ISSN 1866-0843

HEFT 297/ 298 – 1_ / 2_2015 55. JAHRGANG

technisch machbar! ethisch möglich?

Flüchtlingsproblematik: GKS-Akademie Bundeskonferenz • Nicht Knechte Oberst Helmut Korn: GKS: sondern Brüder • Programm • Programm- • Jeder Flüchtling und Organisa- entwurf hat seine Geschichte tionshinweise • Gleichgültige EU? INHALT AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 • 55. JAHRGANG

EDITORIAL ...... 3 AUS DEN SACHAUSSCHÜSSEN SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN ...... 4 SACHAUSSCHUSS INNERE FÜHRUNG SEITE GEISTLICHER BEIRAT ...... 5 „Neue Bundeswehr – neues Weißbuch“ Gast: Dr. Hans-Peter Bartels (MdB) SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK von Bertram Bastian ...... 46 „Nicht mehr Knechte, sondern Brüder“ „Bundeswehr 2030“ Friedensbotschaft des Papstes 2015 ...... 6 Gast: (MdB) „Jeder Flüchtling hat eine Geschichte“ von Bertram Bastian ...... 47 zur Flüchtlingsproblematik im Mittelmeerraum von Carl-H. Pierk ...... 10 SACHAUSSCHUSS SICHERHEIT UND FRIEDEN Arabische Welt im Umbruch auf dem Weg Frieden ist möglich und geboten zur Demokratie oder Marsch ins Ungewisse Gast: (MdB) Bericht von Rainer Zink ...... 13 von Rufi n Mellentin ...... 48 Algerien – Bedeutung für die regionale Sicherheit AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS Bericht von Rainer Zink ...... 15 Für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik GKS-KREIS BAD NEUENAHR – AHRWEILER Erklärung des Zentralkomitees der deutschen „Abstimmung mit Füßen“ ...... 50 Katholiken ...... 16 „Technisch möglich – ethisch machbar?“ . . . . . 50 Gleichgültige Europäische Union? GKS-BEREICH WEST von Bertram Bastian ...... 17 Familienwerkwoche ...... 50 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Bereichskonferenz I/15 ...... 52 Taliban in Afghanistan GKS-KREIS KOBLENZ von Seckin Sölyemez und Andreas Rauch . . . . . 18 „Gutes reden, gut denken, gut handeln“ BILD DES SOLDATEN Christen und Jesiden ...... 53 Fußwallfahrt Retzenbach von Rainer Zink ...... 23 GKS-KREIS MÜNCHEN Politikergespräch mit „Friede mit Gott und mit dem Nächsten“ (MdB) ...... 54 Weltfriedenstag in Köln von Bertram Bastian ...... 25 GKS-KREIS NÖRVENICH RELIGION UND GESELLSCHAFT Der Nahe Osten und die Weihnachtsbotschaft . . 55 „Nostra Aetate“ Technisch machbar! Ethisch vertretbar? . . . . . 55 Verhältnis zu nichtchristlichen Religionen . . . . 26 GKS BEREICH NORD Kirchenneubau in Istanbul Frühjahrstreffen ...... 56 von Susanne Güsten (KNA) ...... 29 „Angebliche Islamisierung“ GKS-KREIS FREYUNG Erklärung von Alois Glück Familienwochenende ...... 56 Pressestelle ZdK ...... 30 GKS-KREIS FÜRSTENFELDBRUCK „Ex oriente lux?“ Plädoyer für mehr Gelassenheit Familienwochenende ...... 57 und Selbstvertrauen im Umgang mit dem Islam von Dieter Kilian ...... 31 GKS-KREIS VULKANEIFEL Die pastoralen Herausforderungen der Familie Technisch machbar! – Ethisch vertretbar? . . . . 57 im Kontext der Evangelisierung GKS-KREIS KAUFBEUREN Arbeitshilfe 273 der Deutschen Bischofskonferenz 60 Jahre Bundeswehr – was gilt es

von Bertram Bastian ...... 35 zu schützen? ...... 58 KIRCHE UNTER SOLDATEN GKS-KREIS MAYEN BUNDESKONFERENZ DER GKS Kreis unter neuer Leitung ...... 59 Ablauf Bundeskonferenz (Stand Juli 2015) von Regina Bomke ...... 37 GKS-KREISE KÖLN UND WAHN Ausstellung „Operation Heimkehr“ ...... 60 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ „Technisch machbar! – ethisch möglich?“ LESEEMPFEHLUNGEN: ...... 22, 36, 62, 63 Programm des 15. Seminars ...... 39 KURZ BERICHTET: ...... 48, 49, 63 IMPRESSUM ...... 64

Titelbild: In diesem Jahr findet das 15. Seminar der GKS-Akademie Oberst Korn im Bopnifatiushaus in Fulda statt. Das Programm und die Organisationshinweise finden Sie in diesem Doppelheft. (Bilder: tsuneomp /Smulsky, Fotolia.com)

2 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 • 55. JAHRGANG

Dieter Kilian schreibt, war- um Gelassenheit gegenüber dem Islam besser sei als Angst und Hysterie. Beispiele dazu sind die Erklärung des ZdK zu der Prob- lematik der angeblichen Islami- sierung als Antwort auf die Pe- gida-Bewegung. Wie die Türkei das Problem eines christlichen Kirchenneubaus angeht, lesen Sie im Beitrag von Susanne Güs- ten. Widersprüchlicher kann der Umgang mit einer anderen Re- Jahres-CD mit den ligion nicht sein!

it Spannung schauen Jahrgängen 2000-2014 Mdie deutschen Katho- liken auf die Synode im Herbst in Rom. Die Bischofskonferenz hat Heft 238-296 die Ergebnisse der Befragung in einer Arbeitshilfe zusammenge- fasst und veröffentlicht. Diese (Heft 238 bis 251 nur Titelseiten und Inhaltsverzeichnisse) wird Ihnen in diesem Heft vorge- stellt. Bei dieser Angelegenheit darf man nicht vergessen, dass die Katholische Kirche eine Welt- kirche ist und der Dialogprozess in Deutschland in dieser Kirche einzigartig ist. Die Art und Wei- se, wie die Katholische Kirche in Deutschland mit den Gläubi- gen spricht, sich mit Ihnen zu- sammensetzt, um die Nöte und Besorgnisse direkt von der Ba- sis zu erfahren, gibt es in ande- ren Kontinenten nicht. Deshalb editorial: verwundert es kaum, dass die Probleme, welche in Deutschland auf der Tagesordnung stehen in Afrika, Nord- und Südamerika oder in Asien anders gesehen werden. Liebe Leserschaft, as Jahresthema der GKS: „Technisch machbar – ethisch aufgrund von Erkrankung und weiteren Hemmnissen er- Dmöglich“ ist der weiteren Technisierung und Automa- scheinen die Hefte 297 und 298 als „Doppelheft“. Der 55. Jahr- tisierung der kriegerischen Auseinandersetzungen gewidmet. gang selbst wird im Dezember mit dem Heft Nr. 300 abschließen. Das 15. Seminar der GKS-Akademie Oberst Korn wird dieses Dieser Jubiläumsband wird der bisher geleisteten redaktionellen Thema ausführlich behandeln und nicht nur in Vorträgen, son- Arbeit gewidmet und hält einen Rückblick für die Leserinnen und dern auch in Kleingruppen die verschiedenen Gesichtspunkte Leser bereit über die Veröffentlichungen der Gemeinschaft Katho- vertiefen. Das genaue Programm lesen Sie in dieser Ausgabe, lischer Soldaten von den Königssteiner Offizierbriefen beginnend. um Ihnen einen besseren Einblick in die Vorträge zu geben und Sie für diese Veranstaltungen zu interessieren. Wie Sie diesem n diesem Heft lesen Sie einiges über die Flüchtlingsproble- Programm entnehmen können, ist an jedem Tag in Kleingrup- Imatik. Die Friedensbotschaft des Papstes „Aus Knechten pen Gelegenheit mit einem Mitglied des Bundesvorstandes das werden Brüder“ steht am Beginn. Anschließend beleuchtet Carl Gehörte zu vertiefen und darüber zu diskutieren. H. Pierk weitere Aspekte der Flüchtlingsproblematik. In zwei Ich freue mich darauf, Sie in Fulda zu treffen Artikeln von Rainer Zink erfahren Sie, wie die „Arabellion“ in den arabischen Staaten sich entwickelt, denn die Bedingungen in diesen Staaten tragen ja stark zu der Flüchtlingsproblematik bei und lassen die Flüchtlingsströme nicht abreißen. Die Maß- nahmen der Europäischen Union erscheinen hilflos gegenüber diesen Entwicklungen.

3 SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN

„GKS – mitmachen gefragt!“

ine Gemeinschaft lebt vom Mitmachen! Das spürt Gehen sie bei Interesse auf die Sachausschüsse zu, Eman immer dann deutlich, wenn durch gemeinsa- die Internetseite stellt den „link“ her. mes Handeln etwas geschieht, ja sogar etwas bewegt werden kann. in inhaltliches Highlight steht in diesem Jahr auch Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten inner- Emit der Akademieveranstaltung „Oberst Dr. Hel- halb der GKS aktiv zu werden. Wenn es um die in- mut Korn“ vom 09. bis 13. November in Fulda auf dem haltliche Arbeit unter der Fragestellung „Wofür ste- Plan. Die Vorbereitungen sind durchaus fortgeschritten hen wir?“ geht, dann drängt und wir informieren über den sich die Mitarbeit in einem der SachstandS jeweils aktuell auf Sachausschüsse auf. Seit Ge- unsereru Internetseite. Damit nerationen von Mitwirkenden könnenk sich Interessierte in- stehen die in den Sachaus- formiertf halten und noch Un- schüssen erarbeiteten Inhalte entschlossenee finden Anre- für das Selbstverständnis des gungg zur eigenen Teilnah- Verbandes. In jüngster Zeit me!m Es wird in diesem Jahr konnte insbesondere der län- umu die Verantwortbarkeit ger schlummernde Sachaus- ttechnologischer Möglich- schuss „Innere Führung“ in keitenk gehen. Wir sind da- eigenständigen Veranstaltun- mitm bei einem Thema, das gen die GKS repräsentieren. nichtn nur im militärischen Dies gelang vor allem durch ZusammenhangZ interessant frischen Wind, den neue Mit- ist,i aber wegen der weitrei- arbeiter entwickeln könnten. cchenden Konsequenzen be- Darum wird es daher weiterhin sonderes Bedeutung entwi- gehen, nämlich diesen Wind ckelnc kann. Wir wollen die aufrecht zu erhalten und wei- ThematikT im Rahmen der tere Mitarbeiter zu begeistern. AkademieA breit beleuchten Dabei sehe ich das gleichzei- uund ich kann die Veranstal- tige Engagement im Kreis und tungt nur herzlich empfehlen. die Mitarbeit in einem Sach-ausschuss keines Falles als Widerspruch, sondern vielmehr als logische Er- ch freue mich schon jetzt auf ein Treffen bei der gänzung. Damit ist dann die aus meiner Sicht wichtige Idiesjährigen Akademieveranstaltung! Rückkopplung zu den erarbeiteten Inhalten aus den Kreisen in die Sachausschüsse von sich aus gegeben. Rüdiger Attermeyer, Oberst Bundesvorsitzender der Gemeinschaft Katholischer Soldaten

Leseempfehlung: „Als Soldat und Christ dem Frieden verpflichtet“ Beiträge zur Ethik des soldatischen Dienstes. iese Dokumentation der Gemeinschaft Katholi- von Oberst Korn 2008 schließen Dscher Soldaten umfasst die Seminare von 1987 dieses Buch ab. Es ist nicht imm beginnend bis 2007. Nach der Einführung in diese Handel erhältlich und kann überr Dokumentation wird der Namensgeber der Akade- die Bundesgeschäftsstelle oderr mie Oberst Dr. Helmut Korn vorgestellt und der Be- die Redaktion bezogen werden.. richt über den Festakt anlässlich des 25. Todestages (BB)B)

4 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SEITE DES GEISTLICHEN BEIRATS

„Der Baum wächst von der Wurzel her.“

er Satz, der in meinem Sprachgebrauch vor al- Begründungen und Erklärungsversuche durch hand- Dlem dann auftaucht, wenn es um die Entwicklung feste und stichhaltige Argumente ins Wanken geraten unserer Kirche geht, kommt mir gerade in einer Zeit und im schlimmsten Fall Windbruch werden. Da mag immer wieder in den Sinn, wenn in der Natur alles zu einem vielleicht die Erkenntnis kommen, dass Totholz grünen und blühen beginnt und sie damit zeigt, was zwar auch etwas Nützliches hat, für eine Gemeinschaft in ihr steckt. Was liegt da näher, als sich der Frage zu aber auf Dauer keine echte Perspektive bietet! widmen, wie es um Wurzeln und Erdreich unserer Ge- Sich tiefsinnigen Zukunftsplanungen und intellek- meinschaft bestellt ist. tuellen Gedankenspielen zu In der Botanik werden widmenw mag manches Mal vor allem Bäume je nach der verlockendv sein und einen Beschaffenheit ihres Wurzel- vielleichtv sogar zu der Über- systems unter anderem als zzeugung kommen zu lassen, Flach-, Pfahl- oder Herzwurz- derd eigene Standpunkt sei ler bezeichnet. derd einzig richtige. Ob sich „Breite vor Tiefe“ könnte darausd allerdings ein tragen- das zusammenfassende Fazit desd Fundament und ausge- des Flachwurzlers sein, der wogenew Nahrung für eine Ge- sein Geflecht direkt unterhalb meinschaftm erreichen lässt, des Erdbodenniveaus ausbil- darüberd kann man freilich det. Nährstoffe bezieht er nur trefflicht streiten! aus den Oberschichten des Seine Wurzeln nach al- Bodens. Die Standfestigkeit lenl Seiten ausbreiten zu kön- ist vom Erdreich abhängig, die nenn und damit den zur Verfü- Umsturzgefahr bei Belastung gungg stehenden Wurzelraum relativ hoch. auszunützen,a die Wichtigkeit Weil er seine Hauptwur- undu Bedeutung der noch so zel mit aller Kraft in die Tie- uunscheinbar seienden „Sei- fe ausrichtet – Seitenwurzeln ttenwurzel“ zu beachten und werden dabei vernachlässigt – zzu achten, mit allen zur Ver- wird der Pfahlwurzler oft auch als Tiefwurzler bezeich- fügung stehenden Mitteln alles Nahrhafte und Wachs- net. Feuchtigkeit und alles, was zum Leben notwendig tum fördernde der Pflanze zukommen zu lassen, das ist, holt er sich aus den tieferen Bodenregionen. Auch ist nicht nur das Wesentliche des „Herzwurzlers“, in schwierigen Situationen hat er einen festen Stand. sondern kann und sollte auch das Markenzeichen ei- Mehrere, senkrecht nach unten verlaufende Haupt- ner Gemeinschaft wie der GKS sein. Dann hat – um wurzeln, sowie diagonal und strahlenförmig wachsende im Bild zu bleiben – der Baum auch die Kraft, neue Wurzeln, die ein sehr komplexes Wurzelsystem ausbil- Zweige und Blätter auszubilden! den, sind die Kennzeichen des Herzwurzlers, der den Das Erdreich, das ein „Wurzeln“ erst ermöglicht, zur Verfügung stehenden Wurzelraum optimal ausnutzt. ist in unserem oft beschworenen Dreischritt BEGEG- Damit verfügt er zum einen über die besten Vorausset- NUNG, BESINNUNG und BILDUNG reichlich vor- zungen zur Feuchtigkeits- und Nährstoffaufnahme, zum handen. Gerade in Veranstaltungen wie der GKS-Aka- anderen über eine besondere Standfestigkeit. demie „Oberst Helmut Korn“ kann der Baum von der Wer sich beim eben Gelesenen Gedanken zur GKS Wurzel her wachsen! macht, der darf für sich in Anspruch nehmen, ganz in Bernd F. Schaller, Militärdekan seiner Gemeinschaft verwurzelt zu sein. Geistlicher Beirat der Immer wieder werden Situationen und Begeben- Gemeinschaft Katholischer Soldaten heiten breit getreten, besonders wenn es um Struk- auf Bundesebene turen und lieb gewordene Gewohnheiten geht. Dass sich dabei oft vieles überwiegend im Oberflächlichen bewegt, wird manchem erst dann bewusst, wenn seine

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 5 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Zur Sache Die Flüchtlingsproblematik beschäftigt neben der Krise in Griechenland die Europäische Union. Während letzteres in der Hauptsache ein ökonomisches Problem darstellt, das die Solidarität der Mitgliedstaaten auf eine harte (Gedulds-) Probe stellt, rühren die Flüchtlinge an den Grundwerten der Gemeinschaft, für die sie steht. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag prangerte der Papst die scheinbare Gleichgültig- keit der Staaten Europas zur Flüchtlingsproblematik an. Deshalb wird seine Botschaft hier an erster Stel- le abgedruckt. Den Schluss dieser kleinen Reihe bildet ein Artikel über die Maßnahmen der EU, die bei- leibe nicht ganz untätig geblieben ist. Auf Reaktionen aus dem Leserkres freut sich die Redaktion. (BB)

Weltfriedenstag 2015 Nicht mehr Knechte, sondern Brüder Papst Franziskus Botschaft zum 48. Weltfriedenstag

Zu Beginn eines neuen Jahres, ist, dazu bestimmt, sich im Zusam- Weile von dir getrennt, damit du ihn 1.das wir als Gnade und Geschenk menhang zwischenmenschlicher Be- für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Gottes an die Menschheit annehmen, ziehungen zu verwirklichen, die auf Sklaven, sondern als weit mehr: als ge- möchte ich an jeden Mann und jede Gerechtigkeit und Liebe ausgerich- liebten Bruder“ (Phlm 15-16). Onesi- Frau sowie an alle Völker und Natio- tet sind, ist es für seine Entwicklung mus ist dadurch, dass er Christ wurde, nen der Welt, an die Staatsoberhäup- grundlegend, dass seine Würde, sei- zum Bruder Philemons geworden. So ter und die Regierungschefs und an ne Freiheit und seine Autonomie an- stellt die Bekehrung zu Christus, der die Verantwortlichen der verschie- erkannt und geachtet werden. Leider Beginn eines Lebens der Jüngerschaft denen Religionen meine herzlichen verletzt das immer noch verbreitete in Christus, eine neue Geburt dar (vgl. Friedenswünsche richten, begleitet Übel der Ausbeutung des Menschen 2 Kor 5,17; 1 Petr 1,3), welche die von meinem Gebet, dass die Krie- durch den Menschen in schwerwie- Brüderlichkeit als grundlegende Bin- ge, die Konflikte und die vielen Lei- gender Weise das gemeinschaftliche dung des Familienlebens und als Ba- den enden mögen, welche sowohl von Leben und die Berufung, von Ach- sis des gesellschaftlichen Lebens zu Menschenhand als auch durch alte tung, Gerechtigkeit und Liebe gepräg- neuem Leben erweckt. und neue Epidemien und durch die te zwischenmenschliche Beziehungen Im Buch Genesis (vgl. 1,27-28) verheerenden Auswirkungen der Na- zu knüpfen. Dieses abscheuliche Phä- steht, dass Gott den Menschen als turkatastrophen verursacht werden. nomen, das dazu führt, die Grundrech- Mann und Frau schuf und sie segnete, Besonders bete ich dafür, dass wir te des anderen mit Füßen zu treten damit sie wachsen und sich vermeh- – entsprechend unserer gemeinsa- und seine Freiheit und seine Wür- ren sollten: Er machte Adam und Eva men Berufung, mit Gott und mit allen de zu vernichten, nimmt vielfältige zu Eltern, welche den Segen Gottes, Menschen guten Willens für die För- Formen an, über die ich einige kurze fruchtbar zu sein und sich zu vermeh- derung von Eintracht und Frieden in Überlegungen anstellen möchte, da- ren, Wirklichkeit werden ließen und der Welt zusammenzuarbeiten – be- mit wir im Licht des Wortes Gottes in das erste Bruderpaar, Kain und Abel, wusst der Versuchung widerstehen, allen Menschen „nicht mehr Knechte, zeugten. Kain und Abel sind Brüder, uns in einer Weise zu verhalten, die sondern Brüder“ sehen. weil sie aus dem gleichen Schoß her- der Würde unseres Menschseins nicht vorgegangen sind, und darum haben gerecht wird. Hinhören auf den Plan Gottes sie den gleichen Ursprung, die glei- In der Botschaft zum vergangenen für die Menschheit che Natur und die gleiche Würde ih- 1. Januar hatte ich gesagt, dass zum Das Thema, das ich für diese rer Eltern, die als Gottes Abbild und „Wunsch nach einem erfüllten Leben 2.Botschaft gewählt habe, knüpft ihm ähnlich erschaffen sind. […] ein unstillbares Verlangen nach an den Philemonbrief des heiligen Doch die Brüderlichkeit drückt Brüderlichkeit [gehört], das zu einer Paulus an. Darin bittet der Apostel auch die Vielfalt und den Unterschied Gemeinschaft mit den anderen drängt, seinen Mitarbeiter Philemon, One- aus, der unter den Geschwistern be- in denen wir nicht Feinde oder Kon- simus, dessen ehemaligen Sklaven, steht, obwohl sie durch die Geburt kurrenten sehen, sondern Geschwis- der nun Christ geworden und darum verbunden sind und die gleiche Na- ter, die man aufnimmt und umarmt“.1 – nach Paulus – würdig ist, als Bruder tur und die gleiche Würde besitzen. Da der Mensch ein relationales Wesen betrachtet zu werden, wieder aufzu- Als Brüder und Schwestern stehen nehmen. Der Völkerapostel schreibt: also alle Menschen von Natur aus in 1 Nr. 1 „Vielleicht wurde er nur deshalb eine Beziehung zu den anderen, von denen

6 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK sie sich unterscheiden, mit denen sie wir die Zuversicht, dass „wo … die Jesus selbst sagte zu seinen Jün- aber in Bezug auf Ursprung, Natur und Sünde mächtig wurde, … die Gnade gern: „Ich nenne euch nicht mehr Würde gleich sind. Kraft dieser Tat- übergroß geworden [ist] … durch Je- Knechte; denn der Knecht weiß nicht, sache bildet die Brüderlichkeit das sus Christus“ (Röm 5,20.21). Er, der was sein Herr tut. Vielmehr habe ich Netz grundlegender Beziehungen für „geliebte Sohn“ (vgl. Mt 3,17), ist ge- euch Freunde genannt; denn ich habe den Aufbau der von Gott erschaffenen kommen, um die Liebe des Vaters zur euch alles mitgeteilt, was ich von mei- Menschheitsfamilie. Menschheit zu offenbaren. Jeder, der nem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Leider steht zwischen der ersten das Evangelium hört und dem Aufruf Schöpfung, die im Buch Genesis er- zur Umkehr Folge leistet, wird für Je- Die vielfältigen Gesichter zählt wird, und der neuen Geburt in sus „Bruder und Schwester und Mut- der Sklaverei gestern und heute Christus, welche die Gläubigen zu ter“ (Mt 12,50) und daher Adoptiv- Seit unerdenklichen Zeiten ken- Brüdern und Schwestern des „Erst- sohn bzw. -tochter seines Vaters (vgl. 3.nen die verschiedenen mensch- geborenen von vielen Brüdern“ (Röm Eph 1,5). lichen Gesellschaften das Phänomen 8,29) macht, die negative Wirklichkeit Man wird jedoch nicht Christ, der Verknechtung des Menschen der Sünde, die immer wieder die kre- Sohn oder Tochter des Vaters und durch den Menschen. Es gab Epo- atürliche Brüderlichkeit unterbricht Bruder bzw. Schwester Christi durch chen in der Geschichte der Mensch- und ständig die Schönheit und den eine autoritäre göttliche Anordnung, heit, in denen die Einrichtung der Adel, Brüder und Schwestern der ei- ohne den Gebrauch der persönlichen Sklaverei allgemein akzeptiert und nen Menschheitsfamilie zu sein, ent- Freiheit, das heißt ohne sich freiwil- durch das Recht geregelt war. Dieses stellt. Kain erträgt nicht nur nicht sei- lig zu Christus zu bekehren. Kind schrieb fest, wer frei und wer dagegen nen Bruder Abel, sondern aus Neid tö- Gottes wird, wer der Aufforderung als Sklave geboren wurde und unter tet er ihn und begeht damit den ersten zur Umkehr Folge leistet: „Kehrt um welchen Bedingungen ein als Freier Brudermord. und jeder von euch lasse sich auf den geborener Mensch seine Freiheit ver- „Der Mord an Abel durch Kain Namen Jesu Christi taufen zur Verge- lieren bzw. wiedererwerben konnte. bestätigt in tragischer Weise die radi- bung seiner Sünden; dann werdet ihr Mit anderen Worten, das Recht selbst kale Ablehnung der Berufung, Brüder die Gabe des Heiligen Geistes emp- ließ zu, dass einige Menschen als Ei- zu sein. Ihre Geschichte (vgl. Gen 4,1- fangen“ (Apg 2,38). Alle, die auf die- gentum eines anderen betrachtet wer- 16) verdeutlicht die schwierige Auf- se Predigt von Petrus mit dem Glau- den konnten oder mussten, der frei gabe, zu der alle Menschen gerufen ben und mit ihrem Leben geantwor- über sie verfügen konnte; der Sklave sind, nämlich vereint zu leben und tet haben, sind in die Brüderlichkeit konnte verkauft und gekauft, an ande- füreinander zu sorgen.“2 der ersten christlichen Gemeinschaft re abgetreten und erworben werden, Auch in der Geschichte der Fami- eingetreten (vgl. 1 Petr 2,17; Apg als sei er eine Ware. lie Noahs und seiner Söhne (vgl. Gen 1,15.16; 6,3; 15,23): Juden und Grie- Heute ist infolge einer positiven 9,18-27) ist es der Frevel Hams ge- chen, Sklaven und Freie (vgl.1 Kor Entwicklung des Bewusstseins der genüber seinem Vater Noah, der die- 12,13; Gal 3,28), deren Verschieden- Menschheit die Sklaverei, ein Verbre- sen dazu treibt, seinen ehrfurchtslo- heit in Bezug auf ihre Herkunft und chen gegen die Menschheit4, weltweit sen Sohn zu verfluchen und die ande- ihren gesellschaftlichen Stand nicht formell abgeschafft. Das Recht eines ren, die ihn geehrt hatten, zu segnen die Würde jedes Einzelnen schmälert, jeden Menschen, nicht in Sklaverei und damit eine Ungleichheit zwischen noch irgendjemanden aus der Zugehö- oder Knechtschaft gehalten zu wer- Brüdern zu schaffen, die demselben rigkeit zum Volk Gottes ausschließt. den, ist im Völkerrecht als unabding- Mutterschoß entstammten. Die christliche Gemeinde ist also der barer Grundsatz anerkannt. In der Erzählung von den Ur- Ort der in der Liebe gelebten Gemein- Doch obwohl die internationale sprüngen der Menschheitsfamilie wird schaft unter Geschwistern (vgl. Röm Gesellschaft zahlreiche Abkommen die Sünde der Entfernung von Gott, 12,10; 1 Thess 4,9; Hebr 13,1; 1 Petr getroffen hat mit dem Ziel, der Skla- von der Figur des Vaters und vom Bru- 1,22; 2 Petr 1,7). verei in all ihren Formen ein Ende zu der zum Ausdruck der Verweigerung All das zeigt, wie die Frohe Bot- setzen, und verschiedene Strategien der Gemeinschaft und führt zur Kultur schaft Jesu Christi, durch den Gott eingeleitet hat, um dieses Phänomen der Verknechtung (vgl. Gen 9,25-27), „alles neu“ macht (Offb 21,5)3, auch zu bekämpfen, werden noch heute mit den dazugehörenden Folgen, die imstande ist, die Beziehungen zwi- Millionen Menschen – Kinder, Män- von Generation zu Generation fortdau- schen den Menschen wieder in Ord- ner und Frauen jeden Alters – ihrer ern: Ablehnung des anderen, Miss- nung zu bringen, einschließlich der Freiheit beraubt und gezwungen, un- handlung von Menschen, Verletzung zwischen einem Sklaven und seinem ter Bedingungen zu leben, die denen der Würde und der Grundrechte, Herrn, indem sie das hervorhebt, was der Sklaverei vergleichbar sind. Institutionalisierung der Ungleichhei- beiden gemeinsam ist: die Adoptiv- Ich denke an viele – auch minder- ten. Von daher ergibt sich die Notwen- kindschaft und die geschwisterliche jährige – Arbeiter und Arbeiterinnen, digkeit einer ständigen Umkehr zum Bindung in Christus. die in den verschiedenen Bereichen Bund, der durch das Kreuzesopfer sowohl auf vertraglicher Ebene als Christi erfüllt wurde. Dabei haben 3 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 11. Ansprache an die Teil- 4 Vgl. Ansprache an eine Delegation der nehmer am internationalen Treffen der internationalen Strafrechtsgesellschaft 2 Botschaft zum Weltfriedenstag 2014, 2. Volksbewegungen (28. Oktober 2014). (AIDP) (23. Oktober 2014).

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 7 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK auch inoffiziell geknechtet sind – von Schließlich denke ich an alle, Auch die Korruption derer, die zu der häuslichen bis zur landwirtschaft- die von terroristischen Gruppen ent- allem bereit sind, um sich zu berei- lichen Arbeit, vom Einsatz in der führt, in Gefangenschaft gehalten und chern, ist zu den Ursachen der Skla- verarbeitenden Industrie bis zu dem deren Zwecken unterworfen werden verei zu zählen. Tatsächlich verlan- im Bergbau, sowohl in den Ländern, als Kämpfer oder – was vor allem die gen die Verknechtung und der Handel in denen das Arbeitsrecht nicht mit Mädchen und die Frauen betrifft – als von Menschen eine Komplizenschaft, den internationalen Minimalstandards sexuelle Sklavinnen. Viele von ihnen die oft ihren Weg über die Korrupti- übereinstimmt, als auch – obschon il- verschwinden, einige werden immer on der Mittelsmänner nimmt – einige legal – in denen, deren Gesetzgebung wieder verkauft, misshandelt, ver- Mitglieder der Ordnungskräfte oder den Arbeiter schützt. stümmelt oder getötet. anderer staatlicher Akteure oder ver- Ich denke auch an die Lebens- schiedener ziviler und militärischer bedingungen vieler Migranten, die Einige tiefe Ursachen Einrichtungen. „Das passiert, wenn auf ihrem dramatischen Weg Hunger der Sklaverei im Zentrum eines Wirtschaftssys- leiden, ihrer Freiheit beraubt werden, Heute wie gestern liegt an der tems der Götze Geld steht und nicht die um ihr Hab und Gut gebracht oder 4. Wurzel der Sklaverei ein Ver- der Mensch, die menschliche Person. physisch und sexuell missbraucht ständnis vom Menschen, das die Mög- Ja, im Zentrum jedes sozialen oder werden. Ich denke an diejenigen un- lichkeit zulässt, ihn wie einen Gegen- wirtschaftlichen Systems muss der ter ihnen, die, nach schwerster, von stand zu behandeln. Wenn die Sünde Mensch stehen, das Ebenbild Gottes, Angst und Unsicherheit geprägter das Herz des Menschen verdirbt und geschaffen, um Herr des Universums Reise ans Ziel gelangt, unter manch- es von seinem Schöpfer und seinen zu sein. Wenn die Person beiseitege- mal unmenschlichen Bedingungen Mitmenschen entfernt, werden Letz- schoben wird und der Götze Geld ins gefangen gehalten werden. Ich denke tere nicht mehr als Wesen gleicher Spiel kommt, dann werden die Werte an diejenigen unter ihnen, die durch Würde, als Brüder und Schwestern im über den Haufen geworfen.“5 die verschiedenen sozialen, politi- Menschsein wahrgenommen, sondern Weitere Ursachen der Sklaverei schen und wirtschaftlichen Umstän- als Objekte betrachtet. Der Mensch, sind die bewaffneten Konflikte, die de in die Illegalität gedrängt werden, der als Abbild Gottes und ihm ähn- Gewalt, die Kriminalität und der Ter- und an diejenigen, die, um in der Le- lich erschaffen ist, wird mit Gewalt, rorismus. Zahlreiche Menschen wer- galität zu bleiben, akzeptieren, unter mit List oder durch physischen bzw. den entführt, um verkauft oder als unwürdigen Bedingungen zu leben psychologischen Zwang seiner Frei- Kämpfer rekrutiert oder sexuell aus- und zu arbeiten, besonders wenn die heit beraubt, kommerzialisiert und gebeutet zu werden, während andere nationalen Gesetze eine strukturelle zum Eigentum eines anderen herab- sich gezwungen sehen, auszuwandern Abhängigkeit des Wanderarbeiters gemindert; er wird als Mittel und nicht und ihren ganzen Besitz zu verlassen: vom Arbeitgeber schaffen oder zulas- als Zweck behandelt. Grund und Boden, Haus, Eigentum sen, indem sie zum Beispiel die Auf- Neben dieser ontologischen Ursa- und auch die Angehörigen. Sie stehen enthaltsgenehmigung vom Arbeits- che – die Ablehnung des Menschseins unter dem Druck, eine Alternative zu vertrag abhängig machen… Ja, ich des anderen – tragen noch weitere diesen schrecklichen Bedingungen zu denke an „Sklavenarbeit“. Ursachen zur Erklärung der heuti- suchen, auch auf die Gefahr hin, ihre Ich denke an die Menschen, die gen Formen von Sklaverei bei. Un- Würde und ihr Leben aufs Spiel zu set- zur Prostitution gezwungen werden, ter diesen denke ich vor allem an die zen, und riskieren, auf diese Weise in unter denen viele Minderjährige sind, Armut, die Unterentwicklung und jenen Teufelskreis zu geraten, der sie und an die sexuellen Slavinnen und die Ausschließung, besonders wenn zum Opfer von Elend und Korruption Sklaven; an die Frauen, die zur Hei- sie sich mit einem fehlenden Zugang und deren unheilvollen Folgen macht. rat genötigt werden, an diejenigen, zur Ausbildung oder mit einer Situ- die im Hinblick auf die Ehe ver- ation verbinden, die durch spärli- Ein gemeinsamer Einsatz, kauft werden, oder an die, welche che, wenn nicht sogar fehlende Ar- um die Sklaverei zu überwinden beim Tod ihres Ehemannes als Erbe beitsmöglichkeiten gekennzeichnet Wenn man das Phänomen des einem Familienangehörigen überge- ist. Nicht selten sind die Opfer des 5.Menschenhandels, des illegalen ben werden, ohne das Recht zu haben, Handels und der Verknechtung Men- Transports von Migranten und anderer ihr Einverständnis zu geben oder zu schen, die einen Weg gesucht haben, bekannter wie unbekannter Gesichter verweigern. aus einer Lage extremer Armut aus- der Sklaverei betrachtet, hat man oft Unmöglich kann ich die Minder- zubrechen. Dabei haben sie häufig den Eindruck, dass es unter allgemei- jährigen und Erwachsenen überge- falschen Verheißungen einer Arbeit ner Gleichgültigkeit stattfindet. hen, die als Handelsware verscha- Glauben geschenkt und sind statt- Auch wenn das leider großenteils chert werden für die Explantation von dessen in die Hände der kriminellen zutrifft, möchte ich doch an die enor- Organen, um als Soldaten rekrutiert Netze gefallen, die den Menschen- me Arbeit erinnern, die viele – beson- zu werden, um zu betteln, um illegale handel betreiben. Diese Netze be- ders weibliche – Ordensgemeinschaf- Aktivitäten wie die Herstellung oder dienen sich geschickt der modernen ten seit vielen Jahren im Stillen für den Verkauf von Drogen auszuüben, Informationstechnologien, um junge 5 Ansprache an die Teilnehmer am inter- oder für verschleierte Formen inter- und sehr junge Menschen aus aller nationalen Treffen der Volksbewegungen nationaler Adoption. Welt anzulocken. (28. Oktober 2014).

8 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK die Opfer vollbringen. Diese Institute wendung dieser Vorschriften, die kei- vervielfacht, damit die verschiedenen wirken in schwierigen, manchmal von nen Raum lassen für Korruption und Akteure ihre Bemühungen mitein- der Gewalt beherrschten Umfeldern Straffreiheit. Zudem ist es notwendig, ander verknüpfen und zusammenar- und versuchen, die unsichtbaren Ket- dass die Rolle der Frau in der Gesell- beiten, um diesem Übel ein Ende zu ten zu sprengen, mit denen die Opfer schaft anerkannt wird; um diesbezüg- setzen.8 Außerdem wurden einige an ihre Händler und Ausbeuter ge- lich die erhofften Ergebnisse zu erzie- Treffen organisiert mit dem Ziel, das fesselt sind – Ketten, deren Maschen len, muss auch auf kultureller Ebene Phänomen des Menschenhandels ins aus feinen psychologischen Mecha- sowie im Bereich der Kommunikation Rampenlicht zu rücken und die Zu- nismen bestehen, welche die Opfer gearbeitet werden. sammenarbeit der verschiedenen Ak- von ihren Peinigern abhängig ma- Die zwischenstaatlichen Organi- teure – unter anderem Sachverständi- chen durch Erpressung und Drohung sationen sind gemäß dem Prinzip der ge aus dem Bereich der Wissenschaft ihnen und ihren Lieben gegenüber, Subsidiarität berufen, aufeinander ab- und der internationalen Organisatio- aber auch durch materielle Mittel wie gestimmte Initiativen durchzuführen, nen, Ordnungskräfte verschiedener die Einziehung der Ausweise und die um die nationenübergreifenden Netze Herkunfts-, Durchgangs- und Ziel- physische Gewalt. Die Tätigkeit der der organisierten Kriminalität zu be- länder der Migranten und Vertreter Ordensgemeinschaftenn gliedert sich kämpfen, welche den Menschenhan- der kirchlichen Gruppen, die sich für hauptsächlich um drei Einsatzberei- del und den illegalen Transport der die Ofer einsetzen – zu erleichtern. che: die Hilfe für die Opfer, ihre Re- Migranten betreiben. Es ist eine Zu- Ich hoffe, dass dieser Einsatz in den habilitation unter psychologischem sammenarbeit auf verschiedenen Ebe- kommenden Jahren fortgesetzt und und formativem Gesichtspunkt sowie nen notwendig, und zwar so, dass sie verstärkt wird. ihre Wiedereingliederung in die Ge- die nationalen und internationalen In- sellschaft ihres Ziel- oder ihres Her- stitutionen ebenso einschließt wie die Die Brüderlichkeit globalisieren, kunftslandes. Organisationen der Zivilgesellschaft nicht die Sklaverei noch die Diese ungeheure Arbeit, die Mut, und die Welt des Unternehmertums. Gleichgültigkeit Geduld und Ausdauer erfordert, ver- Die Unternehmen6 haben näm- In ihrem Werk der „Verkündi- dient die Würdigung der ganzen Kir- lich die Pflicht, ihren Angestellten 6. gung der Wahrheit der Liebe che und der Gesellschaft. Doch sie würdige Arbeitsbedingungen und an- Christi in der Gesellschaft“9 enga- allein kann natürlich nicht genügen, gemessene Löhne zu garantieren, aber giert sich die Kirche ständig in den um dem Übel der Ausbeutung des auch darüber zu wachen, dass in den Tätigkeiten karitativer Art auf der Ba- Menschen ein Ende zu setzen. Es be- Verteilerketten keine Formen von Ver- sis der Wahrheit über den Menschen. darf auch eines dreifachen Einsatzes knechtung oder Menschenhandel vor- Sie hat die Aufgabe, allen den Weg zur auf institutioneller Ebene in der Vor- kommen. Mit der sozialen Verantwor- Umkehr zu zeigen, die dazu anregt, beugung, im Schutz der Opfer und in tung des Unternehmens geht dann die den Nächsten mit anderen Augen zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen soziale Verantwortung des Verbrau- sehen, im anderen, wer immer er sei, die Verantwortlichen. Und wie die chers einher. In der Tat müsste jeder einen Bruder und eine Schwester im kriminellen Organisationen sich glo- Mensch sich bewusst sein, „dass das Menschsein zu erkennen und ihm baler Netze bedienen, um ihre Ziele Kaufen nicht nur ein wirtschaftlicher seine innere Würde in der Wahrheit zu erreichen, so erfordert die Aktion Akt, sondern immer auch eine mora- und in der Freiheit zuzugestehen. Das zur Überwindung dieses Phänomens lische Handlung ist“.7 zeigt uns die Geschichte der Giusep- außerdem eine gemeinsame ebenso Die Organisationen der Zivilge- pina Bakhita, der Heiligen aus der globale Anstrengung seitens der ver- sellschaft haben ihrerseits die Auf- Region Darfur im Sudan. Sie wurde schiedenen Akteure, welche die Ge- gabe, die Gewissen zu sensibilisieren von Sklavenhändlern entführt und sellschaft bilden. und sie zu den Schritten anzuregen, im Alter von neun Jahren an grau- Die Staaten müssten darüber wa- die notwendig sind, um der Kultur der same Herren verkauft. Auf dem Weg chen, dass ihre nationale Gesetzge- Verknechtung entgegenzuwirken und über schmerzliche Erfahrungen wur- bung zur Migration, zur Arbeit, zu sie auszurotten. de sie dann durch den Glauben, den Adoptionen, zur Standortverlagerung In den letzten Jahren hat der Hei- sie als Ordensfrau und im Dienst an der Unternehmen und zur Vermark- lige Stuhl den schmerzvollen Auf- den anderen – besonders den Ge- tung von Produkten, die durch die schrei der Opfer des Menschenhan- ringen und Schwachen – lebte, eine Ausbeutung der Arbeit hergestellt dels und die Stimme der Ordenskon- „freie Tochter Gottes“. Diese Heili- werden, wirklich die Würde der Per- gregationen, die sie in die Freiheit be- ge, die an der Schwelle vom 19. zum son achten. Es sind gerechte Gesetze gleiten, aufgegriffen und seine Appel- 20. Jahrhundert lebte, ist auch heute notwendig, die den Menschen in den le an die internationale Gemeinschaft eine beispielhafte Zeugin der Hoff- Mittelpunkt stellen, seine Grundrech- te verteidigen und sie im Fall ihrer 6 Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtig- 8 Vgl. Botschaft an Herrn Guy Ryder, Verletzung wiederherstellen, indem keit und Frieden, La vocazione del Generaldirektor der Internationalen leader d’impresa. Una rifl essione [Die Arbeitsorganisation, anlässlich der 103. sie die Opfer rehabilitieren und ih- Berufung zum Unternehmensleiter. Eine Sitzung der Konferenz der ILO (22. Mai nen die Unversehrtheit gewährleisten. Überlegung], Mailand und Rom, 2013 2014). Außerdem bedarf es wirksamer Kont- 7 Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in 9 Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in rollmechanismen für die korrekte An- veritate, 66. veritate, 5

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 9 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK nung10 für die zahlreichen Opfer der Ausbeutung anderer Menschen her- dieses Übels zu werden, angesichts Sklaverei und kann die Bemühungen gestellt worden sind. Einige von uns der Leiden ihrer Brüder und Schwes- all derer unterstützen, die sich dem schließen aus Gleichgültigkeit oder tern im Menschsein, die ihrer Freiheit Kampf gegen diese „Wunde im Leib weil sie durch die täglichen Sorgen und ihrer Würde beraubt sind, nicht der heutigen Menschheit“ widmen, abgelenkt sind oder aus finanziellen wegzuschauen, sondern den Mut zu „eine Wunde im Fleisch Christi“.11 Gründen die Augen. Andere entschei- haben, mit dem leidenden Leib Christi In dieser Perspektive möchte ich den sich hingegen, etwas Positives zu in Berührung zu kommen12, der sich jeden einladen, in seiner Rolle und tun, sich in den Vereinen der Zivilge- in den zahllosen Gesichtern derer seinen besonderen Verantwortlich- sellschaft zu engagieren oder kleine zeigt, die er selbst seine „geringsten keiten Gesten der Brüderlichkeit de- alltägliche Gesten zu vollbringen, wie Brüder“ nennt (Mt 25,40.45). nen gegenüber zu vollbringen, die in zum Beispiel ein gutes Wort, einen Wir wissen, dass Gott jeden von einem Zustand der Verknechtung ge- Gruß, ein „Guten Tag“ oder ein Lä- uns fragen wird: „Was hat du mit dei- halten werden. Fragen wir uns, wie cheln. Wie wertvoll sind diese Gesten! nem Bruder gemacht?“ (vgl. Gen 4,9- wir uns als Gemeinschaft oder als Sie kosten uns nichts, können aber 10). Die Globalisierung der Gleich- Einzelne angefragt fühlen, wenn wir Hoffnung geben, Wege öffnen, einem gültigkeit, die heute auf dem Leben so im Alltag Menschen begegnen oder Menschen, der in der Unsichtbarkeit vieler Schwestern und Brüder lastet, mit ihnen zu tun haben, die Opfer des lebt, das Leben verändern und auch verlangt von uns allen, zu Urhebern Menschenhandels sein könnten, oder unser Leben in der Gegenüberstellung einer Globalisierung der Solidarität wenn wir entscheiden müssen, ob wir mit dieser Wirklichkeit verändern. und der Brüderlichkeit zu werden, Produkte kaufen, die aus gutem Grund Wir müssen zugeben, dass wir vor die ihnen die Hoffnung zurückgeben vermuten lassen, dass sie durch die einem weltweiten Phänomen stehen, und ihnen helfen kann, mutig den Weg das über die Zuständigkeiten einer durch die Probleme unserer Zeit wie- 10 „Durch diese Hoffnungserkenntnis einzelnen Gemeinschaft oder Nation der aufzunehmen und die neuen Per- war sie ‚erlöst‘, nun keine Sklavin mehr, sondern freies Kind Gottes. Sie hinausgeht. Um es zu überwinden, be- spektiven wiederzugewinnen, die er verstand, was Paulus sagte, wenn er die darf es einer Mobilisierung von ver- mit sich bringt und die Gott in unsere Epheser daran erinnerte, dass sie vorher gleichbaren Ausmaßen wie denen des Hände legt. ❏ ohne Hoffnung und ohne Gott in der Phänomens selbst. Aus diesem Grund Welt gewesen waren – ohne Hoffnung, weil ohne Gott“ (Benedikt XVI., Enzyk- richte ich einen eindringlichen Ap- Aus dem Vatikan, am 8. Dezember lika Spe salvi, 3). pell an alle Männer und Frauen gu- 2014 (Originalsprache: Italienisch © 11 Ansprache an die Teilnehmer der II. ten Willens und an alle, die aus der Copyright 2011 – Libreria Editrice Internationalen Konferenz Combating Nähe oder aus der Ferne – auch in Vaticana) Human Traffi cking: Church an Law den höchsten Ebenen der Institutio- Enforcement in partnership (10. April 2014); vgl. Apostolilsches Schreiben nen – Zeugen der Plage der heutigen 12 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii Evangelii gaudium, 270 Sklaverei sind, nicht zu Komplizen gaudium 24; 270.

