50 Jahre Élysée-Vertrag Deutschland , € 5 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: Margot Käßmann Michael Link Ländersache Kultur bildet Freundschaft Moscheebau Doris Pack Die Ansprüche steigen. Die Der Bildungsbericht  steht Die deutsch-französische Ein Ärgernis oder ein Zeichen Bénédicte Savoy Bundesländer sind mit weniger ganz im Zeichen der kulturellen Freundschaft währt nun fast  der Integration? Generell eine Menschen, knappen Kassen und Bildung. Die documenta  stellt Jahre. Ein halbes Jahrhundert städtebauliche Herausfor- Jacques Toubon hohen Kulturausgaben konfron- Besucherrekorde auf. enger (kultur)politischer Bezie- derung: der Moscheebau in und viele andere tiert. Seiten  bis  Seiten  und  hungen. Seiten  bis  Deutschland. Seiten  bis  Sommertheater Dieser Sommer war nicht nur wetter- mäßig durchwachsen. Auch kulturell gab es wenig Höhepunkte dafür aber manche Untiefen. Einen kulturellen Tiefpunkt er- reichte die dokumenta . Sie war piefi g und uninspiriert. Das tat aber den Besucherströmen keinen Ab- bruch. Im Gegenteil, ein Besucher- rekord jagte den nächsten. Und da die Masse nicht irren kann, wird die dokumenta  wohl als ein Erfolg be- wertet werden. Schon traditionell gehört zum Sommer der Aufreger zur Eröff nung der Wagner Festspiele in Bayreuth. Die Wagners, die auch weiterhin mit Unterstützung der bayerische Staats- regierung und der Bundesregierung ihren familiären Egotrip auf dem Grünen Hügel ausleben dürfen, mau- ern standfest bei der Aufarbeitung der befl eckten Geschichte der Festspiele. Zum diesjährigen Sommertheater gehörte auch der Museumsstreit in Berlin. Von einer geplanten «Ver- treibung» (!) der Berliner Gemäl- degalerie aus ihrem Domizil am Potsdamer Platz schrieben aufgeregt die feuilletonistischen Edelfedern. Ausgelöst hat den kleinen Kultur- Kulturelle Vielfalt in Europa kampf ein zehn Millionen Euro Ge- Schwerpunkte der französischen Kulturpolitik schenk des Haushaltsausschusses des Deutschen zur Um- AURÉLIE FILIPPETTI Unternehmen, die häufi g auch auf internationaler lette an Vorschlägen wird die Regierung dann in die strukturierung des Kulturforums Bühne eine bedeutende Rolle spielen, dazu ermutigen, Abstimmung mit unseren Partnern einbringen, um am Potsdamer Platz. Einmal mehr er Deutsche Kulturrat hat das . Jubiläum diese neuen Formen der kulturellen Präsenz und des anschließend die notwendigen Maßnahmen in Bezug hat der Haushaltsausschuss durch des Elysée-Vertrags zum Anlass genom- kulturellen Handelns zu erkennen und zu entwickeln. auf Regulierung, Dialog bzw. Einrichtung der erfor- eine außerplanmäßige fi nanzielle men, einige Beiträge zur deutsch-franzö- Gleichzeitig treten neue kulturelle und industrielle derlichen Gremien treff en zu können. Wir werden Wohltat selbst, an den zuständigen D sischen Zusammenarbeit zu veröff entli- Akteure wie Internetanbieter und große Internet- keine Wunder vollbringen, aber wir kommen voran. Gremien vorbei, Kulturpolitik ge- chen. Das ist eine sehr schöne Initiative, und ich bin Plattformen in Erscheinung und setzen sich auf dem Beim geistigen Eigentum zum Beispiel haben wir macht. Die aufgeregte Diskussion stolz, diese Themenreihe eröff nen zu dürfen. Frank- Markt durch. Das Netz ist gerade einmal  Jahre in Frankreich mit dem Hadopi-Gesetz eine Regelung, sollte den Haushaltspolitikern zu reich und Deutschland haben zahlreiche Schnitt- jung, und wird bereits von einigen