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Einheimische Giftpilze- Verwechslungen

Einheimische Giftpilze- Verwechslungen

Einheimische Giftpilze-

Verwechslungen,

Vergiftungssymptome

(Ein Versuch, die am häufigsten verzehrten Giftpilze deutschlandweit zu erfassen ...)

Abschlussarbeit im Rahmen des Postgradualstudiums Toxikologie an der Universität Leipzig Susann Buchheim- Schmidt Apothekerin Leipzig, August 2009 Gewidmet meinem Großvater, Erich Freudenberg, dessen Pilzmahlzeiten wir glücklicherweise alle überlebt haben ... Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung Seite 1 1.1. Ziel der Arbeit Seite 1 1.2. Probleme Seite 3 1.3. Poisoning Severity Score (PSS) Seite 5 2. Einteilung der Pilzvergiftungen Seite 8 2.1. - nach ihrer Latenzzeit Seite 8 2.2. - nach dem Auftreten unterschiedlicher Symptome Seite 8 2.2.1. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit länger als 4 Stunden Seite 9 2.2.1.1. Phalloides-Syndrom (P) Seite 9 2.2.1.2. Gyromitrin-Syndrom Seite 9 2.2.1.3. Orellanus-Syndrom Seite 9 2.2.2. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit kürzer als 4 Stunden Seite 10 2.2.2.1. Gastrointestinales Syndrom (Gi) Seite 10 2.2.2.2. Muscarin-Syndrom (M) Seite 11 2.2.3. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit von weniger als 4 Stunden Seite 12 und Zeichen von Hämolyse – Paxillus- Syndrom (Pax) 2.2.4. Gastrointestinale Symptome mit kurzer oder langer Latenzzeit Seite 13 nach dem Genuss atoxischer oder (nur) roh toxischer Pilze 2.2.4.1. Indigestions-Syndrom, bzw. individuelle Pilzunverträglichkeit (U) Seite 13 auch unechte Pilzvergiftung 2.2.4.2. Pilzallergie Seite 15 2.2.5. Neurologische und psychische Symptome Seite 15 2.2.5.1. Pantherina-Syndrom (Pa) inklusive muscaria- Syndrom (Am) Seite 15 (Fliegenpilzsyndrom) 2.2.5.2. Psilocybin-Syndrom (Ps) Seite 16 2.2.6. Vergiftungssymptome in Verbindung mit Alkohol - Seite 16 Coprinussyndrom (Azetaldehydsyndrom) ( C ) 2.2.7. Rhabdomyolyse – Tricholoma equestre-Syndrom Seite 17 2.2.8. Acromelalga-Syndrom Seite 18 3. Detailierte Beschreibung der am häufigsten erfassten Giftpilze Seite 19 bzw. Pilzgruppen 3.1. Amanita phalloides und Verwandte Seite 21 3.2. Psilocybinhaltige Pilze Seite 32 3.3. Agaricus xanthoderma (Karbolegerling) Seite 39 3.4. Armillaria mellea (Hallimasch) Seite 42 3.5. (Pantherpilz) Seite 45 3.6. Amanita muscaria (Fliegenpilz) Seite 48 3.7. Tylopilus felleus (Gallenröhrling) Seite 52 3.8. Pilze der Gattung Panaeolus (Düngerlinge) Seite 54 3.9. Paxillus involutus (Kahler Krempling) Seite 59 3.10. Boletus satanas (Satanspilz) Seite 63 4. Schlussbetrachtung Seite 65 5. Quellenverzeichnis Seite 69 6. Danksagung Seite 72 1

1.Einleitung

1.1. Ziel der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit, die von Dr. Hahn vom BfR angeregt wurde, ist es, relativ genaue Zahlen über die Vergiftung mit Pilzen pro Jahr auf die einzelnen Pilze bezogen zu erstellen. Zu diesem Zweck wandte ich mich im Herbst 2007 an die 9 deutschen Giftinformationszentren mit der Bitte um Freigabe der Daten über Pilzvergiftungen für das Jahr 2006. Innerhalb eines Jahres erhielt ich von den Giftinformationszentren Mainz, Bonn, München, Göttingen und Erfurt die Daten von insgesamt 1704 relevanten Vergiftungsfällen mit Pilzen. Erfassen wollte ich - den jeweiligen Pilznamen Oft lag dieser nur als Trivialname vor und wurde dann mit der Pilznamenliste von Frau Eckart vom GIZ Mainz abgeglichen. Alle noch nicht erfassten Pilznamen wurden von mir an Frau Eckart zur Vervollständigung ihrer Pilznamenliste gemeldet. - das Alter des Patienten - das Bundesland bzw. den Ort - den Schweregrad der Vergiftung nach PSS (Poisoning severity score) Erfasst wurde jeweils der höchste PSS - den Ausgang der Vergiftung (Heilung, Defektheilung, Tod) - ob ein Pilzsachverständiger eingeschaltet wurde

Der letzte Punkt sollte ursprünglich zum Abgleich mit der Meldestatistik der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) dienen, da diese Fälle mit in meine Auswertung eingehen sollten und ich Doppelerfassungen vermeiden wollte. Letztendlich übersteigt das Maß der von den GIZ erfassten Vergiftungsfällen (insgesamt 1704 für das Jahr 2006) deutlich die Fälle der Pilzsachverständigen (mit 207 Vergiftungsfällen im selben Jahr), so dass ich mich auf die Fälle der GIZ beschränkt habe. (117) Doppelerfassungen wären auch nicht so einfach auszuschließen gewesen, da das von mir gewählte Jahr 2006 auch schon etwas zurückliegt. Ich habe die letzten Daten erst Ende Januar 2009 erhalten.

Eingegangen in die Statistik ist nur der tatsächliche Verzehr von Pilzen, auch von psychoaktiven Pilzen. Schimmelpilzintoxikationen werden von einzelnen Zentren mit in der Pilzstatistik erfasst, diese Fälle wurden von mir gestrichen. Ebenso gingen in die Auswertung keine Mischintoxikationen mit Alkohol, Haschisch, Kokain oder Speed ein. Diese Konstellation ergab sich v.a. bei Verzehr von psilocybinhaltigen Pilzen oder Fliegenpilzen. Von den Zentren Bonn, Göttingen und Erfurt liegen mir die Daten für Mehrfachintoxikationen vor, von Mainz und München wurden diese gar nicht mit gemeldet. Relevant könnte der Verzehr von Alkohol und Pilzen allerdings beim Coprinussyndrom sein. Hier wird durch Verzehr von coprinhaltigen Pilzen (z.B. Coprinus atramentarius) in Kombination mit Alkohol der Abbau des Alkohols blockiert und damit die Vergiftungssymptome einer Azetaldehydvergiftung ausgelöst. In den mir vorliegenden Fällen von Mischintoxikationen kam diese Kombination aber nicht vor. Sofern es Hinweise auf mögliche Lebensmittelvergiftungen gab, wie z.B. überlagerte Supermarktpilze oder gemeinsamer Verzehr mit Geflügel o.ä. wurden diese Fälle ebenfalls nicht in der Pilzvergiftungsstatistik erfasst. Erfasst wurden nur Vergiftungen am Menschen, die gemeldeten Fälle von Hunden oder anderen Tieren habe ich nicht gewertet. 2

Sehr geehrte Leiter der Giftinformationszentren,

das Thema meiner Abschlussarbeit für das Postgradualstudium Toxikologie an der Universität Leipzig lautet „Einheimische Giftpilze, Verwechslungen, Vergiftungsverläufe“. Dr. Hahn vom BfR regte an, im Rahmen dieser Arbeit eine Statistik über die Anzahl der Vergiftungen pro Jahr auf die einzelnen Pilze bezogen zu erstellen. Die Daten der Pilzsachverständigen der DGfM liegen mir bereits vor, diese sind aber sehr unvollständig, weil in diese Statistik „nur“ die Arbeit der Pilzberater eingeht. Um einen relativ genauen Überblick über die Situation zu erhalten, würde ich diese gern mit den Anfragen zu Pilzvergiftungen der deutschen Giftinformationszentren abgleichen und bitte in diesem Rahmen um Ihre Mithilfe. Eingehen in die Statistik sollen nur der tatsächliche Verzehr von Pilzen, auch von psychoaktiven Pilzen also keine Daten über Schimmelpilzintoxikationen, Lebensmittelvergiftungen mit überlagerten Supermarktpilzen o.ä. oder fiktive Anfragen (z.B. in der Art, wie viele Fliegenpilze sind tödlich, o.ä.).

Interessant für mich wäre -der jeweilige Pilz (lateinischer Name oder Trivialname), sofern bestimmt und erfasst, -das Alter des Patienten (Kleinkind kleiner 6 Jahre, Kind kleiner 14 Jahre, Jugendlicher kleiner 18 Jahre, Erwachsener, Senior ab 65 Jahre), -das Bundesland, -der Schweregrad der Symptome (nach Poisoning severity score) -der Ausgang der Vergiftung, sofern rückgemeldet (vollständige Heilung, Defektheilung, Tod, unbekannt) -ob ein PSV eingeschaltet wurde, da ich deren Statistik abgleichen muss -Tag der Anfrage

Mir ist bewusst, dass nicht zu jedem Fall von Pilzvergiftungen die entsprechenden Daten verfügbar sein werden, wäre aber sehr dankbar über so viele Informationen wie möglich. Auswerten möchte ich im Rahmen meiner Arbeit das Jahr 2006. Ich plane meine Abschlussarbeit Ende 2008 abzugeben, da dann offiziell das Postgradualstudium endet. Eine Veröffentlichung der Daten über meine Abschlussarbeit hinaus ist von meiner Seite nicht geplant.

Als Gegenleistung biete ich an, die Pilznamenlisten der jeweiligen Zentren mit der Namenliste von Frau Eckart abzugleichen. Dies könnte separat im Vorfeld zur Datenauswertung 2006 geschehen, aber auch anhand der von mir benötigten Daten für das Jahr 2006. Alle von mir gefundenen, bis dato noch nicht in Frau Eckarts Liste eingepflegten Pilze, werde ich an diese weiterleiten, zur Vervollständigung ihrer Pilznamenliste. Vielen Dank im voraus für Ihre Mithilfe,

Susann Buchheim- Schmidt Apothekerin Am Linsenberg 18 55131 Mainz Tel.: 06131-556508 [email protected]

Brief an die Giftinformationszentren mit meiner Projektbeschreibung im Herbst 2007 3

1.2.Probleme:

Von den 1704 dokumentierten Vergiftungsfällen sind in 750 Fällen (rund 44%) die Pilze nicht bekannt, das schwankt von Zentrum zu Zentrum zwischen 34,4% (Mainz) und 62,4% (Göttingen). Ein gutausgebildetes Netz von Pilzsachverständigen, an die die Zentren den Anrufer weiterverweisen, sowie die Rückmeldung des Anrufers bzw. PSV an die beratende Giftinformationszentrale erhöhen die Zahl der sicher identifizierten Pilze. Rückmeldungen über den Ausgang der Vergiftung erfolgten nur zu einem sehr geringen Prozentsatz, in 209 der insgesamt 1704 erfaßten Fälle. (siehe Tabelle 1) Somit ist die tatsächliche Identität des Pilzes in vielen Fällen nicht als völlig gesichert anzunehmen. Das stellt einen Schwachpunkt der Auswertung von Daten der Giftinformationszentren im Vergleich zu Daten geschulter Pilzsachverständiger dar, welche die von ihnen aussortierten Pilze eindeutig bestimmen können. Bei den hier dokumentierten Fällen muß man sich auf den jeweiligen Erfahrungsstand des Anrufers verlassen, was natürlich einen Unsicherheitsfaktor in die Statistik bringt und die hohe Zahl der Fälle in der Rubrik „unbekannter Pilz“ erklärt. Die Anzahl der von der DGfM gemeldeten Vergiftungsfälle ist mit 207 Fällen für 2006 wesentlich geringer als die der Deutschen Giftinformationszentren. Der Anteil der sicher bestimmten Pilze liegt mit über 91% naturgemäß wesentlich höher, da es sich bei den Pilzsachverständigen um Fachleute handelt. (siehe Tabelle 2) Eine noch intensivere Vernetzung zwischen Giftinformationszentralen und Pilzsachverständigen wäre deshalb wünschenswert und wird auch ausgebaut. Ein weiteres Problem stellten eventuelle Doppeldokumentationen der Anfragen der GIZ Erfurt und Göttingen dar, die einen gemeinsamen Nachtdienst als „GIZ Nord“ durchführen. Die Fälle wurden von mir unter diesem Aspekt durchgesehen und genau identifizierte Doppelerfassungen gestrichen. Häufig wurde bei einer Vergiftung nicht nur eine Pilzart verzehrt, so dass es auch hier zu gewissen Schwierigkeiten bei der Auswertung kam, besonders dann, wenn eigentlich als essbar eingestufte Pilze in der Statistik mit einem hohen PSS erscheinen. Die GIZ Erfurt und Göttingen haben sich bei der Übertragung ihrer Fälle schon auf eine Hauptnoxe beschränkt. Bei den anderen Zentren habe ich mir die Fälle unter diesem Aspekt genauer angesehen und als essbar eingestufte Pilze, wie z.B. Champignons, Maronen oder Steinpilze, die mit einem giftigen, unverträglichen oder unbekannten Pilz verzehrt wurden, nicht mit in die prozentuale Auswertung aufgenommen. Diese sind aber noch in der Gesamtfallzahl enthalten, was an der Rangliste der als giftig oder unverträglich eingestuften Pilze nichts ändert. Die unterschiedliche Dokumentationsweise der einzelnen Zentren brachte auch ein paar Probleme in der Auswertung mit sich. Z.B. sind Fälle, bei denen mehrere Personen von einer Pilzmahlzeit essen in Mainz und Bonn extra mit eigener Fallnummer, Alter, PSS und Ausgang dokumentiert, stellen also jeweils einen Einzelfall dar. Vom GIZ Erfurt z.B. wurde einfach nur eine zusätzliche Spalte mit Patientenzahl übermittelt, die aber nicht als eigene Fälle in die Statistik eingehen, da genauere Daten wie Alter, PSS und Ausgang der Vergiftung nicht dokumentiert sind. 4

Giftinformationszentrum Anzahl der Anzahl der Anteil der Ausgang/ Verlauf gemeldeten unbekannten Pilze unbekannten Pilze der Vergiftung Pilzfälle (%) bekannt Mainz (Mz) 511 176 34,4% 161 Bonn (Bo) 250 124 49,6% 10 München (M) 372 140 37,6% 18 Göttingen (Gö) 399 249 62,4% 2 Todesfälle, Rest nicht gemeldet* Erfurt (Ef) 172 61 35,5% 18 Summe 1704 750 44% 209 ()* Vom GIZ Göttingen wurde das follow der Vergiftung nicht mit den Daten übermittelt, dieses wird in dieser Giftinformation in ausgewählten Fällen separat auf extra Protokollbögen dokumentiert.

Tabelle 1: Pilzfälle gemeldet von den deutschen GIZ im Jahr 2006

Im Vergleich dazu die Daten der Pilzsachverständigen für das Jahr 2006: (117)

Pilz/ Pilzgruppe Syndrom Anzahl Anteil an Gesamtzahl (%) Amanita phalloides Phalloides-Syndrom 2 1% Amanita pantherina Pantherina-Syndrom 13 6,3% Andere Amanita- Arten 3 1,4% Paxillus involutus Gastrointest. Syndrom/ 7 3,4% (Paxillus-Syndrom) Cortinarius orellanus und Orellanus-Syndrom 4 1,9% Verwandte Weiße Clitocybe- Arten Muscarin-Syndrom 1 0,5% Inocybe- Arten Muscarin-Syndrom 3 1,4% Agaricus xanthoderma u. V. Gastrointest. Syndrom 51 24,6% Arten mit halluzinogener Psilocybe-Syndrom 1 0,5% Wirkung Arten mit Coprinus- Syndrom Coprinus-Syndrom 5 2,4% Roh giftige Arten Gastrointest. Syndrom/ 24 11,6% Pilzunverträglichkeit Sonstige Giftpilzarten 39 18,8% Anzahl unechter 38 18,4% Pilzvergiftungen Ungeklärte Fälle 18 8,7% Gesamtanzahl der 207 100% Vergiftungsfälle Anzahl der Erkrankten 232 - Todesfälle 0 0

Tabelle 2: Erkrankungen nach Verzehr von Pilzen; Jahresbericht 2006 der Deutschen Gesellschaft für Mykologie 5

1.3. Poisoning Severity Score (PSS):

Die Erfassung der Schwere der Vergiftungen erfolgt in den Giftinformationszentren nach dem sogenannten Poisoning Severity Score (PSS):

PSS0: asymptomatisch PSS1: leichte Symptome PSS2: mittelschwere Symptome PSS3: schwere Symptome PSS4: fataler Ausgang; Tod PSS8: nicht dokumentiert PSS9: nicht beurteilbar

Der Schweregrad PSS4 (fataler Ausgang; Tod) wird nicht in allen Zentren so erfasst, z.B. im GIZ Mainz würde so eine Fall unter PSS3 mit Ausgang Tod dokumentiert werden. Auch PSS8 (nicht dokumentiert) und PSS9 (nicht beurteilbar) sind individuelle Dokumentationen der einzelnen Zentren und nicht Bestandteil der im folgenden aufgeführten Skala der Vergiftungsschweregrade der WHO. 6

PSS - Skala der Vergiftungsschweregrade

Diese Tabelle ist eine geringgradig ergänzte Übersetzung des WHO-Poisoning Severity Score, der mittlerweile als Standardskala für eine Bewertung der Schwere akuter Vergiftungen weltweit anerkannt ist und genutzt wird.

Organ- leicht mittelschwer schwer (System) lebensbedrohliche Symptome, die in milde, vorübergehende, sich betonte oder andauernde Symptome oder der Regel eine stationäre spontan auflösende Zeichen, die in der Regel eine ärztliche medizinische Behandlung Symptome oder Zeichen Behandlung erforderlich machen erforderlich machen Bauchschmerz, Erbrechen, Erbrechen Bauchschmerzen, Durchfall, starkes Bluterbrechen, Perforation; Durchfall; länger als 2 Stunden anhaltend, 2° oder 2° oder 3° Verätzung in größerem Schleimhautreizung Magen- 3° Verätzung in kleinem Schleimhautbereich; schwere (1° Verätzung), Aphten im Darm- Trakt Schleimhautbereich; leichte Schluckstörung; endoskopisch: Mund; endoskopisch: Schluckstörung; endoskopisch: Ulkus tiefes Ulkus, zirkumferente Schleimhautrötung oder (Schleimhautzerstörung) ("ringförmige") Läsion, Perforation Schwellung manifeste Ateminsuffizienz (z. B. schwerer Bronchospasmus, Reizgefühl, Husten, Atemwegsverlegung, Glottisödem Kurzatmigkeit, leichte anhaltender Husten, Bronchospasmus, (Kehldeckelschwellung), Atemnot, gering gradiger Atemnot, Stridor, reduzierte Atemtrakt Lungenödem, Atemnotsyndrom Bronchospasmus; auffälliger Sauerstoffsättigung; auffälliger Röntgen- (ARDS), Pneumonitis, Röntgen-Thorax-Befund ohne Thorax-Befund mit mäßigen Beschwerden Pneumothorax; auffälliger Röntgen- Beschwerden Thorax-Befund mit starken Beschwerden Bewusstlosigkeit mit gezielter Reaktion Benommenheit, Schwindel, auf Schmerzreize; kurzer Atemstillstand, Bewusstlosigkeit ohne oder mit Ohrgeräusch, Ataxie; innere verlangsamte Atmung; Verwirrtheit, ungezielter Reaktion auf Unruhe; leichte Agitiertheit, Halluzination, Delir; Schmerzreize; extrapyramidal-motorische vereinzelte Krampfanfälle (lokal oder Atemantreibsstörung, extrem starke Nerven- Bewegungsstörungen, leichte generalisiert); starke extrapyramidal- Agitiertheit; häufige Krampfanfälle system cholinerge oder motorische Bewegungsstörungen, starke oder Status epilepticus, anticholinerge Symptome; cholinerge oder anticholinerge Symptome; Opisthotonus; generalisierte oder Missempfinden; leichte Seh- umschriebene, nicht lebensbedrohliche lebensbedrohliche Muskellähmung; oder Hörstörungen Muskellähmung; starke Seh- oder Erblindung oder Taubheit Hörstörungen mäßige Sinusbradykardie (Erw.: 40-50 /min, Kinder 60 - 80 /min, Neugeborene: schwere Sinusbradykardie (Erw.: < 80 - 90 /min); mäßige Sinustachikardie 40 /min, Kinder < 60 (Erw.: 140-180/min, Kinder 160 - /min, Neugeborene: < 80 /min); isolierte Extrasystolen; 190/min, Neugeborene: 160 - 200/min); starke Sinustachdykardie (Erw.: > Herz- leichter oder kurzzeitiger häufige Extrasystolen, Vorhofflattern oder 180 /min, Kinder > 190 /min, Kreislauf- Blutdruckanstieg oder - flimmern, AV-Block 1-2°, EKG: Neugeborene: > 200 /min); System Blutdruckabfall verbreiterter QRS-Komplex oder lebensbedrohliche verlängerte QT-Zeit / Herzrhythmusstörungen, AV-Block Repolarisationsstörungen; Myokard- 3°, Herzstillstand; Myokard-Infarkt; Ischämie; starker Blutdruckanstieg oder Kreislaufschock, hypertensive Krise Blutdruckabfall leichte Säure-Base-Störungen (Hydrogencarbonat 15 - 20 mmol/l oder 30 - 40 mmol/l, pH 7,25 - 7,32 oder 7,50 - mäßige Säure-Base-Störungen schwere Säure-Base-Störungen 7,59); (Hydrogencarbonat 10 - 14 mmol/l oder > (Hydrogencarbonat < 10 mmol/l, leichte Elektrolytstörungen 40 mmol/l, pH 7,15 - 7,24 oder 7,60 - pH < 7,15 oder > 7,70); schwere + Stoff- (K+ 3,0 - 3,4 oder 5,2 - 5,9 7,69); Elektrolytstörungen (K < 2,5 oder + wechsel mmol/l); leichte mäßige Elektrolytstörungen (K 2,5 - 2,9 > 7,0 mmol/l); schwere Hypoglykämie (Erw.: 50 - 70 oder 6,0 - 6,9 mmol/l); mäßige Hypoglykämie (Erw.: < 30 mg/dl); mg/dl); kurzeitige Hypoglykämie (Erw.: 30 - 50 mg/dl); lebensbedrohliche Hyperthermie Hyperthermie anhaltende Hyperthermie oder Hypothermie 7

stark erhöhte Leberenzyme im Serum sehr stark erhöhte Leberenzyme im leicht erhöhte Leberenzyme (AST, ALT 5- bis 50-fach erhöht ggü. Serum (AST, ALT > 50-fach erhöht im Serum (AST, ALT 2- bis Normalwerten) ohne Hinweise auf ggü. Normalwerten) oder Hinweise Leber 5-fach erhöht ggü. Leberfehlfunktionsstörungen (z. B. auf Leberfehlfunktion (z. B. Normalwerten) erhöhter Ammoniak-Spiegel, gestörte erhöhter Ammoniak-Spiegel, Blutgerinnung, Ikterus) Gerinnungsstatus, Ikterus) starke Proteinurie oder Hämaturie; akutes Nierenversagen (z. B. Anurie geringe Proteinurie oder Nierenfunktionsstörung (Oligurie, Polyurie Nieren oder Kreatinin im Serum > 0,5 Hämaturie oder Kreatinin im Serum 0,2 - 0,5 mmol/l) mmol/l) starke Hämolyse; schwere mäßige Hämolyse; mäßige Methämoglobinämie (> 50 %); leichte Hämolyse; leichte Methämoglobinämie (30 - 50 %); gestörte Gerinnung mit Blutungen; Blut Methämoglobinämie (10 - 30 gestörter Gerinnungsstatus; Anämie, schwere Anämie, schwere %) Leukozytopenie, Thrombozytopenie Leukozytopenie, schwere Thrombozytopenie schwere Muskelschmerzen, Leichte Muskelschmerzen, Muskelschmerzen, -versteifung, -krämpfe, -versteifung, -krämpfe, -zuckungen; Muskulatur Muskelverspannung; -zuckungen; Rhabdomyolyse Rhabdomyolyse mit Komplikationen Creatinkinase 250 - 1500 U/l (Creatinkinase 1500 - 10000 U/l) (Creatinkinase > 10000 U/l); Kompartment-Syndrom brennendes Gefühl, Entzündung und Blasenbildung (2° Entzündung und Blasenbildung (2° Entzündung (1° Verätzung) Verätzung) auf > 50 % der Verätzung) auf 10 - 50 % der Haut oder Blasenbildung (2° Körperoberfläche (Kinder > 30 %) Körperoberfläche oder Hautnekrose (3° Verätzung) auf < 10 % der oder Hautnekrose (3° Verätzung) > Verätzung) < 2 % der Körperoberfläche Körperoberfläche 2 % der Körperoberfläche brennendes Gefühl, Rötung starkes Brenngefühl, größere Hornhautulzera, Augen der Bindehaut, Tränenfluss, Hornhautschädigung; kleine punktförmige Hornhautperforation, bleibender leichtes Lidödem Ulzera der Hornhaut Schaden Schwellung über das gesamte Schwellung des gesamten betroffenen betroffenen Körperteil (z. B. Arm, Biss- oder leichte Schwellung, Juckreiz; Körperteils (z. B. Arm, Bein), lokaler Bein) hinaus, größerer lokaler Stich- leichte Schmerzen Gewebsuntergang in kleinem Bereich; Gewebsuntergang oder Schwellung verletzung mäßige Schmerzen in der Nähe der Atemwege; starker Schmerzen

Quelle: Hans E. Persson, Gunilla K. Sjöberg, John A. Haines, Jenny Pronczuk de Garbino (1998) Poisoning Severity Score. Grading of Acute Poisoning. Clinical Toxicology, 36(3), 205–213

Tabelle 3: Poisoning Severity Score – Skala der Vergiftungsschweregrade

Die Tabelle wurde der Homepage des GIZ Nord entnommen: (113) 8

2. Einteilung der Pilzvergiftungen

Im Folgenden soll hier ein grober Überblick über die unterschiedlichen Arten von Pilzvergiftungen, eingeteilt nach Symptomen in 13 verschiedene Vergiftungssyndrome gegeben werden. Im Hauptteil der Arbeit werde ich dann auf die Vergiftungen mit den aus meiner Statistik ermittelten 10 häufigsten Giftpilzen, bzw. Pilzgruppen detailliert mit Symptomen, Verwechslungsmöglichkeiten und Therapie eingehen.