Weltflüchtlingstag 2015 „Jeder Flüchtling hat eine Geschichte“ Papst ruft zu verstärkter internationaler Kooperation auf

VON CARL-H. PIERK ch habe dafür nur ein Wort: dem Weg von Afrika nach Europa. oder zu Fuß begeben sie sich auf die „ISchande.“ Das sagte Papst Fran- Rund 370 von ihnen ertranken. lange Reise durch Elend und Ein- ziskus bei einem Treffen mit Flüchtlin- Die Verzweifelten kommen oft aus öde. Das Mittelmeer ist ihr Ziel. Von gen während seines Besuchs auf der jenen afrikanischen Ländern, in denen der marokkanischen oder libyschen Mittelmeerinsel Lampedusa im Juli es keine Hoffnung auf eine friedliche Küste soll es weitergehen nach Eu- 2013. Die kleine Insel ist der erste An- Zukunft gibt, in denen wirtschaftliche ropa. Entweder an Bord eines wenig laufpunkt für Bootsflüchtlinge, die von Not, politische Repression oder reli- seetüchtigen Boots etwa zur italieni- den Küsten Nordafrikas in See stechen, giöse Verfolgung ihnen kein halbwegs schen Insel Lampedusa oder zu Fuß zu einer Fahrt auf Leben und Tod. Die erträgliches Leben ermöglicht. Man- bis in die spanischen Enklaven Ceuta Insel, näher an Afrika als an Europa cher opfert dabei sein letztes Hab und und Melilla auf afrikanischem Boden. gelegen, ist immer wieder Schauplatz Gut und vertraut sich der Menschen- Einem schier unüberwindlichen Wall von menschlichen Tragödien. Am 3. schlepper-Mafia an. Keine Strapaze ist gleichen hier die bis zu sechs Meter Oktober 2013 kenterte vor Lampedu- zu groß. Kein Preis zu hoch. In über- hohen Zäune, die die beiden spani- sa ein Schiff mit 540 Flüchtlingen auf füllten Lastwagen, klapprigen Bussen schen Nordafrika-Exklaven umgeben.

10 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Der Besuch des Heiligen Vaters in imstande sein könne, sie wirksam zu ge Ziel, die europäischen Außengren- Lampedusa war ein Besuch mit gro- regulieren und zu leiten. zen zu sichern, Europa abzuschotten. ßer Symbolwirkung. Wie auch seine Dies freilich funktioniert nicht – und Reden im vergangenen November in eltweit wird am 20. Juni der Mil- die international vernetzten und hoch- Straßburg vor Europaparlament und Wlionen Flüchtlingen, Binnenver- professionellen Schlepperbanden ha- Europarat. Papst Franziskus forderte triebenen und Asylsuchenden auf der ben sich damit bestens arrangiert. dabei Europa auf, gemeinsam das Mig- ganzen Welt gedacht. Die Hauptver- Angesichts von geschätzten 3.400 rationsproblem anzugehen: „Man kann sammlung der Vereinten Nationen hat- Toten auf dem Mittelmeer 2014 soll nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer te im Jahr 2000 den Gedenktag auf nun die Frontex-Operation „Triton“ zu einem großen Friedhof wird.“ Und dieses Datum festgelegt. Das Flücht- neue Tragödien auf dem Mittelmeer dann wurde er ungewöhnlich deut- lingshilfswerk der Vereinten Natio- verhindern. Doch das ist gleichsam lich: „Das Fehlen gegenseitiger Unter- nen (UNHCR) geht von derzeit über ein makabrer Witz: Das Einsatzgebiet stützung innerhalb der Europäischen 51 Millionen Flüchtlingen aus. Der von „Triton“ umfasst nur noch 30 See- Union läuft Gefahr, partikularistische Weltflüchtlingstag steht in diesem Jahr meilen (knapp 56 Kilometer) vor der Lösungen des Problems anzuregen, unter dem Motto „Jeder Flüchtling hat italienischen Küste. „Mare Nostrum“ welche die Menschenwürde der Ein- eine Geschichte“. Dabei wird in den reichte bis in libysche Gewässer. Hilfs- wanderer nicht berücksichtigen und zahlreichen Konflikten und Debatten organisationen fürchten deshalb, dass Sklavenarbeit sowie ständige soziale häufig vergessen, dass hinter jedem in Seenot geratene Flüchtlinge außer- Spannungen begünstigen.“ Papst Fran- Flüchtling ein persönliches Schick- halb des verkleinerten Überwachungs- ziskus trat vor dem Europaparlament sal steht. gebietes nun im Stich gelassen werden. nicht wie ein Politiker auf, sondern wie „Wie verzweifelt muss man sein, „Triton“ löst daher das Flüchtlingspro- ein Seelsorger. um sein Leben – manchmal auch das blem nicht und ersetzt auch nicht eine Franziskus räumt der Flüchtlings- seiner Kinder – in untauglichen Käh- gemeinsame europäische Flüchtlings- frage höchste Priorität ein. Unermüd- nen zu riskieren?“, fragt daher Pater politik. Die müsste mehr Migranten lich appelliert er an die Gewissen aller Frido Pflüger SJ, Direktor des Jesui- sichere und legale Wege nach Euro- und mahnt eine grundlegende Neuaus- ten-Flüchtlingsdienstes Deutschland. pa öffnen und sie gerechter in der EU richtung in Politik und Gesellschaft an. „Seenotrettung ist kein Ansporn für verteilen, sagen Experten. Mit anderen Angesichts der zunehmenden Flücht- Schleuser, sondern ein lebensretten- Worten: Es muss mehr Solidarität unter lingsströme ruft der Heilige Vater zur der Akt der Menschlichkeit. Es ist ein den EU-Mitgliedsstaaten geben. Wenn „Globalisierung der Nächstenliebe“ Armutszeugnis so zu tun, als würden sie gemeinsam Politik betreiben, heißt und zu einem Abbau von Vorurteilen weniger Menschen vor Gewalt fliehen, das nicht, dass sie auch gemeinsam gegenüber Flüchtlingen auf. Wande- wenn wir mehr von ihnen ertrinken las- ihre Abwehrzäune hoch bauen. rungsbewegungen lösten oft auch in sen. Die Europäische Union muss die kirchlichen Gemeinden Misstrauen Seenotrettung von Italien übernehmen ns Leben gerufen wurde die italieni- und Feindseligkeiten aus, „noch be- und ausbauen!“ Ische Mission „Mare nostrum“ nach vor man die Geschichten des Lebens, Ein vergeblicher Appell. Durch den Flüchtlingstragödien vor der Insel der Verfolgung oder des Elends der be- die italienische Operation „Mare nos- Lampedusa und kurz darauf vor Malta troffenen Menschen kennt“, heißt es trum“ konnten seit Oktober 2013 be- im Oktober 2013. Damals waren mehr in der Papst-Botschaft zum „Welttag reits über 130.000 Flüchtlinge im als 400 Menschen im Mittelmeer er- des Migranten und Flüchtlings“, der zentralen Mittelmeer gerettet werden. trunken. Ein ähnliches Unglück sollte in Deutschland im Rahmen der Inter- Trotzdem starben Tausende bei dem nicht mehr vorkommen. Der Name für kulturellen Woche am 2. Oktober 2015 Versuch, Europa zu erreichen. Den die neue EU-Operation entstammt der begangen wird. Zwar vernähmen viele dramatischen Todeszahlen zum Trotz griechischen Mythologie. Der Meeres- Christen Jesu Aufruf zur Nächstenlie- wurde die Rettungsoperation nicht aus- gott Triton hatte einen menschlichen be. Die Schwäche der menschlichen geweitet, sondern eingestellt. „Mare Oberkörper, Vorderbeine eines Pfer- Natur führe jedoch oft dazu, dass sie nostrum“, die Flüchtlingsrettung der des, ab der Hüfte war er Delfin. Er wur- die Versuchung verspürten, Christen italienischen Marine, gibt es seit An- de auch als Kentaur (griechisch Kén- zu sein, „die einen sicheren Abstand fang November vergangenen Jahres tauros) der Meere bezeichnet. zu den Wundmalen des Herrn halten“. nicht mehr. Die europäischen Regie- Angesichts der drastisch zuneh- Christen müssten aber bereit sein, ihre rungen hatten sich strikt geweigert, menden Flüchtlingszahlen nach Euro- Ressourcen mit Flüchtlingen, Vertrie- Mittel zur Verfügung zu stellen, um pa fordert das Bischöfliche Hilfswerk benen und Heimatlosen zu teilen und „Mare Nostrum“ (unser Meer) in eine Misereor ein sofortiges Umdenken in „manchmal auf etwas von unserem er- europäische Seenotrettung zu über- der europäischen Flüchtlings- und worbenen Wohlstand zu verzichten“, so führen und Italien finanziell zu entlas- Migrationspolitik. „Abschottung und Franziskus. Die Wanderungsbewegun- ten. Nun ist die „Mare-nostrum“-Ret- Grenzschutz sind angesichts dieser gen hätten allerdings solche Dimensio- tungsmission im Mittelmeer durch die Problematik keine Lösungen mehr. Die nen angenommen, dass nur eine syste- „Triton“-Mission der EU-Grenzschutz- Zahl der Menschen, die aufgrund von matische und tatkräftige Zusammenar- agentur „Frontex“ abgelöst worden, sie Kriegen oder wirtschaftlich desaströ- beit, welche die Staaten und die inter- kann aber „Mare nostrum“ keinesfalls sen Zuständen ihre Heimatländer ver- nationalen Organisationen einbeziehe, ersetzen. „Frontex“ hatte das vorrangi- lassen, wird nicht abnehmen. Weltweit

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 11 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK ist auch die Zahl der Binnenflüchtlinge hat die europäische Flüchtlingspolitik Schulbank bis zum Greisenalter je- mit insgesamt 33 Millionen Menschen zu wenig verändert. Auch die oft erho- derzeit zum Militärdienst verpflichtet aufgrund von Konflikten und Gewalt bene Forderung, Flüchtlingsströme gar werden. Wer sich weigert, wird streng auf dem Höchststand. 80 Prozent der nicht erst entstehen zu lassen, sondern bestraft. Das erklärt, warum die meis- weltweiten 45,2 Millionen Flüchtlin- den Menschen in ihrer Heimat zu hel- ten der eritreischen Flüchtlinge Män- ge leben in Entwicklungsländern, in fen, ist zwar eine gut gemeinte Idee, ner im Alter zwischen 15 und 30 Jah- Europa sind gerade mal 1,8 Millionen aber in der Realität oft kaum umsetz- ren sind. Wer über die Grenze fliehen Flüchtlinge registriert. Arm trifft auf bar, um den Flüchtlingselend zu be- will, gilt als Deserteur und kann sofort arm - das gilt auch für die Flüchtlings- gegnen. Die politischen Verhältnisse in erschossen werden. hilfe“, erklärte Misereor-Geschäftsfüh- den jeweiligen Ländern sind von außen Der Film prangert auch die Ab- rer Martin Bröckelmann-Simon. „Eine kaum zu beeinflussen. Und solange schottungspolitik der Europäischen gemeinsame europäische Agentur für sich Europa nicht einigen kann, ster- Union an, die Flüchtlinge nicht men- die Aufnahme und den Schutz von ben weiter Menschen auf hoher See. schenwürdig behandelt. Zitieren wir Flüchtlingen und Migranten vermisst daher noch einmal aus der Rede, die man daher ebenso schmerzlich wie abei lässt sich der Horror, der hin- Papst Franziskus auf Lampedusa ge- eine gemeinsame humanitäre Flücht- Dter den Flüchtlingen liegt, nur er- halten hat: „ ‚Adam, wo bist du?‘: Das lings- und Migrationspolitik, die den ahnen. Ein Beispiel. Das ARD-Fern- ist die erste Frage, die Gott an den aktuellen Herausforderungen, wie z.B. sehen zeigte am 6. Oktober um 22.45 Menschen nach dem Sündenfall rich- den Kriegen und Konflikten in Syrien, Uhr in der Reihe „Die Story im Ers- ten. ‚Wo bist du?‘ Es ist ein orientie- Südsudan, Mali oder in der Zentralaf- ten“ ein erschütterndes Dokument für rungsloser Mensch, der seinen Platz rikanischen Republik Rechnung tra- das Leiden von Menschen, die nicht in der Schöpfung verloren hat weil er gen“, sagte Bröckelmann-Simon. Sie im Fokus des Nachrichtengeschäfts glaubte, mächtig werden zu können, müsse auch zu einer ausgewogeneren, stehen. Der Film „Tod vor Lampedusa alles bestimmen zu können, Gott wer- fairen Lastenteilung innerhalb der EU – Europas Sündenfall“ macht sich auf den zu können. Die Harmonie war führen und der Kriminalisierung von die Spur ihrer Flucht: Eritrea, Sudan, zerrissen, der Mensch hat geirrt und Flüchtlingen Einhalt gebieten. Libyen. Die Reporterinnen besuchten das hat sich dann auch in den Bezie- Ist Asyl ein Menschenrecht? Sol- Verwandte, Freunde, Schicksalsge- hungen mit den Nächsten wiederholt, len Menschen, die vor den Kriegen in nossen. Im Laufe des Films werden der nicht mehr der geliebte Bruder ist, Syrien, im Irak und in Afrika fliehen so das ganze Drama, das Leid, die sondern jemand der mein Leben stört, und ihr Leben retten wollen, einen si- Angst, die Gefahr, die Verzweiflung, mein Wohlergehen. Und Gott stellt die cheren Ort finden? Dann muss es auch die Gründe für die Flucht nachfühl- zweite Frage: ‚Kain, wo ist dein Bru- sichere Wege nach Europa geben, ohne bar. Was Dawit, einen jungen Mann der?‘ Der Traum vom Mächtig-Sein, dass Menschen den Tod an der Gren- aus Eritreas Hauptstadt Asmara, und vom Groß-Sein wie Gott, sogar wie ze riskieren. Dabei steht geschrieben: Bimnet stets vorantrieb: die Hoffnung. Gott selbst zu sein, beginnt eine Kette „Alle Menschen sind frei und gleich an Die Hoffnung auf ein besseres Leben von Fehlern, die eine Kette des Todes Würde und Rechten geboren.“ Dieser in Europa. Vertrauen auf Europa, dort ist, sie führt dazu, dass das Blut des erste Satz der Allgemeinen Erklärung in Sicherheit und Würde einen Neu- Bruders vergossen wird! Diese zwei der Menschenrechte (Vereinte Nati- anfang machen zu können, jenseits Fragen Gottes klingen auch heute onen, A/RES/217/A/III, § 1) sichert von Verfolgung und Folter im eigenen nach, mit ihrer ganzen Kraft! Viele von jedem Menschen – weltweit und un- Land. Es sei die Unterdrückung, die uns, und ich schließe mich selbst da abhängig von Hautfarbe, Geschlecht, mangelnde Freiheit, die viele in die ein, sind desorientiert, wir sind nicht Sprache, Religion, politischer oder so- Flucht schlägt, heisst es im Film. Und aufmerksam der Welt gegenüber, in zialer Anschauung, ethnischer und so- man erfährt, dass pro Monat rund fünf- der wir leben, wir sorgen uns nicht, wir zialer Herkunft – gleiche Rechte und tausend Menschen Eritrea verlassen kümmern uns nicht um das, was Gott Freiheiten zu. Menschenrechte sind – wegen Folter und Gefangenschaft für alle geschaffen hat und sind nicht angeboren, unveräußerlich, univer- unter einem Regime, das als eines der mehr fähig, auf den Anderen Acht zu sell und unteilbar. Doch Anspruch und repressivsten der Welt zählt. geben. Und wenn diese Desorientie- Wirklichkeit stimmen oft nicht über- Eritrea galt einmal als der beste rung globale Dimensionen annimmt, ein. Die Art, wie Europa seine Gren- Staat Afrikas, mit einer vorbildlichen dann kommt es zu solchen Tragödien, zen schützt und auf die Tragödien vor Verfassung. Das war kurz nach Ende wie der, derer wir heute Zeuge sind.“ seiner Haustür reagiert, verhöhnt das des 30-jährigen Unabhängigkeitskrie- Die Europäische Union aber muss Menschenrecht. Es ist ein Armutszeug- ges gegen Äthiopien. Heute wird Eri- endlich zu einer besseren Flüchtlings- nis und Ausdruck des Versagens der trea das Nordkorea Afrikas genannt. politik kommen, Lösungen anbieten, europäischen Regierungen: Anstatt Isoliert von seinen Nachbarn, abge- eine faire Lastenteilung konzipieren. endlich einen europäischen Seenotret- schottet und mit eiserner Hand re- Denn eins ist gewiss: Es werden mehr tungsdienst einzusetzen, setzt Europa giert. Präsident Issaias Afewerki ver- Flüchtlinge kommen. Europa muss auf die neue EU-Operation „Triton“, langt vor allem Kadavergehorsam und sich, um menschlich zu bleiben, vor- deren Mandat die Grenzkontrolle und begründet das mit der immer noch bereiten. Dringend nötig ist ein offe- nicht die Seenotrettung ist. Die bittere schwelenden Feindschaft mit Äthi- nes Herz, eine Willkommenskultur Bilanz: Das Unglück vor Lampedusa opien. Jeder Eritreer kann von der für Flüchtlinge in unserem Land. ❏

12 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Flüchtlingsproblematik Die Arabische Welt im Umbruch – auf dem Weg zur Demokratie oder Marsch ins Ungewisse?

VON RAINER ZINK Eröffnung 3. Die Staatsgrenzen orientierten bisher erkannt, vielmehr beträgt die m 08. Januar 2015 hat die Re- sich fast durchweg, außer Ägyp- Jugendarbeitslosigkeit in allen Staa- Aservistenkameradschaft Ham- ten, nicht an ethnischen Zugehö- ten über 30 %. „In der Nah-Ost-Re- melburg zu einem Vortragsabend der rigkeiten, sondern wurden von gion sind in den nächsten zehn Jah- Hanns-Seidel-Stiftung eingeladen. den Europäischen Mächten ge- ren 50 Millionen Arbeitsplätze nötig, Der Referent Oberst a.D. Reinhold setzt, was wiederum zum Teil bis nur um den Status Quo zu halten“. Waldecker befasste sich an diesem heute zu Spannungen und Grenz- Mit dieser Aussage zitierte der Refe- Abend mit dem Thema „Die Arabi- streitigkeiten führt. rent den Geschäftsführer der deutsch- sche Welt im Umbruch – auf dem 4. Der Islam ist in allen Staaten arabischen Handelskammer in Kairo, Weg zur Demokratie oder Marsch ins Staatsreligion oder dominieren- Dr. Rainer Herret bei seinem Vortrag Ungewisse?“ Die Begrüßung sowie de Religion. vom Februar 2012 in Regensburg. Au- die Vorstellung des Referenten wur- ßerdem dominiere in fast allen Staa- de durch die Regionalbeauftragte der Aktuelle Gemeinsamkeiten ten das Militär Staat und Gesellschaft Hanns-Seidel-Stiftung, Rosi Hufna- us dieser Entwicklung heraus re- und das Budget und es herrsche in den gel, vorgenommen. Der Referent be- Asultierten bis heute noch andau- arabischen Staaten, außer in Tunesien dankte sich zu Beginn seines Vortrags ernde Probleme, so Waldecker. Dies und Algerien ein hohes Bildungsde- über die Einladung der Reservisten- beginne bei der ethnischen Vielfalt fizit sowie eine hohe Analphabeten- kameradschaft und erläuterte, wie er und der Sprachenvielfalt, selbst wenn rate. Darüber hinaus habe der Islam seinen Vortrag abgrenzen wolle, denn arabisch die Nationalsprache ist. Als in allen Staaten einen überdimensi- die Arabische Welt reicht von der Is- krasses Beispiel verwies der Referent onalen Einfluss auf die Politik und lamischen Republik Mauretanien im hier insbesondere auf Algerien und schlussendlich existierten seit Ende Westen über die Republik Yemen bis Mauretanien. Aber auch die religiö- 2010 in allen Staaten Nordafrikas und zum Königreich Bahrein im Osten. So- sen Minderheiten seien ein weiteres der arabischen Welt, ausgenommen mit umfasst die Arabische Welt einen andauerndes Problem. Anhand vieler im Libanon, autoritäre Regierungen. geographisch weiten Raum und ist die Beispiele zeigte der Oberst die reli- Heimat von verschiedenen Ethnien, giösen Minderheiten im Libanon, in Der Arabische Frühling – die Arabellion aber dennoch auch mit vielen Ge- Ägypten, in Syrien und im Irak auf. m die Ursachen für den Arabi- meinsamkeiten, so der Oberst. Fer- Eine weitere Problemstellung sei der Uschen Frühling verstehen zu kön- ner werde Waldecker in seinem Vor- dominierende bzw. starke Einfluss nen, erläuterte der Referent, dass we- trag versuchen, die Hintergründe, die des religiösen, islamischen Rechts, sentliche Faktoren dazu beigetragen Entwicklung, die Ursachen sowie die der Scharia auf das staatliche Recht. hätten. Zusammengefasst festzustel- Auslöser für die Revolten aufzuzei- Über diesen durch die Entwicklung len dabei sei, dass der ungleiche Zu- gen, um daraus mögliche Folgerungen resultierenden Problemen gebe es au- gang zu staatlichen Ressourcen, die für die Region und Europa zu ziehen. ßerdem auch noch weitere Probleme Korruption und Vetternwirtschaft der postkolonialer Natur oder durch Miss- Eliten und Herrschenden, die stän- Historische Gemeinsamkeiten wirtschaft selbst geschaffene. So füh- dige Teuerung und permanent stei- icherlich gebe es unterschiedli- re die rasch wachsende Bevölkerung genden Lebenshaltungskosten, der Sche Entwicklungen der einzelnen dazu, dass in allen arabischen Län- Ausschluss von Bildung und sozia- Staaten, dennoch seien einige Fakten dern die Bevölkerung zu mindestens ler Ungerechtigkeit, sowie politische vorhanden, die gleich bzw. ähnlich 50 %, meist aber zu 70 % jünger als Repression und mangelnde politische sind, erwähnte der Oberst, wie z.B. 25 Jahre ist. 1962 hatte Algerien noch Partizipation, aber auch Wertekon- 1. Alle Staaten waren bis Mitte des 9 Millionen Menschen nachzuweisen, flikte zwischen westlich orientierten 20. Jahrhunderts von Europäi- aber bis 1993 hat sich die Anzahl der Eliten so stark angewachsen waren, schen Mächten abhängig, wenn- Menschen in diesem Land mit 27 Mil- dass es nur eines Funken bedurfte, gleich auch in unterschiedlicher lionen verdreifacht. Ägypten hat einen um dieses hochexplosive Gemisch zur Ausprägung. jährlichen Zuwachs von 1,3 Millio- Zündung zu bringen. Dieser Funke sei 2. Alle Staaten wurden mit Entlas- nen Menschen und dies bedeutet im dann am 17. Dezember 2010 in Bou- sung in die Unabhängigkeit kei- Umkehrschluss, dass sich jährlich sid, Tunesien die Selbstverbrennung ne echten demokratische Staaten, 700.000 Schulabgänger um Stellen des jungen Ingenieurs Muhamad Bu sondern entweder absolutistische auf dem Arbeitsmarkt streiten. Eine Azizi gewesen und vor allem dann Monarchien oder bekamen Mili- aktuelle Reaktion auf diesen Bevölke- sein Tod im Januar 2011. Die Gründe tär- oder Einparteienregierungen. rungszuwachs wurde in keinem Staat für Azizis Aktion, die zweimalige Be-

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 13 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK schlagnahme seines Gemüsekarrens sehr ausführlich, gepaart mit eigenen tischen Gruppierungen gestärkt wer- und seine entwürdigende Behand- Erlebnissen die betroffenen arabi- den. „Der Ausbruch der Revolten, lung durch die Behörden sind bekannt schen Staaten im Detail. der völlig unerwartet kam, hätte den- und wurden durch die internationale Er begann mit der Islamischen noch niemanden überraschen dürfen, Presse auch umfassend veröffentlicht. Republik Mauretanien, erwähnte Ma- denn die Probleme und der politisch „Dass diese Verzweiflungstat des jun- rokko und Algerien, behandelte Liby- wirtschaftliche soziale Sprengstoff gen Menschen ausreichte, um einen en sehr ausführlich, ging dabei näher in der Region war seit Jahren offen- Flächenbrand, einen Aufstand in der auf Gaddafis Sturz und Tod ein. Eben- sichtlich, wurde aber weitestgehend gesamten arabischen Welt auszulösen, so besprach er Tunesien und Ägypten ignoriert – auch vom Westen“ erklär- ist neben den aufgeführten Ursachen äußerst sorgfaltig sowie die bestehen- te der Referent. Diese vorhandenen und den Sozialproblemen sicherlich de Problematik in Syrien. Abschlie- sozialen und wirtschaftlichen Pro- auch der modernen Kommunikati- ßend vervollständigte er seinen Über- bleme würden kurzfristig nicht und onstechnik, dem Internet und den blick mit einem Bericht über Yemen mittel- und langfristig nur dann ge- regionalen Fernsehsendern zu ver- und Bahrain. löst werden können, wenn stabile und danken“ erläuterte der Oberst. Die von der Gesellschaft getragene Re- im Januar 2011 nach dem Tod Azizis Zusammenfassung, Beurteilung gierungen und eine funktionierende von Tunesien ausgehende beginnen- und Ausblick Gesellschaft gebildet würden. Dazu de Protestbewegung sei anfangs eine n seinem Resümee begründete sei die Unterstützung der Nachbarn Rebellion der Jugend gewesen, ohne IWaldecker, dass die Gründe für und des Westens notwendig und zwar ideologischen Hintergrund, nicht or- die Revolten in der arabischen Welt ohne Vorbehalte. In seinem kurzen ganisiert und ohne umfassende Füh- in allen betroffenen Staaten ähnlich Ausblick betonte Waldecker, dass rungsmannschaft durchgeführt. Umso gewesen seien, nämlich der Aufbruch in der Region noch überraschter und hilfloser seien des- – wirtschaftliche Sorgen, da 40% nicht abgeschlossen sei und jede Be- halb die Sicherheitsorgane gewesen, der Bevölkerung in der arabi- schreibung des „neuen Arabiens“ da die jungen Leute der Protestbe- schen Welt unterhalb der Armuts- deshalb höchst spekulativ. Darüber wegung vorher nicht, oder kaum als grenze leben und dies trotz der hinaus stellte er fest, dass für den politische Akteure aufgefallen waren. Bodenschätze Öl und Gas, Westen und die USA eine neue Lage – eine hohe Perspektivlosigkeit in existiere und dadurch deren Einfluss Ziele der Revolution der Jugend, geringer geworden sei. Ferner hätten unächst waren keine ideologi- – eine eingeschränkte politische die Islamistischen Parteien Zuwachs Zschen oder einheitlichen Ziele Teilhabe, und die Arabische Welt sei „islami- maßgeblich, es war auch kein Ruf – die Fragmentierung der Gesell- scher“ geworden. „Deshalb muss sich nach westlicher Prägung, geschweige schaften. der Westen arrangieren und den Wil- denn nach Demokratie vordergründig, Zudem gebe es auch in allen len der Mehrheit respektieren. Das sondern Wertevorstellungen definiert Staaten sogenannte „Langzeitherr- heißt ja nicht, dass wir im offenen worden, wie: scher“ und die Machthaber würden Dialog auf Augenhöhe nicht auch – das Volk will den Sturz des Sys- ihre Forderungen ähnlich durchset- unsere gesellschaftlichen Wertvor- tems, zen, wie mit dem Einsatz der Polizei stellungen einbringen dürfen“. Mit – das Volk hat ist von der Regierung oder des Militärs, mit dem Verspre- diesem Fazit beendete der Referent enttäuscht, chen von mittelfristig politischen Re- seinen mit vielen eigenen Erlebnis- – das Volk fordert Würde, Gerech- formen, aber auch mit finanziellen sen drapierten Vortrag, der auch nach tigkeit und Freiheit. Geschenken, wie z.B. mit höheren zwei vollen Stunden die Zuhörer noch Der Westen habe jedoch diese Subventionen oder Löhnen. Dies füh- begeistern und deren Interesse fest- Zeichen völlig anders gedeutet und re zu dem Ergebnis, dass die Islamis- halten konnte. ❏ auf eine Ausbreitung der Demokra- tie gehofft, analysierte Waldecker. Die Politisierung kam erst später, als die bisher verbotene politische Op- position, überwiegend islamistische Gruppierungen sich der Revolte an- schlossen bzw. diese übernahmen und Redaktionsschluss für instrumentalisierten, denn in jedem der arabischen Staaten gebe es min- destens eine islamisch geprägte Par- tei, die – weil gut organisiert und AUFTRAG 299 praktisch bis ins letzte Dorf vertre- ten – eine wichtige politische Rolle darstelle und zukünftig diese auch Montag, 21. September 2015 weiterhin spielen werde. In diesem Abschnitt erläuterte der Referent nun

14 AUFTRAGAUFTRAG 297 / 298 • 1_1 / 2_20152 20155 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Flüchtlingsproblematik Algerien – Bedeutung für die regionale Sicherheit

VON RAINER ZINK

Eröffnung Dabei sehe er sich als Antenne des auch zustande käme, weil eine starke m 25. November 2014 hatte die BMVg mit dem Kernauftrag der Infor- und stetige Opposition vorhanden sei. AReservistenkameradschaft Bad mationsgewinnung. Das bedeute für Aber auch der Reichtum an Boden- Brückenau zu einem Vortragsabend ihn, dass er aus offenen Informations- schätzen, insbesondere an Öl sowie eingeladen. Der Referent Oberstleut- quellen ein Bild der sicherheitspoliti- viele bilaterale Partnerschaften mit nant i.G. Dr. Klaus Brust, Deutscher schen und militärpolitischen Lage in Staaten, Wirtschaftsunternehmen und Militärattaché in Algier befasste sich Algerien gewinnen und insbesondere militärischen Beratern ist eine we- an diesem Abend mit dem Thema Al- sensibel dafür sein müsse, Änderun- sentlicher Grund dafür, dass das Land gerien – Bedeutung für die regiona- gen zu registrieren, um somit Krisen stabil ist. „Diese vorhandene Regime- le Sicherheit. Die Begrüßung sowie frühzeitig zu erkennen. Stabilität sei somit Systemgarant für die Vorstellung des Referenten wur- eine Stabilität in der gesamten Regi- de durch den Ehrenvorsitzenden der Kleine Landeskunde Algerien on, in Algerien und in Nordafrika“, Reservistenkameradschaft Bad Brü- ie Masse der 32 Millionen Ein- betonte Dr. Brust. ckenau, Oberst d.R. Hans Rohrmüller Dwohner Algeriens hat sich im vorgenommen. Der Referent bedankte Nordteil des Landes angesiedelt, wäh- Der Algerienkrieg sich zu Beginn seines Vortrags über rend der weitaus größere Südteil Al- m Ende der kleinen Landeskun- die Einladung der Reservistenkame- geriens fast unbesiedelt ist und von Ade von Algerien behandelte der radschaft und stellte fest, dass Alge- der Wüste Sahara dominiert wird, er- Offizier den sogenannten namenlosen rien für viele ein unbekanntes Land läuterte Oberstleutnant Brust. Die Krieg, d.h. er befasste sich mit dem mit ebenfalls unbekannter Arbeit des Algerier sprechen einen arabischen Unabhängigkeitskrieg Algeriens ge- Militärattachés sei. Deshalb werde Berberdialekt, aber auch französisch gen die Kolonialmacht Frankreich, er seinen Vortrag in drei Abschnit- spiele eine wichtige Rolle als Bil- der in den Jahren 1954 bis 1962 statt- te gliedern: dungs- und Handlungssprache. Al- fand. Am 01. November 1954 begann 1. Die Arbeit des Militärattachés gerien habe den sunnitischen Islam die algerische Befreiungsfront (Front 2. Kleine Landeskunde Algerien zur Staatsreligion erklärt und nahezu Liberation Nationale – FLN) mit dem 3. Sicherheitspolitischer Rahmen 100 % der Algerier bekennen sich bewaffneten Kampf. Der Konflikt wei- deshalb zum Islam. Seit einigen Jah- tete sich aus, als die FLN seit 1956 Die Arbeit des Militärattachés ren komme es landesweit zu Demons- durch das mittlerweile unabhängige ei der Vorstellung seiner Auf- trationen und zum Teil auch gewaltsa- Marokko und Tunesien unterstützt Bgaben und Tätigkeiten erwähnte men Protesten. Dies ist insbesondere wurde, was zur Folge hatte, dass die Dr. Brust, dass er für Algerien eine den sozial-ökonomischen Problemen französischen Besatzungstruppen auf Hauptakkreditierung und für Liby- geschuldet. Die hohe Arbeitslosigkeit circa 500.000 Soldaten aufrüsteten, en eine Nebenakkreditierung habe. im Land spielt dabei eine besondere auch unter Hinzuziehung von vielen Als Militärattaché repräsentiere er in Rolle, schließlich gebe es keine Ar- Fremdenlegionären. „In diesem bru- erster Linie Deutschlands Verteidi- beitslosenunterstützung und dies zie- talen Krieg war auch Folterung an der gungsminister in Algerien und er sei he enorme soziale Auswirkungen nach Tagesordnung gewesen und der Krieg zugleich der erste militärische Bera- sich. Das Gesundheitswesen in Alge- gilt als einer der grausamsten Besat- ter des Botschafters im Land. Dazu rien stelle ein weiteres Problem dar. zungsaktionen der westlichen Welt gehörten das Bearbeiten von wehr- Zwar habe es sich in den letzten Jah- gegen die Muslime“, erwähnte Dr. technischen und rüstungswirtschaft- ren verbessert, dennoch sei es nach Brust. Nach vielen Protesten und De- lichen Angelegenheit sowie das Be- wie vor unzureichend. „Als der algeri- monstrationen, die teilweise mit Waf- richten über sicherheits- und militär- sche Präsident erkrankte, wurde er zur fengewalt beendet wurden, erkannte politische Sachverhalte. „Aber auch Behandlung nach Paris geflogen, um der damalige französische Staatsprä- die deutschen militärpolitischen In- dort in einem Militärhospital versorgt sident Charles de Gaulle nach langen teressen sollen vertreten werden und zu werden“, erläuterte der Referent. Verhandlungen im Abkommen von Delegationen und Besucher müssen Und schlussendlich müssen die Gren- Evian am 18. März 1962 das Recht betreut werden“, erwähnte Dr. Brust. zen hier erwähnt werden, denn sowohl Algeriens auf Selbstbestimmung an. Beratung von Wirtschaftsdelegatio- nach Marokko und auch im Süden des Dies nutzte Algerien und stimmte am nen, Betreuung des Militärs, z. B. bei Landes nach Mali sind die Grenzen 01. Juli 1962 mit 99 % der Wähler für Schiffsbesuchen, aber auch das Re- geschlossen. Ein eher freundschaft- eine staatliche Unabhängigkeit ihres präsentieren am Volkstrauertag gehör- liches Verhältnis allerdings hat Alge- Landes ab. Am 03. Juli 1962 erkann- ten genau so zu seinem Aufgabenfeld rien zum Nachbarland Tunesien. Be- te Frankreich Algeriens Unabhängig- wie das Aufbauen von Netzwerken deutend für eine Stabilität in Algerien keit an. Während dieses siebenjähri- sowohl lokal als auch international. ist seine innere Stabilität, die deshalb gen Krieges starben auf französischer

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 15 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Seite circa 25.000 Soldaten, die zum km, zu Mali 1.376 km, zu Maureta- der Referent. Dennoch müsse auch großen Teil auch durch Krankheiten nien 463 km, zu Westsahara 42 km die fortschrittliche Seite Algeriens zu Tode kamen, während auf der al- und zu Marokko 1.559 km. Somit hat beachtet werden, denn seit Besuch gerischen Seite bis zu 1,5 Millionen Algerien eine Grenzlänge von insge- der deutschen Bundeskanzlerin An- Tote beklagt wurden. Von den 150.000 samt 6.343 km zu verzeichnen mit gela Merkel im Jahre 2008 gebe es muslimischen Kollaborateuren der all den Bedrohungen in den Nach- eine deutsch-algerisch strategische Franzosen, den sogenannten „Har- barstaaten“, so der Offizier. Marokko Partnerschaft. Die politischen Bezie- kis“, die während des Krieges in der gelte als politischer Feind mit einer hungen zwischen Deutschland und französischen Armee dienten, wurden hohen Dichte von organisierter Kri- Algerien seien traditionell gut und bis zu 4.500 Tote bekannt. minalität und Schmuggel. Tunesien freundschaftlich und die Kooperati- ist zwar politisch stabil, aber mit ei- on zwischen diesen beiden Ländern Sicherheitspolitischer Rahmen ner instabilen Sicherheitslage. In Li- sei im Aufwind. „Nun gelte es, die- ie Aussagen zum sicherheitspo- byen gebe es keine Regierung, das se guten Verknüpfungen weiterhin Dlitischen Rahmen Algeriens be- Land werde von Milizen regiert, auch zu nutzten und nicht nur die wehr- gann Oberstleutnant Brust mit ei- Mauretanien und Mali habe einen ho- technischen Verträge auszuweiten, nem Schaubild zur Bedrohungsana- hen Anteil an Schmuggel und organi- sondern darüber hinaus auch ver- lyse. „Um die Grenzen in der gesam- sierter Kriminalität. Schlussendlich stärkt zivile Unternehmen zu entde- ten Region Nordafrikas zu verstehen, seien in der gesamten Region diese cken, die als Kooperationspartner müssen zwangsläufig die extremen Bedrohungen latent, die mit einem mithelfen“, folgerte Oberstleutnant Grenzlängen beleuchtet werden. Die zunehmenden Teil mit Flüchtigen, mit Brust zum Schluss seines sehr in- Grenzlänge zu Tunesien beträgt 965 Migration und mit Proliferation sich teressanten und aufschlussreichen km, zu Libyen 982 km, zu Niger 956 noch ständig ausweiteten, erwähnte Vortrags. ❏

Flüchtlingsproblematik Für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik Jahre nach dem Ende des Zwei- Bedürfnisse tauchen in offiziellen Sta- lich sie auch sind, in einem gemein- 70ten Weltkrieges und den damit tistiken und Berichte nicht ausrei- samen Kontext und ohne Angst zu be- verbundenen schrecklichen Erfah- chend auf. Ebenso ist uns bewusst, trachten. Dies schließt auch eine Dis- rungen von Flucht und Vertreibung in dass es vor allem die benachbarten kussion über die Notwendigkeit eines Deutschland und Europa setzen sich Länder der Krisenregionen, wie z. B. Einwanderungsgesetzes in Deutsch- die Mitglieder des Zentralkomitees der Libanon, sind, die die Hauptlast land ein. der deutschen Katholiken für einen von Flucht und Vertreibung tragen. Dass es in unserem Land An- menschenwürdigen Umgang mit den Ein umfassendes europäisches schläge auf Flüchtlingsunterkünfte Flüchtlingen unserer Tage ein. Konzept für den Umgang mit der und Aufrufe zu Ausgrenzung und Dis- Millionen von Menschen sind gegenwärtigen Flüchtlingssituation kriminierung gibt und dass Menschen, heute weltweit aus unterschiedlichen muss wirksame Rettungsprogramme, die sich für Flüchtlinge einsetzen, be- Gründen auf der Flucht. Tausende von ein entschiedenes Vorgehen gegen leidigt und bedroht werden, beschämt ihnen sind schon auf dem Weg nach Menschenhandel und verbrecherische uns zutiefst. Solchen fremdenfeindli- Europa im Mittelmeer ertrunken. Das Schleuser, die Verbesserung der Le- chen Tendenzen treten wir mit aller christliche Gebot der Nächstenliebe bensperspektiven in den Herkunfts- Entschiedenheit entgegen. Die De- und die europäischen Grundwerte, die ländern und auch die gerechte Ver- finition dessen, was christlich Werte auch eine Frucht der bitteren Erfah- teilung zwischen den europäischen bedeuten, überlassen wir nicht Popu- rungen des Zweiten Weltkrieges sind, Staaten umfassen. Zu einer ernsthaf- listen und Brandstiftern. verpflichten uns, Flüchtlinge zu retten ten Bekämpfung von Fluchtursachen Wir sind dankbar dafür, dass vie- und sie bei der Suche nach einer neu- gehören nach unserer Überzeugung le Kirchengemeinden, christliche Or- en Lebensperspektive zu unterstützen. auch die Stärkung der Prinzipien ei- ganisationen und Einzelpersonen ein Dass Menschen ihre Heimat ver- ner guten Regierungsführung in den sichtbares Zeichen gegen Gewalt und lassen müssen, ist eine Realität unse- Heimatländern und die kritische Aus- Fremdenhass setzen, indem sie den rer Zeit. Wir setzen uns für die Flücht- einandersetzung mit unserer eigenen Flüchtlingen beistehen. Dieses En- linge bei uns wie auch in ihren Her- Handelspolitik, den deutschen Waf- gagement für die Fremden und Ver- kunfts- und Transitländern ein. Dabei fenexporten und den klimatischen triebenen ist gelebtes Christsein. ❏ richten wir unser Augenmerk beson- Auswirkungen unserer Wirtschafts- ders auf das Leid von schutzbedürfti- und Lebensweise. (Erklärung des ZdK, verabschiedet gen Kindern, Jugendlichen und Frau- Wir rufen dazu auf, die Themen von der Vollversammlung en. Ihre spezifischen Notlagen und Asyl und Migration, so unterschied- am 9.Mai 2015)

16 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Flüchtlingsproblematik Gleichgültige Europäische Union?