wenigen großen der es an Effi zienz mangelt, weil sie hauptsächlich denken geben. punkte, zahlreiche gemeinsame Ansätze, vor allem Konzernen dominiert, die die Staaten vor neue He- Strafmaßnahmen beinhaltet und einige Instrumente Nicht nur die unmittelbar betrof- in der Kultur. Diese Übereinstimmungen und unser rausforderungen stellen und mit neuen Verantwor- sich als nicht umsetzbar erwiesen haben. Der Arbeits- fenen Politiker muss es besonders Vermögen, die Gemeinsamkeiten auszubauen, müssen tungen konfrontieren. zum Grübeln bringen, mit welcher wir in den Dienst Europas stellen. Gerade weil das Internet unglaubliche Möglich- Verve um den Verbleib der Gemäl- Die Kultur ist ein wichtiges Fundament unserer keiten der kulturellen Entwicklung, des Austauschs degalerie an ihrem „angestammten“ Gesellschaften. Sie trägt unser historisches Erbe, und der Entfaltung kultureller Vielfalt – diesem De- Regeln für die digitale Welt Platz gekämpft wird, obwohl das Pu- hält die Menschen zusammen und verknüpft unsere mokratieträger par excellence – bietet, müssen die blikum das Museum, das zeigen die Vergangenheit mit der Zukunft, die wir für unsere beteiligten Akteure das Kulturschaff en ankurbeln, Besucherzahlen, nie richtig ange- Kinder aufbauen. Kultur ist kein Luxus, sondern ein die Künstler fördern und die Bürger nicht nur in ihrer stab wird diese Frage analysieren und eine Reform nommen hat. Auf den Punkt bringt menschliches Grundbedürfnis. Rolle als Konsumenten sehen. des Gesetzes vorschlagen, die sowohl der Freiheit der es Thomas P. Campbell, Direktor des Frankreich und Deutschland gelten als Kultur- Kulturschaff en muss aus den Möglichkeiten, die Internetnutzer als auch den Urhebern gerecht wird. Metropolitan Museum of Art in New nationen. Warum? Weil es in beiden Ländern eine das Internet bietet, schöpfen können. Frankreich hat unverzüglich auf die zahlreichen York, als er sagte «Für mich ist der unglaubliche Fülle kreativer Künstler gibt; weil beide Frankreich hat sich an der Seite zahlreicher euro- jüngsten Vorschläge und Initiativen der Europäischen verlorene, einsame Weg durch die Länder, jedes auf seine Weise, der Kultur den Platz päischer Länder für eine kulturelle Ausnahme stark Kommission im Bereich Kultur reagiert. weiten Hallen dieser außerordentli- im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben gemacht, die  in das Marrakesch-Abkommen zur Im Buchsektor bleibt Frankreich bei seiner Positi- chen Gemäldesammlung immer wie- eingeräumt haben, der ihr gebührt. Gründung der WTO und  in die UNESCO-Kon- on und spricht sich weiterhin für einen reduzierten der eine entmutigende Erfahrung.» Nicht zuletzt deshalb ist der tiefgreifende Wandel, vention zum Schutz der kulturellen Vielfalt mündete. Mehrwertsteuersatz auf E-Books aus. Dies ist mit Diese Angst vor Veränderung den die Kultur heute erfährt, in der öff entlichen De- Kulturelle Ausnahme meint, dass ein Kulturgut keine dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar konnte man vor einigen Wochen batte in Frankreich und Deutschland so stark präsent Ware ist, dass die Kultur in ihrer ganzen Vielfalt zum und gründet in der Annahme, dass es sich um Bücher auch beim Streit um Umgestaltun- – vor allem die rasante Entwicklung der Digitalwirt- Ausdruck kommt und gefördert wird, also von den handelt, ungeachtet des Trägermediums. gen des WDR-Programms erleben. schaft und des Internets. Marktregeln