DIE KUSTER

Geschichte und Geschichten einer Familie

1 ORTSGEMEINDE DIE KUSTER

Die Kuster

Der Geschichte einer der ältesten Familien unseres Dorfes, der Kuster, nachzuforschen, ist ebenso interessant wie lehrreich. Ihre Weitläufigkeit über Jahrhunderte hinweg setzt aber den Berichten darüber seine Grenzen. Aus Platz- und Zeitgründen musste daher vieles weggelassen werden, was auch verdient hätte, aufgenommen zu werden. Aus mehreren verständlichen Gründen, wie z.B. dem Datenschutz, fanden nur bereits verstorbene Personen (mit kleinen Ausnahmen) Aufnahme in dem Bericht.

Allen Leuten, die mir bei den umfangreichen Nachforschungen in irgend einer Form geholfen haben, möchte ich im Voraus bestens danken.

Ein kleiner Überblick zu den Einwohnerzahlen der Politischen Gemeinde und der Ortsgemeinde Diepoldsau möchte Auskunft über die Zusammensetzung der Dorfbevölkerung geben, zum Teil im Vergleich mit dem Jahr 1990.

2010 1990 Einwohner/innen 5’770 4’181 davon Ortsbürger 1’759 1’603 St. Gallerbürger 1’558 1’149 Schweizerbürger 1’258 876 Ausländer 1’195 553 Evang. Reformierte 1’378 1’203 Röm. Katholische 3’202 2’625 Andere 1’190 353

Ortsbürger/innen von Diepoldsau

Name 2010 1990 2010 2010 2010 evang. kath. andere Alt 6 5 0 4 2 Breu 29 36 1 28 0 Gasser 50 67 38 7 5 Hutter 191 270 10 179 2 Kuster 190 241 132 47 11 Weder 63 74 14 49 0

Schüler mit Namen KUSTER im Schuljahr 2009/2010

Knaben 13 Mädchen 4 Total 17 evang. 12 kath. 5

2 DIE KUSTER

Der Name

Die alemannischen Volkstämme, welche sich im 5.Jahrhundert im Rheintal ansiedelten, kannten noch keine Familiennamen, der Rufname (Vorname) genügte. Erst ab dem 12. Jahrhundert musste wegen der Zunahme der Bevölkerung ein zweiter Name zugelegt werden. Aus diesen Beinamen entstanden allmählich die Familiennamen, zuerst beim Adel, dann bei der Stadtbevölkerung, zuletzt auf dem Lande. Zur Zeit der Reformation, also am Ende des Mittelalters, hatte sich die Zweinamigkeit fast überall durchgesetzt.

Die Nachnamen können verschiedensten Ursprungs sein. Man leitete sie ab vom Beruf (z.B. Müller) von der Herkunft (z.B. Schweizer) von Vornamen (z.B. Jakob) von der Wohnstätte(z.B. Gasser) von Über- oder Spitznamen der Vorfahren. Es gibt aber auch viele Familiennamen, von denen man nicht weiss, wie sie entstanden sind.

Beim Namen Kuster weiss man den Ursprung, die Herkunft ganz genau. Im Familienbuch der Nachnamen steht: „Kuster oder Küster ist ein Amts- oder Berufsnamen. (Lateinisch custor heisst Wächter) Ursprünglich bezeichnete das Wort den Geistlichen eines Klosters, der die Aufsicht über den Kirchenschatz und die kirchlichen Geräte hatte, später den Kirchendiener. Nach der Reformation hat sich das Wort auch in der Schriftsprache durchgesetzt. Auch andere heutige Familiennamen gehen auf das Amt des Kirchendieners zurück, z.B. Messmer oder Sigrist.“

Kuster oder Custer? Bekanntlich gilt, dass die Diepoldsauer Kuster ihren Nachnamen mit einem „K“ beginnen, während es in Altstätten oder solche gibt, welche ihn mit einem „C“ beginnen. Beides hat seine Richtigkeit, da man anfänglich in der Schreibart des Geschlechtnamens keine Vorschriften kannte.

Interessanterweise gab es aber auch in unserm Dorf Kuster, welche mit dem „C“ ihren Namen schrieben. In den dicken Büchern der Bürgerregister der Ortsgemeinde (seit 1803) mit fast unzähligen Kustern kommen nur 3 Haushaltungen vor, welche das „C“ benutzten. Unter ihnen ist auch ein Ortspräsident zu finden. Diese kuriosen Abweichungen der Nachnamenschreibung seien kurz erwähnt. Es sind:

1. Custer Johann Jakob, Geigers, 1815-1905, verheiratet mit Walser Maria von Altstätten. Sie haben keine Nachkommen, obwohl die Frau 5 Kinder zur Welt brachte, die aber alle bei der Geburt starben. Vermutlich ist der Tod der Neugeborenen auf die Unverträglichkeit der Blutgruppen (Rhesusfaktor) zwischen Mutter und Kind zurückzuführen, eine Bewandtnis, von der die damalige Medizin noch keine Kenntnis hatte.

2. Custer Johannes, Müllers, 1818-1888, war dreimal verheiratet und hatte eine grosse Nachkommenschaft.

3. Custer Johannes, Küfers, 1813-1879 verheiratet mit Maria Giger, deren Ehe kinderlos war.

Die Väter von allen drei erwähnten Custer schrieben den Namen mit „K“, ebenso machten es die Kinder des Custer Johannes, sie kehrten wieder zum ursprünglichen Kuster zurück. Weshalb diese drei Johannes ein Leben lang sich Custer mit „C“ schrieben ist unbekannt. Nebenbei erwähnt: im letzten Jahrhundert kommt noch einmal eine Namensänderung vor. Nachkommen des Kuster Georg, der nach Paris ausgewandert war, möchten in Zukunft Custer schreiben. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen bewilligte das Gesuch am 28. Januar 1938. Begründet wurde das Gesuch, die Familie führe in Paris und Peru Geschäfte unter dem Namen Custer frères. Die Anwendung des Buchstaben „C“ sei eine Notwendigkeit, da er dem franz. Sprachgefühl näher liege als der Buchstabe „K“, den man im Spanischen (Lima) nicht kenne.