VON BERTRAM BASTIAN

ie Dauermeldungen über die den soll, für Handelsschiffe kann am 16.06.2015 veröffentlicht wurde. DGriechenlandkrise hat die Begleitschutz gefahren werden Es ist erst die Unterrichtung, noch schrecklichen Meldungen über die und verdächtige Schiffe können kein Gesetzentwurf und vor allem täglichen Todesopfer von Flüchtlin- gestoppt und untersucht werden – noch nicht im beraten, gen im Mittelmeer von den Titelsei- – seit 2006: Mission United Nations geschweige denn abschließend bera- ten der Zeitungen verdrängt. Die dro- Interim Force in Lebanon (UNI- ten. Darauf können aber die Flücht- henden finanziellen Verluste sind den FIL) – die Streikräfte sind vor der linge nicht warten. Es muss schneller europäischen Steuerzahlern anschei- Küste Libanons damit beauftragt, gehandelt werden, denn durch diese nend wichtiger als die Schicksale der Waffenschmuggel zu unterbinden Flüchtlingsströme werden nicht nur Verfolgten, die vor Krieg und/oder und die Seewege zu kontrollieren die Aufnahmestaaten belastet, die Terror fliehen oder nur eine bessere – seit 30.06.2015: European Nation „Entsendestaaten“ bluten aus. Die Zukunft in der Union suchen und sich Navel Forces Mediterranean (EU- jenigen, die sich es leisten können, dabei gewissenlosen Schleusern aus- NAVFOR MED) zahlen die horrenden Summen an liefern. Diese schicken die Menschen – ab Mai 2015 beteiligt sich die die Schleuserbanden, um eine Zu- – natürlich nach Bezahlen einer mehr Deutsche Bundesmarine an der kunft in Europa zu suchen, andere oder weniger großen Summe an die Rettung von Menschen in See- wiederum werden in die moderne Banden – mit untauglichen Booten not, beschlossen auf einem Son- Sklaverei verkauft (siehe Friedens- auf das Mittelmeer und überlassen dergipfel der Staats- und Regie- botschaft des Papstes). Die „Abstim- die Flüchtlinge ihrem Schicksal. Der rungschefs am 23.04. Bei die- mung mit Füßen“ ist in Deutschland italienische Ministerpräsident Matteo ser Rettung von Flüchtlingen in bekannt, war diese doch der Grund, Renzi sprach nach dem Scheitern sei- Seenot werden gleichzeitig Infor- dass am 13.August 1961 ein Mauer nes Vorschlages, die Flüchtlinge ge- mationen gesammelt, um diese durch Berlin gezogen wurde und die rechter in Europa zu verteilen, davon, Schleuseraktivitäten zu überwa- „innerdeutsche Grenze“ noch un- dass Europa seine Werte verraten hät- chen und die dahinter befindli- durchlässiger gestaltet wurde. Eine te. Hat es das wirklich? chen Netzwerke zu identifizie- dauerhafte Auswanderung kann sich Italien hat als Reaktion auf die ren. Diese allgemeinen Maßnah- im Grunde kein Staat leisten, ist aber Tragödie Oktober 2013 die Mission men (Menschenrettung in Seenot) bei den „gescheiterten Staaten“ oft „mare nostrum“ gestartet. Der Ein- sind im Moment das einzige Mit- der Fall. satzraum reichte bis in libysche Kü- tel, Menschen zu retten, denn für Vielleicht kommen aber auch die stengewässer und hatte ein monatli- weitergehende Maßnahmen fehlt Nationen, die sich über einen Man- ches Budget von ca. 9 Mio €. noch das abgestimmte und durch gel an Fachkräften beklagen, auf Im Oktober wurde diese rein ita- die jeweiligen Parlamente gebill- den segensreichen Gedanken, dass lienische Aktion durch eine Missi- gte Programm. bei einer Sprach- und danach fol- on der EU-Grenzschutzorganisation Somit sind schon Kräfte im Mit- gend einer Berufsausbildung, dieser FRONTEX (gegründet 2004) abge- telmeer im „Einsatz“, ein gültiger Mangel an qualifizierten Arbeitskräf- löst, der Mission „Triton“. Hierbei Maßnahmenkatalog muss durch die ten abgestellt werden könnte. Wenn ist der Einsatzraum nur die italieni- EU-Staaten abgestimmt und dann man auf Einwanderung angewiesen schen Küstengewässer (bis 30 See- durch die Streitkräfte umgesetzt wer- ist, wäre dies eine Möglichkeit, beide meilen) und das Budget ist auf 2,9 den (bei Zustimmung der entspre- Seiten zu Gewinnern zu machen: die Mio € gesunken. Ab Mai 2015 wurde chenden nationalen Parlamente). Dies Flüchtlinge, weil sie aufgenommen, das Einsatzgebiet auf 122 Seemeilen ist in einer Gemeinschaft, der 28 Na- ausgebildet und nicht mehr verwaltet ausgedehnt. Darüberhinaus läuft im tionen angehören nicht in einem Tag werden, die Aufnahmestaaten, weil östlichen Mittelmeer die Operation oder einer Woche, geschweige denn sie dann dankbare neue und qualifi- „Poseidon“, die Flüchtlinge von der in einem Monat zu schaffen. Deshalb zierte Mitbürgerinenn und Mitbürger Türkei und Ägypten kommend, auf sollte man nicht von „Gleichgültig- gewinnen. Sollten später diese Men- (oder ab-)fangen soll. keit“ reden, sondern man muss sich schen zurück in ihre angestammte Zurzeit sind im Mittelmeer ver- Gedanken machen, wie man solche Heimat gehen, hätte diese gleichfalls schiedene internationale Unterneh- Entscheidungsprozesse „beschleuni- einen Vorteil. Eines wäre auf alle Fäl- mungen unter Beteiligung der Streit- gen“ kann, ohne die Rechte des Deut- le sichergestellt: die Menschlichkeit kräfte in der Durchführung: schen Bundestages zu schmälern. würde triumphieren! ❏ – seit 2001: Operation Active En- Hier ist ein Ansatz der Abschluss- deavour – dient der Terrorismus- bericht der Rühe-Kommission1, der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, bekämpfung, indem der gesamte 1 Unterrichtung durch die Kommission Deutscher Bundestag, Drucksache Mittelmeerraum überwacht wer- zur Überprüfung und Sicherung der 18/5000

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 17 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Afghanistankonflikt Die Rolle der Taliban in Afghanistan Gewaltmotivation im Kontext der neuen Kriege am Fallbeispiel der Taliban während des Afghanischen Bürgerkrieges

VON ANDREAS M. RAUCH UND SECKIN SÖLYEMEZ1

ennwir auf das Jahr 2014 zurückblicken, so erleben wir eine Anhäufung von Krisen und Konflikten in Wder Welt. Die Forderung nach Frieden erscheint dringlicher denn je. Alte und neue Konflikte wie jenes in Afghanistan sind geblieben und harren einer friedlichen Lösung. Eine friedliche Zukunft Afghanistans wird erst möglich sein, wenn das Problem der Taliban in Afghanistan gelöst ist.

ls Kaldor den Begriff der neu- Die Rolle von Gewaltmotivatio- Fand innerhalb des afghanischen Aen Kriege in ihrem Buch „Neue nen im Rahmen von Bürgerkriegen Bürgerkrieges ein Wandel der Ge- und Alte Kriege“ im Jahr 1999 erst- erscheint heute aktueller denn je. waltmotivation im Sinne der Neuen mals benutzte und ihn somit in den Der Grund hierfür ist zweifelsohne Kriege statt? wissenschaftlichen Diskurs einführte, die Entstehung und das Erstarken von Handelte es sich bei den Taliban entbrannte eine rege wissenschaftli- Organisationen, wie die des „Islami- wirklich um eine Organisation, de- che Debatte.2 Infolgedessen setzten schen Staates“, welche die Friedens- ren Gewaltmotivation auf religiösen/ sich neben den Politikwissenschaftlern forschung mit einer Problematik völlig politischen Vorstellungen aufbaute? auch Historiker, Soziologen, Ethnolo- neuer Qualität konfrontieren. Ange- Wie gelang es den Taliban sich als gen und Ökonomen mit diesem neu- sichts dessen erscheint es umso wich- eine fundamental religiöse Organisa- en Modell und seinen Teilaspekten tiger sich mit dieser Thematik ausein- tion in den Wirren des Bürgerkrieges auseinander.3 Der Grund für dieses anderzusetzen. zu etablieren Interesse von Wissenschaftlern ver- Das folgende Zitat aus der Arbeit schiedenster Disziplinen hängt damit „Kritische Auseinandersetzung mit der Gewaltmotivation in Alten zusammen, dass die Theorie die These Theorie der „Neuen Kriege“ am Bei- und Neuen Kriegen vertritt, dass sich neue Kriege durch spiel des Afghanischen Bürgerkriegs evor man einen Wandel der Ge- einen Gestaltenwandel in verschiede- 1989-2001“ beschäftigt sich mit dem Bwaltmotive in den neuen Krie- nen Teilbereichen auszeichnen. Dieser Aspekt der Gewaltmotivation am Bei- gen erkenntlich machen kann, muss Wandel ist zu subsumieren in vier Ent- spiel der Taliban-Bewegung während man sich im Vorfeld mit den Gewalt- wicklungstendenzen. Erstens zeichnen des afghanischen Bürgerkrieges. Ob- motiven alter/klassischer Kriege be- sich die neuen Kriege durch eine Pri- wohl sich das vorliegende Fallbeispiel fassen. Ausgehend von den Ausfüh- vatisierung von Gewaltakteuren aus, sowohl zeitlich als auch räumlich von rungen Kaldors und Münklers bieten zweitens kommt es zur Etablierung den aktuellen Entwicklungen in der sich als Annäherung an eine ideale von Gewaltökonomien, drittens zu ei- Levante unterscheidet, weist es nichts- Kriegsdefinition die Feststellungen ner Ökonomisierung, bzw. Entideolo- destotrotz erstaunliche Parallelen auf. von Carl von Clausewitz an. In seinem gisierung der Gewaltmotivation und Ähnlich wie in der Anfangsphase des Hauptwerk „Vom Kriege“ beschreibt viertens zu einer massiven Brutalisie- syrischen Bürgerkrieges zeichnete sich er Krieg als einen „Akt der Gewalt, um rung und Sexualisierung der Gewalt- der afghanische Bürgerkrieg zu Beginn den Gegner Erfüllung unseres Wil- handlungen. durch eine unübersichtliche Anzahl lens zu zwingen“4. Diese sehr exis- von privaten Gewaltakteuren aus. Die tenzielle Kern-Definition von Krieg Defragmentierung der Gewaltakteure verdeutlicht den politischen Charak- 1 Prof.e.h. Dr. Andreas M. Rauch ist endete mit dem Auftauchen einer radi- ter der gezielten Gewaltanwendung. Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität kal islamistischen Bewegung, den Ta- Clausewitz beschreibt den politischen Duisburg-Essen und im Schuldienst liban. Eine puritanisch religiöse und Zweck des Krieges als das ursprüng- tätig; Seckin Sölyemez ist Student in der Region bis dahin unbekannte liche Motiv,5 somit ist „Krieg nicht im Masterstudium an der Universität Duisburg-Essen. Formation, welche in kürzester Zeit bloß ein politischer Akt, sondern ein große Landstriche erobern konnte und wahres politisches Instrument […], 2 Vgl. Lock, Peter (2004): Schattenglobalisierung, Ökonomie und in absoluter internationaler Isolation, eine Fortsetzung des politischen Ver- Krieg – Ökonomie der neuen Kriege. mittels eines unbarmherzigen Vorge- kehrs, ein Durchführen desselben mit S.191. In: Aus Politik und Staat, Heft hens gegen jegliche Opposition ein anderen Mitteln“.6 4/2004. islamisches Emirat errichtete. 3 Vgl. Matthies, Volker (2004): Der Der folgende Artikel befasst sich 4 Ebenda. Vernachlässigte Blick auf den Frieden – Eine Welt voller neuer Kriege. S. 186. in dieser Hinsicht mit drei Fragestel- 5 Vgl. Ebenda. S. 25. In: Politik und Staat Heft 4/2004. lungen: 6 Ebenda. S. 34.

18 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Im Kontext der neuen Kriege ver- Afghanistans ersichtlich machen zu während des Konfliktes umgekommen liert die Gewaltmotivation ihre politi- können, ist es Notwendig sich mit den und knapp 14 Millionen Afghanen be- sche Komponente und wird durch eine Bedingungen vor dem Bürgerkrieg fanden sich auf der Flucht.13 Parallel wirtschaftliche ersetzt. Die Intention auseinanderzusetzen. dazu scheiterten die Regierungsver- zur Gewaltanwendung ist somit eng Bereits kurze Zeit nach dem Ein- handlungen zwischen den siegreichen verbandelt mit dem Aspekt der Ge- marsch der russischen Truppen in Mudschaheddin und, die ohnehin nur waltökonomien, welche als eigentli- Afghanistan im Jahr 1978 formierten sporadisch existierenden Spuren jeg- ches Herzstück der neuen Kriege in sich die ersten Widerstandgruppen licher Staatlichkeit brachen mit dem Erscheinung treten. Demnach dienen in Afghanistan. Neben der nationa- Ausbruch interner Machtkämpfe voll- Kriege nicht mehr der „Niederwer- listisch begründeten Ablehnung der ends zusammen.14 Während die gro- fung“ eines Rivalen sondern der ei- Besatzung legitimierten nahezu alle ßen Mudschaheddin-Parteien um die genen Bereicherung. Durch Ausbeu- Guerillaformationen ihre Auflehnung Herrschaft im Land stritten und es zu tung der natürlichen Ressourcen und aus einer religiösen Pflicht. Der Islam blutigen Auseinandersetzungen um der lokalen Bevölkerung lassen sich diente dem anti-russischen Wieder- die Kontrolle der Hauptstadt Kabul die privaten Gewaltakteure auf eine stand als ideologisches Fundament. kam, konnten kleinere Mudschahed- Kriminalisierung der eigenen Ver- Durch diese Argumentation griffen din-Gruppierungen, Ex-Regime Mili- sorgungsstrukturen ein und führen die afghanischen Widerstandsgrup- tärs und halbseidene Clanchefs mehr Kriege nur noch für die eigene Kasse. pen auf, die tief in der afghanischen und mehr Territorien in der Provinz So bemerkt Münkler, dass mit zuneh- Gesellschaft verwurzelten religiösen unter ihre Kontrolle bringen.15 mender Dauer des Krieges und der da- Gefühle zurück und stilisierten sich Die islamische Rhetorik aus der mit einhergehenden Entstehung und selbst zu Mudschaheddin (arab. Got- Zeit des Wiederstandes wich einer Etablierung einer Gewaltökonomie teskrieger), welche sich in einem hei- bitteren Realität. Die Bevölkerung die ideologischen oder identitätsbezo- ligen Abwehrkrieg (Dschihad) gegen war der Willkürherrschaft der neuen genen Gewaltmotive der Akteure ihre die kommunistische Fremdherrschaft Lokalmachthaber schutzlos ausgelie- Priorität verlieren und dass ökonomi- befanden. Dadurch entstand nicht nur fert. Durch den Anbau und Vertrieb sche Interessen an ihre Stelle treten.7 eine Einigung der gesamten anti-kom- von Opium und der Erhebung von We- Eine politische oder ideologische munistischen Kräfte unter der Flag- gezöllen bereicherten und bewaffne- Rhetorik, welche von den Kriegspar- ge des Islam, auch wurde propagiert, ten sich die Warlords. Einen beson- teien genutzt wird, dient in diesem dass nach der Beendigung der Besat- ders großen Imageverlust erlitten die Zusammenhang nur noch dazu, die zung ein islamisch-afghanischer Staat ehemaligen Gotteskrieger durch das eigentlichen Ziele zu kaschieren und entstehen solle, in welchem Recht und brutale und irrationale Vorgehen ge- neue Kombattanten zu rekrutieren.8 Ordnung im islamischen Sinne herr- gen die eigene Bevölkerung. Diese Somit zeichnen sich die neuen Kriege schen würde. wahllosen Gewalttaten und der völli- durch eine Ökonomisierung der Ge- Nach dem Abzug der russischen ge Zusammenbruch jeglicher Sicher- waltziele aus. Dieser Zustand kann Truppen sollte sich herausstellen, heit und Ordnung führten nicht nur mit einer Abwandlung des Clausewitz- dass der Islam nicht nur das stärks- zu einer Diskreditierung der ehemals Diktums vom „Krieg als Fortsetzung te, sondern auch das einzige Mittel siegreichen Kämpfer in den Augen der der Politik mit anderen Mitteln“ in zur Bindung der afghanischen Kräfte Bevölkerung, auch verloren die Mud- „Fortsetzung der Ökonomie mit an- gewesen war. Die Mudschaheddin- schaheddin somit ihre im Kampf ge- deren Mitteln“ beschrieben werden.9 Gruppen organisierten sich von An- gen die Sowjets erworbene Legitimati- Volker Matthies sieht in diesem Kon- fang an entlang konfessioneller und on.16 Dieser Wiederspruch zwischen text neben der Ökonomisierungsten- ethnischer Zugehörigkeit.11 Diese den Versprechungen und der Realität denz das Hauptmerkmal der neuen ethnische Homogenität innerhalb der schuf ein ideologisches Vakuum, wel- Kriege in ihrer impliziten Entideolo- einzelnen Gruppierungen und die da- ches die Taliban ausfüllen sollten.17 gisierung.10 raus resultierende Heterogenität des Die erste Formierung der Widerstandes in seiner Gesamtheit Taliban(von Talib: Koranschüler) un- Entideologisierung versus stellte sich Ende der 80er Jahre als ter der Führung des Kriegsveteranen Ideologisierung Achillesverse für die Afghanen he- Mullah Omar im Jahr 1994 gründete m einen Gestaltenwandel der Ge- raus. auf einer Initiative zur Unterbindung Uwaltmotivation am Beispiel des Nach dem Sturz des sowjetisch S. 9. 7 Münkler, Herfried (2002): Die neuen geschützten DVPA-Regimes im Jahr Kriege. S. 163 ff. 1992 befand sich Afghanistan in ei- 13 Vgl. Schetter, Conrad / Klußmann, nem katastrophalen Zustand. Neben Jörgen (Hg.) (2011): Der Taliban- 8 Vgl. Heupel, Monika/Zangl, Bernhard Komplex. S. 12. (2003): Die Empirische Realität Des der Zerstörung weiterer Landstriche, „Neuen Krieges“. S. 11. waren zwei Millionen Menschen12 14 ??????? 9 Vgl. Matthies, Volker (2003): Eine 15 Ebenda. S. 43. Welt voller neuer Kriege– Der 11 Vgl. Rashid, Ahmed (2010): Taliban. S. 16 Vgl. Schetter, Conrad / Klußmann, Vernachlässigte Blick auf den Frieden. 39. Jörgen (Hg.) (2011): Der Taliban- S. 186. In: Politik und Staat Heft 12 Vgl. Berger, Silvia / Kläy, Dieter Komplex. S. 33. 4/2004. / Stahel, Albert A. (Hrsg.) (2002): 17 Vgl. Rashid, Ahmed (2001): Taliban. S. 10 Vgl. Ebenda. Afghanistan – Ein Land am Scheideweg. 143.

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 19 GESELLSCHAFT NAH UND FERN gegen das brutale Vorgehen von lo- von Rohopium in Afghanistan knapp Trotz massiver Betätigung am Dro- kalen Warlords im Raum Kandahar 2200 Tonnen.21 Bis in das Jahr 1993 genmarkt vertraten die Taliban im Ge- gegen die dortige Bevölkerung.18 In blieb diese Produktionsrate auf einem gensatz zu den Mudschaheddin-Partei- den Augen der Bevölkerung konn- ähnlichen Level. 1994 mit dem Be- en eine radikale und puritanische Aus- te sich die Taliban-Bewegung in der ginn der Taliban-Expansion schoss legung des Islams. Die Koranschulen Anfangsphase ihrer Entstehung große die Produktion in die Höhe, das Jah- im paschtunisch geprägten Süd-Osten Sympathien sichern, da sie unentgelt- respensum 1994 betrug fast 4000 Ton- und in den pakistanisch-afghanischen lich für Recht und Ordnung sorgten nen.22 Dieser massive Anstieg lässt Grenzgebieten, aus denen die Taliban und somit den Verlauf des alltäglichen sich wie folgt erklären. Die Beseiti- entstammten, vertraten eine besonde- Lebens sicherten. Die Taliban stellten gung der vereinzelten und dezentralen re Form des islamischen Fundamen- eine neue dynamische Kraft dar und Produktion von Opium durch einzel- talismus. Diese Lehre, welche Ende waren im Vergleich zu den seit Jah- ne Warlords wurde durch die Taliban des 19. Jhdt. im arabischen Raum ent- ren aktiven Mudschaheddin-Parteien unterbunden und durch eine flächen- stand, setzte sich ein für die Abkehr durch keine Fehltritte vorbelastet. Bis deckende Produktion unter der Kont- von allem westlichen und nicht-isla- in das Jahr 2001 kontrollierten die rolle der Taliban ersetzt. Somit entwi- mischen.28 Islamische Rechtsgelehr- Taliban nahezu das Gesamte Staats- ckelten die Taliban den fragmentier- te wie Jamal ed-Din al-Afghani (1839- gebiet Afghanistans. ten Drogenschmuggel in Afghanistan 1897) und Mohamad Abduh (1849- Dabei waren es vor allem die zu einer stabilen Drogenökonomie. 1905) predigten einen Wandel in allen Paschtunen, die mit den Taliban sym- Auch profitierten die paschtuni- Lebensbereichen, der sich am Vorbild pathisierten, unterstützten und später schen Mohnbauern von diesem Ge- der Salafiya orientierte.29 Der Begriff auch ihre Rekrutierungsbasis darstel- schäft, da sie unter dem Schutz der der Salafiya, welche auch namensge- len sollten. Diese Volksgruppe stellt Taliban die Möglichkeit hatten, ge- bend für diese Wiedererweckungsbe- mit 18-26 Millionen Menschen, nicht nügend Geld für ihren Lebensunter- wegung war, bezeichnete die Muslime nur die größte Volksgruppe des Lan- halt zu verdienen.23 Im Gegenzug des ersten Jhdt. des Islams. Diese Epo- des dar, sondern gilt auch als größte für Steuern, die 25-30% des Gewinns che unter der Führung des Propheten Stammesgesellschaft der Welt.19 Das ausmachten, durften die Bauern selbst Mohammed und den ersten drei Ka- Hauptsiedlungsgebiet der paschtuni- Opium anbauen.24 Der Mohnanbau lifen (Rechtgeleitete Kalifen) wurde schen Stämme erstreckt sich vom Sü- ermöglichte und ermöglicht auch heu- als Blütezeit des Islam angesehen. den des Landes bis in die Hauptstadt te noch den afghanischen Bauern ein Sie war geprägt von einer Phase extre- Kabul und nach West-Pakistan. Somit fast zehnmal höheres Einkommen als mer territorialer Expansion und einer waren die Paschtunen seit jeher von durch den Anbau von Weizen.25 Der im Vergleich zu anderen Völkern gro- den Industrieanlagen und den land- Grund hierfür war, dass Schlafmohn ßen Überlegenheit auf militärischem, wirtschaftlich Nutzbaren Gebieten im „im Gegensatz zu anderen Anbaukul- technischem, kulturellem und wissen- Norden des Landes abgeschnitten. turen […] innerhalb weniger Monate schaftlichem Gebiet. Ausgehend von Dieser Zustand spiegelte sich auch in geerntet werden [kann]“.26 Hinzu dieser Betrachtungsweise wurden alle der Lebensqualität und dem Bildungs- kam, dass durch die massive Ver- Entwicklungen, die außerhalb dieser stand der Paschtunen wieder.20 Die breitung des Anbaus neue Arbeits- Blütezeit Einfluss auf die islamische Situation für diese Ethnie verschlech- möglichkeiten für Kriegsrückkehrer Gesellschaft ausgeübten als Irrefüh- terte sich weiterhin, als nach dem Ab- geschaffen wurden und Einkommens- rung verneint und abgelehnt. zug der Sowjets die tadschikisch und möglichkeiten für diese Menschen Radikal-islamistisch motivierte usbekisch geprägten Kampfverbände entstanden.27 Durch diese Politik ga- Freiwillige aus dem Nahen Osten, wie um die Macht im Land stritten. Daher rantierte sich die Taliban abermals die zum Beispiel der ägyptische Muslim- sahen viele Paschtunen in der Entste- Zustimmung der Bevölkerung. bruder Ayman al-Zakawiri und der hung der Taliban, welche hauptsäch- 21 United Nations Offi ce on Drugs and junge Saudi Osama Bin Laden, hatten lich aus Paschtunen bestand, eine Crime (2006): Afghanistan Opium bereits in den 80er Jahren versucht, Möglichkeit ihre Stellung in einem Survey 2006. S. 6. diese Auslegung des Islam innerhalb neuen Afghanistan zu verbessern. 22 Ebenda der afghanischen Bevölkerung zu ver- Während die Taliban auf der ei- 23 Vgl. Ebenda. S. 187ff. breiten.30 Den arabischen Kriegsvo- nen Seite Opium-Warlords bekämpf- 24 Edouard Martin/ Steven Symansky lontären war es trotz Anstrengungen ten, betätigten sie sich selbst mas- (2007): „Macroeconomic impact of drug nicht gelungen, die Ehr- und Verhal- economy and counter-narcotics efforts”. siv im Bereich der Produktion und In: UNODC & World Bank 2007. S. 30. tensnormen der afghanischen Stämme des Vertriebs von Rohopium. Im Jahr 25 Vgl. United Nations Offi ce on Drugs durch den islamischen Fundamenta- 1990, ein Jahr nach dem Abzug der and Crime (2007): Afghanistan Opium lismus zu ersetzen.31 Sie scheiterten Sowjets, betrug die Jahresproduktion Survey 2007. S. 118. 28 Vgl. Ebenda. S. 23. 26 Kursawe, Janet (2011): „Seeds of War“? 18 Schetter, Conrad / Klußmann, Jörgen Die Taliban und die Drogenökonomie. 29 Vgl. Gemein, Gisbert / Redmer, (Hg.) (2011): Der Taliban-Komplex. S. S. 164. In: Conrad Schetter und Jürgen Hartmut (2005): Islamischer 33. Klußmann (2011): Der Talibankomplex: Fundamentalismus. S. 89 ff. 19 Vgl. Ebenda. Zwischen Aufstandsbewegung und 30 Vgl. Ebenda. S. 139. 20 Vgl. Rashid, Ahmed (2010): Taliban. S. Militäreinsatz. 31 Vgl. Rashid, Ahmed (2001): Taliban. 175. 27 Vgl. Ebenda. S.139ff.

20 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 GESELLSCHAFT NAH UND FERN allem voran an den fest eingesessenen Die Selbstwahrnehmung als eine re- die Verarbeitung und der Vertrieb Clan-Strukturen, welche keine Neu- ligiöse Wiedererweckungsbewegung von Opium erreichte unter der Füh- erungen, egal welcher Art, zuließen. zeigte sich auch noch einmal in der rung der Taliban ein bisher ungese- Nach Zehn Jahren des Krieges strengen Gesetzgebung, welche die henes Volumen, doch führte der gro- und dem Erodieren des Gesellschafts- Taliban in den von ihnen kontrollier- ße Zufluss von Drogengeldern nicht und Clanwesens hatte sich die Situa- ten Gebieten einführte. So wurden in zu einer Vernachlässigung der politi- tion jedoch geändert und die die Af- den Taliban-Gebieten nicht nur die schen Zielsetzung. Ohne Zweifel be- ghanen waren nun weitaus empfäng- als unislamisch angesehenen War- reicherten sich einige Taliban-Führer licher für fundamentalistische Denk- lords entmachtet, sondern auch der an den Einnahmen des „islamischen weisen.32 Besonders stark standen Alkohol Konsum, das Rasieren von Emirats Afghanistan“, doch die ra- die Millionen von Kriegsweisen un- Bärten, Tanzen, Musikhören und das dikale Abkehr von der Drogenpro- ter dem Einfluss der radikalen Glau- Fernsehen wurden verboten.36 Ei- duktion im Jahr 2001 (vor der Ope- bensauslegung, den die Taliban pre- nen besonderen Einschnitt in ihr Le- ration Enduring Freedom) zeigt, dass digten. Diese Weisen, welche losge- ben erlitten die Frauen, welchen die sich die Führungsriege der Taliban rissen von ihren Familien und Clans Taliban den Besuch von Schulen und nicht durch die Einnahme von Dro- ein Leben in Armut fristeten, fan- das Nachgehen einer Arbeit untersag- gengelder leiten lies. Zwar wird in die- den den einzigen Halt in dem in den ten.37 Das Tragen des traditionellen sem Zusammenhang angeführt, dass Madrassas(Koranschulen) gepredig- ganzen Körperschleiers, Burka, wurde die Politik der Taliban den Opium- ten radikalen Islam.33 Die Predigten ebenfalls zur Pflicht für alle Frauen. anbau zu unterbinden ein geplanter der sporadisch ausgebildeten Mul- Die Einhaltung dieser strengen Reg- Schritt Mullah Omars war, um den lahs mischten fundamental islami- lementierungen wurde durch Scharia- Preis von Opium auf dem Schwarz- sche Denkweisen mit tribalen Wert- Gerichte überwacht und bei Nichtbe- markt hochzutreiben,39 doch gab es vorstellungen des Paschtunwalis, ei- folgung drakonisch bestraft.38 Trotz auch vor 2001 mehrere Angebote der nem Jahrhunderte alten paschtunsi- dieser restriktiven Politik erhielten Taliban den Drogenanbau zu reduzie- chen Ehrencodex.34 Die durch diese die Taliban bis zur Beendigung ihres ren oder zu verbieten.40 Auch muss Mischung entstandene Ideologie ließ Regimes, durch das Eingreifen von beachtet werden, dass trotz der gro- sich weder als Reinform des islami- Koalitionstruppen im Jahr 2001 im- ßen Produktionsmengen, es sich beim schen Fundamentalismus noch als die mer mehr Zulauf, vor allem von jun- Opiumhandel nicht um die einzige des Stammeskodex definieren. Somit gen Afghanen. Einnahmequelle der Taliban handel- entstand ein Hybrid, was als Taliban- te. Der pakistanische Geheimdienst Ideologie bezeichnet werden kann. Fazit: Dauerkonflikte durch ISI unterstütze die Taliban seit 1994 Die Wahllosigkeit dieser Mixtur wurde die Taliban in Afghanistan finanziell und logistisch.41 besonders deutlich in Bezug auf den ährend die erste Phase des Kon- Die Motivation zur Gewaltanwen- Umgang mit Frauen. Die Stellung der Wfliktes von einem Entideologi- dung beschränkte sich für die Taliban Frau wurde dem Islam zuwider aus sierungsprozess gekennzeichnet war, somit nicht nur auf ökonomische In- dem Paschtunwali abgeleitet, in der zeichnete sich die zweite Phase durch teressen, sondern gründete auf ihrer „[…] die Frau dem Mann sehr viel eine Re-ideologisierung des inner- dogmatischen Hybrid-Ideologie. Der strenger untergeordnet, als es das isla- afghanischen Konfliktes aus. So Ent- Stellenwert der ideologisierten Re- mische Gesetz vorsieht. Frauen dürfen wickelte sich innerhalb des Bürger- ligionsauslegung bekam unter dem kein Land erben, Scheidung ist tabu, krieges, entgegen der Entideologisie- Regime der Taliban somit einen ganz schon der Verdacht der Unkeusch- rungsthese eine radikal religiös/ideo- neuen Stellenwert. In diesem Sinne heit reicht aus für ein Todesurteil“.35 logisch motivierte Bewegung, welche verstanden sich die Taliban primär, Ein Resultat dieser Betrachtungs- trotz, oder wegen ihrer dogmatischen nicht als eine Partei zur Ausübung weise war, dass sich die Taliban ihren Religionsauslegung in der Lage war von Macht, sondern als eine Partei Kampf nicht mehr gegen die „ungläu- große Teile der Bevölkerung für sich der religiösen Läuterung.42 bigen“ Besatzer aus dem Ausland zu gewinnen. Doch was waren die Gründe da- sondern gegen die Feinde im inneren Die Taliban und ihr religiös moti- für, dass sich diese radikal religiö- führten, die ihrer Meinung nach die vierter Kampf gegen die übrigen Ge- habgierigen Mudschaheddin waren waltakteure im Land erscheint, mit 39 Vgl. Kursawe, Janet (2011): „Seeds und den Islam verunreinigt hatten. Rückblick auf diese These der neuen of War“? Die Taliban und die Drogenökonomie. S. 168. In: Conrad Kriege noch fragwürdiger, wenn man Schetter und Jürgen Klußmann 32 Vgl. Schetter, Conrad / Klußmann, sich vor Augen führt, dass die Gottes- (2011): Der Talibankomplex: Zwischen Jörgen (Hg.) (2011): Der Taliban- krieger die stärkste Drogenökonomie Aufstandsbewegung und Militäreinsatz. Komplex . S. 12. des Landes errichteten. Der Anbau, 40 Rashid, Ahmed (2010): Taliban. S. 195. 33 Vgl. Rashid, Ahmed (2010): Taliban. S. 41 Vgl. Kursawe, Janet (2011): „Seeds 58. 36 Vgl. Schetter, Conrad / Klußmann, of War“? Die Taliban und die 34 Vgl. Ebenda. Jörgen (Hg.) (2011): Der Taliban- Drogenökonomie. S. 168. In: Conrad Komplex. S. 15. 35 Vgl. Der Spiegel 49/1997: Allahs Schetter und Jürgen Klußmann furchtbarste Geisel. In: http://www. 37 Vgl. Rashid, Ahmed (2010): Taliban. S. (2011): Der Talibankomplex: Zwischen spiegel.de/spiegel/print/d-8841663.html 86. Aufstandsbewegung und Militäreinsatz. (Eingesehen am 13.06.2014 – 15:33) 38 Vgl. Ebenda. 42 Vgl. Ebenda. S. 45.