für herkömmliche Güter und Dienst- In ihrer Mitteilung über die staatlichen Beihilfen Veränderungen sind aber notwendig, Die Digitalwirtschaft verändert die Welt. Das In- leistungen ausgenommen werden kann. für die Filmförderung ruft die Kommission die Mit- damit die kulturellen Angebote auch ternet hat sämtliche Entfernungen aufgehoben, un- Heute, im Jahr , müssen wir diese kulturelle gliedstaaten zu einer Stellungnahme auf. Frankreich in der Zukunft, gerade auch bei der sere Gewohnheiten umgestoßen und die Hierarchien Ausnahme aus mindestens zwei Gründen überdenken: und Deutschland haben sich abgestimmt und gemein- nachwachsenden Generation, auf Erstens, weil die Entwicklung der digitalen Industrie sam mit weiteren Partnern Schritte eingeleitet, um Akzeptanz stoßen. das Kulturgut als solches verändert und uns damit diese wesentlichen Instrumente zu bewahren, dank Und so ist die Bilanz des diesjäh- zwingt, den politischen Rahmen neu abzustecken. derer unsere Filmindustrie auf dem internationalen rigen Sommertheaters eher unein- Aus den Möglichkeiten des Zweitens, weil Kultur heute als Quelle von Reichtum Markt bestehen kann. heitlich bis trübe. Zur schwachen Internets schöpfen und Stärke betrachtet wird. Die Europäische Kommission ist von Prinzipien dokumente  kommen sehr viele Die europäischen Bürger wollen kein dürftiges geleitet, die nicht immer im Einklang miteinander Besucher, zur hervorragenden Ber- Standard-Kulturmodell; sie wollen keinen rein pro- stehen. So sind die Regeln des Binnenmarkts und des liner Gemäldesammlung kommen aufgebrochen. Unser Leben hat sich dadurch grund- fi torientierten Ansatz, der ihnen verbietet, die Kultur Wettbewerbs nicht immer mit den Bedürfnissen der vergleichsweise wenig Besucher und legend verändert. Und alles, was mit der Kultur, mit in ihrer ganzen Vielfalt zu leben, und der öff entlichen Kultur vereinbar. Diese müssen in der europäischen zur Eröff nung der Wagner Festspiele den Kulturen in Verbindung steht, ist einem ebenso Hand untersagt, diese Diversität zu fördern. Gesetzgebung stärker berücksichtigt werden. in Bayreuth kommt trotz alledem die gewaltigen Wandel unterworfen. Wir brauchen neue Regeln, die der digitalen Welt Die Initiativen der EU-Kommissarin für Bildung Kanzlerin. Ich freue Dieser Wandel ist in erster Linie eine Chance für gerecht werden. Wir brauchen einen Akt II der kul- und Kultur sind in dieser Hinsicht unterstützens- mich auf den Herbst! die Kultur. Eine Chance für die Demokratie, dank turellen Ausnahme. Dafür hat die französische Re- Fortsetzung auf Seite  der nie dagewesenen Ausdrucks- und Verbreitungs- gierung einen Arbeitsstab mit Überlegungen betraut, Olaf Zimmermann möglichkeiten, die das Netz bietet. Das Internet ist der – unter Einbeziehung der europäischen und in- Nr. / ist Herausgeber eine Chance für die kulturelle Vielfalt. Daher müssen ternationalen Dimension – im ersten Halbjahr  ISSN - 4:V;n4:l;v von Politik & Kultur wir die europäischen Kulturakteure, Künstler wie seine Ergebnisse präsentieren soll. Diese breite Pa- B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL Fortsetzung von Seite 

