Haus ist dabei die Beteiligung von internationalen Institutio- damit einverstanden. — Das scheint der Fall zu sein. nen wie der EG, der Weltbank und der Europäischen Dann haben wir dies beschlossen und können mit der Bank für Wiederaufbau anzustreben. Debatte beginnen. Zunächst erteile ich dem Abgeord- neten Klinkert das Wort. Als dritte Forderung haben wir formuliert, bei der Erarbeitung der Europäischen Energiecharta den Rahmen dafür zu schaffen, daß nicht nur die Versor- (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Ulrich Klinkert gungssicherheit erhöht wird, sondern in gleichem sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorlie- Maße auch Umweltschutz und Anlagensicherheit ver- gende Antrag der Koalitionsfraktionen zur Reaktorsi- bessert werden. cherheit in den Staaten Mittel - und Osteuropas regelt ein Spannungsfeld, das sich aus mehreren, den Staa- Kernkraftwerke wurden in den ehemaligen RGW- ten Osteuropas innewohnenden Widersprüchen er- Staaten seit 1950 errichtet. In der Zwischenzeit ergibt 6190 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Ulrich Klinkert sich folgender Stand der Versorgung dieser Staaten Umrüstung liegen im Moment nicht vor und sollten durch Kernenergie: in Bulgarien 35 %, in der ehema- von vornherein nicht ins Kalkül gezogen werden. ligen Sowjetunion 23 %, in der CSFR 28 % und in Dann gibt es die sogenannten WWER-Reaktoren, Ungarn gar 50 %. die in verschiedenen Generationen gebaut wurden. Die Reaktoren der ersten Generation werden mit (Klaus Lennartz [SPD]: Was heißt das?) einem Nachrüstbedarf von 80 Millionen DM pro Block Bei fast allen diesen Kraftwerken sind Schutz- und für einen befristeten Weiterbetrieb von ca. fünf Jahren Vorsorgemaßnahmen, die erst in ihrem Zusammen- für möglich gehalten. Der Importbedarf für diese wirken eine ausreichende Sicherheit ergeben wür- Nachrüstung betrüge ca. 30 Millionen DM pro Block. den, durch Mängel und Defizite behaftet, Defizite vor Bei der zweiten Generation wären umfangreiche allen Dingen bei der sicherheitstechnischen Ausle- Nachrüstmaßnahmen in einer Größenordnung von gung von Systemen und Komponenten. Hier ist es so, 300 Millionen DM pro Block erforderlich. Auch hier daß kein Kernkraftwerk westdeutschem Sicherheits- müßten Importe in einer Größenordnung von etwa standard entsprechen würde. Es gibt Abweichungen 100 Millionen DM pro Block getätigt werden; so viel vom auslegungsgemäßen Zustand. Die Dokumenta- ist jedenfalls veranschlagt. tion und Sicherheitsnachweise sind unvollständig. Die Die dritte Generation, die mit einer Leistung von Qualitätssicherung ist unzulänglich. Defizite bei War- 1 000 MW ausgelegt war, könnte in etwa auf westli- tung, Reparatur und Instandhaltung führen zu einer ches Sicherheitsniveau ertüchtigt werden. Allerdings zusätzlichen Erhöhung des Risikos. betrügen die Kosten hier 200 Millionen DM pro Block; der Importanteil betrüge 60 Millionen DM. Gefährdungen für die Reaktorsicherheit ergeben sich aber nicht nur aus unzureichender Technik, Auch Nachrüstmaßnahmen würden zu einem sondern durchaus auch aus der im Moment nicht recht erheblichen Mittel- und Devisenbedarf führen, der zu kalkulierenden politischen Entwicklung. auf Grund der wirtschaftlichen und technischen Mög- lichkeiten von den betroffenen Ländern nicht aufge- Dabei ist die Situation im Energiebereich dieser bracht werden kann. Ohne Berücksichtigung nationa- Staaten insgesamt gekennzeichnet durch eine ge- ler Leistungen, von Stillegungskosten sowie Still- ringe Effizienz beim Energieeinsatz und einen ver- standszeiten usw. ergäbe sich ein Devisenbedarf für gleichsweise hohen Energieverbrauch. Der durch- Importe von ca. 4 Milliarden DM, davon allein 2,7 Mil- schnittliche Osteuropäer verbraucht trotz eines liarden DM für in Betrieb befindliche und 1,4 Milliar- wesentlich niedrigeren Lebensstandards etwa ge- den DM für im Bau befindliche Anlagen. nauso viel Primärenergie wie der Westeuropäer, näm- Ich habe diese Zahlen so ausführlich gebracht, um lich ca. 4,7 t Öläquivalent pro Einwohner. In Rußland zu verdeutlichen, daß ein einzelnes westliches Land rie, bezogen ist der Einsatz von Energie in der Indust — beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland — auf ein gleichwertiges Produkt, etwa viermal so hoch bei weitem überfordert wäre, hier allein in Verantwor- wie in den Ländern der alten Bundesrepublik. Die tung zu gehen. Energieintensität, d. h. der Primärenergieverbrauch pro Einheit Bruttosozialprodukt, in den Staaten Mittel- Aber an die Bundesregierung ist die Bitte auszu- und Osteuropas ist etwa doppelt so hoch wie in den sprechen, in der westlichen Staatengemeinschaft die westlichen Staaten. Sensibilität für die Probleme in Osteuropa zu schär- fen. Die Hilfe für Osteuropa darf sich allerdings nicht Schlechte Wirkungsgrade der Kraftwerke, ineffi- auf die Kernenergie beschränken; denn in den Län- ziente industrielle Produktion und unzureichender dern, wo die akute Gefahr des Hungers besteht, wird Wärmeschutz an Gebäuden tun das Ihre zu dieser man für die Probleme der Reaktorsicherheit wenig Bilanz. Sensibilität entwickeln. Nachrüstungen für Atomreaktoren werden nur in Danke schön. den wenigsten Fällen für möglich gehalten, so daß (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) neue Reaktoren gebaut werden müßten. Hierfür wäre ein Finanzbedarf von mindestens 100 Milliarden DM notwendig, im übrigen auch für den Neubau von Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat Wärmekraftwerken, falls man diesen ins Auge fassen der Abgeordnete Lennartz das Wort. sollte. (Klaus Lennartz [SPD]: Das ist die einzige Klaus Lennartz (SPD): Herr Präsident! Meine sehr Alternative, Herr Kollege! Das müssen Sie verehrten Damen und Herren! Reaktorsicherheit in wissen!) den Staaten Mittel - und Osteuropas heißt unser Thema. Reaktorsicherheit in diesen Staaten ist nur auf Sofern Nachrüstung überhaupt möglich ist, ergibt einem Weg zu erreichen: Die Atomkraftwerke Osteu- sich dabei folgendes Bild. Ich nenne zunächst die ropas müssen schrittweise abgeschaltet werden. Dies RBMK-Reaktoren, von denen 20 allein in der Sowjet- ist nach Meinung der SPD die zwingende Konsequenz union in Betrieb oder im Bau sind. Hier ist eine aus dem Bericht des Bundesumweltministers zur sofortige Stillegung der älteren Anlagen notwendig. Sicherheit der Atomkraftwerke und zu Umweltfragen Eine Sicherheitsbewertung der neueren Anlagen der Energieversorgung in den Staaten Mittel- und durch westliche Experten steht noch aus, jedoch kann Osteuropas. Dieser Bericht bietet, so der „Spiegel" schon jetzt abgeschätzt werden, daß sie, wie ich korrekt, wahrhaftig „Stoff zum Gruseln", obwohl für bereits erwähnte, nach westlichen Maßstäben insge- bestimmte östliche Reaktortypen noch gar keine samt nicht genehmigungsfähig wären. Kosten für eine umfassenden Sicherheitsanalysen vorliegen. Was das Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6191

Klaus Lennartz in der Endkonsequenz heißt, muß m an sich auf der technische Mängel haben, daß sie nach unserer Zunge zergehen lassen. Sicherheitsphilosophie nicht betreibbar sind. Noch Anfang der 80er Jahre haben uns internatio- (Beifall bei der SPD) nale Reaktorexperten — wohlgemerkt: Experten —, Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir hier über auch aus der IAEO, aber auch deutsche Befürworter die Abschaltung von 50 000 MW in Osteuropa spre- weismachen wollen, daß die russischen Reaktoren chen. Dessen bin ich mir bewußt. Gerade wegen etwa unser Sicherheitsniveau haben. Anlaß zur Sorge dieser Zahlen müssen wir jetzt die Weichen für eine bestehe nicht. So ändern sich die Einschätzungen; die Energieversorgung ohne Atomkraft in Osteuropa stel- Experten ändern sich nicht. len. Nachdem Umweltminister Töpfer im Herbst letzten Die SPD wird eine Politik ablehnen, die über die Jahres auch den letzten Block des Atomkraftwerks Ertüchtigung bzw. den Export westeuropäischer Greifswald stillgelegt hat, haben mein Kollege Volker Kernkraftwerke versucht, die Renaissance der Atom- Jung und ich im September 1991 den jetzt vorliegen- kraft bei uns wieder einzuleiten. Vielmehr besteht in den Bericht erbeten. Uns war schon damals klar: Wer der GUS und in Osteuropa jetzt die Möglichkeit, eine Greifswald stillegen muß, weil gravierende Sicher- ökologisch verträgliche Energieversorgung einzulei- heitsmängel bestehen, die nicht zu adäquaten Kosten ten; zugegebenermaßen, meine Damen und Herren, beseitigt werden können, muß auch bei allen in über einen langen Zeitraum. Dafür werden wir uns mit Osteuropa und der GUS laufenden Reaktoren zu aller Kraft einsetzen. Und die ist bitter nötig. ähnlichen Konsequenzen kommen. Allein die mangelhafte Energieinfrastruktur führt in Osteuropa zu 01- und Gasverlusten bis zu 30 %. Die Der Töpfer-Bericht zeigt auch auf, daß neben kata- Energieintensität, d. h. der Primärenergieverbrauch, strophalen sicherheitstechnischen Mängeln nun auch gemessen am Bruttosozialprodukt, ist doppelt so hoch die Aufsichtsprobleme wachsen. Die Aufsicht über wie im Westen. kerntechnische Sicherheit von Anlagen geht von den Zentralbehörden auf die Republiken über, und das in dem Zustand, in dem sich die Republiken zum gegen- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- wärtigen Zeitpunkt befinden. geordneter Lennartz, sind Sie bereit, eine Zwischen- frage zu beantworten? Herr Kollege Klinkert, lesen Sie bitte einmal nach, daß Töpfer selber in seinem Bericht formuliert hat, daß (SPD): Ja. Auflagen, die durchgeführt werden sollten, bis zum Klaus Lennartz heutigen Tage nicht durchgeführt worden sind. Ich glaube, daran erkennen wir, daß wir über etwas Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Herr Kollege Lennartz, reden, dessen Dimension wir überhaupt nicht erken- ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden, daß Sie nen können. Die einzelnen Republiken verfügen einen vollständigen und dauerhaften Ausstieg aus der gegenwärtig kaum über die erforderlichen admini- Kernenergie in Osteuropa fordern. Wie stehen Sie strativen und personellen Voraussetzungen. Techni- dann zu der von mir gemachten Aussage, daß dies zu sche Mängel und Aufsichtsprobleme bilden ein bri- einem unvertretbar hohen Anwachsen der CO2-Kon- santes Gemisch, das jederzeit explodieren kann, zentration in der Erdatmosphäre führen würde, vor- meine Damen und Herren. Ich hoffe, daß wir in diesem ausgesetzt, Wärmekraftwerke treten an die Stelle von Hohen Hause darüber Einigkeit erzielen, daß es nicht Atomreaktoren? mehr um die Frage geht, ob diese Reaktoren abge- schaltet werden müssen, sondern nur noch um die Klaus Lennartz (SPD): Verehrter Herr Kollege Klin- Frage, wie die Umstrukturierung der Energieversor- kert, sehen Sie, Sie vereinfachen die Problematik. Ich gung zu bewerkstelligen ist. will versuchen, Ihnen das mit einigen Worten zu erklären. (Zustimmung bei der SPD und der CDU/ CSU) (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Wenn Sie das können!) Die SPD wird keinen Maßnahmen zustimmen, die — Ich kann es, Sie müssen es nur verstehen. im Ergebnis verzögern, daß diese Schrottreaktoren so schnell wie möglich abgeschaltet werden. Ich kann (Heiterkeit) dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen Asea Herr Kollege Klinkert, die erste Maßnahme, die Brown Boveri, Eberhard von Koerber, nur zustimmen, getroffen werden muß, ist Energie einzusparen. Wir wenn er die osteuropäischen Atomkraftwerke als wissen, daß wir ca. 50 % der gesamten Energie, auch Zeitbomben bezeichnet. Mindestens 25 Reaktoren bei uns, einsparen können. Das ist das erste Gebot. des Typs Tschernobyl sind nicht einmal theoretisch Der zweite Punkt, mit dem wir uns ebenfalls beschäf- nachrüstbar. Sie müssen vom Netz, und zwar ganz tigen müssen, sind die regenerativen Energien. Drit- schnell. tens müssen wir noch moderne Kraftwerkstechnolo- gien einsetzen. Die SPD wendet sich im übrigen nicht gegen kurzfristige Sicherheitsmaßnahmen, die das jetzige Demzufolge können uns Energieersparnis, mo- unabsehbare Risiko so schnell wie möglich verrin- derne Kraftwerkstechnologien und regenerative gern. Dies sage ich sehr bewußt, um bestimmten Energien schrittweise zu dem bringen, was wir welt- Legendenbildungen vorzubeugen. Wir wenden uns weit haben müssen, um die CO2-Problematik zu aber dagegen, daß mit Milliardenaufwand Atomkraft- bekämpfen, werke saniert werden sollen, die strukturell so viele (Zuruf von der CDU/CSU) 6192 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Klaus Lennartz und nicht, wie Sie es hier vorschlagen, wiederum der Die Welt verbraucht heute viermal soviel Energie Einsatz von Atomkraft. wie vor 40 Jahren. Dabei steht das vereinte Deutsch- land ganz vorn, nämlich an fünfter Stelle in der Welt Ist Ihnen auf Grund der Situation, die wir in der GUS und weit an der Spitze der EG. und in Osteuropa haben, nicht klargeworden, welches Gefahrenpotential weltweit auf uns zukommt, wenn Auch die Bundesrepublik als eine der stärksten Sie die Erde mit Atomkraftwerken bepflastern wollen? Industrienationen der Welt ist mitschuldig an der Ist Ihnen das immer noch nicht klargeworden? drohenden ökologischen Katastrophe. Wir als Staat versagen bisher beim Energiesparen und auch beim (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Klimaschutz. Unser Energieverbrauch erreichte im dem Bündnis 90/GRÜNE — Zuruf von der letzten Jahr den bisher absoluten Höchststand von CDU/CSU: Das ist Wunschdenken, aber 1979, dem Jahr vor der zweiten Ölpreisexplosion. keine Antwort!) Wir sind also keine Musterknaben. Der ökologische Sie sehen, meine Damen und Herren — und das ist Strukturwandel, den wir vom Osten fordern, hat auch genau der entscheidende Punkt —: Das knappe Geld bei uns noch nicht stattgefunden. Es sind leider, leider ist besser bei nichtatomaren Energietechnologien keinerlei Ansätze erkennbar, daß die Bundesregie- angelegt. Dort hinein muß investiert werden. Es geht rung in dieser fatalen Verbrauchspolitik irgendwie um dreistellige Milliardenbeträge, und zwar, meine umsteuern will. Damen und Herren, nicht mit einer Eins an der ersten Stelle. Sie dürfen demzufolge nicht für den Neubau (Gerhart Rudolf Baum [FDP]: Das stimmt von Atomkraftwerken verschleudert werden. Es geht doch gar nicht!) um die ökologische Sanierung der osteuropäischen — Doch, Herr Kollege. Wir können uns ja gerne auch Energieversorgung im ganzen. darüber streiten. Sie haben die Möglichkeit, eine Das ist ein gigantisches Problem, weil es, wie in der Zwischenfrage zu stellen. Ich beantworte sie Ihnen ehemaligen DDR, die Überführung der zentralen gerne. Verwaltungswirtschaft in die ökologische Marktwirt- schaft bedeutet. (Zuruf von der CDU/CSU: Das lohnt sich nicht! — Harald B. Schäfer [Offenburg] Wie in der ehemaligen DDR sind in ganz Osteuropa [SPD]: Was soll die Polemik?) uns heute noch gar nicht bekannte ökologische Ver- heerungen und Verwüstungen festzustellen. Dort ist Deshalb lehnt die SPD den reinen Transfer unserer mit Energie in beispielloser Weise verschwenderisch Strukturen ab. umgegangen worden — die Energieverluste bei Zur Privatisierung der Energieversorgung müssen Exploration und Verteilung sollen in Rußland fast auch in Osteuropa die Dezentralisierung und ökologi- 50 % ausmachen —, und es ist über Jahrzehnte nichts sche Vertretbarkeit moderner Versorgung gehören. für den Erhalt der Versorgungsstrukturen investiert Nur wenn wir diesen Grundsatz einhalten, können wir worden. die effizientesten Energietechnologien exportieren, Wir müssen deshalb nicht nur die Energiesysteme z. B. mit Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen. Damit selbst sanieren, Herr Kollege, mit westlicher Techno- können wir die beste Energieausbeute erringen, weit logie helfen und die Energieverschwendung beseiti- über westeuropäischem Niveau. Nur dann können wir gen, nein, wir müssen gleichzeitig die ökologischen Erfolg haben, wenn wir Umweltschutztechnologien in Verwüstungen und Zerstörungen beseitigen helfen. gleicher Weise wie Energietechnologien exportieren. Ganz Osteuropa braucht Entschwefelungs- und Ent- (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Das sagte ich stickungstechnologien, ganz Osteuropa braucht mo- bereits!) derne Wärmeschutztechniken, Meß- und Regeltech- niken zur Energieeinsparung im Gebäudebestand —Ja, manchmal sagen Sie auch etwas Richtiges, aber und vieles, vieles mehr. nur manchmal. Die Gretchenfrage bei der Sanierung der osteuro- Es darf kein Umweltdumping zwischen Ost und päischen Energieversorgung ist, wie ich hoffe, Herr West geben. Die Menschen im Osten Europas und in Kollege, nicht die Kooperation, sondern die Finanzie- der GUS haben einen Anspruch darauf, daß wir ihnen rung. Hier habe ich von Ihnen leider nichts vernom- bei der Erlangung ökologisch verträglicher Lebensbe- men. dingungen helfen. (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Da müssen Sie Im Grundsatz unterstützt deshalb die SPD den zuhören!) Ansatz der europäischen Energie - Charta, wobei wir besonderes Gewicht auf die Sanierung der zerstörten Es dreht sich um gigantische Summen. Deshalb ist Umwelt legen. Es geht aber nicht allein um den eine projektbezogene Partnerschaft zwischen der Transfer der westeuropäischen Energieversorgungs- öffentlichen Hand, der Indust rie und internationalen struktur nach Osteuropa, Herr Kollege Baum, nein, es Bankenkonsortien dringend notwendig. geht um den Aufbau einer ökologisch verträglichen Wir brauchen langfristige Joint - ventures mit den Energieversorgungsstruktur. osteuropäischen Staaten, damit sich eine Energiepart- Denn auch der Westen hat, wie wir alle wissen, nerschaft, die Jahrzehnte Bestand hat, entwickeln ökologisch über seine Verhältnisse gelebt. Er lebt kann. Ohne einen sehr langfristigen Finanz-, Know- heute noch über seine Verhältnisse. Das dürfen Sie how- und Technologietransfer wird dies aber nicht nicht verschweigen. gehen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6193

Klaus Lennartz Wenn ich richtig unterrichtet bin, ist die westeuro- durch die öffentliche Hand verweigern. Das ist nicht päische Energiewirtschaft bereit, solche Kooperatio- machbar. nen einzugehen. Gegenwärtig scheut sie aber den Abschluß solcher Projekte, weil die Finanzierungsfra- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen völlig ungeklärt sind. der PDS/Linke Liste) Der Kollege Schäfer, der Kollege Jung und ich Herr Kollege Baum, Sie machten soeben eine Zwi- hatten vergangene Woche ein Gespräch mit Vertre- schenbemerkung zur Energie-Charta. Wer die euro- tern der westdeutschen Industrie. Uns ist dargelegt päische Energie-Charta mit Leben erfüllen will, muß worden, daß m an bereit ist, derartige Joint-ventures, seine Bereitschaft zu finanziellem Engagement derartige projektbezogene Partnerschaften einzuge- gegenüber den europäischen Staaten klipp und klar hen. Nur fehlt es wirklich an der Unterstützung durch erklären. Sonst geht es nicht. die Bundesregierung, an der Bereitschaft, nicht nur zu Dies wäre nicht nur ein Geben. Wir alle wissen, daß reden, sondern auch wirklich zu handeln. Man wartet hier eine enorme Chance für die westlichen Industrie- förmlich darauf, daß man helfen kann. nationen besteht, Umwelt- und Energiespartechnolo- (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Und die Bun- gien zu exportieren, damit im heimischen Markt desregierung soll das bezahlen?) Arbeitsplätze zu sichern und sinnvolles Wachstum im Osten wie im Westen zu ermöglichen. — Das ist eine Verkennung der Tatsachen. Es geht nicht um das Geld der Bundesregierung, sondern Da die Staaten der GUS allein über mehr als 20 % einfach darum, zu dokumentieren, daß über Hermes- der Weltenergiereserven verfügen, werden sie den Bürgschaften das eine oder andere erledigt werden Finanz- und Technologietransfer mit Rohstofflieferun- kann, das noch dahintersteht. gen bezahlen können. Hier haben Sie eine Antwort auf die Frage, die Sie eben gestellt haben. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Und (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ich habe wer bezahlt die Hermes-Bürgschaften? — keine Frage gestellt! Ich habe eine Bemer Hermann Rind [FDP]: Wo ist der Unterschied kung gemacht!) zu den Hermes-Bürgschaften?) So weit muß man ab und zu auch einmal denken. Man — Ich komme dazu. Die Bundesregierung hat es doch muß vernetzt, ganzheitlich denken. bisher versäumt, auch nur einen einzigen konkreten Damit die Staaten der GUS dies können, müssen wir Vorschlag — das ist doch der entscheidende Punkt —, ihnen helfen, ihre Öl- und Gasversorgungsstrukturen sei es national, sei es im europäischen Konzert, zu sanieren. Ich glaube, daß die Bundesrepublik hier vorzulegen. Lesen Sie sich den Bericht doch einmal eine besondere Verpflichtung hat, weil bisher die fünf durch. Was steht da drin? Nichts! Reine Absichtserklä- neuen Bundesländer ganz wesentlich von der GUS rungen, ohne daß konkret ein Handlungsbedarf, der beliefert worden sind. Wir haben ein fundamentales ja vorliegt, nachgewiesen und angegangen wird. Interesse daran, daß dies so bleibt. (Dr. Peter Struck [SPD]: Nur Sprüche! — Herr Klinkert, sollten Sie als ein Abgeordneter aus Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Heiße den fünf neuen Bundesländern vergessen haben, daß Luft!) 90 % der Ölversorgung der fünf neuen Bundesländer Statt dessen stritten sich der Finanz- und der Wirt- aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. aus den GUS- schaftsminister noch bis vorgestern über das Volumen Ländern kommen? Sollten Sie vergessen haben, daß von 5 Milliarden DM Hermes-Absicherungen für - 20 % unserer gesamten Erdgaslieferungen aus diesen deutsche Exporte in GUS-Länder. Ländern kommen? Haben Sie das vergessen? (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Der Roth (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Das ist doch sagt, alles ist o. k.!) völlig absurd, was Sie sagen!) — Wissen Sie eigentlich, wovon Sie bei 5 Milliarden Es ist doch zwingend notwendig, daß man dort zu DM reden, Herr Kollege? einer anderen Systematik kommt, so wie es soeben (Lachen bei der CDU/CSU) von mir beschrieben worden ist, daß die Möglichkeit der Refinanzierung besteht, ohne daß die öffentliche Hier geht es um dreistellige Milliardensummen, nicht Hand jedesmal Milliardenbeträge zur Verfügung mit einer Eins vorweg. Und Sie reden von 5 Milliarden stellt. DM, die bereits anderweitig, an SKL oder wohin auch immer, vergeben sind. (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Er redet wirr! — Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Die großen Er hat vergessen, wo er herkommt!) Probleme können wir ganz gut lösen, Herr Lennartz!) — Ja, das scheint wirklich der Fall zu sein, Frau Kollegin. Dem kann ich mich nahtlos anschließen. — Mit uns gemeinsam, da haben Sie recht. Meine Damen und Herren, ein Grobkonzept für die (Ulrich Klinkert [CDU/CSU]: Schließen Sie Hilfe fehlt nach wie vor. Das ist sicher ein falsches sich ruhig zusammen, Herr Lennartz!) Signal in Richtung Osteuropa, aber auch in Richtung — Also hören Sie einmal! Herr Kollege Klinkert, ist es der westeuropäischen Wirtschaft. Man kann nicht bei Ihnen nicht mehr möglich, daß m an einen vernünf- andere zu risikoreichen Investitionen auffordern und tigen Vorschlag einer Kollegin, gleich, wo sie politisch gleichzeitig eine auch nur geringfügige Absicherung steht, unterstützt? Sind Sie bereits so intolerant, das 6194 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Klaus Lennartz der Dame vorzuwerfen? Sie sollten sich schämen, Herr Bundesregierung empfohlen worden, bei den weite- Kollege! Sie sollten sich schämen! ren Verhandlungen auf EG-Ebene dem Beschluß des Bundestages vom 9. November 1990, der in der Bun- (Beifall bei der SPD) desratsdrucksache 595/90 dokumentiert ist, Rech- So viel Toleranz muß man noch besitzen, das Wissen nung zu tragen. Insbesondere sollte die Richtlinie der anderer zu akzeptieren und darauf einzugehen. Auch EG so gefaßt werden, daß alle radioaktiven Abfälle das macht eine parlamentarische Demokratie aus. oder Reststoffe aufgenommen sind und effektive Kon- (Albert Pfuhl [SPD]: Das muß er noch lernen! trollbefugnisse und Berichtspflichten der zuständigen — Gegenruf des Abg. Ul rich Klinkert [CDU/ Behörden vorgesehen werden. CSU]: Unsachlichkeit werde ich nicht ler- Meine Damen und Herren, die Erfahrungen mit den nen!) „Mol-Fässern", die wir leider Gottes machen mußten, zeigen, daß es keine Lücken in der Erfassung, Beglei- Meine Damen und Herren, die Bundesregierung tung und Kontrolle von radioaktiven Abfällen geben muß endlich ein konkretes Programm zur Moderni- darf. Die SPD-Bundestagsfraktion erwartet, daß man sierung und Sanierung der osteuropäischen Energie- sich in der Europäischen Gemeinschaft dieser Auffas- vorschlagen und insbesondere ihren versorgung sung anschließt. finanziellen Beitrag dazu hier offen darlegen. Wir alle wissen, daß ohne westliches Know-how und westli- Meine Damen und Herren, ich möchte mich bei ches Kapital, privat oder öffentlich, weder die GUS- Ihnen, insbesondere bei den Koalitionsfraktionen, Staaten noch die anderen osteuropäischen Länder es dafür bedanken, daß Sie diesem Anliegen der SPD- schaffen werden, in der notwendigen Kürze ihre Bundestagsfraktion auch im Ausschuß gefolgt sind. Energieversorgung ökologisch umzustrukturieren. Wir erwarten — diese Bitte richte ich an Sie, Herr Westeuropa ist gefordert. Laufs —, daß wir dies entsprechend auch auf EG- Ebene einbringen. Das wäre ein Stück Sicherheit, das Wir werden auch von den Vereinigten Staaten von uns allen weiterhelfen würde. Amerika immer dringlicher aufgefordert, Osteuropa endlich in angemessenen finanziellen Dimensionen Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. zu helfen. Der gegenwärtige Attentismus darf so nicht (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und weitergehen. Westeuropa wäre sonst mitverantwort- dem Bündnis 90/GRÜNE) lich, daß die ökologisch krisenhafte Entwicklung in der Welt, z. B. bei der CO2-Frage, keiner Lösung näherkommt. Westeuropa wäre empfindlich mitbe- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat troffen — man wagt es kaum, es auszusprechen —, der Abgeordnete Gerhart Rudolf Baum das Wort. wenn sich Tschernobyl wiederholen oder die Energie- versorgung in den osteuropäischen Staaten auch nur Gerhart Rudolf Baum (FDP): Herr Präsident! Meine teilweise zusammenbrechen würde — mit den ent- Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz, Ihr Vor- sprechenden katastrophalen Auswirkungen auf die trag war erstens widersprüchlich und in der Einschät- labilen Volkswirtschaften in Osteuropa. zung falsch. Ich kenne keine westliche Regierung, die Wie kann die Bundesregierung diesen Herausfor- in ähnlicher Intensität Initiativen zur Verbesserung derungen gerecht werden? Nicht, indem der Bundes- der Situation ergriffen hat wie unsere. Ich kenne umweltminister die Probleme bloß beschreibt, publi- keine; nennen Sie mir eine. kumswirksame Tschernobyl-Besuche vor Ort durch- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) führt, dort den Kopf schüttelt und uns einen Bericht Wir haben das sogar in einer Form getan, die mich vorlegt. Auch nicht, Herr Kollege Klinkert, indem die- manchmal besorgt gemacht hat, daß wir uns eigent- Regierungskoalition in einem Begleitantrag sorgsam lich zuviel Verantwortung aufladen. vermeidet, vom Abschalten nichtsanierungsfähiger Reaktoren auch nur zu sprechen. Das ist ein Ding der Eine zweite Bemerkung zu Ihnen: Unser Antrag Unmöglichkeit. baut darauf auf, daß wir Deutschen allein das nicht schaffen können. Das geht nur in einer internationalen Was not tut, ist internationale Hilfe, ein moderner Kraftanstrengung! Marshall-Plan moderner Art unter Beteiligung der westeuropäischen Staaten, von Wirtschaft und Ban- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — ken. Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das hat der Kollege Lennartz doch gesagt, Herr (Gerhart Rudolf Baum [FDP]: Eben war es Baum!) noch die Bundesregierung!) — Nein, Sie wollen die Bundesregierung in die Pflicht — Herr Kollege, Sie scheinen nur partiell zuzuhören. nehmen, ein Energieprogramm für Osteuropa vorzu- Ich habe beides angesprochen: Hilfe von uns, aber legen. auch internationale Hilfe. Ich habe gerade noch ein- (Klaus Lennartz [SPD]: Wieder nur eine par mal konkretisiert, was darunter zu verstehen ist. tielle Aufnahme des Gehörten!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich Das kann nicht allein Aufgabe der Bundesregierung, komme noch ganz kurz zum Tagesordnungs- der Bundesrepublik Deutschl and, sondern nur eine punkt 13b. Hier geht es darum, daß radioaktive internationale Aufgabe sein. Abfälle von der Entstehung bis zur Endlagerung im Transport- und Lagerstadium besser als bisher kon- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) trolliert werden müssen. Gott sei Dank ist im Umwelt- Die dritte Bemerkung zu Ihnen: Sie fordern eine ausschuß auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion der internationale Energiepartnerschaft; das ist richtig. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6195