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 21 GESELLSCHAFT NAH UND FERN se Bewegung auch innerhalb der af- mit der Erosion der gesellschaftlichen zeptanz der Afghanen gegenüber ghanischen Bevölkerung etablieren Strukturen in Afghanistan zusammen. der Etablierung einer Demokratie konnte, bzw. einen gewissen Zuspruch Die durch das Wegfallen der Stam- seitens des Westens, welche ohne- von dieser erhielt? Die Taliban profi- meskultur entstandene Lücke wurde hin zu erwarten war, überraschend tierten in erster Linie vom Versagen seitens der Taliban mit einer funda- ist vielmehr die Unterstützung für und dem brutalen Vorgehen der Mu- mental islamistisch motivierten Ideo- die Taliban. So konnten sich die dschaheddin Gruppierungen. Auch logie ausgefüllt. Somit sozialisierten Taliban und ähnliche radikal-isla- aber konnten sie die Bevölkerung die Taliban ganze Generationen von mische Widerstandsbewegungen, mit ökonomischen Faktoren locken. Kriegsweisen und schufen sich eine in den vergangenen Jahren, vor al- Durch die Politik der „Freien Hand“ befehlstreue Basis. lem im Süden des Landes als Sam- in Bezug auf den Anbau von Rohopi- Obwohl das Taliban Regime nur melbecken anti-westlicher Reaktion um ermöglichten sie der armen Be- wenige Tage nach dem Eingreifen gegen die erneute „Besatzung“ des völkerung ihren Lebensunterhat zu der internationalen Kräfte im Jahr Landes etablieren. Dieser Zustand sichern und verdienten auch selbst 2001 kollabierte43, gelang es den führt noch einmal vor Augen, wel- am lukrativen Geschäft mit. Wichtig Taliban immer größere Landstri- che Wurzeln die Taliban, als auch erschien in diesem Zusammenhang che vor allem im Süden des Lan- ihr Gedankengut in die afghanische auch, dass die Taliban auf die pasch- des zurückzuerobern. Erstaunlich Gesellschaft geschlagen haben. Da- tunische Mehrheitsbevölkerung setz- ist in diesem Zusammenhang we- durch werden die Taliban bis heute ten, welche in den Taliban die Vertre- niger die Auflehnung, bzw. Inak- zu einer friedensethischen Heraus- tung ihrer Interessen sah. forderung für die internationale Ge- 43 Vgl. Chiari, Berhard (2007): Der sowje- Doch der wohl wichtigste Faktor tische Einmarsch in Afghanistan und meinschaft und die internationalen für den Siegeszug der Taliban hing die Besatzung von 1979-89. S. 8. Beziehungen. ❏

Leseempfehlung Lernen von Afghanistan Innovative Mittel und Wege für Auslandseinsätze

ie Bundeswehr wurde zu Beginn kein größeres Problem, der daran ge- in Misserfolge umgewandelt werden. Ddes Einsatzes in Afghanistan als wöhnt ist. Andere tun sich damit wahr- Dabei spielt auch die Geschwindig- „Brunnenbohr-Armee“ von der Öf- scheinlich schwer, aber diese Sprache keit, mit der man Informationen für fentlichkiet wahrgenommen und des Buches ist die Wirklich- die Bevölkerung umsetzt, eine Rolle. hat sich auch so dar- keit,keit die somit sehr gut wie- hier gilt eben auch: wer zuerst kommt, gestellt. Es war unan- dergegebenderg wird. mahlt zuerst. Der Beitrag von Frank genehm, das „Kämp- Das Buch stellt sich dem Pieper über „Information und Kom- fen“ in den Vorder- Anspruch,An den Blick auf Aus- munikation in Einsätzen“ behandelt grund zu rücken, Aber landseinsätzelan zu weiten, weg diese Form der „Kriegsführung“. Ge- dazu ist die Armee vor- vonvo den geschilderten Posi- nauso wichtig für den inneren Freiden handen, dazu werden tionentio „Gefecht“ und „Brun- einer Nation ist die „Reintegration die Soldatinnen und nenbohren“.ne Es geht in den Von Gegenern“, die Uwe Hartmann Soldaten zuallererstt BeispielenB in diesem Buch in seinem Beitrag behandelt. Diese ausgebildet. Nur lang-- darum,d die heute schon vor- gilt es von Anfang an zu berücksich- sam änderte sich dass handenenh kreativen Metho- tigen und nicht erst, wenn man glaubt Bild und auch die Spra-a- dend der zivilen und mili- zu scheitern. che. Es wurde von Kriegeg tärischent Konfliktbehand- Alles in allem ein interessantes gesprochen, die Soldatenen lungl zu schildern, aufzu- Buch, das wertvolle Tipps gibt und fielen nicht mehr Autounfällenfll zum zeigen,ii wie diese aufeinander abge- den Afghanistan Einsatz der Bundes- Opfer, sondern sind in Gefechten – stimmt eingesetzt werden sollte, um wehr transparenter werden lässt. (BB) die sich auch über Tage hinzogen – einen möglichst großen Effekt zu er- gefallen. zielen. Uwe Hartmann (Hg): Die militärischen Bezeichnungen Diese Effekte und die damit er- Lernen von Afghanistan, der jeweiligen Dienststellungen und zielten Erfolge müssen aber auch in- Innovative Mittel und Wege für Missionenstellen den Leser nicht nur formationstechnisch umgesetzt wer- Auslandseinsätze, miles Verlag, auf die Probe, sondern die im Buch den, damit nicht durch „Negativ- Berlin 2015, 128 Seiten, benutzten Abkürzungen sind für den Propaganda“ des Gegners Erfolge ISBN 978-3-937885-87-2

22 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 BILD DES SOLDATEN

Bild des Soldaten 16. Fußwallfahrt nach RETZBACH zur Wallfahrtskirche „Maria im grünen Tal“ am 21.Mai 2015

„Wege – Begegnung“ in den Abgrund. “ Mit der Meditati- Wagner in den Gottesdienst ein und ie die Jahre zuvor, so hat auch on „Gott meiner Wege“ beendete der er bemerkte, dass auch die heutigen Win diesem Jahr der Katholische Militärpfarrer das gemeinsame Beten Wallfahrer sich auf den Weg gemacht Militärpfarrer aus VEITSHÖCH- auf den Stationen. Der Standortälteste hätten, zwar aus verschiedenen Moti- HEIM, Militärpfarrer Martin Klein aus VEITSHÖCHHEIM, Oberst Wolf- ven heraus, dennoch würde die Wall- zur Fußwallfahrt nach RETZBACH Dietrich Rupp war freudig überrascht fahrt keinen unberührt und unverän- eingeladen. So fanden sich dann am von der musikalischen Gestaltung dert lassen. In seiner Predigt befasste 21. Mai 2015 um 07.30 Uhr etwa 200 der Wallfahrt durch das Bläserquin- sich Dekan Wagner mit dem Besuch Soldaten, Zivilangestellte und Freun- tett und über das gemeinsame Singen Marias bei Elisabeth. Dabei handle de der Katholischen Militärseelsorge und Beten auf dem Weg. Unterwegs es sich bei Maria um eine der ersten am Kreuz des Hubschrauberlande- wurde reichlich erzählt und es kamen Wallfahrer im Neuen Testament, denn platzes in der Balthasar-Neumann- viele gute Gespräche zustande, ganz Maria bricht auf, lässt vieles hinter Kaserne in VEITSHÖCHHEIM ein. im Sinne des Militärpfarrers, denn sich, macht sich auf den Weg zu ihrer Militärdekan Artur Wagner, der Lei- das gehöre eben auch zu einer Wall- Tante Elisabeth und erfährt bei ihrer tende Militärdekan aus München be- fahrt, äußerte sich Pfarrer Klein. Bei Ankunft Gottes Nähe, menschliche grüßte die Wallfahrer und freute sich, strahlendem Sonnenschein steuerten Gemeinschaft und überschäumende dass eine große Zahl an Soldaten und die Wallfahrer nach rund drei Stun- Freude. „Eine Wallfahrt ist im Klei- Soldatinnen der Standorte Volkach den Wanderung über Feldweg, Wald nen ein Bild für das Leben als Ganzes, und Veitshöchheim als Wallfahrer mit und Wiese, an der Spitze mit Kreuz das aus Aufbruch, Unterwegssein und Fahnen und Kreuzen bereit waren, um und Fahnen schließlich auf die ZEL- Ankommen besteht“. Mit dieser Äu- nach RETZBACH zur Wallfahrtskir- LER bzw. RETZBACHER Weinberge, ßerung, mit der Papst Franziskus den che „Maria im grünen Tal“ zu pilgern. um von hier die wunderschöne Aus- Sinn einer Wallfahrt kurz umschrie- sicht zu genießen. An dieser letzten ben hat, wollte der Militärdekan die uer Herz lasse sich nicht ver- Station konnten sich die Wallfahrer Wallfahrer einladen, die oben schon „Ewirren. Glaubt an Gott und erneut kurz erholen und Pfarrhelfer erwähnte Wallfahrtsgeschichte aus glaubt an mich!“ Mit den Worten aus Elmar Fries ersuchte die Wallfahrer der Bibel genauer zu betrachten, denn dem Bibeltext Johannes 14, 1-6 eröff- zu einem gemeinsamen Gruppenfoto. diese kleine Geschichte könne zeigen, nete Militärpfarrer Klein das gemein- warum uns eine Wallfahrt nicht unver- same Beten auf dieser Station. Danach Feierlicher Gottesdienst ändert lässt und welche Haltungen wir erfolgte eine Meditation von ihm, die in feierlicher Gottesdienst, den dabei einüben können, die das Leben sich voll und ganz auf die Fußwall- EMilitärdekan Wagner und Pfar- gelingen lassen. fahrt fokussierte, denn diese Medita- rer Klein zelebrierten, war der spi- tion begann mit den Worten: „Ein Weg rituelle Höhepunkt des Tages. Der m Hinweis auf das Evangelium be- liegt vor mir, ich will ihn gehen…“. Gottesdienst stand unter dem Zeichen Igann der Dekan damit, dass Maria Auch das Bläserquintett begrüßte die „Aufbruch zum Leben“, denn wirk- durch einen Engel Gottes erfahren Wallfahrer mit christlichen Klängen liche Begegnung geschieht nur dort, hat, dass sie schwanger ist und mit und stimmte diese in die Wallfahrt wo Menschen aufbrechen, das Ver- dieser Tatsache ging es ihr damals ein. Auf der zweiten Station wählte gangene hinter sich lassen, sich auf nicht viel besser, wie heute, denn sie der Militärpfarrer ebenfalls einen Bi- den Weg machen, um beim Anderen sollte schwanger sein vom Heiligen beltext, diesmal Exodus 3 ff, wo sich anzukommen. Dabei wird der Geist Geist und das, obwohl sie schon ver- der Herr Moses offenbarte, um ihm Gottes in der Gemeinschaft erfahrbar, lobt war. Somit würde sie nach dama- den Auftrag zu erteilen, die Israeli- er wirkt dort, wo Menschen einander ligem Brauch gesteinigt werden und ten aus Ägypten zu führen. Auch die begegnen und das Evangelium be- deshalb machte sie sich In dieser darauf folgende Meditation befasste richtet uns, wie Neuaufbrüche in un- ausweglosen Situation auf den Weg sich mit dem oben genannten Bibel- serem Leben gelingen können, es be- zu Ihrer Tante. Maria hatte erfahren, text. Ferner wurden an dieser Stati- schreibt, wie Gemeinschaft unter den dass auch ihre Tante schwanger ist on die Wallfahrer mit einer kleinen Menschen und mit Gott möglich wird. und so bricht sie auf, lässt den Alltag Stärkung belohnt, um weitere Kräfte „Eine Wallfahrt ist im Kleinen ein mit all seinen Problemen und Fragen für die nächsten Kilometer frei zu ma- Bild für das ganze Leben eines Men- hinter sich und macht sich auf den chen. Die Station 3 befasste sich mit schen, das aus Aufbruch, seinen Weg Weg zu Elisabeth. „Vielleicht sind dem Psalm 1 des Bibeltextes „…denn finden und gehen und Ankommen be- auch bei uns heute Einige dabei, die der Herr kennt den Weg der Gerech- steht“. Mit dieser Aussage unseres den Aufbruch in einer Situation ge- ten, der Weg der Frevler aber führt Heiligen Vaters führte Militärdekan wagt haben, die nicht ganz einfach

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 23 BILD DES SOLDATEN ist. Wir alle haben unseren Alltag meint nicht davon laufen, sondern neu zu begrüßen, der bekommt ein mit all seinen Problemen und Fragen sich auf den Weg zu einem Menschen besseres Verhältnis zu Ihnen. Einen hinter uns gelassen, um hierher zu machen. Vielleicht zu einem, der mit Menschen kann ich nie aus der eige- kommen. Das war ein ganz hervorra- dem gleichen Problem zu kämpfen nen Perspektive verstehen. Ich ken- gender Entschluss, denn das ist der hat, wie ich selbst, denn das hilft und ne seine Geschichte nicht, ich weiß erste Schritt zu einem gelingenden ist zudem ein Zeichen echter Stärke, nicht, warum er heute so ist, wie er ist, Leben. Ab und zu auszubrechen und denn es gehört viel Mut dazu, sich sei- was ihn dazu gebracht hat oder wie es aufzubrechen befreit nicht nur das nem Problem zu stellen und darüber ihm wirklich geht. Ein Mensch ist im- Leben aus dem Alltagstrott, sondern zu reden. Vielleicht hatten sie heute mer auch das, was das Leben aus ihm stärkt die inneren Abwehrkräfte ge- den Mut, über das eine oder andere gemacht hat und wer einen anderen gen die Alltagsdepressionen. Wer für Problem unterwegs mit einem Kame- verstehen will, der muss einen neuen Stand suchen, sich woanders hin stel- len, um ihn besser zu begreifen.“ Ge- nau dies wollte der Dekan mit seiner Aussage bekräftigen: „Begrüße deine Probleme und lauf nicht vor ihnen da- von, lerne sie aus einer anderen Per- spektive zu betrachten, denn Angst und Gewohnheit verengen den Blick und schränken die Lösungsmöglich- keiten ein. Wie gut ist es dann, sich mit Humor an eine andere Stelle zu stellen, woanders zu stehen, sich also zu verstehen.“ „Am Ende des Evan- geliums steht die Begegnung der bei- den Frauen, eine Begegnung bei der Gottes Geist spürbar wird und das Die große Pilgergruppe am Ziel der Fußwallfahrt ist auch das ist das eigentliche Ziel unserer Wallfahrt und das Ziel eines eine gewisse Zeit den Alltagstrott un- raden zu sprechen, oder sich einfach gelingenden Lebens“ rezitierte der terbricht, aufbricht und andere Wege nur auszutauschen. Einen Weg zu Militärdekan und er brachte diesen geht, der gewinnt eine befreiende Per- wagen heißt, immer wieder das Ge- Bibelspruch am Ende seiner Predigt spektive. Dessen Probleme sind nicht spräch mit anderen zu suchen, mir erneut mit der heutigen Wallfahrt in gleich gelöst, aber sie verlieren ihre Rat zu holen und dazu zu lernen“ so Verbindung. „Wer immer wieder den dämonische Macht. Die Kraft, sich der Dekan wieder zur Wallfahrt. „Im Mut hat, aus den Trott des Alltags den eigenen Problemen zu stellen, Evangelium kam Maria schließlich auszubrechen, wer vieles hinter sich wächst mit jedem Schritt, der in die bei Elisabeth an und begrüßte sie, lässt und neue Wege wagt, wer vor Weite führt.“ Nach diesem Vergleich aber wen begrüßte Maria da? Zum ei- seinen Problemen nicht davon läuft, mit der Bibelgeschichte beschäf- nen sicherlich Elisabeth, aber mit ihr sondern sie zur Sprache bringt, wer tigte sich der Dekan erneut mit dem auch das Problem, das sie selbst hat, andere nicht verurteilt, sondern sie Evangelium, jedoch immer auch auf nämlich eine Frau, die unvorhergese- zu verstehen versucht, der ist zu ech- die heutige Wallfahrt bezogen. „Maria hen schwanger geworden ist und das ter Begegnung fähig, mit den Men- hat diesen Aufbruch in ihrem Leben heißt doch auch, am Ende ihres We- schen und mit Gott. Diese Form der gewagt, auch wir sind heute zur Wall- ges hat sie ihr Problem nicht einfach Begegnung wünsche ich ihnen heute fahrt aufgebrochen – möge uns das gelöst oder verdrängt, sondern kann bei unserer Wallfahrt, hier beim Got- die Kraft schenken, auch in unserem ihm begegnen und damit auch den tesdienst aber auch nachher, bei der Alltag immer wieder die Aufbrüche zu Menschen wieder begegnen.“ „So ist Begegnung und der Feier im Biergar- wagen, die für das Gelingen unseres es wohl auch am Ende unserer Wall- ten und ich hoffe, dass wir dabei etwas Lebens notwendig sind“ intonierte der fahrt“ bemerkte Dekan Wagner, „denn spüren dürfen vom Geist Gottes, der Militärpfarrer. Maria sei nicht einfach unsere Probleme sind morgen wieder unser Leben gelingen lassen kann. davongelaufen, sie hatte ein klares da, oder sie haben sie gelöst, weil sie Mit diesem Wunsch endete Dekan Ziel vor Augen, das Haus ihres Onkels nicht da waren – umso besser. Wer in Wagner seine äußerst aussagekräfti- Zacharias und Ihrer Tante Elisabeth, seinem Leben aufbricht und sich auf ge und nachhaltige Predigt. Nach der denn dort erhoffte sie sich vielleicht den Weg macht, wer das Gespräch mit schönen Fußwallfahrt und dem ein- Rat und Hilfe, denn auch Elisabeth verständigen Menschen sucht, dessen drucksvollen Gottesdienst beendeten ist schwanger und schon im sechs- Probleme lösen sich nicht von allei- die Wallfahrer diesen herrlichen Tag ten Monat. So könne Maria erfahren, ne, aber sie werden anschaulich, weil mit einem gemeinsamen Mittagessen wie man mit einer ungewöhnlichen wir sie in den Blick genommen haben, im Kolpingsaal bzw. im Biergarten. Schwangerschaft umgeht und wie man weil wir sie zur Sprache gebracht ha- ❏ Text: Rainer Zink, die Geburt bewältigt. „Aufbrechen ben. Wer lernt, seine Probleme täglich

24 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 BILD DES SOLDATEN

Weltfriedenstag in Köln „Friede mit Gott und mit dem Nächsten“ m Donnerstag, den 22. Januar den als Probleme zu lösen, führte der systematische Friedensethik, sondern A2015 feierte der Kölner Erzbi- Kölner Erzbischof aus. „Friede sei suchten nach anschaulichen Möglich- schof, Rainer Maria Kardinal Wo- mit Euch“ rief Jesus seine verängs- keiten der Friedensförderung durch elki, zusammen mit fast 1500 Gäs- tigten Jüngern zu, erinnerte der Kar- Beschreibung von konkreten Situa- ten den Internationalen Gottesdienst dinal und dieser Friede mit Gott im tionen von Ungerechtigkeiten, führte für Angehörige der Bundeswehr und eigenen Herzen und mit dem Nächs- Generalvikar Bartmann aus. Grund- der Bundespolizei im Hohen Dom zu ten sei das Geschenk des Glaubens legend sei und bleibe der Zusammen- Köln. Wie in den letzten Jahren war hang von Frieden und Gerechtigkeit, ebenfalls eine große Delegation aus- Menschenwürde und Freiheit, so Bart- ländischer Soldatinnen und Soldaten mann weiter. aus der Sprachenschule in Hürth im Bevor der Bundesvorsitzende der Kölner Dom und trugen die Fürbitten Gemeinschaft Katholischer Soldaten in ihrer jeweiligen Landessprache vor, (GKS), Oberst Rüdiger Attermeyer, bevor diese dann in Deutsch vorgele- sein Grußwort an die Gäste richte- sen wurden. te, dankte Generalvikar Bartmann In seiner Predigt ging Kardinal all denen, die in den Vorbereitungen Woelki auf den Frieden ein, der ein des Feierlichkeiten beteiligt waren Geschenk Gottes sei. Nicht nur der und den Unterstützern der Katholi- Friede mit sich selbst, sondern den schen Militärseelsorge, die in ihrem Frieden mit dem Nächsten, hob der Bemühen um das Seelenwohl der Sol- Kölner Erzbischof hervor. Dies sei datinnen und Soldaten nicht nachlas- auch das Kind, welches in einer Mil- sen würde. lionenstadt auf der Südhalbkugel die- Oberst Rüdiger Attermeyer bei Oberst Attermeyer ging in seinem ser Erde in Müllhalden nach den – seinem Grußwort Grußwort (siehe Kasten) auf die Prob- teilweise hochgiftigen – Bestandteil lematik der Flüchtlingsbewegung ein des Mobiltelefons sucht, welches die an uns Menschen, führte Woelki zum und forderte die Industriestaaten auf, Wohlstandsgesellschaft im Überfluss Schluss seiner Predigt aus. ihre Einwanderungspolitik zu über- achtlos wegwerfe, weil ein neues Mo- In seinem Grußwort an die gela- denken. Er erinnerte an die Forderung dell auf dem Markt sei. „Weit weg ist denen Gäste im Maternushaus, dank- der GKS, einen ganzheitlichen Ansatz bisweilen näher als man denkt“ gab te Militärgeneralvikar Msgr. Reinhold bei Einsätzen vorzunehmen, der die der Kardinal diese Folgen der Weg- Bartmann im Namen des Militärbi- zivilen und militärischen Ressourcen werfmentalität zu bedenken. Dabei schof Dr. Franz-Josef Overbeck, dem berücksichtigen würde. Zu den politi- würden auch die Rüstungsexporte Kölner Erzbischof, dass er die Tradi- schen Wirkmöglichkeiten zählte At-

Kardinal Woelki mit den internationalen Soldatinnen und Soldaten. Rechts der Wehrbeauftragte (bis Mai 2015) Hellmut Königshaus, links neben kardinal Woelki Staatssekretär Dr. und Generalleutnant Peter Schelzig der Industriestaaten eine Rolle spie- tion seines Vorgänger fortführen wür- termeyer auch Rüstungsexporte, die len. Hier würden Waffen exportiert, de, zusammen mit Angehörigen der nicht nur unter einem industriepoli- vor denen die Menschen dann auf Streitkräfte diesen Internationalen tischen Aspekt zu beurteilen seien. der Flucht seien, da diese Waffen Friedensgottesdienst zu feiern. Die Hier werde sich die GKS auch in Zu- teilweise in die falschen Hände ge- päpstlichen Botschaften zum Welt- kunft zu Wort melden. ❏ rieten und mehr zum Problem wür- friedenstag seien keine fortlaufende, (Text und Fotos: Bertram Bastian)

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 25 BILD DES SOLDATEN

Grußwort des Bundesvorsitzenden der GKS Oberst Rüdiger Attermeyer

Sehr geehrter Herr Kardinal Woelki, Darüber hinaus gilt es, in den Industriestaaten über die sehr geehrter Herr Militärgeneralvikar Einreisepolitik nachzudenken. Nach meiner Auffas- Bartmann, sung verlangt die Situation nach Regelungen, die den sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter Umgang mit diesen verzweifelten Menschen gestalten Königshaus und diese nicht wie einen Mangel oder eine Sache ver- sehr geehrte Herren Staatssekretäre walten. Hier ist ganz deutlich die internationale Poli- Dr. Brauksiepe und Hoofe, tik aufgefordert, zu menschenwürdigen eben brüderli- sehr geehrter Herr General Schelzig, chen/geschwisterlichen Regelungen zu kommen. Wie sehr geehrte Damen und Herren, aber Frieden im eigenen Herzen beginnt, so beginnt ich danke Ihnen, Herr Dekan Schnettker, internationale Politik im eigenen Land. Eine deutsche dass ich als Bundesvorsitzender der Gemeinschaft Position, die dieses Thema angemessen aufgreift, er- Katholischer Soldaten wieder die Gelegenheit habe, kenne ich jedenfalls noch nicht. Zugegeben, eine ge- hier heute als Vertreter für die Laien sprechen. waltige Aufgabe, die nicht vornehmlich unter wirt- schaftlichen Gesichtspunkten gesehen werden darf. Papst Franziskus hat seine Botschaft zum 48. Dies gilt in gleicher Weise mit Blick auf die Frage Weltfriedenstag im Jahr 2015 unter das Wort gestellt: nach deutschen Rüstungsexporten. Auch hier deckt die wirtschaftliche Perspektive nicht alle Aspekte des „Nicht mehr Knechte, sondern Brüder“ Themas ab! Ich denke, es geht nicht zuletzt um die icht länger Sklaven, sondern Brüder und ethische Dimension der Verantwortung für die Produk- „NSchwestern“ heißt es in einer anderen Dar- te und deren Verbreitung. Seit vielen Jahren fordert stellung des Themas. Nachdem er noch im letzten die GKS in der Krisenbewältigung einen gemeinsamen Jahr auf die Brüderlichkeit als Fundament und Weg Ansatz, der militärische Mittel nur gemeinsam mit zi- zum Frieden verwiesen hat, spricht Papst Franziskus vilen Einflussfaktoren verschiedenster Art einsetzt. In in diesem Jahr ein noch drastischeres Fehlverhalten diesem Zusammenhang sind Rüstungsexporte ein Mit- in der Welt an. Mit Brüderlichkeit wird klar angespro- tel der politischen Einflussnahme. Genau dies erleben chen, dass trotz der Unterschiede, die unter Geschwi- wir derzeit ganz aktuell und in aus nationaler Sicht stern bestehen, alle Menschen die gleiche Natur und überschaubarem Umfang im Norden des Irak. Wirt- Würde in sich tragen. Damit sollte klar sein, dass kein schaftlich sind die Ausbildungsunterstützung und die Mensch Besitz an einem anderen erwerben kann und Materiallieferung derzeit ohne größere Auswirkungen, niemand zur Handelsware werden darf. Und obwohl denn das Material stammt überwiegend aus Beständen große Einigkeit über diesen Gedanken besteht, gibt der Bundeswehr. Das dabei angewandte Prinzip zeigt es heute vielfältige Formen von Abhängigkeiten, die aber, das auch Rüstungsexporte, die Aufträge in die im Ergebnis als moderne Ausprägung von Sklaverei nationale Industrie bringen, vornehmlich in den Zu- empfunden werden müssen. sammenhängen der internationalen Sicherheitspolitik Von Menschenhandel ist oft in Zusammenhang und nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit Flüchtlingen die Rede, dabei ist hier eher Men- gesehen werden sollten. Was dann davon ethisch ver- schenschmuggel gemeint, denn eigentlich geht es tretbar oder gar geboten ist, bleibt im Einzelfall ab- den Schleusern darum, die restriktiven Einreisebe- zuwägen – oft unter Zeitdruck und in den Folgen nur stimmungen in Europa zu überwinden. Damit geraten bedingt abschätzbar. Genau in dieser Frage aber hat die Menschen, die mit ihrer Flucht Schutz vor Gewalt sich die GKS positioniert und da werden wir dranblei- und Verfolgung suchen, in die Hände von Schleusern, ben! Ich denke schon, dass es im Spektrum der Mei- die mit dieser „Dienstleistung“ ihr Geschäft machen. nungen auch eine Position aus unserer Sicht braucht. Sicher gilt es, diesen Schmugglern das Handwerk zu legen, aber die Ursache, nämlich die Not in den Her- Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit! – kunftsregionen, ist damit auf keinen Fall ausgeräumt. Vielen Dank! ❏

26 AUFTRAGAUFTRAG 297 / 298 • 1_1 / 2_20152 2015 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Zur Sache Vor kurzem machte die „Pegida-Bewegung“ in der deutschen Presse Furore. Von Islamisierung und ähnli- chem war zu lesen und die banalsten Parolen mit fremdenfeindlichen Inhalten wurden gestreut – Stamm- tischparolen hatten Hochkonjunktur. Auch wenn sich die Sache etwas beruhigt hat, müssen wir uns fragen (lassen) – wie halten wir es mit den anderen Religionen? Deshalb bringen wir zuerst die Erklärung des II. Vatikanischen Konzils „Nostra Aetate“, in der die Konzilsväter den Umgang mit anderen Religionen beschreiben. Diese Erklärung jährt sich im Oktober zum 50. Mal. Danach zeigt der Artikel von Susanne Güsten, wie z.B. in der Türkei mit anderen Religionen umgegangen wird. Der Präsident des ZdK, Alois Glück, hat eine Stellungnahme zu „Islamisierung“ und „Abendland“ abgegeben, um dies Schlagworte näher zu beleuchten. Dieter Kilian rät in seinem Artikel „ex oriente lux“ zu mehr Gelassenheit im Um- gang mit dem Islam. Ein Rat, den es zu beherzigen gilt! ❏ (BB)

Erklärung des II. Vaticanums NOSTRA AETATE Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen

Einführung chen Daseins, die heute wie von je die suchen zum Ausdruck und suchen In unserer Zeit, da sich das Men- Herzen der Menschen im tiefsten be- durch aszetische Lebensformen oder 1.schengeschlecht von Tag zu Tag wegen: Was ist der Mensch? Was ist tiefe Meditation oder liebend vertrau- enger zusammenschließt und die Be- Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ende Zuflucht zu Gott Befreiung von ziehungen unter den verschiedenen ist das Gute, was die Sünde? Woher der Enge und Beschränktheit unse- Völkern sich mehren, erwägt die Kir- kommt das Leid, und welchen Sinn rer Lage. In den verschiedenen For- che mit um so größerer Aufmerksam- hat es? Was ist der Weg zum wahren men des Buddhismus wird das radi- keit, in welchem Verhältnis sie zu den Glück? Was ist der Tod, das Gericht kale Ungenügen der veränderlichen nichtchristlichen Religionen steht. und die Vergeltung nach dem Tode? Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Und schließlich: Was ist jenes letz- auf dem die Menschen mit frommem Liebe unter den Menschen und damit te und unsagbare Geheimnis unserer und vertrauendem Sinn entweder den auch unter den Völkern zu fördern, Existenz, aus dem wir kommen und Zustand vollkommener Befreiung zu faßt sie vor allem das ins Auge, was wohin wir gehen? erreichen oder – sei es durch eigene den Menschen gemeinsam ist und sie Bemühung, sei es vermittels höherer zur Gemeinschaft untereinander führt. Die verschiedenen Religionen Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu Alle Völker sind ja eine einzige Von den ältesten Zeiten bis zu gelangen vermögen. So sind auch die Gemeinschaft, sie haben denselben 2.unseren Tagen findet sich bei übrigen in der ganzen Welt verbreite- Ursprung, da Gott das ganze Men- den verschiedenen Völkern eine ge- ten Religionen bemüht, der Unruhe schengeschlecht auf dem gesamten wisse Wahrnehmung jener verborge- des menschlichen Herzens auf ver- Erdkreis wohnen ließ1; auch haben nen Macht, die dem Lauf der Welt und schiedene Weise zu begegnen, indem sie Gott als ein und dasselbe letzte den Ereignissen des menschlichen sie Wege weisen: Lehren und Lebens- Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeu- Lebens gegenwärtig ist, und nicht sel- regeln sowie auch heilige Riten. gung seiner Güte und seine Heils- ten findet sich auch die Anerkenntnis Die katholische Kirche lehnt ratschlüsse erstrecken sich auf alle einer höchsten Gottheit oder sogar ei- nichts von alledem ab, was in diesen Menschen2, bis die Erwählten vereint nes Vaters. Diese Wahrnehmung und Religionen wahr und heilig ist. Mit sein werden in der Heiligen Stadt, de- Anerkenntnis durchtränkt ihr Leben aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene ren Licht die Herrlichkeit Gottes sein mit einem tiefen religiösen Sinn. Handlungs- und Lebensweisen, jene wird; werden doch alle Völker in sei- Im Zusammenhang mit dem Fort- Vorschriften und Lehren, die zwar in nem Lichte wandeln3. schreiten der Kultur suchen die Reli- manchem von dem abweichen, was sie Die Menschen erwarten von den gionen mit genaueren Begriffen und in selber für wahr hält und lehrt, doch verschiedenen Religionen Antwort auf einer mehr durchgebildeten Sprache nicht selten einen Strahl jener Wahr- die ungelösten Rätsel des menschli- Antwort auf die gleichen Fragen. So heit erkennen lassen, die alle Men- erforschen im Hinduismus die Men- schen erleuchtet. 1 Vgl. Apg 17,26. schen das göttliche Geheimnis und Unablässig aber verkündet sie 2 Vgl. Weish 8,1; Apg 14,17; Röm 2,6-7; bringen es in einem unerschöpfli- und muß sie verkündigen Christus, 1 Tim 2,4. chen Reichtum von Mythen und in der ist „der Weg, die Wahrheit und 3 Vgl. Apg 21,23f. tiefdringenden philosophischen Ver- das Leben“ (Joh 14,6), in dem die

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 27 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Menschen die Fülle des religiösen das Volk des Neuen Bundes mit dem willen; sind doch seine Gnadengaben Lebens finden, in dem Gott alles mit Stamme Abrahams geistlich verbun- und seine Berufung unwiderruflich11. sich versöhnt hat4. den ist. Mit den Propheten und mit demselben Deshalb mahnt sie ihre Söhne, So anerkennt die Kirche Christi, Apostel erwartet die Kirche den Tag, daß sie mit KIugheit und Liebe, durch daß nach dem Heilsgeheimnis Got- der nur Gott bekannt ist, an dem alle Gespräch und Zusammenarbeit mit tes die Anfänge ihres Glaubens und Völker mit einer Stimme den Herrn den Bekennern anderer Religionen ihrer Erwählung sich schon bei den anrufen und ihm „Schulter an Schul- sowie durch ihr Zeugnis des christli- Patriarchen, bei Moses und den Pro- ter dienen“ (Soph 3,9)12. chen Glaubens und Lebens jene geist- pheten finden. Da also das Christen und Juden lichen und sittlichen Güter und auch Sie bekennt, daß alle Christgläu- gemeinsame geistliche Erbe so reich die sozial-kulturellen Werte, die sich bigen als Söhne Abrahams dem Glau- ist, will die Heilige Synode die gegen- bei ihnen finden, anerkennen, wahren ben nach6 in der Berufung dieses Pat- seitige Kenntnis und Achtung fördern, und fördern. riarchen eingeschlossen sind und daß die vor allem die Frucht biblischer in dem Auszug des erwählten Volkes und theologischer Studien sowie des Die muslimische Religion aus dem Lande der Knechtschaft das brüderlichen Gespräches ist. Mit Hochachtung betrachtet die Heil der Kirche geheimnisvoll vorge- Obgleich die jüdischen Obrig- 3.Kirche auch die Muslim, die den bildet ist. Deshalb kann die Kirche keiten mit ihren Anhängern auf den alleinigen Gott anbeten, den lebendi- auch nicht vergessen, daß sie durch Tod Christi gedrungen haben13, kann gen und in sich seienden, barmherzi- jenes Volk, mit dem Gott aus unsag- man dennoch die Ereignisse seines gen und allmächtigen, den Schöpfer barem Erbarmen den Alten Bund ge- Leidens weder allen damals leben- Himmels und der Erde5, der zu den schlossen hat, die Offenbarung des den Juden ohne Unterschied noch Menschen gesprochen hat. Sie mühen Alten Testamentes empfing und ge- den heutigen Juden zur Last legen. sich, auch seinen verborgenen Rat- nährt wird von der Wurzel des guten Gewiß ist die Kirche das neue schlüssen sich mit ganzer Seele zu un- Ölbaums, in den die Heiden als wilde Volk Gottes, trotzdem darf man die terwerfen, so wie Abraham sich Gott Schößlinge eingepfropft sind7. Denn Juden nicht als von Gott verworfen unterworfen hat, auf den der islami- die Kirche glaubt, daß Christus, un- oder verflucht darstellen, als wäre sche Glaube sich gerne beruft. Jesus, ser Friede, Juden und Heiden durch dies aus der Heiligen Schrift zu fol- den sie allerdings nicht als Gott aner- das Kreuz versöhnt und beide in sich gern. Darum sollen alle dafür Sorge kennen, verehren sie doch als Prophe- vereinigt hat8. Die Kirche hat auch tragen, daß niemand in der Katechese ten, und sie ehren seine jungfräuliche stets die Worte des Apostels Paulus oder bei der Predigt des Gotteswortes Mutter Maria, die sie bisweilen auch vor Augen, der von seinen Stamm- etwas lehre, das mit der evangelischen in Frömmigkeit anrufen. Überdies er- verwandten sagt, daß „ihnen die An- Wahrheit und dem Geiste Christi nicht warten sie den Tag des Gerichtes, an nahme an Sohnes Statt und die Herr- im Einklang steht. dem Gott alle Menschen auferweckt lichkeit, der Bund und das Gesetz, Im Bewußtsein des Erbes, das sie und ihnen vergilt. Deshalb legen sie der Gottesdienst und die Verheißun- mit den Juden gemeinsam hat, beklagt Wert auf sittliche Lebenshaltung und gen gehören wie auch die Väter und die Kirche, die alle VerfoIgungen ge- verehren Gott besonders durch Gebet, daß aus ihnen Christus dem Fleische gen irgendwelche Menschen verwirft, Almosen und Fasten. nach stammt“ (Röm 9,4-5), der Sohn nicht aus politischen Gründen, son- Da es jedoch im Lauf der Jahr- der Jungfrau Maria. dern auf Antrieb der religiösen Lie- hunderte zu manchen Zwistigkeiten Auch hält sie sich gegenwärtig, be des Evangeliums alle Haßausbrü- und Feindschaften zwischen Chris- daß aus dem jüdischen Volk die Apo- che, Verfolgungen und Manifestatio- ten und Muslim kam, ermahnt die stel stammen, die Grundfesten und nen des Antisemitismus, die sich zu Heilige Synode alle, das Vergangene Säulen der Kirche, sowie die meisten irgendeiner Zeit und von irgend je- beiseite zu lassen, sich aufrichtig um jener ersten Jünger, die das Evangeli- mandem gegen die Juden gerichtet gegenseitiges Verstehen zu bemühen um Christi der Welt verkündet haben. haben. Auch hat ja Christus, wie die und gemeinsam einzutreten für Schutz Wie die Schrift bezeugt, hat Jeru- Kirche immer gelehrt hat und lehrt, und Förderung der sozialen Gerech- salem die Zeit seiner Heimsuchung in Freiheit, um der Sünden aller Men- tigkeit, der sittlichen Güter und nicht nicht erkannt9, und ein großer Teil schen willen, sein Leiden und sei- zuletzt des Friedens und der Freiheit der Juden hat das Evangelium nicht nen Tod aus unendlicher Liebe auf für alle Menschen. angenommen, ja nicht wenige haben sich genommen, damit alle das Heil sich seiner Ausbreitung widersetzt10. erlangen. So ist es die Aufgabe der Die jüdische Religion Nichtsdestoweniger sind die Juden Predigt der Kirche, das Kreuz Chris- Bei ihrer Besinnung auf das Ge- nach dem Zeugnis der Apostel immer ti als Zeichen der universalen Liebe 4.heimnis der Kirche gedenkt die noch von Gott geliebt um der Väter Gottes und als Quelle aller Gnaden Heilige Synode des Bandes, wodurch zu verkünden. 6 Vgl. Gal 3,7. 4 Vgl. 2 Kor 5,18-19. 11 Vgl. Röm 11,28-29; vgl. II. Vat. Konzil, 7 Vgl. Röm 11,17-24. Dogm. Konst. über die Kirche Lumen 5 Vgl. Gregor VII., Ep. III.,21 ad Anazir 8 Vgl. Eph 2,14-16. Gentium: AAS 57 (1965) 20. (Al-Nasir), regem Mauritaniæ, ed. E. Caspar in MGH, Ep. sel. II, 1920, I, 9 Vgl. Lk 19,44. 12 Vgl. Jes 66,23; Ps 65,4; Röm 11,11-32. 288, 11-15; PL 148, 451 A. 10 Vgl. Röm 11,28 13 Vgl. Joh 19,6.

28 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Universale Brüderlichkeit So wird also jeder Theorie oder Pra- Heilige Synode, den Spuren der heiligen Wir können aber Gott, den Vater xis das Fundament entzogen, die zwischen Apostel Petrus und Paulus folgend, die 5.aller, nicht anrufen, wenn wir ir- Mensch und Mensch, zwischen Volk und Gläubigen mit leidenschaftlichem Ernst gendwelchen Menschen, die ja nach Volk bezüglich der Menschenwürde und dazu auf, daß sie „einen guten Wandel dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, der daraus fließenden Rechte einen Un- unter den Völkern führen“ (1 Petr 2,12) die brüderliche Haltung verweigern. terschied macht. und womöglich, soviel an ihnen liegt, mit Das Verhalten des Menschen zu Gott Deshalb verwirft die Kirche jede Dis- allen Menschen Frieden halten14, so daß dem Vater und sein Verhalten zu den kriminierung eines Menschen oder jeden sie in Wahrheit Söhne des Vaters sind, der Menschenbrüdern stehen in so engem Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder im Himmel ist15. 28. Oktober 1965 Zusammenhang, daß die Schrift sagt: Farbe, seines Standes oder seiner Religi- „Wer nicht liebt, kennt Gott nicht“ on willen, weil dies dem Geist Christi wi- 14 Vgl. Röm 12,18. (1 Joh 4,8). derspricht. Und dementsprechend ruft die 15 Vgl. Mt 5,45.