Sommertheater Kulturelles Projekt Europa wert, sei es das Förderprogramm oder Förderung des künstlerischen Der jungen Generation Zugang zu den Olaf Zimmermann 01 Johannes Ebert 19 Kreatives Europa oder der Vorschlag, Nachwuchses: Die Belange der Jugend schönen Dingen dieser Welt ermögli- Kulturinvesti tionen durch die Struk- bilden eine zentrale Zielsetzung mei- chen heißt, sie auf die Zukunft vorbe- Europäische Kulturpolitik turfonds zu fördern. nes Ministeriums, meines Handelns. reiten. Den Nachwuchskünstlern Raum LEITER heute Frankreich und Deutschland haben zur Entfaltung ihrer Kreativität bieten Xavier Darcos 19 ein reiches Kulturerbe, ein vielfälti- heißt, ihnen Luft zum Atmen geben. Kulturelle Vielfalt in ges kulturelles Leben und zahlreiche Mit dem Aufbau der Europäischen Europa 50 Jahre Deutsch-Französische talentierte Künstler. Beide gelten un- Union entstehen allmählich immer tie- Aurélie Filippetti 01 Jugendwerk und noch kein bestritten als treibende Kraft bei der fere Bindungen zwischen den Völkern, graues Haar in Sicht Kulturförderung in Europa. Franzosen die Menschen wachsen zusammen und Kultur bildet 02 Markus Ingenlath 20 wie Deutsche, aber auch alle anderen gestalten nach und nach eine europäi- europäischen Völker sind stark in der sche Kultur. Dieser so wichtige Prozess Mommert meint eigenen Kultur und Identität verwurzelt. muss in der Achtung der Kulturen erfol- AKTUELLES Wilfried Mommert 20 Beide Länder haben öff entliche und gen, die Europa ausmachen. Kulturelle private Instrumente zur Förderung Vielfalt ist nicht nur ein französisches Viel zu tun Die Rolle des Deutsch- des kulturellen und künstlerischen oder ein deutsches Anliegen, sie ist ein Gabriele Schulz und Französischen Kulturrats Schaff ens in all seiner Vielfalt und all wesentliches Fundament Europas. Olaf Zimmermann 03 Jacques Toubon 21 seinem Reichtum eingerichtet. In der Alle Mitgliedstaaten, alle Länder, Gestaltung gibt es dies- und jenseits die der Europäischen Union beitreten Der Nachbar als Spiegel des Rheins zwar Unterschiede, doch bei möchten, ungeachtet ihrer Größe oder INLAND Jean-Michel Guy 22 den Zielen verfolgen wir dieselbe Li- ihrer Geschichte, sind eng mit der eige- nie: Wir wollen erreichen, dass so viele nen Kultur und Identität verbunden. Es Rasenmäher oder Menschen wie möglich an der Kultur ist an uns, zu handeln und unsere Part- Schwerpunktbildung MEDIA teilhaben können und dass die Kultur- ner zum Handeln zu bewegen, damit Ingolf Deubel 04 schaff enden frei arbeiten und davon eine Kultur entsteht, die unser Eigen ist. Was ist ein Fernsehkanal? leben können. Das ist unsere Verantwortung.

Zwischen Wunsch und Helmut Hartung 22 Die Kulturpolitik, die ich verfolge, MCC / PLOWY DIDIER FOTO: Wirklichkeit richtet sich an erster Stelle an die jun- Aurélie Filippetti ist seit Mai  Aurélie Filippetti ist Ministerin für Manuela Lück 05 Die GamesCom schwächelt gen Menschen. Ob kulturelle Bildung französische Kulturministerin Kultur und Kommunikation Felix Zimmermann 23 Neue Landeskulturpolitik 06

Die Schriftsteller und die NETZKULTUR Gesellschaft Max Fuchs 07 Warten auf die Wissenschaftsschranke Kultur bildet! Frank Simon-Ritz 24 WEITE WELT Dialogplattform Kulturelle • die Verbesserung der Teilhabe an fentlichkeit. Es soll ein Internetportal Wahrnehmung und Bildung kultureller Bildung, zur kulturellen Bildung aufgebaut wer- Mit exzellenter Vernetzung Aufmerksamkeit • die stärkere Verankerung des lebens- den, dass soll die bestehenden Infor- im Osten viel Neues Bruno Kramm 24 langen Lernens in der kulturellen Bil- mationen zu Fragen und Projekten der Judith Lewonig 08 eit Juli dieses Jahres bearbeitet dung, kulturellen Bildung bündelt, zusam- der Deutsche