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The Lonely Rider Ford: Der amerikanische Massenhersteller will den Markt für Luxuswagen aufrollen. Wolfgang Reitzle soll den Angriff führen. Der Schwabe kennt die Spielregeln und die Gegner. Aber er ist auf sich allein gestellt, ihm fehlen die Truppen. Kann er es dennoch packen?

er Mann findet keine Ruhe mehr, schläft nur noch fünf DStunden pro Tag, nicht selten im Sessel eines Flugzeugs. Mal jettet er nach Detroit, wo er mit Kollegen von Ford konferiert, mal ruft ihn sein Boss Jac Nasser zum Frühstück nach New York. Dann der Weiterflug nach Göteborg zum Meeting bei Volvo. Derweil wartet sein Büro in London mit einem Stapel Post und mit Anfra- gen, die er, mangels Personal, am Te- lefon persönlich beantworten muss. Wolfgang Reitzle, Chef der Pre- mier Automotive Group, der Hol- ding, in der Ford seine Topmarken i Profil Wolfgang Reitzle zusammenfasst, ist ein General ohne Truppen. Ohne eigenen Mitarbeiter- Piekfein der Anzug, höflich der Stark ist er im Umgang mit Men- Auftritt – Wolfgang Reitzle (50) ist schen. Reitzle kann motivieren,

stab, ohne eine Infrastruktur dirigiert FOTO: DOMINIK GIGLER der Gentleman unter den Topma- er kann überzeugen. Überraschend er von seinem kleinen Büro am Lon- nagern der PS-Branche. Sein Drang dann am 5. Februar 1999 sein Ab- doner Berkeley Square aus den An- zu Perfektion führte den Mann, stu- gang in Folge der turbulenten griff auf die Beletage der Autozunft. dierter Ingenieur und Ökonom, Aufsichtsratssitzung. Nach 23 Jah- Es sind überaus ehrgeizige Ziele, schon mit 38 Jahren als Entwick- ren BMW fing Reitzle bei Ford die der Schwabe in Diensten des US- lungschef in den BMW-Vorstand. neu an. Autokonzerns verfolgt. Reitzle will

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२ das Image von Aston Martin, Ja- guar, Volvo, Lincoln sowie Mercury verbessern und die fünf Marken der bunt zusammengewürfelten in der automobi- len Oberklasse neu positionieren; २ die Absatzzahlen der Group und natürlich auch die Erträge jeder sei- ner Marken deutlich steigern. Und Reitzle muss den Ansprüchen von Konzernchef Nasser gerecht werden, der Ford zum größten und profitabelsten Autohersteller der Welt machen will. Sein Part: Er soll für die Amerikaner das gravierende Problem mit der Oberklasse lösen (siehe Kasten Seite 108). Nie zuvor hat ein Mann mit mehre- ren Automarken den Großangriff auf die Luxusklasse gewagt. Doch kann Reitzle die Mission ohne eigene Or- ganisation überhaupt erfüllen? Kann quasi einer allein – selbst wenn er ein Überflieger ist – eine derart an- spruchsvolle Aufgabe lösen? Oder ist sein Job eine „Mission impossible“? Reitzle will es packen. Nach dem abrupten Abgang bei BMW will er allen zeigen, dass er Großes leisten kann. Sein Neustart muss gelingen. Der 50-Jährige schwärmt von einem Traumjob: „Es ist faszinierend, die Gesamtverantwortung für derart tra- ditionsreiche Marken zu haben.“ Indes, die Ausgangslage ist schwie- rig. Beim Start für das Rennen um die Premiumkunden der Zukunft stehen die altehrwürdigen Marken der Pre- mium Automotive Group in den hin- teren Reihen. Britanniens Chrom ist von Staub bedeckt. Jaguar konnte sich zwar mit dem Rettungsanker Ford dem Niedergang der englischen Autoindustrie entziehen. Dennoch litt die Raubkatze aus Coventry lan- ge unter quälenden Qualitätsprob- lemen. Und wer erinnert sich noch daran, wie Filmheld James Bond in den 60er Jahren in einem Aston Mar- tin über die Leinwand fegte? Eine Hand voll Aristokraten, ein paar Liebhaber britischen Understate- ments sind es, die ihren Fuhrpark mit einem Aston Martin schmücken. Noch altbackener ist der Ruf der Luxusautos made in USA. Lincoln managermagazin 12/99 107 Unternehmen Ford