3 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Das Wappen

Bekanntlich haben die Wappen ihren Ursprung im mittelalterlichen Ritterwesen. Um die gepanzerten Adeligen auf ihren Pferden zu erkennen, bedurfte es eines persönlichen Kennzeichens auf Helm, Schild und Pferdedecke. Aus diesen einfachen Zeichen entstanden später die Wappenbilder, welche von den nachrückenden Generationen übernommen wurden.

Mit dem Untergang des Rittertums übernahm nach und nach die Bürgerschaft selber die Verwaltung des öffentlichen Lebens, in den Städten mit einem Bürgermeister, auf dem Land mit einem Hofammann an der Spitze. Eine wichtige Aufgabe dieser Amtsinhaber war, amtliche Urkunden in Rechtskraft zu setzen. Heute geschieht dies mit Unterschrift, damals wurde das Dokument durch das Anbringen eines Amtssiegels mit persönlichem Kennzeichen, dem Wappen, bestätigt. Die neu ernannten Hofammänner verfügten aber nicht über ein ererbtes Wappen, weshalb sie entweder selber ein willkürliches Siegelbild erfanden, oder dann eines „entlehnten“. Etwa von einem gleichnamigen Geschlecht aus einer andern Ortschaft.

So wird es dem Hofammann Johann Kuster im Jahre 1790 ergangen sein. Vermutlich sollte er dringend eine Urkunde siegeln. Worauf er in Ermanglung eines Wappens einfach sich das Siegel des Stadtammanns Heinrich Custer zu Altstätten aneignete, ohne dieses irgendwie abzuändern. Sicher wusste er nicht, dass er damit gegen die Regeln der Wappenkunde verstiess.

In der Zeit kurz vor und nach dem 2. Weltkrieg befassten sich einige Wissenschafter intensiv mit der Heraldik (Wappenkunde). Da es zum guten Ton gehörte, ein Familienwappen zu besitzen, entstanden viele Neuschöpfungen. Jedermann ist dazu berechtigt. Da aber die alten Geschlechter der eng benachbarten Höfe von bis Au öfters die gleichen Namen trugen, lag es nahe, dies auch auf den Wappen zum Ausdruck zu bringen. Es wurden daher verschiedene Varianten geschaffen, hauptsächlich durch Änderung der Farben. Bei dieser Neubearbeitung wurde auch ein anderes Wappen für die Kuster von Diepoldsau ausgearbeitet, in Anlehnung an das Wappen der Kuster von Altstätten mit dem Buchstaben „K“.

Älteste Namen

In jenen Jahren, als die Spanier und die Portugiesen auf ihren Schiffen über die Meere fuhren, um die Welt zu erobern, lesen wir zum ersten Mal, was für Familiennamen die Bewohner auf der ‚‘Aue des Thiotpolt“ hatten. Es war 1486, als eine reiche Witwe aus dem Württembergischen dem Abt Ulrich von St. Gallen die Herrschaft Blatten (Oberriet) samt den dazugehörenden Leuten und Höfen verkaufte. Darunter befand sich auch Diepoldsau. 16 Haushaltungen sind es im Ganzen, dabei ist auch ein Jos Custer aufgeführt. Von den heute noch vorkommenden Ortsbürgernamen gab es damals schon Gasser (3 Fam.), Hug (1), Hutter (1) , Kuster (1) und Weder (1). Ausgestorben als Diepoldsauer Ortsbürger sind seither Brunner (5), Iseli (1), Spär (1), Schneider (1) und Schmitter (1).

Fast genau 3 Jahrhunderte dauerte es, bis sich der Hof Diepoldsau von der Abtei loskaufen konnte.

4 DIE KUSTER

Evangelisch - Katholisch

Von den meisten Ereignissen in der damaligen Welt blieb man im abgelegenen Rheinbogen unberührt. Einzig die gewaltige Geistesbewegung der Reformation warf ihre Wellen auch in diesen Winkel. Um 1528 war die ganze linke Seite des Rheintals unter dem Einfluss Zürichs dem neuen Glauben beigetreten. Aber bereits 1531/1532 erlaubte der 2. Landfrieden der Bevölkerung der Untertanengebiete die Religionszugehörigkeit selber zu bestimmen. Aus jenen turbulenten Zeiten gibt es nur wenige Akten. Die Wahl geschah meistens nach Familiengeschlechtern. Die Rhode Diepoldsau bekannte sich mehrheitlich zum neuen Glauben, es gab Ausnahmen, wie etwa die Hutter. Mangels eigener Gotteshäuser war man noch gut 200 Jahre nach Berneck und Marbach, einige Familien auch in , pfarrgenössig.