Frohe Botschaft auf Türkisch Kirchen-Neubau in Istanbul als Mogelpackung ls Freudenbotschaft verkündete auf dem höchsten Hügel von Istanbul Griechen in den50er und 60er Jahren Aes die türkische Presse am Wo- ist inzwischen fast abgeschlossen, wie bis hin zur Verstaatlichung von Lände- chenende, und internationale Medi- die Zeitung „Taraf“ anmerkt, während reien des syrisch-orthodoxen Klosters en jubelten mit: In der Türkei werde das christliche Gotteshaus nicht über Mor Gabriel und anderer Aramäer in erstmals seit Gründung der Repub- das Planungsstadium hinauskommt. der Südosttürkei seit den 90er Jahren. lik eine neue Kirche gebaut, mit dem Zuletzt verlangten die Behörden, dass Dass die syrisch-orthodoxen Segen der türkischen Regierung und sie von den geplanten 900 Quadrat- Christen -auch Aramäer oder Assy- auf städtischem Boden -das habe Mi- metern auf die Hälfte verkleinert wer- rer genannt -überhaupt eine neue Kir- nisterpräsident Ahmet Davutoglu bei den solle. Die neue Moschee ist rund che in Istanbul brauchen, liegt daran, seinem Treffen mit den Religionsfüh- 30.000 Quadratmeter groß. dass sie in den letzten Jahrzehnten rern der nicht-muslimischen Minder- Weit schwerer wiegt, dass es sich aus ihrer angestammten Heimat in der heiten angekündigt. bei dem von der Stadt zur Verfügung Südosttürkei vertrieben wurden. Vom So dargestellt, hört es sich tatsäch- gestellten Grundstück für den Kir- türkischen Staat nicht als eigene Mi- lich nach einer guten Nachricht an – chenbau keineswegs um städtischen norität aner-kannt, genießen sie nicht und es dürfte kein Zufall sein, dass Boden handelt, sondern um einen einmal die begrenztenMinderheiten- sie in den ersten Tagen dieses Jahres römisch-katholischen Friedhof. Das rechte, die Armeniern, Griechen und verbreitet wurde, in dem die Welt der Grundstück, das der Kirche im Jahr Juden zugestanden werden. Heute le- Massaker an den anatolischen Chris- 1868 von einem Gemeindemitglied ben nur noch 2.000 bis 3.000 Aramä- ten im Jahr 1915 gedenken wird. Bei vermacht wor-den war, wurde 1950 er in Südostanatolien, aber 200.000 genauerer Betrachtung illustriert der vom Staat eingezogen und in städti- bis 300.000 in Westeuropa und rund Fall aber vielmehr die anhaltende Mi- schen Besitz überführt; der Friedhof 20.000 in Istanbul, wo sie nur eine ein- sere des türkischen Umgangs mit ih- blieb seither geschlossen. zige Kirche mit 300 Plätzen besitzen. ren christlichen Minderheiten. Im Zuge der türkischen Reformen Ihre Gottesdienste feiern sie als Noch das geringste Problem an nach der Jahrtausendwende hatte die Gäste der katholischen Kirchen, wo dieser Nachricht ist es, dass sie nicht katholische Kirche gehofft, den Fried- die Messen im Schichtbetrieb abwech- neu ist. Der von der syrisch-ortho- hof zurückzubekommen. Stattdessen selnd zelebriert werden.Ob sich daran doxen Gemeinde geplante Neubau wurde er 2012 der syrisch-orthodoxen bald etwas ändern wird, bleibt auch einer Kirche im Istanbuler Stadtteil Gemeinde für ihre Kirche angeboten. nach den Jubelmeldungen vom Wo- Yesilköy war bereits vor drei Jahren Die katholische Gemeinde legte über chenende skeptisch abzuwarten. Ein genehmigt worden; auch das Grund- ihre Anwälte Protest ein, doch der ver- konkretes Versprechen für den Kir- stück hatte die Stadt schon damals zu- hallte ebenso ungehört wie eine Pro- chenbau gab Ministerpräsident Da- gewiesen. Nur konnte bis heute nicht testerklärung syrisch-orthodoxer In- vutoglu jedenfalls auch jetzt nicht ab, einmal der Grundstein gelegt werden, tellektueller.Staatliche Enteignungen wie die Zeitung „Taraf“ unter Beru- weil die türkischen Behörden reihen- sind für die christlichen Minderheiten fung auf Teilnehmer des nicht-öffent- weise Einsprüche erhoben – zuletzt in der Republik Türkei ein Leitmotiv: lichen Treffens mit den Religionsfüh- die Naturschutzbehörde, weil dabei von einer vernichtenden Sondersteuer rern meldete. Der Ministerpräsident Bäume gefällt würden. der 40er Jahre über die Enteignungen habe lediglich zuge sagt, sich „darum Der zeitgleich mit der Kirche ge- von Kirchenbesitz nach 1936 und dem zu kümmern“. nehmigte Bau einer riesigen Moschee Einzug des Eigentums vertriebener (Susanne Güsten, KNA)

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 29 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Angebliche Islamisierung Unterscheidung statt Schlagwörtern

ALOIS GLÜCK1

slamisierung“ und „Christliches die Beziehung zu allen Muslimen. Er die Werte, die verteidigt werden sol- „IAbendland“, die beiden Schlag- verdächtigt und diskriminiert auch len, weil sie uns wichtig sind? worte prägen die Mobilisierung der alle Muslime, die in unserem Land Die Fundamente der jüdisch- Menschen für Demonstrationen und mit uns arbeiten und leben und sich christlichen Tradition und der Auf- ebenso die Auseinandersetzung da- von diesen Fanatikern eindeutig dis- klärung in Europa sind das Leitbild rüber. Zwei Begriffe, die jeweils un- tanzieren. Gegen diese Vergiftung der der Menschenwürde, der Rechtsstaat, bestimmt bleiben und deren einziges Beziehungen zu allen muslimischen Freiheit, Gerechtigkeit und Solida- Ziel das Schüren von Ängsten ist. Die Mitbürgern müssen wir eindeutig Stel- rität. mit dieser Mobilisierung versuchte lung nehmen! Wenn die Angst vor der Bedro- Ausgrenzung von Menschen, die zu Diese notwendige Unterscheidung hung durch andere Religionen oder uns kommen, mit der Ausgrenzung ist ein Gebot des Anstands, der Red- Kulturen zu einer ernsthaften Wer- derer zu beantworten, die zu diesen lichkeit, der Wahrhaftigkeit. Wenn tedebatte führen würde, hätte unsere Demonstrationen gehen, führt nur zur wir stumm bleiben, entmutigen unse- jetzige Situation unabhängig von den weiteren Polarisierung, aber nicht zu re muslimischen Mitbürger, mit denen Motiven der Akteure noch eine posi- einer konstruktiven Auseinanderset- wir als Nachbarn und Arbeitskollegen, tive Wirkung. zung. Eine „Schlacht der Schlagwör- mit denen wir ganz selbstverständlich Die größte Gefährdung für die ter“ macht keinen Sinn. Der erste leben, zusammenarbeiten oder bei ih- christliche Tradition ist gegenwärtig und wichtigste Schritt ist die inhalt- nen einkaufen. ein grenzenloser Materialismus, nicht lichen Auseinandersetzung mit den eine andere Religion. Schlagwörtern „Islamisierung“ und „Abendland“ „Abendland.“ as ist mit Abendland“, gar mit Wer kann für Christen Verbündeter sein? W„Christliches Abendland“ ge- st es jeder, der von „Europäischen „Islamisierung“ meint? Was soll verteidigt werden? IWerten“ oder „Christlichen Werten“ as soll mit dem Begriff Islami- Unsere „Ruhe“? spricht? Was ist der Maßstab für die Wsierung ausgesagt werden? Da- Das ist in zweifacher Hinsicht Unterscheidung der Geister? Welches mit soll wohl ein allgemeines Gefühl falsch. Einmal ist es eine Illusion Menschenbild haben die, die unse- der Bedrohung durch den Islam und zu glauben, dass wir im Zeitalter der re Unterstützung und unsere Gefolg- die Muslime ausgedrückt und eben Globalisierung und immer engerer schaft wollen und zu Aktionen aufru- damit mobilisiert werden. Für was weltweiter Verflechtung als Export- fen? Welches Menschenbild haben die aber soll mobilisiert werden? In der öf- nation nur Rosinen-Pickerei betrei- Aktivisten für Pegida? fentlichen Diskussion wird vom Islam ben könnten. Die Realität ist, dass Der zentrale Maßstab ist für uns fast ausschließlich im Zusammenhang die Welt ständig mehr eine Schick- die Würde des Menschen, eine Wür- mit gewalttätigen Gruppen, die sich salsgemeinschaft wird und uns Kon- de, die jeder Mensch unabhängig von auf den Islam berufen, berichtet. Wenn flikte und Unruhen in anderen Re- Rasse, Religion, Nützlichkeit oder mit „Islamisierung“ gewaltbereite und gionen der Welt früher oder später sonst etwas gleichermaßen hat. Des- gewalttätige Muslime gemeint sind, erreichen. Dies gilt ganz besonders halb können unsere Verbündeten nie dann kann es in der Ablehnung und für die Konflikte und Kriege vor den und nimmer Menschen und Gruppie- der Aufforderung zur Wachsamkeit Toren Europas, für die Konflikte im rungen sein, die Werte beschwören nur eine große Gemeinsamkeit geben. Nahen Osten und die Entwicklungen und gleichzeitig Menschen ausgren- Diese gewalttätigen Muslime bedro- im Norden Afrikas. zen, weil sie eine andere Religion, hen alle Menschen, auch alle Musli- Die Haltung „wir wollen unsere eine andere Rasse, Nationalität haben. me, die einen solchen fanatischen und Ruhe haben“ ist nicht nur eine kurz- Schließlich müssen wir die Frage gewalttätigen „Islam“ ablehnen. Die sichtige Illusion, das ist aus christ- stellen, den Akteuren und allen die Antwort auf diese Gefahr durch eine licher Sicht unbarmherzig und hat sie unterstützen, welche konstrukti- ganz kleine, aber gefährliche Min- ganz gewiss nichts mit der Verteidi- ven Antworten, welche konstruktiven derheit, zu der auch Salafisten gehö- gung „Christlicher Werte“ oder des Vorschläge, sie haben. Oder wollen sie ren, kann nur die Wachsamkeit des „Christlichen Abendlands“ zu zun. nur unsere Sorgen, unsere Ängste für Rechtsstaates und das Zusammenste- Gegenüber Flüchtlingen, Men- ihre Ziele mobilisieren und politisch hen aller Demokraten sein. schen mit schrecklichen Erfahrungen vermarkten? Es gilt aber auch: Der pauschale der Verfolgung und der Flucht, kön- Ängste sind Teil des menschlichen Begriff der „Islamisierung“ vergiftet nen und dürfen wir uns als Christen Lebens. Wenn sie uns beherrschen nicht einfach abwenden. und von uns Besitz ergreifen lähmen 1 Alois Glück ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Was ist mit dem „Christlichen sie uns und führen leicht zu irrationa- Katholiken Abendland“ denn gemeint? Was sind len Verhalten. ❏ (Pressestelle ZdK)

30 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 RELIGION UND GESELLSCHAFT

Vom Umgang mit dem Islam Ex oriente lux? Plädoyer für mehr Gelassenheit und Selbstvertrauen

VON DIETER KILIAN1

as alte lateinische Sprichwort Entwicklungsprogramms der Verein- lands. Die sog. „Gotteskrieger“ – zu- D„ex oriente lux!“ besagt, dass ten Nationen (UNDP), der das durch- treffender wäre wohl „Teufelskrieger“ Erleuchtung und Fortschritt aus dem schnittliche Pro-Kopf-Einkommen, – erzielen ihre Erfolge in Syrien, dem Morgenland kämen. Und so weisen Lebenserwartung und Bildungsgrad Irak und anderswo mit Waffen, die manche Muslime leuchtenden Au- analysiert, rangieren auffallend vie- von jenen verfemten „Ungläubigen“, ges auf die vielfältigen wissenschaft- le muslimische Länder auf der Skala produziert werden. Zwar nutzten die lichen Errungenschaften hin, die der der Ärmsten dieser Welt, wie Afgha- militanten Islamisten die Netzwer- Islam der Weltgemeinschaft im Mit- nistan und der Jemen. Die wenigen ke der modernen Informationstech- telalter geschenkt hätte. Zu Recht, muslimischen Staaten, die dank im- nik, und sie führten bisweilen auch waren doch muslimische Gelehrte menser Öl- und Gasvorkommen zu erfolgreiche Cyber-Attacken durch, u.a. führend in Medizin und Mathe- den Reichsten zählen, verbessern die- doch an der IT-Entwicklung waren matik. Hätte es damals bereits einen se Statistik kaum. Was Wunder, dass sie nicht substantiell beteiligt. Selbst- Nobelpreis gegeben, wären zweifels- auch die meisten Flüchtlinge aus der mordanschläge sind zur Verbreitung ohne viele muslimische Mathemati- muslimischen Welt kommen. Riesi- von Angst und Schrecken hilfreich, ker, Mediziner, Naturwissenschaftler ge Flüchtlingslager im Nahen Osten, aber aus militär-ökonomischer Sicht in dieser Galerie der Geistesgrößen Hunger, Leid und Tod sind Alltag. Vergeudung wertvoller Ressourcen, zu finden gewesen. Aber wie sieht Und die Hilfe für die Mehrzahl von weil Investition und Ergebnis in kei- es heute – fünf-, sechshundert Jah- ihnen wird – wie auch seinerzeit z.B. nem ausgewogenen Verhältnis stehen. re später – mit dem wissenschaftli- auf dem Balkan – nicht von der Um- Zu den Errungenschaften des heuti- chen Beitrag der muslimischen Welt mah, der Gemeinschaft ihrer Glau- gen modernen Lebens hat die mus- zu den vielfältigen Facetten des mo- bensbrüder und -schwestern, geleis- limische Welt keinen substantiellen dernen Lebens aus? Der einstmals tet, sondern von der westlichen Staa- und bahnbrechenden Beitrag geleis- blühende und innovative Kulturraum tengemeinschaft. tet – weder zum IT-Bereich, noch zum liegt verödet am Boden. Die musli- Im militärischen Bereich zählen technischen Fortschritt, zur Raum- mischen Länder sprechen weder mit nur drei von derzeit 56 Mitgliedslän- fahrt, Medizin oder anderen Natur- einer Stimme, noch gehen von ihnen dern der Organisation Islamischer und Geisteswissenschaften. Sultan irgendwelche bedeutende politische, Zusammenarbeit (OIC) zur Kategorie Ben Salman Al-Saud, einer der Söhne wissenschaftliche oder künstlerische regionaler Militärmächte – Ägypten, des heutigen Königs Salman, war der Impulse aus. Iran und die Atommacht Pakistan. erste arabische Astronaut in einem Unter den sog. „G-20-Staaten“, Das NATO-Mitglied Türkei – obwohl Space Shuttle, aber er flog lediglich jener Gruppe der zwanzig wichtigs- Gründungsmitglied – bleibt hierbei als Gast der US-Weltraumbehörde mit. ten Industrie- und Schwellenländer unberücksichtigt. Andere überstaat- sind nur zwei muslimische Staaten: liche Organisationen wie z.B. die Ara- nter den Nobelpreisträgern findet Saudi Arabien und die Türkei. Doch bische Liga mit 22 Mitgliedern oder Uman bisher nur wenige Muslime. mit etwa 106 Millionen Einwohnern das kleine „Gulf Cooperation Coun- Der erste muslimische Physik-Nobel- stellen diese nur knapp 1,4 % der cil“ (GCC), haben nur eine marginal preisträger, der Pakistaner Abdus Sa- Weltbevölkerung und 6 % der Mus- ausgeprägte sicherheitspolitische Di- lam, gehörte zur Glaubensrichtung der lime weltweit. Selbst, wenn man In- mension. Überregionale militärpoliti- Ahmadiyyas, einer Gruppierung, die donesien mit seinen etwa 200 Millio- sche Zusammenschlüsse im Sinne ei- von vielen Muslimen als unislamisch nen Muslimen hinzuzählt, ändert sich ner „Muslim Defence Organization“ abgelehnt wird, weil deren Angehöri- das Verhältnis nur geringfügig. Die gibt es nicht. Die Fähigkeit zu globa- ge Mohammed nicht als letztgesand- wirtschaftliche Lage in den meisten ler Machtprojektion hat kein einziges ten Propheten anerkennen. Der ägyp- muslimischen Staaten ist prekär. Im islamisches Land. Da keiner dieser tisch-stämmige Chemie-Nobelpreis- jährlichen Welt-Entwicklungsbericht, Staaten über eine nennenswerte ei- träger Ahmed Hassan Zewail ist ame- dem Human Development Report, des gene Rüstungsindustrie verfügt, sieht rikanischer Staatsbürger. Lediglich man von der Produktion von Klein- unter den Friedensnobelpreisträger 1 Oberst a.D. Dieter Kilian lebte – u.a. waffen, Fahrzeugen und Munition ab, sind sieben Muslime; drei von ihnen als Militärattaché – viele Jahre in hängen sie vor allem bei Großgerät Frauen: Anwar As-Sadat und Yassir muslimischen Ländern – Pakistan, – Panzern, Flugzeugen und Schiffen Arafat bekamen diese Auszeichnung Arabische Halbinsel, Bosnien & Herzegowina und Ägypten. Mehrere – am Tropf der Rüstungsindustrie für ihre Bemühungen um einen stabi- Buchveröffentlichungen westlicher Industriestaaten und Russ- len Frieden im Nahen Osten. Der aus

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Bangladesch stammende Muhammad alter, um die Jahreswende 2012/2013 unschlagbar eintönig; Saudi Arabien Yunus erhielt den Friedensnobelpreis durch islamistische Rebellen. z.B. überträgt über Stunden Koranre- für seine Idee der Vergabe von Mini- Musik, eine der größten Errun- zitationen aus Mekka. Die Unterhal- Krediten. Der Ägypter Mohammed genschaften des Menschen, wird von tungsprogramme bewegen sich auf El-Baradei wurde als Generaldirek- den religiösen Fanatikern in all ihren Kinderniveau. Lediglich in der Spar- tor der Internationalen Atomenergie- Facetten verdammt, aber auch in an- te der Bildenden Künste – Malerei, behörde ausgezeichnet, die Iranerin deren Bereichen der Kunst hemmen Graphik, Bildhauerei und Architek- Shirin Ebadi, die Jemenitin Tawakkol religiös verbrämte Auflagen wie das tur – gibt es, zumindest solange sie Karman und die junge Malala Yousaf- Bilderverbot, kein Wunder, dass hier nur auf abstrakte Objekte gerichtet zai aus Pakistan für ihr Eintreten als weitgehend Stagnation herrscht. Le- ist, einen gewissen Freiraum, jedoch Aktivistinnen für Menschenrechte. diglich in manchen Sparten, wie der nur, wenn die Künstler z.B. der tra- Auf dem Feld der Literatur Pop-Musik, findet man einige wenige ditionellen Linie orientalischer Or- herrscht gähnende Leere. Bisweilen Musiker, die auch international be- namentik, wie sie bereits zur Zeit der wird kolportiert, dass jährlich im klei- kannt sind, wie z.B. den konvertier- muslimischen Moghul-Kaiser auf dem nen Griechenland genau so viele Bü- ten Cat Stevens, alias Yusuf Islam, indischen Subkontinent oder während cher erscheinen wie in der gesamten oder den ebenfalls britischen Sänger der Herrschaft der Osmanen gepflegt arabischen Welt. Ob dies zutrifft, kann Sami Yusuf. In der muslimischen Welt wurde, folgen. Durch die Kombinati- mangels konkreter Untersuchungen gelten die Ägypterin Umm Kulthoum on von verfügbarem Geld mit nahezu nicht nachgeprüft werden. Allerdings und die beiden Libanesinnen Sabah unbegrenzter gestalterischer Freiheit steht fest, dass die Bücherproduktion und Fairouz als Ikonen. Erstere starb sind die Ölstaaten auf der Arabischen in der muslimischen Welt nicht sehr bereits 1975. Sabah, genannt „Shah- Halbinsel ein Paradies für Architek- groß ist. Und so bewegt sich der lite- rura“ („singende Amsel“) verstarb ten; dies gilt auch für Sportanlagen. rarische Bereich in den Niederungen im letzten Jahr. Sie erlangte interna- Die Errichtung der prächtigen Groß- geistiger Armut. Der Buchdruck wur- tionale Aufmerksamkeit, weil sie als bauten in den Vereinigten Arabischen de im Osmanischen Reich erst im 18. erste arabische Künstlerin überhaupt Emiraten wurde zwar von westlichen Jahrhundert freigegeben. Bedeutende u.a. in der New Yorker Carnegie Hall Ingenieuren unterstützt, doch konzi- arabische Autoren schreiben oft in an- und der Oper von Sydney auftrat. Die piert wurden sie von Muslimen. Dies deren Sprachen, leben und veröffent- inzwischen achtzigjährige Fairouz, ist ein Beispiel dafür, wie innovativ lichen lieber im Ausland, weil sie in die „Harfe des Orients“, gilt heute die muslimische Welt sein kann, wenn ihren Heimatländern einer doppelten als größte lebende Diva in der ara- man sie nur lässt. Zensur unterworfen sind – politischer bischen Welt. Alle drei beherrschten und religiöser, denn die Angst vie- die Kunst des klassischen arabischen uf dem facettenreichen Feld des ler Machthaber und strenggläubiger Gesangs perfekt. ASports hält sich die Zahl männli- Geistlicher vor neuem Gedankengut Die Darstellenden Künste – The- cher Olympiasieger aus muslimischen ist groß. Hinzukommt, dass die ar- ater, Tanz und Film – leiden an dem Staaten – gemessen an der Gesamtzahl men Bevölkerungsschichten – so sie Verbot der Fundamentalisten, Männer in den diversen Einzel- und Mann- denn überhaupt des Lesens mächtig und Frauen in der Öffentlichkeit, d.h. schaftssportarten – in engen Grenzen. sind – die teuren Bücher nicht kaufen außerhalb der Familie, gemeinsam Beim Ringen stellten türkische Sport- und damit auch nicht lesen können – agieren zu lassen. Vor einem halben ler in nahezu allen Gewichtsklassen ein Teufelskreis. Der Prozentsatz der Jahrhundert, als Beirut und Kairo zahlreichen Olympiasieger, und beim Analphabeten liegt in vielen musli- noch als „Paris, bzw. Hollywood des Gewichtheben waren es ägyptische mischen Staaten, vor allem bei den Nahen Ostens“ galten und Religion Athleten. Die Herren-Hockey-Mann- Frauen auf dem Lande, bisweilen über wegen der laizistischen pan-arabi- schaft Pakistans wurde bisher drei- 90 Prozent. Erst 1988 weckte die Ver- schen Ideen und des Arabischen So- mal Olympiasieger. Bei den Olym- leihung des Literatur-Nobelpreises an zialismus Privatsache waren, boomte pischen Sommerspielen 1988, 1992, den ägyptischen Schriftsteller Nagib die Filmindustrie vieler muslimischer 1996 und 2012 standen je zwei al- Machfus, den ersten arabisch-spra- Länder. Mit zunehmendem Einfluss gerische und marokkanische Läufer chigen Autor, das Interesse an moder- religiöser Kräfte hingegen verödeten auf dem Siegertreppchen über 1.500 ner arabischer Literatur. Andererseits viele Kunstsparten. Heute sind musli- Meter. Bei den Frauen hingegen ist schlummern in den Archiven orienta- mische Künstler der Musik- und Film- die Bilanz düster. Bei den olympi- lischer Metropolen hunderttausende branche, wie der ägyptische Regisseur schen Sommerspielen 1992 in Bar- bislang unerschlossener alter Hand- Henri Barakat oder der ägyptische celona errang erstmals eine Muslima, schriften aus der Frühzeit des Islams. Sänger und Schauspieler Tamer Hos- die algerische Mittelstreckenläuferin Leider werden selbst diese in einigen ny, kaum über den arabischen Raum Hassiba Boulmerka, die Goldmedail- islamischen Ländern aus religiösen hinaus bekannt. Der international be- le über 1.500 Meter. Im Jahre 2000 Gründen vernichtet, wie z.B. jahrhun- rühmte Filmschauspieler Omar Sha- folgte ihre Landsmännin Nouria Be- dertealte Handschriften aus dem ma- rif trat einer Heirat wegen vom kop- nida, und 2012 in London gewann lischen Timbuktu, einem der Zentren tischen Christentum zum Islam über. die Türkin Ash Alptekin über diese islamischer Gelehrsamkeit im Mittel- Die Fernsehprogramme vor allem Distanz. Habiba Ghribi gewann 2012 in den strengreligiösen Ländern sind in London als erste Sportlerin Tunesi-

32 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 RELIGION UND GESELLSCHAFT ens beim 3.000-Meter-Hindernislauf us dieser Sicht kann insgesamt chronistisch und offenbaren ein von eine Medaille bei Olympischen Spie- Afeststellen, dass die muslimische westlichen Normen diametral abwei- len; ihre Silbermedaille widmete sie Welt neben ihrer selbstverschuldeten, chendes kulturelles Menschenbild „dem tunesischen Volk, den tunesi- eigenen Stagnation seit dem Ende des – Fortschritt sieht anders aus. Die schen Frauen und dem ganzen ara- Osmanischen Reiches vor fast einhun- muslimischen Fundamentalisten sind bischen Volk“. 2012 bei den Spielen dert Jahren „verwestlicht“ wurde. Das weltweit die einzigen, die dies von ih- von London waren erstmals Frauen gewaltsame Aufbegehren radikaler ren Frauen aus vermeintlich religiö- aus allen 204 Olympia-Ländern an- Muslime in den letzten Jahren muss sen Gründen fordern. Seltsamerweise gereist, hatten doch drei muslimi- somit auch als eine Reaktion auf die- ist die gerade Verschleierung von der sche Staaten – Brunei, Qatar und sen Identitätsverlust auf breiter Front islamischen Überlieferung (Sunna) Saudi-Arabien – nach langem Zö- betrachtet werden. Dass dieses Agie- her während der Pilgerreise Hadsch, gern endlich auch Frauen – sieben ren jedoch erfolgreich sein wird, muss bei der sich die Gläubigen in einem an der Zahl entsandt. Das Olympi- bezweifelt werden, und damit steht Weihezustand befinden, untersagt. sche Komitee Saudi-Arabiens for- auch die Furcht vor einer Islamisie- Sicherlich hat diese Verteilungs- derte von seinen beiden Sportlerin- rung des Westens auf tönernen Fü- schieflage in vielen Bereichen nicht nen, sich in London „dem Islam an- ßen. Dieses subjektiv geprägte Gefühl unbedingt religiöse Gründe, zeigt aber gemessen zu verhalten“. Sie wurden kommt zum einen dort auf, wo es ört- Nachholbedarf. Weshalb aber diese von männlichen Verwandten begleitet, lich eine infrastrukturelle Dominanz Rückständigkeit auf breiter Front? die über deren Tugendhaftigkeit wa- von Muslimen gibt, in der – durch Die Antwort ist vielschichtig. Ein Teil chen mussten. Wintersportarten ha- staatliche Duldung und Lethargie zu- der Ohnmacht kommt von außen, u.a. ben aus geographisch-klimatischen sätzlich begünstigt – sich problemlos als Erbe kolonialer Vergangenheit und Bedingungen keine Tradition in den Parallelgesellschaften und rechtsfreie als Dominanz des Okzidents. Westli- Ländern der südlichen Hemisphäre, Räume bilden. che politische Konzepte und philoso- und Sportarten – wie der gesamte Be- Die muslimische Welt war nie phische Ideen, wie Demokratie und reich des Wassersports – bei dem die schwächer als heute – trotz zuneh- Menschenrechte, werden als univer- Bekleidung nach muslimischer Auf- menden Terrors und martialischen sale Errungenschaften bezeichnet und fassung zu freizügig ist, werden gemie- Macho-Gehabes, und ihr Rückstand oft versucht mit missionarischem Eifer den. Selbst in Sportarten, die man oft auf den Westen ist uneinholbar. Damit weltweit durchzusetzen. Der überwie- mit dem Orient in Verbindung bringt, hat sie ihre Zukunft bereits verspielt. gende Teil aber ist hausgemacht, be- wie Reiten, Speerwerfen oder Fech- Hinzukommt, dass – wie bereits am ruht auf selbstauferlegten Schranken. ten, sind muslimische Athleten nicht Beispiel der Handschriften erwähnt Nicht, dass muslimische Handwerker, vertreten. Bei einigen Sportlern, die – militante und zugleich bildungsfer- Künstler und Wissenschaftler dies al- zum Islam konvertierten, wie dem ex- ne Muslime das vor-islamische Erbe les nicht könnten; im Gegenteil, aber trovertierten Boxer Cassius Clay, der vieler muslimischer Länder oft mit sie dürfen vieles nicht, weil ihnen von sich danach Muhammad Ali nannte, Feuer, Sprengstoff und Meisel tilgen Orthodoxen – Gelehrten und Gläu- scheint der Übertritt eher als Publici- und damit einen wichtigen Teil ihrer bigen – und auch von Staats wegen ty Gag denn aus Überzeugung erfolgt eigenen Identität zerstören. Ferner ist Beschränkungen auferlegt sind. Nun zu sein. Lediglich im Cricket spiel- festzustellen, dass Terror zur Durch- tendiert jede Religion dazu, wissen- te der Pakistaner Imran Khan Nia- setzung politischer Ziele als Taktik schaftlichen Neuerungen gegenüber zi eine herausragende Rolle, und im bisweilen zwar hilfreich war und ist, misstrauisch und damit innovations- Squash war es sein Landsmann Jahan- als Strategie aber langfristig wirkungs- feindlich zu sein. Dies gilt auch für gir Khan, der wohl beste und erfolg- und erfolglos bleiben wird. Guerilla- den Islam. Im Westen hingegen wur- reichste Squash-Spieler aller Zeiten. kriege waren nur dort erfolgreich, wo de dies durch die Aufklärung über- Letzterer gewann zehn Mal hinterei- die Kämpfer auf die Unterstützung wunden. Im Islam fehlt diese Säku- nander die British Open, sechs Mal der Bevölkerung bauen konnten. Bei larisierung; lediglich die insgesamt die World Open und blieb über fünf Terrororganisationen wie Al-Qaida, acht Rechtschulen der muslimischen Jahre ungeschlagen. IS oder den Taliban ist gerade dies Glaubensrichtungen weisen Unter- Zwar haben die Muslime ihre ei- nicht der Fall. Sie erpressen die Hil- schiede hinsichtlich einer gewissen gene Zeitrechnung, die den Mondpha- fe der Bevölkerung mit Gewalt. Oft Liberalität auf. Die Hanafiten, die sen folgt und 632 n. Chr., das Jahr des werden vor allem die eigenen Glau- größte Rechtsschule der sunnitischen Weggangs des Propheten von Mekka bensbrüder zu Opfern, weil sie meist Muslime, gilt als die liberalste unter nach Medina, als Jahr 0 ihrer Zeit- den extrem fanatischen religiösen Vor- ihnen. Sie erlaubt es z.B., dass ein rechnung festgelegt hat, doch Leben stellungen nicht genügen, denn die Muslim einer fremden Frau bei der und Geschäftswelt folgen dem christli- Bandbreite des praktizierten Islams Begrüßung die Hand reichen darf. Die chen, dem gregorianischen Kalender, ist beträchtlich. Politikwissenschaften in Saudi Arabi- nachdem auch die Geburtstage gefei- Vollverschleierte Frauen mögen en unterliegen so starken politischen ert werden. Würde man diese nach in die Wüsten Asiens und Nordaf- Beschränkungen, dass von freier For- dem kürzeren Mondjahr begehen, hät- rikas passen. In westlichen Groß- schung und Lehre nicht gesprochen te dies zur Folge, dass die Menschen städten hingegen wirken sie in ihrer werden kann. Die islamische Staaten- kalendarisch schneller alterten. Anonymität und Entmündigung ana- gemeinschaft ist kein monolithischer

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Block, sondern zutiefst zerstritten. gen und Verzerrungen aufweisen und Deut weitergebracht, sondern waren Allein der Begriff „Islam“ gaukelt der überwiegenden Mehrheit Aber- sogar kontraproduktiv. Überdies tra- eine Einheit und eine Harmonie vor, millionen friedlicher Muslime Un- fen die Islamisten in ihrem Kampf die niemals existiert haben. Die meis- recht tun, aber es sind seit Jahren bislang meist auf Staaten, die sich mit ten Opfer des islamistischen Terrors vor allem die Anschläge und brutale weitgehend moderaten rechtsstaatli- sind Angehörige der eigenen Reli- Morde der kleinen Minderheit fana- chen Mitteln wehrten. Ein Infiltrie- gion, der zahlreichen muslimischen tischer Islamisten u.a. von Al-Qai- ren der bevölkerungsreichen Staaten Gruppierungen – Sunniten, Schiiten da, IS, Boko-Haram und Taliban, die Asiens hingegen, in denen die Mus- (Zayditen, Ismailiten, und Imamiten), das Bild dieser Weltreligion verzer- lime eine Minderheit bilden, dürfte Aleviten, Alaviten, Ibaditen und Cha- ren. Allein im letzten Jahr sollen der um ein Vielfaches schwerer werden, ridschiten, um die wichtigsten zu nen- Studie „Global Terrorism Index“ des weil zahlreiche dieser Länder – z.B. nen. Wer erleben will, wie religiöse australischen „Institute for Econo- China – in ihrem Umgang mit Terro- Solidarität unter den Muslimen wirk- mics & Peace“ zufolge diese vier Or- risten weniger zimperlich sein dürften. lich gelebt wird, braucht sich nur die ganisationen für zwei Drittel der fast Und so verfälscht die Gewalt, die u.a. desolaten Lebens- und Arbeitsbedin- 18.000 tödlichen Terroropfer verant- von Al-Qaida und IS ausgeht, unsere gungen der muslimischen Hilfskräf- wortlich sein. Eine gewisse Affinität Wahrnehmung und unser Bedrohungs- te auf der Arabischen Halbinsel an- zwischen Terror und der Ideologie des empfinden. In der deutschen islamis- zusehen – Sklavenhaltergesellschaft militanten Islams lässt sich nicht von tischen Zeichentrick-Serie „Super- 2.0. Die Sprache des Korans, das der Hand weisen. Nun tendieren alle Muslim“ von „Asadullah TV“ kämpft Arabisch, wird nur noch von einer Ideologien mit missionarischem Sen- dieser gegen das Böse in der Welt – kleinen Minderheit der Gläubigen als dungsbewusstsein vom linken bis zum geistige Selbstbefriedigung auf nied- Muttersprache gesprochen und fällt rechten und dem religiösen Spektrum rigstem Niveau. als Bindeglied aus. Die reichen mus- – vom Kommunismus über den Nati- Welche Konsequenzen sollten wir limischen Ölstaaten sehen sich eher onalsozialismus bis zum Islamismus ziehen? Mit radikalen Islamisten wer- als Verbündete des Westens, denn an – zu erzwungener Gefolgschaft. Doch den wir uns abfinden müssen, wie der Seite ihrer Glaubensbrüder. Zu seit einem halben Jahrhundert sind es auch mit Extremisten anderer Cou- den schwerwiegendsten Defiziten aber vor allem fanatische Muslime, welche leur. Mit diesen gibt es keinen Dialog; zählt der Ausschluss der Frauen. Wer die Durchsetzung ihrer Ziele mit bra- auch werden sie weder durch Aufmär- die Hälfte seiner Bevölkerung hinter chialer Gewalt anstreben. Auch mit sche noch durch Appelle umgestimmt. hohen häuslichen Mauern verbannt der Staatsordnung, in der sie leben, Und so gilt: Nicht einschüchtern las- und weitgehend aus dem Bildungs- haben fanatische Muslime Proble- sen, und Verstöße konsequent ahn- und Wirtschaftsprozess ausklammert, me. Leben sie in laizistischen west- den. Von jenen Millionen muslimi- braucht sich nicht zu wundern, wenn lichen Staaten, bekämpfen sie diese, scher Bürger aber, die friedlich und dieser Aderlass nicht mehr ausge- aber selbst in muslimischen Staaten, integriert mit und bei uns leben, geht glichen werden kann. Auch um das in denen der Islam Staatsreligion ist, keine Gefahr aus. Das gewaltlose Zu- Bildungssystem steht es nicht zum kämpfen sie gegen deren staatliche sammenleben ist unabdingbar, aber es Besten. In vielen Ländern wird den Ordnung. Einen „Gottesstaat“ möch- gelingt nur durch Kompromisse auf Mädchen der Schulbesuch per se er- ten sie errichten, doch alle bisherigen beiden Seiten. Daher sollte auch die schwert oder ganz verweigert. Was Ansätze endeten nicht unbedingt zum Diskussion über die Meinungsfreiheit Wunder, dass die Analphabetenquo- Wohle der in ihm lebenden Bürger, noch einmal geführt werden. Nach den te in vielen muslimischen Staaten sondern waren lediglich die Fortset- Anschlägen in Paris flammte sie kurz besonders hoch ist. Die Koranschu- zung des Terrors in allen Lebensberei- auf, ging dann aber vor allem in Eu- len mögen sicherlich bisweilen Brut- chen. Die Pläne zur Unterwerfung der ropa in einer beispiellosen Welle der stätten radikal-fundamentalistischen gesamten Welt, die der frühere Politi- Trauer, der Solidarität, aber auch der Gedankenguts sein. Doch ihr schwer- ker Todenhöfer nach einem Interview Hysterie und beinahe rituell insze- wiegendster Nachteil wirkt zersetzend mit Vertretern des IS veröffentlichte, nierter, bombastischer Trauerfeiern nach innen: Das enge, eindimensiona- zeigen deren krude Vorstellungswelt. unter. Satire darf alles, wurde pos- le und auf stumpfes Auswendiglernen Ob so viel Dummheit oder Selbstüber- tuliert. Darf sie dies wirklich? Papst orientierte Schema verhindert freies schätzung verschlägt es die Sprache; Franziskus verneinte dies jüngst auf Denken und trägt zur geistigen Ver- auch andere sind bekanntlich an ähn- seiner Asienreise. Wenn Satirikern al- armung auch der männlichen Jugend lichem Größenwahn gescheitert. Mit les erlaubt sein soll, werden auch Fa- bei, weil es sich nur an religiösen Vor- den begrenzten Mitteln partiellen Ter- natiker dies für sich einfordern – gren- gaben orientiert. rors können die Salafisten nur Angst zenlose Freiheit wäre die Folge, ein und Schrecken verbreiten, aber kei- Horrorszenario. Wer berufsmäßig pro- ls Resümee bleibt: „Ex oriente – ne Trendwende herbei bomben, weder vozierend, beleidigend und lächerlich A nix!“ – genauer gesagt: „Fast regional noch global. Die unzähligen machend durch die Welt zieht, braucht nix!“, denn in einer Rubrik hat sich Anschläge, auch jener auf die Redak- sich nicht zu wundern, wenn er irgend- der Islamismus weltweit an die Spit- tion „Charlie Hebdo“ in Paris, haben wann auf jemanden trifft, der sich mit ze gesetzt – der Gewalt. Das skizierte die islamistischen Terroristen in ihrem kriminellen Mitteln wehrt. Der Unter- Bild mag Lücken, Verallgemeinerun- utopischen Kampf nicht nur keinen schied zwischen Karikaturisten, wel-

34 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 RELIGION UND GESELLSCHAFT che religiöse Gefühle vorsätzlich und Massentierhaltung bringt mehr Men- Houellebecq, zeichnet ein Szenario, gezielt verletzen, und Hasspredigern, schen auf die Straße als 100.000 Tote in dem im nächsten Jahrzehnt eine ist nur marginal. Beide nehmen ihr in Afrika. muslimische Partei die Regierung in vermeintliches Recht auf Meinungs- Bundespräsident Wulff sagte vor Frankreich übernimmt und dann eine freiheit wahr, wenngleich an entge- einigen Jahren, der „Islam gehöre in- Islamisierung forciert; sicher – noch gengesetzten Polen. Die Schieflage zwischen zu Deutschland“ und dies ist dies Fiktion. Doch es ist nur eine der westlichen Diskussion zeigt sich bekräftigte jüngst auch die Bundes- Frage der Zeit bis sich in Staaten mit auch daran, dass bei einem hypo- kanzlerin. Doch inwieweit trifft dies einem stärkeren muslimischen Bevöl- thetischen Anschlag von Islamisten zu? Zunächst ist darauf hinzuweisen, kerungsanteil wie in Deutschland z.B. auf ein Parteibüro der rechtsgerich- dass es – wie bereits erwähnt – „den“ eine „Muslimische Union“ (MU) kon- teten „Front National“ von Marine Islam nicht gibt. Von daher ist Aussa- stituiert und dann die politische Are- Le Pen wohl niemand – und dies zu ge zu undifferenziert. Jene, die diese na betritt. Wäre dies eine Gefahr? Im Recht – auf die Idee gekommen wäre, These ablehnen, betonen, Deutsch- Prinzip nein, denn eine solche Ausei- „Je suis Le Pen!“ zu skandieren. Von land und das Abendland basierten al- nandersetzung würde politisch geführt daher hätte Bundespräsident Gauck lein auf „christlich-jüdischer Traditi- und in Wahlen entschieden. Die staat- auf die Äußerung „Wir sind Char- on“. Auch dies ist nur zum Teil richtig liche Stabilität wäre erst dann gefähr- lie!“ verzichten sollen. Scheinheilig und eher der „political correctness“ det, wenn diese neue Partei radikal- wirkte diese Aufregung auch, weil geschuldet, denn die jüdische Tra- islamische Thesen propagierte, die das politische Europa zu weit größe- dition, die hier verschämt eingebaut absolute Mehrheit erzielte und damit ren Massakern in anderen Teilen der ist, wurde im Gegenteil stets verneint, auf viele Lebensbereiche direkt ein- Welt schamhaft schwieg. Als z.B. bei bekämpft und mündete schließlich im wirken könnte, indem sie bisher gel- einem Selbstmordanschlag vor einer Holocaust. Deutschland ruht auf ei- tende grundlegende staatliche und christlichen Kirche in Peshawar, im nem griechisch-römisch-christlichen rechtliche Strukturen – wie z.B. die Nordwesten Pakistans im Septem- Fundament, wenngleich die christli- Trennung von Religion und Staat – ber 2013, mindestens 60 Menschen che Basis brüchig geworden und selbst in ihrem Sinne änderte. Allerdings getötet oder in der selben pakistani- bei Parteien, die sie im Namen füh- sind radikale Parolen in Deutschland schen Stadt im Dezember 2014 über ren, der Beliebigkeit gewichen ist. Die bisher nicht mehrheitsfähig gewesen. einhundert Schulkinder von Taliban Tradition der hier lebenden Muslime So Parteien diese vertraten, spielten abgeschlachtet wurden, war dies – der verschiedenen islamischen Glau- sie entweder keine Rolle oder änder- außer den üblichen standardisierten, bensrichtungen ist noch zu jung, um ten ihren Kurs. Überdies ist eine sol- gebetsmühlenartigen Betroffenheits- sinnstiftend für Deutschland zu sein. che Entwicklung im vorhersehbaren äußerungen – kaum eine Meldung in Dieses Urteil wird man frühestens in Zeitrahmen aufgrund der demographi- den Medien wert, geschweige denn, einhundert Jahren treffen können. schen Gegebenheiten unwahrschein- dass es Politiker zu Trauermärschen „Unterwerfung“, das jüngste Buch des lich. Daher wären mehr Gelassenheit getrieben hätte. Jeder Aufruf gegen französischen Schriftstellers Michel und Selbstvertrauen angebracht. ❏

Katholische Kirche in Deutschland Pastorale Herausforderungen der Familie om 4. Oktober bis zum 25. Deutschen Bischofskonferenz ver- Im ersten Teil sind die Antworten VOktober wird in Rom die öffentlicht. Mit dieser Arbeitshilfe zu den oben angeführten Fragebögen Ordentliche Bischofssynode möchten die Bischöfe zum besseren aufgelistet. Sie sind zusammen- „Berufung und Mission der Familie Verständnis beitragen zu der Frage: gefasst aus den Anworten der 27 in der Kirche in der heutigen Welt“ Auf welche Weise kann die Ehe- und Diözesen und etwa 20 katholischen stattfinden. In der Vorbereitung zu Familienpatoral in treue zur katholi- Verbänden und zeigt ein wirklich- dieser Synode haben die deutschen schen Lehre so gestaltet werden, dass keitegetreues Bild über den Stand Bischöfe die Gläubigen so gut es ging sie die Zeichen der Zeit aufnimmt und der katholischen lehre in der eingebunden und einen Fragebogen den heutigen Lebenswirklichkeiten Gesellschaft, speziell hier in den versandt, der von vielen beantwortet entspricht? Stark vereinfacht aus- Familien. Es überrascht nicht, dass wurde. Die Antworten wurden sorgfäl- gedrückt: Wo drückt die heutigen ein Ergebnis ist, dass die katholi- tig ausgewertet, mit den Ergebnissen Gläubigen der Schuh? sche Lehre gerade im Hinblick auf anderer Vorarbeiten zusammenge- vorehelichen Geschlechtsverkehr, fasst und in der Arbeitshilfe Nr. oder beim Sekretariat der Deutschen zur Homosexualität, zu wieder- 2731 im Oktober 2014 von der Bischofskonferenz, Kaiserstr. 161, verheirateten Geschiedenen und 53113 Bonn, Postanschrift: Postfach 1 Zu beziehen ist diese Arbeitshilfe 26 62, 53019 Bonn, im Internet unter Geburtenregelung kaum Akzeptanz bei den Bischöfl ichen Ordinariaten http://www.dbk-shop.de findet und und – wenn überhaupt –

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 35 RELIGION UND GESELLSCHAFT die Lehre hier nur selektiv ange- logischen Betrachtungen an, warum Eines der Ergebnisse dieser nommen wird. Gerade in diesem die Kirche diese und gerade die- Versammlung ist der Denkanstoß der bereich wird deutlich, wie weit die se Lehre vertritt. Überlegungen zu deutschen Bischöfe, der sich in dem Gläubigen und die Lehre auseinan- „Schuld und Versöhnung“ schlie- Flugblatt findet „Trauen Sie sich! der sind. ßen sich an. Zehn gute Gründe für die Ehe“. Es schließen sich „theologisch Von der Dritten Außerordent- Die Arbeitshilfe ist eine gute verantwortbare und pastoral ange- lichen Vollversammlung der Vorbereitung auf die ordentliche messene Wege zur Begleitung wie- Bischofssynode im Oktober 2014 Bischofssynode im Oktober. Man derverheirateter Geschiedener an. sind die Grußadresse des Papste und sollte aber dabei bedenken, dass der Dies zeigt, wie sehr dieses Thema die die Auftaktrelatio von Kardinal Peter Dialog zwischen den Gläubigen und Gläubigen beschäftigt. Es werden Erdö in der Arbeitshilfe abgedruckt. ihren Bischöfen nirgendwo so intensiv hier keine „Moralkeulen“ geschwun- Die Stellungnahme der Deutschen ist wie hier in Deutschland. Seit 2010 gen, sondernaufgezeigt, wie sich Bischofskonferenz, vorgetragen läuft der Dialogprozess, der anders- die Bischöfe diesem Themenkreis von ihrem Vorsitzenden Kardinal wo gar nicht bekannt ist, geschwei- nähern und welche Probleme sie Reinhard Marx, ist ebenso zu le- ge denn praktiziert worden wäre. Es damit haben. In diesem Teil wer- sen, wie die Schlussrelatio sowie die bleibt zu hoffen, dass die Deutsche den in Form einer Auflistung die Botschaft dieser Außerordentlichen Position nicht in der Weltkirche unter- Schwierigkeiten aufgezeigt, ohne Bischofssynode (die zur Vorbereitung geht und eine gebührende Beachtung Lösungsvorschläge aufdrängen zu der Synode in diesem Jahr diente) an findet. ❏ wollen. Es schließen sich die theo- das Gottesvolk. (Bertram Bastian)

Leseempfehlung Armee im Aufbruch Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr

n dem vorliegenden Buch beschrei- Einblick, warum sich junge Leute für geschildert. Überwiegend ist ein kriti- Iben 16 junge Offiziere und Offi- diesen interessanten und vielseitigen scher Grundton, der von der Führung ziersanwärtert bzw -anwär- Beruf des Offiziers entscheiden und aufgegriffen werden sollte. Immer un- terinnen ihre ganz persön-ön- wiew diese die ter dem Gesichtspunkt, dass es sich lichen Erfahrungen in derder EntwicklungE hier um die berühmten Einzelfälle Bundeswehr. Es werdenen uund handelt. Was nicht dazu führen darf, Situationen des Einsatzeses EinstellungE der dass man diese Schilderungen ein- ebenso geschildert wie sol-l- GesellschaftG zu fach wegtut. Vieleicht sind es ja kei- che im Studium oder beimm derd bewaffne- ne Einzelfälle, sondern nur „Beispiel Umgang mit der Personal-- tente Macht er- für Zivilcourage in Uniform“. In dem führung. Damit wird nichtt leben.le Allein Vorspann „Stimmen zu Armee im nur ein breites Spektrumm diedie Schilderung Aufbruch“ schreibt Prof. Dr. Michael abgedeckt, diese Schil- einesein jungen Wolffsohn: „Diese Buch beweist ein- derungen geben ein Bild Offiziers,Off der mal mehr, Dass „Bürger in Uniform“ wieder, das den Vorge- sechssec Monate in der Bundeswehr nicht Schlagwort, setzten zu denken ge- in Afghanistan sondern gelebte Wirklichkeit ist. Sie ben sollte. Denn nicht (aufgrund(auf der denken über sich selbst, ihren Staat alles wird von „unten“ EntscheidungEnts des und die Werteordnung der Welt nach.“ so wahrgenommen, wie ParlParlamentes!) Tod Das macht dieses Buch lesens- es die „oben“ gerne undund Verwundung und empfehlenswert. ❏ (BB) hätten. Man fragt sich beibei der Lek-Lek- erlebenerleb musste, türe unwillkürlich: Muss es erst ein dann in der Heimat miterlebt, wie Marcel Bohnert / Lukas J. Sammelband sein oder konnte man Schulen sich der Bundeswehr ver- Reitstetter (Hrsg.), diese Eindrücke nicht auch im Ge- schließen, ist für diejenigen, die sol- Armee im Aufbruch. Zur Gedan- spräch mit diesen jungen, begeiste- ches initiiert haben, lesenswert, wenn kenwelt junger Offiziere in den rungsfähigen Menschen gewinnen? sie es denn verstehen. Manch un- Kampftruppen der Bundeswehr, Dies gilt für die sogenannten gaubliche Geschichte vom Umgang Miles Verlag, Berlin 2014, Insider, Menschen außerhalb der der „alten Hasen“ mit den jungen 267 Seiten, Bundeswehr öffnet dieser Band einen Nachwuchskräften werden ebenfalls ISBN 978-3-937885-98-8

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Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten

Die Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten findet von Dienstag, den 15.September 2015 bis Freitag, den 18. September 2015 in Vierzehnheiligen, Bad Staffelstein. Die 55. Woche der Begegnung, in deren Rahmen die Bundeskonferenz stattfindet, steht unter dem Motto: „Mit dem Hauptmann nach Kafarnaum – aufmerksam, tatkräftig, glaubwürdig“.