i Firma – Pick-ups und Minivans sorgen für den Gewinn er Ford-Konzern kommt in Be- Für den Umbau zum Dienstleister quartier von Lincoln zog nun erst Dwegung. Die zentralistische Füh- ist Ford gerüstet: Ford Credit ist die einmal nach Kalifornien um. Ziel rung vom Hauptquartier in Dearborn zweitgrößte Auto-Finanzierungsge- ist, dass die Marke größere Eigen- aus gilt als gescheitert. Konzernchef sellschaft der Welt. Der Konzern diri- ständigkeit und wieder mehr Profil Jac Nasser (51), ein Dynamicus, der giert den Autovermieter Hertz und gewinnt. im Januar das Kommando von Alex seit diesem Jahr die britische Service- Gelingt der Coup, und der 150- Trotman (66) übernommen hat, will kette Kwik-Fit (in Deutschland: Pit- Milliarden-Dollar-Konzern kann den Monolithen Ford zu einem kun- Stop). Die Schnellwerkstätten will die Absatzzahlen seiner Marken denorientierten Mobilitätsdienst- Ford in wenigen Jahren zum größten nach oben fahren, rückt die Erfül- leister umbauen. Netz von Servicestationen mit rund lung von Nassers Traums näher. Bisher trägt der florierende Verkauf 5000 Stellen ausbauen, gegenwärtig Der gebürtige Libanese, ein Work- von Pick-ups und Minivans auf dem sind es 1900. aholic und nimmermüder Antrei- nordamerikanischen Markt allein zwei In Zukunft soll Ford nach Nassers ber, will unbedingt in die Hall of Plänen den Kunden praktisch sämtli- Fame der US-Autoindustrie ein- Drittel zum Ergebnis aus dem laufen- che Dienstleistungen rund ums Auto gehen. Als der Manager, der die den Geschäft von zuletzt 5,9 Milliarden anbieten: von der Abenteuerreise im Schmach des Jahres 1926 tilgt. Da- Dollar bei. Den Rest spielt vor allem Ford Explorer bis zum Abholdienst mals war beim das Finanzierungsgeschäft ein. bei Werkstatt-Terminen. Absatz an Ford vorbeigezogen. Schwierig indes gestaltet sich das eigentliche Autogeschäft mit Mas- Näher am Kunden sen- und Luxusfahrzeugen. In den Die neue Struktur der USA kommt Ford zwar auf einen Geschäftsbereiche Marktanteil von rund 25 Prozent. In Europa erlebt die Marke aber ein Ford Desaster. Der Anteil sinkt seit Jahren, zuletzt unter 10 Prozent. In Deutsch- • Ford North America land sind es nur noch 8,7 Prozent. • Ford Europe Und die Ertragslage in Europa geht • Ford Asia Pacific gegen null. • Ford South America Mit der Dezentralisierung der Ge- Das Massengeschäft wird schäftsbereiche will Nasser für eine regional geführt Belebung sorgen. Künftig wird die Marke Ford von vier regionalen Ge- • Premier Automotive Group schäftsbereichen getrennt geführt: mit Marken von Ford North America, Ford Eu- Aston Martin, Jaguar, rope, Ford Asia Pacific und Ford Lincoln, Mercury, Volvo South America. Fünf Luxusmarken unter Die Marken Aston Martin, Jaguar, einem Dach Lincoln, Mercury und Volvo, die in Setzt auf mehr Dienstleistungen höheren Marktsegmenten reüssieren • und auf Dezentralisierung: sollen, sind weltweit in der Manage- 33-Prozent-Beteiligung Energiebündel Jac Nasser will den

mentholding Premier Automotive mm an den Japanern Ford-Konzern umbauen Group zusammengefasst. Das Haupt- zehrt bis heute von dem längst über- und BMW feiern Triumphe. Der hat er entscheidend mitgeprägt. holten Image der Präsidenten-Li- weltweite Luxusmarkt liegt in den Schon mit 28 Jahren war er Abtei- mousine. Das kann Amerikas Baby- Händen deutscher Ingenieure. Selbst lungsleiter, seit 1985, seit seinem Boomer nicht locken, schon gar keine vor der Haustür von Ford. Auf dem 36. Lebensjahr, zeichnete er für die europäischen Aufsteiger. Den ge- US-Markt vermag neben den Deut- Entwicklungsarbeit der weiß-blauen planten Export von Lincoln-Model- schen noch zu reüssieren. Das Marke verantwortlich. Bis zu jenem len nach Westeuropa stoppte Ford. Bollwerk Westeuropa indes konnte ominösen Freitag im vergangenen Eine gute Tat. Der Flop konnte ver- auch Toyotas Spitzenmarke bislang Februar, der zum Wendepunkt im mieden werden. Und Mercury? Die nicht knacken. Trotz japanischer Leben des schwäbischen Automana- Marke, 1938 als Lincoln-Schwester Topqualität. gers Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle wurde. FOTO: BOB SACHA gegründet, ist so gut wie tot. Reitzle freilich weiß, wie ein An- Jac Nasser hat danach sofort zuge- Der Massenhersteller Ford spielt griff auf den Luxusmarkt von Erfolg griffen. Dem Ford-Chef, selbst erst in der automobilen Champions- gekrönt sein kann. Den furiosen Auf- seit Januar in Amt und Würden, war League keine Rolle. Mercedes-Benz stieg von BMW in der Kuenheim-Ära klar: der oder keiner. Reitzle kennt