Im Laufe der Jahrhunderte kam es vorerst zwischen den beiden Konfessionen verhältnismässig zu wenig Reibereien. Ein Grund war, dass Diepoldsau (mehrheitlich evangelisch) und Schmitter (mehrheitlich katholisch) zwei verschiedenen Lehensherren zinspflichtig waren. Es gab deshalb nicht viele politische Kontakte, höchstens wenn es um Belange der Eidgenossenschaft ging, deren Untertanenland man war, traf man sich. Da es auf dem Gebiet der beiden Höfe kein Gotteshaus gab, musste nicht darum gestritten werden, wer dieses benützen durfte. Das war über Jahrhunderte eine der Ursachen von Zwistigkeiten im Rheintal. Altstätten und Marbach kamen erst nach 1900 zu evangelischen Gotteshäusern, Thal hat heute noch eine sog. Simultankirche (beide benützen die gleiche Kirche). Im 18. Jahrhundert war es dann soweit, dass beide Gemeinschaften ihre eigene Kirche bauen konnten, bei beiden waren es finanzielle Sorgen, die zuerst beseitigt werden mussten. 1727 waren zuerst die Evangelischen bereit. Sechs wohlhabende Männer leisteten schriftliche Bürgschaft, drei aus Diepoldsau und drei von Schmitter. Der Gastwirt Hans Gasser, der Schmied Hans Gasser und der Zimmermann Ulrich Wieder hiessen die 3 Diepoldsauer Bürgen. Warum kein Kuster bürgen wollte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. 1762 waren dann auch die Katholiken soweit, einen Bauplatz für ihr Gotteshaus zu suchen. Beide Gebäude wurden so gut es ging in der Nähe der Grenzmarken der beiden Höfe erstellt.

Den Pfarrherren beider Glaubensgemeinschaften verdanken wir erste Verzeichnisse mit detaillierten Angaben über ihre „Schäfchen“. Bei den Katholiken sind vorerst jene Haushaltungen aufgeführt, welche zur neu gebauten Kirche gehörten. In Schmitter waren es 26 Haushaltungen, in Diepoldsau 25, das entspricht im Ganzen etwa 255 Personen. So sieht das Blatt der 25 kath. Haushaltungen von Diepoldsau, welche sich für den Kirchenbau eingesetzt haben, im Original aus. Die 26 Bürger von Schmitter sind weggelassen.

Die Aufzeichnung aller Catolischen in Wohner Dibelsaus und Schmitter Pfarrangehörige auf Bernang und Marbach die sich zusamen luth Obigem verobligirt und verbunden habend Die von Dibelsau Erstlich

Die Aufzeichnung aller katholischen Einwohner Diepoldsaus und Schmitters Pfarrangehörige auf Berneck und Marbach, die sich zusammen laut Obigem verobligiert (verpflichtet) und verbunden haben.

5 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Die ersten von Diepoldsau

Jacob Hutter, Richter

Antoni Hutter, Josepes

Barbara Köplerin (Köppel) und Sohn

Joseph Weder, Josenbub

Johannes Weder, der Sohn

Joseph Hutter, Müller

Jacob Custer, Wonnenmann

Hans Jacob Weder, Disensohn (Mathiassohn) Die nächsten 16 Namen sind weggelassen. Als letzter in der Reihe steht:

Michel Kuster, Wuhrmann

Aus der Liste ist ersichtlich, dass es nur 2 Familien mit Namen Kuster in Diepoldsau gibt, welche kath. Konfession sind. Nämlich Jacob Custer, Wonnenmann. Er stellt also Wonnen oder Wannen her, das sind flache Weidenkörbe, mit denen durch Schütteln die Frucht (z.B. Korn) von der Spreu getrennt wurde. Bei Michel Kuster erfährt man, dass es schon damals Männer gab, die am Rhein arbeiteten.

Bei den Evangelischen ist es der im Frühling 1780 hierher gewählte Pfarrer Joh. Ludwig Vögeli von Zürich, welcher im Herbst des gleichen Jahres ein „Haushaltungsbuch“ seiner Pfarreiangehörigen erstellte.

So sieht das erste Blatt aus:

Verzeichnis der Haushaltungen zu Dieboldsau, Schmitter und Wydnau angefangen Montags den 13. Wintermonat 1780 von Joh. Ludwig Vögeli, Pfarrer allhier. Natus (geboren) 15. Nov. 1750

6 DIE KUSTER

Pfarrer Vögeli besuchte im Verlaufe eines Jahres sämtliche evangelischen Angehörigen seiner Pfarrei. Und so sieht das Ergebnis aus:

Erwach- Kinder in der Total Haus- Haus- sene Fremde haltungen haltungen evang. kath. Diepoldsau 205 158 10 373 85 25 Schmitter 106 65 3 174 37 26 Widnau 41 32 3 76 14 Total 352 255 16 62 136 51 davon Kuster 132 124 4 260 55 2

Wie bereits erwähnt, ist von den Katholiken nur die Anzahl der Haushaltungen bekannt. Sie ist zum Vergleich ganz rechts beigefügt. Dabei fällt auf, dass alle evang. Familien Kuster fast gleich viel Personen zählen wie alle Katholiken von Diepoldsau und Schmitter zusammen. Es ist allerdings beizufügen, dass ein Teil der Katholiken im Unterschmitter (etwa 15-18 Haushaltungen) damals noch der Pfarrei Widnau zugeteilt waren.

Gegensätze zwischen den beiden Religionsgruppen kamen dann im 19.Jahrhundert voll zum Ausbruch. Man schenkte einander nichts. Besonders im Kanton und in der Eidgenossenschaft prallten die Meinungen hart aufeinander. Es waren die mehrheitlich protestantischen Liberalen unter der Führung Zürichs, denen gegenüber die hauptsächlich katholischen Konservativen, geführt von Luzern, standen. Die Folge des Streits war 1847 der Sonderbundskrieg, der mit der Niederlage der Konservativen endete. Ein Jahr später kam es zur Neugestaltung der Eidgenossenschaft, indem man einen Bundesstaat mit der Hauptstadt Bern gründete. In unserer Gemeinde mischte man nicht besonders mit, in diesem Jahrhundert hatte man genug andere Sorgen.