Gerhart Rudolf Baum Sie haben sich zu meiner Freude sogar positiv zur Entsorgung. Es geht doch nicht an, daß die Energie- europäischen Energiecharta geäußert, die übrigens politik durch erzwungene Weisungen des Bundesum- eine Liberalisierung der Energieversorgung beinhal- weltministers vorangetrieben wird. tet. Glauben Sie eigentlich im Ernst, Herr Schäfer, daß eine internationale Energiepartnerschaft oder eine Ich fordere Sie also auf, Ihre Politik zu überprüfen und zu der alten Kooperation zurückzukehren. europäische Energiecharta ohne Kernenergie mög- lich ist? Glauben Sie das im Ernst? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Klaus Lennartz [SPD]: Natürlich! — Lachen Das ist doch eine der Grundvoraussetzungen dafür, bei der CDU/CSU) daß wir nach außen, insbesondere in die frühere — Ach, Sie isolieren sich. Sowjetunion und in das übrige Osteuropa hinein, (Klaus Lennartz [SPD]: Ach, Quatsch! — handlungsfähig sind. Wir sind es aber nicht einmal im Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Aber eigenen Lande. Wie sollen wir es denn nach außen Herr Baum!) werden, Herr Lennartz? Ich gehöre wahrlich nicht zu denen, die in der Ke rn (Klaus Lennartz [SPD]: Gehen Sie auf unsere -energie — um es zu präzisieren: im Leichtwasserreak- Vorschläge ein!) tor — eine Zukunftsenergie sehen. Das ist wirklich eine dringend umzusetzende Konse- (Klaus Lennartz [SPD]: Was wollen Sie denn? quenz aus der Analyse, die uns hier vorliegt, und diese — Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wol- ist erschreckend genug. len Sie den Brüter?) Aber Sie erwähnen z. B. überhaupt nicht den Hoch- (Klaus Lennartz [SPD]: Eben!) temperaturreaktor und andere Reaktorlinien. Selbst Wir unterhalten uns heute über eines der größten Herr Fischer in Hessen diskutiert darüber heute. Sie globalen Risikopotentiale. Ich bin fest davon über- haben sich völlig abgeschottet. Sie halten immer noch zeugt, daß der Schock von Tschernobyl mit zum an Ihrem Abschaltprogramm fest. Zusammenbruch der früheren Sowjetunion beigetra- (Klaus Lennartz [SPD]: Quatsch! — Harald gen hat. Tschernobyl war ein tiefgreifender Schock für B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: So ein Un- die Sowjetunion. Er hat ihr die Grenzen ihrer Mög- fug!) lichkeiten, auch ihrer technologischen Möglichkeiten, aufgezeigt. Damit kommen Sie nicht zu einer internationalen Zusammenarbeit. Ich bedauere etwas, daß bei der internationalen Wie wollen Sie denn selbständigen Republiken in Diskussion über die Risiken des militärischen Nu- Ostdeutschland einfach Ihr Parteikonzept überstül- klearpotentials dieses Gefährdungspotential im zivi- pen? len Sektor in den Hintergrund tritt. Es gehört zum Nichtverbreitungsthema. (Klaus Lennartz [SPD]: Um Gottes willen!) Glauben Sie, das geht so einfach? Das sind souveräne (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie Staaten. haben recht!) (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Aber Ich könnte mir z. B. vorstellen, daß die Personen, die Sie Ihres! — Weiterer Zuruf des Abg. Klaus jetzt durch die Reduzierung des militärischen Nu- Lennartz [SPD]) klearpotentials freiwerden, hier eingesetzt werden, um bei der Wartung dieser Anlagen und bei zukünf- tigen Verbesserungen einen Beitrag zu leisten. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- Natürlich sehe ich überhaupt keine Schwierigkeit, geordneter Lennartz, Sie haben zwanzig Minuten Herr Lennartz, Ihrer Forderung entgegenzukommen. gesprochen. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Wenn wir es verantwortlich könnten, Sie jetzt auch einmal jemand anderen zu Wort kom- men ließen. (Klaus Lennartz [SPD]: Wir könnten! Wir (Klaus Lennartz [SPD]: Entschuldigung!) müssen wollen, Herr Kollege!) Das gilt für den Kollegen Schäfer ebenfalls. würden wir natürlich sagen: Sofort abschalten! Das kann aber niemand verantwortlich sagen; denn das würde die Energieversorgung in Osteuropa in eine Gerhart Rudolf Baum (FDP): Ich habe nur noch Katastrophe führen. Deshalb müssen wir an kurzfristi- sechs Minuten und bitte, daß ich jetzt ungestört reden gen Verbesserungen und natürlich an einer künftigen darf. Energiestruktur mitwirken, (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Immer (Klaus Lennartz [SPD]: Das haben wir doch diese Polemik von Herrn Baum!) gesagt!) Sie glauben doch wohl auch nicht, Herr Lennartz und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, daß die ohne die Kernkraftwerke auskommt, die gebaut Sie eine Energiepartnerschaft europäisch und inter- worden sind und die noch im Bau sind. national ohne eine Energiepartnerschaft im eigenen (Klaus Lennartz [SPD]: Alles gesagt!) Lande — die wir nicht mehr haben — in die Wege leiten können. Wir müssen zu einer Zusammenarbeit Es ist also ein Problem, das mit einer durchgreifenden zurückfinden. Dies gilt etwa für den Bereich der ökologischen und ökonomischen Erneuerung in Mit- 6196 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Gerhart Rudolf Baum tel- und Osteuropa unmittelbar zusammenhängt und Es gibt keine Alternative zu den Maßnahmen, die wir nicht isoliert be trachtet werden kann. in unseren Antrag geschrieben haben. (Klaus Lennartz [SPD]: Richtig, sehr rich- (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Es gibt tig!) keine Alternative? Den Satz hören wir gerne! Man kann hier nicht die populäre Forderung aufstel- Es ist das Ende der Politik, wenn es keine len, alle Kernkraftwerke müßten jetzt abgeschaltet Alternativen gibt!) werden. Das geht einfach nicht, In bezug auf die Richtungen gibt es keine Alternative, (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) auch wenn man sich über die eine oder andere und das wird niemand drüben verantwortlich tun Formulierung noch einigen kann. Aber Sie haben hier können. einen künstlichen Gegensatz konstruiert, den es so, wie Ihre Zwischenfrage es zum Ausdruck bringt, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) offenbar gar nicht gibt. Nach Auffassung des Deutschen Bundestages kön- nen — so unser Antrag — die Probleme des Umwelt- Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregie- schutzes und der kerntechnischen Sicherheit eben nur rung, sich an der Entwicklung von multilateralen mit internationalen, langfristig angelegten Unterstüt- Hilfsaktionen zu beteiligen. Eine bessere Koordinie- zungsaktionen angegangen werden. Herr Töpfer hat rung und schnellere Realisierung der internationalen sich sehr engagiert. Es sind endlich Analysen und Unterstützungsprogramme ist notwendig. Ich sehe mit Diagnosen auf dem Tisch, die die ganze Dimension Sorge, Herr Kollege Töpfer, daß andere Regierungen des Problems aufzeigen. Wir müssen helfen beim des Westens diesen Problemen nicht das nötige Inter- Aufbau einer unabhängigen, leistungsfähigen Ver- esse entgegenbringen. Ich möchte Sie bitten — Sie waltung, bei der Durchführung von Sicherheitsanaly- tun das ja auch schon —, den bevorstehenden Welt- sen, bei der Durchführung von Musterlösungen, bei wirtschaftsgipfel in München zu nutzen, um für eine der Nachrüstung für den begrenzten Weiterbetrieb internationale Unterstützung zu werben. Die Koope- — Herr Schäfer und Herr Lennartz, das steht auch in ration in der EG ist angelaufen. Die Kooperation der unserem Antrag —, nicht für den unbegrenzten, bei G-24-Staaten ist angelaufen. Überall ist eine Initiative der Schaffung von Möglichkeiten für Ersatzlieferun- der Bundesregierung Ausgangspunkt der Maßnah- gen, bei der Schaffung eines leistungsfähigen euro- men. päischen Verbundes leitungsgebundener Energieträ- Diese internationale Zusammenarbeit und auch die ger und bei der Neustrukturierung der Energiewirt- weitere Zusammenarbeit in der IAEA ist dringend schaft ganz generell. notwendig. Wir brauchen eine internationale Kon- Übrigens ist im Bereich der Entsorgung in der vention zur Sicherheit kerntechnischer Anlagen. Der Sowjetunion ebenfalls ein Riesendefizit festzustellen. deutsche Vorschlag dazu muß endlich realisiert wer- Wir haben auch noch nicht über die Schnelle-Brüter- den. Technologie in der früheren Sowjetunion und über Ich möchte noch eine Bemerkung machen, die eine ihre Auswirkungen gesprochen. Es gibt also ein aktuelle Diskussion in unserem eigenen Lande gewaltiges Feld ungelöster Probleme. betrifft. Wir diskutieren über die MOX-Anlagen in Hessen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Sind Sie (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Ach bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen? — Bitte schön, tung! — Dr. Peter Struck [SPD]: Jetzt aber Herr Abgeordneter Lennartz. vorsichtig!) - — Ja, ja, wir diskutieren darüber. — Ich will zu den Klaus Lennartz (SPD): Herr Kollege, Sie sind in Ihrer einzelnen Dingen gar nicht Stellung nehmen; Rede schon weiter fortgeschritten. In bezug auf die Entsorgung sind wir uns einig. Fragen möchte ich (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: aber: Ist Ihnen vielleicht entgangen, Herr Kollege Schade!) Baum, daß ich von einem schrittweisen Abschalten es gab bisher ja auch keine ausreichende Gelegen- gesprochen habe? Ich lasse Ihnen meine Rede gerne heit, hier darüber zu diskutieren. Ich will nur eines geben. sagen, Herr Kollege Schäfer: In der Sowjetunion gibt es ein großes Problem bei der Entsorgung von spalt- barem Material, insbesondere von Plutonium. Gerhart Rudolf Baum (FDP): Na gut. Dann ist mir aber völlig unverständlich, Herr Kollege Lennartz, (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Auch daß Sie uns vorwerfen, daß wir in unserem Antrag im Westen! In den USA!) nicht fordern, daß sozusagen eine Garantie dafür Die MOX-Verarbeitung ist dafür eine technische gegeben wird, daß die Kernkraftwerke nicht weiter Lösung. Dabei hat die Bundesrepublik einen techni- betrieben werden, und so tun, als würden wir nicht schen Vorsprung. Es ist eine Lösung. Ich kenne im sensibel sagen: Im Grunde müßten sie abgeschaltet übrigen keine andere, die dazu beitragen könnte, mit werden. dem Riesenproblem des spaltbaren Materials aus dem (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) militärischen Bereich in der Sowjetunion fertigzuwer- Herr Kollege Lennartz, machen Sie hier doch keine den. Klimmzüge. Sie können unserem Antrag zustimmen. (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Da gibt Tun Sie es doch! es übrigens auch in den USA ein Problem, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Herr Baum!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6197

Gerhart Rudolf Baum Meine Damen und Herren von der Opposition, die Nachrüstungsgeschäfte für Atomkraftwerke sind neuen internationalen Entwicklungen, die tiefgrei- tödlich, und deshalb dürfen auch keine Ersatzteile fenden Veränderungen in Europa haben auch Einfluß zum Weiterbetrieb aus Greifswald nach Kozloduj auf uns, sie haben auch Einfluß auf alte Positionen. geliefert werden. Kozloduj muß ebenso wie Greifs- Einiges muß neu überdacht werden, nicht nur bei wald sofort endgültig stillgelegt werden. Jede Mark, Ihnen, sondern auch bei uns, aber hier insbesondere die in die marode Atomwirtschaft investiert wird, ist bei Ihnen. Ich möchte Sie daher auffordern: Nehmen eine Mark zuviel. Wenn trotz des Wissens um die Sie Abschied von Ihrer alten, festgefügten Position akute Gefährdung durch Kozloduj Ersatzteile aus eines zeitlich befristeten Abschalt-Konzepts! Kehren Greifswald für den Weiterbetrieb geliefert werden Sie zurück zu einer Kooperation im Bereich der und diverse Firmen mit diesen Reaktoren ihre Energiepolitik und der Entsorgung, auch zu einer Geschäfte machen, wirft das ein bezeichnendes Licht Kooperation im Bereich von MOX! auf die hierfür Verantwortlichen, also auch auf Sie, Mit der Koalition können Sie sich offen über die Herr Töpfer. Es sind die gleichen Leute, die uns in der direkte Endlagerung unterhalten. Das ist kein Pro- Öffentlichkeit weismachen wollen, daß die Atom- blem mehr. Wenn sie technisch möglich ist, ist sie eine kraftwerke in den westlichen Ländern sicherer seien, Option. Aber lassen wir diese Schaukämpfe ange- weil sie, die Verantwortlichen, verantwortungsvoller sichts der gravierenden Probleme, über die wir heute damit umgingen. sprechen! Es gibt einen Themenwechsel. Vieles sieht Der letzte Brand in Tschernobyl beweist: Nur die anders aus, nachdem die Sowjetunion zusammenge- sofortige Stillegung aller Reaktoren des Tschernobyl brochen ist und nachdem wir wirklich wissen, welch Typs RBMK kann weitere Katastrophen verhindern. katastrophale Situation dort herrscht. Das muß zu Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Konsequenzen führen. Dafür plädiere ich heute. Ich andere Bauarten ihr eigenes, spezifisches Störfallpro- habe die Bundesregierung nicht zu kritisieren. Sie hat fil haben. Sie sind deshalb nicht wesentlich sicherer, hier ihre Pflicht getan. auch nicht im Westen. Westliche Sicherheitstechnik (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) wird keinen schweren Störfall im AKW Kozloduj in Bulgarien verhindern können. Auch in Druckwasser- reaktoren sind Störfälle möglich, siehe Harrisburg, Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- siehe Biblis A. Alle Atomanlagen müssen stillgelegt teile ich der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann das werden. Es gibt keine absolut sicheren Atomkraft- Wort. werke, nur unsichere und solche, die noch unsicherer sind. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Herr Natürlich würde ein Energie-Crash-Programm die Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Herr Birk- Länder Osteuropas in Schwierigkeiten bringen, so wie hofer, Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsi- auch Frankreich Probleme mit der Stromversorgung cherheit, vor kurzem vor der Presse erklärte, ist mit bekommen würde. Eine verfehlte Energiepolitik, das Nachrüstungskosten in Höhe von 500 Millionen bis Setzen auf die mit der militärischen Nutzung untrenn- 2 Milliarden DM pro Reaktorblock in Osteuropa zu bar verbundene Atomenergie, zeitigt hier ihre Folgen. rechnen. Den Tschernobyls und Kozlodujs soll also Die Katastrophe in Tschernobyl, die 1986 stattgefun- viel Geld nachgeworfen werden. Hintergrund dieser den hat, beweist jedoch: Dieses Thema kann nieman- Aktion ist keinesfalls die Sorge urn die Sicherheit der dem egal sein. Allen, die ausstiegswillig sind, jedoch Reaktoren im Osten. Nein, es geht vor allem um die durch diesen Schritt massive wirtschaftliche und Sicherheit der Gewinne der bundesdeutschen Atom- - soziale Schwierigkeiten bekommen, sollte geholfen industrie. werden. Insbesondere die reichen EG-Staaten sind (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) hier in der Pflicht. Auf der anderen Seite hat die westliche Atomlobby Eine Energiesparcharta muß Osteuropa den Aus- offenbar auch eine panische Angst davor, die Länder stieg aus der Atomenergie ermöglichen. Statt Geld für Osteuropas könnten mit dem Ausstieg aus der Atom- weitere, fragwürdige Sicherheitstechnik auszugeben, energie beginnen. Möglicherweise sieht sie ihre Felle sollte umgehend im Rahmen einer europäischen schon davonschwimmen. Energiesparcharta — ich wiederhole diesen Beg riff Wir fordern, dieses Geld nicht in die atomare extra — der Ausstieg aus der Atomenergie in Ang riff Nachrüstung zu stecken, sondern Osteuropa aus- genommen werden. Durch effiziente Energienutzung schließlich Hilfe zur Selbsthilfe für den konventionel- und Energieeinsparung kann eine umweltfreundli- len Kraftwerkspark zur Verfügung zu stellen. Es ist che, sozialverträgliche und ressourcenschonende sinnvoller, kurzfristig die vorhandenen konventionel- Energieversorgung in Ost- und Westeuropa verwirk- len Kraftwerke in einem Notprogramm zu moderni- licht werden. Die Technologien sind vorhanden. sieren. Langfristig müssen alternative Energiekon- Allein der politische Wille fehlt. zepte umgesetzt werden. Es geht nicht an, daß z. B. Die PDS/Linke Liste fordert daher von der Bundes- Bulgarien zugunsten der Investitionen in den Nukle- regierung und der EG, keine weiteren Gelder mehr für arbereich die Modernisierung der konventionellen die Förderung der Atomenergie auszugeben. Wir Kraftwerke seit Beginn dieses Jahres ausgesetzt hat. werden deshalb gegen den Antrag der Koalition Obendrein gibt es bisher noch keine ausreichende stimmen. Energiebilanz, die die Auswertung von Greenpeace widerlegt hätte, daß nämlich Bulgarien auch ohne (Zuruf von der CDU/CSU: Das wundert uns Atomstrom über den Winter kommen könnte. nicht!) 6198 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Dagmar Enkelmann Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. bliebenen ökologischen Umbau auch im Westen (Beifall bei der PDS/Linke Liste) sein. Konstitutiv für den ökologischen Aufbau in Osteu- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun hat ropa, ebenso in der ehemaligen DDR, und für den der Abgeordnete Schulz (Berlin) das Wort. ökologischen Umbau des Westens ist aber weiterhin der Ausstieg aus der Atomenergie in Ost und West. Werner Schulz (Berlin) (Bündnis 90/GRÜNE ): Herr Nötiger denn je ist heute auch der Einstieg in die Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergange- dezentrale Sonnenenergiewirtschaft. In diesen 90er nen Jahr ist uns wieder einmal überdeutlich gezeigt Jahren werden entscheidende Weichen für das Über- worden, wie nahe wir täglich einem weiteren atoma- leben der Menschheit gestellt. ren Super-GAU sind. Der Katastrophenreaktor von Es ist an uns Politikern, einen geeigneten Rahmen Tschernobyl und das schrottreife Atomkraftwerk in für den Erhalt und die Rückgewinnung einer lebens- Kozloduj sind eindringliche Warnungen. Sämtliche werten Umwelt zu sichern. Weder der Koalitionsan- Reaktortypen baugleicher Art in Ost- und Mitteleu- trag zur Reaktorsicherheit in Ost- und Mitteleuropa ropa sind eine allgegenwärtige Bedrohung von Men- noch der vom Umweltausschuß unterstützte Vor- schenleben und Umwelt. Nach Monaten von Untersu- schlag des Rates zur Änderung der EURATOM- chungen und Berichten über die Sicherheit in diesen Richtlinie über radioaktive Transporte führen auf den Kernkraftwerken — hier zumindest hat sich auch richtigen Weg. Beide halten krampfhaft an der Atom- Bundesumweltminister Töpfer hervorgetan — müß- energie fest und suggerieren den Bürgern deren ten die Gefährdungen durch die Atomkraftnutzung in Machbarkeit und weitere Notwendigkeit. den ehemaligen RGW-Staaten doch allgemein Da die Atomenergie nun einmal die Fessel ist, die bekannt sein. Die Zeit zum Handeln, zur aktiven umweltvergiftende Energiesysteme zusammenhält, Vorbeugung gegen weitere Katastrophen müßte für lehnen wir beide Vorlagen ab. alle hier Versammelten gekommen sein. Doch dem ist offenbar nicht so. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Der Antrag der Koalitionsfraktionen zur Reaktorsi- cherheit in den Staaten Mittel- und Osteuropas offen- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- bart, wie lernunfähig die Regierung in Sachen Atom- teile ich dem Minister für Umwelt, Naturschutz und energie bleibt. Da wird zwar ein internationales Reaktorsicherheit, Dr. Klaus Töpfer, das Wort. Sofortprogramm unter Beteiligung internationaler Finanzierungsinstitutionen eingefordert, aber alles Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister für Umwelt, nur, um weiterhin den Erhalt von Atomkraftwerkska- Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! pazitäten zu sichern. Statt ein sofortiges Abschalten Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zusam- der Baulinie à la Tschernobyl und Kozloduj anzumah- menbruch des Marxismus-Leninismus als Ordnungs- nen, drängt die Koalition nur auf ein sukzessives ideologie praktisch der Hälfte dieser Welt hat alle Abschalten, wobei die übrigbleibenden Druckwasser- Politikbereiche — ich betone: alle Bereiche — vor reaktoren nach sicherheitstechnischen Auf- und völlig neue Dimensionen des Handelns gestellt. Dies Nachrüstungen noch lange in Bet rieb gehalten wer- gilt auch für die Energiepolitik, und es gilt für die den sollen. Die dafür erforderlichen 15 Milliarden DM Reaktorsicherheit. werden die westliche Atomindustrie massiv subven- tionieren. Der wirtschaftlichen Entwicklung des Bei diesen Veränderungen der Dimensionen ist — Ostens werden sie keine Impulse geben können. Über allein in Kenntnis des Gefahrenpotentials — die Frage den Umweg Ost- und Mitteleuropa versucht die der Reaktorsicherheit natürlich eine der ganz zentra- Atomlobby, eine Renaissance der Kernenergie her- len, eine der herausragenden Fragen. Deswegen ist es beizuführen. Der vorliegende CDU-FDP-Antrag un- nicht verwunderlich, daß die Bundesregierung, terstützt dieses Anliegen nach Kräften. unmittelbar nachdem Möglichkeiten, umfassende Die Argumente der Atomlobby — das hat die Informationen zu erreichen, geschaffen worden waren, gehandelt hat. madiskussion deutlich gezeigt — sind kurzsichtig und falsch. Statt weiterhin der Atomlobby aufzuhelfen, Wir haben dort gehandelt, wo wir unmittelbar sollte die Bundesregierung Hilfe zur Selbsthilfe für Entscheidungsmöglichkeiten hatten, nämlich in Osteuropa bei den westeuropäischen Nachbarn ein- Greifswald, in Rheinsberg, wo wir nach einer Sicher- fordern und selbst bereitstellen. Diese Länder benöti- heitsanalyse die dort betriebenen Kernkraftwerke gen Hilfen, die den Aufbau eines wirklich ökologie- stillgelegt haben; sie werden auf Dauer stilliegen verträglichen und der Wirtschaftsentwicklung dauer- bleiben. haft zuträglichen Energiesystems erleichtern. Wir haben auch unmittelbar die Möglichkeiten 15 Milliarden DM lassen sich wirklich sinnvoller genutzt, durch vielfältige Gespräche mit den jetzt verwenden, als damit die Auftragsbücher der Atom- Verantwortlichen in den Nachfolgerepubliken der kraftwerksbauer zu füllen, z. B. für die Ausgestaltung Sowjetunion, aber auch in den anderen Staaten Mit- einer hocheffizienten dezentralen Energiestruktur. tel- und Osteuropas Informationen über den Sicher- Dies wäre der Weg für eine zunehmende selbständige heitsstandard der dort betriebenen Kernkraftwerke Entwicklung. So ließe sich der ungeheure Rückstand sowjetischer Bauart zu bekommen und alles daranzu- in der wirtschaftlichen Entwicklung zu den westlichen setzen, um durch Sofortmaßnahmen Risiken zumin- Industrienationen schneller verkürzen. Überdies dest zu mindern. würde ein ökologischer Aufbau der Energiewirtschaft Ergebnis dessen ist ein Bericht, den wir dem Aus- in Osteuropa richtungweisend für den bislang ausge- schuß vorgelegt haben, ein Bericht, der ganz ohne Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6199

Bundesminister Dr. Klaus Töpfer Zweifel weltweit die beste Zusammenstellung, den Wenn Sie, Herr Kollege Lennartz, dazu hier nicht besten Überblick über die Situation von Kernkraft- sprechen wollen, dann lassen Sie uns das zumindest werken in den Staaten Mittel- und Osteuropas bietet. als einen Punkt mit weiter verfolgen, von dem wir Er ist international zu einem wirklich sehr gefragten sagen: Er ist bedeutsamer als irgendwelches Finger- Papier geworden. hakeln aus dem Ende der 80er Jahre, wo wir vor ganz anderen Problemen standen, als wir sie jetzt zu Wir haben einen Überblick über die Zahl und die bewältigen haben. Darüber müssen wir sprechen. Struktur der Kernkraftwerke gegeben. Über 60 Kern- kraftwerke sind es, über die es zu diskutieren und zu (Beifall bei der CDU/CSU) entscheiden gilt, die meisten davon in Rußland, in der Ukraine und in Litauen. Das sind Schwerpunkte, die Daß die Bundesregierung das sehr ernst nimmt, sich natürlich auch in der Bedeutung für die Energie- zeigt ihr Handeln. Der Kollege Genscher ist gegen- versorgung niederschlagen. Auch Ungarn und Bulga- wärtig in Washington. Dort wird mit einer Vielzahl von rien haben hohe Versorgungsanteile, nämlich 50 bzw. Staaten die Frage erörtert, wie wir ein Sofortpro- 35 %. gramm der Hilfe für die GUS - Staaten bekommen. Zwei Arbeitsgruppen — vielleicht ist Ihnen das ent- Dieser Bericht, meine Damen und Herren, konnte gangen — beschäftigen sich mit Energie und mit nur die Fakten aufzeigen und eine erste Bewertung technischer Hilfe, und in beiden Bereichen ist die der Sicherheitsstandards ermöglichen. Er hat noch Bundesregierung sehr deutlich und klar an der Spitze nicht einmal dies umfassend machen können, denn er derer, die gesagt haben: Hier muß etwas getan wer- bezieht sich noch nicht auf die gesamten Fragen des den. Kollege Genscher hat natürlich auch darauf Entsorgungsbereichs. Wir werden ihn daher fort- hingewiesen, daß wir die Kernkraftwerke abzustellen schreiben. Wir konnten das noch nicht tun, weil die haben, und wir haben das mit in den Bereich der Arbeiten daran in Zusammenarbeit mit den dort Energiepolitik in diesen Ländern eingebunden. Verantwortlichen noch nicht zu weit vorangebracht worden sind. Wir haben von Anfang an das gleiche getan, indem wir auf unsere Initiative hin eine Überprüfung der