Kulturrat mit Un- • die Identifi zierung von übergreifen- menführt und so für den Nutzer eine Verhängte Ansichten WISSENSWERTES S terstützung des Bundesministe- den Fragestellungen, Wegweiserfunktion übernehmen soll. Reinhard Baumgarten 09 riums für Bildung und Forschung die • den Transfer von guten Beispielen in Darüber sollen auf der Internetplatt- Tragende Säule der Dialogplattform Kulturelle Bildung. die Praxis, form weiterführende Informationen Künstlersozialversicherung Ziel des Projektes ist es, zum einen die • die Information über europäische und zur kulturellen Bildung bereit gehalten KULTURELLE Rainer Fuchs 25 an kultureller Bildung interessierte internationale Entwicklungen. werden, die zum einen der interessier- BILDUNG Öff entlichkeit regelmäßig mit aktuel- ten Öff entlichkeit einen ersten Einstieg Blätterrauschen: Musikforum len Informationen zu Angeboten und Modul  wird eine Beilage zum The- vermitteln, zum anderen über aktuelle Bildung in Deutschland Andrea Wenger 25 ma kulturelle Bildung in dieser Zeitung Forschungsvorhaben informieren. 2012 sein. Der fachliche Austausch soll durch Modul  sind schließlich öff entliche Birgit Wolf 10 Kurznachrichten 26 Vernetzung von Zivil- diese Beilage unterstützt und weiter für Veranstaltungen. Hier sollen gelungene gesellschaft, Stiftun- das Thema kulturelle Bildung sensi- Projekte mit einer langfristigen Wir- Die dOCUMENTA 13 Karikatur 26 bilisiert werden. Aktuelle Entwicklun- kung aus dem Feld der kulturellen Bil- Max Fuchs 11 gen, Kirchen, Bund gen der kulturellen Bildung sollen aus dung vorgestellt oder auch kontroverse und Ländern verschiedenen Perspektiven debattiert, Diskussionen zum Themenbereich ge- neue Forschungsergebnisse vorgestellt führt werden. KULTURELLES DOSSIER ISLAM · und Projekte präsentiert werden. In LEBEN KULTUR · POLITIK Akteuren der kulturellen Bildung zu monothematischen Beilagen sollen Mehr zu den Zielen und zur Arbeit der versorgen. Zum anderen richtet sich die Fragestellungen gezielt vertieft werden. Dialogplattform Kulturelle Bildung Im Kontext unserer Zeit Die Moschee als Aufgabe der Dialogplattform Kulturelle Bildung an Modul  richtet sich an die breitere wird in der nächsten Ausgabe von Poli- Margot Käẞmann 12 Stadtplanung einen Expertenkreis, um den fachlich- an kultureller Bildung interessierte Öf- tik & Kultur zu lesen sein. Reinhold Zemke 01 inhaltlichen Diskurs zur Kulturellen SaatGut – Fundraising für Bildung weiter voranzutreiben und die Soziokultur Normalität im Zusammenleben so gewonnenen Erkenntnisse wieder- Ellen Ahbe 12 ist das Ziel um der Zivilgesellschaft zur Verfügung Stefanie Ernst im Gespräch zu stellen. Sie soll der Vernetzung von Die Rote Liste 13 mit Erol Pürlü 02 Zivilgesellschaft, Stiftungen, Kirchen, Kommunen, Bund und Ländern dienen. Das Wichtigste Drei Namen, eine Autorin Kubus, Kuppel, Konfl ikt Die Dialogplattform Kulturelle Bildung Andreas Kolb 14 Claus Leggewie 03 besteht aus vier Modulen, die jeweils zur Kulturpolitik Jetzt unterschiedliche Zielgruppen in den testen! Das hätte Friedrich II. Stadtteilentwicklung als Blick nehmen. Fordern Sie Ihr gratis Probe-Exemplar an! gefallen gesellschaftliches Projekt Modul  ist ein Arbeitskreis Kultu- Per Telefon:  .    , Fax:  .     Georg Ruppelt 14 Gabriele Steff en 05 relle Bildung, der sich zu regelmäßig oder E-Mail: [email protected]. stattfi ndenden Fachgesprächen triff t. Kulturmensch Islam · Kultur · Politik Er dient in besonderem Maße dem Stéphane Hessel 14 Olaf Zimmermann und Olaf Hahn 06 fachlichen Diskurs. Zu den Mitgliedern zählen Vertreter aus Fachverbänden der kulturellen Bildung, der Wissenschaft,