Wie aus dem Nichts hatten gegen Ende des Jahrhunderts beide Konfessionen mit Ärgernis in den eigenen Reihen zu kämpfen. Bei den Katholiken war es die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes, welche für rote Köpfe sorgte und Kirchenaustritte zur Folge hatte. Bei den Evangelischen machten sich neue Glaubensgemeinschaften, wie die Heilsarmee, die Methodisten und andere im Rheintal breit, woran die Landeskirche natürlich keine Freude hatte. Mit welch harten Bandagen da gestritten wurde, schreibt der evangelische Pfarrer 1899 in seinem Tagebuch:

„Im Frühling ist ein ausnahmsweise allgemein beliebter Methodist gestorben. Seine Angehörigen wünschten, dass bei der Beerdigung ihrer Gemeinschaft die Kirche geöffnet werde. Die Kirchenvorsteherschaft trat aber auf dieses Gesuch nicht ein. Bald nachher kam man in den Methodisten entgegen. Man gewährte ihnen dort, was ihnen hier versagt worden war. Daraus gewannen sie den Mut, bei Anlass der Beerdigung eines Kindes, ihr Gesuch hier zu wiederholen, wurden aber wieder abgewiesen, bes. im Hinblick auf ihren diesen Sommer erfolgten offiziellen Austritt aus der Landeskirche. Der Chronikschreiber hat ihr Gesuch entschieden befürwortet. Die Protestanten sind, was religiöse Intoleranz und Fanatismus anbetrifft, oft nicht besser als die Katholiken. Am 22. Oktober wurde im Anschluss an die Rechnungsablage den Kirchgenossen die gleiche Frage zur Entscheidung nochmals vorgelegt. Das Resultat fiel nicht anders aus.“

Es dauerte noch einige Zeit, bis sich der Streitpunkt in Minne erledigte. In der Folge konnte die Evang.- methodistische Kirche an der Neudorfstrasse eine eigene Kapelle bauen. Sie darf dieses Jahr das hundertjährige Bestehen ihres Gotteshauses feiern, wozu wir herzlich gratulieren.

7 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Vornamen

Immer wieder wurde die Frage gestellt, ob es möglich sei, nur anhand des Vornamens auf die Religionszugehörigkeit einer Person zu schliessen. Im exakt geführten Bürger-Register der Ortsgemeinde fehlen diese Angaben. Um dies stichprobenweise zu untersuchen, habe ich aus den Taufbüchern beider Kirchgemeinden alle Vornamen herausgeschrieben, welche die Kuster in den Jahren 1775 – 1800, dann 1875 – 1900, und zuletzt 1975 – 2000 ihren Kindern gaben.

In diesen 3 mal 25 Jahren gab es im Ganzen 658 Geburten. Über die Sterblichkeit der Kinder, die bekanntlich sehr hoch war, sagt die nachstehende Statistik nichts aus.

Anzahl der Geburten der Familien Kuster:

Periode Evangelische Katholische Knaben Mädchen Total Knaben Mädchen Total 1775 – 1800 138 102 240 17 26 43 1875 – 1900 146 144 290 22 14 36 1975 – 2000 24 17 41 6 2 8 Total 308 263 571 45 42 87

Das Auffallendste an diesen Zahlen ist der markante Rückgang der Geburten in der 3. Periode. Verschiedene Gründe führten dazu, diese sind aber auch bei andern Geschlechtern anzutreffen.

Eltern mit einem neugeborenen Kind tun sich oft schwer, bis der Namen gefunden ist. Soll es einen biblischen Namen erhalten, will man nach der Familientradition gehen, oder gar neuestens nach einer Romanfigur oder Filmgrösse? Namen können mit den Zeiten ändern wie die Mode.

Welches sind nun die Namen, welche die Kuster ihren Kindern gaben? Bei den 138 evang. Knaben ist bis 1800 der Johannes (Johann, Hans, Hannes) der Spitzenreiter. 46 Knaben (33 %) werden auf den Einzelnamen Johannes getauft. In Doppelnamen kommt er aber nochmals zum Zug, im Ganzen sind es 66 Buben (48 %), welche ihn als Zweitnamen tragen. Es sind Hansjakob (38), Hansheinrich (9), Hansulrich (8), Hansjörg usw. Im Gesamten gibt es 8 Kombinationen mit dem Namen Johannes. Als Kuriosum taucht viermal der Vorname Johannes Diethelm auf, der irgendwie nicht in die Reihe passt mit seiner altgermanischen Herkunft. Die Sache klärt sich auf. Man will den damaligen Pfarrer Joh. Diethelm Schweizer (1785 – 1796) ehren. Nebenbei gesagt, alle evang. Pfarrer seit der Gründung der Kirchgemeinde hiessen Johannes als Einzel- oder Doppelname, von 1729 – 1855. Es gibt nur eine einzige Ausnahme von 1810 – 1820.

Bei den restlichen Buben der 1. Periode (26) stossen wir auf die Namen Salomon, Michael, Benjamin, Josef, Alexander ua. Im Allgemeinen bevorzugen die Reformierten biblische Namen aus beiden Testamenten. Ausnahmen waren Ulrich, Heinrich und Jörg, welche oft als Zweitnamen gebraucht wurden. Ich vermute, dass man damit die bekannten Reformatoren ehren wollte: Zwingli mit dem Namen Ulrich; Bullinger, den Nachfolger Zwinglis mit Heinrich; und Martin Luther mit Jörg, weil er auf der Wartburg, wo er sich versteckt hielt, den Decknamen „Junker Jörg“ annahm.

Auch bei den kath. Knaben wird der Name Johannes ungefähr im gleichen Verhältnis angewendet wie bei den Evangelischen. Aus der Bibel werden ebenfalls Jakob und Josef bevorzugt. Bei den Doppelnamen werden des öftern Heilige gewählt, etwa den Kirchenpatron Antonius oder auch Franz Xaver, einen Ordensmann der Gegenreformation.