Wir wissen, daß gerade im Entsorgungsbereich Kernkraftwerke in Mittel - und Osteuropa durch die große Aufgaben auf uns warten. Deswegen bin ich IAEA in die Wege geleitet haben. Das ist durch unsere dem Kollegen Baum sehr dankbar, daß er den Blick Initiative möglich geworden. Wir sind es gewesen, die auf diese Fragen erweitert hat. Viele von denen, die so die Sonderkonferenz in Wien in die Wege geleitet vordergründig jeglichen Ausstieg aus der Plutonium- haben, wir sind es gewesen, die die Voraussetzungen wirtschaft bei uns gefordert haben und glauben, damit geschaffen haben, daß es zu einer Sicherheitskonven- auch Technologien, die wir brauchen, um Plutonium tion für den Betrieb von Kernkraftwerken kommt. Wer wirklich zu vernichten, ablehnen zu müssen, werden diese ganzen Fakten nicht zur Kenntnis nimmt, den dies jetzt zu überprüfen haben. muß man wirklich fragen, ob er sich eigentlich aus der Bewältigung der Probleme ausklinken will, denen wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) uns gegenübersehen, und ob er wirklich nur noch mit Wir fordern oder erwarten von der SPD doch wirk- plakativen Sätzen die Diskussion der 80er Jahre lich nichts anderes. weiterführen will. Nicht Stellung nehmen will ich zu dem, was Frau (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Enkelmann gesagt hat. Kollege Waigel würde sagen: Das war noch nicht mal wert, ignoriert zu werden. Es Wir sind für den Antrag der Koalitionsfraktionen wäre gut, wenn man sich das an anderer Stelle deswegen so dankbar, weil er nicht ein „Weiter so" wirklich überlegen würde. Aber wir erwarten und bedeutet, sondern eine Nachdenklichkeit zur Be- bitten Sie doch wenigstens darum, daß m an, wenn wir handlung der Probleme mitbringt, die wir — ich sage neue Dimensionen politischen H andelns haben, dann es noch einmal — gar nicht mehr wegdenken können, nicht mit den alten Rezepten weiterarbeitet. Das ist sondern die uns schlicht und einfach gestellt sind. doch die ganze Kunst! Wir wissen, daß in vielen Fällen nur das Abschalten hilft. Wir haben uns massiv dafür eingesetzt. Es ist (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ihnen vielleicht entgangen, daß im Nachgang zu Lassen Sie uns doch einmal weggehen von der meinem Besuch in Tschernobyl, also in der Ukraine, Grundverdächtigung, es ginge dieser Bundesregie- der Oberste Sowjet der Ukraine beschlossen hat, rung und den sie tragenden Parteien darum, die Tschernobyl innerhalb der Zeit bis 1993 vom Netz zu „Atomlobby" zu unterstützen. Was ist das eigentlich nehmen. Das ist aber eine Entscheidung, die wir nicht für eine Gedankenkategorie? Das Entscheidende ist, mit Joint-ventures erreichen können, daß wir nicht aus der Plutoniumwirtschaft aussteigen, sondern daß es in diesem historischen Prozeß ver- (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das gleichsweise viel Plutonium gibt und wir uns gemein- hat Herr Lennartz auch nicht behauptet! Herr sam die Frage stellen müssen: Was machen wir damit, Töpfer, jetzt aber sachlich!) und wie können wir das so entsorgen, daß damit für denn da geht es nicht um den Neubau eines Kraft- die Menschheit keine Probleme verbunden sind? werks, sondern darum, daß wir gemeinsam Ab- (Zustimmung bei der CDU/CSU und der schaltkonzepte entwickeln und klären, wie man ein FDP) Kernkraftwerk wie Tschernobyl sicher vom Netz nehmen kann und wie man dies auch mit finanziellen Das sind die Fragen! und technischen Hilfen, die wir mit einbringen, 6200 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Bundesminister Dr. Klaus Töpfer machen kann. Das kann ich nicht tun, indem ich eine französischen, schwedischen und finnischen Kolle- Hermes-Bürgschaft gebe, sondern nur dadurch — — gen. Wir sind nun dabei, diese administrativen Struk- turen gemeinsam aufzubauen. Die GUS wird in Kiew (Klaus Lennartz [SPD]: Billig! — Harald und in Moskau eigene Büros einrichten, um ganz B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist unter konkrete, ganz unmittelbare Arbeit zur Erhöhung der Ihrem Niveau! Es ist zu billig!) Sicherheit in diesem Bereich zu ermöglichen. — Es ist nicht billig, Zweitens. Wir brauchen die Erstellung von Sicher- (Klaus Lennartz [SPD]: So geht es aber nicht! heitsanalysen. Auch dazu hat die Bundesregierung in — Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: ganz besonderer Weise Anstoß gegeben. Wir haben Schade — bei einem so ernsthaften die Sicherheitsanalysen für den älteren WWER-Typ Thema!) — Beispiel Greifswald — gemacht. Wir haben das- selbe bei den jüngeren WWER-Reaktoren getan. Wir aber es ist eine der durchgehenden Verfahrenswei- machen es bei den 1 000-Megawatt-Blöcken. Und wir sen, daß Sie in dem Moment, wo eigentlich die Logik sind dabei, zusammen mit anderen, dies auch für den der Argumentation dazu führen würde, daß Sie sagen RBMK, also für den Tschernobyl-Reaktor zu tun. „Jawohl, da hat er recht", versuchen, durch wirklich nicht mehr sachliche Zwischenrufe die Argumenta- Dadurch ist zumindet der Ansatz für eine gezielte tion zu unterbrechen. Nachbesserung gegeben. Das ist der dritte Teilbe- reich, also Nachrüstung für begrenzten Weiterbetrieb (Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Aber von Kernkraftwerken und — in einigen Fällen — auch er hat das doch gar nicht gesagt!) für Dauerbetrieb bei den neuesten Anlagen. Auch das Das ist der Punkt! ist eine wichtige Aufgabe, der wir uns nicht verschlie- ßen. Wir tun das mit dem Ziel, die sichere Umstruktu- (Beifall bei der CDU/CSU — Klaus Lennartz rierung der Energieversorgung in diesen Ländern zu [SPD]: Was soll dieser Unsinn?) ermöglichen, Also, wir sind ungleich weiter, als Sie sich das im Augenblick vorstellen können. Ich sage noch einmal: (Klaus Lennartz [SPD]: Da stimmen wir über Überprüfen Sie Ihre Positionen jetzt! Denn Sie werden ein!) eine Veränderung der Energiepolitik in Europa mit- ohne dabei abrupte Brüche zu machen. Aber wenn wir zutragen haben, wenn Sie weiterhin wirklich das tun wollen, müssen wir jetzt dort nachrüsten, wo Gesprächspartner bleiben wollen; das ist die Situa- durch Nachrüstung noch ein vernünftiger, zumindest tion. verantwortlicher Betrieb gewährleistet werden Ich nehme nachhaltig das auf, was Herr Kollege kann. Baum gesagt hat. Wir haben intensiv mit daran (Klaus Lennartz [SPD]: Genau das habe ich gearbeitet, eine europäische Energiecharta zu ma- gesagt!) chen. Aber wer in einer europäischen Energiecharta Also, meine Damen und Herren, drei wichtige eine Zukunft sieht, wird sich damit abzufinden haben, Aufgabenfelder: administrative Strukturen aufbauen daß dies eine Zukunft mit Kernenergie ist. — wir tun es —, Entwicklung von Sicherheitsanalysen (Klaus Lennartz [SPD]: Das sagen Sie immer! — das ist weitgehend vorangeschritten — und Nach- — Harald B. Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das rüstung für den begrenzten Weiterbetrieb. wollen Sie!) Dies alles ist natürlich in eine Weiterentwicklung Sie werden die Franzosen in einer Energiecharta für- der Energieversorgungsstrukturen in diesen Ländern Europa doch nicht mit hineinnehmen können, wenn eingebunden. Wir brauchen eine Stromsubstitution Sie vorher gesagt haben, m an muß aus der Kernener- als Folge einer notwendigen Stillegung von Ke rn gie ausgestiegen sein. Von daher sollte man alle -kraftwerken. Es ist gar keine Frage, daß wir Kernkraft- Verdächtigungen, hier werde eine Politik gemacht, werke stillzulegen haben und deswegen an anderen die über den Problemen in Mittel- und Osteuropa Stellen wieder aufbauen müssen. Auch hier gibt es eine Entlastung für die Kernenergie in der Bundesre- — gar keine Frage — gute Bereiche der energiepoli- publik fahren wolle, nun wirklich wegnehmen. Es ist tischen Zusammenarbeit. Auch hier ist die Bundesre- wirklich so vordergründig, daß man sich damit eigent- gierung tätig. Kollege Möllemann wird in wenigen lich gar nicht mehr auseinanderzusetzen braucht. Tagen in diese Staaten fahren. In Gesprächen dort werden wir gerade auch Fragen der Energiepolitik in (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) den Mittelpunkt stellen. Denn vieles wäre sicherlich Wenn wir weitergehen, meine Damen und Herren, besser zu machen, wenn etwa die Technologien der ergeben sich für uns Notwendigkeiten der Hilfe auf Gewinnung und der Verteilung von Energie in diesen drei Ebenen: zum ersten auf der Ebene des Aufbaus Staaten verbessert würden, um auf diese Weise Ver- administrativer Strukturen. Ich sage das sehr nach- luste zu vermeiden. Die eingesparten Kosten könnten drücklich. Denn es ist ein zunehmendes Risikopoten- dann an anderer Stelle zur Refinanzierung von Inve- tial darin zu sehen, daß es keine Verwaltungsstruktu- stitionen eingesetzt werden. ren gibt, die sicherstellen, daß die Sicherheit und die (Beifall bei der CDU/CSU) Genehmigungsfragen im Zusammenhang mit Kern- kraftwerken wirklich unabhängig geregelt werden Insgesamt also nicht nur ein Beklagen einer können. Deswegen haben wir uns dieser Frage ange- schlechten Situation, sondern ein in sich geschlosse- nommen. Wir haben die Kollegen aus Rußland und nes Konzept, das nur möglich wurde — auch das der Ukraine in München gehabt, gemeinsam mit den möchte ich unterstreichen —, weil die Bundesregie- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6201

Bundesminister Dr. Klaus Töpfer rung nicht, wie ihr immer wieder anempfohlen wurde, Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen den Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland Ländern gemacht, sondern hier Know-how entwickelt hat, das — Drucksache 12/1323 sie überhaupt erst zum Sicherheitspartner, zusammen —Überweisungsvorschlag: mit anderen, hat werden lassen. Wären wir auf Ihren Ausschuß für Fremdenverkehr (federführend) Wunsch hin ausgestiegen, so hätten wir gar nicht das Ausschuß für Wirtschaft Know-how und die Kenntnisse, die jetzt notwendig Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind, um mit diesen Risiken in Mittel- und Osteuropa Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit umzugehen. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen eine Debattenzeit (Beifall bei der CDU/CSU) von eineinhalb Stunden. — Einwendungen dagegen erheben sich nicht. Damit ist dies beschlossen. Auch das bestätigt, daß wir einen außerordentlich Ich eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich richtigen Kurs in der gesamten Energiepolitik gefah- dem Abgeordneten Dr. Olderog das Wo rt. ren sind und daß wir der Tatsache, mit moderner Technik sicher leben zu können, Rechnung ge tragen haben. Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Ich bin ganz sicher, daß auch die Opposition sehr sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute bald einsehen wird, daß dieses Verfahren verantwort- die erste tourismuspolitische Debatte in dieser Wahl- lich ist und daß wir auf dieser Basis wieder einen periode. Sie soll deutlich machen: Die für uns Touris- Konsens auch in der Energiepolitik in der Bundesre- muspolitiker im Bundestag mit Abstand wichtigste publik Deutschland gewinnen können. Ich bin sehr Aufgabe ist der Aufbau des Fremdenverkehrs in den gewiß, daß diese Erkenntnisse über die Zwänge und neuen Bundesländern. Hier können mit vergleichs- Notwendigkeiten der energiepolitischen Zusammen- weise wenig Kapital besonders viele Arbeitsplätze arbeit in Europa die Nachhilfe im Denken auch bei der geschaffen werden. SPD beflügeln wird. Dies sind die zehn wichtigsten Aufgaben: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Erstens. Alle geeigneten, noch nicht für den Touris- Lachen bei der SPD — Harald B. Schäfer mus geöffneten Gästezimmer sind so rasch wie mög- [Offenburg] [SPD]: „Verblaßt, verblaßt", lich auf den Markt zu bringen. Die Treuhandanstalt, schreibt die „Welt"!) leider allzu oft einseitig nur kritisiert, arbeitet unter extrem schwierigen Bedingungen. Sie hat — das möchte ich betonen — mit der Privatisierung fast aller großen Hotels sowie aller Gaststätten bereits Respek- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Wir sind tables geleistet. Jetzt muß sie in einer konsequent am Ende der Aussprache über diesen Tagesordnungs- verstärkten Anstrengung die Privatisierung von punkt. Ferienheimen der Betriebe und des ehemaligen Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des FDGB sowie der Gästehäuser von NVA, Stasi und Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Partei vorantreiben. zur Reaktorsicherheit auf der Drucksache 12/1906 an Zweitens. Die Ausstattung von Hotels, Pensionen die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und auch Gaststätten liegt meist weit hinter dem vor. — Weitere Vorschläge aus dem Haus werden westlichen Standard zurück. Vor allem kleine und nicht gemacht. Damit ist die Überweisung so beschlos- mittlere Be triebe und auch Besitzer von Privatquartie- sen. ren ermutigen wir, kräftige Anstrengungen für eine Wir stimmen über die Beschlußempfehlung des Rundummodernisierung zu unternehmen. Die Bun- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- desregierung bietet Förderprogramme an. cherheit auf der Drucksache 12/1752 ab. Es handelt Drittens. Zu einem modernen touristischen Angebot sich um die Änderung einer EG-Richtlinie zum Schutz zählen auch naturnah und landschaftsbezogen gestal- gegen Strahlungen. tete Anlagen für Spiel und Spaß, für Gesundheit und Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen Sport. Hier gibt es einen erheblichen Nachholbe- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer darf. stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Diese Beschluß- Viertens. Auf längere Sicht zweifellos das Wichtig- empfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der ste ist eine gute Landes - , Regional - und Ortsplanung. FDP und der SPD bei Enthaltung der Gruppe der Sie muß sorgfältig durchdacht sein. Denn hier können PDS/Linke Liste angenommen worden. die größten, später irreparablen Fehler gemacht wer- den. Es geht um die notwendige Balance zwischen arbeitsplatz- und einkommenschaffenden Investitio- nen einerseits und dem Erhalt von möglichst viel Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Natur andererseits. Die Regionalplanung sollte koor- Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich dinierend sicherstellen, daß jeder Fremdenverkehrs- Adam, Anneliese Augustin, Dietrich Auster- ort sein charakteristisches Gesicht erhält, bewahrt und mann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion nicht alle eintönig das gleiche bieten. der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gi- Fünftens. Wir wollten einen sanften Tourismus, sela Babel, Günther Bredehorn, Dr. Olaf Feld- Tourismus mit Einsicht. Natur und Landschaft sind das mann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Fundament des Fremdenverkehrs. Aber die Erfahrun- der FDP gen in den alten Bundesländern rechtfertigen keines- 6202 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Rolf Olderog falls, touristische Konzentrationen, Großprojekte ge- Sie regiert in Bonn und sogar in vier der neuen nerell abzulehnen, vorausgesetzt, diese passen sich östlichen Länder. Ob es bei vier bleibt, muß man architektonisch anspruchsvoll der Landschaft an. sehen. Besonders wichtig: Zum Ausgleich dafür müssen dann (Lachen bei der CDU/CSU — Werner Dörf aber an anderer Stelle große Naturräume völlig frei- linger [CDU/CSU]: Vielleicht sind es bald gehalten werden. fünf!) Sechstens. Zum touristischen Kapital der neuen Länder zählen herrliche Baudenkmäler und phan- Sie kann handeln und muß nicht wie die Opposition tastische historische Bausubstanz. Sie zu erhalten ist auf die Schwächen dieser Regierung hinweisen, um kulturelle Verpflichtung, zugleich ein Gebot des sie zu wirkungsvollem Handeln zu bewegen. Aber die Fremdenverkehrs. Koalition ist wohl mit uns der Meinung, die Regierung tut zuwenig, ihre politischen Vorgaben sind nicht Siebtens. Früher wurde Tourismus verwaltet, heute richtig. müssen ihn die Touristiker verkaufen. Deswegen ist (Iris Gleicke [SPD]: Sehr richtig!) der rasche Aufbau örtlicher und überregionaler Frem- Zu Recht wird die Bundesregierung in Nr. 6 des denverkehrs - und Marketingorganisationen beson- ders wichtig. Antrages aufgefordert, „darauf hinzuwirken, daß die Treuhand und die Bundesvermögensverwaltung die Achtens. Auch diejenigen, die in der früheren DDR Objekte unter Beachtung der Umwelt- und Sozialver- eine gute touristische Fachausbildung erfahren träglichkeit schnellstmöglich einer Nutzung zufüh- haben, müssen in einer Wettbewerbswirtschaft dazu- ren." Von den rund 700 bis 800 Ferienheimen des lernen. Deswegen wollen wir die Vermittlung von ehemaligen FDGB sind bisher drei privatisiert. Nur Know-how, wollen wir Schulung und Training ver- ein Drittel dieser Heime ist verpachtet, ein Drittel wird stärkt fördern. Den vielen ABM-Kräften, die jetzt notbewirtschaftet, und das letzte Drittel ist geschlos- Pionierarbeit leisten, sollten wir durch eine qualifi- sen. zierte Fachausbildung langfristig eine berufliche Per- spektive sichern. (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist schlimm, Neuntens. Die reizvollsten Feriengebiete erreichen ja!) nicht die gewünschte Gästezahl, wenn die Urlauber — Das ist sehr schlimm. Von den 3 600 Betriebsferien- nur unter Mühen und Strapazen dorthin kommen. objekten wurden von der Treuhand 3 000 als touris- Unverzichtbar sind deshalb gute Fernstraßen und musfähig eingeschätzt. Im November 1991 waren nur Zugverbindungen. rund 500 Objekte verpachtet oder privatisiert. Zehntens. Noch fehlt es an einer erfahrenen und Aber noch nicht einmal diese Zahlen scheinen eingespielten Verwaltung. Auch im Fremdenverkehr gesichert zu sein. Aus den verschiedenen Papieren läuft vieles noch zu mühsam und schwerfällig. Wir der Treuhand sind unterschiedliche Zahlen zu ent- unterstützen deshalb den Wunsch aus den neuen nehmen, je nachdem, welcher Ausschuß die Zahlen Bundesländern, daß die Bundesregierung bei der anfordert: der Unterausschuß Treuhand, aus dem ich Koordinierung der Tourismuspolitik sowie bei der komme, oder der Unterausschuß Fremdenverkehr. Erstellung touristischer Konzeptionen tatkräftig hilft. Weil das ordnungspolitisch und insbesondere von den Der Kreistag in Wolgast — das ist eine Stadt im verfassungsmäßigen Zuständigkeiten her allerdings Nordosten Deutschlands — wollte am 13. Januar mit problematisch ist, darf und soll das nur für eine einem Vertreter der Treuhand über die Privatisierung Übergangszeit geschehen. reden. Aber der erschienene Vertreter war zu einer - Aussage nicht in der Lage. Das ist leider kein Einzel- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die fall. neuen Lander mit ihren herrlichen Landschaften, historischen Städten und ihrem reichen Schatz an Die Zeit läuft. Die Saison 1992 steht vor der Tür. Kultur- und Baudenkmälern haben alle Chancen, Ostseebäder wie Zinnowitz, Ahlbeck und Heringsdorf wieder attraktive Reise- und Urlaubsziele für in- und leben von dem Urlauberbetrieb. ausländische Gäste zu werden. Das versichern wir Eine Ursache für diese zögerliche Arbeit der Treu- unseren Landsleuten: Wir im Bundestag stützen sie hand ist die unklare Struktur der Treuhandarbeit auf nach besten Kräften. diesem Gebiet. Es gibt einen Koordinator und vier Danke schön. Abteilungen, die sich mit der Privatisierung von (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herbergseinrichtungen befassen. Klare Zuordnungen scheinen zu fehlen. Aber die Hauptursache für dieses negative Ergebnis Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- liegt vor allem bei den falschen politischen Vorgaben. teile ich dem Abgeordneten Kuessner das Wort. Die SPD hat in diesem Hause schon oft gefordert: An erster Stelle sollte die Entschädigung der Alteigentü- mer stehen und nicht die Rückgabe der Grund- Hinrich Kuessner (SPD): Herr Präsident! Meine stücke. Damen und Herren! Die Tendenz des Antrages der (Beifall bei der SPD) Koalition ist gut und sinnvoll. Ich frage mich dennoch: In diesem Ausschuß scheint das ja Konsens zu werden. Warum stellt die Koalition diesen Antrag? Ich zitiere meinen Vorredner aus seiner letzten Pres- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sie hätten ihn ja semeldung: „Dieser Zustand ist aber nicht in dieser unterstützen können!) Form der Treuhandanstalt anzulasten. Die Gründe Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Borm, Freitag, den 24. Januar 1992 6203

Hinrich Kuessner liegen insbesondere in gesetzlichen Vorgaben. " — Widerstand. Die Infrastruktur muß verbessert wer- Eben. Es geht um Entschädigung statt Rückgabe. den. Der Bedarf an Hotel- und Ferienplätzen ist an der (Dr. Rolf Olderog [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ostseeküste groß. Aber die Bereitschaft der Menschen Für den Tourismus gilt: Ohne Verkehr kommt vor Ort, selbst aktiv zu werden, wird behindert. Die keiner, bei zuviel Verkehr kommt keiner wieder. Klärung der Eigentumsverhältnisse ist sicher kompli- Darum sind manche Forderungen, daß die Autobahn ziert. Bei den Menschen im Osten setzt sich immer bis vor die Haustür gehen soll, für die Entwicklung des mehr fest: Die Politik in den östlichen Ländern ist an Fremdenverkehrs nicht richtig. den Interessen der Menschen aus den westlichen Ländern ausgerichtet. Sie können Eigentümer wer- (Beifall bei der SPD) den; die Menschen im Osten werden wenig beteiligt, Wenn man nicht überall an der Ostsee den Massen- sie befinden sich in der Rolle des Zuschauers. Wenn tourismus haben will, muß man sich auch mit der sie einmal aus dieser Rolle herauskommen, begegnet Verkehrsplanung darauf einstellen. Öffentliche Ver- man ihnen mit Mißtrauen. Banken bezweifeln teil- kehrsmittel können die Touristenströme besser len- weise ihre Kreditwürdigkeit, weil sie Ostdeutsche ken und begrenzen als eine Autobahn. sind. Für die Insel Usedom ist darum ein Konzept für die (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist bei uns Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln wich- genauso!) tig. Das traditionelle Quellgebiet ihrer Urlauber ist für — Das ist nicht genauso. Kommen Sie einmal vor Ort, die Insel Usedom der Großraum Berlin. Um dieses und sprechen Sie mit den Leuten. Das ist ein erhebli- Gebiet nicht durch Autos vollzustopfen, müssen jetzt cher Unterschied. Schienenwege und Nahverkehrssysteme ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang kann auch die (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Geld kriegt nur Wiedereröffnung der Eisenbahnstrecke Ducherow- der, der eigentlich keines mehr braucht!) Usedom von Interesse sein. Die Planung in dieser Gerade der Fremdenverkehr wäre ein Bereich, wo Region sollte darüber hinaus zusammen mit den Polen es anders sein könnte. In diesem Wirtschaftsbereich ist erfolgen. Usedom-Wollin ist ein einzigartiges Gebiet — wie es in dem Antrag richtig heißt — der Kapital- für vielseitige Tourismusangebote. Eine gemeinsame bedarf je Arbeitsplatz relativ gering. Hier könnten Vermarktung kann für die gesamte Region von Nut- Einheimische aktiv werden. Im Handel beispielsweise zen sein. Die Polen sind daran interessiert. Wir sollten ist dies praktiziert worden. 70 % des Handels wurden es ebenfalls sein, da wir nur gemeinsam die notwen- an Einheimische verkauft. digen Maßnahmen zur Reinerhaltung der Oder durch- führen können. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, einer der schönen Gegenden Deutschlands. Ich will nur auf Unser Ziel ist nicht der Ausbau des Massentouris- die Inseln Hiddensee, Rügen und Usedom, die Meck- mus, sondern eine naturverträgliche touristische Nut- lenburgische Seenplatte und die Mecklenburgische zung; denn Mecklenburg-Vorpommern wird in Schweiz hinweisen. Die Baumalleen an den Straßen Zukunft nur eine Chance haben, wenn die typische prägen die Landschaft ebenso wie der Wildreichtum Landeschaftsform als Erlebnis- und Erholungsraum in den Wäldern. Unberührte Natur, klassische Seebä- erhalten bleibt. Mecklenburg-Vorpommern darf auch der, weite und zum Teil einsame Strände und saube- nicht mißbraucht werden für die Lösung von Proble- res Wasser sind ein wichtiges touristisches Potential. men, die sich die Menschen in den westlichen Län- Naturschutzgebiete und Naturparks nehmen 27 % der dern nicht mehr gefallen lassen. Fläche des Landes ein. Die vielgestaltige Ostseeküste (Beifall bei der SPD) ist 340 km lang. Dazu kommen 1 160 km Boddenkü- ste. Truppenübungsplätze dürfen nicht zu Lasten der Entwicklung des Fremdenverkehrs gehen. Auch das Für den Fremdenverkehr müssen Konzepte entwik- immer wieder aufflackernde Gerede über die Errich- kelt werden, die die Schönheit und Besonderheit des tung eines bundesweiten Atommüllzwischenlagers in Landes erhalten. Dazu ist eine planende Vorausschau Greifswald gehört hierher. Die Menschen vor Ort notwendig. müssen mitbestimmen können, ob Tiefflüge und Es wird sicher Eingriffe in die Natur geben. Man Schießübungen bei ihnen durchgeführt werden. wird nicht alles erhalten können. Die Menschen in Fremdenverkehr hat in Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern wollen in ihrer Heimat Bedeutung nicht nur als Haupterwerb, sondern auch leben, d. h. auch arbeiten. Sie wollen nicht schlechter als Nebenerwerb. Gerade bei den Problemen der leben als die Menschen in Schleswig-Holstein oder in Landwirtschaft kann der Fremdenverkehr eine wich- Niedersachsen. Dies zu ermöglichen, ohne daß die tige wirtschaftliche Ergänzung sein. Ferien auf dem Landschaft zerstört oder das Land zu einem unan- Lande können interessant für die ganze Familie sehnlichen Wohlstandsland wird, ist die Aufgabe gestaltet werden. Dazu gehören die Anlage von Rad-, unserer Generation. Reit- und Wanderwegen, familienfreundliche Unter- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten künfte zu angemessenen Preisen und vor allem ein Dorferneuerungsprogramm. der CDU/CSU) Zum letzteren gehört auch der Umweltschutz. In die Trinkwasserversor- Dies erreicht man nicht im Hauruckverfahren, wie gung, Abwasserableitung und Abfallbeseitigung ist es Minister Krause will. Gegen die Ost-West-Auto- jetzt zu investieren. Unterlassene Umweltschutzbe- bahn gibt es in Mecklenburg-Vorpommern kaum mühungen kosten in Zukunft Gäste. 6204 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Hinrich Kuessner Rund ein Viertel der Bevölkerung in den östlichen schwierigen Eigentumsfragen und die Verzögerun- Ländern lebt auf dem Land. Die bauliche Substanz in gen im Verwaltungsvollzug. Es ist richtig — die Treu- den Dörfern ist in der Regel besser als in den Städten, hand verdient Lob —, daß es trotz dieser Schwierig- und die Eigentumsfragen sind klarer. Hier ließe sich keiten gelungen ist, den größten Teil, vor allem der der Aufschwung schneller sichtbar gestalten. Stadthotels, zu privatisieren. Auch das Programm Für zwei Dörfer aus Mecklenburg-Vorpommern „Mittelstandsexpreß 2000", mit dem die Privatisie- war gestern ein großer Tag, für Wollin im Kreis rung der Betriebsferienheime schnell realisiert wer- Pasewalk und in Bernitt im Kreis Bützow. Sie wurden den soll, verdient unsere volle Anerkennung. ausgezeichnet im Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) schöner werden" . Die Zahl der Teilnehmer aus den östlichen Ländern war bei diesem Wettbewerb noch Aber wir sind enttäuscht — und ich möchte das hier gering. auch in aller Deutlichkeit sagen —, daß immer noch Das Dorferneuerungsprogramm kann ein wichtiger kein Weg gefunden wurde, die 600 FeDi-Heime, die Motor für die Entwicklung im ländlichen Raum wer- ehemaligen FDGB-Erholungsheime, zu privatisieren den. Für uns in den östlichen Ländern ist wichtig, daß oder wenigstens langfristig zu verpachten. der politische Wille nicht nur zu Papier gebracht wird. Es muß gehandelt werden. Wenn der Antrag Hemm- (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der nisse beseitigt und Aktivitäten der Menschen bei uns SPD) freisetzt, dann ist er ein gutes Stück Papier. Er wird Daß erst drei von 600 verkauft wurden, ist — gelinde dann unsere Unterstützung finden. gesagt — fast ein Skandal. Ich will das vorsichtiger Danke. ausdrücken, als Sie von der Opposition es gesagt (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke haben. Liste) Auch die aus Stasi-, NVA- und Parteivermögen stammenden Objekte sind immer noch blockiert. Hier Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort wird der touristische Aufschwung Ost behindert. Hier hat der Abgeordnete Dr. Olaf Feldmann. ist der beste Fremdenverkehrskoordinator, den wir wollen und den wir unterstützen, überfordert. Denn hier ist Politik gefordert. Die Politik muß die Vorgaben Dr. Olaf Feldmann (FDP): Herr Präsident! Meine geben. Und deshalb muß der verantwortliche Finanz- sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung minister als oberster Dienstherr der Treuhand dafür des Fremdenverkehrs in den neuen Bundesländern sorgen, daß das Zuständigkeitswirrwarr bei der Priva- war Schwerpunkt der Arbeit des Fremdenverkehrs- tisierung von Beherbergungsbetrieben schleunigst ausschusses 1991 und wird es auch 1992 bleiben. Aber beendet wird. es ist höchste Zeit, daß wir uns im Deutschen Bundes- tag hier im Plenum mit diesem Thema beschäftigen; (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der denn Fremdenverkehr ist wirtschaftlich ein Riese und SPD) schafft Arbeitsplätze, vor allem in strukturschwachen Regionen. Meine Damen und Herren, der Fremdenverkehrs ausschuß hat dafür gesorgt, daß ein Koordinator für (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! — Fremdenverkehr eingesetzt wurde. Der Deutsche Zurufe von der SPD) Bundestag fordert jetzt mit seinem Entschließungsan- Wollen Sie das bestreiten? — - trag, daß dieser Koordinator auch mit den erforderli- (Zurufe von der SPD: Nein!) chen Kompetenzen ausgestattet wird, um die Privati- — Gut, dann sind wir uns wenigstens bei diesem sierung von Beherbergungsobjekten durchzusetzen. Thema alle einig. Dort, wo eine allzu enge und dogmatische Auslegung des Prinzips Rückgabe vor Entschädigung massiv die Die neuen Bundesländer bieten gute Vorausset- wirtschaftliche Entwicklung der davon abhängigen zungen für den Fremdenverkehr und haben auch in Region behindert, ist in Einzelfällen mehr investitions- der Saison 1991 erhebliche Fortschritte gemacht. Im orientierte Flexibilität gefordert. Aber dazu wird Sommer waren die Ostseeküste von Mecklenburg- meine Kollegin Frau Leutheusser-Schnarrenberger Vorpommern und zum Jahreswechsel der Harz und noch Stellung nehmen. der Thüringer Wald gut ausgebucht. Auch die Zahl der ausländischen Besucher hat in den neuen Bundes- Meine Damen und Herren, Tourismus — das wissen ländern gegenüber 1990 um fast 50 % zugenommen. wir — ist Ländersache. Als gute Föderalisten achten Es geht aufwärts, das kann man sagen. Die FDP- wir das Subsidiaritätsprinzip auch und vor allem im Fraktion bekundet großen Respekt vor den vielen Fremdenverkehr. Existenzgründern in Ostdeutschland, die mit großer Begeisterung und Mut zum Risiko ihre Chance ergrif- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) fen haben. Trotzdem sollte der Bund bei der Koordinierung der Trotzdem ist das Bild alles andere als rosig. Wir Fremdenverkehrspolitik in den neuen Ländern hel- sollten hier und heute auch die Möglichkeit nutzen, fen, soweit die L ander dies wünschen. Zum Beispiel die Dinge beim Namen zu nennen, denn wir wollen brauchen wir ein abgestimmtes, länderübergreifen- die Dinge zum Besseren wenden. Nach wie vor läuft des, touristisches Gesamtkonzept für den Harz. die Privatisierung im Beherbergungsbereich nur schleppend. Haupthindernisse sind die bekannten (Beifall bei der FDP und der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6205