50 JAHRE ÉLYSÉE der für kulturelle Bildung zuständigen 50 Jahre Élysée-Vertrag VERTRAG Bundesministerien, der Länder, der Deutschland DER AUSBLICK 6  Religionsgemeinschaften, der freien , € 5 

Blickpunkt Frankreich Wohlfahrtspfl ege und der Migranten- www.politikundkultur.net Olaf Zimmermann 15 Zeitung des Deutschen Kulturrates Die nächste Politik & Kultur organisationen. Die Treff en sollen u.a. Moscheebau In dieser Ausgabe: Freundschaft Ein Ärgernis oder ein Zeichen Margot Käßmann Kultur bildet Die deutsch-französische erscheint am . November . einen Beitrag leisten zur Diskussion Ländersache der Integration? Generell- eine Michael Link Der Bildungsbericht  steht Freundschaft währt nun fast  städtebauliche Herausfor Die Ansprüche steigen. Die Doris Pack ganz im Zeichen der kulturellen Jahre. Ein halbes Jahrhundert - derung: der Moscheebau in Deutsch-französische In der Ausgabe / widmen und Refl ektion über: Bundesländer sind mit weniger Bildung. Die documenta  stellt enger (kultur)politischer Bezie Deutschland. Seiten  bis  Bénédicte Savoy Menschen, knappen Kassen und- Besucherrekorde auf. hungen. Seiten  bis  Jacques Toubon hohen Kulturausgaben konfron Seiten  und  tiert. Seiten  bis  Kulturbeziehungen wir uns im Schwerpunkt den Aus- • die aktuelle Verwendung und Kon- und viele andere

Doris Pack 16 wirkungen und der Strahlkraft notation des Begriff s der Kulturellen Sommertheater - Dieser Sommer war nicht nur wetterl des . Vatikanischen Konzils auf Bildung, mäßig durchwachsen. Auch kulturel gab es wenig Höhepunkte dafür aber manche Untiefen. - Einen kulturellen Tiefpunkt er Der Andere in uns Kunst und Kultur. Zudem erscheint • die Beförderung des interdisziplinä- reichte die dokumenta . Sie war piefig und uninspiriert. Das tat aber- den Besucherströmen keinen Ab- Bénédicte Savoy 17 erstmals unsere neue Beilage zum ren Austauschs, bruch. Im Gegenteil, ein Besucher rekord jagte den nächsten. Und da die Masse nicht irren kann, wird die- dokumenta  wohl als ein Erfolg be Thema kulturelle Bildung, die • die Zusammenarbeit mit Migranten- wertet werden. Schon traditionell gehört zum Sommer der Aufreger zur Eröffnung Glücklich über das Bestandteil des aktuellen Projekts organisationen, der Wagner Festspiele in Bayreuth. Die Wagners, die auch weiterhin mit- Unterstützung der bayerische Staats regierung und der Bundesregierung Erreichte »Dialogplattform Kulturelle Bil- • die Stärkung der Zusammenarbeit ihren familiären Egotrip auf dem- Grünen Hügel ausleben dürfen, mau ern standfest bei der Aufarbeitung der Michael Link 18 dung« des Deutschen Kulturrates von Schule und außerschulischen befleckten Geschichte der Festspiele. Zum diesjährigen Sommertheater gehörte auch der Museumsstreit in- ist. Einrichtungen, Berlin. Von einer geplanten «Ver Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  AKTUELLES 03