2.1. - nach ihrer Latenzzeit

Zunächst kann man Pilzvergiftungen nach ihrer Latenzzeit, d.h. nach der Zeit zwischen Pilzgenuss und dem Auftreten erster Symptome einteilen: Von einer kurzen Latenzzeit spricht man bei weniger als 4 Stunden, lange Latenzzeiten zeigen Vergiftungssymptome nach mehr als 4 Stunden. Die drei in Mitteleuropa gefährlichsten, Todesfälle verursachenden Vergiftungen, sind die Vergiftung mit Amanitinhaltigen Pilzen (Phalloides- Syndrom) mit einer Latenzzeit von 8 bis 12 Stunden, die Vergiftung mit Frühjahrslorcheln (Gyromitrin- Syndrom) mit einer Latenzzeit von 6 bis 24 Stunden und das sehr seltene Orellanus-Syndrom mit einer extrem langen Latenzzeit von Tagen bis Wochen. Als Faustregel kann gelten: Je kürzer die Latenzzeit, umso harmloser ist die Pilzvergiftung. Aber auch in solchen Fällen gilt, Ausnahmen bestätigen die Regel: Häufig werden Mischpilzgerichte verzehrt, die Giftpilze mit kurzen und langen Latenzzeiten enthalten können, so dass sich die Vergiftungssymptome überlagern können. Hohe Giftkonzentrationen im Pilzgericht verkürzen die Latenzzeit. Eine kurze Latenzzeit schließt eine Vergiftung mit einem gefährlichen Giftpilz, wie z.B. Knollenblätterpilzen nicht aus!!! (1)

2.2. - nach dem Auftreten unterschiedlicher Symptome lassen sich 13 verschiedene Syndrome unterscheiden:

Die Abkürzungen für die Bezeichnung der Syndrome in Klammern wurde aus der BfR- Broschüre „Risiko Pilze - Einschätzung und Hinweise“ übernommen.

- Phalloides-Syndrom (P) 2.2.1.1. - Gyromitrin-Syndrom (G) 2.2.1.2. - Orellanus-Syndrom (O) 2.2.1.3. - Gastrointestinales Syndrom (Gi) 2.2.2.1. - Muscarin-Syndrom (M) 2.2.2.2. - Paxillus-Syndrom (Pax) 2.2.3. - Pilzunverträglichkeit; Indigestions-Syndrom (U) 2.2.4.1. - Pilzallergie 2.2.4.2. - Pantherina-Syndrom (Pa) inkl. Amanita muscaria-Syndrom (Am) 2.2.5.1. - Psilocybin-Syndrom (Ps) 2.2.5.2. - Coprinus-Syndrom (C) 2.2.6. - Tricholoma equestre-Syndrom (Rhabdomyolyse) 2.2.7. - Acromelalga-Syndrom 2.2.8.

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2.2.1. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit länger als 4 Stunden:

2.2.1.1. Phalloides-Syndrom (P)

Das Phalloides-Syndrom wird durch Amanita phalloides und verwandte Knollenblätterpilze (Amanita verna und Amanita virosa), sowie einige Lepiota-Arten (Gift-Schirmlinge), z.B. Lepiota brunneoincarnata und durch Galerina-Arten hervorgerufen. Typisch ist der vierphasige (zweigipfelige) Verlauf. Nach einer Latenzzeit von meist 8 bis 12 (6 bis 24 Stunden) kommt es zur gastrointestinalen Phase mit extremen Brechdurchfällen und daraus resultierenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten. Diese halten bis zu 24 Stunden an. Daran schließt sich eine weitere Latenzphase, die sogenannte Übergangsphase an, die 12 bis 24 Stunden dauert. Dieser trügerische, scheinbare Erholungseffekt leitet das vierte Stadium, die hepatische Phase ein. Hier dominiert der Leberschaden mit Ikterus und Blutungen infolge Gerinnungsstörungen. Abhängig von der Schwere der Vergiftung kommt es zum akuten Leberversagen und bei schweren Verläufen zum Nierenversagen. (2); (3) Auf das Phalloides- Syndrom, seine Diagnostik und Therapie werde ich im Verlauf der Arbeit noch näher eingehen, da Amanita phalloides und Verwandte mit 5,05% der von mir ausgewerteten Vergiftungsfälle die Statistik anführen.

2.2.1.2. Gyromitrin- Syndrom (G)

Die Vergiftung mit der Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta) führt nach einer relativ langen Latenzzeit von 6 bis 24 Stunden zu heftigem Erbrechen, Bauchkoliken, wässrigen oder blutigen Durchfällen und Kopfschmerzen. Daran schließen sich zentralnervöse Symptome, wie Benommenheit, Zittern, Gehstörungen, Unruhe, Reflexanomalien, Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma an. Im weiteren Verlauf kann es zum Versagen verschiedener Organe, v.a. Leber, Niere, Kreislauf und zentralem Nervensystem kommen. Tödliche Verläufe enden schon nach 3 bis 4 Tagen. Verantwortlich für die Vergiftung sind das Leber- und Nervengift Gyromitrin und sein Abbauprodukt Monomethylhydrazin. (4) Vergiftungen mit Frühjahrslorcheln sind ein für Osteuropa, Finnland und Schweden typisches Problem, da diese dort nach mehrmaligem Kochen und Verwerfen des Kochwassers als essbar gelten. (4) Vergiftungen mit diesem Pilz sind in unseren Breiten sehr selten. Im Rahmen meiner Auswertung kann ich auf keinen Vergiftungsfall verweisen.

2.2.1.3. Orellanus- Syndrom (O)

Bei diesem Syndrom, das durch Cortinarius orellanus (Orangefuchsiger Rauhkopf) und Verwandte der Gattung Cortinarius (Haarschleierlinge), besonders der Untergattung Leprocybe (Rauhköpfe) ausgelöste Pilzvergiftungen zusammenfasst, kommt es nach einer sehr langen Latenzzeit zu Störungen der Nierenfunktion. 4 bis 24 Stunden nach Pilzgenuss können Brechdurchfälle auftreten, die jedoch fakultativ sind. Nach einem symptomfreien Intervall von Tagen bis Wochen treten Symptome des beginnenden Nierenversagens mit Durst, verminderter Urinproduktion, Kopf- und Nierenschmerzen auf. Häufig werden diese auf Grund der langen Latenzzeit nicht mehr mit der verzehrten Pilzmahlzeit in Verbindung gebracht. Aus diesem Grund galten bis zu einer Massenvergiftung im Jahre 1952 in Polen die Pilze der Gattung Cortinarius als harmlos und essbar. 10

Auslöser für diese Vergiftung ist das Nierengift Orellanin, welches eine Nekrose der Nierentubuli verursacht. (5); (6) In meiner Auswertung fand ich einen Vergiftungsfall mit Cortinarius orellanus, gemeldet vom GIZ Mainz. Der Patient hatte zum Zeitpunkt der Anfrage mittelschwere Symptome (PSS2), ein Pilzsachverständiger wurde eingeschaltet, so dass die Identifikation des Pilzes als gesichert gelten kann, der Ausgang der Vergiftung ist nicht dokumentiert. 4 weitere Vertreter der Gattung Cortinarius sind in der Statistik enthalten, aber nicht näher identifiziert. Ein Fall nach Verzehr von Cortinarius varius (Ziegelgelber Schleimkopf) ist dokumentiert, dieser Pilz ist aber als essbar eingestuft. Die Statistik der Pilzsachverständigen des Jahres 2006 enthält 4 Vergiftungsfälle mit Cortinarius orellanus von insgesamt 207 dokumentierten Fällen. (117)

2.2.2. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit kürzer als 4 Stunden:

2.2.2.1. Gastrointestinales Syndrom (Gi)

Unter diesem Pilzsyndrom werden alle Pilzvergiftungen zusammengefasst, bei denen Störungen des Gastrointestinaltraktes, gekennzeichnet durch Übelkeit und oft starken, mehrere Tage anhaltenden Brechdurchfällen, im Vordergrund stehen. Diese treten nach einer Latenzzeit zwischen 15 Minuten und 4 Stunden auf. Es sollte aber auch trotz der kurzen Latenzzeit bei Brechdurchfällen eine mögliche Vergiftung mit Knollenblätterpilzen in Betracht gezogen und abgeklärt werden, besonders nach Pilzmischgerichten. Auf dieses Syndrom entfallen etwa 40% aller Pilzvergiftungen, hervorgerufen durch viele verschiedene Pilze unterschiedlicher Gattungen. Der Übergang zum Indigestions- Syndrom (Pilzunverträglichkeit ungiftiger bzw. roh giftiger Pilze) ist fließend, wobei die Symptome des Gastrointestinalen Syndroms wesentlich stärker und länger anhaltend sind. Vergiftungen mit Pilzarten, die für dieses Syndrom verantwortlich sind, verlaufen nicht tödlich. Lediglich bei kleinen Kindern, alten oder kranken Personen kann es zu Komplikationen, insbesondere durch den Flüssigkeitsverlust kommen. (7),(8),(9) Folgende Pilze werden in der Literatur (10) für dieses Syndrom verantwortlich gemacht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit; die Anzahl der in meiner Auswertung dokumentierten Fälle steht in Spalte 3):

Pilze Literatur: Anteil Fälle 2006 am GI (10) Häufige Vergiftungen mit: Agaricus xanthoderma (Karbolegerling) 8% 58 Entoloma sinuatum (Riesenrötling) 5-10% 4 Tricholoma tigrinum (Tiger-Ritterling) 10-20% 0 Lactarius sp. div. (Scharfe Milchlinge) Fraglich Paxillus involutus (Kahler Krempling); v.a. Osteuropa 10-30% 17 (ehemalige DDR) Omphalotus olearius (Ölbaumpilz); Südeuropa 0 Russula emetica (Spei-Täubling) 0 andere scharfe Russula-Arten 0 Weniger häufige Vergiftungen mit: Amanita porphyria (Porphyrbrauner Wulstling) 1 Boletus calopus (Schönfußröhrling) 4 Boletus satanas (Satansröhrling) 16 Hypholoma fasciculare (Grünblättriger Schwefelkopf) 4 Ramaria pallida (Bauchwehkoralle) 1 11

Seltene Vergiftungen mit: Macrolepiota venenata (Großer Giftschirmling) 3 Scleroderma citrinum (Gemeiner Kartoffelbovist 2 und andere

Tabelle 4: Pilze, die das Gastrointestinale Syndrom verursachen und deren Häufigkeit

Die in der Literatur angegebenen Häufigkeitsverteilungen für das Gastrointestinale Syndrom kann ich mit meiner Auswertung zumindest für das Jahr 2006 nicht bestätigen. Vergiftungen mit dem Riesenrötling (Entoloma sinuatum; nach Frau Eckart Entoloma eulividum) werden in 5-10%, allerdings in der Schweiz (10) bzw. in 10% (11) aller Fälle für das Gastrointestinale Syndrom verantwortlich gemacht. Ich habe insgesamt nur 4 Vergiftungen mit dem Riesenrötling dokumentiert, gemeldet vom GIZ Mainz. Dabei handelt es sich um eine Tischgesellschaft im Alter von 48, 51, 79 und 82 Jahren, die außer Riesenrötlingen noch Parasolpilze (Macrolepiota procera; essbar), Mairitterlinge (Calocybe gambosa; essbar), Ziegelrote Risspilze (Inocybe erubescens; Muscarinsyndrom), sowie nicht näher bestimmte Pilze verzehrten. Alle Betroffenen hatten mittelschwere Vergiftungssymptome (PSS2), ein Pilzsachverständiger wurde eingeschaltet und es kam zur vollständigen Heilung. Ebenso wenig kann ich die Häufigkeit der Vergiftung mit Tiger-Ritterlingen (Tricholoma tigrinum bzw. Tricholoma pardinum; nach Eckart Tricholoma pardalotum) bestätigen, die in der Literatur für 10- 20% (10) bzw. 20% (8) der Fälle des Gastrointestinalen Syndroms verantwortlich gemacht wird. In meiner Auswertung kommt dieser Pilz für das Jahr 2006 nicht vor. Die Angaben für den Karbolegerling (Agaricus xanthoderma) 8 % (10) und den Kahlen Krempling (Paxillus involutus) 10 bis 30% der Fälle (10) decken sich in etwa mit meiner Statistik. Beide Pilze befinden sich unter den „Top 10“ der von mir ausgewerteten Pilzvergiftungen. Agaricus xanthoderma nimmt mit 58 Fällen Platz 3 ein und ist mit 3,4% an den Gesamtvergiftungsfällen beteiligt, Paxillus involutus belegt mit 17 Fällen (1%) Platz 9. Auf beide Pilze, sowie den Satansröhrling (Boletus satanas) werde ich im Hauptteil der Arbeit noch näher eingehen.

2.2.2.2. Muscarin-Syndrom (M)

Dem Muscarinsyndrom werden Vergiftungen mit Pilzen, die das Nervengift Muscarin (ein Parasympathomimetikum) enthalten, zugeordnet. Verdächtig sind alle Pilze der Gattung Inocybe, insbesondere der Ziegelrote Risspilz (Inocybe erubescens), sowie einige Vertreter der Gattung Clitocybe (Trichterlinge), hier die kleinen weißen, schmutzig-weißen, beige- grauen und bräunlichen Trichterlinge. Das sind z.B. Clitocybe dealbata (Feldtrichterling), Clitocybe phyllophila (Bleiweißer Trichterling) und Clitocybe suaveolens (Dufttrichterling). Amanita muscaria, der Fliegenpilz, enthält nur Spuren von Muscarin unter der Toxizitätsgrenze und verursacht somit kein Muscarinsyndrom, obwohl es der Name vermuten ließe. Nach einer Latenzzeit von Minuten bis maximal 2 Stunden können Brechdurchfälle (nicht obligat) auftreten, begleitet von typischen cholinergen Symptomen wie Miosis, Schweißausbrüchen, Tränen- und Speichelfluss, Asthma, Pulsverlangsamung und Blutdruckabfall. In schweren Fällen kann es zu Lungenödemen und Kreislaufzusammenbruch kommen. Ursache ist eine Dauererregung im parasympathischen Nervensystems, da sich Muscarin an Stelle des Acetylcholins an die Synapsen bindet und nicht durch die Acetylcholinesterase abgebaut werden kann. Aus diesem Mechanismus erklärt sich auch die 12

Verwendung des Antidots Atropin, welches intramuskulär oder intravenös appliziert wird, bis die Symptome abflauen. Dosierung: Erwachsene: 1-2 mg Atropin i.v. oder i.m. alle 30- 60 Minuten; Kinder: 0,05 mg/kg Körpergewicht (12)

Pilz Anzahl Inocybe (Risspilz) 1 Inocybe erubescens (Ziegelroter Risspilz) 4 Inocybe maculata (Gefleckter Risspilz) 2

Tabelle 5: Fälle von Inocybe-Intoxikationen im Rahmen der Auswertung des Jahres 2006:

Im Rahmen meiner Arbeit habe ich 4 Vergiftungsfälle mit Inocybe erubescens, dem Ziegelroten Risspilz dokumentiert. Dieser wurde jeweils in einem Mischpilzgericht zusammen mit Parasolpilzen, Mairitterlingen, dem Riesenrötling (Entoloma sinuatum; Gastrointestinales Syndrom) und weiteren unbekannten Pilzen verspeist. (Fallbeschreibung siehe unter Gastrointestinales Syndrom.) Verwechslungen zwischen Inocybe erubescens und dem essbaren Mairitterling (Calocybe gambosa) sind relativ häufig und wohl auch in diesem Fall die Ursache. (12)

Zwei weitere Fälle von Pilzvergiftungen mit Inocybe maculata, dem Gefleckten Risspilz wurden vom GIZ München gemeldet. Im ersten Fall handelte es sich um einen Erwachsenen, die Erstsymptomatik trat ca. eine Stunde nach Pilzverzehr auf, es kam zu mittelschweren Symptomen (PSS2), behandelt wurde symptomatisch und mit Atropingabe. Der zweite Fall ist eine Vergiftung mit dem Gefleckten Risspilz, der zu berauschenden Zwecken (Abusus) verzehrt wurde, hier kam es zu leichten Vergiftungssymptomen (PSS1), auch in diesem Fall wurde mit Atropin behandelt. In beiden Fällen wurde Inocybe maculata makroskopisch und mikroskopisch sicher identifiziert. Ein weiterer Inocybe-Fall wurde aus Bonn gemeldet, dabei handelt es sich um ein einjähriges Kind, bei Kontakt mit der Giftinformation traten noch keine Symptome auf (PSS0). Der Pilz wurde nicht näher bestimmt, der Ausgang des Falles ist unbekannt.

2.2.3. Brechdurchfälle mit einer Latenzzeit von weniger als 4 Stunden und Zeichen von Hämolyse:

Paxillus-Syndrom (Pax)

Der Kahle Krempling (Paxillus involutus) galt lange Zeit in gut gekochtem Zustand als essbar. In rohem oder nur ungenügend gekochtem Zustand führt ein unbekanntes Magen-Darm-Gift zu Symptomen des Gastrointestinalen Syndroms (Gi). (siehe dort) Nach wiederholtem Genuss Kahler Kremplinge kann es auf Grund einer Antigen- Antikörperreaktion zu einer immunhämolytischen Anämie kommen. Das bedeutet, im Blut befindliche Pilzantigen-Immunglobulin-Komplexe lagern sich an die Erythrozytenoberflächen an und führen zur Hämolyse. (13) Daraus ergibt sich die für das Syndrom typische Symptomatik: Nach einer Latenzzeit von 15 Minuten bis 2 Stunden beginnt die Erkrankung mit Brechdurchfällen. Durch das aus den Erythrozyten freigesetzte Hämoglobin färbt sich der 13

Urin rot. In schweren Fällen kommt es durch die Verstopfung der Nierentubuli zu verminderter Urinproduktion und Nierenversagen mit Anstieg des Serumkreatinins. Für das Nierenversagen ist auch die nach massiver Hämolyse auftretende Schocksymptomatik verantwortlich. Das Paxillussyndrom ist sehr selten. Bis jetzt sind in der Literatur nur 7 Fälle dokumentiert. (14) Der Kahle Krempling gilt in Osteuropa immer noch als Speisepilz, in Polen nimmt er sogar den dritten Rang unter den Pilzvergiftungen ein. Auch in Deutschland, besonders auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, sind Vergiftungen mit Paxillus involutus noch an der Tagesordnung. (15) Diese Aussage kann ich aber durch meine Arbeit zumindest für das Jahr 2006 nicht bestätigen. (siehe unter 3.9.) Als Speisepilz darf der Kahle Krempling deutschlandweit nicht mehr in Verkehr gebracht werden. (119) In meiner Auswertung sind 17 Vergiftungsfälle durch Paxillus involutus enthalten, bei denen es sich aber um gastrointestinale Beschwerden, welche zu maximal leichten Symptomen führten (PSS0 bzw. PSS1), handelt. Näheres dazu aber im Hauptteil. Immunhämolytische Zwischenfälle werden auch bei anderen Pilzen diskutiert. Bis jetzt ist ein Fall für den Butterpilz (Suillus luteus) dokumentiert. (14)

2.2.4. Gastrointestinale Symptome mit kurzer oder langer Latenzzeit nach dem Genuss atoxischer oder (nur) roh toxischer Pilze:

2.2.4.1. Indigestions-Syndrom, bzw. individuelle Pilzunverträglichkeit (U), auch unechte Pilzvergiftung

Die Ursachen für das Indigestionssyndrom sind vielfältig, ebenso sind die Übergänge zum Gastrointestinalen Syndrom fließend. In der Literatur (16) werden folgende Ursachen für dieses Syndrom genannt: - Rohgenuss: Dieser ist, abgesehen von Kulturchampignons, nicht zu empfehlen. - Übermäßiger Genuss: Die WHO- Empfehlungen für Pilze belaufen sich auf nicht mehr als 250g Pilze pro Woche und Person. (17) - Falsche Zubereitung, häufiges Aufwärmen - Schwerverdaulichkeit - Individuelle Faktoren, Allergie und Intoleranz - Kontamination mit Fungiziden, Herbiziden, Pestiziden - Kontamination mit Bakterien und Schimmelpilzen Das fällt eher in das Ressort der Lebensmittelvergiftungen. Diese Fälle wurden von mir, wenn bekannt, aus der Auswertung gestrichen. Nach einer Latenzzeit von 15 Minuten bis 24 Stunden kommt es zu gastrointestinalen Symptomen wie Völlegefühl, Blähungen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Der Verlauf ist weniger dramatisch als beim Gastrointestinalen Syndrom und meist ohne Komplikationen. Im Folgenden werden einige Pilze aufgeführt, die in der Literatur als unverträglich eingestuft werden und v.a. roh oder ungenügend gekocht giftig sind. Prinzipiell ist aber zu bemerken, dass eigentlich jeder essbare Pilz zu einer Unverträglichkeit führen kann. (18) Die Anzahl der in meiner Auswertung dokumentierten Fälle habe ich immer mit angegeben. 14

Pilz Erfasste Pilze im Jahr 2006 Tylopilus felleus (Gallenröhrling) 29 Armillaria mellea (Hallimasch) 34 (Gelblicher Knollenblätterpilz) 2 Lepista nebularis (Nebebelkappe) 6 Russula ochroleuca (Ockertäubling) 0

Tabelle 6: Pilze, die ein Indigestionssyndrom verursachen

Tylopilus felleus und Armillaria fallen unter die von mir erfassten 10 häufigsten Pilze, auf beide gehe ich im Hauptteil meiner Arbeit noch ein. Vom Verzehr des Gelblichen Knollenblätterpilzes (Amanita citrina), wird dringend abgeraten, da dieser sehr leicht mit den weißen Formen der Amanitinhaltigen Knollenblätterpilze verwechselt werden kann. In individuellen Unverträglichkeiten würde ich auch eine der Ursachen dafür sehen, dass 6, eigentlich als essbar eingestufte Pilze, vordere Plätze in meiner Auswertung belegen:

Pilz Anzahl Anteil an Gesamtfällen (%) Agaricus (Champignon) 55 3,23% Boletus edulis (Steinpilz) 48 2,82% Xerocomus badius (Marone) 30 1,76% Cantharellus cibarius (Pfifferling) 26 1,53% Macrolepiota procera (Parasolpilz) 26 1,53% Agaricus campester (Wiesenchampignon) 17 1,00%

Tabelle 7: Essbare Pilze, die im Jahr 2006 zu Pilzunverträglichkeiten führten

Weitere Gründe könnten sein, dass es sich bei den Champignons nicht in jedem Fall um selbstgesammelte, sondern z.T. auch um Supermarktpilze, bzw. aufgetaute Pilze aus Fertiggerichten handelt und diese Fälle zu einem gewissen Teil auch unter die Rubrik Lebensmittelintoxikation fallen. Wenn es in der Dokumentation einen Hinweis darauf gab, erscheinen solche Fälle schon gar nicht in der Auswertung. Falls es Hinweise darauf gab, dass die oben aufgeführten Pilze in Mischgerichten mit einem als giftig oder unverträglich eingestuften Pilz oder auch mit unbekannten Pilzen verzehrt wurden, sind sie von mir auch als nicht relevant für die Auswertung eingestuft worden. Dann habe ich mich auf die Wertung der Hauptnoxe (giftiger, bzw. unverträglicher Pilz) beschränkt. Dies kann natürlich nicht in jedem Fall garantiert werden. Zumal es sich bei den Anrufern zu einem großen Teil um Laien handelt und nicht in jedem Fall ein Pilzsachverständiger eingeschaltet wurde. Die Schweregrade (PSS) belaufen sich auf maximal 2 (mittelschwere Symptomatik):

Pilz PSS 0 PSS 1 PSS 2 PSS 8/9 Agaricus (Champignon) 14 27 6 8 Boletus edulis (Steinpilz) 8 31 3 6 Xerocomus badius (Marone) 4 14 5 7 Cantharellus cibarius (Pfifferling) 6 12 4 4 Macrolepiota procera (Parasolpilz) 3 20 2 1 Agaricus campester (Wiesenchampignon) 3 10 1 3

Tabelle 8 : Symptomenschweregrade, die eigentlich als essbar eingestufte Pilze verursachten (Jahr 2006) 15

2.2.4.2. Pilzallergie:

Bei der Pilzallergie handelt es sich um eine erworbene Überempfindlichkeit gegenüber Pilzeiweiß. Diese kann sich in Form von Brechdurchfällen, Asthma, Hautausschlägen, Schleimhautschwellungen bis hin zum Kollaps (anaphylaktischer Schock) äußern. Sonderformen der Pilzallergie sind das oben schon beschriebene Paxillus-Syndrom (Immunhämolyse), die durch Pilzsporen als Allergene verursachte Pilzzüchter-Lunge und die Shiitake-Dermatitis, die sich nach Genuss dieses Pilzes bei besonders empfänglichen Menschen einstellt, von starken Rötungen und Juckreiz der Haut begleitet ist und deren Symptome 20 bis 30 Tage anhalten. In den USA wurde bei 6 Kindern ein akuter Hirntod durch Hirnödem nach Genuss von rohen Pilzen festgestellt. Die Ursache ist vermutlich eine angeborene Überempfindlichkeit gegenüber Pilzeiweiß. (19)

2.2.5 Neurologische und psychische Symptome:

2.2.5.1. Pantherina-Syndrom (Pa) inklusive Fliegenpilzsyndrom (Am = Amanita muscaria-Syndrom)

Die Vergiftungen mit dem Pantherpilz (Amanita pantherina) und dem Fliegenpilz (Amanita muscaria), auch Amanita regalis, werden unter dem Begriff Pantherina-Syndrom zusammengefasst. In einigen Literaturquellen werden die beiden Syndrome noch unterschieden. Allgemein lässt sich sagen, dass die Fliegenpilzvergiftung eine leichtere Variante der Pantherpilzvergiftung ist. Die Symptomatik ist sehr ähnlich. (20) Auch Amanita gemmata, der Narzissengelbe Wulstling, kann dieses Syndrom verursachen. (95) Nach einer Latenzzeit zwischen 30 Minuten und 3 Stunden kommt es zunächst zu Symptomen, die einem Alkoholrausch sehr ähnlich sind, wie Schwindel, Gehstörungen, Verwirrung und Sprachstörungen. Häufig beobachtet werden auch Zittern und Muskelzuckungen bis hin zu Krampfanfällen. Die Symptomatik ist stark von der allgemeinen Stimmungslage abhängig und wird von einer gewissen Erwartungshaltung bestimmt. Je nachdem, ob der Pilz gewollt zur Rauscherzeugung verspeist wurde, stehen positive Empfindungen wie Euphorie bis hin zum Glücksrausch, Lachen, Singen und Tanzen im Vordergrund. Bei Verwechslungen mit Speisepilzen und somit ungewollten Vergiftungssymptomen bestimmt die Furcht vor Vergiftung auch die psychische Symptomatik, mit Angstzuständen, Depressionen, Schreien, Weinen und Toben. Typische Symptome sind auch ein übermäßiges Kraftgefühl, Störungen des Orts- und Zeitgefühls, ein Gefühl des Schwebens und Persönlichkeitsstörungen. Echte Halluzinationen sind selten, häufig beschrieben werden Farbillusionen. Die Symptome halten 10 bis 15 Stunden an und gehen in einen tiefen Schlaf über, aus denen die Patienten ohne Erinnerung an das Geschehen aufwachen. (21) Ibotensäure und das daraus entstandene , welche strukturelle Ähnlichkeit mit Glutamat und GABA haben, sind zumindest zum Teil verantwortlich für die Symptome des Pantherina-Syndroms. (22) Ein Muscarin-Syndrom wird durch beide Pilze nicht ausgelöst, auch wenn der Name des Fliegenpilzes (Amanita muscaria) dies vermuten lässt. 1869 wurde das Gift Muscarin aus dem Fliegenpilz isoliert, liegt aber in zu niedrigen Konzentrationen (0,0002%) vor, um Vergiftungen hervorzurufen. (21); (22) Trotzdem kann es gelegentlich am Anfang der Vergiftung zu cholinergen Symptomen, wie Hypersalivation, Bauchschmerzen, Durchfällen, Miosis und Schwitzen kommen. Ansonsten 16 dominieren anticholinerge Symptome, die an eine Atropinvergiftung erinnern, wie Mydriasis, Tachykardie und trocken-warme Haut. (21); (23) Amanita pantherina und Amanita muscaria fallen mit je 33 bzw. 30 Vergiftungsfällen unter die 10 von mir ermittelten häufigsten Verursacher von Pilzvergiftungen. Näheres zu diesen beiden Pilzen werde ich daher noch im Hauptteil ausführen.