Dienstag, den 15. September Ab 15:30 Uhr Anreise der Delegierten und Gäste zur Bundeskonferenz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (keine Möglichkeite zur Mittagsverpflegung im Haus) 17:00 Uhr Pontifikalgottesdienst in der Basilika mit Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck 19:00 Uhr Empfang und Gästeabend mit festlichem Abendessen Mittwoch, den 16. September 09:00 Uhr Vortrag des Katholischen Militärbischofs und Aussprache 11:00 Uhr Mitgliederversammlung des Förderkreises (siehe gesonderte Einladung) 13:30 Uhr Eröffnung der Bundeskonferenz der GKS 14:00 Uhr „Weißbuch 2016 – Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“, Vortrag von Brigadegeneral Carsten Breuer, Leiter der Projektgruppe Weißbuch im BMVg 15:30 Uhr „Wir bringen uns ein!“ Arbeitsgruppen zu vier Schwerpunktthemen des Weißbuchprozesses 17:00 Uhr Und morgen wird gewählt“ Organisatorisches zur Wahl des Bundesvorsitzenden/der Bundevorsitzenden und seiner Stellvertreter/Stellvertreterinnen 17:45 Uhr „Wallfahrtsorte sind Gnadenorte in einer gnadenlosen Welt.“ (Konrad Adenauer) Führung durch die Wallfahrtskirche durch Georg Hagel, Basilikaorganist Donnerstag, den 17. September 09:00 Uhr Zusammenfassung der AG-Ergebnisse vom Vortag 09:30 Uhr „Die vergangenen 12 Monate – Rückblick, Analyse und Bewertung“ Lagebericht des Bundesvorsitzenden mit anschließender Aussprache 10:30 Uhr Regionaltreffen auf Bereichseben 11:15 Uhr „Arbeitsmuskel der GKS – die Sachausschüsse“ Berichte aus den Sachausschüssen mit anschließender Aussprache 12:30 Uhr Wahl des Bundesvorsitzenden/der Bundesvorsitzenden und der beiden Stellvertreter/Stellvertreterinnen 14:00 Uhr Bekanntgabe der Wahlergebnisse 14.15 Uhr „Organisation ist ein Mittel, die Kräfte des einzelnen zu vervielfältigen“ (Peter F. Drucker) Berichte u.a. zum Haushaltsvollzug, Datenschutz etc 15:00 Uhr „Tue Gutes und rede drüber“ GKS goes Facebook 15:45 Uhr Änderung der Namensbezeichnung „Geistlicher Beirat auf Bundesebene“ zu „Bundespräses“ (Ordnungsänderungstextvorschlag wird zeitgerecht zugesandt) 16:00 Uhr Jahresthema 2016 – Erste Einblicke und ein Ausblick Freitag, den 18. September 09:00 Uhr Schlußworte und erste Auswertung des Bundesvorsitzenden/der Bundesvorsitzenden 10:30 Uhr Ende der Bundeskonferenz und anschließend Abreise

Änderungen im Programmablauf vorbehalten!

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Veranstaltungsrogramm

15. Seminar der GKS-Akademie „Oberst Helmut Korn“

9. bis 13. November 2015

– Einstimmung – technisch echnisch möglich! – In unserer Zeit, in der wir die Er- machbar! Tfahrung machen, dass jeder Gedanke, der irgendwo ethisch gedacht wird, wenn er denn nur mit ausreichendem Nach- möglich? druck verfolgt wird, auch technisch umsetzbar ist, fast eine Selbstverständlichkeit.

urch Technik versetzen wir Berge, leiten Flüsse um, Dgeben Menschen mit Handicaps Lebensqualität zu- rück. Autos und LKWs, die selbst fahren, sind bereits in der Erprobungsphase auf den Straßen unterwegs. Computer wer- den immer kleiner und dabei immer leistungsfähiger – Rech- nerkapazitäten scheinen keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Stephan Hawkins stellt die These auf, dass in 100 Jahren Ro- boter schlauer sein werden als der Mensch. Die Eroberung, as Seminar ist eine Möglichkeit, sich eine Woche in- Nutzung und Besiedlung des Weltraums ist längt keine Zu- Dtensiv mit diesen Fragen auseinander zu setzten, Fak- kunftsmusik mehr. tenwissen zu sammeln und aus erster Hand und sehr unter- schiedlichen Fachrichtungen Anregungen dazu zu erhalten, urch Technik werden Menschheitsträume wahr, aber welche Fragen zu stellen sind und wie mögliche Antworten Dauch ihre Alpträume. Umweltverschmutzung, atoma- lauten könnten. Ganz besonders aber ist es eine Einladung, re Verseuchung, Artensterben, Klimaveränderungen, Überbe- sich persönlich diesen Sachverhalten zu stellen und sich auf völkerung, Hunger, Weltraumschrott. Nur einige Schlagworte die Suche nach eigenen Antworten zu machen. Denn die Fra- der menschen- und technikverursachten Probleme, die uns ge: „Ethisch möglich?“ kann nur jede und jeder ganz persön- weltweit bedrohen und herausfordern. lich für sich beantworten! Generalmajor Dr.-Ing. Ansgar Rieks, ngesichts der Ambivalenz von Technik, stellt sich des- Schirmherr der Akademie Ahalb mit Macht die Frage: Darf der Mensch alles, was Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein, er kann? Und wenn nein, woher bekommt er die Maßstäbe Leiter der Akademie seines Handelns? Gunter Geiger, Direktor des Bonifatiushauses Fulda nter der Fragestellung: Ethisch möglich? geht es genau um diese Maßstäbe, um die Leitplanken, die rechts Regina Bomke, U Bundesgeschäftsführerin der GKS und links unser Handeln, den Einsatz von Technik, unser For- schen und Entwickeln begrenzen, aber auch leiten.

uch und gerade bei der Entwicklung neuer Waffen und AWaffensysteme macht der rasante technische Fortschritt nicht halt. Welche technischen Entwicklungen sind in diesem Bereich gerade aktuell? Was genau ist unter „Cyberwar“ zu verstehen und wie groß sind die hierin liegenden Gefahren? Welche „Leitplanken“ bietet das Völkerrecht? Wo müssen Re- gelungen nachgesteuert werden, weil die vorhandenen mit den technischen Entwicklungen nicht Schritt halten können? Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich aus Sicht des Militärs? Welche ethischen Fragen sind zu stellen und wie könnten Antworten lauten? Welche Herausforderungen er- geben sich aus all diesem für den Soldaten, die Soldatin und wie können sie darin unterstützt werden?

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Montag, 9. November 2015 16:30 Uhr Montag ❯ Empfang beim Oberbürgermeister der Stadt Fulda Bis 12:00 Uhr Herrn Dr. Heiko Wingenfeld ❯ Anreise der Teilnehmerinnen Frei nach dem Motto: „Der Bürger in Uniform trifft die Poli- und Teilnehmer tik“, freuen wir uns darüber, in den wunderschönen Räumen des Stadtschlosses zu Gast zu sein und mit dem Oberbürger- 12:30 Uhr meister und einigen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mittagessen ins Gespräch zu kommen.

13:30 – 14:00 Uhr 18:00 Uhr ❯ Begrüßung und Vorstellung des Gesamtprogramms, Abendessen organisatorische Hinweise und Vorstellung des Bonifatiushauses und der Katholischen Akademie 19:00 – 20:30 Uhr Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein, ❯ Offener Akademieabend: Leiter der Akademie, Gesichter des Krieges – Veränderungen des Krieges Dipl.-Volkswirt Gunter Geiger, durch technologische Veränderungen Direktor der Bonifatiushauses Oberst Prof. Dr. Winfried Heinemann, Chef des Stabes, Zentrum für Militärgeschichte 14:00 – 14:30 Uhr und Sozialwissenschaften der Bundeswehr ❯ Bericht zur Lage der Militärseelsorge „Das Kriegsbild im 20. Jahrhundert hat mehrere grundlegende Militärgeneralvikar Monsignore Reinhold Bartmann Veränderungen erfahren. Der Erste Weltkrieg ist geprägt von einer Industrialisierung des Krieges, die mehr beinhaltet als 14:45 Uhr nur die Erhöhung der Feuerkraft, damit wächst auch die Be- ❯ Gesprächsgruppen: Kennenlernen deutung der Industriearbeiterschaft für die Kriegsanstrengung. und Austausch zum Thema Panzer und Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs bedeuten die Anspruchsvolle Themen und hochkarätige Referenten erwar- Abkehr vom Krieg mit starren Fronten und eine Rückkehr zu ten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeden Tag. An je- beweglicher Kriegführung; zugleich steigt die Bedrohung der dem Nachmittag wird deshalb in kleinen, festen Gesprächs- Zivilbevölkerung im Hinterland. Die nukleare Abschreckung, gruppen die Möglichkeit bestehen, noch einmal einen ganz Charakteristikum des Kalten Krieges, wiederum bedroht alle persönlichen Blick auf das Gehörte zu werfen, in der Rück- Völker der Erde existentiell. Der Vortrag geht der Frage nach, schau aufgekommene oder nach der Diskussion im Plenum wie weit militärtechnologische Entwick-lungen bedingt sind übrig gebliebene Fragen und Überlegungen miteinander zu durch den allgemeinen wissenschaftlichen Fortschrift. Er fragt besprechen und so einen eigenen, vertieften Zugang zu den aber auch danach, in welchem Maße der technologische Fort- Themen zu fi nden. schritt im Vergleich zu anderen – gesellschaftlichen oder politi- Unter Leitung von erfahrenen Funktionsträgern der GKS wird schen – Faktoren die Veränderung des Kriegsbildes verursacht.“ dieser Austausch in kleinen, gleichbleibenden Gruppen statt- fi nden.

15:45 Uhr ❯ Stehkaffee, danach Abmarsch zum Rathaus

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DienstagDienstag, 10. November 2015 die „Lebenswelt“ bereits Fakten geschaffen hat. Dieses Prin- zip ist nicht allein auf militärische Fragen begrenzt (siehe 7:30 Uhr Diskussion zu Ehe und Familie), jedoch erleben wir in dieser ❯ „Alles auf Anfang“ technisch-ethischen Diskussion mit oft militärischem Bezug Militärdekan Bernd F. Schaller, auch keinen besonderen Impuls. Vielmehr besteht das Ge- Geistlicher Beirat der Gemeinschaft Katholischer fühl, die katholische Kirche wolle ob der Vielfältigkeit und Soldaten auf Bundesebene. Verschiedenheit der Meinungen öffentlich erst gar keine Dis- „Um sich zu entwickeln, braucht alles einen Anfang. Mit Tex- kussion, um die eigene innere Diversifi zierung nicht offen zu ten und Gedanken des Anfangs aus geistlichen und profanen Tage treten zu lassen. Quellen wird der Weg durch den Tag begonnen.“ Technisch machbar, operational notwendig und ethisch möglich ist häufi g die gewählte Reihenfolge; allerdings könn- Ab 8:00 Uhr te es erfrischend sein, die Reihenfolge umzudrehen, erst da- Frühstück durch wird man eine fl orierende ethische Diskussion führen können, die nicht zu spät kommt. 9:00 – 10:30 Uhr Wenden wir uns zunächst ethisch der Zukunft zu und ❯ Technik, Fluch und Segen – Brauchen wir prüfen dann eine operationelle Notwendigkeit und die ge- einen Technik-Codex? wünschten Fähigkeiten. So bilden wir eine Grundlage für die Prof. Dr.-Ing. Jens Peter Wulfsberg, Frage der Technik und der entwickelbaren Fähigkeiten. Auf Leiter des Laboratoriums Fertigungstechnik (LaFT) diesem Wege ist das Ergebnis möglicherweise ein ganz an- der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der deres. Diese Diskussion ist facettenreich und muss ebenso in Bundeswehr Hamburg wirtschaftlicher wie in politischer Dimension diskutiert wer- „Unter den Begriff „Technik“ fällt alles, was der Mensch er- den. Eine soldatische Sichtweise als Ausgangspunkt ändert zeugt und nutzt, um seinen Aktionsradius zu erweitern, oder nichts an den Dimensionen, die zu betrachten sind. Sie öff- ihm ganz allgemein das Leben zu erleichtern. Dies reicht von net vielmehr das ganze Spektrum, das für eine hinreichende A wie autonome Fahrzeuge bis Z wie Zahnbürste mit Inter- Diskussion notwendig ist.“ netanschluss. Doch wieviel Einfl uss wollen wir technischen Systemen überlassen und nach welchen Kriterien werden de- 12:30 Uhr ren Handlungsspielräume defi niert? Mittagessen Megatrends stellen neue Anforderungen. Ob weltweites Be- völkerungswachstum, regionale demographische Effekte oder 14:00 – 15:30 Uhr die Auswirkungen eines freien Ressourcenverbrauches – die ❯ Technik alleine bringt keinen Frieden – Ethik Folge sind unterschiedlichste Gefährdungen der Lebensqua- fordert den Menschen lität. Technik kann helfen, die hieraus entstehenden vielfälti- Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck, gen Aufgaben der Zukunft zu bewältigen. Bischof von Essen Derzeit unterliegen sowohl Erzeuger als auch Nutzer von „Der rasante technische Fortschritt, der unser tägliches Leben Technik nur sehr wenigen Restriktionen in ihrem Handeln in verändert und bis in den kleinsten Bereich hinein prägt, macht Bezug auf Umwelt und Gesellschaft. Die Erzeuger werden auch und gerade bei der Entwicklung neuer Waffen und Waf- hierbei durch ökonomische Zielgrößen geführt, die Nutzer fensysteme nicht halt. Größere Reichweiten, höhere Präzisi- durch die Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse. on, enorme, zielgerichtete Zerstörungskraft, Cyberwar und die Die Auswirkungen werden immer komplexer und haben Möglichkeit zu töten, ohne selbst im direkten Gefährdungs- globale Reichweite. Wachstum <--> Nachhaltigkeit (Ent- bereich zu sein, all dies ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, wicklung); Freiheit <--> Verantwortung; Individuum <--> Ge- was technologisch im militärischen Bereich heute möglich ist. sellschaft. Brauchen wir heute eine neue Sichtweise auf die In dieser Ausweitung der technischen Möglichkeit liegt eine Erzeugung und Nutzung von Technik? Neben den vorhande- enorme ethische Herausforderung. Ob die Technik dem Men- nen Akteuren (Politik, Unternehmensleitungen, individuel- schen dient, ob sie Friedenschancen eröffnet oder Ursache für le Nutzer) können die Ingenieurwissenschaften gemeinsam unsägliches, sinnloses Leid ist, hängt wesentlich von der Ethik mit Sozialforschung, Psychologie oder auch Technikethik die dessen ab, der sich der Technik bedient. Denn: Manches ist Perspektive erweitern. Brauchen wir einen Technik-Codex?“ zwar technisch möglich, aber dennoch nicht ethisch erlaubt.“

11:00 – 12:30 Uhr 16:00 – 17:00 Uhr ❯ „Technisch machbar, operationell notwendig, ethisch ❯ Gesprächsgruppen möglich – eine Betrachtung aus soldatischer Sicht“ Generalmajor Dr. Ansgar Rieks, 17:30 Uhr Amtschef Luftfahrtamt der Bundeswehr ❯ Gottesdienst „Wir erleben derzeit eine rasante Technik-Entwicklung in al- mit Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck len Bereichen. Kaum schaffen es Streitkräfte, mit diesen Fä- higkeiten Schritt zu halten. Dennoch erscheint es unabding- Ab 19:00 Uhr bar zu sein, Ausrüstung und Verfahren „State of the Art“ zu ❯ Empfang des Militärbischofs mit anschließendem halten. Die ethische Diskussion kommt zumeist dann, wenn festlichen Abendessen

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 41 KIRCHE UNTER SOLDATEN

MittwochMittwoch, 11. November 2015 verwendeten Lenkmunition auch in anderen Einsatzkontexten gleichermaßen gelten, etwa bei Einsatz dieser Lenkmunition 7:30 Uhr von Kampffl ugzeugen und Hubschraubern aus. Das Problem ❯ „Quidquid agis, prudenter agas et respice fi nem“ liegt – das zeigt eine vertiefte Analyse – hinter den Normen Militärdekan Bernd F. Schaller, des positiven Völkerrechts, lässt sich allenfalls an (soziale- Geistlicher Beirat der Gemeinschaft Katholischer thischen) Prinzipien festmachen, die dem humanitären Völ- Soldaten auf Bundesebene. kerrecht und dessen Regeln zum Mitteln und Methoden der „In der Eucharistiefeier wollen wir menschliches, zielgerich- Kampfführung zugrunde liegen.“ tetes Handeln unter dem Blickwinkel Gottes sehen und uns in der Gemeinschaft stärken lassen.“ 11:30 – 12:30 Uhr ❯ Gesprächsgruppen Ab 8:00 Uhr Frühstück 12:30 Uhr Mittagessen 9:00 – 10:00 Uhr ❯ Drohnen – Technik, Entwicklungsperspektiven Karl-Friedrich Weitzel, Leiter Vertrieb Deutschland Air Operations AIRBUS Defence & Space / Manching & Friedrichshafen „Die Vielfältigkeit der unbemannten Flugsystemen (UAS) steht den bemannten Systemen um nichts nach: HALE, MALE, Zer- tifi zierung/Zulassung, zivile Anwendungen, TUAS, Minidroh- ne, VTOL, Kampfdrohne, Gefährdung, fl iegende Roboter, Pri- vatsphäre, Counter UAS, etc. – Schlagworte, die aktuell mit Negativschlagzeilen durch die Medien kursieren. Die von den Operateuren ge- forderten Fähigkeiten der unbemannten Systeme erfordern eine genaue Analyse für die Auslegung des Designs zum optima- len Einsatz für die angedachten Missionen. Anfang 2014 wurde in Deutschland eine parlamentarische Diskussion öffentlich ge- führt, in der zusätzlich die Frage gestellt wurde, ob die Weiterentwicklung der UAS ethisch vertretbar ist oder ob dieser Weg nicht falsche Signale setzt.“ 14:00 – 15:00 Uhr ❯ Cyber Defence: Bedrohungen aus der virtuellen Welt 10:15 – 11:15 Uhr Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek, ❯ Rechtsfragen des Einsatzes bewaffneter Drohnen Prodekanin des Fachbereichs Informatik, Lehrstuhl aus völkerrechtlicher und rechtsethischer Perspektive für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit Prof. Dr. Stefan Oeter, an der Universität der Bundeswehr München Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht „Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und Direktor des Instituts für internationale durchdringt alle Bereiche moderner Gesellschaften und Angelegenheiten der Universität Hamburg hat selbst für Staaten und Gesellschaften kritische Funkti- „Aus Sicht des Militärs ist das Plädoyer für die Ausrüstung mit onsbereiche vollständig durchsetzt, was mit Sicherheit auf bewaffneten Drohnen nahe liegend: Wenn man schon über dessen Eigenschaft als stärkster Innovationstreiber in Wirt- die elektronische Überwachung der Aufklärungsdrohnen den schaft und Forschung zurückzuführen ist. Dabei führen die Aufmarsch feindlicher Kämpfer erkennen kann, der zu erheb- zunehmende Komplexität und Vernetzung bereits jetzt zu lichen Gefährdungen für eigenes Personal und Einrichtungen starken Abhängigkeiten im öffentlichen wie im privaten Le- führen könnte, so liegt es nahe, diese Bedrohung auch in Echt- ben. Der Vortrag beleuchtet die Herausforderungen an das zeit unmittelbar zu bekämpfen. Trotz dieser militärfachlichen Cyber Defence, insbesondere an die Angriffsdetektion der Gründe für den Einsatz bewaffneter Drohnen bleiben weite sog. Smart Attacks.“ Teile der Öffentlichkeit skeptisch. Normative Erwägungen scheinen gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen zu spre- 15:30 – 16:30 Uhr chen. Doch aus welchen Quellen speisen sich diese norma- ❯ Dynamik der Entwicklung bei Wehrmaterialien – tiven Gründe? Aus dem positiven Völkerrecht jedenfalls nicht. Ausgewählte Aspekte, Fakten und Wertungen Das Humanitäre Völkerrecht verbietet den Einsatz bewaffneter Prof. Dr. Dr. Michael Lauster, Drohnen nicht, es erlegt ihm nur bestimmte Beschränkungen Leiter Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich- auf, die aber für den Einsatz der bei Drohnen üblicherweise Technische Trendanalysen

42 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 KIRCHE UNTER SOLDATEN

„Der Vortrag erläutert die Rolle des wehrtechnischen For- Donnerstag,Donnerstag 12. November 2015 schungsprogramms zur Vorbereitung zukünftiger Ausrüstun- gen der Bundeswehr und gibt einen Einblick in die Aufgaben 7:30 Uhr der Technologievorausschau bei der Konzeption dieses Res- ❯ „Wohin sollen wir gehen?“ sortforschungsprogramms. Militärdekan Bernd F. Schaller, Nach einer kurzen Erläuterung der verwendeten Methodi- Geistliche Beirat der Gemeinschaft Katholischer ken aus dem Bereich der Zukunftsforschung werden die ak- Soldaten auf Bundesebene. tuellen Ergebnisse der Vorausschau vorgestellt, die die lang- Um in der Gemeinschaft Gottes Wegweisung für Leben und fristigen Trends im Bereich der wehrtechnischen Forschung Glauben zu erspüren, feiern wir die Eucharistie. widerspiegeln. Die einzelnen Technologiegebiete und ihre zu- künftigen Herausforderung werden schlaglichtartig beleuchtet Ab 8:00 Uhr sowie Forschungsempfehlungen dafür abgeleitet. Frühstück Im abschließenden Teil des Vortrags soll anhand ausgewähl- ter Forschungs-richtungen (z.B. Raumfahrt, Genetik, techni- 9:00 – 10:30 Uhr ❯ Plädoyer für ein Gefühl – Führungskultur im Aufbruch Generalmajor Dipl.-Päd. Jürgen Weigt, Kommandeur Zentrum Innere Führung der Bundeswehr „Der Vortrag wird folgenden beiden Fragen nachgehen: Mit welchem soldatischen Selbstverständnis/Verständnis von „guter“ Führung wollen wir künftig den von uns Geführ- ten gegenübertreten? Welches Verständnis von „guter“ Führungskultur liegt un- serem Denken und Handeln dabei zu Grunde?“

11:00 – 12:00 Uhr ❯ Gesprächsgruppen Was hat das alles, was wir hier gehört, besprochen, bedacht haben mit mir, mit meiner Person, mit meinem Verständnis vom Soldatsein, mit meiner ganz konkreten Dienstausübung, meinem konkreten Dienstalltag zu tun?

12:00 Uhr Mittagessen sche Autonomie) dargestellt wer-den, wie zunehmend nicht- 13:00 Uhr technologische Aspekte moderner Technologien (Stichwort ❯ Fahrt zur Gedenkstätte „Point Alpha“ etwa Dual-Use Research of Concern – DURC) Einfl uss auf deren Entwicklung gewinnen und welche Folgerungen für die ❯ „Per aspera ad astra“ wehrtechnische Forschung daraus zu ziehen sind.“ Militärdekan Bernd F. Schaller, Geistlicher Beirat der Gemeinschaft Katholischer 16:45 – 17:30 Uhr Soldaten auf Bundesebene. ❯ Gesprächsgruppen „Auf dem „Weg der Hoffnung“, einer 1400 Meter langen Stre- cke entlang des ehemaligen Todesstreifens, entstehen Gedan- 18:00 Uhr ken, die „aus dem Dunkel ins Licht“ führen können.“ Abendessen ❯ „Haus auf der Grenze“ mit Besuch der Daueraus- 19:30 Uhr stellung zum Grenzregime der DDR und dem Leben ❯ „Bevor des Tages Licht vergeht“ mit der Grenze Militärdekan Bernd F. Schaller, Führung durch den Studienleiter der Akademie, Geistlicher Beirat der Gemeinschaft Katholischer Herrn Sebastian Rösner Soldaten auf Bundesebene. Mit dem Abendgebet der Kirche soll der „Ertrag des Tages“ ❯ Vortrag zur Gedenkstätte refl ektiert und ein persönliches „zur Ruhe kommen“ ermög- Point Alpha licht werden. Berthold Dücker, Initator der Gedenkstätte „Point Alpha“ Ab 20:00 Uhr „Als 16-Jähriger wagte er die Flucht in den Westen und über- ❯ Möglichkeit zum Austausch wand allein den Todesstreifen. Nach der Wiedervereinigung und Ausklang in der „Scheune“ kam der Journalist in seine Heimat Thüringen zurück. Tatkräftig

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 43 KIRCHE UNTER SOLDATEN setzte er sich für die Idee eines Grenzmuseums ein und bau- Feitag, 13. NovemberFreitag 2015 te die „Mahn-, Gedenk- und Begegnungsstätte Point Alpha“ an einem der Orte mit auf, an dem sich über vier Jahrzehnte 7:30 Uhr NATO und Warschauer Pakt direkt gegenüberstanden. Er regte ❯ „Geht hinaus in alle Welt“ an, alljährlich am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit Militärdekan Bernd F. Schaller, einen Festakt in der Gedenkstätte zu veranstalten und initiierte Geistlicher Beirat der Gemeinschaft Katholischer mit die Verleihung des „Point-Alpha-Preises für Verdienste um Soldaten auf Bundesebene. Eucharistiefeier und Reisesegen bieten die Möglichkeit, Er- lebnisse und Erfahrungen der Woche zusammenzufassen und gestärkt aufzubrechen in die Arbeitsfelder der Welt.

Ab 8:00 Uhr Frühstück

9:00 – 9:45 Uhr ❯ Als Christen tragen wir Verantwortung – als Gemeinschaft Katholischer Soldaten stellen wir uns! Oberst Rüdiger Attermeyer, Bundesvorsitzender der Gemeinschaft Katholischer Soldaten „Unter dem Dreiklang „Besinnung, Bildung, Begegnung“ stellen wir uns als katholische Soldaten in der Bundeswehr den vielfältigen berufl ichen, ethischen und politischen Her- ausforderungen unseres Dienstes und versuchen gemeinsam Antworten auf die vielfältigen Fragen, die hieraus entstehen, aus unserem Glauben zu geben.“

9:45 – 10:30 Uhr ❯ Rückblick, Auswertung, Ausblick Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein

❯ Im Anschluss Verabschiedung und Abreise

die Einheit Deutschlands und Europas in Frie- den und Freiheit“. Die Begegnungsstätte „Point Alpha“ ist dank seiner Initiative zu einem Ort der Erinnerung und Mahnung für die nachfol- genden Generationen geworden.“ (zitiert aus: http://osthessen-news.de/n1173667/ rasdorf-geisa-point-alpha-stiftung-begr-t-bundesver- dienstkreuz-f-r-berthold-d-cker.html)

❯ Abendessen im Schloss danach Rückfahrt

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– Organisation –

Zielgruppe: Offi ziere, Offi zieranwärter und Unteroffi ziere der Hinweis auf Urlaubsregelung: Bundeswehr, Soldatinnen und Soldaten befreundeter Streitkräfte Das Seminar ist eine Veranstaltung der Katholischen Militär- seelsorge. Für Soldatinnen und Soldaten kann Sonderurlaub Anmeldung: unter Belassung von Geld- und Sachbezügen gemäß Zentrale – Anmeldung ab sofort bis 15.Oktober 2015 möglich. An- Dienstvorschrift A-1300/12 Nr. 314 gewährt werden. meldungen werden entsprechend der Zugehörigkeit zur Zielgruppe und dem Eingang berücksichtigt. Auf jeden Fall Bekleidung während des Seminars: erfolgt eine Benachrichtigung. Dienstanzug, Grundform gem. Zentralrichtlinie A2-2630/ – Das Anmeldeformular kann herunter geladen werden 0-0-5, Nr. 2.4., für die jeweilige TSK. Mantel, Pullover und bei: Oberhemd, weiß sind mitzuführen. www.gemeinschaft-katholischer- soldaten.de An- und Abreise: – Anmeldung entweder per E-Mail: Die Anreise sollte mit dem Zug bis Fulda Hbf. erfolgen. Die bundesgeschaeftsfuehrer@kath- Teilnehmer erhalten hierzu – auf Antrag – von der GKS eine soldaten.de Bahnfahrkarte 2. Klasse gestellt. Bitte vermerken Sie Ihren – oder per Brief über das Katholische Militärpfarramt, den Fahrkartenwunsch in der Anmeldung. Die Fahrkarten werden örtlichen GKS-Verantwortlichen oder direkt an die Bundes- über ein Großkundenabonnement bereitgestellt. Bei „Selbst- geschäftsstelle, Am Weidendamm 2, 10117 Berlin. kauf“ der Fahrkarte können daher nur 80 % des Kaufpreises – Eine Anmeldung ist auch formlos unter folgenden Anga- erstattet werden. ben möglich: Name, Vorname, Geburtsdatum, Dienstgrad, Das Bonifatiushaus erreicht man ab Hauptbahnhof zu Fuß in Truppenteil / Dienststelle mit Anschrift, Privatanschrift, Te- ca. 20 Min. oder vom Busterminal (schräg ggü. dem oberen lefonnummer, E-Mail-Adresse Ausgang) aus mit der Linie 3 Richtung Maberzell / Bimbach im 30-Minuten-Takt. Kostenbeitrag: Bei Benutzung von Privat-PKW kann auf Antrag eine Eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben.Für Unterkunft und Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,10 EUR / km Verpfl egung wird der für Veranstaltungen der Militärseelsorge bis zur Höhe der Kosten der Bahnfahrkarte 2. Klasse übliche gestaffelte Tagessatz für vier Tage erhoben: im Großkundenabonnement erstattet werden. Die Benutzung – bis Bes.Grp A8 4 x 9,00 = EUR 36,00 des Privat-Pkw erfolgt auf eigene Gefahr. – bis Bes.Grp A9 - A12 4 x 14,00 = EUR 56,00 Anfahrt über BAB A7 bis ASt Fulda-Nord oder aus Richtung – bis Bes.Grp A13 - A15 4 x 17,00 = EUR 68,00 Frankfurt ASt Fulda-Süd. – ab Bes.Grp A16 4 x 22,00 = EUR 88,00

Bonifatiushaus Haus der Weiterbildung der Diözese Fulda

Neuenbergerstr. 3-5 36041 Fulda

Tel.: 0661 8398-0 Fax: 0661 8398-136

info@ bonifatiushaus.de www. bonifatiushaus.de

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 45 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Sachausschuss Innere Führung „Neue Bundeswehr – neues Weißbuch“ m Montag, den 2. März 2015 war der Vorsitzende des der treffende gewesen, denn bei den ständig wechselnden AVerteidigungsausschusses und designierter Wehrbe- Kriegsbildern könne man nicht mit einer statischen Armee auftragte des Deutschen Bundestages Dr. Hans-Peter Bar- reagieren. Aber die Soldaten müssen sich auf die Einsät- tels (SPD) zu Gast beim Sachausschuss Innere Führung ze optimal vorbereiten können und dazu tauge ein Modell der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS).Ab 10.00 nicht, welches die Bundeswehr nur zu 70% ausrüsten wolle. Uhr stand Dr. Bartels in den Räumlichkeiten des Katholi- Die Verteidigungsministerin habe dies gesehen und ent- schen Militärbischofsamtes den Mitgliedern des Sachaus- sprechend reagiert, wie das Beispiel mit den Kampfpan- schusses und geladenen Gästen Rede und Antwort. Nach zern Leopard zeige. Dies sei keineswegs der Beginn einer der Begrüßung durch den Hausherrn, Militärgeneralvikar „Aufrüstungsspirale“, denn knapp über 300 Panzer stellten Monsignore Reinhold Bartmann, und dem Vorsitzenden des nicht die Bedrohung dar, seien aber eine Reaktion auf die Sachausschusses, Oberstleutnant Oliver Ponsold, stellte angespannte Sicherheitslage. In ganz Europa seien genü- sich der Gast durch ein kurzes Statement vor, damit der gend Kampfpanzer vorhanden, um auf eine plötzliche Es- Gesprächskreis auch wisse, welche Meinung er vom Ta- kalation entsprechend reagieren zu können, führte Bartels gesgeschehen habe. weiter aus. In Anlehnung an eine frühere Aussage: Euro- In seiner Eingangsbemerkung stellte Dr. Bartels fest, pa muss kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, dass erstens die Aera „nach dem kalten Krieg“ vorbei sei. erklärte der Politiker, dass der Grundbetrieb der Armee Durch die offene Missachtung des Völkerrechts bei der An- ebenso internationalisiert werden müsse wie die Einsätze. Das Attraktivitätsprogramm begrüßte der zukünfti- ge Wehrbeauftragte, zeige es doch, dass die Menschen in der Bundeswehr mehr in den Mittelpunkt rückten. Der sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland, welche in der Hauptsache in den verschiedenen Parteienstiftungen liefen, müsse mehr Aufmerksamkeit zukommen, forderte Bartels und fügte hinzu, dass es dazu gut wäre, wenn jede neue Regierung ihre Vorstellungen der Sicherheitspolitik zu Beginn der Legislaturperiode öffentlich machen würde. Die erste frage kam zu der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Der Frage- steller vermisste Anstrengungen, diese weiter zu entwi- ckeln und anzuwenden. Bartels antwortete, dass es in der Außenpolitik der EU deutlichere Fortschritte gäbe als im Bereich der icherheitspolitik. Hier würde noch sehr nati- onal gedacht und gehandelt. Er sehe hier Deutschland in der Rolle des „Antreibers“, der diese Dinge ansprechen und voranbringen solle. Das Beispiel der deutsch-franzö- sischen Brigade sei ein guter Anfang gewesen, aber es be- dürfe noch wesentlich mehr Anstrengungen, dies zu einer Militärdekan Msgr. Wolfgang Schilk (rechts) begrüßt europäischen Armee weiter zu entwickeln. Einer neuen die Gäste. Das Podium von links: Agnieszka Brugger Reform gab der Politiker eine Absage, man müsse in der (MdB), Patrick von Krienke, Oberst Dr. Burkhard Köster jetzigen Situation keine gravierenden Änderungen vor- nehmen, wichtig sei es, Planungssicherheit in die Armee nexion der Halbinsel Krim habe Russland eine neue Ära zu bringen. Neue „Reformen“ wären hier kontraproduk- eingeleitet, dies müsse unbedingt beachtet werden, ein tiv, aber ein „Nachsteuern“ – das es in fast jeder Reform „Weiter so“ könne es danach nicht mehr geben. Zweitens gab – würde das Personal „mitnehmen“, führte Bartels er- sei durch den Islamischen Staat (IS) eine neue Bedrohung klärend aus. Wichtig sei ihm, dass Militär differenzierter im Spiel der Mächte aufgetaucht, die durch ihre brutale gesehen werde in Zukunft als es bisher der Fall gewesen Missachtung der allgemeinen Menschenrechte etwas völ- sei und das Abstimmungen innerhalb der NATO erfolgen lig Neues darstelle. müssten, damit nicht jeder von allem ein bißchen hat. Die Für beide Erscheinungen bräuchte man den langen gewaltigen Ressourcen, über die Europa verfüge, spiegelten Atem, den Bundeskanzlerin auf der In- sich in der Sicherheitspolitik auf keinen Fall wieder, so der ternationalen Sicherheitskonferenz in München gefordert Politiker. Ebenso kritisch wie der nächste Fragesteller sah habe. Dies alles träfe die Bundeswehr in einer Phase, in Bartels die Probleme beim Outsourcing. Es könne kaum der die letzte Reform (ähnlich wie die Vorgänger) noch angehen, dass die Bundeswehr die Planungshoheit über nicht abgeschlossen sei. Trotz allem müsse nachgesteuert Instandsetzung und Materialsteuerung der Auslastungs- werden, damit man den Herausforderungen auch gerecht kapazität eines Herstelleres unterwerfe, hier sei das Pro- werden könne. Deshalb sei der Begriff der Transformation blembewusstsein auf Seiten der Politik deutlich gestiegen.