8 DIE KUSTER

Hundert Jahre später (1875-1900) ändert sich einiges bei den evang. Buben. Doppelnamen sind weniger gefragt. Statt 66 wie in der 1. Periode gibt es bei den 146 Knaben nur noch 26 mit zwei Namen. Bei den Einzelnamen ist die Reihenfolge wieder Johannes (38), Jakob (18). Neu kommen hinzu: Emil, Arnold, Ulrich, Robert, Julius, alle mehrfach.

Auf kath. Seite haben alle Knaben Doppelnamen, ausgenommen sind nur zwei. Auch hier sind Johannes und Jakobus an der Spitze. Häufig kommen vor: Anton, August, Konstantin. Bei beiden Konfessionen tritt neu der Name Wilhelm (Willi, Willy) auf. Ob dabei die beiden preussischen Kaiser Wilhelm verehrt werden sollen, ist eher fraglich. Sicher ist, dass diese in jener Zeit (1870 – 1914) auf der Höhe ihrer Macht waren.

Bemerkenswert ist, wie viele verschiedene Knabennamen in den beiden Jahrhunderten zur Anwendung kamen. (Doppelnamen bedeuten 2 Namen)

1775 – 1800 die 138 evang. Knaben erhalten 11 verschiedene Namen 1875 – 1900 die 146 evang. Knaben erhalten 25 verschiedene Namen 1775 – 1800 die 17 kath. Knaben erhalten 9 verschiedene Namen 1875 – 1900 die 22 kath. Knaben erhalten 19 verschiedene Namen

Die Taufnamen in der Zeit von 1975 – 2000 lassen sich nicht gut vergleichen, weil es eher wenig „Material“ hat. Doppelnamen sind wieder gefragter. Bei den Evangelischen haben fast die Hälfte zwei Namen. Bei den Katholiken alle ausser einem. Wenn wir alle Knaben beider Konfessionen betrachten, fällt auf: Johannes (Hans) kommt nur noch dreimal vor (in Doppelnamen). Jakob, Ulrich, Anton, Josef u.a. gibt es nicht mehr. Am meisten gewählt wird Thomas. Zweimal tauft man Peter, Dominik, Stefan, Niklaus, Simon, Markus. Wir können eine grosse Vielfalt neuer Knabennamen feststellen.

Bei der Auswahl der Mädchennamen sind häufig auf beiden Seiten die gleichen anzutreffen. In der Zeit von 1775 – 1800 erhalten von 102 evang. Mädchen 40 einen Doppelnamen, die 26 kath. Mädchen haben alle einen Doppelnamen. Die nachstehenden Namen wurden verwendet:

Bestenliste Einzelnamen evangelische Mädchen katholische Mädchen

Elisabeth (21) keine Anna (15) Susanne (7) Judith, Magdalena, Katherina

Bestenliste Doppelnamen evangelische Mädchen katholische Mädchen

Anna Maria (15) Maria Anna (7) Anna Barbara (9) Anna Maria (6) Anna Katherina (6) Maria Ursula (3) Anna Ursula (6) Maria Katherina (2) Anna Magdalena Maria Elisabeth (2)

Die Evangelischen beginnen alle Mädchen-Doppelnamen mit Anna, die Katholischen die meisten mit Maria. Hier wäre also ein Unterscheidungsmerkmal zu finden. Aber Anna Maria gibt es auf beiden Seiten.

9 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Von 1875 – 1900 gehen bei den evang. Mädchen die Doppelnamen stark zurück. von 144 erhalten noch 25 einen Doppelnamen. Katholische haben weiterhin einen Doppelnamen. Die Rangfolge ist bei beiden ähnlich wie vor hundert Jahren. Die Einzelnamen (evang.) lauten: Anna (23), Elisabeth (17), Berta (10), Emma (8), Katharina (7), Maria (6), mehrfach sind noch Frieda, Lydia, Barbara, Luisa, Mina Judith usw. Liste der Anzahl Mädchennamen, welche zur Anwendung kamen:

1775 – 1800 die 102 evang. Mädchen bekamen 12 verschiedene Namen 1875 – 1900 die 144 evang. Mädchen bekamen 30 verschiedene Namen 1775 – 1800 die 26 kath. Mädchen bekamen 9 verschiedene Namen 1875 – 1900 die 14 kath. Mädchen bekamen 9 verschiedene Namen

In der letzten Periode (1975 – 2000) kommen 19 Mädchen (evang. und kath.) zur Welt. Bei der Taufe gibt es keine Anna, Elisabeth, Barbara etc. mehr. Von den in den beiden letzten Jahrhunderten verwendeten Namen kommen nur einmal Maria und einmal Susanne vor. Man ist also ganz auf die moderne Linie geschwenkt. Übrigens, nicht ein einziger Name wird ein zweitesmal verwendet, alle 19 Mädchen haben verschiedene Namen.

Die Kuster im politischen Leben

Wenn wir auf die letzten 150 Jahre im politischen Leben unseres Dorfes zurückblicken, merken wir bald, dass die Familie einen massgeblichen Einfluss in das tägliche Geschehen hatte. Noch fast das ganze 19. Jahrhundert war das „Wohl des Volkes“ in den Händen der Ortsgemeinden, ausgenommen waren etwa die Strassen und die Feuerwehr. Erst im Laufe der Zeit wurden auf Befehl von oben die meisten öffentlichen Belange der Einwohnergemeinde (Politischen Gemeinde) überbunden.