2.2.5.2 Psilocybin-Syndrom (Ps)

Unter diesem Syndrom werden Vergiftungen mit Pilzen der Gattungen Psilocybe (Kahlköpfe), einigen Vertretern der Gattungen Panaeolus (Düngerlinge), Stropharia (Träuschlinge), Conocybe (Sammethäubchen), Inocybe (Risspilze) und Galerina steglichii (Psilocybin-Häubling) zusammengefasst. (24); (25) Die meisten „Vergiftungen“ mit Pilzen dieser Art sind keine akzidentellen Verwechslungen, sondern mit voller Absicht herbeigeführt. Die auf das Zentralnervensystem wirkenden Gifte Psilocybin und Psilocin haben strukturelle Ähnlichkeiten mit Mutterkornalkaloiden (Lysergsäurederivaten). Die Wirkung ist demzufolge auch vergleichbar mit einem LSD- Rausch. (25) Einheimische Arten von Bedeutung sind der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata), der von Juli bis Oktober im Gras an Wegrändern zu finden ist (26), der auf gedüngtem Boden und v.a. Kuhfladen wachsende Glockendüngerling (Panaeolus papillonaceus), (26), entspricht in meiner Auswertung Panaeolus campanulatus, sowie der Dunkelrandige Düngerling (Panaeolus cinctulus). Der Psilocybingehalt von Panaeolus foenisecci, dem Heudüngerling ist umstritten. Dieser Pilz tritt in meiner Vergiftungsstatistik mit 4 Fällen auf. Für Kinder kann er, im rohen Zustand genossen, schon in geringen Mengen giftig sein, was aber eher in den Bereich des Gastrointestinalen Syndroms fällt. (27) Näheres zu den Düngerlingen im Hauptteil meiner Arbeit, da diese, fast ausschließlich im Zusammenhang mit Vergiftungen im Kleinkindalter, mit insgesamt 23 Fällen auftreten. Als Zuchtpilze spielen Psilocybe cubensis (Kubanischer Kahlkopf) und Psilocybe mexicana in der Drogenszene eine große Rolle. (25) Mit 69 erfassten Fällen im Jahr 2006 belegen die psilocybinhaltigen Pilze Platz 2 meiner Liste. Wobei die Anzahl der gemeldeten Vergiftungen um einiges höher ist, da ich, die gerade in Zusammenhang mit psychoaktiven Pilzen häufigen, Mischintoxikationen mit Alkohol und Haschisch nicht eingewertet habe. Weiteres dazu im Hauptteil der Arbeit.

2.2.6. Vergiftungssymptome in Verbindung mit Alkohol:

Coprinussyndrom (Azetaldehydsyndrom) (C)

Dieses Syndrom tritt nur auf, wenn mit bestimmten Pilzen gleichzeitig oder bis maximal 4 Tage danach Alkohol genossen wird. Das Pilzgift Coprin blockiert den Alkoholabbau durch Hemmung der Acetaldehyddehydrogenase auf der Stufe des Azetaldehyds und verhindert so die weitere Oxidation zu Acetat. Die Anreicherung des Azetaldehyds im Blut führt zu folgenden Symptomen: Hitzegefühl, Beengung, Gesichtsröte, Atemnot, Herzklopfen, Angstzustände, Schwindel, Blutdruckabfall bis zum Kollaps. Weiterhin werden als typisches Symptom ein metallischer Geschmack sowie ein prickelndes Gefühl in Armen und Beinen angegeben. Die Symptome treten Minuten bis eine Stunde nach Alkoholgenuss (in zeitlichem Zusammenhang mit der Pilzmahlzeit) auf und können 2 bis 4 Stunden anhalten. 17

Die Wirkungen des Coprins sind also ähnlich der pharmakologischen Wirkung des Alkoholentwöhnungsmittels Disulfiram (Antabus®), weswegen das Coprinussyndrom auch Antabus-Syndrom genannt wird (28); (29) Zu den coprinhaltigen Pilzen zählen Coprinus atramentarius (Faltentintling) und andere Coprinus-Arten, z.B. Coprinus micaceus , Coprinus picaceus und Coprinus disseminatus. Coprin ist in geringen Mengen auch im Schopftintling (Coprinus comatus) enthalten, ebenso enthält der Ochsenröhrling (Boletus torosus) Coprin. Fraglich ist der Copringehalt im Netzstieligen Hexenröhrling (Boletus luridus). Hier handelt es sich wohl eher um Verwechslungen mit dem sehr ähnlichen Boletus torosus. (29) Wie in der Einleitung schon erwähnt, habe ich in meine Auswertung keine Mischintoxikationen mit einbezogen. Bei den mir gemeldeten Vergiftungsfällen, die in Zusammenhang mit Alkohol standen, kamen oben genannte Pilze jedoch nicht vor. Wirkliche Angaben zum Coprinussyndrom kann ich mit meiner Arbeit aus diesen Gründen jedoch nicht machen. Folgende Pilze der Gattung Coprinus (Tintlinge) wurden im Jahr 2006 in den Giftinformationszentren erfasst:

Pilz Anzahl Coprinus atramentarius (Faltentintling) 2 Coprinus comatus (Schopftintling) 2 Coprinus micaceus (Glimmertintling) 1

Tabelle 9: Meldungen über Vergiftungen mit coprinhaltigen Pilzen im Jahr 2006

Der Jahresbericht der Pilzsachverständigen des Jahres 2006 verweist dagegen auf insgesamt 5 Fälle von Coprinus-Syndrom, von insgesamt 207 gemeldeten Vergiftungsfällen. (117) Ob und in welchem zeitlichen Abstand Alkohol in Verbindung mit der Pilzmahlzeit getrunken wurde, ist nicht bekannt.

2.2.7. Rhabdomyolyse:

Tricholoma equestre-Syndrom

In sehr seltenen Fällen kommt es nach Genuss von Grünlingen (Tricholoma equestre) bei besonders dafür prädestinierten Personen zu Muskelauflösung (Rhabdomyolyse). Zwischen 1992 und 2000 gab es in Frankreich 12 Vergiftungsfälle mit dieser Symptomatik, 3 davon verliefen tödlich. Aus Polen wurden 2 weitere Fälle gemeldet. Das Syndrom äußert sich in Form von Müdigkeit, Muskelschwäche, Muskelschmerzen, v.a. in den Oberschenkeln. Bei schweren Fällen kommt es in Folge des Muskelzerfalls zu Braunfärbung des Urins (Myoglobinurie) und daraus resultierender Nierenschädigung. Weitere Symptome sind Atembeschwerden und starkes Schwitzen. Im Falle der 3 Verstorbenen gab es Zeichen einer Myokarditis, Herzrhythmusstörungen, Hyperthermie und starke Erhöhung der Kreatin-Kinase. Grünlinge galten jahrelang als exzellente Speisepilze. In Deutschland sind bis dato keine Fälle von Rhabdomyolyse nach Verzehr von Tricholoma equestre bekannt geworden. Vom Verzehr der Grünlinge wird abgeraten, eine abschließende Beurteilung des Pilzes steht noch aus. (30); (31) Auf jeden Fall darf der Grünling bundesweit in Deutschland nicht mehr als Speisepilz in Verkehr gebracht werden. (119) 18

2.2.8. Acromelalga-Syndrom:

Zum ersten Mal wurde dieses Syndrom 1918 in Japan beschrieben. Innerhalb 24 Stunden nach Verzehr von Clitocybe acromelalga kam es zu Missempfindungen an Händen und Füßen mit Kribbeln, Brennen, heftigen Schmerzen, Hautrötung und Schwellung. Wärme und Bewegung verstärken die Schmerzen, Kälte bessert. Die Schmerzen sind nur mit sehr starken Schmerzmitteln zu lindern. Die intermittierend auftretenden Symptome hielten Tage, vereinzelt auch Wochen bis Monate an. Verantwortlich für die Vergiftung ist die Substanz Acromelsäure, die als Glutamat-Agonist wirkt. In Europa wurde dieses Syndrom zum ersten Mal in Frankreich beobachtet.1979 erkrankten zwei Personen. 1996 kam es in einem französischen Alpental zur Erkrankung von 5 Personen an dieser Symptomatik, nach Verzehr von Clitocybe amoenolens, dem Wohlriechenden Trichterling, der fälschlicherweise für Fuchsige Trichterlinge (Lepista inversa) gehalten wurde. Der Pilz ist in Marokko und Südfrankreich heimisch. Gefahr besteht also nur bei Pilzimport aus Südfrankreich und den Mitteleerländern. (32) 19

3. Detaillierte Beschreibung der am häufigsten erfassten Giftpilze, bzw. Pilzgruppen „Die Top 10“

Im folgen Teil möchte ich nun detailliert auf die von mir ermittelten 10 häufigsten Giftpilze, bzw. kritisch bewerteten Pilze eingehen. Erfasst wurden diese, wie in der Einleitung schon beschrieben, anhand der Anrufstatistik der 5 (von insgesamt 9) deutschen Giftinformationszentren: Mainz, Bonn, Göttingen, Erfurt und München. In die Auswertung gingen ein: - nur der tatsächliche Verzehr der Pilze - keine Mischintoxikationen mit Alkohol o.ä. - keine Lebensmittelvergiftungen - keine Vergiftungen an Tieren - wenn als essbar bewertete Pilze mit giftigen, unverträglichen oder unbekannten Pilzen verzehrt wurden, wurden diese in der Auszählung als nicht relevant eingestuft und nur die „Hauptnoxe“ gewertet, um nicht Risiken vorzutäuschen Erfasst wurden insgesamt 1704 Vergiftungsfälle. Teilweise wurden die Pilze in Gruppen zusammengefasst z.B. „Amanita phalloides und Verwandte“, psilocybinhaltige Pilze oder Düngerlinge (Panaeoli).

Top Pilz bzw. Pilzgruppe Anzahl Anteil an allen Pilzvergiftungen (%) 1 Amanita phalloides und Verwandte 86 5,05% (Amanita, Amanita phalloides, Amanita verna, Amanita virosa) 2 Psilocybinhaltige Pilze 69 4,04% (Psilocybe, Stropharia cubensis, Panaeolus cinctulus, Panaeolus campanulatus, Copelandia cyanescens) 3 Agaricus xanthoderma 58 3,40%

(Agaricus)* 55 3,23% (Boletus edulis) * 48 2,82% Amanita phalloides 34 1,99% 4 Armillaria 34 1,99% 5 Amanita pantherina 33 1,94% (Xerocomus badius) * 30 1,76% 6 Amanita muscaria 30 1,76% 7 Tylopilus felleus 29 1,70% (Cantharellus cibarius) * 26 1,53% (Macrolepiota procera) * 26 1,53% 8 Panaeolus sp. 23 1,35% (Agaricus campester) * 17 1,00% 9 Paxillus involutus 17 1,00% 10 Boletus satanas 16 0,94% .. Galerina- Arten 9 0,53% Amanitinhaltige Pilze 6 0,35% Lepiota brunneoincarnata 2 0,12%

Tabelle 10: Pilze, die Vergiftungen im Jahr 2006 verursachten, geordnet nach Häufigkeit der Anfragen bei den Giftinformationszentren ()* Diese Pilze sind als ungiftig, bzw. essbar eingestuft. Vermutliche Gründe für das Erscheinen auf den vorderen Plätzen dieser Auswertung habe ich im Allgemeinen Teil unter dem Punkt Unverträglichkeiten (2.2.4.) aufgeführt. 20

Anteil der häufigsten Pilze an den Gesamtpilzvergiftungen im Jahr 2006

Rest (19,5%)

Macrolepiota procera (1,5%)

Cantharellus cibarius (1,5%)

Xerocomus badius unbekannte Pilze (44%) (1,8%)

Boletus edulis (2,8%)

Agaricus (4,7%) Amanitinhaltige Pilze (gesamt) (6%)* Boletus satanas (1%)

Paxillus involutus (1%)

Panaeoli (1,4%)

Tylopilus felleus (1,7%)

Amanita muscaria (1,8%)

Amanita pantherina (1,9%)

Armillaria (2%)

Agaricus xanthoderma (3,4%)

unbekannte Pilze (44%) AmanitinhaltigePsilocybinhaltige Pilze (6%) PsilocybinhaltigePilze Pilze (4%) Agaricus xanthoderma (3,4%) Armillaria (2%) Amanita pantherina (1,9%) Amanita muscaria (1,8%) Tylopilus felleus (1,7%) Panaeoli (1,4%) Paxillus involutus (1%) (4%) Boletus satanas (1%) Agaricus (4,7%) Boletus edulis (2,8%) Xerocomus badius (1,8%) Cantharellus cibarius (1,5%) Macrolepiota procera (1,5%) Rest (19,5%)

()* In der Gruppe Amanitinhaltige Pilze (gesamt) sind die Unterrubriken Amanita phalloides und Verwandte (5,05%), Galerina- Arten (0,53%), Lepiota brunneoincarnata (0,12%) und Amanitinhaltige Pilze (0,35%) zusammengefasst.

Abbildung 1: Anteil der häufigsten Pilze an den Gesamtpilzvergiftungen im Jahr 2006 21

3.1. Amanita phalloides und Verwandte „Top 1“

Unter dieser Gruppe sind alle Amanita-Arten zusammengefasst, die das Phalloides-Syndrom hervorrufen können:

Giftinformationszentrum Pilz Anzahl Mz Bo M Gö Ef Amanita phalloides 34 2 1 3 22 6 Amanita virosa 1 1 Amanita verna 1 1 Amanita* 50 15 11 19 5

Tabelle 11: Von den GIZ gemeldeteVergiftungen mit Knollenblätterpilzen im Jahr 2006 (*alle Pilze mit der Bezeichnung Knollenblätterpilz, teilweise mit Amanitin-Nachweis, teilweise auch nur Verdachtsfälle)

In meiner Auswertung erscheint noch die Rubrik „amanitinhaltiger Pilz“ (insgesamt 6 Fälle). Hier wurden Pilze eingeordnet, bei denen der Amanitin-Nachweis positiv war, bzw. die unter „“ gemeldet wurden. Eine Zuordnung zur Gruppe Amanita phalloides und Verwandte erfolgte aber nicht, da die Gattung unklar war und das Phalloides- Syndrom auch von Pilzen der Gattung Galerina oder von Lepiota brunneoincarnata verursacht wird.

3.1.1. Beschreibung des Pilzes:

Amanita phalloides (Grüner Knollenblätterpilz): (33) Im Jungstadium ist der Pilz von einer Hülle, dem Velum universale, ähnlich wie eine Eierschale umhüllt. Wenn der Pilz wächst, zerreißt die Hülle und Reste dieser bilden, die für Knollenblätterpilze typische, sackartige Volva (Scheide) an der Stielbasis. Beim Abschneiden oder Herausdrehen des Pilzes aus der Erde geht dieses typische Merkmal leider verloren.

Hut 5-15 cm breit im jungen Stadium halbkugelig, später flach gewölbt, bis ausgebreitet; Farbe ist grünlich, hell oder dunkel olivgrün, oft auch weißlich verblasst, Randbereiche heller; Oberhaut trocken, glatt, seidig glänzend, mit feinen, dunklen radial verlaufenden Fasern, selten bleiben Reste des Velum universale auf dem Hut kleben; Rand glatt Lamellen weiß, weich und engstehend Sporenpulver weiß Stiel 8-15 cm lang, Durchmesser bis 2,5 cm; Farbe ist weißlich, hell gelbgrünlich genattert; Manschette schlaff herabhängend (d.h. nach oben abziehbar); fein gerieft; Stielende knollenartig verdickt, steckt in einer sackartigen Scheide (Volva) Fleisch weiß, zart, unter der Huthaut gelb-grün Vorkommen Laubwald, bevorzugt unter Eichen, August bis Oktober 22

Amanita phalloides

Abbildung 2: Hausner Seite 82

Amanita virosa (Spitzhütiger Knollenblätterpilz; Kegelhütiger Knollenblätterpilz): (34) Dieser etwas seltenere Knollenblätterpilz ist Amanita phalloides ähnlich. Er ist etwas zierlicher, hat eine rein-weiße Hutfarbe, die Hutform ist bei jungen Pilzen eiförmig-glockig, bei älteren Exemplaren kegelig oder mit stumpfem Buckel. Das typische Merkmal, knollig verdicktes Stielende in einer sackartigen Scheide (Volva), ist auch hier ausgeprägt. Die Manschette (Ring) ist dünn, hängend, oft zerrissen und vergänglich. Vorkommen: Nadelwald, bevorzugt im Gebirge, Juli bis Oktober

Amanita virosa Abbildung 3: Hausner Seite 84

Amanita verna (Frühlingsknollenblätterpilz; Weißer Knollenblätterpilz): (34) Dieser ab Mai, bevorzugt in südlichen Regionen wachsende Pilz, ist dem Grünen Knollenblätterpilz sehr ähnlich, nur etwas heller.

3.1.2.Verwechslungsmöglichkeiten:

Amanita citrina (Gelblicher Knollenblätterpilz): Dieser, den gelblich-weißen Exemplaren des Grünen Knollenblätterpilzes ähnliche Pilz, ist durch eine an der Knolle angewachsene Hülle von diesem zu unterscheiden. Der Pilz ist amanitinfrei, aber als unverträglich eingestuft und schmeckt nicht. (35) 23

Der Grüne Knollenblätterpilz kann wegen seiner variablen Hutfarbe mit ähnlich gefärbten essbaren Pilzen verwechselt werden: (36) Täublinge: Russula virescens (Gefelderter Täubling); Russula cyanoxantha (Frauentäubling) Ähnlich gefärbte Ritterlinge: Tricholoma equestre (Grünling); Russkopf (Tricholoma portentosum) Dachpilze: Rehbrauner Dachpilz (Pluteus atricapillus) Die etwas helleren Formen können mit Champignonarten verwechselt werden (Agaricus sp.). Junge Fruchtkörper, die noch vom Velum universale umgeben sind, wurden von sehr unerfahrenen Pilzsammlern schon mit Bovisten verwechselt. Eine Längshalbierung schließt durch den völlig anderen Aufbau Verwechslungen aus!

Längsschnitte durch die jungen Fruchtkörper von Amanita phalloides und Lycoperdon perlatum Abbildung 4: Hausner Seiten 82 und 124

Bei dem sehr früh im Jahr fruchtenden Frühlingsknollenblätterpilz besteht die Verwechslungsgefahr mit dem Maipilz (Calocybe gambosa). (37) Die typischen Merkmale der giftigen Knollenblätterpilze, wie die Knolle in der umgebenden Volva (Scheide), die Manschette, der glatte Hutrand und die weißen Lamellen mit weißem Sporenpulver, sollten Verwechslungen mit Speisepilzen eigentlich ausschließen. Unerfahrenere Pilzsammler sollten beim geringsten Zweifel an ihren Pilzfunden diese unbedingt von einem versierten Pilzberater begutachten lassen und auf jeden Fall nur Pilze sammeln, die sie wirklich kennen!

3.1.3. Pilzgifte: (38)

Die tödlich wirkenden Gifte im Grünen Knollenblätterpilz und seinen weißen Verwandten sind Amatoxine (im engeren Sinne Amanitine). Diese sind Eiweißverbindungen, die aus 8 Aminosäuren bestehen (Oktapeptide), die in Form eines Doppelringes angeordnet sind. Bis dato sind 9 verschiedene Amatoxine nachgewiesen, die aber nicht alle giftig sind. (39) Die 4 wichtigsten Amatoxine sind α-,β- und γ-Amanitin und das Amaninamid, welches in Amanita phalloides nicht enthalten ist. (40) Das Verhältnis der drei Amanitine in den unterschiedlichen Arten der amanitinhaltigen Knollenblätterpilze weist breite Streuungen auf. Der Hauptanteil entfällt auf das α-Amanitin. 24

Eine typische Probe von Amanita phalloides enthält 45% α-Amanitin, 45% β-Amanitin und 10% γ-Amanitin. (40) In Amanita phalloides sind zusätzlich noch Phalloidine, bestehend aus 7 Aminosäuren (Heptapeptide), enthalten. Diese sind bei der Knollenblätterpilzvergiftung unbedeutend. Amanita virosa enthält zusätzlich noch Viroidine, diese sind für die Vergiftung mit diesem Pilz nicht relevant. 0,1 mg α-Amanitin pro kg Körpergewicht ist die für einen Erwachsenen angegebene tödliche Giftmenge. Das entspricht, da der Toxingehalt der Pilze sehr variabel ist, 5 bis 50 g Frischpilzen. Für Kinder ist die tödliche Giftmenge schon in wenigen Gramm des Pilzes enthalten.

3.1.4. Wirkmechanismus des Giftes: (41)

Amanitine binden sich an die RNA-Polymerase II im Zellkern eukaryotischer Zellen und verhindern dadurch die Transkription der DNS in m-RNS. Damit wird die Bioproteinsynthese in der Leberzelle vollständig lahmgelegt. Amanitin wird nicht in alle Körperzellen aufgenommen. Eine besondere Affinität besteht zu den Leberzellen, wobei zur Aufnahme in die Zellen ein physiologisches Transportsystem für Gallensäuren und Fremdstoffe genutzt wird. Zuerst werden aber die Zellen der Darmmucosa, die eine hohe Teilungsrate aufweisen, geschädigt. (44) Dies äußert sich in Form der Symptome der Gastrointestinalen Phase. An Mäusen wurde eine Schädigung der Niere im Bereich des proximalen Tubulus festgestellt. Die Bindung des Amanitins an das Enzym (RNA-Polymerase II) ist eine starke, nicht kovalente Bindung. Die Dissoziationskonstante des Enzym-Amanitin-Komplexes liegt im Nanomol-Bereich. Deshalb liegt ein Teil des Amanitins in dissoziierter Form vor und kann über die Galle wieder ausgeschieden werden und wird so dem enterohepatischen Kreislauf zugeführt.

3.1.5. Vergiftungssymptome: (42); (43)

Der Klinische Verlauf einer Amanitinvergiftung kann sehr charakteristisch in 4 Phasen eingeteilt werden. Man spricht auch von einem zweigipfeligen Verlauf:

Phase 1: Latenzphase (6 bis 24 h) Dies ist die Zeit zwischen der Pilzmahlzeit und dem Auftreten erster Symptome. Die Latenzzeit ist relativ lang (siehe Einteilung der Pilzvergiftungen) und bewegt sich zwischen 6 und 24 Stunden. Gastrointestinale Symptome nach einer kürzeren Latenzzeit schließen aber eine Knollenblätterpilzvergiftung nicht aus, weil im Normalfall Mischpilzgerichte verzehrt werden, die auch noch andere Giftpilze mit kürzeren Latenzzeiten enthalten können. Ein Früherbrechen, ausgelöst durch einen anderen Pilz, kann so einen unbeabsichtigten therapeutischen Effekt haben. Je weniger Amanitin in der Pilzmahlzeit verzehrt wurde, umso länger ist die Latenzzeit.

Phase 2: Gastrointestinale Phase (24 h, selten 2 bis max. 4 Tage) Diese äußert sich in massiven Durchfällen, starkem Erbrechen und Bauchschmerzen. Die mit dem Erbrochenen ausgeschiedenen unverdauten Pilzreste sollten unbedingt für eine mykologische Diagnostik aufbewahrt werden. Durch die Brechdurchfälle kann es zu einem massiven Flüssigkeitsverlust mit erhöhtem Hämatokrit, Hämoglobin und Kreatinin kommen. Ein Anstieg der Transaminasen (GOT/GPT) als Zeichen der beginnenden Leberschädigung zeigt sich ab dem 1. Tag. 25

Phase 3: 2. Latenzphase = Übergangsphase (12 bis 24h) Nach 24 Stunden beruhigt sich die Gastrointestinale Symptomatik. Die Betroffenen meinen häufig, nun ist alles überstanden. Während dieser trügerischen Ruhephase kommt es zum weiteren Anstieg der Transaminasen und zum Abfall der Gerinnungsfaktoren als Zeichen der Synthesestörung der Leber. Bei genügendem Flüssigkeitsausgleich normalisieren sich Hb, Hk und Kreatininwert wieder.

Phase 4: Hepatorenale Phase In dieser Phase zeigen sich die Symptome eines akuten Leberversagens mit Ikterus, Blutungen in Folge der Gerinnungsstörung, in sehr schweren Fällen Nierenversagen und Leberkoma. In Fällen mit fatalem Ausgang tritt der Tod innerhalb 6 bis 16 Tagen (im Mittel nach 8 Tagen) in Folge des Leberversagens ein. Labordiagnostisch sind folgende Parameter verändert: Abfall der Gerinnungsfaktoren und damit des Quickwertes, Bilirubinanstieg, bei drohendem Nierenversagen Kreatininanstieg.