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Traditionsmarken mit Zukunft?

Aston Martin Jaguar Volvo + Exklusiv, oft adelige Kunden. + Hoher Bekanntheitsgrad, mutiges + Robuste, zuverlässige Fahrzeuge. + Attraktives Design. Design. + Marke gilt – vor allem in den USA - Die Stückzahlen (650 Autos im + In den vergangenen Jahren wurden – zunehmend auch als sportlich. Jahr) sind zu gering, um einen Ge- Qualitätsmängel beseitigt. - Plattform-Konzept mit Mitsubi- winn zu erzielen. - Gleichteile- und Plattform-Kon- shi in der Mittelklasse weicht den - Den Hochleistungssportwagen fehlt zept mit Ford schadet dem Image. Markenkern auf. im Vergleich zu Konkurrenten wie - Im Topsegment kein Zwölf-Zylin- - Strategisch in der Klemme zwi- Ferrari die Rennsporttradition. der-Motor mehr im Angebot. schen Masse und Klasse.

Reitzle über Aston Martin: Reitzle über Jaguar: Reitzle über Volvo: „Wir wollen Aston Martin zur sport- „Jaguar ist ein relativ kleines Unter- „Derzeit sind Trends zu spüren, die lichen Hightech-Marke machen. Tra- nehmen mit einem weltweit enormen Volvo während der nächsten zehn dition und zukunftsweisende Technik Bekanntheitsgrad. Aus diesem Span- Jahre stark entgegenkommen wer- wie Leichtbau mit Materialien wie nungsfeld ergibt sich das Wachstums- den. Die Menschen wollen sich im- Aluminium oder Kohlefaser müssen potenzial. Um dieses auszuschöpfen, mer stärker differenzieren. Zu den kein Widerspruch sein. Auf Grund verschaffen wir Jaguar mit dem For- Statussymbolen von heute werden ihrer Exklusivität ist die Marke ideal, mel-1-Engagement ab nächstem Jahr echte Alternativen gesucht. Für um neue Technologien einzusetzen.“ eine ideale, weltweite Bühne.“ Volvo ist das eine große Chance.“ die Spielregeln, und er kennt die Geg- bekannt genug, um deutlich höhere greift mit den zugekauften Glitzer- ner wie kaum ein anderer. Er weiß, an Verkäufe einzufahren. Und werbe- marken Bentley, Bugatti und Lam- welchen Stellschrauben er zu drehen wirksame Siege in der Formel 1. borghini nach den Sternen und will hat – an der Qualität, am Design, am Eine Verdreifachung der Verkaufs- die Hausmarke VW aufrüsten. Lexus exklusiven Verkauf, er kennt die Mix- zahlen auf 200 000 Fahrzeuge pro und Porsche wappnen sich für den tur für die Politur der Marken. Jahr hat er für die Briten schon mal Kampf, Maserati betritt mit Fiat-Gel- Nun soll er den Ford-Konzern auf eingeplant. Insgesamt will er den Jah- dern erneut die Arena. dem Umweg über die Premier Auto- resabsatz der Premier Automotive Die Etablierten schlagen zurück. motive Group als drittes Schwerge- Group, der durch die Übernahme von In den Entwicklungsabteilungen in wicht neben DaimlerChrysler und Volvo Anfang des Jahres auf 650 000 Stuttgart und München entstehen der BMW-Group auf dem weltweiten Einheiten angeschwollen ist, auf eine weitere Luxussportwagen und teure Luxusautomarkt platzieren. Million Autos nach oben katapultie- Karossen. BMW hat sich die Mar- Und Reitzle geht ran. Von vorneh- ren – und damit Ford auf das Sieger- ke Rolls-Royce gesichert. Daimler- mer Zurückhaltung zeugt nur noch treppchen hieven. Chrysler vertraut dem Klang eines sein Auftreten. Immer noch Gentle- Das hehre Ziel ist gesteckt. Wirk- Maybach. man, spricht er leise, hört zu. Doch liches Pech nur, dass der Generalan- Noblesse und Sportlichkeit sind was er sagt, könnte lautstarker kaum griff in diesen Zeiten auf einen hefti- die Trümpfe. Und sportlich sind sie sein. „Mit Aston Martin, Jaguar, Lin- gen Verdrängungswettbewerb trifft. allemal. In der Königsklasse des Mo- coln und Volvo haben wir eine Kom- Die zyklische Autobranche hat mal torsports nimmt BMW im nächsten bination aus Tradition, Stil, Leistung wieder einen konjunkturellen Höhe- Jahr den Wettstreit gegen den Cham- und Sicherheit.“ Die Ausgangsbasis punkt erreicht, und der Kampf um die pion Mercedes-Benz auf. sei ideal. Reitzle fordert alles, er will zahlungskräftigen Oberklassekäufer Die Deutschen lassen keine Zwei- die Pole-Position im Premiummarkt. ist härter denn je. fel aufkommen, sie wollen ihren Vor allem bei Jaguar hat er enor- Reitzle ist nicht der einzige Ver- Führungsanspruch behaupten. mes Wachstumspotenzial ausge- käufer, der mehr Exklusivität an die Reitzles Traumjob könnte sich jäh macht. Reitzle meint, die Marke sei Kunden bringen will. Volkswagen als Höllenjob erweisen. Die ehrgeizi-