Dr. Olaf Feldmann — Ich sehe, hier sind lauter Harzer Lobbyisten. Million Menschen aus den alten Bundesländern als (Zurufe von der CDU/CSU: Harzer Roller! Touristen in die neuen Länder gereist. Sicher spielt — Kyffhäuser!) hierbei die Neugier eine Rolle, ein so nahes und dennoch über viele Jahre hinweg fernes Gebiet zu — Ich freue mich über die Unterstützung, die diese erkunden. Forderung in diesem Hause hat, denn hier zeigen sich exemplarisch auch im Verkehrs- und Umweltbereich Viele Touristen werden dabei eine widersprüchli- die Probleme des deutsch-deutschen Zusammen- che Erfahrung gemacht haben. Einesteils viel Sehens- wachsens. Hier ist aktive Koordinierung seitens des wertes, sehr schöne Landschaften, historische Denk- -Bundes gefordert, damit nicht aneinander vorbei mäler, aber zugleich mangelhafte touristische Mög- oder gar gegeneinander geplant wird. lichkeiten, unbefriedigende Qualität der Hotels, der Ein erster Koordinierungsschritt zum Pilotprojekt Dienstleistungen, des Service und ein Mißverhältnis Harz wäre eine Harzkonferenz der Vertreter aller im Preis-Leistungsverhältnis. betroffenen Landes- und Bundesministerien unter Wenn man den Ausgangspunkt be trachtet — zwei Einbeziehung der politischen Instanzen auf Kreis- und Fünftel aller touristischen Übernachtungen früher in Gemeindeebene. Auch im Spreewald sollte der Bund betrieblichen Erholungseinrichtungen, einschließlich stärker zur Koordinierung und Unterstützung bereit Dauercamping, einige wenige erstklassige Interhotels sein. und sehr wenige Ferienheime des Feriendienstes der Ich darf schließen mit dem Dank an alle, die Gewerkschaften und der Be triebe, die internationa- mitgearbeitet haben, dem Tourismus Ost auf die Beine lem Standard entsprachen, sowie Zigtausende Über- zu helfen, denn Fremdenverkehr ist nicht nur ein nachtungen in Privatquartieren ohne den heute übli- wichtiger Wirtschaftszweig, Fremdenverkehr bedeu- chen Standard —, dann dürfte jedem klar sein, um tet auch ein Stück Freiheit. Nicht ohne Grund wurde welchen Nachholbedarf es sich hier h andelt. Heute „Reisefreiheit" zum Wort des Jahres 1989 gewählt. geht es um die Vermarktung von Produkten im Dem zuständigen Staatssekretär Beckmann — unse- Konkurrenzkampf, oft gegenüber Gebieten in rem Tourismus-Staatssekretär — mit seinem enga- Deutschland, wo allein der Name für Qualität bürgt. gierten Fremdenverkehrsreferat, mit der Abteilung Natur und kulturhistorische Stätten, dies mag zwar Ost in Berlin sowie dem Direktorat „Hotels und ein Magnet sein, reicht aber allein nicht aus. Ausbil- Gasthäuser" in der Treuhandanstalt, vor allem aber dung und Qualifikation, Fremdsprachenkenntnisse, den Fremdenverkehrsmitarbeitern vor Ort Verkaufspsychologie, Technik und Service — all das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sind Bereiche, wo unsere Menschen nur mit gutem sowie den Geschäftsführern der Landesfremdenver- Willen allein nicht vorankommen werden. kehrsverbände aus den neuen Bundesländern, die Damit bin ich beim Thema des vorliegenden An tra- heute hier im Bundestag anwesend sind ges, den ich generell befürworte. Was gebraucht wird, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ist eine Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen Bundesländern, ist Kapital, sind Investitionsmöglich- und diese Debatte verfolgen, und den touristischen und sind Förderungen im weitesten Sinne des Fachverbänden, die sich in den neuen Ländern enga- keiten Wortes, die nicht immer nur mit Geld aufgewogen giert haben, will ich im Namen des Fremdenverkehrs- werden können. Aber ohne Geld geht natürlich auch ausschusses des Deutschen Bundestages ausdrück- nichts. lich für ihre Pionierarbeit Danke sagen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der Viele potentielle Investoren scheitern heute noch an SPD) ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Wer inve- den stiert denn in größerem Maße, wenn die Pachtdauer bei einem bis zu fünf Jahren liegt, wenn Restitutions- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nunmehr ansprüche ungeklärt sind, wenn z. B. bei Villen aus hat die Frau Abgeordnete Dr. Höll das Wort. der Gründerzeit an der Ostsee eine lückenlose Klä- rung der Eigentumsverhältnisse bis zum Jahre 1933 zurück erfolgen soll Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Angela (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn Sie nicht so Stachowa, die Vertreterin unserer Abgeordneten- lange regiert hätten, müßte das nicht sein!) gruppe der PDS/Linke Liste im Ausschuß für Frem- und die damit beauftragten Behörden gänzlich über- denverkehr ist, mußte aus unaufschiebbaren Gründen heute Bonn verlassen, so daß sie ihre Rede nicht selbst fordert sind? halten kann. Deshalb werde ich sie verlesen. (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Wir räumen auf, „Reisen bildet" — so ein altes Sprichwort. Reisen, was Sie uns eingebrockt haben!) Tourismus, Fremdenverkehr — in unserer heutigen Hinzu kommt, daß die Antragsverfahren für die gestreßten Welt ein wichtiger Bestandteil des Lebens Schaffung von Beherbergungskapazitäten kompli- unserer Menschen. Ein bestimmter Wohlstand und ein ziert sind, eine Vielzahl von Förderprogrammen die Quantum an Freizeit machen es möglich, die Welt, Übersicht erschwert, die Gesetzes- und Rechtskennt- andere Völker und Kulturen kennenzulernen. nisse der ehemaligen DDR-Bürger nicht dem heute Aber viele Menschen hatten auch nach der Schaf- geforderten Standard entsprechen und nicht entspre- fung der deutschen Einheit das Bedürfnis, den bisher chen können und sie oft verzweifeln lassen. Gerade „verborgenen" Teil ihrer Heimat zu besuchen. das brauchen wir heute: die Initiative von vielen Immerhin waren im vergangenen Jahr über eine Kleinunternehmern. 6206 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Barbara Höll Die großen Hotels, z. B. in Dresden, sind fast ständig Auf jeden Fall kann die derzeitige Notbewirtschaf- ausgebucht, allerdings durch Geschäftsreisende. Der tung von Ferien- und Tourismusobjekten, die nur Verkauf der teuren und ertragsträchtigen Interhotels Geld kostet und nichts bringt, so nicht weitergehen. und der Neubau von Superhotels in den Städten wird Auch wenn der Fremdenverkehr Ländersache ist: sich nach Klärung bestimmter Fragen in Sachen Bund und Treuhand sind gefordert. Insofern hätte der Grundstücke wohl schon regeln. vorliegende Antrag ruhig noch weiter gehen können. Die direkte Partnerschaftshilfe zwischen den alten Notwendig ist aber jetzt der Bau von kleinen Hotels, und den neuen Bundesländern hat ja schon Erfolge von Pensionen mit entsprechendem Niveau in land- gezeitigt. Auch die Bundesregierung sollte jetzt ein schaftlich schönen Gegenden, außerhalb der Groß- Signal setzen. städte, aber mit Verkehrsanbindung. Die Länder sind gefordert, Verkehrskonzepte vorzulegen, um den Ich danke Ihnen. Autotourismus in gewisse Schranken zu weisen. Im (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Spreewald beispielsweise, wo der Tagestourismus überwiegt, müßten autoarme Zonen im Interesse der Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- Natur geschaffen werden. Gebraucht werden niveau- teile ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Klaus volle Privatunterkünfte und das dazugehörige Umfeld Beckmann das Wort. in Form von kulturellen und anderen Freizeitmöglich- keiten. Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr Umfragen zeigen, daß sich der Kurzurlaub bis zu verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung vier Tagen wachsender Beliebtheit erfreut. Und auch begrüßt es sehr, daß sich der Deutsche Bundestag das Urlaubsziel Deutschland ist laut Statistik die heute mit der Situation des Fremdenverkehrs in den Nummer eins für viele unserer Menschen. Das ist eine neuen Bundesländern befaßt. Ich werte dies auch als Herausforderung für den Fremdenverkehr in den Anerkennung der gesamtwirtschaftlichen Bedeu- neuen Bundesländern. tung, die Sie diesem Wirtschaftszweig beimessen. Von vielen Fachleuten ist zu hören, daß der sanfte Zwei Jahre im Prozeß des Umbaus der Tourismus- Tourismus und darunter der Urlaub auf dem Lande wirtschaft in den neuen Ländern vom sozialpolitisch eine gute Perspektive haben. Das ist eine Chance für -determinierten, aber auch deformierten Verteilungs die neuen Bundesländer. und Verschickungssystem zum marktwirtschaftlich Urlaub auf dem Lande ist umwelt- und familien- strukturierten Fremdenverkehrsgewerbe liegen hin- freundlich, schafft Arbeitsplätze in strukturschwa- ter uns. Es ist Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen, chen Regionen, trägt zur Vermarktung einheimischer neue Aufgaben zu erkennen und auch neue Schwer- Produkte bei — an Stelle von Kiwi frisches Obst aus punkte zu definieren. dem Garten — und verlegt den Tourismus aus den Dieser Veränderungsprozeß verläuft in mancher Ballungsgebieten heraus. Beziehung komplizierter, als von uns vorauszusehen war. Der desolate Zustand der touristischen Struktu- Aber auch hier zeigen sich die leider üblichen ren, die zum Teil sehr komplizierten Eigentumspro- keine Tradition und damit keine Erfahrung Probleme: bleme ebenso wie die mangelnde Erfahrung der im Osten Deutschlands, wenig zur Verfügung stehen- Menschen gegenüber marktwirtschaftlichen Anfor- des Kapital, Qualität der Objekte, Freizeitgestaltung. derungen markieren noch heute den Ausgangspunkt Wer macht denn Urlaub auf dem Bauernhof, wenn beim Start des Fremdenverkehrs in den neuen Län- weit und breit kein Telefon existiert, wenn bei dern. schlechtem Wetter keine Schwimmhalle in der nähe- ren Umgebung ist, wenn Wander- und Radwege nur Es kann daher niemanden verwundern, daß sich ungenügend ausgebaut bzw. ausgeschildert sind, viele der hochgespannten Erwartungen des Jahres wenn keine Pferde zum Reiten und kein Golfplatz zum 1990 nicht oder nicht so schnell erfüllt haben. Das hat Spielen vorhanden sind? aber Gott sei Dank nicht zur Resignation geführt, sondern zu verstärkten Anstrengungen. Laut Statistik gab es 1990 in Deutschland 1 577 Die Saison 1991 ist besser verlaufen als vielfach geprüfte Ferienhöfe in den alten Bundesländern. Bis erwartet. Die Tourismuswirtschaft in den neuen Bun- zum September 1990 wurde aber kein einziger Antrag desländern ist in Gang gekommen. Besonders hervor- aus den neuen Bundesländern bestätigt. Neue Zahlen zuheben sind erstens die Privatisierung mittelständi- sind uns leider nicht bekannt. Aber dieser Fakt zeigt scher Unternehmen im Gaststätten-, Hotel- und Rei- ganz einfach, wie schwer es ist, das entsprechende sebürogewerbe und dessen Förderung im Rahmen geforderte Niveau zu schaffen. Aber ohne Geld geht der Bund-Länder-Programme, zweitens der Aufbau es nicht. Wenn dann noch ein williger Ossi den und die inzwischen weitgehende Handlungsfähigkeit Banken Sicherheiten garantieren soll: Ja, wie denn? der Länder- und Kommunalverwaltungen, drittens Der Fremdenverkehr kann natürlich keine wirt- die Schaffung von leistungsfähigen Tourismusorga- schaftlichen Wunder vollbringen. Das produzierende nisationen auf Landes- und kommunaler Ebene. Die Gewerbe im Osten Deutschlands muß entwickelt Landesfremdenverkehrsverbände sind gebildet. werden. Aber er kann Arbeitsplätze schaffen; er kann Zahlreiche regionale und örtliche Verkehrsverbände helfen, daß sich die Menschen näherkommen. Er kann haben ihre Arbeit aufgenommen. Ihnen gilt mein ganz dazu beitragen, daß auch andere Dienstleistungs- besonderer Dank und meine Anerkennung für die branchen sich entwickeln können. Ob er zum Motor Wahrnehmung der Aufgaben in dieser schwierigen des Aufschwungs wird, wie im vorliegenden Antrag Zeit. charakterisiert, wagen wir zu bezweifeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6207

Parl. Staatssekretär Klaus Beckmann Die Bundesregierung kann für sich in Anspruch Entwicklungskonzepten zu unterstützen, damit vor nehmen, daß ihre wirtschafts- und tourismuspoliti- allen Dingen die Planungsdefizite beseitigt und lang- schen Maßnahmen einen wesentlichen Anteil daran fristige Voraussagen für touristische Entwicklungen haben, daß heute mit Optimismus der Saison 1992 ermöglicht werden. Wir kommen Ihrem Anliegen entgegengesehen wird. gerne entgegen. (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sehr richtig! Die (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist unser Bundesregierung verdient Lob!) gemeinsames Anliegen!) Zu der Kritik des Kollegen Kuessner möchte ich nur Zweitens. Der erfolgreiche Aufschwung im Touris- folgendes sagen: Ich glaube, am deutlichsten spre- mus setzt mehr Investitionen als bisher voraus. Inso- chen in diesem Zusammenhang die Zahlen. Im Rah- fern kann ich nur sagen: Die Bundesregierung ist sehr sind bis Ende 1991 men des ERP-Kreditprogrammes froh darüber, daß wir uns in diesem Politikbereich auf rund 1 400 Vorhaben mit einem Gesamtbetrag von eine breite Unterstützung dieses Hauses stützen kön- rund 1,3 Milliarden DM und im Rahmen des Eigenka- nen. Wir freuen uns darüber, daß es in der Tourismus- 14 165 Vorhaben mit einem pitalhilfeprogramms politik ein gemeinsames Interesse gibt, die Dinge Gesamtbetrag von 294 Millionen DM bewilligt wor- nach vorn zu bringen. Ich bedanke mich insoweit auch den. Die dadurch angestoßene Gesamtinvestitions- für die sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem summe dürfte rund 2 Milliarden DM erreichen, Herr Ausschuß für Fremdenverkehr und den Fraktionen. Kollege Kuessner. Der größere Teil der Mittel geht an die Existenzgründer. Nach Schätzung der Deutschen Ich sagte: Wir brauchen mehr Investitionen, um den Ausgleichsbank sind bzw. werden damit knapp Aufschwung zu sichern. Neuinvestitionen, Moderni- 60 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und rund 10 000 sierungs- und Erweiterungsinvestitionen sind aus erhalten. wettbewerbspolitischen Gründen dringend erforder- Meine Damen und Herren, wo sieht nun die Bun- lich, besonders in der Hotellerie — vor allem in den desregierung die Schwerpunkte für den weiteren größeren Städten — und in der Gas tronomie. Aufbau der Tourismuswirtschaft in den neuen Bun- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Neue Betten desländern? Meine Antwort lautet: zum einen Fort- braucht das Land! — Gegenruf von der SPD: führung des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost, Es kommt aber darauf an, wer drin liegt, Herr um der gewerblichen Wirtschaft weitere Marktchan- Feldmann!) cen zu eröffnen und das erforderliche Umfeld mit touristischen Infrastrukturmaßnahmen zu komplettie- Die Beratungsförderung des Bundesministers für ren, zum zweiten ein Mehr an Investitionen durch Wirtschaft wird sich, so hoffe ich, hier als hilfreich verstärkte Investorenwerbung und die Schaffung des erweisen. notwendigen Investitionsklimas in den Kommunen und drittens Unterstützung der Treuhandanstalt bei Drittens. Wir brauchen mehr und bessere Kapazitä- der Beschleunigung des Privatisierungstempos im ten. Die Bemühungen der Treuhandanstalt zur Ent- Beherbergungssektor. Das ist von den Kollegen hier flechtung der ehemaligen touristischen Staatsbe- soeben mehrfach angesprochen worden. Dies wird triebe zugunsten von mittelständischen Existenzgrün- von der Bundesregierung nachhaltig unterstützt. dungen müssen intensiviert werden. Nach der raschen Privatisierung der ehemaligen HO-Gaststät- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Da ist der Finanz- ten und Hotels müssen nun für die touristische Nut- minister gefordert!) zung geeignete Beherbergungsprojekte von Betrie- Was bedeutet das nun im einzelnen? ben, Parteien, der Einheitsgewerkschaft und anderer Institutionen der DDR in den Markt gebracht werden. Erstens. Der erkennbare Durchbruch in Teilberei- chen des Fremdenverkehrs ist weiter zu stabilisieren. Hier bestehen in der Tat noch ungenutzte Reserven für die schnelle Erweiterung des Angebots. Ich stehe selber im Gespräch mit der Tourismuswirt- schaft, um das Angebot des ostdeutschen Fremden- Lassen Sie mich noch kurz auf das Verhältnis von verkehrsgewerbes in den westlichen Ländern noch Tourismus und Umweltschutz eingehen, und zwar intensiver zu vermarkten. Ich bin auf die Darbietun- speziell im Blick auf die neuen Länder. In der Diskus- gen gespannt, die wir auf der Internationalen Touris- sion um die Grundsätze und in den Bemühungen um mus-Börse in Berlin zu sehen bekommen. Es kommt ein konstruktives Miteinander sind wir, so glaube ich, darauf an, die 1991 erkennbar gewordene Nachfrage ein gutes Stückchen weitergekommen. Gerade unter zu verstetigen. den Bedingungen in den neuen Ländern, wo die Soll die Motorfunktion des Tourismus in den neuen Herausbildung bzw. Umstrukturierung der touristi- Ländern wirklich zum Tragen kommen, müssen die schen Grundlagen oft erst am Anfang steht, werden Teilerfolge in ein wirkungsvolles Gesamtkonzept für vielfach sich gegenseitig ausschließende Stand- jedes Land eingebettet werden. punkte eingenommen. Es gilt auch hier zu vernünfti- gen Kompromissen zu kommen. (Zuruf von der SPD: So ist es!) Die konzeptionelle Arbeit auf diesem Gebiet — das In der Tourismuswirtschaft der neuen Länder möchte ich unterstreichen — steht erst am Anfang. Sie wächst auch die Einsicht, daß notwendige Investitio- sollte mit Nachdruck beschleunigt werden. nen unter der Wahrung berechtigter Belange des Natur- und Umweltschutzes durchgeführt werden (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sehr richtig!) müssen, weil auf Dauer die Angebote der Fremden- Herr Kollege Dr. Olderog, die Bundesregierung ist verkehrswirtschaft nur dann ihren Platz im Markt bereit, die neuen Länder bei der Erarbeitung von einnehmen bzw. behaupten können, wenn sie die 6208 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Parl. Staatssekretär Klaus Beckmann intakte Umwelt als Verkaufsargument auf ihrer Seite An Ideen, wie diese komplizierte Aufgabe bei haben. Anwendung aller durch den Gesetzgeber vorgegebe- Andererseits sind die sozial-ökonomischen Pro- nen Möglichkeiten zu lösen ist, hat es im vergangenen bleme vielfach noch so gravierend, daß bei möglichen Jahr nicht gemangelt. Dies schließt nicht aus, daß Lösungen durch touristische Projekte, die dringend neue Erkenntnisse und Erfahrungen eingebracht wer- erwünscht sind, das Blockieren arbeitsplatzschaffen- den können. Praxis und Theorie sind, wie bekannt, der Investitionen aus Umweltschutzgründen sehr zwei Seiten einer Medaille. genau abgewogen werden muß. Ein wichtiger Schritt war die Einführung eines Die im Entschließungsantrag entwickelten Vorstel- Koordinators für den Fremdenverkehr bei der Treu- lungen zur Tourismuspolitik in den neuen Ländern handanstalt, der maßgeblich durch die Initiative des entsprechen weitgehend den Maßnahmen der Bun- Ausschusses eingesetzt worden ist. desregierung. Deswegen bedankt sie sich für diesen (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Den müssen wir Antrag. Ich bitte aber auch zu bedenken, daß Touris- jetzt stärken!) muspolitik vorangig in die Zuständigkeit der Länder fällt, die Bundesregierung also nur mittelbar Gestal- Doch wissen wir alle, daß dieser Koordinator bisher tungsmöglichkeiten hat. Diese Möglichkeiten aller- keinerlei Koordinierungskompetenz von der Treu- dings wollen und werden wir gemeinsam mit den handspitze erhalten hat. Das kann so nicht richtig sein Politikern des Ausschusses für Fremdenverkehr, mit und bedarf dringend einer Änderung. den Gemeinden und den Ländern nutzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Allen Widerständen zum Trotz konnte die Sommer- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) saison 1991 von der Sächsischen Schweiz, meinem Wahlkreis, bis zur Ostsee als erfolgreich eingeschätzt werden, was auch von regionalen Fremdenverkehrs- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort verbänden bestätigt worden ist. Ich möchte es nicht hat nunmehr der Abgeordnete Brähmig. versäumen, hier auch im Namen der CDU/CSU- Fraktion den engagierten Mitarbeitern aller anL des- fremdenverkehrsverbände und regionalen Fremden- Klaus Brähmig (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine verkehrsverbände meinen herzlichen Dank auszu- sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig erscheint sprechen. mir zunächst einmal die Feststellung, daß die heutige (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Debatte über die Förderung des Fremdenverkehrs in den neuen Bundesländern stattfindet. Ich denke, sie Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bedarf ist ein wichtiger Schritt auf einem sehr komplexen, und die Nachfrage konnten bei weitem nicht befrie- sich entwickelnden Wirtschaftssektor, der in den alten digt werden. Bei einem jetzt zu erwartenden Wachs- Bundesländern immerhin 5 % des Bruttosozialpro- tum der Fremdenverkehrsbranchen können wir lang- duktes ausmacht und uns nicht nur deswegen noch fristig von einem stabilisierenden Element auf den sehr viel beschäftigen wird. regionalen Arbeitsmärkten ausgehen. Die Vorgabe für 1992 muß heißen: Durch die Aktivierung a ller noch 16 Monate staatliche Einheit Deutschlands geben verwert- und verwendbaren Objekte in den Ferienre- die Gelegenheit für die Fremdenverkehrspolitik, gionen muß von der Treuhandanstalt ein entscheiden- Rückschau und Ausblick zu halten. Bedeutend der Durchbruch erzielt werden, wenn diese Aufgabe erscheint mir, im Zusammenhang mit der Beurteilung nicht gar 1992 abgeschlossen sein muß. der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Mittel-- deutschland auch das Thema Treuhandanstalt anzu- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sehr richtig!) sprechen. Als ein nicht zu unterschätzendes Element im Zuge (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Ohne die geht es der Privatisierung von ehemaligen Betriebsferienhei- nicht!) men hat der Vorstand der Treuhandanstalt im Dezem- ber 1991 nunmehr ein Paket unkonventione ller Maß- — Ja, das ist richtig, Herr Feldmann. nahmen unter der Bezeichnung „Mittelstandsexpreß Wie bekannt, besteht Fremdenverkehr vor allem 2000" aufgelegt. Dieses umfaßt immerhin weit über aus Hotels, Gaststätten, Pensionen und Reisebüros, 2 000 Objekte mit mehr als 60 000 Zimmern, die 1992 und die eben befanden bzw. befinden sich zu einem privatisiert, verpachtet oder verkauft werden sollen. großen Teil in treuhänderischer Verwaltung. Nun muß man natürlich auch wissen, daß diese Masse von (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: So etwas brau einigen tausend Beherbergungseinrichtungen zuerst chen wir auch für die FeDi-Heime!) einmal erfaßt und zugeordnet werden mußte. Die Ich selbst bin froh darüber, daß diese Entscheidung, Problematik der zu erbringenden Eigentumsnach- für die ich mich bereits seit Anfang des letzten Jahres weise und Grundbuchauszüge ist uns allen hinrei- immer wieder eingesetzt habe, ge troffen worden ist. chend bekannt. Dieses Programm bietet die Gelegenheit, sich durch Hinzu kommt die Entscheidung „Rückgabe von die Mitwirkung der Regionen sowie der Verantwort- Objekten und Liegenschaften vor Entschädigung", lichen vor Ort für den Erhalt bzw. den Aufbau der und dies bei einem fehlenden Entschädigungsgesetz. touristischen Infrastruktur einzusetzen. Auch nicht genügend erschlossener Baugrund ist ein Die erstmals durchgeführten Regionalkonferenzen sehr großes Hemmnis bei der Aktivierung von Frem- in Sachsen im November und Dezember des letzten denverkehrsobjekten. Jahres und die in Aussicht genommenen Regional- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6209