Heilung: Wenn die Leberschädigung reversibel ist, kommt es nach einer langsamen, fortschreitenden Rekonvaleszenz zur vollständigen Genesung. Dies geschieht, wenn es den Leberzellen gelingt, die Transkription wieder in Gang zu bringen und so eine große Zahl der Leberzellen vor der Apoptose (Programmierter Zelltod) zu bewahren. Daraufhin wird die Regeneration der Leber angekurbelt und es kommt zur Heilung. Die Transkription in den Zellen muss aber in einer bestimmten Zeit wieder anlaufen, sonst schaltet das regulatorische Protein p 53 von „repair“ auf „apoptosis“ und somit ist die Leberzelle zum Untergang verurteilt. Entscheidend ist die Menge des Giftes das in die Leberzellen aufgenommen wird. Bei schweren Vergiftungen ist diese schon nach kurzer Zeit so hoch, so dass es in kürzester Zeit zu einem massiven Zelltod kommt und somit die Regenerationsfähigkeit der Leber nicht mehr zum Tragen kommt. Alle Therapieversuche sind in solchen Fällen zum Scheitern verurteilt. Einen weiteren entscheidenden Einfluss darauf, ob eine Leberzelle repariert wird oder die Apoptose einsetzt, hat die Geschwindigkeitskonstante, mit der der Enzym-Amanitin-Komplex zerfällt. Zerfällt dieser, entsteht freies Toxin, welches über die Galle abtransportiert werden kann. Je schneller also Amanitin vom Enzym-Toxin-Komplex abdissoziiert wird, um so weniger toxisch wirkt es. (siehe auch unter Therapiemöglichkeiten) (45); (46)

3.1.6. Diagnose bzw. Nachweismöglichkeiten einer Amanitinvergiftung

Erste Anhaltspunkte zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Amanitinvergiftung bieten das Aussehen des verzehrten Pilzes, die Anamnese, sowie die Latenzzeit bis zum Auftreten der Vergiftungssymptome. Zur Bestimmung der verzehrten Pilze anhand von Pilzresten oder Erbrochenem wird empfohlen, einen Pilzsachverständigen oder Pilzberater zu kontaktieren. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es sich um Lamellenpilze handelt und die Symptome erst nach mehr als einer Stunde auftraten. In diesem Fall wird vom GIZ Mainz eine Einweisung in ein Krankenhaus empfohlen. Weitere diagnostische Möglichkeiten bieten die Sporenanalyse (von Putzresten, Resten der Mahlzeit oder Erbrochenem), der Zeitungspapiertest nach Wieland (Blaufärbung nach Zugabe von 25-30%iger Salzsäure auf ein durch angedrückte Pilzreste befeuchtetes Zeitungspapier), sowie der Amanitin-Nachweis im Urin mittels ELISA-Test. Dieser ist schon in der 26

Latenzphase ab 6 Stunden nach der Pilzmahlzeit bis etwa 80 Stunden danach aussagekräftig. (118)

3.1.7. Behandlung

Je früher die Behandlung beginnt, also Amanitin durch unterschiedliche Möglichkeiten aus dem Körper entfernt wird, um so günstiger ist die Prognose. Ideal wäre ein Start der Behandlung schon in der Latenzphase, spätestens während des gastrointestinalen Stadiums. Deshalb ist jeder Brechdurchfall nach Pilzgenuss bis auf weiteres verdächtig auf eine Amanitinvergiftung, besonders wenn dieser nach einer langen Latenzzeit einsetzt. Bei Aufnahme großer Mengen von Amatoxinen, erreicht die Toxinkonzentration in den Leberzellen schon nach wenigen Stunden die kritische Grenze, so dass die Apoptose in Gang gesetzt wird. Folgende Maßnahmen sind daher so früh wie möglich einzuleiten, basierend auf den Empfehlungen des International Programme on Chemical Safety (44):

Mit der Therapie sollte sofort begonnen werden, auch wenn der Verdacht auf Amatoxinvergiftung noch nicht bestätigt wurde!!!

1. Magenspülung oder Auslösen von Erbrechen Diese Maßnahmen sind indiziert bei Patienten, die schon während der Latenzphase mit einem Verdacht auf Knollenblätterpilzvergiftung behandelt werden, z.B. wenn Pilzreste identifiziert wurden oder Tischgenossen schon erkrankt sind. Wenn der Patient ohnehin häufig erbricht, erübrigen sich diese Maßnahmen der primären Giftelimination.

2. Gabe von Aktivkohle und damit Bindung des Amanitins Kohlegaben sind in allen Fällen notwendig! Die resorbierbare Menge Amanitin wird dadurch vermindert, gleichzeitig wird der enterohepatische Kreislauf unterbrochen. Aktivkohle wird über mindestens 24 Stunden gegeben. Dosierung: Erwachsene: 4 mal 50 g täglich Kinder: 4 mal 1-2 g/kg Körpergewicht täglich (47)

3. Gabe von Laxantien: Wenn der Patient nicht aufgrund der gastrointestinalen Symptomatik schon an Diarrhoen leidet ist die Gabe von Laxantien indiziert. Das Laxans hat die Aufgabe, die an Aktivkohle gebundenen Gifte schneller aus dem Körper zu transportieren. Aus diesem Grund sollte auch ein während der gastrointestinalen Phase auftretender Durchfall nicht behandelt, sondern nur der Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ausgeglichen werden.

4. Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich Durch die starken Brechdurchfälle während der Gastrointestinalen Phase kommt es zur Exsikkose und damit zur Verminderung der Nierentätigkeit. Damit wird ein Ausscheidungsweg für die Amatoxine und damit eine körpereigene Entgiftungsmöglichkeit blockiert. 27

4. Forcierte Diurese Diese dient der Steigerung der Ausscheidung von Amatoxinen über die Niere. Amanitin wird hauptsächlich während der ersten 48 Stunden nach Vergiftung über die Niere eliminiert. Die forcierte Diurese durch Applikation harntreibender Substanzen (z.B. Lasix®) sollte sich daher so früh wie möglich an die Rehydratationsmaßnahmen anschließen.

5. Silibiningaben i.v.in Form von Legalon® SIL Silibinin, ein Wirkstoff aus der Mariendistel, wirkt als Antidot durch kompetitive Hemmung der Aufnahme der Amatoxine in die Leberzellen. Des Weiteren wird durch Silibinin die Hepatozytenmembran stabilisiert, es dient als Radikalfänger und stimuliert Enzymsysteme, die an der Zellregeneration beteiligt sind. (48) Es sollte so früh wie möglich in der Therapie eingesetzt werden, bevor es zu irreversiblen Schädigungen der Leberzellen kommt, auch wenn die Diagnose einer Amanitinvergiftung noch nicht gesichert ist. Silibinin sollte mindestens über 24 Stunden gegeben werden. Dosis: 20-50 mg/ kg Körpergewicht pro Tag über 2 bis 4 Tage (44) (laut Packungsbeilage Legalon® SIL: 20 mg/kg KG pro 24 Stunden verteilt auf 4 Infusionen) Während die Packungsbeilage von Legalon® SIL noch die Anwendung in Kombination mit Betalactam-Antibiotika empfiehlt, ist diese Kombinationstherapie in Fachkreisen jedoch umstritten. Eine retrospektive Studie der TU München, in die Daten von 367 Patienten mit Knollenblätterpilzvergiftung zwischen 1957 und 2005 eingingen, von denen 118 eine Silibinin-Monotherapie erhielten und 249 kombiniert mit Penicillin behandelt wurden, zeigt ebenfalls den Vorteil der Monotherapie mit Legalon®. Bei Alleingabe von Silibinin lag der Anteil, der verstorbenen Patienten und derer, bei denen eine Leber transplantiert wurde bei 5,1%, mit der Kombinationstherapie waren es 8,8%. Allerdings sind die Angaben aufgrund einer zu geringen Fallzahl statistisch nicht signifikant. (49) Vermutet wird, wenn Penicillin vor Silibinin gegeben wurde, dass dieses die Aufnahme von Silibinin in die Leberzelle hemmt und so die positiven Effekte auf die Hepatozyten ausbleiben. (49)

N- Acetylcystein: In schweren Fällen wird zusätzlich zur Silibinin-Gabe die Applikation von N-Acetylcystein empfohlen, welches bei der Behandlung von Paracetamol-Vergiftungen sehr gute Wirkungen zeigt und gut verträglich ist. Empfohlen wird vom Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrum (STIZ) folgende Dosierung von N-Acetylcystein (Fluimucil®) als Infusion; Initial: 140 mg/ kg Körpergewicht in 200 ml 5%iger Glucose über 15 min Dann: 70 mg/ kg Körpergewicht in 100 ml 5%iger Glucose alle 4 Stunden (50)

Alternative Maßnahmen: (44) Penicillingaben, als Alternative zu Silibinin werden nur empfohlen, wenn kein Silibinin vorrätig ist. Gründe dafür sind diverse Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen und die Gefahr der Überdosierung. Eine Kombinationstherapie von Penicillin mit Silibinin bringt keinen Vorteil gegenüber der Monotherapie mit Silibinin, im Gegenteil. (vgl. oben (49)) 28

Die orale Gabe von Silymarin (Legalon®-Kapseln) ist der Infusionstherapie deutlich unterlegen, v.a. weil diese im Rahmen der gastrointestinalen Symptomatik erbrochen werden oder durch Aktivkohlegaben, bzw. Magenspülung unwirksam sind.

Gaben von Thioctsäure und Cytochrom C, wie sie früher noch verabreicht wurden, sind als Antidote wirkungslos und daher obsolet.

Cimetidin als mögliches Antidot wurde im Tierversuch erfolgreich getestet. Ob es in die Standardtherapie bei Knollenblätterpilzvergiftung aufgenommen werden kann, muss sich noch zeigen.

Behandlung der Komplikationen:

Neben den üblichen stationären Behandlungsmethoden, wie Behebung einer vorhandenen Hypoglykämie, Behandlung der Hämorrhagie durch Vitamin K-Gaben und Applikation von gefrorenem Frischplasma wären noch diverse intensivmedizinische Maßnahmen zu nennen, auf die im Rahmen der Arbeit nicht weiter eingegangen werden soll.

Lebertransplantation: Erwähnen möchte ich allerdings noch die Möglichkeit der Lebertransplantation, die in besonders schweren Vergiftungsfällen mit ansonsten fatalem Ausgang eine Therapieoption darstellt. Die Frage nach der Indikation einer Lebertransplantation bei Amanitinvergiftung ist aus folgenden Gründen problematisch. Wird eine Knollenblätterpilzvergiftung überlebt, regeneriert sich die Leber vollständig und der Patient hat in keiner Weise Einschränkungen in seiner Lebensqualität. Handelt es sich aber um eine schwere Vergiftung mit prognostisch fatalem (tödlichen) Ausgang, ist der Krankheitsverlauf sehr rasch und es muss schnell eine Entscheidung in Richtung Lebertransplantation getroffen werden, diese muss zeitlich auch noch die Beschaffung des Spenderorgans einschließen. Darüber hinaus ist die Transplantation einer Leber ein mit Risiken verbundener, schwerer chirurgischer Eingriff, der im Nachhinein eine lebenslange Therapie mit Immunsuppressiva notwendig macht, welche die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigt. Es muss also ein Untersuchungsparameter gefunden werden, der die Prognose des Patienten, ob eine Amanitinvergiftung überlebt wird oder der Ausgang ohne Lebertransplantation tödlich ist, klar erkennen lässt (hohe Spezifität und hohe Sensitivität). Dieses Prognosemerkmal (Laborparameter) muss auch noch möglichst frühzeitig im Vergiftungsverlauf auftreten, um ausreichend Zeit für die Transplantation, inklusive Beschaffung des Spenderorgans zu haben. (51) Dr. Ganzert von der TU München hat sich im Rahmen seiner Dissertation im Jahre 2004 „Indikation zur Lebertransplantation bei Knollenblätterpilzvergiftung“ mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er hat retrospektiv 23 tödliche Verläufe und die Daten 105 Überlebender mit schweren Verläufen auf die prognostischen Eigenschaften folgender Laborparameter untersucht: Transaminasen (GOT/GPT), Bilirubinwert, Quick-Wert und Kreatinin-Wert. Als bester Prognosefaktor für einen fatalen Vergiftungsverlauf erwies sich ein „Zwei- Komponenten-Index“ aus Quick und Kreatinin-Wert. Bei einem Quick kleiner 25 % und einem Kreatinin-Wert größer als 1,2 mg/dl sollte unverzüglich eine Lebertransplantation durchgeführt werden. (vgl. auch Abb. 5) Quick und Kreatinin werden täglich ab den 3. Tag nach der Giftaufnahme kontrolliert. (51) 29

Abbildung 5: Entscheidungsmodell für die Indikation einer Lebertransplantation bei Amanitinvergiftungen

Die Grafik wurde der Homepage der Gesellschaft für Klinische Toxikologie (GfKT) entnommen (Brennpunktprojekte/ Amatoxinstudie). (120)

3.1.8. Bewertung der von mir dokumentierten Vergiftungsfälle mit Amatoxinen:

Von den Zentren wurden jeweils, falls erfasst, die Schwere der Vergiftungssymptome gemeldet. In die Auswertung ging jeweils der höchste PSS ein.

PSS Pilz Anzahl 0 1 2 3 4 8/9 Amanita phalloides 34 5 9 4 4 3 9 Amanita sp. 50 16 20 7 3 4 (Knollenblätterpilz) Amanita verna 1 1 Amanita virosa 1 1 Amanitinhaltiger 6 1 4 1 Pilz Galerina marginata 8 4 4 Galerina 1 1 autumnalis Lepiota 2 1 1 brunneoincarnata

Tabelle 12: Schweregrade der Vergiftungssymptome nach Verzehr von amanitinhaltigen Pilzen 30

Vergiftungen mit Amanita phalloides und verwandten Knollenblätterpilzen sind mit 5% an den Gesamtfällen von gemeldeten Pilzvergiftungen beteiligt. Diese Zahl deckt sich mit den Literaturangaben, u.a. des BfR Berlin. In meiner Auswertung sind drei Todesfälle enthalten (PSS4), gemeldet von den GIZ Göttingen und Erfurt, zwei davon aus Thüringen, einer aus dem Saarland. Dabei handelt es sich um 2 Erwachsene ohne Altersangabe und um einen Senioren von 86 Jahren. Das wäre eine Letalitätsrate, bezogen auf 86 Knollenblätterpilzvergiftungen, von 3,5%. Dabei muss gesagt werden, dass es sich bei der Gesamtanzahl um alle gemeldeten Fälle, auch Verdachtsfälle handelt, ein Ausgang der Vergiftung, bzw. die Bestätigung des Verdachtes durch einen Pilzsachverständigen oder durch Amanitin-Nachweis ist in vielen Fällen nicht bekannt. Bezogen auf die insgesamt 11 Vergiftungen mit Knollenblätterpilzen die eine schwere Symptomatik (PSS3), einschließlich der 3 Todesfälle (PSS4) zeigten, wäre das eine Letalitätsrate für schwere Vergiftungsfälle von 27,3%. Im Jahresbericht der Pilzsachverständigen dagegen (Deutsche Gesellschaft für Mykologie) sind nur 2 tatsächliche Vergiftungen mit Amanita phalloides dokumentiert. (117) Zum einen sind die Angaben mit nur 207 Gesamtvergiftungsfällen nicht vollständig und nicht repräsentativ. Zum anderen wird in den Kliniken auch nur bei Verdacht auf Vergiftung mit Knollenblätterpilzen das volle Therapieprogramm gefahren, einschließlich Amanitin- Nachweis im Urin, der dann den Verdacht bestätigt oder nicht. Ein Pilzsachverständiger, meist von den Giftinformationszentren empfohlen, wurde da in vielen Fällen sicher nicht eingeschaltet. Das zeigt einmal mehr, wie empfehlenswert eine einheitliche Meldepflicht für Pilzvergiftungen wäre. Anders sieht es bei den Angaben über die prophylaktische Tätigkeit der Pilzberater aus: Von 8978 im Jahre 2006 aus den Körbchen der Pilzsammler aussortierten Giftpilzen, gehörten 480 Stück entweder zur Spezies Amanita phalloides (bzw. Amanita virosa) oder Amanita pantherina. Das sind 5,3%. Leider existieren keine getrennten Zahlen für beide Pilze. Diese Zahlen beweisen, wie wichtig ein gut ausgebildetes Netz von Pilzsachverständigen oder Pilzberatern ist, um Pilzvergiftungen schon im Vorfeld zu verhindern. Die meist ehrenamtliche Arbeit dieser Leute kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Bei den 6 Fällen der Rubrik „Amanitinhaltiger Pilz“ ist ein Amanitin- bzw. Amatoxin- Nachweis erbracht worden, aber die Einordnung unter Knollenblätterpilz erfolgte nicht. Theoretisch könnte es sich dabei auch um amanitinhaltige Galerina- oder Lepiota-Arten handeln, was aber wenig wahrscheinlich ist. Immerhin korreliert der Schweregrad der Vergiftung (PSS 3=schwer in 4 von 6 Fällen) mit dem Amatoxin-Nachweis.

Vergiftungen mit amanitinhaltigen Lepiota-Arten, wie z.B. Lepiota brunneoincarnata (Giftschirmling), Lepiota castanea (Rotbrauner Giftschirmling) oder Lepiota citrophylla (Gewächshaus- Schirmling) sind in Deutschland selten. Da diese Pilze wärmere Gegenden bevorzugen, stellen Vergiftungen mit Lepiota-Arten eher ein Problem für den Mittelmeerraum dar, v.a. für die Türkei, Italien und Spanien. (52) Da die amatoxinhaltigen Lepiota-Arten mit einem Hutdurchmesser von 2 bis maximal 6 cm sehr klein sind, ist eine Verwechslung mit den hiesigen Speisepilzen unwahrscheinlich. Der in den Tropen beheimatete Gewächshausschirmling (Lepiota citrophylla) besiedelt hierzulande v.a. Gewächshäuser und Wintergärten. Damit besteht eine potentielle Gefahr für Kleinkinder, wenn diese die kleinen, in Blumentöpfen wachsenden Pilze in den Mund nehmen. 2 Fälle von Vergiftungen mit Lepiota brunneoincarnata sind im Jahre 2006 von den GIZ München und Göttingen gemeldet worden. Bei beiden handelt es sich um Erwachsene, der Schweregrad war asymptomatisch, bzw. wurde nicht erfasst. 31

Etwas häufiger sind in Deutschland Vergiftungen mit toxischen Galerina-Arten, wie Galerina marginata (Nadelholzhäubling) und Galerina autumnalis (Überhäuteter Häubling). Galerina-Arten wachsen auf morschem Holz und können daher mit anderen, ebenfalls auf Holz wachsenden Pilzen verwechselt werden, wie z.B. Stockschwämmchen (Kühneromyces mutabilis), aber auch dem Hallimasch (Armillaria mellea) und dem Samtfuß-Rübling (Flammulina velutipes). (53) Der Nadelholzhäubling enthält ca. 400 Mikrogramm Amanitin pro kg Trockengewicht, was ca. 1/10 des Gehaltes von Amanita phalloides entspricht, wobei der Toxingehalt der Pilze bekanntlich sehr schwankt. 10 bis 15 Exemplare von Galerina marginata können tödlich sein. (54) Die 9 im Jahre 2006 von den deutschen GIZ gemeldeten Fälle von Vergiftungen mit toxischen Galerina-Arten verliefen entweder asymptomatisch oder mit leichten Vergiftungssymptomen. Erklärbar wäre dies evtl. mit der Kleinheit der Pilze und auch mit dem, verglichen mit Amanita phalloides, geringeren Giftgehalt von Galerina-Arten. Laut Angaben vom GIZ München sind Verwechslungen von Galerina mit Stockschwämmchen gar nicht mal so selten. Unterscheidungsmerkmal ist der Stiel. Das Stockschwämmchen hat einen ockerfarbenen Stiel, der unterhalb des gerieften Ringes mit dunkleren Schüppchen besetzt ist, der Nadelholzhäubling (Galerina marginata) hat einen gelbbraunen Stiel, der unterhalb des schwach ausgebildeten Ringes heller überfasert ist. Bei beiden Pilzen ist der Ring vergänglich und kann fehlen. (55)

Fazit: Vergiftungen mit amatoxinhaltigen Pilzen sind potentiell tödlich. Diese Aussage korreliert mit den von mir erfassten Schweregraden von insgesamt 103 gemeldeten Amanitinvergiftungen. Darunter waren drei Todesfälle (PSS4), 12 Fälle mit schwerem Verlauf (PSS3) und 11 Fälle mit mittelschweren Symptomen (PSS2). Trotz Aufklärung und einem bundesweiten Netz von Pilzberatern und Pilzsachverständigen führen Vergiftungen mit Amanita phalloides und seinen Verwandten die Anfragestatistik der deutschen Giftberatungszentren an.

Vergiftungen mit amanitinhaltigen Pilzen Lepiota brunneoincarnata

Galerina autumnalis

Galerina marginata

amanitinhaltiger Pilz

Amanita virosa Amanita phalloides Amanita verna

Amanita sp.

Abbildung 6: Vergiftungen mit amanitinhaltigen Pilzen 32

3.2. Psilocybinhaltige Pilze „Top 2“

Unter dieser Rubrik sind alle gemeldeten Fälle vom Genuß psilocybinhaltiger Pilze zusammengefasst. Typische Angaben bei den Anrufen in den GIZ sind der Verzehr von: „Magic “, „Mexikanische Pilze“, Hawaiianische Pilze“ oder Psilocybe. In diese Gruppe gehören auch psilocybinhaltige Düngerlingsarten, wie der Glockendüngerling (Panaeolus campanulatus), der Dunkelrandigen Düngerling (Panaeolus cinctulus), sowie der Blauenden Düngerling (Copelandia cyanescens). Bei dieser Einteilung kommt es zu Überschneidungen mit der Rubrik Panaeoli (Düngerlinge). Der Genuss, bzw. die Vergiftung mit psilocybinhaltigen Pilzen ist in nahezu allen Fällen gewollt, um einen Rauschzustand zu erzeugen. Verwechslungen mit Speisepilzen sind aufgrund der Kleinheit der Arten nahezu ausgeschlossen. Ein gewisses Risiko stellt der akzidentelle Verzehr einheimischer Düngerlinge von Kleinkindern dar. Näheres dazu aber unter der Rubrik Düngerlinge. Mit 69 Vergiftungsfällen und damit 4,05% belegen die Psilocybinhaltigen Pilze Platz 2 meiner Liste. Dabei habe ich nur die Monovergiftungen aufgenommen, gemeldete Mischintoxikationen mit Alkohol, Haschisch oder Speed wurden nicht eingewertet.

3.2.1. Häufige Vertreter, die das Psilocybin- Syndrom verursachen:

Die am häufigsten genossenen psilocybinhaltigen Pilze sind: Psilocybe cubensis, der Kubanische Kahlkopf, identisch mit Stropharia cubensis, der seinen Namen wegen seiner Erstbeschreibung 1904 nach Funden in Kuba verdankt. Diese Pilze wachsen auf Dung oder Weideboden in Regionen mit feucht-warmem Klima, u.a. in Kuba, Mexico, Guatemala, Bolivien, Brasilien, Argentinien, Teilen der USA, Thailand, Vietnam, Kambodscha und Australien. Psilocybe cubensis ist leicht „in vitro“ zu kultivieren, im Gegensatz zu anderen Psilocybe- Arten auch bis zum Fruktikationsstadium. Deshalb ist er einer der begehrtesten Vertreter für die illegale Zucht in privaten Laboratorien. (56)

Psilocybe mexicana, der Mexicanische Kahlkopf ist im südlichen Mexico und in Guatemala verbreitet. (56)

3.2.2. Einheimische Vertreter:

Psilocybe semilanceata, der Spitzkegelige Kahlkopf, ist der bedeutendste einheimische Vertreter der Psilocybe-Arten. Der Pilz wächst auf stark gedüngten Wiesen und Weiden.

Eine weitere psychotrope Psilocybe-Art, die vermutlich aus Übersee nach Europa eingeschleppt wurde, ist Psilocybe cyanescens, der Blauende Kahlkopf. Seinen Namen verdankt dieser Pilz der im Verhältnis zum Spitzkegeligen Kahlkopf sehr stark ausgeprägten Blauungsreaktion. Der Blauende Kahlkopf wächst auf Rohhumus, Holzstückchen und anderen pflanzlichen Resten.

Aus der Gattung der Düngerlinge sind folgende einheimische Arten als psychoaktiv, also psilocybinhaltig eingestuft:

Panaeolus papillonaceus, nach Frau Eckarts Liste Panaeolus campanulatus, der Glockendüngerling. 33

Bei diesem Pilz gehen die Meinungen in Bezug auf die Psychoaktivität in der Fachliteratur auseinander. In der Bewertung des BfR aus dem Jahre 2005 wird der Glockendüngerling als einer der einheimischen Verursacher des Psilocybin-Syndroms genannt. (26) Andere Autoren zweifeln am Psilocybingehalt dieser Pilzart und vermuten Fehlbestimmungen. Wobei der Selbstversuch von Stamets, der nach dem Verzehr von 30 Exemplaren des Pilzes nur ein „gewisses Unwohlsein“ verspürte mit amerikanischen Glockendüngerlingen durchgeführt wurde. (57); (58) Vielleicht sind Unterschiede im Sekundärstoffwechsel verschiedener geographischer Rassen dafür verantwortlich?

Panaeolus cinctulus, bzw. Panaeolus subalteatus, der Dunkelrandige Düngerling, ist die häufigste psychoaktive Düngerlingsart in Europa. (59) In meiner Auswertung ist dieser Pilz mit 2 Fällen, von insgesamt 5 nachgewiesenen Fällen von Vergiftungen mit psychoaktiven Düngerlingen vertreten. Verwechslungen können mit Zuchtpilzen auftreten. Da die Düngerlinge bevorzugt auf Mist und gedüngtem Boden wachsen, erscheinen diese gern auch in künstlich angelegten Pilzkulturen, oft auch schon vor den Zuchtpilzen.

Ein weiterer Vertreter der psilocybinhaltigen Düngerlinge ist Panaeolus cyanescens, auch geführt als Copelandia cyanescens, der Blauende Düngerling. Die Blaufärbung verschiedener Psilocybe- und Düngerlingsarten ist ein Indiz dafür, dass die Pilze psychoaktiv sind. Verantwortlich dafür ist der oxidative Abbau von Psilocin zu einer Chinonverbindung. Näheres dazu unter „Blauungsreaktion“. Dieser Pilz wurde vermutlich aus den Tropen nach Europa eingeschleppt.