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der-Motor mehr C-Klasse und Audi A4. Der kleine im Angebot, der Jaguar ist im nächsten Jahr serienreif. ganzen Premier Allerdings erfordert die Expan- Group mangelt sionsstrategie viel Zeit. Reitzle weiß, es an den Ni- dass er eigentlich einen preiswerten schentypen, die Roadster im Porsche-Boxster-Be- – wie Gelände- reich in den Show-Rooms haben wagen, Minivans müsste, die Zweisitzer erleben einen oder preiswerte Frühling. So einen Jaguar-Flitzer in- Roadster – nun des kann Reitzle, wie er einräumt, mal in Mode ge- erst in einigen Jahren präsentieren. kommen sind. Genügend Spielraum also für die Schlimmer Wettbewerber, sich gegen den An- noch: Die vor- griff der Briten zu wappnen und neue handenen Mo- Modetrends mit weiteren Modellen delle sind mit- zu beantworten. unter in den Keine Frage: Mercedes und BMW Start in die Formel 1 gleichen Markt- sind dem Angreifer stets einen Für 100 Millionen Dollar kaufte sich Ford bei der briti- segmenten un- Schritt voraus. Zumal die Integration schen Formel-1-Crew des früheren Weltmeisters Jackie terwegs, buhlen von Volvo in Fords Premier Group Stewart ein. Grün lackiert und in Jaguar umbenannt, geht also um diesel- noch länger dauern wird. Erst dieje- das Team in der Königsklasse gegen McLaren Mercedes, ben Kunden. Vol- nigen Fahrzeugtypen, die jetzt ange- Williams-BMW, Ferrari und Co. ins Rennen. Vize-Welt- vos neues Flagg- dacht werden, können auf das System meister Eddie Irvine soll auf der Piste die Punkte ein- schiff S80 und Ford umgestellt werden. fahren, von denen sich Wolfgang Reitzle für die Marke Jaguars Hoff- Bis 2004 sind die Schweden, die Jaguar einen beträchtlichen Imagegewinn erhofft. nungsträger S- der US-Konzern im Januar für fast Type sind sol- elf Milliarden Mark übernommen che Fälle. Diese hat, mit der Volvo-Mittelklassereihe gen Wachstumsziele kann er nur ver- Oberklasselimousinen aus Reitzles (S40, V40) in der Fahrgemeinschaft wirklichen, wenn er es schafft, sein Gruppe müssen nicht nur gegen Mer- mit Mitsubishi gebunden. So kann die Sammelsurium aus fünf Marken zu cedes-E-Klasse und 5er-BMW beste- Reihe, die im holländischen Born bei ordnen und die Produktpalette deut- hen. Sie stehen sich auch noch gegen- Nedcar auf einer gemeinsamen Platt- lich auszudehnen. Im Gegensatz zu seitig im Weg. Und ganz nebenbei form mit dem Mitsubishi Carisma ge- ihren Wettbewerbern fehlt Fords sollen die Angreifer zudem Konkur- fertigt wird, erst in fünf Jahren auf zusammengewürfelter Autogruppe renzmodelle von Audi, Citroën, Le- Ford-Bodengruppen stehen. noch die klare Linie. xus oder Saab abhängen. Der Einsatz von Gleichteilen in Mercedes-Benz und BMW decken Freilich, Ford hat begonnen, die mehreren Modellen und Marken in- als Full-Line-Anbieter den Premium- Defizite auszubügeln. Die notwen- des ist Bestandteil der Strategie. Auf markt von den teuren Zwölf-Zylin- dige Erweiterung der Modellpalette diese Weise will Ford Synergien im der-Modellen der S-Klasse und der und Qualitätsverbesserungen hat Einkauf und in der Produktion aus- 7er-Reihe bis hinunter zur A-Klasse Nick Scheele, Reitzles Vorgänger als schöpfen und die Kosten drücken. und dem 3er-Compact ab. Daneben Jaguar-Chairman und heutiger Ford- Weder Volvo noch Jaguar fahren haben die beiden Hersteller mit Europa-Chef, bereits vor Jahren ein- hohe Gewinne ein, Aston Martin Geländewagen wie der M-Klasse geläutet. Zusätzlich zu den 4,8 Mil- schrammt an der Null-Linie. Für die oder dem und Roadstern liarden Mark, die Ford vor zehn Jah- Schweden lieferte die mangelnde wie dem SLK oder dem Z3 attraktive ren für die Übernahme der Briten be- Profitabilität den Grund, die Perso- Nischenmodelle im Angebot. rappen musste, steckten die Ameri- nenwagensparte abzugeben. Nur mit einer so weit gespreizten kaner zwölf Milliarden Mark in die In Skaleneffekten liegt aber nicht Aufstellung erreichen die Marktfüh- Sanierung des britischen Unterneh- nur die Chance, einen Dividenden- rer die Größenordnung von einer mens und in die Entwicklung neuer beitrag zu erwirtschaften, sie bergen Million Fahrzeugen jährlich, die Autos. auch Risiken. Je hochwertiger ein Reitzle nun anpeilt. Beim Produktprogramm setzt Ford Produkt ist, desto größer ist die Ge- Im Programm der Premier Auto- auf optisch attraktive, billigere Ja- fahr, durch den kostensparenden Ein- motive Group fehlen dagegen ent- guar-Varianten. Nach dem S-Type, satz von Massenteilen den Ruf des sprechende Modelle. Die Vorzeige- der 1999 startete, folgt der Angriff auf Gewöhnlichen zu erwerben. Käufer, marke Jaguar hat keinen Zwölf-Zylin- das Marktsegment von 3er-BMW, die viel Geld für ein Luxusauto aus-