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Zu Afghanistan führte er aus, dass die Evaluation drin- zen keine schablonenhaften Lösungen anbieten, weil diese gend geboten sei. Zu viele Organisationen und zu viele der Realität in den Einsatzländern nicht gerecht werden Helfer hätten aneinander vorbeigearbeitet. Dieser Mangel würde. Mit einem kurzen Ausblick auf das Parlaments- an Koordination sei besonders in diesem Einsatz deutlich beteiligungsgesetz und die dazu eingesetzte Kommission geworden, wobei Bartels aber klar und deutlich sagte, dass – auf deren Ergebnis er sehr gespannt sei – endete dieser jeder Einsatz anders sei. Man könne bei solchen Einsät- intensive Gedankenaustausch mit Dr. Bartels. ❏ (BB)

Sachausschuss Innere Führung Bundeswehr 2030 – europäisch – unbemannt – privatisiert? nter diesem Thema traf sich der Sachausschuss In- Agnieszka Brugger antwortete, dass gerade durch die Unere Führung unter der Leitung von Oberstleutnant erwähnten Beispiele niemand mit Sicherheit sagen könne, Oliver Ponsold zu einm Podiumsgespräch mit der Obfrau was in der Zukunft geschehen würde. Schließlich hätte die der Grünen im Verteidigungsausschuss, Agnieszka Brug- Entwicklung Russlands vor fünf Jahren auch niemand pro- ger, in den Räumen des katholischenMilitärbischofsamtes. gnostizieren können. Sie sehe drei wichtige Punkte für eine Von militärischer Seite war Oberst i.G. Dr. Burkhard Kös- „Neuausrichtung“ der Bundeswehr: ter, Referatsleiter Innere Führung im Bundesministerium – Die sicherheitspolitische Lage Diese würde immer komplexer, einfache Lösungen gebe es nicht. Destabilisierung sei kein Problem der sogenannten Dritten Welt, sondern geschehe auch in gefestigten Staaten, wie man in der Ukraine sehen kön- ne. Die Vorgabe „Breite vor Tiefe“ sei gescheitert oder zumindest unzweckmäßig. Gerade im letzteren Falle sehe sie persönlich die Gefahr, dass durch das neue Weißbuch Entscheidungen gefällt würden, die einen ganzheitlichen Ansatz bei einer „Neustrukturierung“ nicht mehr zuließen. Zuerst müsse man die Lehren aus den Einsätzen ziehen, dann die sicherheitspolitischen Vorstellung der Regierung formulieren, diese ins Weiß- buch schreiben und dann die Entscheidungen für die Bundeswehr treffen. Unwägbarkeiten in dieser sicher- heitspolitischen Lage sei z.B. ein Bedeutungsverlust der internationalen Gremien oder der Klimawandel, der eine unkontrollierbare Flüchtlingswelle auslösen könne. – Die technologische Entwicklung Hier wäre vor allem die Robotik in Zusammenhang mit von links: Militärdekan Bernd Schaller, Militärgeneral- der Miniaturisierung von Maschienen zu nennen, die vikar Msgr. Reinhold Bartmann, Dr. Hans-Peter Bartels in den letzten fünf Jahren Fortschritte gemacht hätte, (MdB), Oberstleutnant Oliver Ponsold die man sich kaum vorstellen könne. – Der demographische Wandel der Verteidigung zur Diskussion eingeladen und stand den Bei diesem schon seit längerem bekannten Problem Gästen Rede und Antwort. Moderiert wurde das Gespräch habe man erst jetzt unter der neuen Ministerin die von Patrick von Krienke. In Vertretung des Militärgeneral- Konsequenzen gezogen und investiere in die Werbung vikars begrüßte sein Stellvertreter, Militärdekan Wolfgang von qulifiziertem Nachwuchs, Stichwort: Attraktivi- Schilk, die Gäste zu dieser öffentlichen Diskussion (Bild 1). tätsprogramm. Der Moderator eröffnete das Gespräch mit einem kur- Der Moderator stellte die kurze Nachfrage, was denn zen historischen Abriss über die letzten 24 Jahre, in denen nach ihrer Meinung die Bundeswehr wirklich können müs- viele glaubten, dass die Aera der Konfrontation Geschich- se. Daruf verwies die Obfrau des Bündnis 90/Die Grünen te sei. Durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim imVerteidigungsausschuss auf den Bericht des Wehrbe- durch Russland und durch die Krise in der Ost-Ukraine auftragten, in dem klar stehe, dass viele kleine Einsätze bilde sich wieder eine „Blocksituation“ heraus. Landes- viele Spezialisten benötige, die aber nicht in genügender und Bündnisverteidigung träten wieder an die erste Stelle Anzahl vorhanden seien, wodurch das Personal überlastet der Handlungsoptionen, die Bewältigung der Flüchtlings- würde. Ob Landesverteidigung wirklich die Hauptaufgabe problematik stehe in naher Zukunft als Herausforderung der Bundeswehr sei oder Friedenskonsolidierung müsse auf der Agenda – Frage: „Wie sieht die Bundeswehr unter im Weißbuch niedergeschrieben werden, bevor man an der diesen geänderten Rahmenbedingungen 2030 / 2040 aus?“ „Reform reformieren“ würde.

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berst Dr. Köster machte an dem Zeitraum von 1913 bis öffentliche Debatte zu suchen, dann ein Arbeitsstab aus O1943 deutlich, welche Veränderungen in einem sol- allen beteiligten Ministerien bis zur Verabschiedung. Hier chen Zeitraum von 30 Jahren möglich seien und verglich erklärte Oberst Köster dem Publikum, dass der Blog des die Themenstellung mit einer „Glaskugelleserei“. Trotz- BMVg zum Weißbuch schon genutzt würde, aber noch nicht dem sei das Thema spannend und voller Überraschungen, die Aufmerksamkeit habe, die wünschenwert wäre. Man was an dem Beispiel Balkan zu erkennen wäre. Niemand müsse abwarte, wie sich die Dinge entwickelten, es sei auf hätte 1980 den Balkan als ein größeres Problem gesehen, alle Fälle mehr als früher, ob ausreichend, sei dahingestellt. was sich ab 1990 rasant geändert hätte. Die Frage aus dem Publikum nach Finanzierbarkeit Grundlage einer solchen Beurteilung sei immer die Be- der Wünsche konnte erwartunggemäß keiner der Referen- drohungsanalyse. So hätte die Welt einen besonders starken ten beantworten. Bevölkerungszuwachs in solchen Staaten, die jetzt schon Die Schlussfrage des Moderator nach drei Wünschen als „gescheitert“ gelten würden, während die Industriestaa- für die Bundeswehr, beantwortete Dr. Köster mit bestem ten unter Nachswuchsmangel zu leiden hätten – Stichwort Material, gutes Personal, das ethisch und naturwissen- demographischer Wandel, global gesehen. Zur Technologie schaftlich gebildet berufsreflektierend sei, sowie stets sei zu erwähnen, dass noch immer, wenn Wissen vorhan- Rückhalt in der Bevölkerung. Agnieszka Brugger stellte den war, dieses auch in militärischen Mitteln seinen Nie- eine andere Beschaffungspolitik, stärkere Einbindung von derschlag gefunden hätte. Der Klimawandel sei ja vorhan- zivilen Institutionen bei der Einsatzplanung und –durch- den, nur die Auswirkungen seien noch nicht so absehbar. führung, sowie eine intensive, lebendige Debatte über die Die daraus resultierenden Armutsflüchtlinge aber schon. Sicherheitspolitik an die Spitze ihres Wunschzettels. ❏ Durch den Wandel von einer bipolaren Welt zu einer (BB) multipolaren gelte es, die nationalen Interessen in die in- ternationalen Beziehungen einzubringen, damit die Poli- tik schnell und gezielt handeln könne. Dabei sei das Mi- litär eine Handlungsoption, mit der ein Politiker sorgsam umgehen müsse. Kurznachrichten Moderator von Krienke fasste zusammen, dass bei bei- den Migration als Problem erkannt sei und fragte, ob dies ein militärisches Thema oder Handlungsfeld sei. Studie: Papst Franziskus Agnieska Brugger führte aus, dass dies ein sicherheits- politisches Thema sei, kein rein militärisches. Wie solle die internationale Gemeinschaft auf die Flüchtlingswel- füllt die römischen Kirchen le reagieren – schließlich verlasse niemand gerne seine Heimat. Eine europäische Einwanderungspolitik sei nicht oms Kirchen werden laut einer Umfrage erkennbar, ob hier Militär helfen könne sei unklar. Oberst Rdank Papst Franziskus wieder voller. Rund Köster fügte hinzu, dass es nicht Aufgabe der Soldaten sei, 62 Prozent der Katholiken in Italiens Haupt- Grenzen dichtzumachen oder Flüchtlinge aufzuhalten. Po- stadt besuchen regelmäßig oder gelegentlich litik müsse ein Mandat für den Einsatz von Soldaten schon einen Gottesdienst und 40 Prozent lesen „reli- begründen. Zur Problematik der Flüchtlinge führte er giöse Texte“, wie das Meinungsforschungsins- weiter aus, dass in der Geschichte sich gezeigt habe, dass titut Censis ermittelte. Immigration ein Gewinn für eine Gesellschaft sein könne. Diese Zahlen zeigten eine „tendenzielle Problem sei die Frage der behandlung von den sogenann- Rückkehr“ zur Volksfrömmigkeit, zitierte die ten „failed states“, aus denen die Bevölkerung „abhaue“. Tageszeitung „Avvenire“ am Mittwoch aus der Übereinstimmend sagten beide Referenten, dass die Umfrage. Als Hauptgrund hierfür sehen die Au- Bundeswehr europäischer werden würde, von einer Euro- toren der Erhebung den Angaben zufolge die pa-Armee sei man noch weit entfernt. Dabei gelte es nicht Person von Papst Franziskus. nur, nationale Vorbehalte zurückzustellen, man müsse auch Die kirchliche Sexualmoral hingegen wird als Grundlage des Handelns ein europäisches Sicherheits- laut der Umfrage in wesentlichen Punkten von interesse formulieren könne. Hier liefen die nationalen einer Mehrheit der Katholiken Roms abgelehnt. Vorbehalte der Entwicklung konträr. Den großen Vorteil Rund 73 Prozent seien der Auffassung, das der Bundeswehr, eine Parlamentsarmee zu sein, betonte kirchliche Lehramt solle seine Positionen über- Agnieszka Brugger könne sie sich nur vorstellen aufzuge- ben, wenn die Rechte an das Europaparlament übertra- denken. 64 Prozent sprechen sich den Angaben gen würde. Da aber fast alle Operationen heutzutage nur zufolge für eine Anerkennung gleichgeschlecht- noch „joint“ also gemeinsam durchgeführt würden, führte licher Partnerschaften aus, allerdings ohne die Oberst Köster aus, sei die „Europäisierung“ der Bundes- Möglichkeit einer Ehe-schließung und einer wehr unausweichlich. Ebenso wünschten beide sich eine Adoption von Kindern. 56 Prozent der Katho- offene Debatte über die Sicherheitspolitik, nicht nur na- liken wünschen sich, dass Priester heiraten tional, sondern im europäischen Rahmen, damit die „Ge- können. ❏ (KNA) meinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) immer konkreter würde. Am Beispiel Weißbuch wäre zuerst die

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Sachausschuss Sicherheit und Frieden Frieden ist möglich und geboten

er Sachausschuss traf sich unter der Leitung seines DLeiters, Oberstleutnant Rufin Mellentin, zur Arbeits- tagung in Berlin am 19./20. Juni 2015 in den Räumen des Katholischen Militärbischofsamtes (KMBA). Am Beginn und am Ende standen jeweils „ Werkstatt- gespräche“. Zur Einstimmung in die Grundthematik „ Weißbuch 2016“ konnte ein fast zweistündiges Gespräch mit MdB Florian Hahn, Sprecher der CSU-Landesgruppe für Auswärtiges und Verteidigung geführt werden. Der Po- litiker positionierte sich deutlich, und konnte – vor allem in der Diskussionsphase – auch uns, und damit die GKS, als engagierte und wertegebundene Soldaten erfahren. In- soweit war es mit Blick auf unsere Tagesordnung eine ge- lungene Auftaktveranstaltung. Anschließend ging es ins Eingemachte: die Erstellung eines Positionspapieres mit dem Arbeitstitel: „Der Frieden ist möglich und daher auch geboten“. Den Schluss bildete ein vertrauliches und ausführli- ches Gespräch mit dem Leiter der „Projektgruppe Weiß- Der Leiter des Sachausschusses Oberstleutnant Rufin buch 2016“ im BMVg, Brigadegeneral Carsten Breuer. Mellentin mit dem Abgeordneten Florian Hahn Er plädierte dafür, in einer auf Recht basierten Welt- und Werteordnung, unsere (deutschen) Interessen zu formulie- Der Tag endete mit dem gemeinsamen Besuch des ren. Dies, so waren wir uns einig, entspricht genau unserem Standortgottesdienstes. Selbstverständnis. Mit BG Breuer wurde der Entwurf des Werkstattgespräche, so waren wir uns alle einig, soll- Positionspapiers im Zusammenhang mit den Ausführun- ten häufiger durchgeführt werden, um somit auch uns, die gen des Generals zum Weißbuch vertraulich diskutiert, da GKS, attraktiver und bekannter zu machen. ❏ beide Papiere ja erst im „Entstehungsgang“ sind. (Text: Rufin Mellentin, Foto: Oliver Ponsold)

Kurznachrichten Erzbischof von Mossul fordert westliche Hilfe gegen Terroristen

er katholische Erzbischof von Mossul, Yohanna Petros Mouche, hat die Haltung des Westens gegenüber Dder Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) scharf kritisiert. „Die Menschen im Westen kämpfen für den Erhalt vom Aussterben bedrohter Tierarten. Wie können sie dann tatenlos zusehen, wenn ein ganzes Volk vertrieben wird?“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er appellierte an die westlichen Staaten, die vom IS besetzten Gebiete zu befreien. Reine Mitleidsbekundungen überzeugten ihn nicht, so Mouche. Zudem sei der Westen selbst bedroht. „Heute sind sie bei uns. Morgen werden sie bei euch sein“, warnte der Erzbischof. Für die syrisch-katholischen Chris- ten wünsche er sich „ein eigenes Gebiet, in dem wir sicher sind“. Der IS kontrolliert Mossul seit Juni vergangenen Jahres. Die zweitgrößte Stadt des Irak gilt als strategisch und wirtschaftlich bedeutsam, unter anderem wegen ihrer Ölraffinerien. Zunächst habe niemand geahnt, wie gefährlich die Terroristen für die Christen der Region werden würden, sagte Mouche. Er kritisierte auch die irakische Regierung. „Die Schwäche des irakischen Zentralstaats eröff- nete schwachen Seelen diverse Möglichkeiten, Minderheiten zu bedrohen.“ Instabile Verhältnisse hätten den IS erst möglich gemacht. Selbst einen Staat zu führen, traue er den Extremisten nicht zu, erklärte Mouche. „Sie haben versucht, das Kulturerbe der Menschheit im Nahen Osten auszuradieren. Diese Leute können keinen Staat im demokratischen Sinne gründen. Ihre Politik ist nur eine der Zerstörung.“ ❏ (KNA)

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GKS-Kreis Bad Neuenahr – Ahrweiler „Erwanderung“ des Jahresthemas am Beginn der Fastenzeit

audato Si, o mio Signor – sei gepriesen für deine Schöp- Lfung. Die Wanderer der GKS Bad Neuenahr-Ahrweiler sangen an der Kapelle unterhalb des Kraters vom Laacher Sees dieses Danklied. Zu Beginn der Fastenzeit wurde der Geopfad Trasshöh- Die Teilnehmer des Familienwochenendes an der lenweg erwandert. Er führt in der Nähe von Maria Laach Dhünn-Talsperre entlang einer bezaubernden Landschaft, durch geheimnis- volle Höhlen, vorbei an natürlichen Mineralquellen durch Der Vorsitzende Michael Wilke konnte dort die Refe- die wildromantische Wolfsschlucht bis an die römischen rentin Hildegard Stumm von der Katholischen Arbeitsge- Steinbrüche der Maurerley. Durch die Nähe der Schöp- meinschaft für Soldaten (KAS) aus Berlin begrüßen. fung inspiriert, konnte während des Fußmarsches das Jah- Wir haben an diesem Wochenende im Tagungshaus Maria in der Aue technisch machbares untersucht. Dazu haben wir uns mit sozialen Netzwerken, Sterbehilfe und Drohnen auseinandergesetzt. Vieles ist tatsächlich mög- lich und nutzbar, doch wo sind moralische Grenzen? In- tensive Diskussionen wurden von unserer Referentin mit Sachkenntnis und Engagement geleitet. Mit einer Wanderung durch Gottes schöne Natur zur Dhünn-Talsperre (Bild) wurde die Wasserversorgung die- ser Region erkundet. Der beeindruckende Gottesdienst am Sonntag im Altenberger Dom war einer der Höhepunkte dieses Wochenendes. ❏ (Text und Foto: Michael Wilke)

Die durch die Grippewelle „verkleinerte“ Gruppe GKS Bereich West Familienwerkwoche 2015 bei einer Rast Die Welt im Wandel: resthema der GKS „technisch machbar – ethisch vertret- bar?“ ausdiskutiert werden. Dabei stand im Hintergrund Krisen in Syrien, Ukraine, Irak, Terror durch die IS die Gefahr vor Augen, durch menschliche Einwirkungen Interventionsmöglichkeiten – ethisch hinterfragt die göttliche Schöpfung zu zerstören. Mit Spannung wird das genaue Programm der GKS-Akademie Oberst Korn im ie diesjährige Werkwoche der GKS Bereich West fand November erwartet, die sich mit der technologischen Ent- Dvom 29.03. bis 03.04. 2015 in Bischofsreut im Witi- wicklung des Kriegsbildes beschäftigen wird. kohof unter der Leitung des Bereichsvorsitzenden Oberst Leider mussten einige Mitglieder der Grippewelle i.G. Albert Hecht statt. Es waren 13 Familien angereist Tribut zollen, die etwas verkleinerte Gruppe wurde aber (Bild 1), die sich mit dem oben genannten Thema ausein- bei freundlichem Wetter mit vielen Besonderheiten die- andersetzen wollten. ses Weges und intensiveren Gesprächen entschädigt. ❏ Die zu betrachtende Region und die Thematik waren (Text und Foto: Michael Wilke) derart umfangreich, dass zu Beginn eine Schwerpunktset- zung erfolgen musste. Anhand der 14 Auslandseinsätze der Bundeswehr wurden Konflikte der Regionen aufgezählt, erklärt und beleuchtet, sowie historisch hergeleitet. Zu- sammenhänge, Einflüsse, Verbindungen und Probleme der GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler Missionen wurden aufgezeigt. Die Gesamtbetrachtung der Region zeigte zahlreiche Konfliktlagen zwischen Staaten, Wochenende im Tagungshaus Maria in der Aue mit teilweise religiösem Hintergrund, im Streit um Han- delswege oder Ressourcen. as Jahresthema der GKS lautet für 2015: „Technisch Den ersten Schwerpunkt sollte die durch den Fluss Dmöglich – Ethisch machbar“. Dnepr in Ost- und West- geteilte Ukraine bilden. Nach der Dazu startete der Kreis aus dem Ahrtal zu einem Wo- räumlichen Einordnung der Ukraine wurden viele Facetten, chenende ins Bergische Land. wie z.B. die Schlüsselstellung von Dnjepropetrowsk, die

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Stellung der Oligarchen, die Bedeutung der Industrie und sogenannten Islamischen Staates“ (IS) mit zur Zeit ca. 3 von Patenten, die ethnische Vielfalt, die Schlüsselstellung Millionen Muslimen, die vom IS beherrscht werden,Der IS der Kosakengruppierungen, die Tartaren in der Krimre- verfolgte eine besonders strenge und unduldsame Ausle- gion, die historische Bedeutung von Kiew als Hauptstadt gung des Islam erläutert.. Dieses Größenverhältnis zeig- der Ukraine und Mutter der russischen Städte aufgezeigt. te auf, dass eine generelle Verurteilung des Islam abso- Anschließend erfolgte die Zusammenfassung der jüngsten lut unangebracht ist. In unserem freiheitlich orientierten Entwicklungen in der Ukraine von der friedlichen Demons- Staat, der die Vielfalt der Religionen unterstützt, sind die tration, über die Eskalation im Februar 2014, den Sturz des Möglichkeiten des Eingreifens gegen radikalisierte Reli- Präsidenten Janukowitsch, der Bildung der Übergangsre- gionsauslegungen jedoch sehr schwierig. gierung und der Entwicklung der Krimregion. Hier wurde In diesem Zusammenhang wurden die Regionalmäch- deutlich, dass Konflikte nicht einfach entstehen, sondern te Türkei, Iran und Saudi Arabien betrachtet. Durch die teilweise auch gerichtet geschaffen werden. Demokratiebewegung in der arabischen Welt, aber auch Als nächstes wurde Putin als Person, als Persönlich- durch die Interventionen, besonders in Afghanistan und keit und in seiner Position betrachtet. Die Erläuterung dem Irak, sind die benachbarten Feinde des Iran ausge- des Ukrainekonfliktes als Gefahr für die Allianz zwischen schaltet worden. Dadurch entstand die Möglichkeit für den Russland und Europa sollte als Input zum Weiterdenken Iran, seine Macht in Richtung Irak, Syrien, Libanon und des Einzelnen dienen. auch Jemen auszuweiten. Dies alles und der Konflikt zwischen Schiiten und Sun- niten in Syrien und dem Irak als Grundlage zur Entstehung des IS zeigte die Komplexität des Themas. Danach wurde der IS mit seinem selbsternannten Ka- lifen an der Spitze, seiner Organisation, und seiner Idee erläutert. Nach diesen Informationen entstanden noch ein- mal angeregte Diskussionen über die Reaktionsmöglich- keiten der Weltmächte, der Politik, der katholischen Kir- che und letztendlich auch eines jeden einzelnen von uns. Es war klar, dass es nicht möglich sein wird, diesen Themenkomplex in ein paar Tagen abschließend zu be- handeln. Als Fazit waren die Teilnehmer sensibilisiert für das Thema und bekundeten die Absicht, sich zukünftig Die Teilnehmer an der Familienwerkwoche informieren zu wollen und wachsam zu bleiben bei die- sem Thema. Über die Oligarchenproblematik und die Schwierig- Die Kinder und Jugendlichen wurden während der Ar- keit der Staatsführung Russlands wurde der Tschescheni- beitseinheiten wie immer betreut. Neben der Auseinan- enkrieg eingeordnet. Gruppierungen innerhalb Russlands dersetzung mit so einem anspruchsvollen Thema sollten und deren Problemfelder wurden dargestellt. In Tsche- natürlich die Familien auch gemeinsam Zeit verbringen. schenien waren die Ölvorräte und die Verteilung der Ge- Einen Nachmittag machte die Gruppe einen Ausflug in eine winne daraus von größtem Interesse. Einzelne Gruppen wurden gegeneinander ausgespielt und mobilisiert. Durch die Eliminierung der Islamisten in Tscheschenien sind ei- nige von ihnen auch als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Die Radikalisierung einzelner Gruppen kann die Grundlagen für die Ideologie des sogenannten „Isla- mischen Staat“ schaffen. Die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten auf die Si- tuation in der Welt wie zum Beispiel Intervention, Unter- stützung, Beobachtung oder abwartende Haltung wurden aufgezeigt und ethisch betrachtet. Es entstand eine sehr lebhafte Diskussion. Hierbei wurde auch die Forderung nach der Notwendigkeit eines Plans für eine anschließen- de Friedensordnung als Voraussetzung jeder Intervention erarbeitet und zeigte erneut die Schwierigkeiten des Han- delns in diesem Zusammenhang auf. Selbstgebackenes schmeckt einfach besser! Danach beschäftigte sich die Gruppe mit der Glau- bensrichtung des Islams. Die Entwicklung des Islams, nahegelegene Glasbläserei, in der nach der Demonstrati- die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten bis hin on und Erklärung des Handwerks, die Kinder selber eine zur endgültigen Spaltung der Sunniten und Schiiten durch Glaskugel blasen durften. An einem anderen Nachmittag den Tod Husseins, des Enkels Mohammeds, wurden als wurde das Freilichtmuseum in Finsterau besucht. Origi- Grundlagen dargestellt. Innerhalb der etwa 1,3 Milliar- nalgetreu erhaltene und modern aufbereitete Höfe, Bau- den Muslime weltweit wurde dann die Gruppierung des ernhäuser und eine Dorfschmiede aus dem bayerischen

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Wald halten hier die Jahrhunderte alte Baukultur und die Danach informierte er die Vertreter der Kreise um- einstige Arbeitswelt lebendig. Während die Erwachsenen fassend über die Arbeit auf Bundesebene. Sowohl bereits eine Führung im Museum genossen, konnten die Kinder bestehende als auch im Bundesvorstand neu festgeleg- und Jugendlichen ein Brot backen (Bild 2) oder einen Ket- te Regularien für die Durchführung von Veranstaltungen tenanhänger schmieden. der Kreise wurden erläutert. Im Besonderen wurde hier- Die Abende waren sehr kurzweilig. Neben einem Bingo bei noch einmal auf die inhaltliche Arbeit, Abrechnungs- Abend fand ein bunter Abend statt, an dem jede Familie kreativ das Programm mitgestaltete. Militärdekan Bernd Schaller hat die Gruppe als Geist- licher Beirat bei dieser Woche begleitet und einige Zusam- menhänge aus seiner Sicht beleuchtet. Am Mittwoch feierte er mit den Familien einen Gottesdienst in der Ortskirche. Sowohl bei dem Gottesdienst als auch in den Morgenan- dachten wurde der Gesang der Familien musikalisch von Markus Wolters auf einem elektrischen Klavier begleitet, das er extra zu diesem Zweck im Gepäck hatte. Die Gruppe hat neben den umfangreichen neuen Er- kenntnissen und neuen Gedankenanregungen mit Sicher- heit auch viele schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit zurück genommen. ❏ (Text: Dr. Karin Schrödl, Fotos: Marian Schiebilski) Militärpfarrer Michael Kühn beteiligt sich an der musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes

GKS-Bereich West und Genehmigungsverfahren, Benutzung der Checkliste, Zusammenarbeit mit dem geistlichen Beirat und die Be- Bereichkonferenz I / 2015 richterstattung im AUFTRAG eingegangen. Mit Blick auf den weiteren Verlauf des GKS Jahres om 08.05.2015 bis 10.05.2015 fand unter der Leitung 2015 wurde auf die bevorstehenden Veranstaltungen GKS Vdes Bereichsvorsitzenden Oberst i.G. Albert Hecht die Akademie Oberst Korn, die Akademie Abende in Zusam- Bereichskonferenz des Bereiches West im Haus Hochwald menarbeit mit der Thomas-Morus-Akademie und den Jah- in Horath statt. resempfang des GKS Kreises Köln Wahn zusammen mit Aus 10 GKS Kreisen/Standorten waren Vertreter mit dem Kreis Köln hingewiesen mit der Bitte um Teilnahme, ihren Familien angereist. Im Jahr 2014 hatten in einigen Bekanntgabe und Werbung weiterer Teilnehmer in den Kreisen aufgrund von Versetzungen oder anderen Grün- Kreisen. den die Vorsitzenden ihre Arbeit beenden müssen. Für alle Dann wurde im Hinblick auf den Katholikentag 2016 Kreise konnten bereits im letzten Jahr neue Vorsitzende in Leipzig der derzeitige Stand der Planungen auf Bun- gefunden werden. Dadurch waren diesmal einige neue desebene bezüglich der Beteiligung der GKS erläutert. Gesichter in der Runde der aktiv Mitarbeitenden zu ver- Die AG Haushalt, die auf Bundesebene zur Prüfung zeichnen. In der Vorstellungsrunde am Freitagabend, die und Überarbeitung der haushalts- und abrechnungstechni- der Begrüßung und einigen Einführungsworten des Vor- schen Vorgaben eingerichtet worden ist, wurde vorgestellt sitzenden der GKS West folgte, konnten sich alle kennen- und für den Bereich West wichtige Themen diesbezüglich lernen. Im Anschluss erfolgte in gemütlicher Runde ein herausgestellt. reger Austausch über die Zeit der letzten Zusammenkunft. Es folgte ein Bericht aus dem Sachausschuss Kom- Am Samstag begann nach einem Morgenimpuls der munikation über den derzeitigen Stand der Arbeit und die Hauptteil der Konferenz. Wie in den vergangenen Jahren zukünftig angedachten Vorgehensweisen. lag der Schwerpunkt der Konferenz wieder bei der Arbeit Anschließend wurden die Delegierten des Bereiches an der Basis also in den einzelnen Kreisen. West für die Woche der Begegnung gewählt. Erfreulich Zuerst gab jeder Vertreter für seinen GKS Kreis über war, dass hierbei 13 aktive Soldaten zur Wahl standen und den Sachstand, die Arbeit, die durchgeführten Veranstal- somit also auch eine Liste an Ersatzdeligierten in ausrei- tungen und die Planungen für den Rest des Jahres 2015 chendem Umfang für eventuelle Ausfälle Einzelner auf- einen Kurzbericht ab. gestellt werden konnte. Dem folgte der Bericht des Bereichsvorsitzenden. Im darauf folgenden Austausch und der Diskussion zu Nach dem Dank für das ehrenamtliche Engagement an verschiedenen Punkten, wobei nun auch die Kreise ihre die Anwesenden informierte Oberst i.G. Hecht über die Anliegen vorbringen konnten, wurden unter anderem die durchgeführten Veranstaltungen auf Bereichsebene, wo- Führung der Mitgliederlisten, Umgang mit Neumitgliedern bei er im Rückblick besonders die Familien-Werkwoche und Vorgaben innerhalb des Bereiches bezüglich der Kos- im April als rundum gelungene Veranstaltung mit heraus- tenkalkulation thematisiert. Daraus resultierten wieder ei- ragender thematischer Ausrichtung entlang des Jahrest- nige Aufträge für die Vertreter im Bundesvorstand, die auf hemas hervorhob. Bundesebene weiter geklärt werden sollen.

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Der Bericht des geistlichen Beirates musste leider ent- handeln sind deshalb auch für den Menschen gottgewoll- fallen, da dieser kurzfristig erkrankt war. te Tugenden. In dem Zusammenhang waren die Teilnehmer begeis- Zentrales Heiligtum des jesidischen Glaubens ist La- tert von Militärpfarrer Michael Kühn aus Mayen, der sich lish, ein Ort nahe Mossul im Nordirak. Hier ist der wich- kurzfristig nach einer Anfrage am Freitag Abend bereit er- tigste jesidische Prophet begraben, Sheikh Adi. Um sein klärt hatte, Sonntags anzureisen, um mit der Gruppe den Leben ranken sich zahllose Legenden. Sein Grab teilt das Gottesdienst (Bild ) zu feiern. Ihm möchten wir dafür noch Schicksal seiner jesidischen Glaubensbrüder: Es wurde einmal sehr herzlich danken. mehrfach verwüstet, geplündert und entehrt. Trotzdem ist Zum Ende der Bereichskonferenz stellten die Teilneh- es den Jesiden immer wieder gelungen, die Tempelanlage mer fest, dass sie mit vielen neuen Informationen, Anre- neu aufzubauen und als Ort der spirituellen Ausstrahlung gungen, Hilfen für die Arbeit vor Ort und Erinnerungen zu erhalten. Jeder Jeside hat die Pflicht, wenigstens einmal vieler schöner persönlicher Kontakte und Gespräche im in seinem Leben Lalish zu besuchen. Von der Wallfahrt Gepäck die Heimreise antreten werden. ❏ bringt er dann „heilige Steine“ mit, aus Erde von Lalish und dem Wasser der nahen Zemzem-Quelle geformte Kü- gelchen. Das sind wichtige Symbole im Jesidentum, das sonst nur ganz wenige „greifbare“ Zeugnisse bereithält: Ein heiliges Buch wie den Koran, die Bibel oder die Tho- GKS-Kreis Koblenz ra kennen die Jesiden nicht. Religiöse Schriften sind ih- nen praktisch unbekannt. Ein Volk und eine Religion, die „Gut reden, gut denken, gut handeln“ fast ständigen Verfolgungen ausgesetzt war, hat als Über- lebensstrategie die rein mündliche Überlieferung des je- er GKS-Kreis Koblenz startete unter neuer Führung sidischen Glaubens entwickelt. Das religiöse Wissen wird Dmit seinem ersten erfolgreichen Familienwochenende: von Generation zu Generation von Sheiks und Piren wei- „Christen und Jesiden“ war das Thema, passend zum GKS tergegeben, den Kundigen im Jesidentum. Diese „Kas- Jahresmotto „Brücken bauen“. Am 3. Adventswochenen- ten“ der Priester bleiben unter sich, da Angehörige der de konnten Hptm a.D. Benno Nußbaum (Geschäftsführer) und FlArzt Dr. Martin Haase (Vorsitzender) dazu insgesamt knapp 60 Teilnehmer begrüßen. Frau Zemfira Dlovani referierte als Jesidin aus eigener Erfahrung. Diese junge Frau hat eine spannende Lebensge- schichte: In Armenien (noch zu Zeiten der UdSSR) als Jesi- din geboren, kam sie vor 20 Jahren nach Deutschland. Hier studierte sie zunächst in Bielefeld Jura, bevor sie ihr weite- rer Lebensweg nach Koblenz verschlug. Mittlerweile arbei- tet sie in Koblenz als selbständige Rechtsanwältin erfolg- reich in eigener Kanzlei. Politisch ist sie auf Landes- und Bundesebene als Beraterin für Integrationsaufgaben tätig. Von rechts: Vorsitzender GKS West Oberst i.G. Albert Sicherlich stellen Sie sich jetzt die Frage, was genau Je- Hecht, Geschäftsführer GKS Kreis Koblenz Hptm a.D. siden sind. Wie feiern Jesiden, wie praktizieren sie ihren Benno Nußbaum, Referentin Rechtsanwältin Dlovani, Glauben, wie wird man Jeside? Genau darum ging es an OStArzt Dr. Karin Schrödl und FlArzt Dr. Martin Haase diesem Wochenende. Frau Dlovani berichtete, dass in Deutschland immer- Sheiks und Pire nur untereinander heiraten dürfen. Auch hin ca. 60.000 Jesiden leben. Vertrieben wurden sie aus der dritte Stand, die normalen Gläubigen, heiratet nur in- einem Gebiet, das sich von Nord-Syrien, dem Nord-Irak, nerhalb der eigenen Standesgruppe. Jesiden heiraten also Teilen der Ost-Türkei bis in den Iran und nach Armenien nur untereinander. Das ist eine Garantie für die Reinheit erstreckt. Die Jesiden verstehen sich als Kurden. Scharf der Überlieferung und den Zusammenhalt der jesidischen grenzen sie sich von den zum Islam konvertierten musli- Glaubensgemeinschaft. In einem Umfeld der permanen- mischen Kurden ab. Jesiden haben ihre eigene Religion. ten Bedrohung und Verfolgung wurden Jesiden, die sich Sie sind deshalb in der Geschichte immer wieder von zahl- für einen nicht-jesidischen Ehepartner entschieden, des- losen Fanatikern und Terroristen brutal verfolgt worden. halb für immer aus dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. In jüngster Zeit müssen sie vor den Greueltaten des so- Jeside ist man darum von Geburt an. Ohne jesidische Eltern genannten Islamischen Staats (IS) fliehen. Immerhin sind kann man niemals Jeside werden. Durch Vater und Mutter etwa 600.000 Jesiden dort akut bedroht. wird die Volks- und Religionszugehörigkeit der Kinder be- Das Jesidentum geht davon aus, dass seine Wur- stimmt. Es gibt deshalb keine Taufe und keine Möglichkeit, zeln bis etwa 2000 Jahre vor Christi Geburt reichen. von außen einzutreten. Trotzdem blicken die Jesiden auf Wie das Christentum handelt es sich um eine monotheis- erstaunliche vier Jahrtausende eigener Tradition zurück. tische Religion. Gott ist einzig; er ist allmächtig und gut. Die rituellen Vorschriften scheinen bei Jesiden weni- Das Böse hat keinen Namen, da Gott in seiner Allmacht ger streng zu sein, als das von den benachbarten Religio- nicht zulassen kann, dass außer seinem guten Willen eine nen des Islam und des Judentums bekannt ist: Es gibt ein andere Kraft existiert. Gutes reden, gut denken und gut Fasten, das aber nur über jeweils drei Tage in den letzten

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 53 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS drei Dezemberwochen stattfindet. Ähnlich wie im musli- So gestärkt möchte der GKS-Kreis Koblenz auch im mischen Ramadan, fasten Jesiden dann von Sonnenauf- neuen Jahr weitere Aktivitäten durchführen. Ein zweites gang bis –untergang. Das Fastenbrechen ist am Ende ein Familienwochenende ist bereits vom 26.-28.06.2015 vor- großes Fest. Jesiden feiern aber auch sonst gerne und in gesehen. Bis dahin soll es noch einige kleinere „Events“ großer Gemeinschaft. Essen und Trinken im großen Fami- geben (Winterspaziergang, Kanutour auf der Lahn). ❏ lienverband stärkt und fördert die Beziehungen und den (Text: Martin Haase, Foto: Benno Nußbaum) Zusammenhalt. Nur im Februar wird diese schöne Gewohn- heit noch einmal von einem kurzen Fasten unterbrochen. Zur religiösen Unterweisung suchen sich jesidische Gläu- bige jeweils einen Glaubensbruder oder eine Glaubens- schwester. Diese „Verbündeten im Glauben“ begleiten ei- GKS-Kreis München nen Jesiden Zeit seines Lebens. Am Ende haben sie dann auch die Aufgabe, als letztes Zeichen der Verbundenheit Politikergespräch mit die Totenwaschung auszuführen. Diese spannenden Einblicke in eine fremde Religi- Julia Obermeier, MdB on wurden am Abend jeweils bis tief in die Nacht in den Gasträumen des Familien-Hotels Hochwald im Hunsrück m 11.02.2015 besuchte MdB Julia Obermeier (Bild) fortgesetzt. Frau Dlovani wurde nicht müde, den nicht ab- Aden GKS-Kreis München und referierte in der OHG reißenden Strom von Fragen lebhaft zu beantworten. Nur „Johann Goercke“ im Münchener Norden über ihre Arbeit der Kellner hat in den frühen Morgenstunden die ange- als Abgeordnete des Bundestages, des Verteidigungsaus- regte Koblenzer Runde gebremst... schusses und des Petitionsausschusses. Von Seiten des Vorsitzenden GKS Bereich West, Oberst Der Kreisvorsitzende, OLt Oliver Slojkowski, stellte i.G. Hecht, konnte am Ende eine rundweg positive Bilanz Frau Obermeier im Rahmen seiner Begrüßung vor. gezogen werden. Das „junge“ Team aus Koblenz hatte Frau Obermeier gab dem, aus fast allen ansässigen unter seiner wohlwollenden Teilnahme die „Feuerpro- Dienststellen bestehenden Publikum Einblicke in ihre Ar- be“ eines gelungenen Familienwochenendes voller Freu- de bestanden. Ganz wesentlich wurden Benno Nußbaum und Martin Haase von einer langjährigen Erfahrungs- trägerin aus den Reihen der GKS unterstützt: OStArzt Dr. Karin Schrödl, Ansprechpartnerin des „Nachbar- kreises“ Mayen. Sie hat Organisation und Durchführung des Wochenendes von Beginn an tatkräftig und voller Elan mitgetragen. Ohne den Vorsitzenden GKS Bereich West und die Hilfe von OStArzt Dr. Schrödl wäre der er- folgreiche Neubeginn für den GKS Kreis Koblenz nicht gelungen. Wir danken den beiden ganz herzlich dafür! Als Glücksfall stellte sich auch heraus, dass Hptm a.D. Benno Nußbaum mit Frau Dlovani eine so kompetente und lebendige Referentin gewinnen konnte, die wie keine andere das GKS Jahresthema „Brücken bauen“ zwischen Christen und Jesiden vermitteln konnte. Julia Obermeier (MdB) beim Vorttrag im Casino Den Abschluss konnten die Familien dann noch mit einem ganz besonderen „Highlight“ feiern: Militärpfarrer beit als Mitglied des Verteidigungsausschuss. Von beson- Michael Kühn ließ es sich nicht nehmen, den Weg durch derem Interesse waren dabei ihre Ausführungen zur Krise Dunkelheit und Nebel in den Hunsrück zu nehmen. Der in der Ukraine, dem Konflikt mit dem IS im Irak und Sy- neu ernannte Militärpfarrer für Mayen, Daun und Gerol- rien und der Münchener Sicherheitskonferenz. stein hielt eine seiner ersten hl. Messen im neuen Amt in In der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion der Hauskapelle des Hotels. Als ehemaliger „Olympia- stellte sich Frau Obermeier den Fragen des interessierten pfarrer“ der Deutschen Bischofskonferenz hatte er keiner- Plenums. Die Fragen umfassten das Spektrum von den ak- lei Mühe, zu unserer „GKS-Mannschaft“ einen spontanen tuellen Krisenherden bis zum Attraktivitätsprogramm der herzlichen Kontakt herzustellen. Mit eigener Gitarre be- Ministerin. Angesprochene Anregungen und Kritik wurden gleitete er die fröhlichen Messgesänge. Am Ende meinte von Frau Obermeier notiert, um diese in ihrer Tätigkeit als er erfreut, als Gemeindepfarrer, der er bis jetzt war, hätte Abgeordnete zu nutzen. er sich manchmal auch so viele junge Sänger gewünscht. Nach über einer, gefühlt viel zu kurzen Stunde musste Auch die Referentin Frau Dlovani hat als Jesidin un- uns Frau Obermeier bereits für einen nachfolgenden Ter- sere GKS-Gemeinschaft unmittelbar miterlebt und am min verlassen. Wir wünschen Frau Obermeier weiterhin Familiengottesdienst teilgenommen. Die Erfahrung, wie alles Gute in ihrer Arbeit als Abgeordnete und würden uns katholische Soldatenfamilien ihren christlichen Glauben freuen, Sie bald wieder als Gast einer GKS-Veranstaltung leben, hat sie begeistert. Dadurch wurde aus der „Brücke“ einzuladen. ❏ nicht nur eine Einbahnstraße. (Text: Oliver Slojkowski, Foto: Julia Langer)