Umstritten ist, ob Panaeolus foeniseccii, der Heudüngerling, psilocybinhaltig ist. Dieser Pilz fruktiziert im Gegensatz zu den anderen Vertretern seiner Gattung nicht auf Dung und wächst v.a. nach dem Heuschnitt. Die Pilze synthetisieren Alkaloide der Gruppe 5-substituierte Indolverbindungen, wie Serotonin und dessen Vorstufe 5-Hydroxy-Tryptophan, die oral genossen ohne Wirkung sind. Bei älteren chromatographischen Verfahren können diese Substanzen mit Psilocin, dem Abbauprodukt für Psilocybin verwechselt werden. Eventuell ist das der Grund, weshalb der Heudüngerling in älteren Veröffentlichungen als psychoaktiv eingestuft wurde. (59) Auf jeden Fall ist er im Rohzustand genossen giftig und stellt damit eine Gefahr für Kleinkinder dar. (57). Näheres dazu aber in der Rubrik Düngerlinge. Ich habe den Heudüngerling in meiner Auswertung nicht unter den psilocybinhaltige Pilzen geführt, sondern nur bei den Düngerlingen aufgelistet.

Jochen Gartz nennt in seinem Buch „Narrenschwämme - Psychotrope Pilze in Europa“ noch weitere einheimische Arten, die aber seltener sind: Inocybe aeruginascens, der Grünende Risspilz, wurde 1965 in Ungarn entdeckt und 1968 wurde diese neuentdeckte Risspilzart zum ersten Mal beschrieben. Viele Pilze der Gattung Inocybe verursachen das Muscarinsyndrom. (vgl. 2.2.2.2.) Psilocybinhaltige Pilze stellen innerhalb dieser Gattung eine Seltenheit dar. In den 1980er Jahren kam es im Landkreis Potsdam und in der Mark Brandenburg immer wieder zu akzidentellen Vergiftungen mit Inocybe aeruginascens, der mit dem Nelkenschwindling (Marasmius oreades) verwechselt wurde. Inzwischen wurde noch in weiteren Inocybe-Arten Psilocybin nachgewiesen, diese sind aber extrem selten. Vergiftungen mit Inocybe aeruginascens sind aufgrund der Verwechslung mit Nelkenschwindlingen besonders für den Raum Berlin, Brandenburg bis hin zur Ostseeküste keine Seltenheit. (61) 34

Leider standen mir die Vergiftungsfälle der Berliner Giftinformationszentrale für meine Auswertung nicht zur Verfügung.

Gymnopilus purpuratus, eine Flämmlingsart, wurde wahrscheinlich in der 1970er Jahren durch importiertes Futtergetreide aus Argentinien nach Deutschland eingeschleppt. 1983 wurde er an der Ostseeküste bei Ribnitz-Damgarten in einer Kompostierungsanlage für Holzabfälle gesichtet, die mittels eines besonderen Verfahrens mit Schweinegülle kompostiert wurden und so ideale Wuchsbedingungen für den Pilz darstellten. (62)

Weiterhin werden von Gartz noch Conocybe cyanopus, der Glockenschüppling und Pluteus salicinus, ein Vertreter der Gattung Dachpilze als einheimische psilocybinhaltige Pilze beschrieben. Vergiftungsfälle mit diesen Pilzen sind aber nicht bekannt. (63)

Vom BfR wird in der Broschüre „Risiko Pilze - Einschätzung und Hinweise“ noch Stropharia coronilla, der Krönchenträuschling als einheimischer Verursacher für das Psilocybin- Syndrom aufgeführt. Dieser kleine Pilz ist von Juli bis November auf Äckern, Weiden und an Wegrändern im Gras und auf Sand und Kalk wachsend zu finden. (26)

3.2.3. Beschreibung des Pilzes:

Da ich auf die Düngerlingsarten in einem gesonderten Kapitel eingehe, möchte ich mich bei der Beschreibung auf den häufigsten einheimischen Verursacher des Psilocybin-Syndroms beschränken:

Psilocybe semilanceata (Spitzkegeliger Kahlkopf): (64), (65)

Hut 0,5 bis 2,5 cm breit; kegelig bis stumpfkegelig, bzw. kegelig glockenförmig, mit zugespitztem Nippel; Hutrand gerieft, eingebogen, bei jungen Pilzen manchmal wellig; hygrophan Oberfläche schmierig, klebrig glänzend, leicht abziehbare gallertartige Huthaut; Farbe veränderlich, in feuchtem Zustand kastanienbraun, rasch verblassend, nimmt dann gelblich-braune, gelbliche Farbtöne an, manchmal mit Olivstich Lamellen angeheftet, dicht gedrängt, 4 mm breit; anfangs blass, farblos, später bräunlich, olivbraun bis purpurbraun; Lamellenschneiden weißlich Sporenpulver dunkel purpurbraun Stiel 4 bis 10 cm, selten bis 15 cm lang, schlank, verbogen; 0,75 bis 3 mm dick; schmutzig-weiß bis blass bräunlich; Stielbasis häufig bläulich bis blau-grün verfärbt, besonders beim Trocknen (Blauungsreaktion) Geruch unauffällig Geschmack unauffällig Vorkommen von August bis Oktober auf gedüngten Wiesen und Weiden; bevorzugt werden Feuchtwiesen und nasses Gelände 35

Blauungsreaktion:

Viele psilocybinhaltige Pilze verfärben sich v.a. beim „Ernten“ und nachfolgendem Trocknen an den Druckstellen intensiv blau. Diesem Umstand verdanken wir auch poetische Namen für psilocybinhaltige Pilze, wie z.B. „blue legs“. Psilocin, welches nach Abspalten der Phosphatgruppe aus Psilocybin entsteht, wird durch Luftsauerstoff zu einer blau-grünen Chinon-Verbindung oxidiert. Zum einen ist Psilocin nativ in größeren Mengen in einigen Psilocybe- und Panaeolus-Arten enthalten, aber auch bei psilocinärmeren Arten, wie z.B. Psilocybe cyanescens var. bohemica kommt es an Druckstellen zu sehr ausgeprägten Blauverfärbungen. Grund dafür dürfte eine sehr schnelle enzymatische Abspaltung der Phosphatgruppe des Psilocybins sein. Auch wird die Oxydation des Psilocins zum blauen Chinonfarbstoff von verschiedenen Enzymen, wie Cytochromoxidasen und Laccasen beschleunigt, diese wurden z.B. im Mycel des stark blauenden Psilocybe cubensis nachgewiesen. Allgemein ist zu sagen, dass sich blau verfärbende Fächerpilze zur Alkoloidbildung fähig sind, umgekehrt reagiert aber nicht jeder psilocybinhaltige Pilz mit einer Blauungsreaktion. Die Intensität der Blauverfärbung korreliert nicht mit der Alkaloidkonzentration, bzw. der psychoaktiven Wirkung. (66) Paul Stamets bezieht in seine Aussage, ob ein Lamellenpilz psychoaktiv ist oder nicht, noch die Farbe der Sporen ein und „postuliert“ die „Stamets´sche Regel“: „Hat ein Lamellenpilz purpurbraune bis schwarze Sporen und verfärben sich Druckstellen bläulich, so handelt es sich bei dem fraglichen Pilz mit großer Wahrscheinlichkeit um eine psilocybinhaltige Art.“ (67)

3.2.4. Verwechslungsmöglichkeiten

Da es sich bei den einheimischen Vertretern der Gattung Psilocybe und Panaeolus um kleine, unergiebige Pilze handelt, ist eine Verwechslung mit einheimischen Speisepilzen nahezu ausgeschlossen.

Erwähnt werden soll hier aber trotzdem noch mal die Verwechslungsmöglichkeit von Düngerlingen mit Zuchtpilzen, da diese in den speziell vorbereiteten Beeten ideale Wachstumsmöglichkeiten haben und durch ihr schnelles Wachstum schon vor den Kulturpilzen erscheinen. 1970 wurde ein Fall aus Leipzig bekannt, als Dunkelrandige Düngerlinge anstatt der gezüchteten Riesenträuschlinge verzehrt wurden. Man dachte, die Art sei etwas kleiner ausgefallen und kam gar nicht auf die Idee, dass es sich um wildwachsende Pilze handeln könne. (60)

Wenn Psilocybe semilanceata, der Spitzkegelige Kahlkopf zu Rauschzwecken selbst gesammelt wird, wird vor folgenden Verwechslungsmöglichkeiten gewarnt: Häufig sind „nach einem Trip lechzende“ unerfahrene Sammler einfach nur auf der Suche nach „kleinen braunen Pilzen“, ohne das auf die typischen Merkmale geachtet wird und diese genauer bestimmt werden. Es wurden Fälle beschrieben, wo der Spitzkegelige Kahlkopf aufgrund der Hutform mit Cortinarius rubellus, dem Spitzbuckeligen Rauhkopf verwechselt wurde. Das daraus resultierende Orellanus-Syndrom kann zu Nierenversagen führen. (59) Des Weiteren sind Verwechslungen mit muscarinhaltigen Pilzen der Gattung Inocybe (Risspilze) bekannt, z.B. mit Inocybe geophylla, dem Seidigen Risspilz. Daraus kann eine Muscarinvergiftung mit den im ersten Teil der Arbeit beschriebenen Symptomen resultieren, die unter Umständen sogar tödlich enden kann. (68) 36

In der amerikanischen Literatur wird eindringlich vor der Verwechslung von Psilocybearten mit amanitinhaltigen Pilzen der Gattung Galerina gewarnt. Besonders auf Holzresten wachsende Psilocybe-Arten sind dort häufig mit den in Nordamerika stark verbreiteten Galerina autumnalis vergesellschaftet. Paul Stamets hat in seinem Buch „Psilocybinpilze der Welt - ein praktischer Führer zur sicheren Bestimmung“ ein Foto abgedruckt, welches Psilocybe stuntzii innig verwachsen mit Galerina autumnalis zeigt. Welcher Teil zu welchem Pilz gehört ist, noch dazu für einen Laien, kaum auseinanderzuhalten. (69) Ein Verzehr würde unweigerlich eine Amanitinvergiftung und ihre im vorigen Kapitel beschriebenen Folgen nach sich ziehen.

Erwähnen möchte ich in diesem Abschnitt noch mal die ungewollten (akzidentellen) Verwechslungen des im Raum Potsdam/Mark Brandenburg auf Sandboden wachsenden psilocybinhaltigen Grünenden Risspilzes (Inocybe aeruginescens) mit dem essbaren Nelkenschwindling (Marasmius oreades). In der ehemaligen DDR wurden zwischen 1977 und 1986 insgesamt 22 akzidentelle Vergiftungsfälle durch diesen Pilz bekannt. Diese Vergiftungen gingen mit Illusionen und Halluzinationen einher, auch wurde eine euphorische Grundstimmung beschrieben. Das ist ein für eine unfreiwillige Intoxikation untypisches Symptom, da das Wissen um die möglichen Folgen einer Pilzvergiftung normalerweise eher Panikreaktionen auslöst. (61) Aktuelle Zahlen für das Auftreten von Vergiftungen durch Inocybe aeruginascens kann ich leider nicht liefern, da mir die entsprechenden Daten der GIZ Berlin nicht zur Verfügung stehen.

3.2.5. Inhaltsstoffe/ Pilzgifte: (70)

Verantwortlich für das Auftreten von LSD- ähnlichen Rauschzuständen sind in den oben genannten Pilzen Indolalkaloide, die von der Aminosäure Tryptamin abgeleitet werden können: Das Hauptalkaloid ist Psilocybin (O-Phosphoryl-4-Hydroxy-N,N-Dimethyltryptamin). Durch enzymatisches Abspalten der Phosphatgruppe entsteht Psilocin (4-Hydroxy-N,N- Dimethyltryptamin), welches in den meisten Pilzen nur in Spuren vorhanden ist und für die eigentliche psychoaktive Wirkung verantwortlich ist.

Psilocin wird durch Luftsauerstoff oxidiert und führt dadurch an Druckstellen oder beim Trocknen zur für psilocybinhaltige Pilze typischen Blauungsreaktion. Norpsilocybin, auch Baeocystin (O-Phosphoryl-4-Hydroxy-N-Methyltryptamin) genannt, ist mit nur einer Methylgruppe die Vorstufe von Psilocybin.

In Psilocybe semilanceata wurde zusätzlich noch Phenylethylamin nachgewiesen. Dieser Stoff gehört zur Gruppe der Amphetamine. (71)

In der Gattung Düngerlinge (Panaeoli) sind 5-substituierte Indolverbindungen, wie Serotonin und dessen Vorstufe 5-Hydroxy-Tryptophan enthalten, die oral verabreicht keine psychotrope Wirkung zeigen. (72)

3.2.6. Wirkmechanismus und Vergiftungsymptome: (73), (74), (75)

Der Wirkmechanismus von Psilocybin und Psilocin beruht auf einem Antagonismus zum Neurotransmitter Serotonin und ähnelt in seiner Wirkung einem LSD-Rausch. Die Wirkung von Psilocybin bzw. Psilocin ist allerdings verglichen mit LSD ca. 200 mal schwächer. 37

Eine typische Dosierung zur Erzeugung eines Psilocybin-Rausches liegt bei 6 bis 12 mg Psilocybin, das entspricht in etwa 1-2g getrocknetem Pilzmaterial oder 20 bis 30 frisch gepflückter Pilze der Spezies Psilocybe semilanceata. Der Psilocybingehalt variiert zwischen den einzelnen Arten stark. Von Psilocybe cyanescens reichen 2 bis 5 Pilze aus, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Von weniger potenten Arten ist der Verzehr von bis zu 100 Pilzen nötig, um eine psychedelische Wirkung zu erzeugen.

Die Symptome setzen nach einer kurzen Latenzzeit von 30 bis 60 Minuten ein, diese ist kürzer, wenn die Pilze als Flüssigkeit, z.B. als Tee oder Suppe aufgenommen werden. In den ersten 30 Minuten treten zunächst körperliche Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Parästhesien, Lippenkribbeln, Übelkeit, Muskelschwäche, langsamer Puls und erniedrigter Blutdruck auf. Diese werden dann von der psychischen Symptomatik überlagert. Selbige geht v.a. mit visuellen und akustischen Halluzinationen und verändertem Raum- Zeitempfinden einher. Diese Erscheinungen wurden von einem Probanden als sogenannte „Imagination“, eine „Verknüpfung von Visionen und Gedanken“ beschrieben. (76) Wie der Rauschzustand empfunden wird, hängt zu einem hohen Maße von der Erwartungshaltung, Stimmungslage und Verfassung des Anwenders ab. Bei einer positiven Erwartungshaltung an das zu Erlebende, werden sogenannte „good trips“ mit Glücksgefühlen, Lachanfällen und erotischen Gefühlen beschrieben. Bei eher schlechter Stimmungslage ungünstigen Begleitumständen und Angst vor dem, was mit einem geschieht, werden die psychedelischen Wirkungen als negativ empfunden und gehen mit Depressionen, Wutanfällen, Persönlichkeitsverlust, Gewaltneigung und Angstzuständen einher. Solche „bad trips“ und die Angst, sich vergiftet zu haben, veranlassen die Pilzesser dann nach ärztlicher Hilfe zu suchen oder beim Giftnotruf anzurufen. Ein bis zwei Stunden nach Pilzverzehr intensivieren sich die Symptome zu einem Maximum teilweise mit Euphorie, gesteigerter Wahrnehmung und Verlust des Zeitgefühls. Anschließend klingen die Symptome langsam ab und nach 6 bis maximal 12 Stunden kommt es meist zu einer vollständigen Normalisierung des Zustands. An physischen Symptomen während eines Trips sind Übelkeit, Mydriasis, Tachykardie, leichte arterielle Hypertonie, Hyperreflexie und Hyperthermie zu beobachten. Möglicherweise sind einige dieser sympathomimetischen Symptome dem amphetaminähnlich wirkenden Phenylethylamin in Psilocybe semilanceata zuzuschreiben? (77) In den meisten Fällen klingt eine Vergiftung mit psilocybinhaltigen Pilzen ohne Komplikationen ab. Selten werden Nachwirkungen der Intoxikation wie Panikattacken, Depressionen und akute Psychosen beschrieben. Über sogenannte „flashbacks“ wird vereinzelt berichtet, diese können noch nach Monaten auftreten und ähneln in ihrer Symptomatik und Intensität einer akuten Psilocybin-Vergiftung.

3.2.7. Therapie: (77)

In den meisten Fällen erübrigt sich eine Therapie, da die Symptome nach einigen Stunden meist ohne Folgen abklingen. Die Gabe von Aktivkohle ist bis eine (maximal 2) Stunden nach Giftaufnahme sinnvoll. Eine Unterbringung in einem ruhigen Raum bei gedämpftem Licht und Beaufsichtigung wird empfohlen. Zur Beruhigung werden bei starken Erregungszuständen Sedativa aus der Gruppe der Benzodiazepine gegeben. Diazepam: 5-10 (20) mg intravenös 38

3.2.8. Bewertung der dokumentierten Psilocybinfälle:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 19 12 23 14 1 6 41 17 - - 5

Tabelle 13: Gemeldete Vergiftungen mit Psilocybinhaltigen Pilzen im Jahr 2006

In meine Auswertung gingen insgesamt 69 Vergiftunsfälle mit Psilocybe-Arten ein. Es wurden keine Mischintoxikationen erfasst, obwohl diese zahlreich gemeldet wurden. Einige Zentren meldeten direkt nur die Monointoxikationen. Am Beispiel der GIZ Bonn deutet sich das Ausmaß des Psilocybekonsums an: Von insgesamt 18 Fällen wurden nur 12 Fälle eingewertet, da in 6 Fällen (1/3) ein gleichzeitiger Abusus mit Alkohol und/oder Haschisch vorlag. Unter Einbeziehung der Fälle mit Mischintoxikation würden die Psilocybe-Arten Rang 1 meiner Statistik belegen. In den meisten Fällen existieren keine genauen Angaben über die Identität des Psilocybe- Pilzes, häufige Angaben waren: Magic mushroom, Mexikanische oder Hawaiianische Zauberpilze oder Psilocybe. 5 Fälle von Düngerlingsvergiftungen wurden in die Psilocyberubrik aufgenommen und zwar die in der Literatur als psychoaktiv bewerteten: Panaeolus cinctulus, Panaeolus campanulatus und Copelandia (Panaeolus) cyanescens. Die Schweregrade der Vergiftungen liegen bei maximal PSS2 (mittelschwere Symptomatik) in 17 von 69 Fällen. Der Hauptanteil mit 41 Fällen wurde mit leichten Vergiftungserscheinungen (PSS1) den Giftzentren gemeldet. Der Altersgipfel liegt bei 19 Jahren (siehe Diagramm; Abbildung 7). Das Durchschnittsalter, ermittelt aus 39 Fällen mit genauen Altersangaben zwischen 15 und 31 Jahren, liegt bei 21 Jahren. Erfasst wurden auch zwei akzidentelle Vergiftungen von Kleinkindern (1-2 Jahre). Zum einen der Verzehr von Panaeolus cinctulus, durch ein anderthalb Jahre altes Kleinkind gemeldet vom GIZ Mainz, zum anderen ein Fall mit Psilocybe cyanescens bei einen 14 Monate altem Kleinkind aus Niedersachsen. In beiden Fällen verlief die Vergiftung zum Zeitpunkt des Kontaktes mit dem Giftnotruf asymptomatisch (PSS0), der Ausgang ist in beiden Fällen unbekannt. 39

Alter 1bis2 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Erw. unbekannt (Jahre) Anzahl 2 2 2 3 4 6 5 3 1 4 1 2 2 1 1 0 1 1 26 2

30 Erw. 25 20

15 Anzahl 10 19 18 20 23 5 1-2 15 16 17 21 25 26 U 22 24 27 28 29 30 31 0

16 18 20 22 24 26 28 30 Erw. 1 bis 2

Alter

Abbildung 7: Altersverteilung der Psilocybinvergiftungen im Jahr 2006

Auffällig ist noch, dass die einzige ostdeutsche Giftzentrale Erfurt nur mit einem einzigen Fall (Psilocybe semilanceata) vertreten ist.

3.3. Agaricus xanthoderma (Karbolegerling) „Top 3“

Vergiftungen mit dem Karbolegerling, auch Giftegerling oder Giftchampignon genannt, fallen unter den Vergiftungstyp Gastrointestinales Syndrom (Gi). (vgl. 2.2.2.1.) Dieses Syndrom, welches für ca. 40% aller Pilzvergiftungen verantwortlich ist, wird von einer Vielzahl verschiedener Pilze unterschiedlicher Gattungen ausgelöst. Agaricus xanthoderma ist einer der häufigsten Vertreter dieser Gruppe und belegt mit insgesamt 58 gemeldeten Vergiftungsfällen Platz 3 meiner Auswertung.

3.3.1. Beschreibung des Pilzes (78)

Hut 5-14 cm Durchmesser; halbkugelig, später ausgebreitet; kalkweiß, glatt Lamellen jung blass, später leuchtend rosa, im Alter schokobraun Sporenpulver schwarz Stiel 5-12 cm lang, 1-2 cm dick; weiß, knollig, oberhalb zylindrisch, im Alter hohl; Beim Anschneiden verfärbt sich die Knolle intensiv chromgelb! Ring: hängend, dick, auf der Unterseite schuppig, nach oben verschiebbar Fleisch weiß, beim Schneiden und Schaben intensiv gelb verfärbt, später wieder verblassend 40

Geruch unangenehm, nach Karbol oder nach Tinte, entwickelt sich am stärksten beim Kochen Geschmack mild; nach Aussagen von Pilzberater Herrn Kronbiegel: „...riecht fürchterlich, schmeckt gut.“ Vorkommen Mai bis Oktober im Gebüsch in Gärten, Parkanlagen, auf Wiesen und im Wald; oftmals Hexenringe bildend

Typische Merkmale des Pilzes sind die intensive Gelbfärbung des Pilzes beim Anschneiden, v.a. an der Stielknolle, daher auch der Name Agaricus xanthoderma und der typische Karbolgeruch.

Agaricus xanthoderma

Abbildung 8: Hausner Seite 88

3.3.2. Verwechslungsmöglichkeiten:

Perlhuhnegerling (Agaricus placomyces) (79) Auch bei diesem ebenfalls giftigen Pilz verfärbt sich das Fleisch an der Stielbasis beim Schneiden oder Schaben intensiv gelb.

Verwechslungen mit essbaren Champignonarten, wie dem dünnfleischigen Anis-Egerling (Agaricus silvicola) und dem Waldchampignon (Agaricus silvaticus) sind eigentlich aufgrund der typischen Gelbverfärbung und des Karbolgeruchs, der spätestens beim Zubereiten sehr intensiv ist, nicht möglich. Agaricus silvicola gilbt erst nach geraumer Zeit bei Lagerung und hat einen typischen Geruch nach Anis. Der essbare Rosablättrige Egerlingsschirmling (Leucoagaricus pudicus) sieht dem Karbolegerling ähnlich, wächst am selben Standort, hat aber im Gegensatz zu diesem lange Zeit weiße, später sich ins rosa verfärbende Lamellen und färbt sich bei Druck ocker, niemals chromgelb. Ebenso fehlt der typische Karbolgeruch. (83)

3.3.3. Pilzgifte:

Verantwortlich für die Gastrointestinale Symptomatik sind Magen- und Darmgifte. Im Pilz enthaltene Diazonium-Verbindungen werden zu Phenol abgebaut, welches für den typischen Lösungsmittelgeruch verantwortlich ist. In frischen Karbolegerlingen wurden 0,1% Phenol nachgewiesen. Da Phenol zu Hydrochinon oxidiert werden kann, ist zu vermuten, dass dieses für die Brechdurchfälle verantwortlich ist. (80)

3.3.4. Vergiftungssymptome (7); (83)

Die Vergiftungssymptome werden unter dem Oberbegriff Gastrointestinales Syndrom (Gi) zusammengefasst. (vgl. 2.2.2.1.) Nach einer Latenzzeit von 1/2 bis maximal 4 Stunden kommt es zu Magen-Darm-Krämpfen, Durchfall und heftigem Erbrechen. 41

In schweren Fällen kann es durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zu Wadenkrämpfen, Exsikkose und Schock kommen Nach zwei Tagen klingen die Symptome ohne Folgen ab. Tödliche Vergiftungen im Rahmen eines Gastrointestinalen Syndroms sind nicht bekannt. Komplikationen kann es v.a. bei Kleinkindern und alten Menschen aufgrund des Flüssigkeitsverlustes geben.

3.3.5. Therapie (82)

Eine Giftelimination durch provoziertes Erbrechen und Magenspülung kommt meist zu spät, da die Patienten den Arzt meist erst mit entsprechender Symptomatik aufsuchen. Die Gabe von Aktivkohle ist indiziert, um noch im Darm vorhandene Gifte zu binden. Dosierung: 20-40 g; Kinder: 1g/kg Körpergewicht Patienten mit stärkeren Symptomen sollten ärztlich überwacht werden. Der Hauptschwerpunkt der Therapie liegt bei schwerer Symptomatik im Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes, um Komplikationen wie Exsikkose, Azidose und Schocksymptomatik zu begegnen. In jedem Fall sollte eine Vergiftung mit potentiell tödlichen Pilzen wie Amanita-Arten ausgeschlossen werden, da diese bei Mischpilzintoxikationen Symptome auch schon nach einer Latenzzeit von weniger als 4 Stunden zeigen können. Hierzu empfiehlt sich die Bestimmung der Identität der Pilzreste, Untersuchung des Mageninhalts und/oder ein Amanitintest im Urin.

3.3.6. Bewertung der dokumentierten Fälle

Insgesamt wurden im Jahr 2006 58 Vergiftungsfälle mit Agaricus xanthoderma an 5 deutsche Giftinformationszentren gemeldet.