Zwei Familien waren es, welche von 1850 bis 2000 das Zepter der Ortsgemeinde Diepoldsau in Händen hatten: die Gasser und die Kuster. Die ersteren stellten in diesem Zeitraum 71 Jahre den Präsidenten, 79 Jahre waren es die Kuster. Rückschauend muss man sagen, dass sie die oft schwierigen Probleme, denken wir an die Trennung Widnaus, den Rheindurchstich und andere, nach bestem Wissen gelöst haben. Ein eindrückliches Muster über die „Vorherrschaft der Kuster“ zeigt die nachstehende Bestätigung des Gemeindeguts – Reglements (über Bürgernutzen) im Jahre 1856.

Seit der Abtrennung Widnaus 1883, also seit die politische Gemeinde Diepoldsau in der heutigen Grösse besteht, wurde die Ehre des Gmeindammanns ebenfalls einem Kuster zuteil.

10 DIE KUSTER

Von 1931-1944 war Rudolf Kuster-Oertli, Landwirt an der Mitteldorfstrasse, Gemeindeoberhaupt. In dieser schwierigen Krisenzeit mit vielen Arbeitslosen, konnte er die Wasserversorgung des Dorfes vollenden und 1937 ein Gemeindehaus erbauen. Der Anschluss Oesterreichs an Deutschland, der Beginn des 2. Weltkriegs mit den Problemen um die Anbaupläne zehrten am Lebensnerv des Gemeindevorstehers, sodas er während der Amtszeit verstarb.

Als 1972 das Frauenstimmrecht in unserem Land eingeführt wurde, war das für Frau Heidi Kuster-Keller (geb. 1935) ein Zeichen, sich auch für politische Fragen zu interessieren. Evang. Kirchenrätin und Mitglied der Evang. Synode (1970-1982) war sie bereits, da in kirchlichen Angelegenheiten das Frauenstimmrecht schon früher bestanden hatte. Als Vermittlerin, bekanntlich ein Amt, das Fingerspitzengefühl erfordert, diente sie der Gemeinde Diepoldsau 20 Jahre, bis 2004. Die Krönung ihrer Laufbahn war 1984 die Wahl in den Kantonsrat, als erste Frau von Diepoldsau. Als angesehenes Mitglied der FDP blieb sie bis 1996 in dieser Behörde. Da man weiss, dass Heidi Kuster in ihrem Leben von schweren Schicksalsschlägen nicht verschont blieb, verdient ihr voller Einsatz im öffentlichen Leben umso grössere Anerkennung.

Harte Zeiten - Umwälzungen

Bekanntlich ging im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in Europa wegen der französischen Revolution alles drunter und drüber. Auch der Hof Diepoldsau bekam dabei seinen Teil zu spüren. Nach langem Kampf erreichte man die Loslösung vom Hof Oberriet und auch der Abt gab seinen Segen dazu. In diesen schweren Tagen hatte Diepoldsau mit seinem ersten Hofammann einen Mann an der Spitze, der mit viel Geschick und Mut die junge Gemeinde führte. Es war Johannes Kuster, Krämers. Dieses Jahr sind es 220 Jahre her, seit er das Amt antrat, sicher ein Grund, seine Familien-Akte im Original zu betrachten und versuchen sie zu lesen. Sie steht im Verzeichnis der Haushaltungen von evang. Diepoldsau aus dem Jahr 1780. Es ist die 26. Akte und man erkennt sofort, dass nachträglich Sätze hinzugefügt wurden.

11 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

XXVI (26) ward den 5. April 1790 an der ersten Hofbesatzung allhier zum ersten Hofammann gewählt

den 11. März 1746 JOHANNES KUSTER, Crämers, alt Schulmeister. Cop. (Heirat) (geb.) Vir honestus (ehrenwerter Mann) Ward Sonn- den 8. Dez. 1767 tags den 3. Wintermt. 1782 mit Mehrheit der Stimmen zum Schulmeister gewählt

den 17. Wintermonat ANNA KUSTERIN, des Hans Jacob Kuster sel. 1733 (geb. Novemb.) Witwe von Dieb(oldsau). Paululum avaritiae de Ditus (leicht der Habsucht anfällig) (?)

Den lrrtum mit dem falschen Kuster-Wappen müssen wir ihm verzeihen. Bis der Hof frei dastand, forderte es den ganzen Mann. Von einem Schreiben an die höchste Instanz, die Eidgenossenschaft, soll als Muster die Anrede dienen, wie man sie damals zu schreiben hatte:

„Bittschrift an die Gesandten der Regierenden eidgen. Orte betr. Trennung vom Hof Oberriet. Hochwohlgeborene, Hochedelgestrenge, Ehr- und Notfeste, Fromme, Fürsichtige, Wohlvornehme, Hoch- und Wohlweise, Gnädige und Hochgebietende Herren Obere und Landesväter.“

Man muss das zweimal lesen, bis man erfasst, für welche „Wunderknaben“ sich die Eidgenossen hielten. Es wäre noch beizufügen, dass 8 Jahre später die Eidgenossenschaft sang- und klanglos unterging. Die Franzosen hatten sie erobert.

Anfänglich von den Rheintalern freudig begrüsst, wurde die Besetzungsmacht nur zu bald als schwere Last empfunden.

In dieser turbulenten Zeit kam es unter französischem Diktat 1803 zur Gründung des neuen Kantons St. Gallen, die 3 Höfe Diepoldsau, Schmitter und Widnau wurden zur Einwohnergemeinde Diepoldsau verschmolzen. Ob man damit einverstanden sei, wurde nicht gefragt. Die Besitztümer der drei Höfe wurde ihnen belassen, sie wurden in Ortsgemeinden umbenannt und hatten eine selbständige Verwaltung zu wählen. Um 1815 mit dem Ende der Macht Napoleons gab es wieder ruhigere Zeiten auf der politischen Bühne.