Klaus Brähmig konferenzen in Mecklenburg-Vorpommern, Thürin- und hier ganz besonders in Natur- und Nationalparks gen und Brandenburg zwischen den Kommunen, der neuen Bundesländer. Landkreisen und Vertretern der regionalen Fremden- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. verkehrsverbände sowie der Treuhandanstalt stellen einen wichtigen Schritt auf dem Wege der gemeinsa- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) men Anstrengungen für einen einheitlichen Privati- sierungskurs dar. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- Nun ist es leider inzwischen eine große Mode teile ich der Abgeordneten Frau Gleicke das Wort. geworden, die Treuhandanstalt zu kritisieren. Ver- gessen wird hierbei oft, daß die Mitarbeiter der Iris Gleicke (SPD): Herr Präsident! Meine sehr Treuhandanstalt unter extrem schwierigen Bedingun- verehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute debattie- gen zu arbeiten haben. Insgesamt gesehen ist die ren wir über die Förderung des Fremdenverkehrs in Leistungskraft der Treuhandanstalt sicher nicht aus- den neuen Bundesländern. Als Südthüringer Abge- reichend; aber es sollte ihr meines Erachtens zugute ordnete bin ich froh darüber, daß es zu dieser Debatte gehalten werden, daß auch sie erst Erfahrungswerte gekommen ist, wenn auch die Zeit schon weit fortge- sammeln mußte. schritten ist und viele Versäumnisse zu beklagen sind. Die Treuhandanstalt sollte in intensiver Zusammen- Aber besser spät als nie. arbeit mit den zuständigen Stellen ihre Anstrengun- Bei uns im Thüringer Raum wird es in Zukunft nur gen verstärken und in den nächsten Wochen und wenige Orte geben, die allein und ausschließlich vom Monaten gleiche und unkomplizierte Aktivitäten ein- Fremdenverkehr leben können. Das ist in vergleich- leiten, um die über 700 FeDi-Objekte, vor allem die oft baren Regionen in den alten Ländern nicht anders. attraktiveren Objekte des Sondervermögens, beste- Aber der Fremdenverkehr muß — wie dort — auch für hend aus insgesamt 387 Häusern, zu privatisieren, viele Orte und Regionen Thüringens ein wirtschaftli- damit sie dem touristischen Markt uneingeschränkt ches Standbein sein. Wir wissen doch, daß nicht nur zur Verfügung gestellt werden können. Hoteliers und Gastwirte vom Feriengeschäft leben, sondern daß auch viele Dienstleistungsbetriebe und (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist wichtig für der Handel davon profitieren. Auf eine einfache die Saison 1992!) Formel gebracht: Wo Touristen hinkommen und ihr Geld ausgeben, da wächst der Wohlstand. Dieses ist aus meiner Sicht nicht nur wichtig, weil die Kapazitäten gebraucht werden; es stellt vielmehr (Zuruf von der SPD: Sehr schön! — Dr. Olaf auch im Bereich der Modernisierung von Objekten ein Feldmann [FDP]: Sehr wahr!) wichtiges Element für die Entwicklung des regionalen Der Tourismus könnte Thüringen eine Menge Wohl- Handwerks und des Mittelstandes in oft struktur- stand bringen. schwachen Regionen der fünf neuen Bundesländer Aber der Fremdenverkehr in den neuen Bundeslän- dar, dern liegt fast am Boden. Das hat verschiedene (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gründe. wo für viele politisch Verantwortliche, hier vor allem Zum einen fehlt es an der Infrastruktur, und zwar die Landräte und die Bürgermeister, der Tourismus nicht nur im Bereich der Verkehrswege. Es war in das einzige Standbein jeglicher vorhersehbaren wei- vielen Fremdenverkehrsorten üblich, daß die Gäste in teren Entwicklung ist. Privatzimmern Quartier nahmen. Gegessen wurde in größeren Ferienheimen oder einzelnen Gaststätten. Ich bin der festen Überzeugung, die Entwicklung Aus diesem Grunde gibt es kaum kleinere Pensionen, des Fremdenverkehrs als ein Teil des Programms Hotels und Ferienwohnungen; auch an Gaststätten Aufschwung Ost, das die Bundesregierung aufgelegt mangelt es. hat, hat in den fünf neuen Bundesländern Tritt gefaßt und ist in vollem Gange. Vor allem aber müssen wir Sport- und Freizeiteinrichtungen gehören in den uns darum bemühen, Fehler der Tourismusentwick- alten Ländern wie selbstverständlich zu einem Ferien- lung, die in den alten Bundesländern gemacht worden ort; bei uns müssen sie erst noch gebaut oder den sind, zu vermeiden. neuen Erfordernissen entsprechend hergerichtet wer- den, denn die Ansprüche der Reisenden haben sich (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das wäre gut!) seit der Wende gründlich verändert. Als wichtig erscheint mir bei der Entwicklung und Das bedeutet beispielsweise für den kleinen Ort dem Ausbau der Fremdenverkehrswirtschaft in den Steinbach in der Nähe von Bad Liebenstein, daß im neuen Bundesländern auch, daß Projekte, die auf vergangenen Jahr fast überhaupt keine Feriengäste einen ökologisch und sozial verträglichen Tourismus kamen. Dabei waren sie einmal fester Bestandteil des abzielen, in Betracht gezogen werden. Dabei sollte die Erscheinungsbildes dieses Ortes. Als dann auch noch Natur für den Menschen und nicht vor den Menschen die beiden einzigen Industriebetriebe schließen muß- geschützt werden. Dies ist eine Kernaussage der ten, waren im Juli 1991 fast alle Einwohner arbeits- tourismuspolitischen Leitlinien der CDU/CSU-Frak- los. tion im Deutschen Bundestag. Darüber, ob dies Aber die fehlende Infrastruktur ist nur das eine gelingt, entscheidet nicht zuletzt die Treuhandanstalt Problem. Noch größere Schwierigkeiten entstehen mit ihren Erfolgen bei der Aktivierung der vorhande- beim Aufbau des Tourismus durch die vielfach unge- nen touristischen Substanz, Objekte und Liegenschaf- klärten Eigentumsverhältnisse. Wir haben eine Bun- ten, vor allem in landschaftlich sensiblen Regionen desregierung, die schon fast wider besseres Wissen 6210 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Iris Gleicke mit Klauen und Zähnen am Grundsatz „Rückgabe vor Ein weiterer schwerwiegender Nachteil ergibt sich Entschädigung" festhält. aus diesem schändlichen Handeln: Laut Gesetz ist der Alteigentümer ja nicht daran gebunden, eine Investi- [Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: tionsverpflichtung abzugeben, und er braucht auch Machen Sie sich mal sachkundig! Das stimmt nicht! Lesen Sie mal das Gesetz! — Weitere keine Arbeitskräfte zu übernehmen. Das gilt dann ja wohl auch für den, der sich ganz legal eingekauft hat. Zurufe von der FDP) Ich möchte diese seltsame Spezies gern als „Neualtei- Es ist einfach nur noch lächerlich, was sich in dieser gentümer" bezeichnen. Frage in den Reihen der Koalition mittlerweile abspielt. Der Kollege Solms möchte das hausge- Welchen Sinn macht die Arbeit der Treuhand denn machte Problem dadurch lösen, daß er ausgemusterte eigentlich noch, wenn sie so billig und dazu noch ganz Bundeswehrangehörige erst zu Fachleuten ausbilden legal ausgetrickst werden kann? Von den Verlusten lassen und dann gen Osten schicken will. Er glaubt für den Staatshaushalt will ich gar nicht reden. Eine nämlich, daß eine Umkehrung des Grundsatzes in Regelung ist hier überfällig. „Entschädigung vor Rückgabe" heute nicht mehr Ein paar Worte zur Verantwortung der Landesre- möglich sei. Das sind die Worte Ihres Kollegen gierungen. Es ist in der Tat beachtlich, daß eine Solms. Fraktion einen Antrag zur Förderung des Fremden- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das glauben wir verkehrs einbringt, die im Bund und auch in vier der auch! — Weitere Zurufe von der FDP) fünf neuen Länder Regierungsgewalt hat, so auch in meiner Heimat Thüringen. — Dann hätten Sie es von vornherein andersherum machen müssen. (Dr. Peter Eckardt [SPD]: Das ist heute anders geworden!) Der Kollege Kriedner aus meinem Nachbarwahl- kreis sieht das Problem grundsätzlicher. Er glaubt Die thüringische Landesregierung bekommt vom nicht, daß es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dem Präsidenten des Thüringer Verbandes der Hoteliers Verlangen der SPD endlich zu folgen und das Prinzip und Restaurantbesitzer allerdings ein schlechtes „Entschädigung vor Rückgabe" einzuführen. Es hin- Zeugnis ausgestellt. Er kritisiert nämlich nicht nur die dert ihn nicht daran — ich möchte das nicht so Kommunen, sondern vor allen Dingen die Landesre- vorsichtig formulieren wie der Kollege Feldmann —, gierung und stellt fest, daß es auch auf der Landes- das jämmerliche Scheitern der Bundesregierung ebene an Konzeptionen und gezielten Förderpro- öffentlich einzugestehen, wenn er sagt, es sei bei dem grammen mangelt. Ihm liegt nach eigenen Angaben Versuch geblieben, die Fragen von Entschädigung ein Schreiben der Europäischen Gemeinschaft vor, und Restitution über § 3 a Vermögensgesetz zu wonach aus diesem Grunde Thüringen für den Aus- lösen. bau des Tourismus nichts aus dem EG-Topf erhalten wird. Auch die Fördermittel des Bundes fließen nach Die Sturheit der Koalition wirkt sich auf die Ent- Angaben des Verbandspräsidenten nur schleppend. wicklung des Fremdenverkehrs in geradezu verhee- render Weise aus. Nicht nur, daß die mit Restitutions- Warum bemüht sich die Landesregierung nicht ansprüchen belasteten Objekte nur schwer langfristig darum, in enger Kooperation mit den Kommunen, mit verpachtet werden können und daß deshalb die den anderen Ländern und dem Bund ein vernünftiges dringend notwendigen Investitionen nicht getätigt Förderkonzept auf die Beine zu stellen? Es hat doch werden, sondern auch die Privatisierung gestaltet sich wirklich keinen Sinn, auf jeder Ebene fröhlich vor sich schwierig. hin zu wurschteln. Aber wenn die Thüringer Koalition „Rückgabe vor Entschädigung": Dieses Prinzip ist nicht gerade damit beschäftigt ist, dem Ministerpräsi- mittlerweile in aberwitziger Weise pervertiert. Es gibt denten das Vertrauen auszusprechen und ihn einen nämlich einen florierenden Handel mit Restitutions- Monat später zu stürzen, ansprüchen. (Dr. Peter Eckardt [SPD]: Du mußt Dein (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das muß auch Manuskript ändern!) unterbunden werden! Das ist richtig!) — so wie gestern —, dann kümmert sie sich um den Makler werben um den Kauf von Rückübertragungs- Fremdenverkehr. Neulich erst hat die Landesregie- ansprüchen; Finanzhaie witte rn ihre Chance, das rung das Hotel „Haus Suhl" in Oberhof übernommen. große Geld zu machen. Laut den Buchstaben des Das ist ein Hotel, das seit zwei Jahren schwarze Gesetzes ist das ganz legal, und es entspricht letztlich Zahlen schreibt. Die Landesregierung will diese ja auch der Maxime der Koalition, die immer wieder Nobelherberge, der ein Fünf-Sterne-Niveau beschei- betont, daß der Markt es schon richten werde. Der nigt wird, in ein Bürohaus für das Landwirtschaftsmi- Markt richtet aber nicht alles. nisterium umbauen. „Neue Betten braucht das Land" hatte der Herr Feldmann vorhin gesagt. Dieser Schacher mit Restitutionsansprüchen kann schlimme Folgen haben. Die Treuhand versucht ja (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Neue Betten bekanntlich, mehrere Hotels im Paket an einzelne braucht das Land! Das ist doch richtig! Da Interessenten zu verkaufen. Die Verhandlungen lau- sind wir uns einig!) fen an und machen Fortschritte, und ganz plötzlich Da sage nun einer, daß die Landesregierung in taucht ein Makler auf, der einen Rückübertragungs- Thüringen nichts für den Fremdenverkehr tut! anspruch — natürlich für eines der Filetstücke aus der Kette — aus der Tasche zieht wie ein Kaninchen aus (Ulrich Schmalz [CDU/CSU]: Sie sind doch dem Zylinder. im Bundestag, nicht im Landtag!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6211

Iris Gleicke Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zusam- — Ich sage Ihnen nur einen Grund dazu: Wir beken- menarbeiten, damit die Hemmnisse, die der Entwick- nen uns zur Eigentumsordnung des Grundgesetzes. lung des Fremdenverkehrs im Wege stehen, schleu- Daraus folgt diese Weichenstellung. nigst beseitigt werden können! Es ist noch gar nicht lange her, daß wir vom Fremdenverkehr als einem (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs im Osten Die geforderte Umkehr ist nicht das suggerierte All- gesprochen haben. Dieser Motor ist mittlerweile ins heilmittel, das man uns hier vormachen möchte. Erst Stottern geraten. Wenn nicht bald etwas geschieht, recht kann es nicht nur für einen Teilbereich, nämlich geht er kaputt. für die Ferienheime und die Betriebsferienheime, Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. dazu kommen. (Beifall bei der SPD) (Zuruf von der SPD: Haben wir auch nie gefordert!) Eine Umkehr ist auch nicht nötig; wie immer bei Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- schwierigen Problemen ist Differenzieren gefordert, teile ich der Abgeordneten Frau Leutheusser-Schnar- renberger das Wo rt. (Beifall der Abg. Uta Würfel [FDP]) Detailarbeit und nicht die ideologische Überfrachtung und Glaubensbekenntnisse. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Ein- (Zuruf von der SPD: Haben Sie die Erklärung schätzung sind wir uns nach dem Verlauf dieser Ihres Kollegen Feldmann gehört?) Debatte alle einig: daß der Fremdenverkehr ein wich- —Ja, die baut genau darauf auf. Ich werde Ihnen jetzt tiger Wirtschaftszweig ist, daß er Arbeitsplätze schafft, konkrete Vorschläge unterbreiten, zum Umsatz der heimischen Gastronomie, Hotellerie und Fremdenverkehrseinrichtungen wesentlich bei- (Dr. Rolf Olderog [CDU/CSU]: Lesen Sie trägt und das gegenseitige Kennenlernen und Verste- noch einmal nach, was der Kollege gesagt hen fördert. Gerade in der Phase des wirtschaftlichen hat!) Umbruchs in den neuen Ländern, dem notwendigen wie man auf Grund des bestehenden Systems, auf Aufbau wirtschaftlicher Strukturen und konkurrenz- Grund des Vermögensgesetzes und den dort geschaf- fähiger Unternehmen kommt dem Fremdenverkehr fenen Möglichkeiten hier vorgehen kann. eine herausgehobene Rolle beim Aufschwung Ost zu. (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sie legt jetzt nach!) Aber was alle Fremdenverkehrsgebiete in den neuen Ländern brauchen, sind Hotels, Pensionen, Ich mache Ihnen jetzt Vorschläge. Gaststätten und Restaur ants. Ohne ein vielfältiges, Wir müssen die Verwaltungsverfahren und wir qualitativ gutes und preislich angemessenes Über- müssen die Verwaltungswege entlasten und vereinfa- nachtungsangebot kann sich der Fremdenverkehr chen. nicht entwickeln. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, daß die Saison 1992 für viele Beherbergungs- und (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Verpflegungsbetriebe das Aus bedeutet, wenn nicht Wie denn?) die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten zur — Ich komme darauf. Modernisierung, Renovierung und für den erforderli- chen Ausbau gegeben sind. Auf eine kurze Formel Wir müssen die Fristen mit einer Ausschlußwir- gebracht, die heute in der Debatte schon mehrfach kung gesetzlich vorschreiben, d. h. mit der Folge, daß genannt wurde: Mehr neue und bessere Betten brau- nach Ablauf einer Frist z. B. Angebote des Alteigen- chen die neuen Länder. tümers im Rahmen der Vorfahrtsregelung nicht mehr Woran liegt es, daß in den Geschäftszentren wie berücksichtigt werden können. Damit beschleunigen z. B. Schwerin, Potsdam, Dresden oder Leipzig und in wir die notwendige Entscheidung. den wichtigen Fremdenverkehrsregionen über (Zuruf von der SPD: Das ist zu spät!) 200 000 Hotelbetten fehlen, daß die Ferienheime des ehemaligen Feriendienstes und die Betriebsferien- — Es ist nicht zu spät. heime bisher nur in unzureichendem Umfang genutzt Beim Handel mit Restitutionsansprüchen muß Miß- und bewirtschaftet werden? brauch und Zweckentfremdung dadurch entgegen- Ich mache es mir nicht so leicht, pauschal den gewirkt werden, daß bei der Vorfahrtsregelung nach Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung dafür ver- dem Vermögensgesetz der Erwerber von Restitutions- antwortlich zu machen. Denn diese Entscheidung ist ansprüchen nicht mehr wie der Alteigentümer behan- aus wohlüberlegten rechtlichen und tatsächlichen delt wird; Gründen getroffen. Auch geht es bei der Behandlung (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Sehr richtig!) von Eigentumsansprüchen um die Rückgabe von enteignetem Besitz. Die von der SPD geforderte denn mit dem Verkauf oder der Abtretung der Umkehr dieses Grundsatzes in einen ausschließlichen Ansprüche hat der Alteigentümer ja zum Ausdruck Entschädigungsanspruch ist rechtlich äußerst be- gebracht, daß es ihm nicht um das Grundstück, denklich und politisch nicht gewollt. sondern um Geld geht. (Zuruf von der SPD) (Beifall bei der FDP und der SPD) 6212 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Damit das eindeutig festgelegt ist, sollte das auch Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nunmehr notariell beurkundet und festgehalten werden. hat der Abgeordnete Dr. Päselt das Wo rt. Zum Schluß, speziell bezogen auf die Ferienheime: Warum sollen nicht auch für die Restitutionsansprü- (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr che bei Ferienheimen die Vermögensämter zuständig Dr. Gerhard Päselt Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! sein? Wir sollten die Auseinandersetzung, ob Treu- Die fünf neuen Länder haben touristisch viel zu handanstalt oder Vermögensämter, beenden; bieten: historische Altstädte, Residenzen mit Kunst- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Alles zum Frem- schätzen, wunderschöne, bisher fast unberührte denverkehrskoordinator bei der Treuhand!) Landschaften, Wälder und Seen, eine schöne, reich denn mit Vorliegen eines Negativentscheids des Ver- gegliederte Ostseeküste und die Mittelgebirge Harz, mögensamtes kann dann von der Treuhandanstalt die Erzgebirge und Thüringer Wald. Privatisierung vorgenommen werden. (Zuruf von der CDU/CSU: Und Kyffhäu Ich darf noch auf einen Punkt hinweisen, den das ser!) Vermögensgesetz schon vorsieht: Wir sollten viel In einem Reisebericht schreibt ein Bundesbürger stärker die Vorschrift anwenden, die einen Ausschluß 1991 über seine Eindrücke: „Ich habe noch nie ein des Rückübertragungsanspruches vorsieht, nämlich Land gesehen, das mitten im Frieden von seiner dann, wenn Grundstücke und Gebäude mit erhebli- Regierung so heruntergewirtschaftet und zugrunde chem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart geän- gerichtet wurde wie die ehemalige DDR. Das Land sah dert wurden und ein öffentliches Interesse an der noch vor einem Jahr so aus, als ob man soeben einen Nutzung besteht. Das wird auf die Ferienheime in der Krieg verloren hätte." Weiter heißt es: „Der Straßen- Regel zutreffen. Wenn man diese Frage vorab klärt, verkehr ist zweifellos dichter geworden, und das braucht man keine langen Auseinandersetzungen Straßennetz ist dem nur schlecht gewachsen. Überall mehr über Restitutionsansprüche, sondern kann zügig trifft man auf Straßenbaustellen. Die Nebenstraßen handeln und vorgehen. sind oft in einem abenteuerlichen und eines zivilisier- (Beifall bei der FDP — Zuruf von der CDU/ ten Landes unwürdigen Zustand." Dies ist der Ein- CSU: Sehr richtig!) druck, den ein Bundesbürger aus den alten Bundes- Das heißt, mit einer konsequenten Anwendung der ländern gewinnt. Das ist durchaus keine Werbung für bestehenden Möglichkeiten und einer Weiterent- den Fremdenverkehr. wicklung des von uns geschaffenen Systems kommen Eine Debatte über den lohnenden Erwerbszweig wir einer schnelleren Privatisierung nahe. Ich glaube, Fremdenverkehr in den neuen Bundesländern darf das ist genau das, was Sie in den neuen Bundeslän- die zu schaffenden Voraussetzungen und deren kon- dern brauchen, damit alle die l andschaftliche Schön- struktives Verhältnis zueinander nicht außer acht heit und die kulturellen Denkmäler bei Ihnen genie- lassen. Fremdenverkehr ist undenkbar ohne entspre- ßen können. chende Voraussetzungen. Dazu gehören u. a. eine (Beifall bei der FDP) verkehrsmäßige Anbindung und umweltverträgliche Erschließung, eine intakte Umwelt und ein entspre- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Ab- chender Qualitätsstandard in Beherbergung und tou- geordnete, sind Sie, wenngleich Ihre Redezeit abge- ristischer Versorgung, in Management und Marke- laufen ist, bereit, noch eine Frage des Abgeordneten ting. Ewen zu beantworten? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den fünf neuen Ländern die einmalige - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Ja. Chance, aus den Fehlern der alten Länder zu lernen und Verkehr, Umwelt und Tourismus in Einklang zu Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Bitte bringen. schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn der Tourismus funktionieren soll, brauchen wir Carl Ewen (SPD): Frau Kollegin, ist damit zu rech- eine überzeugende Verkehrspolitik. Mängel in der nen, daß die Koalition oder die von ihr getragene Verkehrsanbindung und den Kommunikationsmög- Regierung in absehbarer Zeit eine solche Novellie- lichkeiten sind zu beseitigen. Es muß für eine schnelle rung des Gesetzes vorsieht? Sie hätten unsere volle Verbindung zwischen den Ballungsgebieten gesorgt Unterstützung. werden, und die entsprechenden Städteanbindungen (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist ein Ange- müssen erfolgen. bot!) Überhaupt kann es bei der Verkehrspolitik nicht darum gehen, auf das Fortbewegungsmittel Auto zu Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Ich setzen, sondern es geht darum, die Bahn in einem habe hier konkrete Vorschläge gemacht und Anre- ausgewogenen Verhältnis mit auszubauen. Zur Ver- gungen gegeben. Es gibt Überlegungen, dieses ent- kehrskonzeption gehört aber auch die Realisierung sprechend dem Vermögensgesetz den notwendigen von Ortsumgehungen, Verbesserung der Qualität der Gegebenheiten anzupassen. Wie das dann aussehen Zufahrtsstraßen zu den Ferienorten, der Aufbau des wird, werden wir bestimmt im Fremdenverkehrsaus- öffentlichen Personennahverkehrs und die Parkplatz- schuß und natürlich in anderen Ausschüssen überle- situation. gen und beraten. Es ist sicher in diesem Hause unstrittig, daß der (Beifall bei der FDP) Umweltaspekt zum Fremdenverkehr gehört. Er ist Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6213

Dr. Gerhard Päselt heute für ein Drittel aller Urlauber ausschlaggebend Vor Ort wird gegenwärtig viel getan; Konzepte bei der Wahl ihres Reiseziels, und diese Tendenz ist werden erarbeitet. Dazu gehört aber auch — das darf noch steigend. Bundesumweltminister Töpfer hat auf nicht außer acht gelassen werden —, daß gemeinsame dem Bundesumweltkongreß der CDU/CSU-Bundes- ökologische Probleme durch eine entsprechende tagsfraktion ausgeführt: „Eine intakte Natur ist das Nachbarschaftspolitik mit Polen und der CSFR geklärt größte Kapital des Fremdenverkehrs." Es ist deshalb werden. die zentrale Frage: Wie kann Fremdenverkehr Nun wissen wir, daß Sanieren gut ist. Aber intakte umweltverträglich organisiert werden? Schließen sich Regionen intakt zu lassen ist noch wichtiger, weil das nicht beide auf den ersten Blick aus? Beispiele von unter dem Strich am billigsten ist. Ich kann mich hier Fehlentwicklungen in der Vergangenheit lassen sich also nicht der Auffassung anschließen, daß man für beide Teile Deutschlands aufzählen und mahnen Umweltschäden um des Tourismus willen notfalls neu uns. in Kauf nehmen muß. Was finden wir nun in den fünf neuen Bundeslän- Es geht um einen sinnvollen, schonenden, zweck- dern vor? Zum einen eine einigermaßen erhaltene mäßigen Tourismus. Aus der Sicht des Umweltschut- Natur, die wir erhalten müssen, und zum anderen eine zes sollten drei Möglichkeiten in Erwägung gezogen vollständig beschädigte oder zerstörte Umwelt, die werden: zum ersten die touristische Nutzung, die auch saniert werden muß, um den dort lebenden Menschen eine wetterunabhängige Nutzung ermöglicht, so daß entsprechende Lebensbedingungen zu gewähren Großprojekte nicht auszuschließen sind. Allerdings ist und den Fremdenverkehr zurückzugewinnen bzw. zu auszuschließen, daß bemerkenswerte Gebiete zersie- ermöglichen. delt oder zubetoniert werden. 40 Jahre SED-Diktatur haben unsere Umwelt in (Beifall bei der CDU/CSU) meinem Heimatland Thüringen und dem angrenzen- Zweitens. Eine naturnahe Erholung mit Erhaltung den Sachsen schwer belastet und geschädigt: ein der Natur und Landschaft muß gewährleistet wer- rücksichtsloser Raubbau der Uranerze und Kalisalze, den. eine unsinnige Massentierhaltung ohne Rücksicht auf Drittens wird es in den neuen Ländern Gebiete die Langzeitfolgen des Gülleanfalls sowie eine res- geben, die für Tourismus, für touristische Nutzung sourcenvergeudende Energiewirtschaft und eine überhaupt nicht zur Verfügung gestellt werden dür- sträfliche Vernachlässigung der Kläranlagennachrü- fen, damit die Natur erhalten bleibt. stung. (Dr. Rolf Olderog [CDU/CSU]: Auch sehr (Sehr richtig! bei der SPD) wichtig!) Unüberschaubarer Schadstoffeintrag auf Truppen- Am umstrittensten sind bei Umweltschützern Groß- übungsplätzen und militärischen Lagern ist heute projekte, wobei sie von vielen heute schon bejaht neben vielen lokalen Umweltproblemen eine schwere werden. Etwas anderes ist es, daß diese Einrichtungen Belastung für den Fremdenverkehr. Die Mittelge- nicht von allen Touristen angenommen werden. Da birgslandschaften, besonders das Erzgebirge und das ich auf den Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor für Zittauer Gebirge, die unmittelbar durch das soge- die fünf neuen Länder nach raschem Aufleben große nannte schwarze SO2-Dreieck beeinflußt werden, Hoffnung setze, sollten wir alle Kraft daran setzen, daß sind schwer geschädigt. entsprechende Konzepte erarbeitet und umgesetzt werden. Die zuständigen Bundes- und Landesminister stell- ten fest: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Es sollte der Vergangenheit angehören, daß Bürger in den neuen Ländern bedürfen dringend umfassen- der alten Bundesländer stolz darauf sind, noch nie in der Sanierung. Bedarfsschätzungen beziffern das den fünf neuen Ländern gewesen zu sein, dies auch erforderliche Investitionsvolumen auf weit über nicht beabsichtigen und ihre Mitbürger am liebsten in 100 Milliarden DM. In einer dpa-Meldung fordert der dieser Richtung beeinflussen. DGB-Bundesvorstand in den nächsten zehn Jahren (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der jährlich 20 Milliarden DM zur Umweltsanierung. SPD) Bund, Länder und Kommunen, aber auch die Wirt- Ich lade alle Bürger der alten Bundesrepublik ein, sich schaft seien gefordert, sich finanziell angemessen am in den fünf neuen Bundesländern umzusehen. ökologischen Wiederaufbau Ostdeutschlands zu be- teiligen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der Nun ist es sicher leichter, dieses Geld zu fordern, als SPD) den ökologischen Wiederaufbau zu verwirklichen.