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 17 5 20 5 11 18 30 4 - - 6

Tabelle 14: Gemeldete Vergiftungen mit Agaricus xanthoderma im Jahr 2006

Die Schwergrade (PSS) lagen maximal bei zwei (mittelschwere Symptomatik) und das auch in nur 4 von 58 Fällen. Die meisten gemeldeten Fälle gingen mit leichten Symptomen einher. Trotz der eigentlich untrüglichen Merkmale verzehren jedes Jahr viele Pilzsammler diesen Pilz, was die Häufigkeit von 58 Fällen im Jahr 2006 beweist. Dies konnte auch Herr Kronbiegel, seines Zeichens Pilzberater in Colditz/Sachsen bestätigen, mit dem ich im Rahmen dieser Arbeit ein Gespräch führte. Er führte im Jahr 2006 409 Pilzberatungen durch, sortierte insgesamt 281 Giftpilze aus, davon waren 48 Exemplare Karbolegerlinge. Diese Zahlen werden von den Angaben der Pilzsachverständigen der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) noch getoppt. Im Jahresbericht 2006 sind 207 Vergiftungsfälle gemeldet, davon war in 51 Fällen der Karbolegerling als Auslöser beteiligt. Das sind 24,6%! Allerdings ist die Rubrik im Jahresbericht mit „Agaricus xanthoderma und Verwandte“ überschrieben. Gemeint ist damit, laut Aussagen der Pilzsachverständigen, die Gattung Agaricus, Sektion Xanthodermatei. Darunter fallen Agaricus xanthoderma, der Karbolegerling sowie der Perlhuhnegerling (Agaricus praeclaresquamosus, auch bekannt unter Agaricus placomyces). (117) (vgl. auch 3.3.2. Verwechslungsmöglichkeiten) 42

3.4. Armillaria mellea (Hallimasch) “Top 4”

Der Hallimasch gilt bei korrekter Zubereitung eigentlich als essbarer Pilz. Roh oder ungenügend gekocht kann er heftige Magen-Darm-Beschwerden verursachen. Man sollte den Pilz daher kochen und das Brühwasser unbedingt wegschütten. Auch korrekt zubereitet vertragen ihn manche Personen nicht. (84) Der Hallimasch verursacht Symptome, die unter den Begriffen Indigestions-Syndrom, individuelle Pilzunverträglichkeit (U) oder auch unechte Pilzvergiftung zusammengefasst werden (vgl. 2.2.4.1.) Symptome nach Genuss von Hallimasch wurden mit 34 Fällen im Rahmen meiner Auswertung für das Jahr 2006 dokumentiert.

3.4.1. Beschreibung des Pilzes:

Der Hallimasch wird in eine Vielzahl von Kleinsippen unterteilt (Armillaria mellea s.l. = im weiteren Sinne), deren Unterscheidung oft nicht leicht ist. Die Unterarten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Toxizität offensichtlich nicht. (85) Allerdings wird beschrieben, dass auf Nadelholz wachsende Hallimasch verträglicher sind als die Laubholzformen. (84) Verschiedene Autoren unterscheiden sogar eine bedingt essbare dunkle Nadelwaldform (Armillaria ostoyae) von der toxischeren honigfarbenen Laubwaldform (Armillaria mellea im engeren Sinne). (87) Beschrieben soll hier die Sammelart werden (Armillaria s.l.): (86)

Hut 4 bis 14 cm breit; jung kugelig, später gewölbt bis ausgebreitet; gebuckelt; Hutfarbe variabel, von honiggelb über ocker, olivbraun bis rotbraun; jung besonders in der Hutmitte mit gelben, braunen oder schwärzlichen abwischbaren Schüppchen besetzt, im Alter fast kahl; Hutrand im Jungstadium eingerollt, oft mit weißen Flöckchen besetzt Lamellen zuerst weiß bis cremefarben, im Alter schmutzig braunrötlich, z.T. braunfleckig; am Stiel angewachsen Sporenpulver weiß Stiel 8 bis 14 cm lang; bis 1,5 cm dick; nach unten keulenartig verdickt, miteinander verwachsen; gerieft; flockig-häutiger, dauerhafter Ring; Farbe oberhalb des Ringes heller, fleischfarben, zur Stielbasis dunkler, gelb bis braun; mit dunkelbraunen Schüppchen besetzt Fleisch jung weißlich, im Alter rosa bis braun; zäher Stiel, nur die Hüte, möglichst im jungen Zustand zur Zubereitung verwenden Geruch unauffällig Geschmack erst mild, nach längerem Kauen zusammenziehend Vorkommen im Herbst, auf abgestorbenen oder lebenden Stämmen von Nadelbäumen, seltener an Laubbäumen; in manchen Jahren regelrechtes Massenvorkommen des Pilzes

Eine Besonderheit des Hallimaschs ist dessen Fähigkeit zur „Biolumineszens“, d.h. junge, gerade das Holz durchwachsende Rhizomorphen strahlen im Dunkeln ein blassgrünes Licht aus. (86) 43

Armillaria mellea

Abbildung 9: Hausner Seite 66

3.4.2. Verwechslungsmöglichkeiten: Verwechslungsmöglichkeiten bestehen mit anderen ebenfalls in Gruppen auf Holz wachsenden Pilzarten. Typische Unterscheidungsmerkmale des Hallimasch sind das weiße Sporenpulver und der schuppige Hut. (86)

Galerina marginata (Nadelholzhäubling): (88) Dieser amatoxinhaltige, potentiell tödlich giftige Pilz wächst ebenfalls auf Holz. (vgl. 3.1.8.) Dieser Pilz ist kleiner und zarter, hat einen glatten Hut, rostbraune Sporen und einen silbrig überfaserten Stiel.

Schwefelköpfe (Hypholoma) sind ebenfalls in Büscheln an Holz wachsende Pilze. Giftige Arten dieser Gattung sind Hypholoma fasciculare (Grünblättriger Schwefelkopf) und Hypholoma sublateritium (Ziegelroter Schwefelkopf). Hypholoma fasciculare ist auffallend schwefelgelb gefärbt, hat keine Schüppchen und schokoladenbraune Sporen. Außerdem hat er einen bitteren Geschmack. (88), (89) Hypholoma sublateritium hat eine ziegelrote Farbe, ebenfalls einen glatten Hut und Stiel und dunkles Sporenpulver. (88), (89) Ein essbarer Vertreter dieser Gattung ist Hypholoma capnoides (Rauchblättriger Schwefelkopf).

Pholiota squarrosa, der (Sparriger Schüppling) kommt an denselben Orten wie der Hallimasch vor und sieht diesem sehr ähnlich. Auch er hat einen schuppigen Hut, die Schüppchen sind allerdings abstehend (sparrig) und nicht abwischbar, wie beim Hallimasch. (88) Dieser Pilz ruft gastrointestinale Symptome hervor.

Des Weiteren sind Verwechslungen mit dem ebenfalls gastrointestinale Symptome verursachenden Ölbaumpilz (Omphalotus olearius), der aber eher in Südeuropa wächst, möglich, sowie mit Flämmlingen (Gymnopilus). (90)

Essbare, an Holz wachsende Doppelgänger sind das Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis), der Samtfußrübling (Flammulina velutipes) und der Rauchblättrige Schwefelkopf (Hypholoma capnoides). (88) 44

3.4.3. Pilzgifte:

Verantwortlich für die gastrointestinalen Symptome sind unbekannte Magen-Darm-Gifte, die wasserlöslich sind. Die Pilze können daher beim Kochen entgiftet werden, das Brühwasser ist unbedingt abzugießen und zu verwerfen! Hallimasch sollte nicht in größeren Mengen verzehrt werden. Verwendet werden sollten die jungen Hüte, die Stiele sind zäh und schwer bekömmlich. Die auf Nadelholz wachsenden Pilze gelten als verträglicher als die Laubholzformen.

3.4.4. Vergiftungssymptome: (88)

Nach einer Latenzzeit, die sehr variabel sein kann und meist zwischen 1 und 4 Stunden, seltener aber auch über 10 Stunden betragen kann, treten Magen-Darm-Symptome auf. Diese können sich in Form von Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus und Durchfällen äußern. Selten kommt es zu Kreislaufbeschwerden und Schwäche, wahrscheinlich infolge der Durchfälle. Da die Latenzzeit durchaus länger als 4 (6) Stunden betragen kann, sollte in solchen Fällen immer der Verdacht auf eine Amanitinvergiftung abgeklärt werden! In der Literatur sind Latenzzeiten für ein Indigestionssyndrom nach dem Genuss von Hallimasch von bis zu 24 Stunden beschrieben! (91) Alles in allem verläuft das Indigestionssyndrom mit abgemilderterer Symptomatik, als das Gastrointestinale Syndrom.

3.4.5. Therapie:

Die Therapie ist in schwereren Fällen mit der des Gastrointestinalen Syndroms identisch. (vgl.3.3.5.) Bei schweren Brechdurchfällen kann eine Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution erforderlich sein. Bei Beschwerden, die erst 4 Stunden und länger nach der Pilzmahlzeit auftreten, muss unbedingt eine Amanitinvergiftung ausgeschlossen werden!

3.4.6. Bewertung der dokumentierten Fälle:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 7 8 9 3 7 3 21 4 - - 6

Tabelle 15: Dokumentierte Vergiftungsfälle mit Armillaria mellea s.l. im Jahr 2006

Intoxikationen durch Hallimascharten wurden in den einzelnen Giftinformationszentren entweder unter Hallimasch, Armillariella mellea, Armillaria mellea oder Armillaria sp. dokumentiert. Eine Unterteilung in Untergruppen oder in die Nadel- oder Laubholzform erfolgte nicht, daher habe ich die Rubrik als Armillaria mellea s.l., bzw. Armillaria spez. geführt. Die meisten der 34 Fälle verliefen mit leichten Beschwerden (PSS1), in 4 Fällen zeigte sich eine mittelschwere Symptomatik (PSS2). 45

3.5. Pantherpilz (Amanita pantherina) “Top 5”

Der Pantherpilz (Amanita pantherina) verursacht zusammen mit dem Fliegenpilz (Amanita muscaria) den Vergiftungstyp des Pantherinasyndroms (Pa) (vgl.2.2.5.1.)

3.5.1. Beschreibung des Pilzes: (92), (93)

Hut Durchmesser 5 bis 10 cm; jung halbkugelig, später flach; Farbe graubraun, gelbbraun; dunkelbraun bei var. Abietinum (Tannenpantherpilz); mit vielen weißen, leicht abwischbaren kleine Flocken; Hutrand gerieft Lamellen weiß, gedrängt, weich Sporenpulver weiß Stiel 15 bis 20 cm lang, weiß; an der Stilbasis knollig verdickt, Knolle mit wulstigem Rand (Herr Kronbiegel beschreibt die Form der Stielbasis „als Knolle mit Stab drin“.); darüber eine oder mehrere Gürtelzonen, die Reste der Volva darstellen; Manschette weiß, häutig, nicht gerieft Fleisch weiß Geruch dumpf, kartoffelartig, rettichartig Geschmack mild Vorkommen Juli bis Oktober in Laub- und Nadelwäldern

Amanita pantherina

Abbildung 10: Hausner Seite 78

3.5.2. Verwechslungsmöglichkeiten:

Der Pantherpilz ist leicht zu verwechseln mit anderen Wulstlingen, besonders den braunhütigen Arten:

Der Perlpilz (Amanita rubescens) ist in gut gekochtem Zustand essbar. Im Unterschied zum Pantherpilz verfärbt sich sein Fleisch beim Schneiden, an Fraßstellen oder Madengängen rötlich (Rötender Wulstling). Die Flecken auf dem Hut sind rötlich-grau. Der Hutrand ist 46 glatt, die Manschette gerieft und die Form der Stielbasis ist keulenförmig, aber nicht stulpenartig, wie beim Pantherpilz. (94)

Ein weiterer essbarer Doppelgänger ist Amanita spissa, der Graue Wulstling. Dieser wird in seiner kleineren Variante auch Amanita excelsa bzw. Amanita spissa var. excelsa genannt, bzw. synonymisiert. Amanita spissa hat im Gegensatz zum Pantherpilz größere, gräuliche Flecken auf dem Hut, einen glatten Hutrand und eine stark geriefte Manschette. Auch fehlt die typische stulpenartige Knollenform an der Stielbasis. (94) Verwechslungen mit Amanita spissa sind recht häufig. Der Pilzberater Kronbiegel berichtete von über 80 Vergiftungsfällen 1984 im Raum Potsdam, bei denen Pantherpilze verzehrt wurden, meist von Pilzfreunden aus Sachsen. Das brachte dem Pilz den Beinamen „Sachsentöter“ ein. In Sachsen ist der Pantherpilz relativ selten und damit recht unbekannt.

Giftige Doppelgänger sind Amanita porphyria, der Porphyrbraune Wulstling und Amanita gemmata, der Narzissengelbe Wulstling. (93) Vergiftungen mit Amanita gemmata werden ebenfalls dem Typ Pantherina-Syndrom zugeordnet, wobei es auch Angaben gibt, die „nur“ auf ein Indigestionssyndrom hinweisen. Bei diesem Pilz wird über toxinhaltige und toxinfreie Rassen diskutiert. (95) Auf jeden Fall ist der Narzissengelbe Wulstling kein Speisepilz!

Eine Vergiftung mit Pantherpilzen beruht in den meisten Fällen auf Verwechslungen mit den oben genannten Speisepilzen. Zur bewußten Erzeugung eines Rauschzustandes werden eher Fliegenpilze verwendet, die Anwendung von Pantherpilzen zu diesem Zweck ist denkbar.

3.5.3. Pilzgifte: (96)

Muscarin, welches 1869 aus Amanita muscaria isoliert wurde und dem der Fliegenpilz seinen Namen verdankt, ist aufgrund seiner geringen Konzentration (0,0002%) nicht für die Symptome des Pantherina-Syndroms verantwortlich.

Für die Wirkung des Panther- und auch Fliegenpilzes sind nach heutigem Kenntnisstand drei Substanzen zuständig: Ibotensäure, Muscimol und Muscazon

Ibotensäure (Prämuscimol) kommt als einzige nativ im Pilz vor, die anderen beiden entstehen auf sekundärem Wege. Ibotensäure hat eine strukturelle Ähnlichkeit mit Glutaminsäure und übertrifft diese noch als Geschmacksverstärker. Durch Decarboxylierung der Ibotensäure entsteht Muscimol beim Trocknen und Kochen der Pilze, bzw. nach Pilzverzehr als aktiver Metabolit.

Muscimol (Agarin, Pyroibotensäure) ist 5-mal bis 10-mal wirksamer als diese und ist dem Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA) strukturell ähnlich. Darauf beruht auch dessen Wirkmechanismus als GABA-Mimetikum.

Versuche an Freiwilligen haben gezeigt, dass weder Ibotensäure noch Muscimol als Reinsubstanzen die typischen psychoaktiven Wirkungen (Halluzinationen) einer Fliegen- oder Pantherpilzvergiftung auslösen können. Eine Wirkung zeigte sich bei diesen Versuchen nur auf das motorische System und äußerte sich in Ataxie und unfreiwilligen Muskelzuckungen. Weiterhin konnten Übelkeit und eine „gewisse Schläfrigkeit“ ausgelöst werden. (22), (97) 47

Die auslösenden Agentien für die Symptome des Pantherina-Syndroms sind also noch nicht abschließend geklärt. Evtl. sind noch weitere psychoaktive Substanzen beteiligt oder, wie so häufig auch in der Phythotherapie, ist die Gesamtwirkung einer Pflanze den Einzelsubstanzen deutlich überlegen.

Ibotensäure und Muscimol zeigten im Experiment die insektentötende Wirkung. Zu diesem Zweck wurde der Fliegenpilz in früherer Zeit verwendet, daher auch sein Name.

Muscazon, ein Sekundärprodukt der Ibotensäure, bildet sich aus dieser auf photochemischem Wege.

3.5.4. Wirkmechanismus/ Vergiftungssymptome:

Muscimol wirkt aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit zur γ-Aminobuttersäure an den GABA-ergen Rezeptoren des ZNS als GABA-Mimetikum. Durch diesen Mechanismus werden zumindest teilweise die Symptome des Pantherina-Syndroms ausgelöst: (21)

Nach einer Latenzzeit zwischen 30 Minuten und 3 Stunden kommt es zunächst zu Symptomen, die einem Alkoholrausch sehr ähnlich sind, wie Schwindel, Gehstörungen, Verwirrung und Sprachstörungen. Häufig beobachtet werden auch Zittern, Muskelzuckungen bis hin zu Krampfanfällen. Die Symptomatik ist stark von der allgemeinen Stimmungslage abhängig und wird von einer gewissen Erwartungshaltung bestimmt. Je nachdem, ob der Pilz gewollt zur Rauscherzeugung verspeist wurde, stehen positive Empfindungen wie Euphorie bis hin zum Glücksrausch, Lachen, Singen und Tanzen im Vordergrund. Bei Verwechslungen mit Speisepilzen und somit ungewollten Vergiftungssymptomen, bestimmt die Angst vor Vergiftung auch die psychische Symptomatik mit Angstzuständen, Depressionen, Schreien, Weinen und Toben. Typische Symptome sind auch ein übermäßiges Kraftgefühl, Störungen des Orts- und Zeitgefühls, ein Gefühl des Schwebens und Persönlichkeitsstörungen. Echte Halluzinationen sind selten, häufig beschrieben werden Farbillusionen. Die Symptome halten 10 bis 15 Stunden an und gehen in einen tiefen Schlaf, seltener in Bewusstlosigkeit über, aus dem die Patienten ohne Erinnerung an das Geschehen aufwachen. Selten kommt es in der Anfangsphase zu einer schwachen cholinergen Symptomatik mit Miosis, Speichelfluss, Schwitzen, Übelkeit und Durchfall, für die der ausgesprochen geringe Muscaringehalt der Pilze eigentlich nicht verantwortlich sein kann. Häufiger zeigt sich das Pantherina-Syndrom in Form einer „anticholinergen Maskerade“, d.h. mit Symptomen, die einer Atropinvergiftung ähnlich sind: Mydriasis, Tachykardie, heiße, trockene, rote Haut. (23) Von Nachwirkungen wird selten in Form von Gedächtnisschwäche, Müdigkeit und Interessenlosigkeit berichtet. (21)

3.5.5. Therapie: (98)

Aufgrund der Erregungszustände ist induziertes Erbrechen oder eine Magenspülung in vielen Fällen nicht möglich, aber sinnvoll, v.a. wenn mehrere Pantherpilze verspeist wurden. Um weitere Giftresorption zu verhindern, sollte Medizinische Kohle gegeben werden. Bei starker Erregung oder bei Krampfanfällen kann die Gabe von Benzodiazepinen (Diazepam) erwogen werden. Diese sollten aber vorsichtig dosiert werden, da die Vergiftung später in einen Tiefschlaf oder Koma führen kann. Der Patient sollte bis zum Abklingen der Symptome überwacht werden. Es gibt kein spezielles Antidot für diesen Vergiftungstyp. 48

Atropingaben sind nur in sehr seltenen Fällen angebracht, wenn die cholinerge Symptomatik (Muscarin-Symptome) mit Miosis, Speichelfluss, Erbrechen, Schwitzen im Vordergrund steht. Meist ist Atropin kontraindiziert, da das Vergiftungsbild häufig einer Atropinvergiftung ähnlich ist.

3.5.6. Bewertung der von mir dokumentierten Fälle:

Im Rahmen meiner Auswertung habe ich 33 Fälle von Vergiftungen mit Amanita pantherina dokumentiert:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 9 - 2 8 14 1 9 10 5 - 8

Tabelle 16: Vergiftungen mit Amanita pantherina im Jahr 2006

In 5 der gemeldeten 33 Fälle (das sind 15,2 %) kam es zu schweren Vergiftungssymptomen (PSS3). Dieser Schweregrad wurde ansonsten nur bei den amatoxinhaltigen Spezies gemeldet. Der Vergiftungsverlauf ist schwerer als der einer Fliegenpilzvergiftung. (vgl. unter 3.6.6.) Laut Angaben des BfR haben Pantherpilzvergiftungen einen Anteil von 1% an den tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen und von 5% an allen Pilzvergiftungen. (99) In meiner Auswertung mit insgesamt 1704 Pilzen, fallen ca. 2% auf den Pantherpilz, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. (siehe Tabelle) Die meisten Pantherpilzvergiftungen wurden vom GIZ Erfurt gemeldet. 14 der dort für das Jahr 2006 erfassten 172 Pilzvergiftungsfälle waren Amanita pantherina-Intoxikationen. Das sind 8,1 %. Im Jahresbericht der Pilzsachverständigen sind insgesamt 207 Vergiftungsfälle erfasst, 13 davon waren Vergiftungen mit Amanita pantherina. Das sind 6,3%.

3.6. Amanita muscaria (Fliegenpilz) „Top 6“

Den Fliegenpilz (Amanita muscaria) kennt aufgrund seiner auffälligen Erscheinung jedes Kind. Er ist Bestandteil vieler Märchen, Mythen und Sagen, in denen Hexen, Zauberer, Zwerge und Elfen agieren. Seine „knallrote Farbe mit den weißen Punkten“ übt auf viele Menschen eine Faszination aus, er gilt als Glücksbringer (Glückspilz). Er wurde schon vor Jahrhunderten als bewusstseinerweiternde Droge von Naturvölkern eingesetzt. Er ist vermutlich mit dem Soma der altindischen Veden identisch, die sibirischen Schamanen verehrten ihn als heiligen Pilz und nutzten ihn zu spirituellen Riten, er war Bestandteil mittelalterlicher Hexensalben und Hieronymus Bosch soll unter dem Einfluss dieser Droge seine Werke gemalt haben. Die altskandinavischen Berserker und auch die Wikinger aßen Fliegenpilze, bevor sie in den Kampf zogen, um unbesiegbar und unverwundbar zu werden. In früheren Jahrhunderten wurde er in Milch gekocht als Insektenfalle genutzt, das ist auch ein Ursprung seines Namens. (100); (101) Amanita muscaria, der Fliegenpilz und Amanita regalis, der Königsfliegenpilz verursachen eine im Vergleich zum Pantherpilz schwächere Variante des Pantherina-Syndroms. 49

3.6.1. Beschreibung des Pilzes: (102)

Der Fliegenpilz ist in ganz jungem Zustand vollständig vom Velum universale überzogen und damit weiß.

Hut 8 bis 20 cm breit; jung halbkugelig, später flach ausgebreitet; Farbe leuchtend rot bis orange-rot mit weißen Warzen (Reste des Velum universale), die leicht abwischbar sind; Hutrand schwach gerieft Lamellen weiß, weich, gedrängt, frei Sporenpulver weiß Stiel bis 25 cm lang, weiß, an der Basis zur Knolle verdickt; Knolle mit Warzengürteln; Manschette schlaff, herabhängend Fleisch weiß, direkt unter der Huthaut orange bis gelb; weich Vorkommen August bis November v.a. im Nadelwald an Fichten und Birken; liebt saure Böden

Amanita muscaria

Abbildung 11: Hausner Seite 76

Königsfliegenpilz (Amanita regalis): Amanita regalis, der Königsfliegenpilz ist eher bräunlich gefärbt, hat großflächigere, gelbliche Schuppen und wird etwas größer als Amanita muscaria. (103)

Amanita muscaria var. aureola: Diese gelbe Variante des Fliegenpilzes hat wenige bis gar keine Flocken. (103)

3.6.2. Verwechslungsmöglichkeiten:

Den auffälligen Habitus des Fliegenpilzes kennt jedes Kind. Verwechslungen sind deshalb bei der roten Variante des Pilzes nahezu ausgeschlossen. 50

In ganz jungem Zustand bei geschlossenem Velum universale sind Verwechslungen mit dem Perlpilz (Amanita rubescens) oder mit Bovisten (Lycoperdon) möglich. Das bestätigte mir auch Herr Kronbiegel. Wenn man die Pilze längs durchschneidet, sieht man unter dem Velum auch bei jungen Fliegenpilzen schon eine kräftige rote Linie.

In wärmeren Gegenden, v.a. in Italien sind Verwechslungen mit dem Kaiserling (Amanita caesarea) sehr häufig. Der Kaiserling unterscheidet sich vom Fliegenpilz durch das Fehlen der Warzenringe an der Knolle, dafür hat er eine weiße, lappige Scheide. Des Weiteren hat er einen glatten, orangefarbenen Hut ohne Velum-Flocken (Verwechslungen daher v.a. mit Amanita muscaria var. Aureola), einen gelben Stiel und gelbliche Lamellen. (103) Bei uns ist der Kaiserling extrem selten. Diskutiert werden könnte, ob sich italienische Einwanderer eher mit Fliegenpilzen vergiften?

3.6.3. Pilzgifte: (vgl. 3.5.3.)

Die für die Vergiftungssymptome verantwortlichen Inhaltsstoffe sind mit denen des Pantherpilzes identisch: Ibotensäure, Muscimol und Muscazon

Muscarin, welches nach Amanita muscaria benannt wurde, wurde zwar 1869 zuerst aus Fliegenpilzen isoliert, ist aber mit einem Gehalt von 0,0002% nicht für Vergiftungssymptome verantwortlich.

Der Gesamtgehalt der Isoxazole (Ibotensäure, Muscimol und Muscarin) liegt zwischen 30 und 180 mg pro 100g Trockenpilze. 6 mg Muscimol, bzw. 30 bis 60 mg Ibotensäure können eine toxische Wirkung hervorrufen. Da der Wirkstoffgehalt der Pilze sehr schwankt und von verschiedenen Faktoren abhängig ist, können diese Mengen schon in einem einzigen Fliegenpilz enthalten sein. Psychedelische Effekte werden nach dem Verzehr von 2 bis 4 Pilzen beschrieben, Vergiftungen durch bis zu 20 Fliegenpilze wurden überlebt. (104)

Folgende kinetische Daten sind bekannt: (104) Ein Teil der aufgenommenen Ibotensäure wird im menschlichen Organismus zum 5-mal bis 10-mal stärker wirksamen Metaboliten Muscimol decarboxyliert. Ein weitaus größerer Teil wird innerhalb 20 bis 90 Minuten unverändert über die Nieren ausgeschieden. Muscimol wird teils metabolisiert und teilweise innerhalb von 6 Stunden unverändert renal ausgeschieden. Dieser Umstand erklärt die Popularität des Trinkens des Urins der Schamanen oder anderer Berauschter nach Fliegenpilzgenuss. Somit verschafften sich die ärmeren Schichten der sibirischen oder altgermanischen Bevölkerung ein kostenloses Rauscherlebnis, welches sogar noch nach bis zu 4 Nierenpassagen sehr effizient war. (100)

3.6.4. Vergiftungssymptome: (vgl.3.5.4.)

Das Vergiftungsbild gleicht dem der Pantherpilzvergiftung, verläuft aber abgeschwächter. Akzidentelle Vergiftungen mit Fliegenpilzen sind aufgrund seines eigentlich unverwechselbaren Aussehens in unseren Breiten selten (vgl. 3.6.2.). Immer mehr in den Vordergrund rücken gewollte Vergiftungen zur Rauscherzeugung als billigere und effektivere Variante zu den Psilocybepilzen. 51

3.6.5. Therapie: (vgl. 3.5.5.)

Die Therapieoptionen sind mit denen der Pantherpilzvergiftung identisch. Da die Fliegenpilzvergiftung meist milder verläuft, genügt in den meisten Fällen eine Beobachtung der Patienten bis zum Abklingen der Symptomatik.