Ganz im Gegensatz dazu waren die Lebensbedingungen der Bevölkerung. Da gab es 1816/17 die letzte grosse Hungersnot mit über 1000 Toten im Rheintal, ständige Missernten, zunehmend Überschwemmungen, Brandfälle fast jedes Jahr. Die grösste Feuersbrunst 1868 brach im Haus des J. Kuster bei der Kirche aus. Eine Schuld am Unglück konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden.

Armut, Krankheiten und Not zehrten fast übermenschlich an den Bewohnern, sodass sich viele sagten: Nur weg von hier! Auswandern war der Wunsch. Ursprünglich wollte ich über das Auswandern der Familien Kuster im 19. Jahrhundert ein eigenes Kapitel schreiben. Bereits hatte ich mir über 20 Haushaltungen aufgeschrieben, als mir der Name des Kuster Johannes, Kordenhanses, auffiel, der mit seiner Frau Anna Barbara und allen 10 Kindern die Reise über den Ozean unternahm. Sofort war mir klar, dass das Thema „Auswandern“ eine zu komplizierte Sache war, um fristgerecht fertig zu werden. Trotzdem möchte ich eine kleine Anekdote weitererzählen, die mir eine alte Frau in Diepoldsau berichtete.

12 DIE KUSTER

„Die Sage vom reichen Kuster in Batavia“

(Batavia ist der frühere Name der Hauptstadt von Indonesien, heute heisst sie Djakarta.) Auf der indonesischen Insel Java soll ein Mann namens Kuster durch Teehandel zu sagenhaftem Reichtum gekommen sein. In seinem Testament verfügte er, dass sein gesamtes Vermögen, da er ohne Nachkommen sei, an alle Kuster in Diepoldsau zu gleichen Teilen verteilt werden solle. Besitzlose Leute, welche unschuldig im Armenhaus leben mussten, sollten sogar den doppelten Anteil am Erbe erhalten. Dies aber nur, wenn sie im Heim zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben haben.

Diese Geschichte erzählte der damalige Armenvater Kuster einem etwas naiven, aber immer wieder ungehorsamen und arbeitsscheuen Insassen, der ebenfalls Kuster hiess, wobei er die Worte „keine Beanstandungen“ besonders betonte. Von dem Tage an soll der Aufmüpfige sämtliche Anordnungen der Leitung bestens befolgt haben. Und wenn er wieder einmal murrte, brauchte der Armenvater nur zu sagen:“ Johann, denk an den Teebaron!“ und schon fügte er sich lammfromm in sein Schicksal. Ob die Sage vom reichen Kuster in Batavia wahr ist, oder ob sie der Armenvater ersonnen hat, ist nicht bekannt, Sicher ist, dass nie ein Erbe verteilt wurde.“

Soweit die Erzählerin. Natürlich entlockt uns die Sage ein Lächeln, dennoch entbehrt sie nicht einer gewissen Tragik. Da ist auf der einen Seite der Armenvater mit seiner Verpflichtung für Ruhe und Ordnung im Haus zu sorgen, und kosten sollte dies auch so wenig als möglich. Ihm gegenüber ist der Insasse, der von weitem einen Hoffnungsschimmer erblickt, aus seinem Elend herauszukommen.

Familie Joh. Kuster-Kuster, alt Armenvater um 1930

sitzend: Johann Kuster von Heinrich, Orchenbüblis, 1865 - 1949, Emma geb. Kuster von Jakob, Orchlis, 1868 – 1946, stehend hinten links: Emma geb. Kuster 1897, Jakob, Sohn 1896, mitte: Arnold, Sohn, 1899 Schneider, Ida geb. Kuster, 1898, stehend vorn links: Gottfried 1907, Sohn a. Ortspräsident, rechts: Emma, Tochter 1900 es fehlt Johann, Sohn 1903

13 ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Zur Foto der Familie Johann Kuster ist noch beizufügen: Die Erzählerin der Sage kann nicht bestätigen, dass der Armenvater der Sage identisch sei mit dem abgebildeten Joh. Kuster. Sie habe die Geschichte einfach so weiter erzählt, wie sie diese in ihrer Jugendzeit gehört habe.

Kurz vor und nach der Wende zum 20. Jahrhundert, als sich die Lebensbedingungen besserten, sind einige bekannte Dorfvereine gegründet worden. Stellvertretend möchte ich nur zwei erwähnen, weil bei der Gründung derselben einige Kuster sich besondere Verdienste erwarben. 1876 wird der Männerchor aus der Taufe gehoben, als erster Dirigent stellt sich der Oberlehrer Jakob Kuster zur Verfügung. Blasmusikvereine gab es deren zwei, die katholische „Harmonie“ und die evangelische „Konkordia“. Die letztere wurde volle 31 Jahre von Johann Kuster dirigiert. 1937 glückte der lang ersehnte Zusammenschluss beider Vereine, erster Präsident wurde Johann Kuster-Spiess. Es ist sicher erwähnenswert, dass ein grosser Teil unserer Kuster musikalisch begabt ist. Ältere Leute erinnern sich noch gut an Willi Kuster (+1959) Gipsermeister, eines im ganzen Rheintal bekannten 1. Tenors, oder an Eduard Kuster (+1977), der über Jahrzehnte als Sänger und Dirigent im evang. Kirchenchor die führende Person war. Dem gleichen Chor ein Leben lang angehört hat auch Reinhard Kuster (+1988), Unterdorf. Der ausgebildete Lehrer hatte ein besondere Begabung für Fremdsprachen, beherrschte er doch mehrere fliessend. Als im 2. Weltkrieg ein Bomber der Alliierten im obern Rheinvorland notlanden musste, war man froh um Reinhards ausgezeichnete Englischkenntnisse, damals eine Seltenheit.