In meinem Wohnort, um ein Beispiel zu bringen, ist Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun er- das Trinkwasser so schlecht, daß mein Enkel davon teile ich das Wo rt dem Abgeordneten Dr. Eckardt. krank geworden ist. Auf ärztliche Anordnung dürfen Kleinstkinder in diesem Ort nur mit Mineralwasser versorgt werden. Dr. Peter Eckardt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Täglich kommen 5 000 Sie können sich vorstellen, daß derjenige, der über Besucher auf den höchsten Berg meiner Heimat. seinen Urlaubsort, über seine touristischen Ziele frei Massenhaft ist das Gedränge auf dem Marktplatz in entscheiden kann, belastete Orte und Regionen auf Wernigerode, auf dem Fußweg zur Stiftskirche in Dauer meidet. Das heißt: Sanierung der Umwelt Quedlinburg, kilometerlange Autoschlangen vor dem kommt dem Fremdenverkehr zugute. Wintersportort Schierke. Zu Walpurgis können es 6214 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Peter Eckardt auch mal 50 000 sein, die nachts auf den Brocken guter Service und eine steigende Nachfrage schaffen steigen. zum Ostharz einen bedrohlichen Gegensatz, der das Zusammenwachsen Deutschlands gefährlich behin- (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Der Harz ist Mit- dert. telpunkt Deutschlands!) (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Wir wollen Ein — So ist es. nahmen!) (Martin Göttsching [CDU/CSU]: Nein, der ist Das Verkehrschaos auf den engen Straßen von Ost in Thüringen!) nach West zeigt, was sich entwickelt, wenn sich nichts — Nein, nicht in Thüringen. entwickelt oder wenn sich etwas zu langsam entwik- Dieses Bild aus einem der bekanntesten Fremden- kelt. Hier müssen wir helfen. Ein konkretes ,,Touris- verkehrszentren Deutschlands, das jetzt wieder eine mus - Modell Harz", wie es von allen Beteiligten Touristenregion ist, trügt. Das Gegenteil gibt es auch: gewünscht und vom Wirtschaftsministerium auch vor- leerstehende Betten, schlechte Qualität der Bausub- angetrieben werden soll, wird über Tourismus die stanz und des Service in den Gaststätten. Mancher deutsche Einheit mehr befördern als ein gutes Wirt hat es leider immer noch nicht begriffen: 22 Uhr Papier. schließt er das Lokal, und zwei Ruhetage in der Woche (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das ist sehr gönnt er sich auch. Einzelfälle zeigen den Kontrast. gut!) Besucher werden manchmal noch als lästige Bittstel- ler behandelt, die sogenannten Luxushotels haben — Ich bin in Thüringen geboren, Herr Kollege! Das ist unsittlich hohe Preise, kein schlechter Tag für mich heute, an dem ich rede. Deshalb ist das vielleicht auch alles ganz gut so. (Zustimmung bei der SPD und der FDP) (Ulrich Schmalz [CDU/CSU]: Man soll den viele ehemalige Ferienheime des FDGB, der SED und Tag nicht vor dem Abend loben! — Dr. des MfS sind geschlossen und darben vor sich hin. Gerhard Päselt [CDU/CSU]: Wir haben auch Eine späte Rache des Herrn Mielke! mal gute Tage!) Das Bild des neuen Privatunternehmers, der sich — Ich weiß. Das ändert sich manchmal, Herr Päselt. redlich abmüht — oft mit großem Erfolg —, eine Aber heute, denke ich, sind wir mal im Vorsprung. Ja? touristische Infrastruktur unter Marktgesichtspunkten Und das ist ganz gut so. Daß wir so weitergehen, aufzubauen, sollte Mut machen. Ihn sollten wir tat- denke ich. kräftig unterstützen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Dr. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Volkmar Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: FDP) Das glaube ich nicht! — Ulrich Schmalz Der Antrag von FDP und CDU/CSU greift ein [CDU/CSU]: Das ist wie Singen im Wald!) Thema auf, das für viele Menschen, Regionen und Das Zusammenwachsen entscheidet sich dort, wo Landschaften in den neuen Bundesländern von exi- an der ehemaligen Grenze hoher westlicher St andard stentieller Bedeutung ist. Die politische Zielrichtung und östliches Bemühen einander hart gegenüberste- begrüßen wir Sozialdemokraten ausdrücklich, wenn hen. Daß dieser Gegensatz schnell abgebaut wird, ist, sie mithilft, den Wirtschaftspolitikern zu verdeutli- glaube ich, unsere wichtigste Aufgabe. Der Ostharz chen, daß auch Tourismus ein Gewerbe wie jedes muß wie alle touristischen Regionen schnell auf west- andere ist. lichen Standard gebracht werden. Allerdings werden nicht alle L andschaften in den- Das gilt übrigens auch für Bereiche, die in dem neuen Bundesländern für den Tourismus geeignet Antrag nicht erwähnt werden. Als Themen vermisse sein. Im Zittauer Gebirge z. B. ist die Zahl der Arbeits- ich z. B. Wohnmobil-, Camping- und Jugendher- plätze in der Textilindustrie, im Fahrzeugbau und im bergstourismus. Maschinenbau z. T. erheblich gesunken. Der Frem- denverkehr ist in den Gebirgsdörfern Lückendorf, (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Wir brauchen ein Oybin, Jonsdorf und Waltersdorf zur unverzichtbaren Gesamtkonzept!) Einnahmequelle geworden, soll eine ganze Region Ich denke, der Tourismus wird in vielen Regionen nicht verarmen und sich entvölkern. Landschafts- auch dadurch indirekt gefördert, daß in den neuen schutz und mittelständische Wi rtschaftsstruktur kön- Bundesländern der soziale Wohnungsbau nun end- nen hier durch den Fremdenverkehr wiederherge- lich angekurbelt wird, um viele Pensionen und Berei- stellt und ausgebaut werden. Soweit sind wir einig. Ich che, die für den Tourismus geeignet sind, freizube- betone das. kommen. Dem Antrag der CDU/CSU und der FDP hätten Volksfeste, ein wichtiges Element des Brauchtums freilich wirtschaftspolitische Taten der Regierung fol- und der Kultur, werden als städtetouristische Ele- gen sollen. mente mit hoher Drittwirkung, z. B. auf Einzelhandel (Zurufe von der SPD: Sehr richtig!) und Übernachtung, in dem Antrag nicht einmal erwähnt, obwohl sie es verdient hätten. Das unter Wir erwarten auch eine bessere Koordination dieser DDR-Zeiten fast zu 100 % privatwirtschaftliche Politik. Schaustellergewerbe z. B. hat sich ohne finanzielle Der Westharz — heute nur durch einen kleinen Hilfen umstrukturiert und die Zahl seiner Beschäftig- Bach vom Ostharz getrennt — boomt seit der Grenz- ten erheblich erhöht. 25 Millionen Menschen haben öffnung. Attraktive Kuranlagen, volle Hotelbetten, jährlich diese Feste besucht. Förderung des Tourismus Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6215

Dr. Peter Eckardt wäre es auch, wenn man dort Neuinvestitionen bei Hinziehen einer Entscheidung z. B. über den Bet rieb angespannter wirtschaftlicher Lage besonders för- der Harzquerbahn durch das Verkehrsministerium dern und die Städte und Gemeinden auffordern und die Treuhand ist an sich schon skandalös, schadet würde, nicht jeden attraktiven innerstädtischen Platz möglichen Investoren im Ostharz und macht den für andere Wirtschaftszwecke zu nutzen und die Menschen keinen Mut, den sie brauchen. Volksfestplätze nicht an den Rand der Städte zu Drittens. Die natürlichen und kulturellen Schätze drängen. der ostdeutschen Bundesländer müssen erhalten wer- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den. Sie sind die Attraktion des deutschen Tourismus in der Zukunft. In dem Antrag steht kein Wort über die Bedeutung des Tourismus als Begegnung von Menschen zum Viertens. Den Bürgerinnen und Bürgern in den Kennenlernen und Verstehen und über die Förderung neuen Bundesländern müssen übrigens auch Finanz- dieses Aspekts. Als jemand, der an der ehemaligen mittel zum Verreisen bleiben. Bei Inlandsreisen sind Grenze gewohnt hat, würde ich gern ein paar Worte erste Erfolge sichtbar. dazu sagen. Bei der Bundesregierung ist z. B. eine Fünftens. Auch das Auslandsinteresse an den Broschüre einzufordern, die diesen Stellenwert des neuen Bundesländern ist stabil und groß. Wir sollten Tourismus hervorhebt. Sozialdemokraten legen auf uns im übrigen nicht nur auf die Top-Lights der diese Funktion des Tourismus schon aus Erfahrungen Landschaft und der Städte konzentrieren. in vergangenen Zeiten erheblichen politischen Sechstens. Kläranlagen, Wasseraufbereitungen, re- Wert. naturierte Erholungsflächen, Parkplätze und vor allen Volks- und Heimatfeste haben unter geringem Dingen saubere Heizungsanlagen sind für den Frem- Einsatz öffentlicher Mittel z. B. kulturelle und regio- denverkehr genauso wichtig wie Ortsumgehungen nale Bedeutung bei gleichzeitiger Stabilisierung des und nicht gefällte Alleebäume. Man glaubt es nicht, urbanen Lebens. Wer wollte z. B. bei der Überwin- aber bei den Alleen war sogar der ADAC vorbild- dung der sozialistischen Bau- und Wohnungspolitik lich. der letzten 40 Jahre dies nicht? (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Auch der ADAC Begegnung von Ost- und Westdeutschen, Besuche ist lernfähig!) von Ost- und Westeuropäern in den Ländern von Weitere Einzelprojekte haben hier, denke ich, Vor- Mecklenburg bis Thüringen haben große politische bildfunktion. Bedeutung für das Zusammenwachsen Europas. Auf Zusammengefaßt: Wir begrüßen den Antrag der dieses Ziel sollten wir uns gemeinsam konzentrieren. Koalitionsfraktionen. Er kann bei Ergänzung und Die Entdeckung der Welt durch die ehemaligen konzeptioneller Strukturierung ein wichtiger Beitrag DDR-Bürger selbst wird sich ohne allgemeine Förde- zur Entwicklung eines freiheitlichen Tourismusver- rung entwickeln; der „Katastrophen-Tourismus" kurz ständnisses in den neuen Bundesländern werden. nach der Wende gehört nach meiner Einschätzung der Erholung, Freizeit, Muße und Begegnung, Aktivität Vergangenheit an. Jetzt gilt es Qualität zu begründen. und Faulheit dürfen allerdings nichts Verordnetes Nur qualitativ guter Tourismus kann in den neuen sein. Fremdenverkehr ist mehr als Übernachtung und Bundesländern eine Vorreiterrolle in der Wirtschafts- Frühstück in einem Ferienheim. dynamik spielen. In diesem Sinne und mit diesen Zielen werden die (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Völlig richtig!) Sozialdemokraten an die Diskussion des Antrags in Dies läßt sich im Prozeß der Entwicklung organisieren, den Ausschüssen gehen. aber nicht allein durch Tourismus schaffen. Wir sollten Ich bedanke mich. hier etwas bescheiden sein. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Bei dieser Gelegenheit sollte erwähnt werden, daß FDP — Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Und ABM-Kräfte möglichst in dem Bereich eingesetzt zustimmen!) werden sollten, wo es notwendig ist, die Tourismusin- frastruktur durch Verbände und Organisationen zu Nun er- stärken. Sie sollten nicht dort eingesetzt werden, wo Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: sie der kommerziellen Konkurrenz ungerechtfertigte teile ich dem Abgeordneten Dörflinger das Wort. Vorteile bzw. Nachteile verschaffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Werner Dörflinger (CDU/CSU): Herr Präsident! der CDU/CSU) Meine Damen und Herren! „Der Fremdenverkehr kann ... zu einem Motor des Aufschwungs in den Ich denke, ich sollte zum Abschluß ein paar Punkte neuen Bundesländern werden" — so steht es in dem nennen, auf die es uns Sozialdemokraten bei diesem Antrag, über den wir heute beraten und den wir dann Antrag ankommt. Erstens. Die Qualifikation des Gast- nach doch breiter Übereinstimmung in dieser Debatte stätten- und Hotelpersonals muß schnell und erheb- in den zuständigen Ausschüssen gedanklich und auch lich verbessert werden. Ansätze sind sichtbar. Die vom Konzept her noch vertiefen werden. neuen Bundesländer werden sonst bei der Vergabe von „Sternen" noch lange ausgespart bleiben. (Vorsitz: Vizepräsident Helmuth Becker) Zweitens. Die Bereitstellung von Fördertöpfen und Was berechtigt zu dieser optimistischen Pro- Fördermitteln allein ist natürlich noch keine Struktur- gnose? politik und garantiert auch keinen Aufschwung. (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Das Vorbild Strukturelle Entscheidungen sind nötig. Das lange Baden-Württemberg!) 6216 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Werner Dörflinger Das erste: Ich glaube, wir können trotz aller Schwie- und Kollegen von der SPD, wenn es wirklich so ist, daß rigkeiten, die genannt worden sind, und trotz gravie- der Verkehrserschließung eine wichtige Aufgabe render Mängel etwa — das ist auch angesprochen zukommt, dann ist mir Ihr Widerstand gegen das worden — bei der Zahl und der Qualität der vorhan- Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz völ- denen Unterkünfte positive Ansätze feststellen. Wir lig unverständlich. können auch feststellen, daß die umfangreiche Förde- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rung, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet anbietet, zieht, daß sie wirkt, daß sie Menschen in Sie sollten uns z. B. dabei helfen, die 73 Ortsumge- ihrer Initiative beflügelt. hungen, die jetzt vorzeitig geplant werden, zügig durchzusetzen, und darauf verzichten, vor Ort irgend- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) welche Bürgerinitiativen gegen solche sinnvollen Pro- Der zweite Punkt: Der Tourismus, der Fremdenver- jekte zu mobilisieren. kehr hat nach jahrelangen vergeblichen Bemühun- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gen in den alten Bundesländern endlich auch den politischen Stellenwert bekommen, der ihm gebührt; Der zweite Punkt ist die Infrastruktur und die und das, obwohl der Bundeswirtschaftsminister bei- Verbesserung der Umweltsituation. Wir stimmen spielsweise in seinem Bericht zum zweiten Jahr Auf- dem Bundeswirtschaftsminister zu, wenn er sagt, daß schwung Ost dem Fremdenverkehr nur einen kleinen die Regionalförderung stärker auf diejenigen Sekto- Absatz widmet. ren konzentriert werden muß, die schnell Arbeits- plätze schaffen und schnell Beschäftigung ermögli- (Zuruf von der Das ist nicht zu CDU/CSU: chen, weil auch kein hoher Kapitalbedarf besteht. fassen!) Zur Umwelt: Wir sollten begreifen, daß verstärkte Der dritte Punkt: Wir können, ohne daß man alles Anstrengungen im Osten der Umweltgesamtsituation schematisch überträgt, sagen, daß auch die Erfahrun- in Deutschland und in Europa mehr nützen, als wenn gen aus den alten Bundesländern zu dieser optimisti- wir auf den verfeinerten Status der Bundesrepublik schen Prognose berechtigen, z. B. Erfahrungen aus Deutschland noch einmal etwas draufpacken, meine dem Land, aus dem ich komme, aus Baden-Württem- Damen und Herren. berg. Baden-Württemberg zeigt, daß das Miteinander von Industrie, von gewerblichem Besatz und Frem- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) denverkehr durchaus funktionieren kann. Trotz der Es geht drittens um die Bündelung der öffentlichen industriellen Spitzenposition von Baden-Württem- und der privaten Investitionen. Wir sind uns alle berg nimmt der Fremdenverkehr dort am Bruttoin- einig, daß der privaten Initiative der Vorrang gebührt. landsprodukt mit 4,6 % teil. Das ist eine Spitzenposi- Trotzdem gilt für die fünf neuen Bundesländer, daß für tion. eine gewisse Zeit die öffentliche Hand eine stärkere (Dr. Olaf Feldmann [FDP]: Wir sind ja auch Rolle übernehmen muß als in den alten Bundeslän- High-Tech-Land!) dern, weil wir sonst nicht in dem gebotenen Tempo zu Meine Damen und Herren, es zeigt sich: Der Frem- Ergebnissen kommen. denverkehr ist ein wichtiger Faktor für eine ausgewo- Meine Damen und Herren, wir haben in dem Antrag gene wirtschaftliche Entwicklung. Er ist entscheidend eine ganze Reihe von Punkten genannt: Schulung, für den ländlichen Raum. Er gibt — das ist hier Förderung usw. Wir sollten diese Vorstellungen prä- mehrfach betont worden — wichtige Impulse für zisieren. Wir gehen davon aus: Wir haben in den fünf andere Wirtschaftsbereiche. Ich komme aus einem neuen Bundesländern fleißige und kreative Men- Gebiet, das vor 30 Jahren teilweise noch Notstands- schen, denen wir für jede ergriffene Initiative dankbar gebiet war. sein müssen. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der In demselben Gebiet hat der Fremdenverkehr heute SPD) einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 60, 80 oder Wir haben wunderschöne Landschaften. Die Deut- 100 %. schen sind nach wie vor reiselustig. Unseren auslän- Was hat dazu beigetragen? Es sind zu nennen: die dischen Gästen sollten wir sagen: Wir zeigen euch ein Verkehrserschließung, der Aufbau einer leistungsfä- Stück Deutschland, das jung und alt zugleich ist. higen Infrastruktur, die Bündelung der öffentlichen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und privaten Initiativen. Dabei kommt — es ist mehr- fach gesagt worden — der Gastronomie eine Schlüs- selrolle zu. Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Die Landesförderung in Baden - Württemberg geht Herren, ich erteile jetzt das Wort dem Herrn Abgeord- auch heute noch davon aus, daß die Ansprüche neten Simon Wittmann. steigen und daß Stillstand Rückschritt ist. Ein Spezifi- kum baden-württembergischer Förderung besteht z. B. darin, daß ein Umweltbonus gewährt wird. Umweltfreundliche Investitionen werden stärker ge- Simon Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU): Herr fördert als andere. Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf einen meiner Ansicht nach wichtigen Aspekt des (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denkmalschutzes in den neuen Bundesländern zu Lassen Sie mich noch drei Punkte präzisieren, sprechen komme, gestatten Sie mir drei Vorbemer- erstens die Verkehrserschließung. Liebe Kolleginnen kungen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6217

Simon Wittmann (Tännesberg) Erstens. Heute ist wiederum sehr häufig die Treu- mälern in den neuen Ländern, die in der Denkmalsli- hand erwähnt worden. Es erfolgten viele Schuldzu- ste stehen, sind 18 % ohne kurzfristige Sicherungs- weisungen, maßnahmen akut gefährdet. In den denkmalge- schützten Stadtkernen sind 25 % der Gebäude sofort (Zuruf von der SPD: Nicht an die Treu- zu sichern, in Städten wie Bautzen und Görlitz sogar, hand!) habe ich mir sagen lassen, 65 %. Eine generelle natürlich auch an den obersten Chef, den Bundesfi- Gefährdung der Substanz von Baudenkmälern bei nanzminister. Ich habe das mit sehr großer Gelassen- öffentlichen Bauten existiert bei 50 % der Objekte, bei heit entgegengenommen. Man kann sich ja erstens Schlössern und Burgen bei 65 % der Objekte und bei nur dann profilieren, wenn m an sich an einem bedeu- kirchlichen Bauten bei 55 % der Objekte und bei tenden Mann reibt. Wohnungsbauten bei bis zu 85 %. (Heiterkeit) Ich glaube, das zeigt sehr deutlich, daß hier auch im Interesse des Fremdenverkehrs gehandelt werden Zweitens wissen wir — das war auch koalitionsin- muß. Aufgefordert sind hier Bund, Länder und tern bisher die Übung —: Die FDP kann sich am Gemeinden, die historische Substanz in den Städten besten an der CSU profilieren. und Dörfern zu erhalten, natürlich aber auch der (Zuruf von der SPD: Und umgekehrt!) Bürger. Ich glaube, deshalb müssen wir hier unbüro- kratisch handeln. Wir müssen dafür sorgen, daß der Insofern sehen wir dem mit Gelassenheit entgegen. Bürger dazu bereit ist, im Bereich des Denkmalschut- Ich bin überzeugt: So, wie trotz aller Unkenrufe die zes mitzugehen, damit wir hier auch im Fremdenver- Treuhand und der Finanzminister viele Probleme kehr neue Chancen haben. gemeistert haben und gute Ergebnisse herbeiführten, Die Sanierung der Baudenkmäler wird uns letztlich wird das auch hier geschehen. in doppelter Weise dafür entlohnen, durch neue Ein Zweites. Auch wir von der CSU unterstützen qualifizierte Arbeitsplätze bei Sanierungsmaßnah- diesen Antrag, weil es hier um eine unbürokratische men. Gerade dort, wo Altstädte saniert wurden, kann Umsetzung von in der Koalition vereinbarter Hilfe für das Handwerk davon berichten, wie hier neue quali- den Fremdenverkehr zur Schaffung neuer Arbeits- fizierte Arbeitsplätze entstehen, und zusätzliche qua- plätze in den neuen Bundesländern geht. Ich sage lifizierte Arbeitsplätze in einem aufblühenden Frem- aber bewußt: Wir unterstützen das nur für einen denverkehr. überschaubaren Zeitraum; denn ich glaube, unser Unser Antrag soll dazu dienen, daß wir hier ein föderales Prinzip darf auf Dauer nicht ausgehöhlt weiteres Stück nach vorne kommen. werden. Es muß jetzt eine Hilfe zur Selbsthilfe sein, Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. eine Anfangsfinanzierung mit zusätzlichen Mitteln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein Drittes, und das geht an die SPD. Unser Umwelt- minister Töpfer hat ein hervorragendes Programm zur Sanierung der Umweltbelastungen in den neuen Bundesländern entwickelt. Sie brauchen ihm bloß Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und zuzustimmen; dann kommen wir auch hier im Inter- Herren, damit ist die Aussprache beendet. esse des Fremdenverkehrs schneller voran. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vor- Lassen Sie mich jetzt auf den Aspekt des Denkmal- lage auf der Drucksache 12/1323 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. — Ich schutzes eingehen. Bei der Urlaubsentscheidung der - höre und sehe keinen Widerspruch; dann ist das so Reisenden spielt in den letzten Jahren der Aktivur- beschlossen. laub — und hier vor allem der Städtetourismus — eine immer bedeutendere Rolle. Der Deutsche Reisemoni- tor hat im Jahre 1990 eine Untersuchung gemacht, die Wir kommen zum letzten Punkt der heutigen Tages- ergeben hat, daß der Städtetourismus gegenüber ordnung, zu dem Zusatzpunkt: reinem Strandurlaub ohne Programm, ohne Besichti- Beratung der Beschlußempfehlung und des gungsaktivitäten zunimmt. Die Entwicklung in Bay- Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ern — ich darf das als Beispiel nehmen — hat das (9. Ausschuß) gleiche deutlich gemacht. Wir haben im Städtetouris- zu dem Antrag der Abgeordneten Gernot Erler, mus bei der Zahl der Gästeankünfte eine Zunahme Hans Gottfried Bernrath, Lieselott Blunck, wei um 9,4 %, und zwar nicht nur in den Paradebeispielen terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD München, Nürnberg und Regensburg, sondern auch in den kleineren Städten Ostbayerns in einer struktur- Soforthilfsprogramm für die Sowjetunion und schwachen Region. Ich glaube, diese Zahlen zeigen, ihre Republiken daß auch im Städtetourismus eine der großen Ch an zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU -cen für die neuen Bundesländer liegt. Dazu ist es und FDP natürlich notwendig, daß wir bei dem, was diese Städte attraktiv macht, zusätzliche Maßnahmen Hilfe zur Selbsthilfe für die Sowjetunion und ergreifen, nämlich zur Sanierung und Erhaltung der ihre Republiken Kulturdenkmäler; denn es sind allzu viele der Kultur- denkmäler in den neuen Ländern marode und vom — Drucksachen 12/1321, 12/1580, 12/1975 — Verfall bedroht. Diese äußerst bedenkliche Situation Berichterstattung: drückt sich in Zahlen z. B. so aus. Von 45 000 Denk- Abgeordneter Dr. Rudolf Sprung 6218 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Vizepräsident Helmuth Becker Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für gen internationalen Konferenzen in der ersten Hälfte die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Ich höre dieses Jahres auf der Tagesordnung steht. Die und sehe keinen Widerspruch; dann ist das so Washingtoner Konferenz, die in dieser Woche zur beschlossen. Koordinierung der verschiedenen nationalen Hilfen für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort als stattgefunden hat — sie ist gestern abgeschlossen erstem unserem Kollegen Herrn Abgeordneten worden —, war ein hoffnungsvoller Auftakt, aber Dr. Sprung. auch leider noch nicht mehr. Die Hilfe für die Repu- bliken der ehemaligen Sowjetunion geht alle westli- chen Industrienationen an; denn die Gefahr, die Zahlungsunfähigkeit, soziale Unruhen und innenpoli- Dr. Rudolf Sprung (CDU/CSU): Herr Präsident! tische Instabilität zur Folge hätten, würde die Indu- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir strienationen in ihrer Gesamtheit treffen. heute zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen das Thema der Hilfen für die Länder der ehemaligen Doch, meine Damen und Herren, auch angesichts Sowjetunion behandeln, so geschieht dies vor dem der Größenordnung der Aufgabe, ist ein international Hintergrund einer sich weiter veschlechternden Lage abgestimmtes Verhalten unumgänglich. Führen Sie in den neuen Republiken. Ich meine, es ist eine gute sich vor Augen, welcher Investitionsbedarf für die Sache, daß sich im Wirtschaftsausschuß des Bundes- neuen Bundesländer veranschlagt wird und setzen Sie tages eine fraktionsübergreifende gemeinsame Hal- dies in Relation zur Größe der anderen ehemaligen tung in dieser Frage herausgebildet hat. Die uns heute RGW-Staaten und zu der Tatsache, daß in der ehema- vorliegende Beschlußempfehlung des Wirtschaftsaus- ligen Sowjetunion die sozialistische Mißwirtschaft schusses ist Ergebnis dieses Konsenses, ein Ergebnis, nicht gut 40, sondern mehr als 70 Jahre dauerte! Wenn das wir alle mittragen und das zeigt, daß wir in der man dies tut, dann kann man ermessen, welch gewal- Frage, wie Deutschland den neuen Republiken Hilfe tiger Kapitalbedarf besteht, um die östlichen Volks- gewähren kann, in Übereinstimmung sind. Ich wirtschaften an die Marktwirtschaft heranzuführen. möchte an dieser Stelle allen Kollegen herzlich dan- (Dr. Volkmar Köhler [Wolfsburg] [CDU/ ken, die an der Erarbeitung dieses Konsenspapieres CSU]: Sehr gut!) maßgeblichen Anteil hatten. Meine Damen und Herren, die zu selbständigen Die westliche Welt wird nicht umhin kommen, mit Staaten gewordenen Republiken der ehemaligen erheblichen Investitionen den Aufbau der Wirtschaf- e Sowjetunion stehen am Beginn ihrer nationalen ten in den Staaten d r GUC imin Baltikum, Mittel- Souveränität vor tiefgreifenden Umwälzungen und und Südosteuropa mit zu finanzieren. schier unüberwindlich erscheinenden Problemen. Es Die Bundesrepublik ist bereit, sich über den Beitrag akute Versorgungskrise, die derzeit ist nicht nur die hinaus — er ist doch schon bisher be trächtlich gewe- im Mittelpunkt des Interesses steht und zu einer sen — am Aufbau in den ehemaligen RGW-Staaten zu beispielhaften, an Bemühungen des vergangenen beteiligen. Wir dringen jedoch auch darauf, daß in der Winters anknüpfenden Solidaritätsaktion der deut- westlichen Welt möglichst schnell ein Gesamtkonzept schen Bevölkerung geführt hat — und diese Hilfsak- für die Hilfsmaßnahmen erarbeitet wird, das eine der Devisen - und tionen laufen weiter —, es sind auch die jeweiligen Leistungsfähigkeit angemessene Vertei- die Sorgen bereiten und Zahlungsschwierigkeiten, lung der Lasten vorsieht. Es darf nicht weiterhin so die Umstrukturierung der GUS-Republiken erheblich sein, daß die übrigen Staaten vollmundige Solidari- behindern. - tätsbekundungen von sich geben und Deutschland Meine Damen und Herren, in dieser Situation sind zum größten Teil diese Hilfen, die dort angekündigt alle westlichen Industrienationen zur Hilfeleistung werden, trägt. aufgefordert. Es muß verhindert werden, daß der Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft von Meine Damen und Herren, wir begrüßen, daß die den Menschen in den neuen Republiken als Abgleiten Bundesregierung sich multilateral wie bilateral inten- in wirtschaftliche Unsicherheit oder gar Hunger und siv um eine wirksame Unterstützung der Republiken Not erfahren wird. Es kann dabei jedoch nicht darum der ehemaligen Sowjetunion bemüht. Im Bereich der gehen, neue Abhängigkeiten mit immer neuen Zah- zügigen Umsetzung der beschlossenen Lieferungen lungsverpflichtungen zu schaffen. Die Hilfe zum Wan- von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen del in den neuen Republiken darf nicht zum Faß ohne dringend benötigten Hilfsgütern wird bereits Beacht- Boden werden. liches geleistet. Eine Reihe von Anfangsschwierigkei- ten sind inzwischen beseitigt worden, dennoch sind (Zuruf von der SPD: Richtig!) weitere internationale Anstrengungen dringend nö- Worauf es neben der Soforthilfe zur Sicherung der tig. Dabei sollte darauf hingewirkt werden, daß Hilfs- Versorgung der Bevölkerung vor allem ankommt, ist güter, wie im Rahmen der EG-Hilfsprogramme vorge- Hilfe zur Selbsthilfe. Dieser Grundsatz, meine Damen sehen, soweit es möglich ist, auch in den ost- und und Herren, zieht sich wie ein roter Faden durch die südosteuropäischen Ländern angekauft werden. Ihnen vorliegende Beschlußempfehlung und sollte Auf die großzügige Hilfsbereitschaft der deutschen auch im internationalen Rahmen Richtschnur blei- Bevölkerung habe ich bereits hingewiesen. Zu dan- ben. ken ist darüber hinaus auch den karitativen Verbän- Wir begrüßen es, daß der Abstimmungsprozeß auf den, die sich vorbildlich in Hilfeleistungen engagie- internationaler Ebene angelaufen ist und bei wichti ren. Erwähnung finden müssen auch die Hilfen, die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6219