3.6.6. Bewertung der dokumentierten Vergiftungsfälle:

30 der 2006 gemeldeten Vergiftungsfälle sind Fliegenpilzvergiftungen:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 3 8/9 3 2 9 10 6 15 10 - - - 5

Tabelle 17: Von den GIZ dokumentierte Fliegenpilzvergiftungen im Jahr 2006

Die meisten der Vergiftungen verliefen zum Zeitpunkt des Kontaktes mit der GIZ asymptomatisch, der maximale Schweregrad lag bei PSS1, das entspricht leichten Vergiftungssymptomen. Das bestätigt die Aussage, dass die Fliegenpilzvergiftung im Vergleich zur Pantherpilzvergiftung schwächer verläuft.

50,0% 45,0% 40,0% 35,0% 30,0% Häufigkeit 25,0% (%) 20,0% Amanita muscaria 15,0% Amanita pantherina 10,0% 5,0% 0,0% 0 1 2 3 4 8/9 PSS

Abbildung 12: Vergleich der gemeldeten Schweregrade (PSS) von Amanita muscaria und Amanita pantherina

Den Hauptanteil der Vergiftungsfälle (46,7%) machen Vergiftungen an Kleinkindern im Alter von 0-6 Jahren aus. Verantwortlich dafür sind keine Verwechslungen, sondern der zufällige Verzehr von Fliegenpilzen aus kindlicher Neugier. Es ist davon auszugehen, das in solchen Fällen nur kleine Stücken des Pilzmaterials verschluckt wurden. (siehe Abbildung 13) 52

Alters- Baby Kleinkind Kleinkind Kind Kind Jugendl. Erw. Senior unbe- gruppe <1Jahr 1-4 Jahre 1-6 Jahre 7 J. 9 J. 14-18 J. 18-65 J. >65 J. kannt Anzahl 2 8 4 1 1 4 8 1 1

9 8 7 6 5 4 Anzahl 3 2 1 0 0-1 1-2 2-3 1-6 7 9 14-18 18-65 >65 Alter (Jahre)

Abbildung 13: Altersverteilung der Fliegenpilzvergiftungen im Jahr 2006

2 definitive Fälle von Abusus zu Rauschzwecken bei Erwachsenen wurden vom GIZ München gemeldet. Sie verliefen zum Zeitpunkt des Anrufes mit leichten Symptomen (PSS1).

Ein Vergiftungsfall durch Amanita regalis, dem Königsfliegenpilz wurde vom GIZ Erfurt gemeldet, er ist in den 30 Fällen nicht mit enthalten.

3.7. Tylopilus felleus (Gallenröhrling; Bitterpilz) „Top 7“

Der Gallenröhrling ist aufgrund seines extrem bitteren Geschmacks als ungenießbar eingestuft, er ist im wahrsten Sinne seines Namens „gallebitter“. Auch gilt er als unverträglich, da er Magen-Darmstörungen (Indigestionssyndrom) hervorrufen kann. Das ist aber eigentlich ausgeschlossen, da nur ein einziger Pilz durch seine Bitterstoffe eine ganze Pilzmahlzeit komplett ungenießbar machen kann. Herr Kronbiegel hat versucht, ihn durch Wässern und dreimaliges Kochen unter Verwerfen des Kochwassers genießbar zu machen. Laut seinen Aussagen waren diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt, „der Pilz ist bitter ohne Ende“.

3.7.1. Beschreibung des Pilzes: (105)

Hut 7 bis 12 (15) cm breit; halbkugelig, später gewölbt; Farbe graubraun bis rötlich-braun, manchmal oliv; in jungem Zustand filzige Oberfläche, später kahl Röhren jung weiß, später rosa, verfärben sich auch bei Druck rosa Sporenpulver rosa Stiel 8 bis 12 cm lang, kräftig; Farbe hellbraun bis oliv-braun; auffälliges bräunliches grobmaschiges Netz 53

Fleisch weiß; jung fest, später schwammig Geruch pilzartig Geschmack extrem bitter Vorkommen Juni bis Oktober; in Nadelwäldern; häufig

Tylopilus felleus

Abbildung 14: Hausner Seite 30

3.7.2. Verwechslungsmöglichkeiten

Der Gallenröhrling sieht dem Steinpilz (Boletus edulis), v.a. in jungem Zustand sehr ähnlich. Unterscheidungsmerkmale sind die Farbe des Röhrenfutters, welches sich beim Gallenröhrling rosa, beim Steinpilz dagegen gelb-grünlich verfärbt. Auch hat der Steinpilz am Stiel eine weiße, feinmaschige Netzzeichnung. (105)

Laut Herrn Kronbiegel kommen auch Verwechslungen mit Maronen (Xerocomus badius) vor. Diese haben aber keine Netzzeichnung am Stiel und grünlich-gelbes Röhrenfutter, welches sich an Druckstellen blau-grün verfärbt.

3.7.3. Inhaltsstoffe/ Pilzgifte:

Verantwortlich für die Magen-Darm-Symptome sind unbekannte Pilzgifte.

3.7.4. Vergiftungssymptome:

Nach einer kurzen Latenzzeit zwischen 15 Minuten und 2 Stunden kann es zu Magen-Darm- Symptomen mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen. (82) Der Verzehr eines Pilzgerichtes, welches Gallenröhrlinge enthält ist aber selbstregulierend, da aufgrund des extrem bitteren Geschmacks meist nur einige Löffel gegessen werden.

3.7.5. Therapie:

Die Therapiemöglichkeiten sind identisch mit denen bei anderen Pilzen, die ein Indigestionssyndrom hervorrufen. (vgl. 3.4.5. Armillaria mellea) Da aber meist nur sehr wenig Pilzmaterial verzehrt wird, ist in vielen Fällen keine spezielle Therapie nötig. 54

3.7.6. Bewertung der dokumentierten Fälle:

29 Vergiftungsfälle durch Tylopilus felleus wurden im Jahr 2006 gemeldet:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 13 5 7 2 2 14 13 - - - 2

Tabelle 18: Dokumentierte Vergiftungsfälle mit Tylopilus felleus im Jahr 2006:

Von den dokumentierten Fällen verliefen 14 (48%) asymptomatisch, in 13 Fällen (44,8%) stellten sich leichte Symptome ein (PSS1). Diese Angaben der Schweregrade decken sich mit anderen Pilzen, die ein Indigestionssyndrom hervorrufen. (vgl. 3.4.6. Armillaria mellea) Bemerkenswert ist, dass doch sehr viele Sammler diesen, eigentlich spätestens beim ersten Bissen der Pilzmahlzeit gut erkennbaren, Pilz verzehren.

3.8. Pilze der Gattung Panaeolus (Düngerlinge) „Top 8“

Die kleinen, unscheinbaren Düngerlinge wachsen, wie schon ihr Name sagt, auf stark gedüngten Wiesen, Weiden, auf Komposthaufen, teilweise direkt auf Mist und auch in Kulturen von Champignons und anderen Zuchtpilzen. Folgende Düngerlingsarten wurden in insgesamt 28 Fällen von den 5 beteiligten Giftinformationszentren gemeldet:

Pilz Synonym Anzahl Copelandia cyanescens Panaeolus cyanescens; Blauender Düngerling 1 Panaeolus campanulatus Panaeolus papillonaceus; Glockendüngerling 2 Panaeolus cinctulus Panaeolus subalteatus ; Dunkelrandiger Düngerling 2 Panaeolus foenisecci Panaeolina foenisecci; Heudüngerling 4 Panaolus sp. Art nicht näher bestimmt 14

Tabelle 19: Vergiftungen mit Düngerlingen im Jahr 2006 gemeldet von den GIZ

Aufgrund ihrer Kleinheit kommen Düngerlinge nicht als Speisepilze in Frage. Werden sie trotzdem gesammelt, dann wegen des Gehaltes an Psilocybin in einigen Düngerlingsarten zu Rauschzwecken. (vgl. unter 3.2.) Eine weitere Ursache, die für die meisten Anfragen zu Düngerlingen bei den Giftinformationszentren verantwortlich ist, ist der Verzehr dieser kleinen Pilze durch neugierige Kleinkinder.

3.8.1. Beschreibung der Pilze: (106)

Zur Gattung Panaeolus sensu lato (Panaeolus im weitesten Sinne) gehören die Untergattung Panaeolina, die sich durch dunkelbraune Sporen auszeichnet und zu der Panaeolus (Panaeolina) foenisecci zählt, sowie die Untergattung Copelandia, die in den Tropen heimisch ist und deren Vertreter sich an Druckstellen blau verfärben. Panaeolus (Copelandia) cyanescens ist ein Vertreter dieser Untergattung. (107)

Hut 0,5 bis 5 cm breit; abhängig vom Nährstoffangebot (Dung) teilweise bis 8 cm; kegelig, glockig, halbeiförmig, konvex; 55

niemals ganz aufgeschirmt, d.h. Hutränder wölben sich auch bei alten Exemplaren nicht nach außen; Farbe variabel von hellgrau bis braun; hygrophan, d.h. Hutfarbe ändert sich je nach Feuchtigkeitszustand; am Randbereich meist eine dunkle Zone (Panaeolus cinctulus); Huthaut trocken, matt Lamellen gescheckt, aufgrund des unterschiedlichen Reifegrades der Sporen; am Stiel aufsteigend angeheftet Sporenpulver schwarz, bei Panaeolina dunkelbraun; Sporenfarbe ist abhängig vom Reifegrad Stiel 5 bis 10 cm lang, dünn; meist kein Ring Fleisch dünn, bei einigen Arten bei Druck blau, z.B.: Copelandia cyanescens (vgl. Blauungsreaktion: 3.2.3.) Geruch bei vielen Arten nach Quetschen „ölig-brenzlig“ Vorkommen koprophil; auf gedüngten Wiesen, Weiden, teilweise direkt auf Mist oder Kuhfladen; die Größe ist abhängig vom Nahrungsangebot Verbreitung kosmopolitisch; das Vorkommen einzelner Arten ist aber an bestimmte klimatische Bedingungen gebunden Bsp.: Copelandia cyanescens ist v.a. in tropischen und subtropischen Gebieten heimisch, wurde aber auch nach Europa eingeschleppt; Heimische Arten: z.B.: Panaeolina foenisecci (Heudüngerling) Panaeolus cinctulus (Dunkelrandiger Düngerling) Panaeolus campanulatus (Glockendüngerling)

Besonderheiten der im Rahmen dieser Arbeit aufgeführten Arten:

Copelandia cyanescens: - wärmeliebend, heimisch in tropischen und subtropischen Gebieten - Blaufärbung an verletzten Stellen (Blauungsreaktion) - psychoaktiv

Panaeolina foenisecci: - Sporenpulver: dunkelbraun, nicht schwarz - wächst auf Grasflächen, aber nie direkt auf Dung - häufiges Vorkommen nach der Heuernte - vermutlich nicht psychoaktiv

Panaeolus cinctulus: - in feuchtem Zustand dunkler Rand auf dem Hut, der beim Trocknen verschwindet - fruktiziert oft direkt auf Pferdemisthaufen - Vorkommen auch in Champignonkulturen oder zwischen anderen Zuchtpilzen - psychoaktiv

Panaelus papillonaceus: - am Hutrand sind bei jungen Pilzen Reste des Velum parietale in Form einer weißen gezahnten Krause sichtbar - psychoaktiv ? 56

3.8.2. Verwechslungsmöglickeiten:

Verwechslungen mit Speisepilzen sind aufgrund der Kleinheit der Pilze nahezu ausgeschlossen. Erwähnt werden soll an dieser Stelle nochmals der 1970 in Leipzig dokumentierte Vergiftungsfall mit Panaeolus cinctulus, der in Pilzkulturen von Riesenträuschlingen wuchs und statt diesen verzehrt wurde. (60) Solche „Verwechslungen“ dürften aber, wenn man die Morphologie der Pilze, die man züchtet nur annähernd kennt, eigentlich kaum vorkommen.

3.8.3. Pilzgifte/ Inhaltsstoffe: (106)

Die Stoffe Serotonin und Harnstoff sind ein typisches Gattungsmerkmal der Panaeoloidae. Des Weiteren finden sich noch die ebenfalls nicht psychoaktiven Serotoninvorstufen Tryptophan und 5-Hydroxy-Tryptophan sowie Tryptamin in Düngerlingen.

Psychoaktive Spezies unter den Düngerlingen enthalten Psilocybin und das durch Abspalten der Phosphatgruppe entstehende Psilocin, sowie die Psilocybinvorstufe Baeocystin (Norpsilocybin). (vgl. 3.2. „Psilocybearten“)

Als psychoaktive Düngerlingsarten werden in der Literatur genannt: Panaeolus cinctulus, entspricht Panaeolus subalteatus, der Dunkelrandige Düngerling: Der Dunkelrandige Düngerling ist der wichtigste Vertreter der psilocybinhaltigen Düngerlinge in Europa. (59)

Copelandia cyanescens, entspricht Panaeolus cyanescens, der Blauende Düngerling

Umstritten ist der Psilocybingehalt der Art Panaeolus papillonaceaus, entspricht Panaeolus campanulata (106); (57); (58) In der Broschüre des BfR „Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise“ wird der Glockendüngerling allerdings als einer der einheimischen Verursacher des Psilocybin- Syndroms aufgelistet. (26)

Panaelus foenisecci, der Heudüngerling ist nach neueren Angaben vermutlich nicht psychoaktiv. Das Ende der 1960er Jahre von Ola`h in dieser Art nachgewiesene Psilocybin und v.a. in größeren Mengen detektierte Psilocin könnte eine Verwechslung mit Serotonin und dessen Vorläufer 5-Hydroxytryptophan gewesen sein. Bei den damals angewendeten chromatographischen Verfahren (Papier- und Dünnschichtchromatographie) ist eine Verwechslung dieser Substanzen mit Psilocin wahrscheinlich. (59) Für Kinder ist dieser Pilz trotzdem auch schon in geringen Mengen im Rohzustand giftig und verursacht gastrointestinale Symptome. (27)

3.8.4. Vergiftungssymptome:

Die Symptomatik des Psilocybinsyndroms ist im Kapitel 3.2.6. ausführlich beschrieben.

Auch nicht-psychoaktive Düngerlingsarten können, im Rohzustand verzehrt, bei Kindern eine gastrointestinale Symptomatik hervorrufen. (27) 57

3.8.5. Therapie:

Die Therapieoptionen für das Psilocybinsyndrom habe ich im Kapitel 3.2.7. beschrieben.

Da es sich bei einem Großteil der Fälle um Vergiftungen im Kleinkindalter handelt, möchte ich in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise bei der Beratung durch die Giftinformationszentren, hier am Beispiel des GIZ Mainz erläutern: In den meisten Fällen werden nur Pilzstücke, maximal ein Pilz von den Kleinkindern verschluckt. Meistens wird das Geschehen von den Aufsichtspersonen oder Eltern beobachtet und so erfolgt der Anruf bei der Giftberatung relativ zeitnah. Provoziertes Erbrechen ist im Kleinkindalter wegen der hohen Aspirationsgefahr obsolet. Wenn der Verzehr der Pilze bis zu maximal einer Stunde zurückliegt, wird auch als Soforthilfe für Laien die Gabe von 10 Kohle-Kompretten®, aufgeschwemmt in Wasser, empfohlen. Die Kohlesuspension sollen die Kinder schluckweise trinken, wenn es sich um sehr kleine Kinder handelt, wird diese in einer Trinkflasche mit großem Sauger angeboten. Von der Kohlesuspension soll soviel getrunken werden, wie das Kind freiwillig zu sich nimmt, um späteres Erbrechen der Kohle und die damit verbundene Aspirationsgefahr zu vermeiden. In jedem Fall wird die Bestimmung des Pilzes durch einen Pilzsachverständigen empfohlen, auch um psychoaktive Spezies unter den Düngerlingen auszuschließen. Auch sollten Kleinkinder auf jeden Fall im Krankenhaus überwacht werden.

3.8.6. Bewertung der von mir dokumentierten Vergiftungsfälle:

Insgesamt 23 Fälle von Vergiftungen mit Düngerlingen wurden von den 5 beteiligten deutschen Giftinformationszentren gemeldet:

Giftinformationszentrum PSS Pilz Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 Copelandia cyanescens 1 1 Panaeolus campanulatus 2 1 1 Panaeolus cinctulus 1 1 1 1 Panaeolus foenisecci 1 3 3 1 Panaeolus spec. 4 9 1 14

Tabelle 19: Schweregrade der Vergiftungssymptome (PSS) nach Verzehr von Düngerlingen

Von den meisten Düngerlingsvergiftungen waren in 17 von 23 Fällen Kinder bis zu 6 Jahren betroffen. (siehe Abbildung 15) Der Häufigkeitsgipfel beim Düngerlingsverzehr im Kleinkindalter liegt zwischen 1 und 2 Jahren. 2 Fälle von Säuglingen (kleiner 1 Jahr) wurden gemeldet, sowie ein Vergiftungsfall bei einem 6-jährigen Kind. Alle Vergiftungsfälle der Kleinstkinder verliefen zum Zeitpunkt des Anrufs asymptomatisch mit einem PSS 0, im Falle des 6-jährigen Kindes, welches Panaeolus foenisecci verzehrte, wurden leichte Vergiftungssymptome gemeldet. 58

Fazit:

Düngerlinge werden von Kleinkindern, besonders im Alter zwischen 1 und 2 Jahren aus kindlicher Neugier in den Mund gesteckt. Vermutlich werden aber nur geringe Mengen wirklich verschluckt. Zum einen werden Kleinkinder in diesem Alter beaufsichtigt, zum anderen kam es in keinem der Fälle zu Symptomen.

Alters- Baby Kleinkind Kleinkind Kind Erwachs. Erwachs. Erwachs. Erwachs. Unbe- gruppe <1 J. 1-2 Jahre 1-6 Jahre 6 J. 19 J. 20 J. 21 J. 18-65 J. kannt Anzahl 2 8 6 1 1 1 1 2 1

9 8 7 6 5 4

Anzahl 3 2 1 0

19-21 1 bis 2 unbekannt 0 bis 1(Baby) 1 bis 6(Kleinkind) 18-65 (Erwachsener) Alter

Abbildung 15: Altersverteilung der Düngerlingsvergiftungen im Jahr 2006

Die 5 aufgetretenen Vergiftungen im Erwachsenenalter sind zumindest in 2 Fällen definitiv auf Abusus zurückzuführen. Auch wurden von Erwachsenen die psilocybinhaltigen Panaeolusarten verzehrt: Copelandia cyanescens in einem Fall. Panaeolus cinctulus in einem der zwei Fälle. Panaeolus campanulatus in beiden Fällen. Die Vergiftungen verliefen in 2 der 5 Fälle mittelschwer (PSS2). Der aus München gemeldete Abusus mit Panaeolus cinctulus verlief mit mittelschweren Vergiftungssymptomen. Die ersten Symptome traten eine halbe Stunde nach Pilzverzehr auf, der Patient wurde stationär überwacht und mit Tavor® behandelt.

Fazit:

Düngerlinge werden auch in Deutschland zu Rauschzwecken gesammelt bzw. gekauft und verzehrt. Allerdings liegen diese Fälle deutlich unter der Zahl der Vergiftungsfälle mit Psilocybe-Arten. (vgl. 3.2.) Das liegt vermutlich daran, dass die Panaeolus-Arten schwer zu unterscheiden sind und das Sammeln der kleinen Pilze doch recht mühselig ist. 59

3.9. Paxillus involutus (Kahler Krempling) „Top 9“

Der Kahle Krempling galt lange Zeit in nicht allzu großen Mengen und gut gekocht als essbar. Eine Weisheit, die mein Opa immer zitierte und auch in die Tat umsetzte war, dass man pro Pilzgericht ruhig ein bis drei Kremplinge mit zubereiten kann. Das ist u.a. der Tatsache geschuldet, dass der Kahle Krempling massenhaft zu finden ist und die Generation meines Großvaters nach dem Krieg auch auf Pilze als Nahrungsquelle angewiesen war. Auch heute noch wird Paxillus involutus v.a. in Osteuropa als Speisepilz geschätzt und auch noch als Marktpilz gehandelt. In Deutschland darf der Kahle Krempling bundesweit nicht mehr als Speisepilz in Verkehr gebracht werden. (119) Roh und ungenügend gegart ist er garantiert giftig, aber auch gut gekocht verursacht er immer wieder Vergiftungen mit Brechdurchfällen nach kurzer Latenzzeit (Gastrointestinales Frühsyndrom; vgl. 2.2.2.1.). (10) Des Weiteren kann es nach wiederholtem Kremplingsgenuss zum sogenannten Paxillus- Syndrom kommen. (vgl.2.2.3.) Das ist keine eigentliche Pilzvergiftung, sondern eine sehr seltene Sonderform einer allergischen Reaktion. Betroffen sind v.a. Menschen, die in ihrem Leben schon häufig Kremplinge in größeren Mengen gegessen haben und diese eine Zeit lang auch gut vertrugen. Das Paxillus-Syndrom äußert sich in Form einer Immunhämolyse. In der Deutschen Medizinischen Wochenschrift aus dem Jahr 1971 wird in einem Artikel von J.Schmidt und Mitarbeitern auf das Auftreten von immunhämolytischen Anämien nach Genuss des Kahlen Kremplings hingewiesen. Es wurden zwei Kasuistiken veröffentlicht. Bei beiden Frauen (66 und 67 Jahre), die seit Jahren leidenschaftliche Pilzesser sind und häufiger Kremplinge verzehrten, trat ca. eine Stunde nach einer Mahlzeit, die Paxillus involutus enthielt, eine massive Hämolyse auf, diese führte zum Schock und zu akutem Nierenversagen. Tischgenossen, die von denselben Pilzen gegessen hatten, erkrankten nicht. Beide Patientinnen wurden mittels Dialyse behandelt. In beiden Fällen konnten im Serum spezifische Antikörper nachgewiesen werden, die in Anwesenheit eines Paxillus involutus- Lyophilisates (Kochextrakt aus frischen Kahlen Kremplingen) zur Agglutination und Hämolyse von Erythrozyten führte. Beide Frauen berichteten, dass schon seit geraumer Zeit nach Kremplingsmahlzeiten Symptome auftraten, u.a. über „spärliche Mengen dunkelroten Urins“, der sich nach 3 bis 4 Tagen wieder normalisierte. In früheren Zeiten wurden Kremplinge von beiden Patientinnen immer gut vertragen. (108)

3.9.1. Beschreibung des Pilzes: (109); (110)

Hut 6 bis 15 cm breit, auch größer möglich; jung am Hutrand stark eingerollt („Krempling“), später ausgebreitet und verbogen, in der Mitte niedergedrückt; jung filzig, im Alter kahl; oliv bis gelb- braun; bei feuchtem Wetter schmierig, ansonsten glänzend; an Druckstellen dunkle Flecken Lamellen am Stiel herablaufend; typisches Merkmal der Gattung Paxillus; jung gelblich, später schmutzig braun, bei Berührung leicht dunkle Flecken bildend Stiel 4 bis 8 cm lang; 1 bis 2 cm dick; fleischig, kahl, glatt; schmutzig-gelb bis rostbraun Fleisch hellgelb, zart 60

Geruch geruchlos bis säuerlich Geschmack mild bis säuerlich Vorkommen Juli bis Oktober in Nadelwäldern, seltener in Laubwäldern, auch in Gärten und Parks zu finden; sehr häufig

Paxillus involutus

Abbildung 16: Hausner Seite 52

3.9.2. Verwechslungsmöglichkeiten: (110); (111)

Der Kahle Krempling wird vermutlich häufig mit anderen Pilzen aus der Gattung Paxillus verwechselt, wie z.B. mit dem Samtfußkrempling (Paxillus atrotomentosus). Alle Paxillus-Arten sind gift-verdächtig und sollten nicht verzehrt werden.

Giftige Doppelgänger des Kahlen Kremplings sind: Der Ölbaumpilz (Omphalotos olearus) wächst bevorzugt in südlicheren Gebieten. Im Gegensatz zum Krempling wächst er an Holz (Olivenbäume, Eichen und Edelkastanien), hat eine orangegelbe Färbung, sehr dichte Lamellen, die sich bei Druck nicht dunkel verfärben. Der falsche Eierschwamm (Hygrophoropsis aurantiaca) unterscheidet sich durch seine orangegelbe Farbe und schlankeren Wuchs, außerdem verfärbt er sich nicht an Druckstellen. Beide Pilze verursachen eine gastrointestinale Symptomatik.

Verwechslungen können weiterhin mit einigen Vertretern der Gattungen Lactarius (Milchlinge), Russula (Täublinge) und Clitocybe (Trichterlinge) auftreten.

Kleinwüchsige Kremplinge könnten auch mit dem essbaren Pfifferling (Cantharellus cibarius) verwechselt werden.

Bei den Vergiftungsfällen durch den Kahlen Krempling stehen allerdings Verwechslungen nicht im Vordergrund, sondern eher die Tatsache, dass die Sammler die Giftigkeit des Kremplings unterschätzen.

3.9.3. Pilzgifte/ Inhaltsstoffe:

Für die gastrointestinale Symptomatik sind unbekannte Magen-Darm-Gifte verantwortlich, die beim Kochen zumindest teilweise zerstört werden.

Das wesentlich seltenere Paxillus-Syndrom wird durch ein im Pilz vorhandenes Antigen verursacht, auf das nur wenige Leute sensibel reagieren. Nach wiederholten Kremplings- Mahlzeiten kommt es zur Bildung von Antigen-Antikörper-Komplexen, welche in der Lage sind, Erythrozyten zu agglutinieren und daraufhin eine Hämolyse auslösen. Bei jeder Mahlzeit werden neue Antikörper gebildet. Dieser Mechanismus erklärt auch die Tatsache, dass 61

Personen betroffen sind, die häufiger Kremplinge verzehren und dass die Symptomatik von „Mahl zu Mahl“ immer dramatischer wird.