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GKS-Kreis Nörvenich Zum Abschluss des Familienwochenendes feierten die Teilnehmer einen adventlichen Gottesdienst mit Pfarrer Der Nahe Osten und die Hauser und erfuhren dort sehr interessante Ausführungen zu Inhalt und Botschaft der vier Adventssonntage, die in Weihnachtsbotschaft den Strophen des Liedes „Wir sagen euch an den lieben Advent“ zum Ausdruck kommen. Anschließend folgten ach der Anreise am 12.12.14 traf sich die Gruppe zu der Dank an Pfarrer Hauser für seinen unübertroffen au- Neiner kurzen Vorstellungsrunde im adventlich aufbe- thentischen Vortrag und an die beiden Kinderbetreuer für reiteten Seminarraum. Der Referent Dekan a.D. Hauser ihre professionelle Arbeit sowie der Wunsch aller Teilneh- stellte sein Programm vor und eine gemütlich weihnacht- mer nach weiteren Veranstaltungen dieser Art im nächsten liche Stimmung ließ den ersten Abend mit dem einen oder Jahr. Interessenten aus anderen GKS-Kreisen sind hierbei anderen Glühwein ausklingen. stets willkommen. Am nächsten Tag ging es dann nach einem ausgiebi- Dieses Thema regte auch beim abendlichen Zusam- gen Frühstück in die thematische Arbeit. mensein noch die Gemüter zu regen Gesprächen an. Nach „Irgendwann knallt es dort richtig“ war die Prognose reichhaltigen Mittagessen fuhren die Teilnehmer mit vielen des (Ex-)Militärdekans für Bonn und nun im (Un-)Ruhe- neuen Erkenntnissen in Richtung Heimat. ❏ stand befindlichen Pfarrers Paul Hauser zur Lage in Israel, (Text und Foto: Georg Zilleken) die von ihm als ausgewiesenem Insider sehr lebendig und plastisch geschildert wurde. Seine Ausführungen zur Zu- kunft der im Heiligen Land lebenden Christen verhießen letztlich einen stetigen Schwund dieses Bevölkerungsan- teils, verbunden mit einer wachsenden Konfrontation zwi- GKS-Kreis Nörvenich schen jüdischen Israelis und palästinensischen Moslems. Brennpunkt dieser Zeitbombe ist nach seiner – von vielen „Technisch möglich – Ethisch machbar“ Bildern untermalten – Darstellung der Tempelberg in Je- er GKS-Kreis Nörvenich führte vom 19.06. 2015 bis D21.06. 2015 ein Familienwochenende unter dem Jah- resthema der GKS für 2015 „Technisch machbar! – Ethisch vertretbar?“ durch. Tagungsort war Kirchberg, die ältes- te Stadt im Hunsrück. In der Tagungsstätte „ Landhotel Karrenberg“, vormals Rüstzeitheim der Evangelischen Militärseelsorge, waren die Teilnehmer bestens versorgt. Nach einem leckeren Abendessen begrüßte der Kreisvor- sitzende Stabsfeldwebel Georg Zilleken die Teilnehmer und den Referenten Georg Baumann, Datenschutzbeauf- tragter des Bundesverbandes der Datenschutzbeauftrag- ten (BvD e.V.) Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und Einführung in das Thema durch den Kreisvorsitzenden, übernahm Georg Baumann die Regie. In einer ersten Ar- Die Teilnehmer am Familienwochenende, ganz links: beitseinheit führte der Referent, von Beruf Rechtsanwalt, Paul Hauser in das Thema ein (Bild 1). rusalem, der vielfältige Geheimnisse birgt und seit Jahr- tausenden zwischen den Religionen umstritten ist. Der Vortrag war Kernstück des Familienwochenendes vom 12. bis 14. Dezember 2014 im Tagungshotel „Maria in der Aue“ in Wermelskirchen, das der GKS-Kreis Nör- venich unter das Thema „“Religionen in der Weihnachts- zeit – wie passt dies mit der Wirklichkeit bezogen auf den Nahen Osten?“ gestellt hatte. Der Kreisvorsitzende Georg Zilleken konnte viele junge Familien begrüßen, die dank einer ausgewogenen Mischung zwischen Weiterbildung und Freizeit genügend Gelegenheit hatten, sich über po- litische und familiäre Themen auszutauschen. Der Besuch des idyllischen Weihnachtsmarkts und das Spazierenge- hen in romantischer Umgebung dienten zum Verdauen des Gehörten und zum Genuss der vom Kreis spendierten Waffeln, begleitet von Glühwein oder Kakao. Der Sonntagsmorgens wurde zu einem Resümee zie- Der Referent Georg Baumann, Datenschutzbeauftragter hendem Gespräch genutzt. des Bundesverbandes der Datenschutzbeauftragten

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 55 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

Der Samstag war geprägt von zwei intensiven Arbeits- einheiten in denen die unterschiedlichen Kommunikati- onsmittel im Internet (Social Media) und deren Einflüsse auf das Zusammenleben behandelt wurden. Mit verschie- denen Präsentationen wurden die Gefahren des world wide web (z. B. Cybermobbing) und der Einfluss der modernen Medien auf das Verhalten der Menschen und seine Gefah- ren für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Menschen und deren Religionen betrachtet. Besonders der ethisch-menschliche Aspekt führte zu regen Diskussionen unter den Teilnehmern. Der offizielle Teil des Tages wur- Der Katholische Leitende Militärdekan Kiel, Msgr Rainer de mit einer Heilige Messe beendet, die der Katholische Schadt feierte mit den Teilnehmern die Heilige Messe Standortpfarrer Nörvenich, Militärpfarrer Andreas Temme, mit den Teilnehmern feierte. Für die Erwachsenen bestand Religionen betrachtet. Die Vereinbarkeit von Religion danach noch die Möglichkeit, an einer vom Tagungshaus und Politik wurde am Beispiel von Jerusalem als „Heilige organisierten Weinprobe teilzunehmen. Stadt“ für Christen, Juden und Muslime erörtert. Mit der

Die Teilnehmer der Veranstaltung, zweiter von rechts: Die Teilnehmer an dem Frühjahrstreffen des Bereichsvorsitzender Oberst i.G. Albert Hecht Bereiches Nord

Nach einem reichlichen Frühstück und einem, von Erkenntnis, dass es zwischen den „Buchreligionen“ viele Oberstabsfeldwebel Matthias Hasebrink feierlich durch- Gemeinsamkeiten und teilweise Trennendes gibt, wurde geführten Morgenlob, trafen sich die Teilnehmer zu einer das Thema abgeschlossen. letzten Arbeitseinheit. In der anschließenden Abschluss- Unsere Kleinsten, unter Leitung von Lisa Hagedorn, runde mit Manöverkritik bedankte sich der GKS-Kreisvor- bereiteten den Rahmen für die sonntägliche Eucharistiefei- sitzende Stabsfeldwebel Georg Zilleken beim Referenten er, mit Blick auf das bevorstehende Osterfest, vor. Der Ka- für die mit viel Engagement durchgeführte Präsentation tholische Leitende Militärdekan Monsignore Rainer Schadt des Themas sowie bei den Teilnehmern für die rege Mit- feierte mit uns gemeinsam die Heilige Messe. (Bild 1) arbeit. Der als Gast mit seiner Familie teilnehmende Be- Anschließend berichtete er über das Ergebnis der De- reichsvorsitzende West der GKS, Oberst i.G. Albert Hecht, kanatsarbeitskonferenz I/2015 in Hamburg. dankte im Namen der Teilnehmer dem „Organisationsteam Nach dem gemeinsamen Mittagessen traten die Teil- der GKS-Nörvenich“ für die geleistete Vorarbeit und die nehmer (Bild 2), bei strahlendem Sonnenschein, ihre in- gute Durchführung dieses Familienwochenendes. Nach dividuelle Heimreise an. ❏ dem gemeinsamen Mittagessen endete diese gelungene (Text: Jürgen Schnatz, Fotos: Stefan Schreiner) Veranstaltung (Bild 2). ❏ (Text: Karl-Heinz Kreßler, Fotos: Petra Kreßler)

GKS-Kreis Freyung GKS-Bereich Nord Familienwochenende im Witikohof Bischofsreut

Religion – Friedenstifter oder Friedenstörer? er GKS-Kreis FREYUNG führte vom 24.04. bis D26.04.2015 mit einer Beteiligung von 12 Familien, it diesem Thema beschäftigten sich die Teilnehmer insgesamt 47 Personen, ein Familienwochenende unter Mam Frühjahrstreffen der GKS im Norden. Die Veran- dem Jahresmotto der GKS „Technisch möglich! – ethisch staltung fand vom 20.03 bis 22.03.2015 in Travemünde im vertretbar?“ durch. Theodor-Schwartz-Haus der AWO statt. Hierbei wurde das Thema: Statt technischer Fortschritt, Hier wurde unter Leitung von Herrn Diplom-Theolo- „24h Online – Der Jakobsweg, Möglichkeit, Mittel, Weg ge Bernd Gaertner intensiv das Verhältnis zwischen den zur Entschleunigung“ aufgegriffen (Bild).

56 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

Thematik und konnte darüber hinaus auch auf alle Fragen der interessierten Zuhörerschaft eingehen. Parallel dazu wurden die Kinder und Jugendlichen während der thematischen Arbeit fachgerecht von Moni- ka Küttner beim Basteln angeleitet. So konnten alle am Sonntag das „schwierige“ Ergebnis, eine Blumenampel mit austauschbarerer Fee mit nach Hause nehmen. Für alle Teilnehmer war dieses Familienwochenende eine ge- lungene Veranstaltung und alle waren sich einig, dass zeit- nah ein weiteres Familienwochenende stattfinden sollte. aufmerksam lauschten die Teilnehmer des Familien- Mit dabei an diesem Familienwochenende wa- wochenendes dem Vortrag ren auch, wie so oft Erich Lautner mit Ehefrau Gertrud (Bild). Erich war offiziell Mitglied im GKS-Kreis Lands- Pater Patrick, der geistliche Beirat und katholische berg, fühlte sich jedoch auch im GKS-Kreis Fürstenfeld- Standortpfarrer begleitete das Familienwochenende. Auf- bruck immer sehr wohl. Alle Teilnehmer kümmerten sich grund der Erstkommunion in der Pfarrkirche Bischofsreut rege um die Familie Lautner, da die Eheleute Lautner bei- wurde der gemeinsame Gottesdienst am Samstagabend mit de auf den Rollstuhl angewiesen sind. Burkhard Küttner Beteiligung der ortansässigen Gemeinde zelebriert. fuhr Frau und Herr Lautner am Sonntag dann nach Hause Um dem Dreiklang: „Bildung, Besinnung, Begegnung“ und Erich Lautner äußerte sich noch: „Das Wochenende gerecht zu werden, wurde der Samstagnachmittag unter hat mir richtig gut getan.“ Leider verstarb Erich Lautner dem Motto: „Sich gegenseitig kennenlernen“, mit einer dann in der Nacht vom Sonntag auf Montag. Erich war als Wanderung zum nahegelegenem Aussichtturm und Berg Ideenratgeber und Gönner im Kreis sehr angesehen. Wir „Haidel“ gestaltet. werden Erich in unserer guten Erinnerung bewahren und Beendet wurde die Veranstaltung am Sonntag mit ei- gerne an ihn denken. Trost und Mitgefühl sind bei seiner nem gemeinsamen Mittagessen. ❏ Ehefrau Gertrud und bei allen Anverwandten. ❏ (Text und Foto: Walter Söldner) (Text und Bild: Burkhard Küttner)

GKS-Kreis Fürstenfeldbruck GKS-Kreis Vulkaneifel Familienwochenende in Scheidegg Technisch machbar! – Ethisch vertretbar?

ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) Kreis er GKS-Kreis Vulkaneifel legte an seinem Familien- DFürstenfeldbruck traf sich vom 24. bis 26. April 2015 Dwochenende vom 29.05.2015 bis 31.05.2015 im Fa- mit einer Gruppe von insgesamt 33 Personen in Scheidegg, miliengästehaus St. Ludger in Baasem in der Eifel, den um dort ein gemeinsames Familienwochenende zu verbrin- Focus auf die Fragen gen. Dort wollten sich die Teilnehmer mit dem Thema: „60 Wie wird Doping von der technischen und ethischen Jahre Bundeswehr, was gilt es zu schützen? – betrachtet aus Seite aus gesehen? Haben wir Doping auch schon in unserem Alltag und ist es ethisch vertretbar? Als Referenten konnte der neue Vorsitzende des GKS- Kreises Vulkaneifel, Hauptfeldwebel Michael Ternes, Mi- litärpfarrer Michael Kühn aus dem Militärpfarramt Mayen gewinnen. Dieser hat bereits mehrfach als Seelsorger an Olympischen Spielen und sportlichen Großereignissen teilgenommen. Nach dem gemeinsamen Abendessen am Freitag und der Vorstellungsrunde folgte eine kurze Einführung in das Thema. Danach fand der erste Meinungsaustausch in ge- selliger Runde statt. Nach dem morgendlichen Impuls am Samstag erar- Das Ehepaar Erich und Gertrud Lautner bei der beiteten sich die Teilnehmer die fachlichen Grundlagen Veranstaltung zur Thematik. Wie lässt sich die Leistungsfähigkeit des Körpers steigern, wenn durch intensives Training keine friedensethischer Sicht“ befassen. Der Referent, Oberst- signifikante Leistungssteigerung mehr messbar ist? Wo leutnant Rufin Mellentin, Vorsitzender Sachausschuss liegt eigentlich die Motivation immer der Beste sein zu Sicherheit und Frieden fesselte die Zuhörer während sei- müssen? Wie wird der Mensch als Individuum durch den nes Vortrages. Er entfachte eine rege Diskussion zu dieser Staat instrumentalisiert? Findet Doping nur im Leistungs-

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 57 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS sport statt oder hat Doping bereits Einzug in das alltägli- für seine langjährige Arbeit für die GKS auf Bundes- und che Leben genommen? Kreisebene geehrt und aus dem Vorstand GKS-Bereich Diese Fragestellungen wurden in mehreren Arbeits- West verabschiedet (Bild 1). einheiten am Samstag und Sonntag kritisch betrachtet. Er- Ein besonderer Dank gilt Militärpfarrer Kühn für die nüchternd war die Erkenntnis, dass bereits in der Schulaus- fachliche Leitung und der Durchführung des Gottesdiens- bildung, dem Studium und im Berufsleben, also außerhalb tes am Samstagnachmittag, dem Kinderbetreuungsteam, des Sports, Medikamente zur Leistungssteigerung genutzt das am Sonntag ein dopingfreies Turnier im Bogenschie- werden. Auch im Breitensport wird die Verwendung von ßen (Bild 2) durchführte, sowie dem Team des Familien- Dopingmitteln zur Normalität. gästehauses St. Ludger. ❏ (Text und Foto: Jürgen Schroeteler)

GKS Kreis Kaufbeuren 60 Jahre Bundeswehr – Was gilt es zu schützen ?

m sich gemeinsam diesem Thema zu widmen, mach- Der Bereichsvorsitzende West, Oberst i.G. Albert Hecht Uten sich vom 13.03. bis 15.03.15 zahlreiche Fami- (rechts), verabschiedete Oberstleutnant Alfred Warner lien (Bild) auf, um am Familienwochenende des GKS als Kreisvorsitzenden. In der Mitte Brigitte Warner, Kreises Kaufbeuren in Langenargen am Bodensee da- Pfarrhelferin in Mayen. bei zu sein. Nach erfolgter Ankunft am Freitagabend im Feriendorf Auf die Frage wie man dieser Entwicklung entgegen- Langenargen und dem ersten gemeinsamen Abendessen, wirken kann wurden verschiedene Lösungsansätze dis- erfolgte die Begrüßung durch den Vorsitzenden des GKS kutiert. Letztendlich wurde aber festgestellt, dass es wie Kreises Kaufbeuren. Nach der Vorstellungsrunde führte so oft, keine Musterlösung gibt, da es sich um ein gesell- der Referent OTL Rufin Mellentin sogleich sehr kurzwei- schaftliches Problem handelt. In unserer Leistungsgesell- lig ins Thema ein, so dass schon sehr bald reges Interesse schaft steht der einzelne immer unter Druck noch mehr zu geweckt wurde und alle schon sehr gespannt auf den Vor- leisten. Für den Sportler gilt, der zweite ist der erste Ver- trag/Dialog am nächsten Tag warteten. lierer – und nur für die Besten zahlen sich die erbrach- Am Samstagmorgen ging es dann, nach dem die Kin- ten Leistungen auch finanziell aus. Solange ein Staat sich derbetreuer die Kinder der angereisten Familien übernom- über Leistungen seiner Athleten internationales Ansehen men hatten, sogleich mit dem Thema bis zum Mittagessen

Dopingfreies Bogenschießen führte zu unverfälschten Die Teilnehmer mit dem Referenten, Oberstleutnant Rufin Trefferergebnissen Mellentin (zweiter von rechts) erwirbt und nur der Medaillenspiegel und neue Rekorde weiter. Am Nachmittag hatten alle die Gelegenheit Langen- zählen bleibt dem Einzelnen nur die Möglichkeit sich dem argen und die Umgebung am Bodensee auf eigene Faust zu Konsum dieser Ereignisse zu entziehen. erkunden, was auch sehr rege genutzt wurde, da sich das Dieses Familienwochenende war nach längerer Inak- Wetter von seiner Sonnenseite zeigte. Nach dem gemein- tivität im GKS-Kreis Vulkaneifel der erste Schritt um wie- samen Abendessen führte der stv. GKS Kreis Vorsitzende der „Fahrt auf zu nehmen“. Der GKS-Bereich West Vor- Hauptfeldwebel Gerd Glaubitz einen Tagesabschlussim- sitzende Oberst i.G. Albert Hecht dankte zum Abschluss puls durch, bei dem er das Thema: „Teilen“ aufgriff und des Wochenendes Hauptfeldwebel Michael Ternes zur Or- in sehr anschaulicher Weise (Teilung von richtigem Brot ganisation und Durchführung des Familienwochenendes. und selbstgebastelten Fischen mit Schokolade darin) vor- In diesem Rahmen wurde Oberstleutnant Alfred Warner trug. Der Abend wurde dann in gemeinsamer Runde im

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„Bodenseestüble“ beendet, wobei noch recht viel über das Thema diskutiert wurde. Nach erfolgtem Frühstücksbuffet am Sonntagmorgen lud der Pastoralreferent Hubert Huster zum Wortgottes- dienst ein, den er unter Einbeziehung der Kinder sehr gut gestaltete. Im Anschluss daran trafen sich alle wie- der im Plenarsaal zur Abschlussrunde und Reflexion des Wochenendes. Dabei wurde allgemein die hervorragende Unterkunft gelobt und vorgeschlagen, dass man sich im nächsten Jahr hier wieder treffen sollte. ❏ (Text und Foto: Bernd Ortmann)

Bild 2 GKS-Kreis Mayen tungswaffen, die Angst vor einer unberechenbaren Wir- GKS Kreis Mayen unter neuem Vorsitz kung führte stets zu einem Ringen um Regularien und Ein- grenzung. Allerdings sahen insbesondere die Kameraden m Rahmen des Familienwochenendes des GKS Kreises die geltenden Verträge kritisch, wenn es um die Frage der IMayen vom 12.06. bis 14.06.15 in Horath wurde , nach- Allgemeingültigkeit geht. dem OTL Warner sein Amt als Vorsitzender des Kreises zur Bei der Frage der autonomen Systeme war die Grup- Verfügung gestellt hatte, die bisherige Ansprechpartnerin pe insgesamt einig, dass zum Schutz der eigenen Solda- im Standort Mayen OSA Dr. Karin Schrödl (Bild 1) einstim- mig zur neuen Vorsitzenden des GKS Kreises Mayen ge- wählt. Unter ihrer Leitung beschäftigte sich der GKS Kreis Mayen in Horath an dem Wochenende mit dem Thema: „Technisch machbar – moralisch vertretbar“. In Zusammenarbeit mit der Katholischen Arbeitsge- meinschaft für Soldaten konnte zu diesem Thema ein Re- ferent aus dem Raum Berlin gewonnen werden, der Po- litikwissenschaftler ist und seine Masterarbeit über die Militärseelsorge geschrieben hat. Der Referent Alexander Linden (Bild 2) stellte an diesem Wochenende das GKS- Jahresthema in einen militärhistorischen Kontext und legte die Grundlagen und Möglichkeiten internationalen Bild 3 Handelns dar. Darauf aufbauend wurde die aktuell statt- findende Debatte zu Drohnen und vollautonomen Kampf- ten jedes (konventionelle) Mittel recht sei. Beim Grad der systemen aufgegriffen und letztlich die Frage diskutiert, Autonomisierung wurden die Positionen jedoch zurück- ob der technische Fortschritt Kriege bisher humaner oder haltender, da der IT-Sicherheit Misstrauen entgegenge- inhumaner gemacht hat. bracht und die Gefahr der feindlichen Übernahme als zu Den Teilnehmern wurde deutlich, dass die aktuelle groß eingeschätzt wurde. Diskussion um automatisierte Systeme in einer gewissen Insbesondere die Diskussion am Sonntag zeigte, wie Tradition steht. Sei es Schießpulver oder Massenvernich- sehr die Soldaten sich mit den Chancen und Gefahren der neuen Systeme auseinandersetzen. Am Samstagabend feierten die Teilnehmer einen Got- tesdienst mit Militärpfarrer Michael Kühn aus Mayen. Zu diesem Anlass hatten zwei Jugendliche einer teilnehmen- den Familie, die mehrfach bereits den Dienst am Altar bei Familien-Wochenenden der GKS übernommen hatten, aus eigenem Antrieb Messdienergewänder aus ihrer zivilen Gemeinde mitgebracht., um der Feier einen festlicheren Rahmen zu geben (Bild 3). Die angeregte Diskussion und der Austausch zu dem Thema hat neue Denkansätze, neue Perspektiven und die Schwierigkeiten des Themas sehr klar aufgezeigt. Mit die- sen Gedanken und der Erinnerung an viele schöne Begeg- nungen und Gespräche kehrten die Familien am Sonntag nach hause zurück. ❏ Bild 1 (Text und Fotos: Dr. Karin Schrödl)

AUFTRAGAUFTRAG 297 / 298 • 1_1 / 2_20152 2015 59 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

GKS-Kreise Köln und Wahn wurde die Ausstellung im DomForum, direkt gegenüber dem Eingangsportal des Kölner Doms, der Öffentlichkeit Ausstellung „Operation Heimkehr“ zugänglich gemacht. Die Ausstellung wurde hier durch drei Veranstaltung begleitet: Ausstellungseröffnung, einen in Köln und Jahresempfang der GKS-Kreise Vortrag Thema: Gerechter Frieden – Gerechter Krieg? Und dem Talk am Turm. Köln und Wahn Da sich die GKS unter anderem mit den ethischen Herausforderungen des Soldatenberufes auseinandersetzt, ieses Jahr fand der traditionelle Jahresempfang der insbesondere mit Handlungsfeldern, die sich aus den Aus- DGKS-Kreise Köln und Wahn in einem neuen Format landseinsätzen der Bundeswehr und den Fragen der Inne- statt, nämlich im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung ren Führung für die Soldaten und deren Familienangehöri- „Operation Heimkehr“, welche in Kooperation mit der Ka- gen ergeben, gab es für die Vertreter der GKS Kreise Wahn tholischen Militärseelsorge, dem Katholischen Bildungs- und Köln keine bessere Gelegenheit, die Arbeit und das werk und dem Kölner DomForum in der Kaserne Wahn Wirken der GKS, unter dem diesjährigen Thema: „Tech-

Die Fotokünstlerin Sabine Würich gestaltete zusammen Die Abgeordnete im Gespräch mit mit der Journalistin und Historikerin Ulrike Scheffer die Generalleutnant Martin Schelleis Ausstellung und im Kölner DomForum durchgeführt wurde. nisch machbar! Ethisch möglich?“ plakativ darzustellen, In der Ausstellung „Operation Heimkehr“, welche die als in der Ausstellung „Operation Heimkehr“. Fotokünstlerin Sabine Würich (Bild 1) und die Journalis- Ziel der Ausstellung war es, in den verschiedenen For- tin und Historikerin Ulrike Scheffer erarbeitet haben, be- maten der jeweiligen Veranstaltungen, die Soldaten, deren richten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr über Familien und die Öffentlichkeit für eine Auseinanderset- ihr Leben nach einem Auslandseinsatz. Sie schildern ihre zung mit dem Thema zu gewinnen. Schwierigkeiten, das Erlebte zu vermitteln und im Alltag Der Erfolg der Veranstaltung wurde schon durch die wieder Fuß zu fassen – und die Freude darüber, in der zahlreiche Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung in Mitte Europas zu Hause zu sein. Ausgangspunkt für das der Luftwaffenkaserne in Köln Wahn sichtbar. So freute Projekt war für die Autorin die Frage, wie die Einsatzer- sich der Vorsitzende des GKS-Kreise Wahn, OTL Michael lebnisse die Soldaten geprägt haben und wie die deutsche Nickolaus, ca.150 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Öffent- Gesellschaft mit ihren Heimkehrer umgeht. lichkeit und Bundeswehr begrüßen zu dürfen. Die Gruß- Die Ausstellung wurde durch verschiedene Veran- worte wurden durch die Bundestagsabgeordnete Gisela staltungen im Zeitraum vom 26.05. bis 07.06.15 in unter- Manderla (Mitglied des Verteidigungsausschusses und schiedlichen Formaten begleitet. Vorsitzende der KAS, Bild 2) und Brigadegeneral Michael Im Rahmen des diesjährigen Jahresempfanges der Gschoßmann (Standortältester) an die mitunter hochran- GKS – Kreise Wahn und Köln wurde die Ausstellung in gigen Gäste gerichtet. Den Einführungsvortrag zur Aus- der Kaserne Wahn eröffnet. stellung hielt der Militärhistoriker Dr. Klaus Naumann. In Die Ausstellung wurde anschließend im Wesentlichen allen Ansprachen wurde deutlich, dass der Umgang der für die Durchführung des lebenskundlichen Unterrichtes Öffentlichkeit mit den heimkehrenden Soldatinnen und des Standortes genutzt. Im Zeitraum 08.06 bis 11.06.2015 Soldaten der heutigen Zeit fokussiert werden sollte, und

60 AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS ein respektvoller Umgang im öffentlichen Selbstverständ- Obwohl viele Besucher sehr unterschiedliche Vor- nis verankert sein muss. stellungen zum Thema hatten, wurde sehr deutlich wie Die Veranstaltung wurde durch die Jugendband der gut es war, dass die Ausstellung nicht mit den Fragen der Pfarrgemeine Liebfrauen „Homebodies on Stage“ begleitet. Sinnhaftigkeit von politischen Entscheidungen zur Ein- Die anwesenden Gäste empfanden den frischen Wind in satzdurchführung oder gar die Existenz des Bundeswehr den Räumen der Militärseelsorge als sehr angenehm und verknüpft wurde. Vielmehr wurde deutlich, dass es einen auflockernd, beim doch sehr ernsten Thema. OTL Micha- Konsens gab, über die Notwendigkeit, den Heimkehrern el Nickolaus wollte damit zeigen, dass die GKS lebendig eine respektvollere Wahrnehmung innerhalb der Gesell- ist und über ein breites Fundament verfügt. Er sagt in sei- schaft zu ermöglichen. ner Ansprache: „Ich bin fasziniert vom Erfolgskonzept der Anschließend an den offiziellen Teil wurden alle Be- „Gemeinschaft Katholischen Soldaten“.“ sucher zum Empfang durch das Domforum geladen. Sehr So schafft es die GKS sich mit den ehrenamtlich wir- rege wurde mit den anwesenden Soldaten noch lang und kenden Mitgliedern sehr breit und professionell in den ausführlich diskutiert. Es wurde im Gespräch mit den Ver- unterschiedlichsten Themenfeldern aufzustellen und die tretern des katholischen Bildungswerk Köln die gute Ko- Interessen der Soldaten unabhängig zu vertreten. Dies operation hervorgehoben. Ist das Bildungswerk ist doch geschieht insbesondere unter Einbeziehung der Familien immer eine gute Adresse für Referentinnen und Referen- und Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten, denen in ten für die Bildungswochenenden der GKS. den verschiedensten Veranstaltungen der GKS die Gele- Am 09.06.2015 folgte ein Vortrag zum Thema Ge- genheit gegeben wird, sich thematisch in die Sacharbeit rechter Frieden – Gerechter Krieg? Friedens- und sicher- mit ihren Erfahrungen und Vorstellungen einzubringen. heitspolitische Position der katholischen Kirche. Dieser Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der GKS, welches wurde von Ulrich Pöner, Bereichsleiter „Weltkirche und es für die Zukunft zu bewahren gilt. Migration“ im Sekretariat der Deutsche Bischofskonfe- Während des an den offiziellen Teil anschließenden renz, vorgetragen. Empfangs konnten die Gäste sich noch in lockerer Atmo- Am 11.06.2015 folgt der abschließende Höhepunkt sphäre unterhalten. Das Feedback war durchweg positiv der dreiwöchigen Veranstaltung. Im Talk am Dom kamen und zeigte wie wichtig es ist, einfach einmal zu hinterfra- in der Podiumsdiskussion (Bild 3) der Militärbischof und gen: Wie geht es eigentlich unseren Heimkehrern und de- Bischof von Essen, Dr. Franz-Josef Overbeck, der Vorsit- ren Familien und wie nimmt die Gesellschaft deren Sorgen zende von Pax-Christi Deutschland, Norbert Richter, der und Nöten, aber auch deren positive Erfahrungen, welche sich aus dem Einsatz ergeben haben, auf? Bis zum 05.06.2015 war die Ausstellung für die Bun- deswehrangehörigen des Standortes Köln öffentlich zu- gänglich und wurde intensive für die Durchführung des Lebenskundlichen Unterrichts genutzt. Angemeldete Be- suchergruppen haben sich über die Möglichkeit gefreut einen besonderen Kontakt zu den Soldatinnen und Sol- Das Podium von Links: Moderatorin Helga Kirchner, daten herzustellen. Generalleutnant Martin Schelleis, Militärbischof Franz- Am 08.06.2015 wurde dann die Ausstellung in das Josef Overbeck, Dr. Klaus Naumann, Norbert Richter Domforum verlegt. Das Konzept des Domforum entspricht der besonde- Kommandeur Kommando Einsatzverbände Luftwaffe, Ge- ren Lage des Hauses. Im Zentrum der Stadt Köln, an ei- neralleutnant Martin Schelleis, der Militärhistoriker Dr. nem der meistbesuchten Orte in Deutschland und direkt Klaus Naumann, der Bundeswehr-Arzt und Leiter des Zen- gegenüber dem Haupteingang des Kölner Domes setzte trums für Sportmedizin der Bundeswehr, Herr Dr. Andreas sich das Domforum für die Durchdringung von Kultur und Lison und die ehemalige WDR Chefredakteurin Rundfunk Evangelium ein. In einem für Menschen aller Anschau- Helga Kirchner zum Thema: „Begegnung zweier Welten ung offener Raum werden Anknüpfungspunkte zur Ausei- – Heimkehr in eine Friedensgesellschaft?“ zusammen. nandersetzung mit dem christlichen Glauben angeboten. Die Moderatorin Frau Kirchner kam zunächst mit ih- Zur Eröffnung der Ausstellung im Domforum begrüß- rem „speziellen Gast“ Oberstarzt Dr. Andreas Lison (Bild ten hier Herr Stadtdechant Monsignore Robert Kleine, als 4) vom Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr in die Repräsentant der katholischen Kirche in der Stadt Köln, Diskussion. und Herr Bügermeister Hans-Werner Bartsch, als Vertre- Er verband die körperlichen und die psychischen Fol- ter der Stadt Köln, die Besucher im üppig gefüllten Dom- gen eines Einsatzes und erklärte „Erinnerungen können forum. In den Reden unterstrichen beide die Bedeutung wie Splitter im Menschen steckenbleiben“. des Standortes der Bundeswehr in Köln und die damit Die anschließende Podiumsdiskussion entwickelte verbundene Verantwortung den Soldaten und deren Fa- sich sehr interessant und lebhaft zwischen den angereis- milien gegenüber. In der anschließenden Talkrunde mit ten Gästen. Bei allen Unterschieden in den Ansichten den Austellungsmacherinnen und dem einsatzerfahrenen kristallisierte sich nach rund 90 Minuten bei allen Podi- Militärdekan Armin Göllner wurde die Ausstellung vor- umsteilnehmern heraus, dass sie ein größeres Interesse gestellt und endete in einer sehr lebhaften Diskussion mit der gesamten Gesellschaft an sicherheitspolitischen und den Besuchern. friedensethischen Fragen fordern.

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Hierbei wurde insbesondere von Dr. Naumann mehr- fach gefordert, dass die Politik klare Auswertungen der bisherigen Auslandseinsätze veröffentlicht, um Ziele und Notwendigkeiten der laufenden und womöglich kommen- den Einsätze zu erklären. Die Diskussionen aus dem Talk am Dom, ein Interview mit dem Militärbischof und der Vortrag von Ulrich Pöner können unter www.Domradio.de erneut abgespielt werden. Zusammenfassend war die Ausstellung „Operation Heimkehr“ eine herausragend erfolgreiche Veranstaltung der GKS, der Militärseelsorge und des Domforums. Eine solche Veranstaltung ist nur durch die Bündelung verfüg- barerer Ressourcen zu handhaben. Für den Jahresempfang der GKS Köln und Wahn konnte es keine bessere Gele- genheit geben, als den Jahresempfang unter das Motto der Ausstellung zu stellen. ❏ (Text: Michael Nickolaus, Fotos: Luftwaffe Bild 1,3 und 4 Frau Rincön, Moderatorin Helga Kirchner mit Oberstarzt Bild 2 OFw Ekmekcibas) Dr. Andreas Lison

Leseempfehlung Der arabische Umbruch – eine Zwischenbilanz Interne Dynamik und externe Einmischung

er Arabische Frühling hat die westli-li der Binnenperspektive. Lesenswert Dche Welt bei seinem Ausbruch beflü-ü- die Schilderung von Martin Papst gelt und zu Lobeshymnen ermuntert. Alsls über die Historie der westlichen nach einiger Zeit das Pendel umschwangng Präsenz in der arabischen Region, oder durch die Erstarkung der Funda-a- died wechselvolle Politik der USA mentalisten die Euphorie abklang wur-r- undu die Rolle der aufstrebenden den die Stimmen leiser. Hilfe war undd Regionalmächte.R Die binnenpers- ist gefragt bei dieser revolutionären Ent-- pektivischep Betrachtung von Said wicklung im islamischen Raum. Aberr AlDailamiA bringt uns die Relevanz auch hier gilt: leise Hilfe ist besser alss eeiner arabischen Lesart näher – sehr Schlagzeile und fototrächtige Projekte, wichtig,w um die Araber zu verste- die zur Selbstdarstellung dienen. Was hen.he Genauso wie die Relevanz von ist also aus dem Umbruch geworden? AAuthenzität und Sprache, sowie der Eine Reaktion, wie sie Europa 1848 kulturellenku Sensibilisierung. Dabei nach den Märzunruhen erlebte oder nimmtnim die Rolle der Religion einen benötigen die Kräfte weiter demokrati- breiten,bre weil wichtigen Raum ein. Das sche Hilfe zur Selbthilfe? Diese Frage eineein ohne das andere verstehen zu wol- sollten die westlichen Staaten schnell len,len ist unmöglich. und tatkräftig beantworten, denn dass Nach einem Ausblick auf die ge- die Staaten dieser Welt miteinander genwärtigegen Entwicklung in ausgewähl- verknüpft sind und Wirkunge auf ten Staaten (Stand 2014) schließen die alle haben, ist eine Erkenntnis, die AuAutorent mit einem Resumee und Aus- eigentlich keine Erklärung benötigt. bblick.lic (BB) Said AlDailami und Martin Pabst erklären hier in dem vorliegenden Buch den Aktuellen Stand iin ausgewählten Said AlDailami, Martin Pabst: Ländern (Stand2014) wie Tunesien, Ägypten, Libyen etc. Der arabische Umbruch – eine Zwischenbilanz, Dabei schildert zuerst Martin Papst die externe Einflüsse Interne Dynamik und externe Einmischung, im Arabischen Umbruch und deren Stellenwert und da- Hanns-Seidel-Stiftung, Berichte und Studien Nr 99, nach erklärt Said AlDailami das arabische Erwachen aus 186 Seiten, ISBN 978-3-88795-445-1

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Leseempfehlung Christliche Friedensethik vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

er Weltfrieden sei die wichtigste gen, dass es zum Schutz der allge- fung und gezielte Tötungen behandelt DSache der Welt, sagte US-Prä- meinen Menschenrechte notwendig (von Wolfgang Heinz) Die erwähnte sident John F. Kennedyy sei,, behauptetp die Gegenseite, es sei Resposibility to protect wird im Hin- am 10.06 1963 in einerer eine Einmischung in die blick auf die christliche Sozialethik Rede. Nach den bitte-e- innereni Angelegenheiten von Cornelius Sturm erläutert und ren Erfahrungen zweierer einese souveränen Staates Anja Seiffert fragt sich: „Wie hat der Weltkriege und im Kal-- (S(Syrien-Konflikt). Afghanistaneinsatz die Soldaten und ten Krieg – ein heißerr Das Buch behandelt auch die Bundeswehr geprägt und hätte die Auslöschungg diesesdi weit gespannte Feld verändert. Sehr aktuell ist die Frage der Menschheit bedeu- inin zwei Teilen. Im ersten von Hildegard Hagemann „Welche tet – war dies sicherlich TTeile werden die Grundzü- Migrationspolitik braucht die Euro- von allen nachvollzieh- ge der christlichen Frie- päische Union?“ bar. Aber was bedeutet densethikden in Beiträgen von Bei dieser Studie zur Frieden- es, wenn man im eige- namhaftennam Autoren be- sethik Band 51 des Institutes für nen Land seit 70 Jah- handelt.han So fragt Gerhard Theologie und Frieden (ITHF) han- ren Freiden und Auf- BeestermöllerBee „50 Jahre delt es sich um ein Werk, dass nicht bau, damit Wohlstand nachnac Pacem in terris. Wo nur von Soldaten gelesen werden soll- hat und verdrängt, dass auf der Welt stehtsteh christliche Frieden- te. Die Beiträge sind gewichtig, das noch hunderte von Konflikten herr- sethik heute?“. Eberhard Schocken- Buch eignet sich nicht zum „durchle- schen. Offene und verdeckte, Kämpfe hoff geht der Frage nach: „Welche sen in einem Zug“. Es ist lesenswert gegen organisierte Verbrechersyndi- Iimpulse kann Theologie der Frie- und wiederholt lesenswert, denn es kate und vieles mehr. Will man dann densethik geben?“ Heinz-Gerhard gibt einen guten Einblick in die Frie- noch täglich im Fernsehen oder In- justenhoven hat seinen Beitrag über- densethik und in die Probleme der ternet die allgegenwärtige Gewalt se- schrieben: „Frieden durch Recht. Zur heutigen Zeit aus dem Blickwinkel hen und dagegen angehen oder nur in ethischen Forderung nach einer um- der Friedensethik. Somit ist es ein Ruhe gelassen werden. fassenden und obligatorischen Ge- wichtiger Beitrag dazu, die Welt et- Für die Katholische Kirche ist richtsbarkeit“. Dies ist nur ein Teil was besser zu verstehen. (BB) der Frieden immer schon Thema ge- der interessanten Beiträge in diesem wesen. Nicht erst seit der Enzyklika Abschnitt des Buches. Veronika Bock, Johannes J. Früh- „Pacem in terris“ von Johannes XXIII. Im zweiten Teil des Buches geht bauer, Arnd Küppers, Cornelius bis hin zu der Konstitution „Gaudium es um konkrete Abhandlungen. Ange- Sturm (Hrsg): Christliche Frieden- et spes“ des II. Vatikanischen Kon- fangen von den Grundzügen der mo- sethik vor den Herausforderungen zils. Die Deutschen Bischöfe haben ralphilosophischen Debatte in der Ge- des 21. Jahrhunderts, Aschendorff in ihren Schriften „Gerechter Friede“ genwart (von Bernhard Koch), werden Verlag, Münster 2015, 265 Seiten, (Arbeitshilfe Nr. 66 von Sept 2000), internationale Terrorismusbekämp- ISBN 978-3-402-11695-1 „Soldaten als Diener des Friedens“ (Arbeitshilfe Nr. 82 von Nov 2005) und in „Terrorismus als etische Her- Kurznachrichten ausforderung“ (Arbeitshilfe Nr. 94 von Werbelinie zum 100. Katholikentag 2016 in Leipzig vorgestellt Sept 2011) sich immer auf die Katho- lische Friedenslehre bezogen. Aber orträtbilder von Menschen in verschiedenen Lebensaltern stehen wie steht es mit den Herausforderun- Pim Zentrum der Werbekampagne zum 100. Katholikentag 2016 in Leipzig. Die Motive greifen das Leitwort „Seht, da ist der Mensch“ auf, gen des 21. Jahrhunderts, den hybri- unter dem das christliche Großevent vom 25. bis 29. Mai in der sächsi- den Kriegen oder dem Wiederaufle- schen Metropole stattfindet. „Die Frage ist: Was haben wir in der heu- ben eines gewälttätigen Rassismus, tigen modernen Welt für ein Bild vom Menschen – und wie verhalten wie reagiert man auf fundamentalis- wir uns als Christen dazu“, erläuterte der Präsident des Zentralkomi- tische Religionskrieger? Die Völker- tees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück bei der Präsentation. gemeinschaft reagiert langsam, unter Ab September soll die Werbelinie zunächst auf der Katholiken- anderem mit dem Konzept Responsi- tags-Homepage, über die Social-Media-Kanäle und als Prospekte und bility to protect (R2P), aber Allgemei- Plakate verbreitet werden. Im Januar erhalten dann alle deutschen ingut ist dies noch nicht. Was ist mit Pfarrgemeinden die Werbematerialien samt Anmeldeformularen zu- den „Humanitären Interventionen“? gesandt. ❏ (KNA) Während die, die helfen wollen, sa-

AUFTRAG 297 / 298 • 1_ / 2_2015 63 Impressum AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und erscheint viermal im Jahr. Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, 10117 Berlin Das Kreuz der GKS www.katholische-soldaten.de Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol Redaktion: verantwortlicher Redakteur der Gemeinschaft Katholischer Sol- Bertram Bastian (BB), daten. Vier Kreise als Symbol für die Rainer Zink (RZ), Oberstlt a.D., Redakteur GKS-Kreise an der Basis formen in Zuschriften: Redaktion AUFTRAG einem größeren Kreis, der wiederum c/o Bertram Bastian, die Gemeinschaft ver sinnbildlicht, ein Alter Heerweg 104, 53123 Bonn, Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164, Kreuz, unter dem sich katholische Sol- E-Mail: [email protected] daten versammeln. Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Aus- nahmefällen verpfl ichtet sich der Herausgeber, nachträglich geltend gemachte rechtmäßige Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen zu vergüten. Layout: VISUELL, Aachen Der Königsteiner Engel Druck: MVG Medienproduktion Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« Boxgraben 73, 52064 Aachen (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoff- Überweisungen und Spenden an: GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln, nung, der die uneingeschränkte Herrschaft IBAN DE21 3706 0193 1017 4950 18 Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische BIC GENODED1PAX. Engel am Haus der Begegnung in Königstein/ Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Ts., dem Grün dungsort des Königsteiner Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nachbe stellung gegen Offi zier kreises (KOK), ist heute noch das eine Schutzgebühr von EUR 10,- an Tradi tionszeichen der GKS, das die katho- den ausliefernden Verlag. lische Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr als 50 Jahren begleitet. ISSN 1866-0843