Rückblick Auf Weimar. Ein Briefwechsel Zwischen Otto Braun
144 RÜCKBLICK AUF WEIMAR Ein Briefwechsel zwischen Otto Braun und Joseph Wirth im Exil Dokumentation von Hagen Schulze I „Ich gehe jetzt daran, meine goldene Uhr und sonstige entbehrliche Dinge, die man zu Geld machen kann, in Lebensmittel umzuwandeln. Muß sehen, wie lange das so geht. [. ..] Also warte ich hier auf bessere Zeiten und mache mir keine all zugroßen Sorgen, da ja mein Lebensfaden ohnehin schnell kürzer wird. [. .]"1 In dieser Lage befand sich Otto Braun im Sommer 1941 im Schweizer Exil. Der ein stige „Rote Zar von Preußen", 1920 bis 1933 mit nur zwei kurzen Unterbre chungen preußischer Ministerpräsident und für lange Jahre der mächtigste Mann im Weimarer Staat, hatte am 4. März 1933, körperlich und seelisch gebrochen, menschlich und politisch gedemütigt, die Grenze zur Schweiz überschritten2. Er war der erste bedeutende Politiker der Weimarer Republik, der nach der national sozialistischen Machtergreifung den Schritt in die Emigration tat; zwar hatte er aus dem Büro des Reichspräsidenten eine Warnung vor seiner unmittelbar bevor stehenden Verhaftung erhalten, und ihm sollte in den nächsten Monaten und Jah ren ein Strom von Flüchtlingen folgen, aber für die noch kämpfenden und hoffen den Demokraten hatte Brauns Flucht gerade am Tag vor der Reichstagswahl etwas von der Desertion eines Kommandierenden Generals während der Entscheidungs schlacht an sich. Für eine namhafte politische Rolle in der deutschen Emigration hatte er sich damit aus dem Spiel gebracht, und es spricht auch nichts für die An nahme, ihm sei in den dreißiger und beginnenden vierziger Jahren an einer solchen Rolle gelegen gewesen; Theodor Wolff, der ehemalige Chefredakteur des „Berli ner Tageblatts", der Braun im Sommer 1935 in dessen Haus, der „Casa Erna" am Monte Verità über Ascona, besuchte, fand ein „blühendes Eremitenparadies", den Hausherrn Wurzeln rodend und Kartoffeln setzend und dem politischen Getriebe 1 Braun an Weichmann, 18.
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