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geben, erwarten gemeinhin eine ge- Zweifelsfall entscheiden die sich für wisse Exklusivität. die kostengünstigere Variante.“ Schon beim neuen Jaguar S-Type, Probleme genug, die Reitzle im der auf der gleichen Plattform fährt Auge behalten muss. Nicht weniger wie der Lincoln LS, bemängeln Auto- Sorgen indes macht ihm die Restruk- tester das allzu sichtbare Ford-Am- turierung des Händlernetzes. Reitzle biente. Die Armaturen werteten sie will weiterhin im Vertrieb jede Marke als Stilbruch. Auch die etwas kraft- getrennt präsentieren. Das kann aber lose, gleichwohl durstige Maschine durchaus ein Händler sein, der Aston des S-Type, die ihre amerikanische Martin, Jaguar und Volvo vertritt und Herkunft kaum verbergen kann, stieß hinter getrennten Show-Rooms den auf Kritik. Service zusammenlegt. Derlei Mängel, die sich mit dem Der Neuaufbau des Vertriebsnet- hohen Anspruch einer Premium- zes braucht aber Zeit, und er ist nicht marke kaum vereinen lassen, könn- billig zu haben. Volvo- wie Jaguar- ten im kommenden Jahr auch dem Händler pochen auf ihre Verträge. Fast keine Zeit mehr fürs Training: neuen kleinen Jaguar zu schaffen ma- Bei Kündigungen werden Ausgleichs- Golf-As Reitzle (Handicap 8) chen. Der wird sich die Plattform mit zahlungen fällig. Unruhe im Händler- dem neuen Ford Mondeo teilen. netz ist programmiert. Zumal nicht Insider zweifeln nicht daran, dass Gleiches gilt für Volvo. Die Marke, jeder Volvo-Händler, der für einen Ford Ernst macht. Konzernchef Nas- die sich künftig im Ford-Baukasten Jaguar-Vertrag in Betracht kommt, ser dürfte ausreichend Geld bereit- bedienen soll, hat mit den skandina- bereitwillig mehrere Millionen Mark stellen, Fords Konten sind gefüllt. FOTO: ASA FOTOAGENTUR/GÜNTER SCHIFFMANN visch robusten Autos Käuferherzen in neue Schauräume stecken will. Und Reitzle dürfte die notwendige gewonnen. Wird durch Ford-Gleich- Folgerichtig denkt Ford außer an Zeit eingeräumt bekommen. teile der Markenkern von Volvo be- den Umbau des bestehenden Händ- Der energische Macher Nasser und schädigt, könnte manch ein Fan von lernetzes an den Aufbau firmeneige- der technisch versierte Stratege der Fahne gehen. ner Niederlassungen. Doch das wird Reitzle, ein Idealgespann? Kein Wunder, dass Reitzle äußerst teuer. Reitzles eigentliches Problem ist ungern von Plattform-Strategien Hinzu kommen der Werbeauf- das „virtuelle Büro“, in dem er arbei- spricht. Er bevorzugt Umschreibun- wand, der bei der Höherpositionie- tet. An zu vielen Fronten muss er gen wie „Komponenten-Matrix“. rung gleich mehrerer Marken viel Großes bewegen: bei Volvo, bei Ja- „Nutzt alles nichts“, sagt ein Insi- Geld verschlingen wird. Und der guar, bei Lincoln, in der Produktent- der, der auf Seiten der Ford-Control- enorme Aufwand für den Aufbau ein- wicklung, im Design, im Vertrieb. Bei ler den größeren Einfluss sieht. „Im heitlicher EDV-Systeme. Volvo und Jaguar sitzt er dem Auf-