3.9.4. Vergiftungssymptome:

Die gastrointestinalen Symptome, die der Krempling in jedem Fall in rohem Zustand, aber auch bei empfindlichen Personen gut gekocht hervorruft, decken sich mit denen anderer Pilze, die das gastrointestinale Frühsyndrom hervorrufen. Nach einer kurzen Latenzzeit von 15 Minuten bis maximal 4 Stunden kommt es zu massiven Brechdurchfällen, die sich dramatisch auf den Wasser- und Elektrolythaushalt auswirken können. Besonders gefährdet sind dabei Kinder und ältere Menschen. Da der Krempling ein Massenpilz ist und so zu sehr üppigen Pilzmahlzeiten verführt, gab und gibt es bei Vergiftungen mit diesem Pilz zum Teil sehr schwere und auch tödliche Vergiftungen, unabhängig vom Paxillus-Syndrom. Dies gilt besonders für Osteuropa, wo man den Krempling nach wie vor als Speisepilz schätzt. (9) Das in Form einer Immunhämolytischen Anämie auftretende Paxillus-Syndrom ist wesentlich seltener. Wobei der Anteil bei leichteren Fällen sicherlich nicht klar vom Gastrointestinalen Syndrom trennbar ist. Bis jetzt sind 19 hämolytische Zwischenfälle bei 7 Patienten dokumentiert. Nach einer Latenzzeit von 15 Minuten bis 2 Stunden beginnt die Erkrankung mit Brechdurchfällen, Bauchkoliken, Anzeichen von Kollaps, wie Blutdruckabfall und Schwindel. Durch das aus den Erythrozyten freigesetzte Hämoglobin färbt sich der Urin rot. In schweren Fällen kommt es durch die Verstopfung der Nierentubuli zu verminderter Urinproduktion, Nierenversagen mit Anstieg des Serum-Kreatinins. Die aus der massiven Hämolyse resultierende Schocksymptomatik kann ebenfalls sekundär zur Niereninsuffizienz führen. In leichteren Fällen wird das Hämoglobin durch Haptoglobin gebunden und ist damit nicht nierengängig. Durch die routinemäßige Bestimmung von Haptoglobin im Serum bei Intoxikationen mit Paxillus involutus könnte man auch leichtere Hämolysen erfassen und so das Paxillussyndrom klar von der gastrointestinalen Symptomatik abtrennen. Der Haptoglobinspiegel ist in diesen Fällen erniedrigt, da dieses an Hämoglobin gebunden ist. Eine weitere diagnostische Maßnahme ist die Durchführung eines Hämagglutinations-Testes zum Nachweis der Hämolyse. (14) Weitere pathologische Laborwerte, die auf eine Hämolyse hinweisen, sind eine Erhöhung der LDH, des Serum-Kaliums, des Bilirubin-Wertes, der Transaminasen und Abfall des Hämoglobinwertes, sowie Anstieg des freien Hämoglobins. (114) Spätfolgen können neben dem Nierenversagen eine Störung der Blutgerinnung durch Verbrauchskoagulopathie, Lebervergrößerung und Lungenödem sein. (114) Typisch für das Paxillus-Syndrom ist, dass Tischgenossen, die von den gleichen Pilzen gegessen haben, nicht erkranken.

3.9.5. Therapie: (114)

Wenn noch nicht wiederholt erbrochen wurde, sollte im Rahmen der primären Giftentfernung vom Arzt Erbrechen ausgelöst (mit Ipecac-Sirup) oder eine Magenspülung durchgeführt werden. Danach empfiehlt sich die Gabe von 20 bis 50g Aktivkohle, das ist auch im Rahmen der Laienhilfe möglich. Zur Sicherheit sollte der Patient anschließend für mindestens 6 Stunden in einem Krankenhaus überwacht werden, um eine Hämolyse auszuschließen. Dies gilt insbesondere nach wiederholtem Kremplingsgenuss. 62

Bei Anzeichen von Hämolyse muß diese behandelt werden. Dazu gehören Bicarbonat-Infusionen zur Prophylaxe einer „Crush- Niere“. Bei schwerer Hämolyse sollte ein Blutaustausch oder Plasmapherese zur Entfernung der Immunkomplexe in Betracht gezogen werden. In Fällen von Nierenversagen wird mit Dialyse behandelt.

3.9.6. Bewertung der von mir dokumentierten Fälle:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 6 2 - 6 3 7 6 - - - 4

Tabelle 20: Dokumentierte Vergiftungsfälle mit Paxillus involutus im Jahr 2006:

Im Rahmen meiner Auswertung habe ich insgesamt 17 Fälle von Vergiftungen mit Paxillus involutus dokumentiert. Die Schweregrade der Vergiftungen lagen zum Zeitpunkt des Anrufes maximal bei PSS 1 (leichte Symptomatik). Hinweise auf ein Paxillus-Syndrom gibt es keine, was auch bei der leichten Symptomatik der Vergiftungen nicht zu erwarten gewesen wäre. Den noch in der Literatur (15) erwähnten höheren Anteil von Vergiftungen im Osten Deutschlands kann ich im Rahmen der Auswertung nicht mehr bestätigen. Allerdings habe ich keine Daten des GIZ Berlin. Auch sind die Gefahren, die vom Kahlen Krempling ausgehen können, mittlerweile unter den Pilzsammlern hinreichend bekannt. Daran haben nicht zuletzt auch die Pilzsachverständigen und Pilzberater ihren Anteil. Herr Kronbiegel sortierte im Jahre 2006 von insgesamt 281 Giftpilzen auch 78 Kremplinge aus den Körbchen der Pilzsucher aus. 63

3.10. Boletus satanas (Satanspilz) “Top 10“

3.10.1. Beschreibung des Pilzes: (115)

Hut 8-25 cm breit; in jungem Zustand halbkugelig, später polsterförmig, dickfleischig; Farbe weiß bis hellgrau Röhren gelb bis oliv-gelb; an Druckstellen Blaufärbung; Röhrenmündungen (Poren) sind jung gelb, später karminrot Stiel relativ kurz, oft breiter als lang, bauchig; Farbe im oberen Teil des Stieles gelb, Stielbasis gelblich bis oliv, dazwischen befindet sich eine breite karminrote Zone; am oberen Stielteil feine rote Netzzeichnung Fleisch weiß, beim Anschneiden leicht bläulich verfärbend Geruch vor allem bei älteren Exemplaren aasartig Geschmack mild bis süßlich Vorkommen Juli bis September; in Laubwäldern, liebt Kalkboden; wärmeliebend, relativ selten

Boletus satanas

Abbildung 17: Hausner Seite 34

3.10.2. Verwechslungsmöglichkeiten: (116)

Die charakteristischen Merkmale des Satanspilzes sind sein heller Hut, die karminroten Poren, sein kurzer, bauchiger auffällig gelb und karminrot gefärbter Stiel mit der feinen Netzzeichnung, sowie sein aasartiger Geruch.

Verwechslungsmöglichkeiten mit essbaren Pilzen bieten der Netzstielige Hexenröhrling (Boletus luridus) und der Flockenstielige Hexenröhrling (Boletus erythropus).

Boletus luridus: Dieser Pilz hat im Gegensatz zum Satanspilz einen dunkleren, olivfarbenen Hut und einen gelben Stiel mit einer grobmaschigen Netzzeichnung.

Boletus erythropus: Der Flockenstielige Hexenröhrling hat einen braunen Hut, einen rotgeflockten Stiel ohne Netzzeichnung und gelbes Fleisch, welches sich beim Anschneiden und auf Druck sofort blauschwarz verfärbt. 64

3.10.4. Pilzgifte:

Verantwortlich für die gastrointestinalen Symptome des Satanspilzes sind unbekannte Magen- Darm-Gifte.

3.10.5. Vergiftungssymptome:

Nach einer Latenzzeit von einer, meistens aber 2 bis 3 Stunden stellen sich die typischen Symptome des gastrointestinalen Frühsyndroms mit Übelkeit, Bauchkrämpfen, massivem Erbrechen und Durchfällen ein. Schon der Verzehr eines Satanspilzes kann zu massiven Magen-Darm-Symptomen führen. (116)

3.10.6. Therapie: (82)

Eine Giftelimination durch provoziertes Erbrechen und Magenspülung kommt meist zu spät, da die Patienten den Arzt meist erst mit entsprechender Symptomatik aufsuchen. Die Gabe von Aktivkohle ist indiziert, um noch im Darm vorhandene Gifte zu binden. Dosierung: 20-40g; Kinder: 1g/kg Körpergewicht Patienten mit stärkeren Symptomen sollten ärztlich überwacht werden. Der Hauptschwerpunkt der Therapie liegt bei schwerer Symptomatik im Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes, um Komplikationen wie Exsikkose, Azidose und Schocksymptomatik zu begegnen. In jedem Fall sollte eine Vergiftung mit potentiell tödlichen Pilzen wie Amanita-Arten ausgeschlossen werden, da diese bei Mischpilzintoxikationen Symptome auch schon nach einer Latenzzeit von weniger als 4 Stunden zeigen können. Hierzu empfiehlt sich die Bestimmung der Identität der Pilzreste, Untersuchung des Mageninhalts und/oder ein Amanitintest im Urin.

3.10.7. Bewertung der von mir dokumentierten Vergiftungsfälle:

Giftinformationszentrum Poisoning Severity Score (PSS) Mz Bo M Gö Ef 0 1 2 3 4 8/9 4 2 3 3 4 4 7 1 - - 4

Tabelle 21: Dokumentierte Vergiftungsfälle mit Boletus satanas im Jahr 2006:

Insgesamt 16 Vergiftungen mit Boletus satanas wurden im Rahmen meiner Auswertung erfasst. Die Schweregrade der Vergiftungen lagen maximal bei PSS 2 (mittelschwere Symptomatik) in einem Fall. 65

4. Schlussbetrachtung:

Die Liste der 10 am häufigsten gesammelten bzw. verzehrten Giftpilze führt der toxischste von allen, Amanita phalloides an. Er ist für ca. 5% aller Pilzvergiftungen verantwortlich. Vergiftungen mit dem Knollenblätterpilz enden nicht selten tödlich, in dem von mir retrospektiv betrachteten Jahr waren es 3 Todesfälle. Amanita pantherina, der Pantherpilz kann ebenfalls schwere Vergiftungssymptome erzeugen, auch dieser Pilz erscheint mit Platz 5 und 33 Vergiftungsfällen, davon 5 schwerwiegenden (PSS3), auf der Liste der 10 häufigsten Giftpilze. Das sind etwa 2%. Diese Aussagen decken sich auch in etwa mit dem Jahresbericht der Pilzsachverständigen des Jahres 2006. Es wurden in diesem Jahr 8978 Giftpilze aus den Körbchen der Pilzsammler aussortiert, davon waren 480 Stück entweder Amanita phalloides, bzw. die seltenere weißhütige Form Amanita virosa oder Amanita pantherina. Das sind für beide Pilzspezies zusammen 5,3%. Leider existieren keine getrennten Zahlen für beide Pilze. (117) Bei den Angaben der PSV kann man mit 100% iger Sicherheit von der genauen Kenntnis des jeweiligen Pilzes ausgehen. Die gemeldeten Zahlen der Giftinformationen enthalten immer ein gewisses Maß an Unsicherheit in Bezug auf die Identität des Pilzes, weil man sich auf die Sachkenntnis des Anrufers verlassen muss. Auch erfolgten Rückmeldungen zur genauen Identität des Pilzes bzw. dem Verlauf der Vergiftung nur zu einem geringen Prozentsatz. Ein gut ausgebildetes Netz von Pilzsachverständigen bzw. Pilzberatern kann Pilzintoxikationen schon im Vorfeld verhindern. Die meist ehrenamtliche Arbeit dieser Leute kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Auf Platz 2 meiner Liste befinden sich die psilocybinhaltigen Pilze, unter die auch einige einheimische Düngerlingsarten und der auch in unseren Breiten vertretene Psilocybe semilanceata fallen. Intoxikationen mit diesen Pilzen sind, bis auf wenige Ausnahmen, zur Erzeugung eines Rauschzustandes gewollt. Da in meine Arbeit nur Monointoxikationen eingingen, ist mit einer etwa um 1/3 höheren Zahl von gemeldeten Psilocybe-Intoxikationen zu rechnen, da Rauschpilze häufig zusammen mit Alkohol oder Haschisch genossen werden. Auffällig ist, dass nur einer der insgesamt 69 Psilocybinvergiftungen aus dem Osten Deutschlands gemeldet wurde, vom GIZ Erfurt. Um darüber aber wirklich repräsentative Aussagen zu machen, fehlen mir die Daten des Giftinformationszentrums Berlin. Auch bei Vergiftungen mit anderen Pilzarten gibt es große regionale Unterschiede. Darüber genaue Aussagen zu treffen, bedürfte es aber der Erfassung von Daten aus mehreren Jahren, sowie der Mitarbeit aller Giftinformationszentren. Das Auftauchen des durch sein typisches Äußeres wohl jedem als Giftpilz bekannten Fliegenpilzes (Amanita muscaria) unter den 10 häufigsten Pilzen mutet auf den ersten Blick sicher ungewöhnlich an. Etwa die Hälfte dieser Fälle sind Vergiftungen bei Kleinkindern mit einem Häufigkeitsgipfel im zweiten Lebensjahr, die den attraktiven Pilz aus Neugier in den Mund stecken. Auch werden Fliegenpilze zu Rauschzwecken als billigere und ergiebigere Variante zu den Psilocybe-Arten verzehrt. Eine weitere Spezies, die in 74 % aller dokumentierten Fälle von Kleinkindern gekostet wurde, sind die unscheinbaren Düngerlinge (Panaeoli), in meiner Statistik auf Platz 8. Über den doch sehr hohen Anteil von essbaren Pilzen auf den vorderen Plätzen, wie Champignons, Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge, kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Sammelsurium aus individuellen Unverträglichkeiten, eingebildeten Pilzvergiftungen, Lebensmittelvergiftungen oder auch Mischintoxikationen mit giftigen, unverträglichen oder unbekannten Pilzen. Wobei ich versucht habe, Lebensmittelintoxikationen und Mischpilzvergiftungen nicht mit in die Auswertung einfließen zu lassen. 66

Mit der von mir erstellten Auswertung kann man nur andeutungsweise einen Überblick über die deutschlandweit am häufigsten verzehrten Giftpilze bekommen. Um regionale Unterschiede genau erfassen und in die Statistik mit einbeziehen zu können, wäre es wichtig, die Daten aller 9 Giftinformationszentren zu kennen. Auch wäre eine Erfassung über einen längeren Zeitraum von Vorteil, da es auch von Jahr zu Jahr Unterschiede im Vorkommen verschiedener Pilzarten gibt. Eine Betrachtung der Pilzvergiftungsfälle über einen Zeitraum von 5 Jahren wäre anzustreben. Da ich mich mit meiner Arbeit quasi „auf Neuland“ bewegte, was die koordinierte Datenerfassung der verschiedenen Giftinformationszentren betrifft, war es mir im Rahmen meiner Arbeit nur möglich, retrospektiv ein Jahr zu betrachten. Die Erfassung und Zusammenführung der Daten erwies sich als schwieriger und zeitaufwendiger, als ich mir anfangs vorgestellt hatte. Wünschenswert wäre auch eine einheitliche Datenerfassung der Pilzvergiftungen. Da gibt es, wie in der Einleitung unter dem Punkt 1.2. Probleme schon aufgeführt, diverse Unterschiede von Zentrum zu Zentrum. Die GIZ Erfurt und Göttingen z.B. haben sich bei der Meldung von Mischpilzintoxikationen nur auf die „Hauptnoxe“, also giftige Pilze beschränkt. Dabei kann es, wenn mehrere giftige Pilze verzehrt werden, zu Informationsverlusten kommen. Andererseits täuschen Speisepilze, die mit einem hohen PSS geführt sind, aber mit Giftpilzen verzehrt wurden, Risiken vor, die nicht bestehen. Eine gründliche Anamnese der Vergiftungsfälle ist wichtig, wie z.B. gleichzeitig verzehrte Speisen (Abgrenzung von Lebensmittelvergiftungen), eingenommene Medikamente und Erkrankungen. Diese Daten werden aber erst vollständig erhoben, wenn ein Vergiftungsfall ärztlich behandelt wird und werden in den seltensten Fällen den Giftinformationszentren gemeldet. Eine Medikamentenanamnese könnte z.B. bei der Bewertung des Gefahrenpotentials der Rhabdomyolyse durch Grünlige (Tricholma equestre) sehr wichtig sein, weil Cholesterolsenker aus der Gruppe der Statine breiten Teilen der Bevölkerung verschrieben werden und ebensolche Symptome auslösen können. In den wenigsten Fällen meiner Auswertung ist der Ausgang der Vergiftung bekannt. Die Giftinformation Mainz schickt zu diesem Zweck jedem Anrufer einen Fragebogen zu, auf dem der Verlauf und Ausgang der Vergiftung rückgemeldet werden soll. Dieses Vorgehen sollte vereinheitlicht werden. In den anderen Giftzentralen wird solch ein Fragebogen nur in ausgewählten Fällen, bei denen schwere Vergiftungssymptome zu erwarten sind, an den Anrufer geschickt oder es wird ein telefonisches update gemacht, wie im Falle der GIZ München. Von den 511 gemeldeten Vergiftungsfällen vom GIZ Mainz ist der Ausgang in 161 Fällen bekannt. Das sind 31,5%, ein vielfaches mehr als bei den anderen Zentren. Von den insgesamt 1704 in meine Auswertung eingehenden Pilzvergiftungen ist der Ausgang nur in 209 Fällen dokumentiert. Auf diesem Weg ließe sich auch der Anteil der unbekannten Pilze an der Gesamtzahl der Vergiftungsfälle (44%) senken und der der sicher bestimmten Pilze erhöhen, weil die Giftinformationszentren in vielen Fällen an einen Pilzsachverständigen verweisen. Am Beispiel der Mainzer Giftinformation gibt der Berater die Telefonnummern von zwei Pilzsachverständigen an den Anrufer weiter. Die generelle Versendung eines solchen Fragebogens, wie vom GIZ Mainz praktiziert, ist also überaus sinnvoll. (siehe Abbildung 18) 67

Abbildung 18: Rückmeldebogen für Vergiftungsfälle des Giftinformationszentrum Mainz 68

Die vorliegende Arbeit ist also als Pilotprojekt zu verstehen und sollte unter Einbeziehung und Vereinheitlichung der Daten aller 9 Giftinformationszentren über einen Zeitraum von mehreren Jahren ausgebaut werden. Diesem Projekt hat sich derzeit die AG3 der Gesellschaft für Klinische Toxikologie (GfKT) unter Leitung von Dr. Pfab vom GIZ München angenommen. Geplant ist eine prospektive Datensammlung über die Pilzvergiftungen mit allen deutschen Giftinformationszentren, die im Rahmen eines gemeinsamen Jahresberichtes veröffentlicht werden soll. 69

5. Quellenverzeichnis:

1 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 16 2 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 30 3 Martin Ganzert „Indikation zur Lebertransplantation bei der Knollenblätterpilzvergiftung“ Seite 8 4 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 39,40 5 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 42,43 6 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 52 7 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 130 8 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 27 9 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 45 10 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 45, 46 11 Rene Flammer Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen 1980 Seite 39 12 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 54, 55 13 Precht DMW 1982 107.Jg Nr. 36 Seite 1374 14 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 61, 62 15 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 127 16 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 49 17 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 7 18 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 20 bis 24 19 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 65 20 BfR Risiko Pilze- Einschätzungen und Hinweise Seite 45, 46 21 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 98 22 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 56 23 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 57 24 Flammer Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen 1980 Seite 58 25 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 58, 59 26 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 52 bis 54 27 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 117 28 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 119, 120 29 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 63 30 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 66, 67 31 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 26 32 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 69, 70 33 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 8, 82 34 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 84 35 BfR Risiko Pilze - Einschätzungen und Hinweise Seite 22 36 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 124 37 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 128 38 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 28, 29 39 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 19 40 Martin Ganzert „Indikation zur Lebertransplantation bei der Knollenblätterpilzvergiftung“ Seite 6 41 Martin Ganzert „Indikation zur Lebertransplantation bei der Knollenblätterpilzvergiftung“ Seite 6, 7 42 Martin Ganzert „Indikation zur Lebertransplantation bei der Knollenblätterpilzvergiftung“ Seite 8 43 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 30 44 International Programme of Chemical safety (http://www.inchem.org) Poisons Information Monograph (Group PIM G021) 70

45 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 35 46 Faulstich Zeitschrift „Naturwissenschaften“ Springer 1979 Seite 410-412 47 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 34 48 „Bei Pilzvergiftung Silibinin – allein oder kombiniert?“Ärzte Zeitung 11.12.2008 49 M.Ganzert et al.: DMW 2008; 133 (44): S.2261-2267 50 www.toxi.ch 51 Martin Ganzert „Indikation zur Lebertransplantation bei der Knollenblätterpilzvergiftung“ Seite 118 bis 121 52 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 27 53 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 148 54 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 28; 29 55 www.toxfinfo.org Haberl/ Zilker 2000 „Nadelholzhäubling“ 56 Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Band 3 Drogen P-Z Seite 288-294 57 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 117 58 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“;1999 Seite 79 59 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 44 60 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 42; 68 61 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 49 bis 53 62 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“ Seite 55, 56 63 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 61 bis 65 64 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“; 1999 Seite 142 65 Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Band 3 Drogen P-Z Seite 292 66 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 73, 74 67 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“; 1999 Seite 53 68 Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Band 3 Drogen P-Z Seite 291 69 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“; 1999 Seite 31 70 Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Band 3 Drogen P-Z Seite 288 71 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 60 72 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 44 73 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 112 74 Rumack/ Spoerke „Handbook of mushroom poisoning“ 1994 S. 315 bis 318 75 Sauer/ Weilemann “Drogen: Eigenschaften-Wirkungen-Intoxikationen” 2001 Seite 45, 46 76 Jochen Gartz „Narrenschwämme“ 1996 Seite 27 77 International Programme of Chemical safety (http://www.inchem.org) Poisons Information Monograph Psilocybe and others (Group PIM G027) 78 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 88 79 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 90 80 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 47 81 Roth/ Frank/ Kormann Giftpilze, Pilzgifte 1990 Seite 38 82 www.toxinfo.org Kleber/ Haberl/ Zilker 2000 „Pilzvergiftung mit Magen- Darm-Reizung“ 83 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber 1999 „Karbolegerling“ 84 BfR Risiko Pilze- Einschätzungen und Hinweise Seite 21 85 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 178, 179 86 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 66 87 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 49; 132, 133 88 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber/ Zilker 2000 „Hallimasch“ 89 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 98-100 90 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 132 91 Roth/ Frank/ Kormann Giftpilze, Pilzgifte 1990 Seite 52 92 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 78 71

93 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 122, 123 94 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber/ Zilker 2000 „Pantherpilz“ 95 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 118, 50, 56 96 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 98 - 100 97 Bauer/ Klapp/ Rosenbohm „Der Fliegenpilz“ 2000 Seite 184 98 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber/ Zilker 1999 „Fliegen- Pantherpilz- Syndrom“ 99 BfR Risiko Pilze- Einschätzungen und Hinweise Seite 42 100 Bauer/ Klapp/ Rosenbohm „Der Fliegenpilz“ 2000 Seite 160 101 Vermeulen „Homöopathische Substanzen - Vom Element zum Arzneimittelbild“ 2004 Seite 20, 21 102 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 76 103 Bauer/ Klapp/ Rosenbohm „Der Fliegenpilz“ 2000 Seite 180 104 Sauer/ Weilemann “Drogen: Eigenschaften-Wirkungen-Intoxikationen” 2001 Seite 66, 67 105 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 30 106 Grau/ Hiepko/ Leins „Bibliotheka botanica - Taxonomische Revision der Gattungen Panaeolus und Panaeolina“ 1996 Seite 7 bis 11 107 Paul Stamets „Psilocybinpilze der Welt“; 1999 Seite 67, 68 108 Schmidt, Hartmann, Würstling, Deicher: „Akutes Nierenversagen durch immunhämolytische Anämie nach Genuß des Kahlen Kremplings (Paxillus involutus)“ DMW 96 (1971) S.1188-1191 109 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 52 110 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seite 170 111 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber/ Zilker 2000 „Kahler Krempling“ 112 Bresinsky/ Besl Giftpilze; 1986 Seite 126 113 www.giz-nord.de „PSS-Vergiftungsschweregrad-Skala“ 114 www.toxinfo.org Kleber/ Zilker 2000 „Paxillus- Syndrom“ 115 Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ Seite 34 116 www.toxinfo.org Haberl/ Kleber/ Zilker 2000 „Satansröhrling“ 117 Christa Münkers „Bericht über die Pilzberatung im Jahr 2006“ 118 Flammer/ Horak Giftpilze; Pilzgifte 2003 Seiten 83 – 85 119 www.bmelv.de „Leitsätze für Pilze und Pilzerzeugnisse“ des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, geändert am 08.01.2008 120 www.klinitox.de Brennpunktprojekte/ Amatoxinstudie/ „Entscheidungsmodell für die Indikation einer Lebertransplantation“

Abbildungen der Pilze: Gerlinde Hausner BLV-Naturführer „Pilze“ 2007 72

6. Danksagung

Danken möchte ich allen Mitarbeitern der beteiligten deutschen Giftinformationszentren für den teilweise sehr mühsamen, technisch und zeitlich aufwendigen Datentransfer, insbesondere Frau Eckart aus Mainz, Frau Haberl und Dr. Ganzert aus München, Frau Rüdell aus Göttingen, Frau Dr. Seidel aus Bonn und Herrn Dr. Hüller aus Erfurt. Herrn Dr. Stürer vom Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrum Zürich danke ich für die Koordination zwischen den einzelnen Giftinformationszentren und für viele hilfreiche Tipps zum Aufbau der Arbeit, sowie Herrn Dr. Hahn vom BfR für die Anregung, diese Statistik zu erstellen. Mein besonderer Dank gilt Frau Eckart vom GIZ Mainz als Ansprechpartner, für die Beantwortung zahlreicher Fragen und Knüpfen von Kontakten mit den anderen Giftinformationszentren. Dem Pilzberater Herrn Kronbiegel aus Colditz danke ich für das Interview und die interessanten Einblicke in seine Tätigkeit. Dr. R. Wit danke ich für die hilfreichen Anregungen aus seinem früheren Tätigkeitsfeld, der Koordination der fachlichen Zusammenarbeit u.a. des Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramtes (LÜVA) mit den Pilzberatern. Für die Hilfe bei Excelfragen und anderen technischen Problemen bedanke ich mich bei Thomas Stolze und Franziska Mai. Lobend erwähnen möchte ich das ehrwürdige, geistig inspirierende Ambiente und das unerschöpfliche Repertoire an Büchern und Zeitschriften in der Deutschen Bücherei Leipzig, welches mir bei Literaturrecherchen und beim Zusammenschreiben der Arbeit sehr geholfen hat. Nicht zuletzt danke ich meiner Mutter und meinem Mann für die viele Geduld und Hilfe bei der Kinderbetreuung, ohne die ich noch viel länger für meine Abschlussarbeit gebraucht hätte.