Dr. Rudolf Sprung auf der Grundlage der bestehenden Städtepartner- Die Integration in die Weltwirtschaft setzt voraus, schaften gewährt werden. Was hier an persönlichem daß wir unsere Märkte für Produkte aus den neuen Einsatz und Opferbereitschaft von unzähligen freiwil- Republiken öffnen. Zum anderen — und hier sehe ich ligen Helfern gezeigt wird — in meiner Heimatstadt allerdings das noch viel größere Problem — müssen gibt es zur Zeit eine wahre Welle der Hilfsbe- sie in die Lage versetzt werden, möglichst schnell reitschaft für die Stadt Beresniki im Ural —, kann nicht Waren zu produzieren, mit denen sie auf unseren oft genug erwähnt und hervorgehoben werden. Märkten wettbewerbsfähig sind. Daneben gilt es, die traditionellen Wirtschaftskontakte und Absatzwege (Beifall bei der SPD — Dr. Volkmar Köhler zwischen den Republiken und innerhalb der Staaten [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Sehr wahr!) des ehemaligen RGW zu nutzen und auszubauen. Meine Damen und Herren, nicht vergessen werden Ein Beitrag dazu ist, so meine ich, auch der vorge- darf auch, welche logistischen Meisterleistungen bei strige Kabinettsbeschluß, für Exportlieferungen in die der Organisation und Durchführung dieser Maßnah- GUS-Länder Hermes-Bürgschaften zur Verfügung zu men vollbracht werden. Das dabei erworbene Wissen stellen. Auch die dafür beschlossenen Kriterien, näm- und die vor Ort gewonnenen Erfahrungen können lich Konzentration auf Lieferungen, die zu einer übrigens sehr nutzbringend beim Aufbau des EG- unmittelbaren Steigerung der Deviseneinnahmen Expertenteams zur logistischen Unterstützung der führen, zielen in diese Richtung. Hilfslieferungen genutzt werden. Das gleiche gilt im übrigen — ein weiteres Bei- spiel — für die Errichtung einer Vermittlungs- oder Worauf es mittel- und langristig ganz entscheidend Kontaktstelle für Barter-Geschäfte, also für Geschäfte ankommt, ist, den Republiken dabei zu helfen, die Ware gegen Ware, mit den GUS-Mitgliedstaaten Voraussetzungen für einen zügigen Übergang zur durch das Bundeswirtschaftsministerium, normaler- marktwirtschaftlichen Ordnung zu schaffen und sich weise, so möchte ich sagen, eine Horrorvorstellung für in die Weltwirtschaft zu integrieren. Dies setzt viel die Anhänger eines freien Handelsverkehrs. Doch voraus. außergewöhnliche Situationen erfordern auch außer- Die dafür nötigen Maßnahmen sind in der vorlie- gewöhnliche Maßnahmen. genden Entschließung genannt. Hervorheben möchte Einen bedeutenden Beitrag zur Hebung der Devi- ich insbesondere die Notwendigkeit von intensiver seneinnahmen könnte ferner ein steigender Export Beratung und Know-how-Transfer auf allen Ebenen. von Erdöl und Erdgas leisten, bei dem vor allem Hier ist nicht nur die deutsche Wirtschaft aufgefordert, Rußland über umfassende Rese rven verfügt. Doch sich neben Investitionen auch durch Ausbildungshil- nicht nur zum Export, sondern auch zur Sicherung fen aktiv zu beteiligen. Wirtschaftspolitische Bera- einer ausreichenden Versorgung der eigenen Bevöl- tung muß in Zukunft auch auf staatlicher Ebene einen kerung ist eine grundlegende Modernisierung der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Fördereinrichtungen und Raffinerien dringend erfor- bilden. Deutsche Hilfe könnte gerade hier besonders derlich. Neben einer gemeinsamen Energiepolitik der wirkungsvoll sein, verfügen wir doch über lange und Staaten der GUS könnte hier eine gemeinsame Ener- erfolgreiche Erfahrungen mit der Sozialen Marktwirt- gieagentur oder eine gemeinsame Energiebehörde schaft ebenso wie über praktische Erfahrungen beim als Koordinator und Ansprechpartner für westliche Umbau einer ehemals sozialistischen Wirtschafts- und Hilfe für die erforderlichen schnellen Fortschritte Gesellschaftsordnung. sorgen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Bei der dringend erforderlichen Privatisierung Sie uns alle gemeinsam die große Chance, die das könnten die Republiken der ehemaligen Sowjetunion Ende des real existierenden sozialistischen Alp- auf die in Deutschland bewährte Einrichtung der traums, den die Auflösung des Warschauer Paktes und Treuhandanstalt zurückgreifen. Auch bier können wir der Sowjetunion darstellt, ergreifen und uns am Auf- mit unseren Erfahrungen, eventuell auch mit bewähr- bau demokratischer Republiken beteiligen, die künf- tem Personal, aushelfen. tig ebenfalls ihren Beitrag zu einem friedlichen Um ein investitionsfreundliches administratives Zusammenleben der Völker in Europa und der Welt und legislatives Umfeld zu schaffen, ist auch die leisten werden! Politikberatung von entscheidender Bedeutung. Die Ich danke Ihnen. Information der Entscheidungsträger in Politik und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Verwaltung über die grundlegenden Zusammen- bei Abgeordneten der SPD) hänge der Sozialen Marktwirtschaft, ihre gesetzlichen und institutionellen Voraussetzungen, muß — die Meine Damen und Erfahrungen in den neuen Bundesländern zeigen Vizepräsident Helmuth Becker: Herren, nächster Redner ist unser Kollege Dr. Uwe dies — vom ersten Augenblick an intensiv und lang- Jens. fristig ausgerichtet bet rieben werden, um Fehlent- wicklungen zu vermeiden. Denn — auch das haben wir in den neuen Bundesländern gespürt — der Dr. Uwe Jens (SPD): Herr Präsident! Meine sehr Umstrukturierungsprozeß hin zur Marktwirtschaft verehrten Damen und Herren! Ich glaube, das hat es kann nur dann in Gang kommen, wenn ein positives bisher selten gegeben, daß die Opposition mit der Wirtschaftsklima herrscht, wenn als Folge politischer Regierungskoalition aus je einem eigenen Antrag und rechtlicher Beständigkeit bei den Unternehmen einen gemeinsamen Antrag macht. Vertrauen in die künftige Entwicklung hergestellt Der Antrag, den wir jetzt akzeptieren, zielt aus wird. unserer Sicht in die richtige Richtung. Wichtig ist, daß 6220 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Uwe Jens die Hilfe für die sogenannten GUS-Staaten schnell Industrienationen, also auch der Bundesrepublik anläuft, daß sie koordiniert wird und daß sie kein Deutschland, zu öffnen. Will man den neuen markt- Strohfeuer entfacht, sondern langfristig wirksam ist. wirtschaftlichen Ländern wirklich helfen — Herr Kol- Natürlich darf sie nicht etwa zu Lasten der Länder der lege Sprung, Sie hatten das angedeutet —, dann Dritten Welt gehen. Auch das möchte ich betont benötigen sie die Chance, selbst hergestellte Produkte haben. im- Ausland zu verkaufen. Das sind zunächst Agrar (Beifall bei der SPD) und Textilprodukte. Das sind auch Rohstoffe, und das sind vor allem fossile Energieträger. Also etwas mehr Im Zuge der Verhandlungen über unseren Antrag, Kompromißbereitschaft bei den anstehenden GA TT den vor allem mein Kollege Gernot Erler initiiert hat, - Verhandlungen mahnen wir einmal mehr bei dieser hat es verständlicherweise Kompromisse gegeben. Gelegenheit hier an; sie scheint mir dringend notwen- Wir Sozialdemokraten konnten unsere Vorstellungen dig zu sein. nicht völlig verwirklichen; das liegt auf der Hand. Jetzt heißt es z. B., daß die Bundesregierung um eine Zubilligen muß man, glaube ich, den Republiken wirksame Unterstützung der Republiken der ehema- der ehemaligen Sowjetunion, da sie noch nicht voll ligen Sowjetunion bemüht sein soll. Das ist sicherlich entwickelt sind, einen gewissen selektiven Protektio- eine notwendige, aber keine hinreichende Bedin- nismus à la Friedrich List. Auch wir haben am Anfang gung. Natürlich muß es wirksame Hilfe geben. Aber der industriellen Entwicklung bestimmte Märkte es muß nach unserer Auffassung auch ausreichende geschützt und sie nicht der weltwirtschaftlichen Kon- Hilfe geben. kurrenz ausgesetzt. Einen selektiven Protektionismus (Beifall bei der SPD) — dafür müssen wir Verständnis haben — dürfen sie Wirksam und ausreichend muß die Hilfe sein, damit praktizieren, um ihre eigene Entwicklung voranzu- wir verhindern, daß es dort zur Verarmung breiter bringen. Massen kommt. Wir begrüßen die Bemühungen um eine Vermitt- Darüber hinaus ist vorgesehen, daß die Hilfsgüter lung von marktwirtschaftlichem Know-how ausdrück- zu günstigen Preisen gegen ziemlich wertlose Rubel lich. Dies ist für den Aufbau der neuen GUS-Staaten verkauft werden. Ein Teil dieser eingenommenen genauso wichtig wie eine finanzielle Hilfe. Leider Gelder soll einem Sozialfonds zugeführt werden. haben aus unserer Sicht in der nahen Vergangenheit Auch das ist grundsätzlich richtig, nicht etwa falsch. wohl mehr — Sie kennen den Begriff — die Chicago- Wir wollten jedoch noch etwas konkreter das herein- Boys als Berater in Osteuropa zur Verfügung gestan- kommende Geld zur Verbesserung der Agrarproduk- den tion und zur Verbesserung der Distribution in diesem (Hans-Günther Toetemeyer [SPD]: Böse Bu Bereich verwenden. Es sollte in Form von Krediten ben!) sowohl an junge Landwirte zur Steigerung der Agrar- produktion als auch an junge Unternehmer zur Ver- als jene, die Erfahrung mit dem Aufbau einer wirklich besserung der Verteilung der Agrarprodukte verge- sozialen Marktwirtschaft haben. ben werden. Ich weise deshalb noch einmal darauf hin: Nur die Dieser Gedanke stand bei dem ERP-Programm Freigabe der Preise, so wie es zur Zeit praktiziert wird, Pate, als es um den Wiederaufbau der Bundesrepublik reicht nicht aus. Deutschland ging. Ich bin immer noch davon über- zeugt: Das war ein guter Gedanke. Auch den sollten (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja!) wir unserer Meinung nach auf die Entwicklung in den- Es gehört ein bißchen mehr dazu. Es gehört dazu z. B. GUS-Staaten anwenden. erstens die Schaffung von Vertrauen in die neue (Beifall bei der SPD) Währung, zweitens die sofortige Einstellung der Notenpresse, was einmal mehr ange- Wir hatten schließlich gefordert, unter bestimmten mahnt hat, drittens eine geldmengenorientierte Geld- Bedingungen die sogenannten Joint-ventures ver- politik durch eine zentrale Institution, viertens die stärkt zu fördern. Gerade durch solche Gemein- Finanzierung des Haushaltes über ein solides Steuer- schaftsunternehmen mit den GUS-Staaten kann und system und fünftens ein positiver Realzins. Das heißt, wird ein wesentlicher Beitrag zum Erfahrungsaus- das Sparen muß sich lohnen. Unter dem Strich muß tausch und zum Technologietransfer geleistet. Es einer, wenn er spart, mehr hereinbekommen, als wäre schlimm, wenn die vorhandenen Joint-ventures, durch Geldentwertung verschwindet. Ein positiver die zum Teil recht vernünftige, gute Arbeit geleistet Realzins scheint mir dringend notwendig zu sein. haben, eingestellt werden müßten. Es wäre sinnvoll, dafür zu sorgen, daß es hiervon mehr gibt und nicht Notwendig ist aus unserer Sicht ebenfalls, daß m an etwa weniger. Um dies zu erreichen, sind sicherlich in die Erfahrungen, die wir mit der Institutionalisierung erster Linie die deutschen Unternehmen gefordert; des Arbeitsmarktes gemacht haben, nicht vergißt. In auch das gebe ich gerne zu. Aber auch die Bundesre- Ungarn hat man mittlerweile an die 1 000 Gewerk- gierung sollte, glaube ich, durch Rat und Tat zum schaften gegründet. Das ist eine verhängnisvolle Erhalt bestehender und zur Förderung weiterer Entwicklung. Joint-ventures beitragen. (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: 1 000?) (Beifall bei der SPD) — 1 000 Gewerkschaften. — Wir haben Erfolg mit dem Besonders wichtig ist uns — das ist in dem Antrag Industrieverbandssystem, mit der Einheitsgewerk festgehalten — das Anliegen, die eigenen Märkte der schaft gehabt. Deshalb fordern wir, daß sie diese Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6221

Dr. Uwe Jens Erfahrung berücksichtigen: Eine Gewerkschaft für ein bruchs, zweitens Entwicklung tragfähiger politischer Unternehmen. und marktwirtschaftlicher Strukturen in den einzel- (Beifall bei der SPD) nen Staaten und ihrer Gemeinschaft. Hinzu kommen muß, glaube ich, wie das auch die Ich will gleich vorausschicken — hierin besteht Bundesrepublik Deutschland gemacht hat, der Ver- auch Konsens zwischen den Fraktionen —, auch wenn such, einen Überschuß in der Leistungsbilanz zu wir heute hier über spezifisch deutsche Beiträge verwirklichen. Ja, selbst bei niedriger Produktivität in debattieren: Die deutsche Partnerschaft und Hilfe den neuen GUS-Staaten gibt es irgendwo einen allein können für die Staaten der GUS vor dem Wechselkurs, der diese Wirtschaft weltweit dann doch Hintergrund der Dimension der zu lösenden Aufgabe wieder rentabel macht. bei weitem nicht ausreichend sein. Die Aufgabe (Dr. Rudolf Sprung [CDU/CSU]: Das ist wich- erfordert vielmehr internationale Bemühungen, bei tig!) denen sich neben den europäischen Nachbarn vor Das scheint mir wichtig zu sein. Dann lebt das Volk allen Dingen auch die Vereinigten Staaten und Japan zwar für eine gewisse Zeit unter den Verhältnissen; nicht zurückhalten dürfen. aber das ist eine elementare Voraussetzung dafür, Schließlich kann alle Hilfe nur erfolgreich sein, eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung auf- wenn der Reformprozeß in den GUS - Staaten selbst zubauen. nachhaltige Unterstützung findet. Do rt muß der Schließlich will ich erwähnen, daß sich auch unser Boden bereitet werden, der unseren Hilfsangeboten Ausbildungssystem hervorragend bewährt hat. Die überhaupt erst ihren Sinn gibt. Dazu zähle ich Wäh- Lander, die es versäumen, ein entsprechendes Ausbil- rungsreformen, Bankenreformen und die konse- dungssystem — wie vielleicht die vier kleinen quente Auflösung staatswirtschaftlicher Strukturen in Tiger — aufzubauen, werden in Schwierigkeiten Industrie und Gewerbe. kommen. Die GUS-Staaten haben zum Teil ein gutes Meine Damen und Herren, ich sprach von Stabili- Ausbildungssystem. Aber sie müssen es behalten und sierung und Entwicklung als zentralen Aufgabenfel- versuchen, hochqualifizierte Arbeitskräfte auszubil- dern. Zum ersten Bereich, der Stabilisierung, gehört den. Das scheint mir eine wesentliche Voraussetzung die schnelle humanitäre Hilfe, die zunächst über dafür zu sein, daß es ihnen gelingt, ihre Entwicklung diesen Winter hilft. Wir nehmen mit Freude und wirklich auf eigene Beine zu stellen. Dankbarkeit zur Kenntnis, mit welchem Engagement (Beifall bei der SPD) die Bürger unseres Landes private Initiativen organi- Passen wir jedoch auf, daß wir keine falschen sieren bzw. sich daran in bemerkenswertem Maße Hoffnungen wecken! Die Angleichung der Lebens- beteiligen. verhältnisse in der ehemaligen DDR wird, glaube ich, (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD noch mindestens zehn Jahre dauern und vielleicht und der PDS/Linke Liste) noch ein bißchen länger. Die Umstrukturierung der ehemaligen Staaten der Sowjetunion und die deutli- Erst gestern, so war zu hören, hat sich wieder ein che Anhebung des Lebenshaltungsniveaus gegen- Konvoi des Roten Kreuzes auf den Weg nach Königs- über dem jetzigen Zustand ist sicherlich eine Genera- berg gemacht — eine Region übrigens, die als tionenaufgabe. Exklave der neurussischen Verwaltung mit besonde- ren Erwartungen auf Deutschland schaut. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD) Für eine Stabilisierung sind daneben kurzfristige und sichtbare Erfolge von großer Bedeutung. Der Handwerker in St. Petersburg muß konkrete Hoff- Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und nung schöpfen, indem ihm zu Aufträgen verholfen Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen wird. Die Krankenschwester in Kiew muß neuen Mut Heinrich Leonhard Kolb. gewinnen, indem sie ohne Verluste durch Organisa- tion und Transport Medikamente und medizinische Geräte erhält. Der Maschinist in Nowosibirsk muß den Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Meine Glauben an die Zukunft seines Arbeitsplatzes durch Damen und Herren! Kaum mehr als ein Jahr nach einen neuen Auftrag seines Be triebes erhalten. Vollzug der deutschen Einheit erlebt die Welt in den letzten Monaten eine noch gravierendere Neuent- Viele kleine Schritte führen hier weiter als der wicklung: Die Sowjetunion hat sich aufgelöst, und auf Versuch des großen Sprungs. Wir sollten aus Fehlern ihrem riesigen Gebiet entstehen neue staatliche der Entwicklungspolitik in der sogenannten Dritten Strukturen. Man kann nicht genug betonen, wie Welt lernen. Es nützt überhaupt nichts, aber es scha- wichtig es ist, daß dieser Wandel bisher weitgehend det unserer eigenen ohnehin angespannten Situation, ohne Blutvergießen und nur mit geringen Unruhen wenn wir große Geldsummen in das derzeit bodenlose möglich war. Faß der GUS hineinschütten. Weniger ist dann mehr, (Beifall bei der FDP) wenn es gezielt eingesetzt wird und beim Adressaten vor Ort ankommt. Unser Ziel muß es sein, einen Beitrag zu leisten, daß dies so bleibt. Unser Handeln muß sich dabei auf zwei Wir müssen auch erkennen: Schon die Chance zur Ebenen bewegen, zum ersten Stabilisierung der Stabilisierung steht und fällt mit dem Aufbau einer Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, man kann auch provisorischen Infrastruktur. Ohne Transportwege härter formulieren: die Vermeidung des wirtschaftli- und Fahrzeuge nützt die beste Nahrungsmittelhilfe chen und in der Folge auch politischen Zusammen- wenig, genauso wenig wie auf längere Sicht der 6222 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Dr. Heinrich L. Kolb Aufbau von Handelskontakten gelingt, wenn die schen und wirtschaftlichen Strukturen in den Staaten Ware nicht oder zu spät ans Ziel gelangt. der GUS weiterentwickeln. Zum zweiten von mir genannten Bereich, der gedul- Aber nicht nur der Bundestag wird weitere Ent- digen, aber zielstrebigen Entwicklung marktwirt- scheidungen in den kommenden Jahren folgen las- schaftlicher Strukturen, gibt es gleichfalls eine Reihe sen. Die Washingtoner Konferenz hat vielmehr den von Aufgabenfeldern. Dazu zählt die kontrollierte Weg zur Internationalisierung der Hilfen gewiesen Fortsetzung der Hermes-Deckungspolitik. Doch so und hat deutlich gemacht, wo erkannte Verantwor- wichtig diese ist, beim Aufbau neuer Wirtschaftsbe- tung noch stärker in tatsächliche Hilfsmaßnahmen ziehungen müssen wir zuallererst an die deutsche umgesetzt werden kann. Im Mai werden sich die Wirtschaft appellieren, auf eigenes Risiko zu handeln. Wirtschafts- und Handelsminister und dann im Juli in Wer jetzt in der nach wie vor größten Staatengemein- München der Weltwirtschaftsgipfel mit der Situation schaft der Welt investiert, sich dort Kooperationspart- in der GUS befassen. ner sucht und ihnen über die schwere Aufbauphase Ich bin sicher, die großen Anstrengungen werden hinweghilft, wird später sicher davon profitieren. sich für alle Beteiligten lohnen. Die Überwindung des Die Bundesrepublik Deutschland kann nicht auch zurückliegenden Kalten Krieges und der Friede in der noch das Exportgeschäft mit immer neuen Mitteln Welt sind es allemal wert. subventionieren. Deshalb war — so denke ich — die Danke. Notbremse beim Hermes-Programm, das sonst zu (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der einem Subventionsmittel zu verkommen drohte, SPD) unumgänglich. Überhaupt liegt, was Hermes anbelangt, eine Grat- Meine Damen und Her- wanderung vor uns. Was Einbrüche in diesem Bereich Vizepräsident Hans Klein: ren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Dr. F ritz insbesondere für die Betriebe in den neuen Bundes- Schumann. ländern bedeuten, spüren wir schon jetzt. Auch müs- sen wir die möglichen Folgen des Scheiterns der Reformpolitik, welches zu ungeahnten Flüchtlings- Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke strömen führen könnte, ins Kalkül ziehen. Auf der Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es anderen Seite dürfen wir unseren eigenen Haushalt bleibt eine nicht auslöschbare Tatsache, daß die nicht durch Hermes-Risiken überfordern. Wer einem Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg für das Schicksal ins Eis Eingebrochenen helfen will, muß vorsichtig aller Völker Historisches geleistet hat. Im besonderen sein, damit er nicht selber einbricht. gilt das für das deutsche Volk. Folglich wird alles, was (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) wir heute gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion tun oder nicht tun, in diesem Zusammen- Doch zurück zur Entwicklung tragfähiger markt- hang gesehen. Mit anderen Worten: Es geht um wirtschaftlicher Strukturen. Zur Verbesserung der uneigennützige, umfängliche und sofort wirksame Perspektiven dienen neben materiellen Hilfen Bera- Unterstützung. Denn wann und wie in diesem Lande tung und Informationen aller Art, Seminare für Ange- die tiefe ökonomische und soziale Krise überwunden hörige aller Verwaltungen, Selbständige, Selbstver- wird, ist auch für Deutschl and von Bedeutung, vor waltungsorganisationen, Kommunalpolitiker und an- allen Dingen für die Zukunft. Insofern kann man das dere. Deutschl and hat zwar durch die nationale Ver- Anliegen der Beschlußempfehlung, die uns heute hier einigung Erfahrungen auf diesem Gebiet gemacht wie vorliegt, nur unterstützen. kein zweites Land der Welt; unsere Erfahrungen mit- Die konkreten Schritte, um die es nun aber geht, der Vermittlung eines ganz neuen Gesellschafts- und kommen im Antrag doch eher etwas spärlich zur Wirtschaftssystems an Millionen von Menschen sind Sprache, und die Wirklichkeit sieht auch nicht viel dennoch nicht einfach auf die GUS übertragbar. Ihr anders aus. Gebiet ist ungleich größer, was nicht nur den Tr ans- port von Waren, sondern eben auch den Transport von Die bisherigen knapp 10 Milliarden DM Hermes Dienstleistungen und Informationen erschwert. Bürgschaften und die 400 Millionen DM Überfällig- keiten im Rahmen dieses Programms sind sicher ein Wir dürfen auch nicht vergessen, daß es in Rußland finanzielles Risiko; das haben die Vorredner hier und anderen Staaten der GUS nicht etwa eine oder betont. Insofern verstehe ich auch Minister Waigel, mehrere Generationen lang, sondern tatsächlich noch der eine große Verantwortung für Stabilität trägt. nie Demokratie nach unseren heutigen Maßstäben Trotzdem muß man gerade in diesem Fall politische und noch nie moderne, menschenfreundliche Markt- Maßstäbe anlegen und echte Unterstützung gewäh- wirtschaft gab. ren. Das muß nicht alles über das Hermes-Programm Zum Schluß: Ich verstehe die gute Absicht und die laufen; auch das ist hier zum Ausdruck gekommen. — sagen wir — Ungeduld all derer, die die gemein- Auch unsere Nachbarn, besonders die EG, sind same Beschlußempfehlung noch verbessern wollen. gefordert. Wenn ich mir konkret die Nahrungsmittel- Aber ich bitte auch zu bedenken: Der vorliegende hilfe ansehe, dann stelle ich fest, man kann daran Beschlußvorschlag beschreibt die ersten einer ganzen nicht erkennen, daß es wirklich schon so ernst ist. Die Reihe von notwendigen Schritten. Es kommt darauf EG gewährte den Ländern der GUS einen Kredit in an, unsere Hilfe zur Selbsthilfe überhaupt erst einmal Höhe von 450 Millionen ECU. Davon sollen 1 Million t auf den Weg zu bringen. Darauf aufbauen und daran Weizen und 1,5 Millionen t Gerste eingekauft werden. feilen können wir zukünftig noch genug, wenn die Angesichts eines Getreideüberschusses der EG von Zusammenarbeit erst einmal läuft und sich die politi etwa 30 Millionen t ist das geradezu eine groteske Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6223

Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) Größenordnung, die Soforthilfe doch gewähren eine Element ist die Anerkennung dessen, was die könnte. Bundesregierung, aber auch die deutsche Öffentlich- Ein letztes Beispiel. In Berlin entsorgt der Senat zur keit bisher an Hilfsleistungen für die GUS und ihre Zeit die Reservelagerbestände der sogenannten Ber- Länder erbracht haben. Das ist nicht unerheblich, lin-Reserve. Die Sowjetarmee, die ja noch da ist, fährt wenn man sich überlegt, daß allein die Bundesrepu- die Bestände ab, die auf dem Markt ohnehin nicht blik 57 % aller Hilfsleistungen — aufgerechnet auf absetzbar wären. Es entstehen keinerlei Auslage- alle denkbaren Lieferländer — erbringt. Ich glaube, rungskosten. Der frei werdende Lagerraum bringt, ich kann hinzufügen, daß das, was die Vereinigten wenn er an Industrie und Handel vermietet wird, Staaten mit einem Anteil von bisher 6,5 % und Japan sofort sagenhaften Gewinn. Damit Sie mich nicht mit einem Anteil von 3,1 % geleistet haben, zu wenig falsch verstehen: Natürlich begrüßen wir diese Hilfe, ist und erhöht werden müßte. denn jede Hilfe tut not, und wir übersehen nicht (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der bestimmte Anstrengungen dieser Bundesregierung, FDP) aber es sollten weder Almosen noch Eigennutz im Spiele sein. Es geht vor allem um echte vorbehaltlose Ich möchte aber auch auf die Hilfe hinweisen, die Hilfe und Zusammenarbeit, die in langfristige Bezie- nicht von der Regierung geleistet worden ist. Es ist hungen münden sollten. schon beeindruckend zu sehen, in welcher Weise die deutsche Öffentlichkeit, die deutschen Bürger bereit Wir schlagen deshalb vor, als Akt der Wiedergut- sind, persönlich zu spenden, und in welcher Weise machung für das Leid, das Deutschland den sowjeti- Hilfsorganisationen aus Deutschl and Transporte or- schen Völkern in diesem Jahrhundert zugefügt hat, ganisieren und begleiten und dafür sorgen, daß sie auf die Rückzahlung aller Schulden zu verzichten. auch an die richtige Adresse kommen. Das wäre ein wichtiges Signal des vereinten Deutsch- land. Es würde den GUS-Staaten den Start in die neue (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Phase der Entwicklung erleichtern, und es läge im FDP) Interesse der Menschen. Lassen Sie mich hinzufügen: Es ist unverantwortlich, In Ergänzung zu Nr. 6 der vorliegenden Beschluß- die Menschen hier zu entmutigen, indem m an sagt, empfehlung wiederhole ich ferner unseren Vorschlag daß vieles nicht ankomme. Wir wissen, daß es oft zur Bildung eines Projektförderrates vor allem zur schwer ist, die Adressaten zu finden. Aber der Deut- Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen zwi- sche Bundestag sollte bei dieser Gelegenheit all den schen den ostdeutschen Bundesländern und den vielen freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern danken, Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Selbst zurückhal- die diese Transporte in vielen Nachtfahrten begleiten tende Schätzungen sprechen von mindestens 700 000 und unter schwierigen Bedingungen vor Ort die Arbeitsplätzen, die damit in den neuen Bundeslän- Ausladung und Verteilung organisieren. Das gibt uns dern gesichert werden könnten. Mut, und das ist auch eine Leistung! Ebenso überfällig wäre ein Auftrag an die Treu- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der hand, ohne weiteren Zeitverlust ein umfassendes FDP) Programm zur gezielten Sanierung und Förderung von ostdeutschen Betrieben vorzulegen, die im Han- Der andere Teil des Antrags weist in die Zukunft. del und in der Wirtschaftskooperation mit der ehema- Wir wissen, mit solch einem Antrag können wir die ligen UdSSR über Tradition, Erfahrung und Potenzen Teilnahme des Parlaments an dem ganzen Vorgang verfügen. dokumentieren, aber wir können gleichzeitig auch zeigen, in welche Richtung diese Hilfe in Zukunft Ich fordere die Bundesregierung erneut auf, endlich gehen soll. Die richtige Richtung dieser Hilfe ist vor ernsthaft das Problem der Umschulung sowjetischer allem, zu sagen: Wir wollen nicht unsere Probleme mit Militärangehöriger, solange sie noch auf deutschem Hilfsmaßnahmen lösen, etwa EG-Überschüsse ab- Boden stationiert sind, aufzugreifen. Meine Vorredner bauen, sondern wir wollen auch den anderen osteu- haben ja schon auf das hervorragende Bildungssy- ropäischen Ländern helfen, ihre traditionellen und stem hingewiesen. Nur mit solchen konkreten Schrit- engen Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern der ten kann die Bundesregierung beweisen, daß sie der GUS fortzusetzen. Sie sollen in diesen Prozeß einbe- allseitigen Zusammenarbeit und dem friedlichen zogen werden. Wir haben hier sehr deutlich gemacht, Zusammenleben mit der Gemeinschaft Unabhängiger daß es uns darum geht, möglichst konkrete, direkte Staaten wirklich verpflichtet ist. Maßnahmen in der Zukunft zu treffen, d. h. die Danke. Städtepartnerschaften noch stärker in die Hilfsmaß- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) nahmen einzubeziehen. Es bedeutet aber auch, durch die bilateralen Kooperationsräte, die wir anregen, vor allem projektbezogene Hilfe zu leisten, wo wir Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile jetzt genau wissen, wer unser Partner ist und welches die unserem Kollegen Gernot Erler das Wort. konkreten Ziele sind, und schließlich — darauf haben einige Kollegen schon hingewiesen — die Politikbe- ratung zu verstärken. Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich begrüße eingangs, daß wir in Meine Damen und Herren, die Washingtoner Kon- guter Zusammenarbeit — in diesem Zusammenhang ferenz, die gerade zu Ende gegangen ist, ist teilweise möchte ich besonders Herrn Dr. Sprung danken — zu etwas kritisiert worden als Versuch der amerikani- einem gemeinsamen Antrag in dieser Frage gekom- schen Adminis tration, deren Oberhaupt auch vor men sind. Dieser Antrag enthält zwei Elemente: Das einem Wahlkampf steht, sich koordinierend dort ein- 6224 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Gernot Erler zubringen, wo andere die Hauptleistung erbringen. Wir sprechen von Politikberatung und wissen, wie Ich möchte mich in diese Diskussion gar nicht einmi- notwendig das ist. Aber welche sind die besten schen. Aber objektiv hat die Washingtoner Konferenz Berater bei dem ökonomischen Status, den die L ander einen wichtigen Ansatz gebracht, den wir verfolgen der GUS jetzt durchmachen müssen? Sind es die sollten. Es wäre positiv, wenn jetzt die verschiedenen Leute, die auf dem letzten Stand der hochindustria- Regionen der Welt in Mitverantwortung für die lisierten westlichen Länder und ihrer Marktwirtschaft Zukunft der Lander der GUS einträten. Denn es macht sind und die sich nur sehr schwer in die Verhältnisse Sinn, daß bei der voraussehbaren Zukunft der politi- hineindenken können, die wir dort haben? schen Perspektiven der GUS der Blick nicht völlig Ich denke daran, daß wir z. B. ein osteuropäisches verengt und einseitig auf Europa gerichtet ist, auch Land haben, das in dem Übergangsprozeß ein erheb- auf Bemühungen zur Assoziation und sogar zur Inte- liches Stück weiter voran ist als die GUS-Länder; das gration in die EG, sondern daß sich der Blick von ist Ungarn. Ungarn hat durch die lange Tradition von beiden Seiten auch auf andere Weltregionen rich- Wirtschaftsreformen inzwischen auch eine Menge tet. Spezialisten für diese Übergangsprozesse; leider sind Es macht natürlich Sinn, daß sich die westlichen zur Zeit viele von ihnen arbeitslos. Es ist ein faszinie- Republiken stärker nach Westeuropa orientieren. render Gedanke, mit westlichen Mitteln einen Fonds Aber es gibt auch Ideen im Süden Europas, bezeichnet zu gründen, der es ermöglicht, Spezialisten, die diese mit den Begriffen Pentagonale oder Hexagonale, auf unmittelbare Übergangsphase aus eigener prakti- die sich sicherlich Moldawien hinorientieren wird. Es scher Erfahrung sehr gut kennen und sehr wohl gibt die mittelasiatischen Länder, d. h. die islamischen Ratschläge geben könnten — nebenbei können sie in Lander der GUS, die schon jetzt in enge Kontakte mit der Regel auch die Sprache der GUS-Länder, Rus- der Türkei, mit dem Iran, aber auch mit Pakistan, sisch —, dorthin zu entsenden. Afghanistan und anderen Ländern dieser Region Meine Damen und Herren, das sind Dinge, wo wir treten. Wenn daraus auch Hilfskonstruktionen wer- weiterarbeiten sollten — ich hoffe, auch da gemein- den, die diesen Ländern eine Zukunft der Eigenver- sam, Herr Dr. Sprung —, Ideen sammeln könnten, um sorgung ermöglichen, dann haben wir das zu begrü- diesen Antrag mit Leben zu füllen; denn eines ist uns ßen und zu unterstützen. Es macht Sinn, daß sich die doch klar: Es wird immer von Hilfe gesprochen, aber Lander des Fernen Ostens, die ja reich und wirt- es geht hier nicht nur um eine Frage der Humanität, schaftsstark sind, um die östlichen Teile der riesigen sondern wir haben es hier mit deutschen Interessen zu russischen Föderation bemühen, die viel stärker pazi- tun. Ich finde es allemal attraktiver, in diesem Bereich fisch orientiert sind und gewiß nicht in einen intensi die künftige Weltrolle der Bundesrepublik und die .ven Austausch mitWesteuropa treten können Bedeutung und die Verantwortung auf dieser Welt, die wir immer suchen, zu finden und umzusetzen als in Um den Kreis, den ich um den Süden beschrieben irgendwelchen wirren Gedanken über militärische habe, abzuschließen: Es ist ein positiver Ansatz, daß sich die Ostseeanrainerstaaten auf einen Ostseerat Interventionsmöglichkeiten. vorbereiten. Hier hat das Land Schleswig-Holstein Vielen Dank. und der Ministerpräsident Björn Engholm persönlich (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste ein großes Engagement gezeigt, das begrüßenswert sowie des Abg. Dr. Rudolf Sprung [CDU/ ist und das jetzt von der Bundesregierung zunehmend CSU]) aufgenommen wird. Es wird sich in der Ostseekonfe- renz am 5. und 6. März dieses Jahres aktiv umsetzen. Dort ist die Konstituierung eines solchen Ostseerates - Meine Damen und vorgesehen. Es ist vernünftig, daß dort hochentwik- Vizepräsident Helmuth Becker: kelte Industrieländer des Westens — Dänemark, die Herren, die Aussprache zu diesem Antrag geht lang- nördlichen Teile der Bundesrepublik, aber auch Nor- sam zu Ende. Ich erteile jetzt dem Parlamentarischen ch Riedl das Wort. wegen, Finnland und Schweden — zusammen mit Staatssekretär Dr. E ri Polen, den baltischen Staaten und den nördlichen (Uta Würfel [FDP]: Wie bei der Hochzeit von Provinzen, sprich Kaliningrad, St. Petersburg und das Kanaan: das Beste zuletzt! — Dr. Jürgen Leningrader Gebiet, in einen engen wirtschaftlichen Rüttgers [CDU/CSU]: Da war es aber ein Kontakt treten und regionale Kooperation betrei- Fehler!) ben. Wenn also die Washingtoner Konferenz dazu bei- trägt, daß wir so etwas wie eine Konzeption regiona- Dr. Erich Riedl, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- ler Kooperationszonen haben werden, dann ist das nister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine sehr nicht nur im Sinne von „burden sharing" ein Fort- verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei schritt, sondern dann zeigt das auch, daß das riesige kurze Vorbemerkungen. eurasische Konglomerat von Ländern nicht eine One- Erstens begrüßt es die Bundesregierung sehr und way-Entscheidung in Richtung Westeuropa treffen ausdrücklich, daß sich nicht nur die Koalitionsfraktio- kann, sondern daß es Verantwortlichkeiten und nen, sondern auch die große Oppositionsfraktion, die Chancen auf der ganzen Welt gibt. der Sozialdemokraten, auf einen gemeinsamen Antrag verständigen konnten. Ich stimme mit Ihnen Wir sind also gefordert, hier weiterhin Phantasie zu überein: Dies ist ein gutes Beispiel parlamentarischer zeigen, über das hinaus, was mit diesem Antrag Verantwortlichkeit. angedeutet ist. Ich möchte deswegen hier noch eine weitere Anregung in diese Richtung geben. (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6225

Parl. Staatssekretär Dr. Erich Riedl Dies entspricht auch dem Stellenwert, welche der dium mit zahlreichen Engpässen, Verzögerungen und Hilfe für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Hemmnissen im Warenverkehr und den Kooperati- der gegenwärtigen Phase des Umbruchs zuzumessen onsbeziehungen zu rechnen. Deshalb bedarf es ist, sowie der gewichtigen Rolle, die unser Land im sowohl persönlicher Kontakte zwischen den Regie- Verbund der westlichen Partnerländer dabei spielt. rungen als auch eines bilateralen Gremiums, das in Zweitens darf ich feststellen, daß der neu formu- regelmäßigen Abständen unter Regierungs- und Wirt- lierte, heute hier vorliegende Antrag in seinen schaftsbeteiligung Gelegenheit zur Erörterung der wesentlichen Bestandteilen in bemerkenswerter bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gibt. Weise auch mit den Vorstellungen der Bundesregie- Die vorgesehenen Kooperationsräte, deren Ein- rung übereinstimmt. Ein so freudiges Erlebnis darf die richtung erfreulicherweise durch Ihren, durch unse- Bundesregierung hier auch öffentlich bekunden. Aber ren gemeinsamen Antrag unterstützt wird, bieten dies ist angesichts der Bedeutung des Gegenstandes hierfür ein ausreichend flexibles Instrumentarium. — und das sage ich im Ernst — auch ein wichtiges Mit der Russischen Föderation sind die diesbezügli- politisches Signal. Wir sind ja sonst andere Töne chen Arbeiten bereits relativ weit fortgeschritten. Der gewöhnt. deutsch-russische Kooperationsrat wird am 18. Fe- (Gernot Erler [SPD]: Mit Recht!) bruar 1992 zum erstenmal in Bonn tagen. Das Bundes- ministerium für Wirtschaft ist sehr gern bereit, recht- Seit unserer ersten Debatte über die ursprünglichen zeitig und unverzüglich — Herr Dr. Jens, Herr Kollege Anträge Mitte November 1991 haben sich die Ereig- Sprung und die Kollegen von der FDP, Herr Kollege nisse in der früheren Sowjetunion förmlich überschla- Kolb — Sie auch im Vorfeld dieser Sitzung zu infor- gen. Die alte Union — das wissen wir alle — besteht mieren. Wir können in laufender Verbindung bleiben. nicht mehr. An ihre Stelle ist jetzt die Gemeinschaft Ich darf Ihnen dieses Angebot von Herrn Minister Unabhängiger Staaten — GUS — getreten, wobei Möllemann ausdrücklich auch hier vor dem Bundes- heute niemand sagen kann, wie lange diese Gemein- tag unterbreiten. Kooperationsräte mit der Ukraine schaft so und unter dieser Bezeichnung bestehen- und Kasachstan befinden sich in Vorbereitung, und es bleibt. Aber eines ist klar: daß sich die souverän ist damit zu rechnen, daß sie sich während des gewordenen Republiken von — ich glaube, man tritt Besuches von Minister Jürgen Möllemann während niemandem zu nahe, wenn man es sagt — Filialen des seiner Reise nach Kiew und Alma Ata Anfang Februar ehemaligen Moskauer Zentrums zu eigenverantwort- konstituieren. Das läuft gut an. lichen Aktionszentren gewandelt haben, von denen auch starke Bestrebungen zu wirtschaftlicher Autono- Die von den Kooperationsräten zu behandelnden mie ausgehen. Das ist ein ganz deutlich erkennbarer Sachthemen werden in gegenseitiger Abstimmung Wille. Der Beschluß der Ukraine z. B. und einiger nach Gesprächsbedarf festgelegt und von Sitzung zu anderer Republiken, eigene Währungen einzuführen, Sitzung variiert. Dementsprechend wird auch die Auswahl der ist hierfür nur beispielsweise ein signifikanter Aus- Teilnehmer unterschiedlich sein. Herr druck. Kollege Sprung, das war eine Anregung von Ihnen. Wir werden über die Personen und Teilnehmer immer Auf diese Entwicklung müssen wir — das ist gut, wieder zu sprechen haben. Das gilt auch für die was im Deutschen Bundestag hier dazu ausgeführt Opposition. Jedenfalls ist daran gedacht, neben den worden ist — schnell reagieren, nicht nur — ich will Vertretern der Bundesregierung und der Wirtschaft je das ganz offen sagen — um unsere eigenen Wirt- nach Tagesordnung auch die Bundesländer und die schaftsinteressen dabei zu verfolgen, was sicherlich wissenschaftlichen Forschungsinstitute zu beteiligen. auch notwendig und richtig ist —, sondern auch um Ich sehe überhaupt keinen Grund, nicht auch die einen Beitrag zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Mitglieder oder Repräsentanten aus dem Wirtschafts- und politischen Verhältnisse in den neuen Republiken ausschuß des Deutschen Bundestages fraktionsantei- zu leisten. Denn wir sind absolut sicher einer Mei- lig hineinzuziehen. nung, daß hinter den Reformkräften immer noch alte Regimeanhänger darauf harren, daß vor allen Dingen Letztere und alle diese Gruppen sind nicht nur die Marktwirtschaft und die Demokratie in diesen bedeutsam im Hinblick auf ihre Analyse und Informa- neugestalteten souveränen Republiken scheitern tionstätigkeit, sondern sie spielen auch eine gewich- tige Rolle bei der künftigen werden. Es geht jetzt darum, unsere wirtschaftlichen wirtschaftspolitischen Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen und Beratung der Republiken. Man glaubt gar nicht, wenn ein Geflecht bilateraler Wirtschaftsbeziehungen auf- man Gespräche da drüben führt, auf welch einfachem zubauen, das eine maßgeschneiderte Zusammenar- Level man anfangen muß. Man schämt sich ja fast — beit mit unseren neuen Partnern erlaubt. ich möchte das hier ganz offen sagen —, das ganz einfache Einmaleins der Marktwirtschaft überhaupt Hierzu sind viele Dinge erforderlich, aber es ist anzubieten, aber man ist auf der Gegenseite dankbar, sicherlich zunächst erforderlich, regelmäßige und daß man es anbietet. Mit hochwissenschaftlichen institutionalisierte Regierungskontakte zu den GUS- Vorlesungsmaterialien aus dem 8. Semester Betriebs- Republiken aufzunehmen, um die entstehenden wirtschaftsstudium deutscher Universitäten kommt Geschäfts- und Kooperationsbeziehungen zu flankie- man im Augenblick noch nicht allzuweit. ren. Ein solches Interesse besteht auch seitens der neuen Republiken, insbesondere seitens der wirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — schaftlich stärksten Republiken, Russische Födera- Detlev von Larcher [SPD]: Die sind oft auch tion, Ukraine, Kasachstan und Weißrußland. Denn gar nicht so wertvoll!) wegen der politischen und wirtschaftlichen Neuord- — Als Leidtragender dieses Studienganges kann ich nung in diesen Republiken ist gerade im Anfangssta- Ihnen das bestätigen, Herr Kollege. 6226 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Parl. Staatssekretär Dr. Erich Riedl Neben dem Wunsch nach einer engeren wirtschaft- gewesen — und schließlich natürlich Schaffung eines lichen Zusammenarbeit werden sich die Interessen günstigen Investitionsklimas. der GUS-Republiken auf finanzielle Hilfe durch die Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Bundesrepublik Deutschland richten. Dies ist eine diesem auf wirtschaftliche Kooperation ausgerichte- unmittelbare Folge des Umstands, daß Deutschland in ten Ansatz ergänzt das Münsteraner Treffen die den vergangenen Jahren fast zwei Drittel der interna- soeben in Washington beendete Konferenz zur Koor- tionalen Finanzhilfe für die ehemalige Sowjetunion dinierung der internationalen humanitären Hilfsak- geleistet hat. Die Regierung hat hier heute sehr tionen für die GUS-Länder. Diese Hilfsaktionen sind dankbar vermerkt, daß dieses Hohe Haus wegen naturgemäß kurzfristig angelegt und laufen nach seines Beitrags zu dem enormen Anteil deutscher Beseitigung der akuten Notsituation aus. Finanzierung einer spürbaren Hilfe für die GUS- Staaten eine entsprechende Anerkennung findet. Um Die gestern zu Ende gegangene Washingtoner es einmal salopp zu sagen: Die übrige westliche Hilfe Koordinierungskonferenz zur Hilfe für die Staaten der hat im Augenblick noch keinen Anspruch darauf, GUS brachte deutlich zum Ausdruck, daß die Stabili- wegen humanitärer und sonstiger Hilfen in das tät in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion keine „Guinessbuch der Rekorde" aufgenommen zu wer- Angelegenheit nur für Westeuropa ist. Hierin liegt den. ihre eigentliche Bedeutung. Sie betrifft genauso die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada, sie (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der betrifft auch die hochentwickelten Industrieländer SPD) Asiens und die reichen Golfstaaten. Dies machten die Debatten deutlich, an denen sich die Teilnehmer aus Hier ist also noch Nacharbeit notwendig. allen Regionen intensiv beteiligten. Es wurde bereits in unserer ersten Debatte wie auch Die Teilnahme von 54 Staaten und internationalen in den Ausschußberatungen deutlich, daß diese finan- Organisationen an der Konferenz hat eine Chance ziellen Leistungen zwangsläufig zurückgehen wer- eröffnet, daß die neue Herausforderung weltweit den und werden müssen. Jetzt ist einerseits die soeben akzeptiert wird und die Lasten auf viele Schultern angesprochene internationale Staatengemeinschaft verteilt werden können. Ich möchte in diesem Zusam- gefordert, die zu einer gleichmäßigeren Lastenvertei- menhang nochmals die aktive Mitwirkung der Öllän- lung beitragen muß, andererseits werden die öffentli- der des Persischen Golfs hervorheben. chen Kassen angesichts des enormen Finanzbedarfs der GUS-Länder — auch bei einem verstärkten Enga- Konkretes Handeln ist erforderlich. In Washington gement unserer Partner — überfordert sein und Finan- fanden die von Bundesaußenminister Genscher im zierungslücken bestehenbleiben. Namen der Bundesregierung vorgetragenen prakti- schen deutschen Erfahrungen mit unseren Program- Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten men allergrößtes Interesse. Die herausragenden Lei- Damen und Herren, hat der Bundesminister für Wirt- stungen Deutschlands wurden von Präsident Bush schaft zu einem Treffen von Wirtschafts- und Han- und Außenminister Baker in ihren Erklärungen delsministern eingeladen, das im Mai in Münster besonders gewürdigt. Die USA haben zusätzliche stattfinden wird. Dieses Treffen soll wesentlich dazu Hilfsmaßnahmen angekündigt. beitragen, die Schwergewichtsverlagerung von der Meine Damen und Herren, ich möchte mich zum finanziellen Hilfe zur unternehmerischen Zusammen- Schluß dem Dank anschließen, den mein verehrter arbeit zu fördern und damit zugleich einen prakti- Vorredner an die Deutschen gerichtet hat. Auch ich schen Beitrag zur Einführung der in Marktwirtschaft möchte allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unseres den GUS-Republiken zu leisten. deutschen Vaterlandes, die — ich kann Ihnen das In diesem Sinne wird es darum gehen, eine ganze bestätigen — ohne staatlichen Antrieb, ohne daß sie Reihe von Fragen — die Vorredner haben diese Fra- vom Fernsehen aufgefordert werden mußten, sondern gen heute schon angeschnitten — zu erörtern: Wirt- absolut freiwillig Enormes geleistet haben, Enormes schaftsreform — da geht es nicht nur um Preisfrei- leisten und zu Tausenden unterwegs sind, im Namen gabe, die, völlig richtig, allein gar nicht helfen kann, der Bundesregierung Dank aussprechen. vielmehr muß Privatisierung, was Herr Kollege Kolb Ein Beispiel: Neulich habe ich einem hilfswilligen deutlich ausgeführt hat, hinzukommen —, Verbesse- Bürger ganz vorsichtig Schwierigkeiten erklärt, auf rung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die er stößt, wenn er nach drüben fährt. Da hat er — z. B. Aufbau einer effizienten Wirtschaftsverwal- gesagt: Das interessiert mich überhaupt nicht; ich will tung; man kann über den öffentlichen Dienst und die von Ihnen wissen, was ich Positives leisten kann; mit Verwaltung reden, was man will, aber die Wirtschafts- den Schwierigkeiten werde ich selber fertig. verwaltung gehört zur Marktwirtschaft wie das Amen in der Kirche —, Neuordnung des Bankensystems, Das ist ein gutes Zeichen auch für unsere deutschen Neuordnung des Ausbildungssystems — Stichwort: Mitbürgerinnen und Mitbürger im wiede rvereinigten duales Ausbildungssystem, Meisterprüfung und all Deutschland. die Dinge, die schon angesprochen worden sind —, (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der Notwendigkeit — das will ich als Regierungsvertreter SPD) deutlich sagen — des Aufbaus einer demokratischen Gewerkschaftsbewegung — das ist, wie schnell klar wird, wenn man die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verfolgt, bei uns ein ganz wesentlicher, Vizepräsident Helmuth Becker: Wir sind damit am positiver Faktor beim Wiederaufbau Deutschlands Ende der Aussprache. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6227

Vizepräsident Helmuth Becker Zu Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege Larcher: Wie Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. ich höre, wird an deutschen Hochschulen im allgemei- nen gut gearbeitet. Ich wünsche Ihnen ein nicht zu arbeitsreiches Wochenende und gute Arbeitsergebnisse national (Detlev von Larcher [SPD]: Das stimmt!) und international für die nächsten 19 Tage, weil ich die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags erst Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die auf Mittwoch, den 12. Februar 1992, 13 Uhr einbe- Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft rufe. auf der Drucksache 12/1975? — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Die Sitzung ist geschlossen. Ausschuß für Wirtschaft ist einstimmig angenom- men. (Schluß der Sitzung: 12.36 Uhr)

Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992 6229*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 entschuldigt bis Abgeordnete(r) Liste der entschuldigten Abgeordneten einschließlich Lühr, Uwe FDP 24. 01. 92 entschuldigt bis Meckel, Markus SPD 24. 01. 92 Abgeordnete(r) einschließlich Meinl, Rudolf Horst CDU/CSU 24. 01. 92 Adler, Brigitte SPD 24. 01. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 24. 01. 92 Andres, Gerd SPD 24. 01. 92 Dorothea Antretter, Robert SPD 24. 01. 92* Dr. Möller, Franz CDU/CSU 24. 01. 92 Berger, Johann Anton SPD 24. 01. 92 Nitsch, Johannes CDU/CSU 24. 01. 92 Bock, Thea SPD 24. 01. 92 Opel, Manfred SPD 24. 01. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 01. 92 * Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 24. 01. 92 Wilfried Dr. Pfaff, Martin SPD 24. 01. 92 Braband, Jutta PDS/LL 24. 01. 92 Poß, Joachim SPD 24. 01. 92 Brandt-Elsweier, Anni SPD 24. 01. 92 Rahard-Vahldieck, CDU/CDU 24. 01. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24. 01. 92 Susanne Dr. Diederich (Berlin), SPD 24. 01. 92 Rappe (Hildesheim), SPD 24. 01. 92 Nils Hermann Dr. Dobberthien, SPD 24. 01. 92 Rawe, Wilhelm CDU/CSU 24. 01. 92 Marliese Reddemann, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 * Doppmeier, Hubert CDU/CSU 24. 01. 92 Rempe, Walter SPD 24. 01. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 24. 01. 92 Reschke, Otto SPD 24. 01. 92 Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 24. 01. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 24. 01. 92 Francke (Hamburg), CDU/CSU 24. 01. 92 Schily, Otto SPD 24. 01. 92 Klaus Schluckebier, Günther SPD 24. 01. 92 Dr. Friedrich, Gerhard CDU/CSU 24. 01. 92 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 24. 01. 92 Gallus, Georg FDP 24. 01. 92 Horst Ganschow, Jörg FDP 24. 01. 92 Schmidt (Dresden), Arno FDP 24. 01. 92 Gattermann, Hans H. FDP 24. 01. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 24. 01. 92 24. 01. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU Schwanhold, Ernst SPD 24. 01. 92 Wolfgang Schwanitz, Rolf SPD 24. 01. 92 Dr. Glotz, Peter SPD 24. 01. 92 Seim, Marita FDP 24. 01. 92 Grünbeck, Josef FDP 24. 01. 92 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 24. 01. 92 Günther (Plauen), FDP 24. 01. 92 Joachim Thiele, Carl-Ludwig FDP 24. 01. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 24. 01. 92 Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 24. 01. 92 Uldall, Gunnar CDU/CSU 24. 01. 92 Haschke CDU/CSU 24.01.92 Dr. Ullmann, Wolfgang BÜNDNIS 24. 01. 92 (Großhennersdorf), 90/GRÜNE Gottfried Voigt (Frankfurt), SPD 24. 01. 92** Dr. Haussmann, Helmut FDP 24. 01. 92 Karsten D. Horn, Erwin SPD 24. 01. 92 ** Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 24. 01. 92 Hans-Peter Irmer, Ulrich FDP 24. 01. 92* Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 24. 01. 92 Janz, Ilse SPD 24. 01. 92 Vosen, Josef SPD 24. 01. 92 Jaunich, Horst SPD 24. 01. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 24. 01. 92 Jungmann (Wittmoldt), SPD 24. 01. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 24. 01. 92 Horst Weiß (Berlin), Konrad BÜNDNIS 24. 01. 92 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 24. 01. 92 90/GRÜNE Dr. Kappes, CDU/CSU 24. 01. 92 Welt, Jochen SPD 24. 01. 92 Franz-Hermann Dr. Wetzel, Margrit SPD 24. 01. 92 Klein (München), Hans CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24. 01. 92 Kolbe, Manfred CDU/CSU 24. 01. 92 Dr. Wilms, Dorothee CDU/CSU 24. 01. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 24. 01. 92 Wohlleben, Verena SPD 24. 01. 92 Koschnick, Hans SPD 24. 01. 92 Ingeburg Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 24. 01. 92 Wollenberger, Vera BÜNDNIS 24. 01. 92 Günther 90/GRÜNE Kretkowski, Volkmar SPD 24. 01. 92 Zierer, Benno CDU/CSU 24. 01. 92 Kubicki, Wolfgang FDP 24. 01. 92 Dr. Kübler, Klaus SPD 24. 01. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Dr. Leonard-Schmid, SPD 24. 01. 92 ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm- Elke lung 6230* Deutscher Bundestag — 12, Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Januar 1992

Anlage 2 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/157 Nr. 2.2 Amtliche Mitteilungen Finanzausschuß Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Drucksache 12/210 Nrn. 69, 71, 72, 77 Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/557 Nrn. 3.2, 3.3 Drucksache 12/1072 Nr. 1 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/742 Ausschuß für Wirtschaft Innenausschuß Drucksache 12/1339 Nrn. 2.2-2.6 Drucksache 11/3058 Drucksache 12/1449 Nrn. 2.1, 2.2 Finanzausschuß Drucksache 12/1518 Nrn. 4-8 Drucksache 11/7566 Drucksache 12/1612 Nrn. 2.2-2.4 Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Fremdenverkehr Drucksachen 11/7582, 11/7583, 12/848 Drucksache 12/706 Nr. 3.22 Drucksache 12/847 Drucksache 12/854 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 12/849 Nrn. 2.5-2.8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen Drucksache 12/1339 Nr. 2.19 bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Drucksache 12/1449 Nr. 2.15