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sichtsrat vor – doch von dieser lufti- gen Höhe aus kann er die Unterneh- men kaum in seinem Sinn steuern. Das nationalbewusste Volvo-Ma- nagement ist es gewohnt, selbststän- dig zu agieren. Was dieses Behar- ren auf Eigenständigkeit bedeutet, musste Reitzle in seinen BMW-Zei- ten bei Rover erfahren. Auch dort war er Chairman, ohne Erfolg. Eine Integration von Unternehmen aus dem Aufsichtsrat heraus gilt als äußerst schwierig; bei höchst unter- schiedlichen Firmen, wie sie die Pre- mier Automotive Group vereinigt, als fast unmöglich. In die Rolle des kundigen Rat- gebers und Group-Sprechers jedoch wird sich Reitzle nicht abdrängen las- sen. Dafür ist er zu ehrgeizig, dafür ist sein Drang nach technischer Perfek- tion zu groß. Reitzle leidet darunter, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Wer fünf Marken auf zwei Kontinenten ver- tritt, ist nun mal ständig unterwegs. Und alles ohne Stäbe von Mitarbei- tern, die ihn entlasten. Zu viel muss er selbst erledigen. Was für ein Job. Und was für ein Unterschied. Bei BMW lieferten ihm mehrere Assis- tenten zu, Sekretärinnen, Fahrer wa- ren zu Diensten. Und Freiräume gab es auch noch – für eine Partie Golf, für Freundin Nina Ruge. Die Journalistin trägt die Er- schwernisse mit Fassung, fliegt zwi- schen München, ihrem Wohnort, und London hin und her. Auch in England lässt es sich gut shoppen. Doch wie lange noch? Neider wollen wissen: Reitzle habe nach dem abrupten Abgang bei BMW keine andere Wahl gehabt. Nassers Angebot sei der einzige Weg gewe- sen, der ihm in seiner heiß geliebten Autobranche kurzfristig offen stand. Viel lieber, heißt es, hätte er bei DaimlerChrysler angeheuert. Es ist nie zu spät. Angeblich hat Reitzle von Jürgen Schrempp, mit dem er gemeinsam wandert und klet- tert, die Zusage, in drei Jahren nach Stuttgart zu wechseln. Dort könnte er als Mercedes-Chef Jürgen Hubbert beerben. Frank Scholtys managermagazin 12/99 115