Mit der zunehmenden Industrialisierung verminderte sich die Zahl der Bauernhöfe stetig. Dank der Güterzusammenlegung mit den neuen Siedlungen blieb ein tüchtiger Bestand von Landwirten erhalten. Die Liebe zur Natur ist aber den meisten Diepoldsauern geblieben. Es ist das Verdienst der Ortsgemeinde Diepoldsau, unter der Führung ihres Verwaltungsrates, in den letzten Jahrzehnten viel zur Erhaltung ihres ererbten Besitztums getan zu haben. Über eine längere Zeitspanne war die Stickerei, die Hauptverdienstquelle unseres Dorfes. Leider erwies sie sich als besonders krisenanfällig, sodass die Bevölkerung gezwungen war, andere Verdienstmöglichkeiten zu suchen. Immerhin gelang es einigen Familien, darunter auch Kuster, der langen Durststrecke zu trotzen und auf bessere Zeiten zu warten. Viele der bisherigen Berufe, wie Schneider, Wagner, Sattler, Schuhmacher und andere verschwanden aus dem Dorfbild. Neues Gewerbe hielt seinen Einzug. Die Kuster, ursprünglich, arbeitsame Bauern, überstanden die Schwierigkeiten der Neuzeiten ohne nennenswerte Mühen. Auf alle möglichen Arten gehen sie heutzutage ihrem Broterwerb nach. Bevorzugt arbeiten sie mit Holz, sei es als Zimmermann, Schreiner oder sonst im Holz- und Ladenbau. Wir treffen sie auch im Baugewerbe samt dem Transportwesen an. Vermehrt werden auch nicht manuelle Berufe gewählt, sei es als Kaufleute, Bankangestellte, also im Dienstleistungssektor. Intelektuelle Berufe, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch Mangelware, werden jetzt ebenfalls angestrebt, kennen wir doch unter anderem Ärzte und Pfarrer.

Zwei geistliche Herren mit Namen Kuster, der eine evangelisch, der andere katholisch, beide der jüngeren Generation eher unbekannt, sollen noch kurz vorgestellt werden.

Kuster Arnold, Pfarrer Dr. iur. geb. 14. Juni 1927 Sohn des Schneiders Arnold und der Ida Kuster, an der Bettenstr., Schulen in Diepoldsau und Heerbrugg, Matura A in der Evang. Mittelschule in Schiers. Theologiestudium in Zürich und Basel, 1953- 1959 Pfarrer in Kloten, Opfikon und Schlatt. In der Zwischenzeit Studium der Rechte: Dr. iur. Dissertation über: „Der reformierte Schweizer Pfarrer in der Welt des Rechts“, 1959 – 1992 Pfarrer am Neumünster in Zürich. Mitglied des Kirchenrats des Kts. Zürich. Verheiratet mit Rösli Schärer. Die Mutter der 5 Kinder stirbt 1982. 2. Ehe mit Annelies Obrist, Prorektorin. Wohnt seit 2008 in Richterswil.

14 DIE KUSTER

Johann Kuster Priester, Professor Sohn des Stickermeisters August Kuster und der Wilhelmine Hutter (Langhanses) 9.9.1899. Schule in Felben/TG und Diepoldsau. 1921 Matura in Einsiedeln, Theologiestudium, 1925 Priminz (erste Messfeier) in Diepoldsau, 1925-1970 Professor am Kollegium (kath. Mittelschule) in Schwyz. Stirbt am 09.09.1982 in Schwyz, Heimatgrab in Diepoldsau.

Sein Bruder Josef (1902 – 1984) war Lehrer in Au. Er schrieb im Jahrbuch „Unser Rheintal“ über Schmitter 1977 und Diepoldsau 1979 zwei lesenswerte Berichte von seinen Erinnerungen an die beiden Dorfteile.

Neben diesen Männern sollen zu guter Letzt auch noch zwei Frauen erwähnt werden, welche auf verschiedene Weise im Dorf bekannt wurden. Die erste ist Frau Anna Kuster-Krieg (1912-2008), Witwe des Lukas Kuster. Als grosse Überraschung im Dorf hat sie letzten Herbst die Politische Gemeinde und die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde zu Erben ihres grossen Vermögens gemacht.

Die zweite Frau ist Emilie Kuster-Weder (1893 - 1970) genannt Wissemas Emilie. Sie wohnte im Unterschmitter. In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, hat sie eine Fülle von wunderbaren Erzählungen und Gedichten verfasst, Heiteres und Ernstes. Zum Dorfgeschehen, Vereinsanlässen, Familienfeiern, immer wieder war sie bereit, einen Beitrag zu verfassen.

Ihre Verse sind heute noch lesenswert. Eine Strofe ihres Gedichtes „Grüess Di Gott“ finde ich als passenden Schlusspunkt zur Geschichte der Familien Kuster.

Grüess Di Gott, o Heimat mi, Dipilzou umgea vum Rhie Bhüet Di Gott, vor Sturm und Fluet und bewahr üs Hab und Guet. Dass mer, und o üseri Kind, wie mer, Dipilzouer sind, allzyt dörfed fröhlig sie; z’Dipilzou, umgea vum Rhie!

Lorenz Lipp-Frei

ORTSGEMEINDE DIEPOLDSAU

Quellenangaben

Archiv Ortsgemeinde Diepoldsau Archiv Evang. Kirchgemeinde, Frau Nadine Kuster-Weibel Archiv Kath. Kirchgemeinde, Frau Josy Gruber-Hutter Gemeindeverwaltung Diepoldsau Unser Dorf auf der Rheininsel, Gemeinde Diepoldsau Jubiläumsschriften evang. und kath. Kirche Diepoldsau Der Hof Kriessern, Hardegger und Wartmann Fotos aus Privatbesitz

16