Künstlersozialabgabe ins Feld geführt und argumentiert, dass der deutsche Kunst- Viel zu tun handel gegenüber seinen europäischen Konkurrenten benachteiligt wird. Sollte Ein Jahr vor der Bundestagswahl wird die Kulturpolitik noch einmal richtig spannend der Abgabesatz sich weiter nach oben entwickeln, droht der mühsam errungene OLAF ZIMMERMANN UND gen Rechtsstreitigkeiten auch anerkannt, gehegt oder geweckt, sondern die Kraft da- Mehrwertsteuer, »Waff enstillstand« zwischen Künstler- und GABRIELE SCHULZ dass private Musik- und Ballettschulen rauf verwendet werden, die Zeit zu nutzen, Urheberrecht, Verwerterseite wieder zu wackeln. Rainer einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung für die nächste Wahlperiode konkrete Vor- Fuchs setzt sich in diesem Heft mit dem n gut einem Jahr befi nden wir uns des künstlerischen Nachwuchses leisten, schläge im Urheberrecht auszuarbeiten, die Soziale Siche- Thema auseinander. Kulturstaatsminister wenige Wochen vor der Bundes- da für diese Berufe bereits im Kindesal- dann auch umgesetzt werden können. Zu- rung – viele und der Parlamentarische tagswahl. Vorausgesetzt , dass es ter die Ausbildung beginnen muss. Ein gleich könnten in dieser Wahlperiode noch Baustellen in der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsmi- I die Regierungskoalition noch kleiner Teil derjenigen, die eine private kleinere Vorhaben wie die bereits erwähnte Kulturpolitik nisterium Hans-Joachim Otto hatten im schaff t, rechtzeitig den Entwurf für ein Musik- oder Ballettschule besuchen, wählt Regelung zu verwaisten und vergriff enen März dieses Jahres den Vorschlag einer neues Wahlgesetz vorzulegen, dieses im schließlich die künstlerische Laufbahn. Werken oder auch die Ausdehnung der Hin- Erhöhung des Bundeszuschusses auf  Deutschen Bundestag durchzusetzen und Nach langen Auseinandersetzungen wurde terlegungspfl icht bei gesetzlichen Vergü- Prozent ins Spiel gebracht. Dieser Vor- dann auch noch vor dem sicherlich wieder die steuerliche Privilegierung der privaten tungsansprüchen auf Tarifstreitigkeiten schlag gewinnt an zusätzlichem Reiz, angerufenen Bundesverfassungsgericht in Ballett- und Musikschulen nicht zuletzt endlich auf den Weg gebracht werden. Hier wenn ein Blick auf den Abgabesatz und Karlsruhe zu bestehen, wird im September durch den massiven Einsatz der Kultus- hatte bereits die Enquete-Kommission des die dramatisch schmelzenden Rücklagen  der . Deutsche Bundestag gewählt ministerkonferenz vor gut zehn Jahren Deutschen Bundestags »Kultur in Deutsch- bei der Künstlersozialkasse geworfen wird. werden. Und in den Parteien wird bereits durchgesetzt und funktioniert seither. Im land« Handlungsbedarf angemeldet, der Positiv sind die Anstrengungen im Be- mächtig mit den Hufen gescharrt, wer Entwurf zum Jahressteuergesetz  ist vom Deutschen Kulturrat mit Nachdruck reich der kulturellen Bildung. Hier scheint welchen Listenplatz bekommen soll und nun vorgesehen, dass die Steuerbefreiung unterstützt wurde. sich geradezu ein Wettbewerb der Bun- wie die Wahlaussichten sind. Dennoch, ein nur noch unter eng begrenzten Vorausset- Mit der Einbeziehung der Selbststän- desressorts anzubahnen, wer am meisten knappes Jahr hat die Koalition noch Zeit, zungen möglich sein soll. Zu diesen Vor- digen in die gesetzliche Rentenversiche- für die kulturelle Bildung tut. Öffent- Kulturpolitik zu gestalten und vieles gibt aussetzungen soll unter anderem gehören, rung wird es in der Legislaturperiode wohl lichkeitswirksam verteidigte Bundesar- es noch zu tun. dass keine systematische Gewinnerzielung nichts mehr werden. Bundesarbeitsmi- beitsministerin von der Leyen im letzten Vertändelt wurde die Chance mit einer angestrebt werden darf, wenn der erteil- nister von der Leyen verfolgt hier einen Jahr ihre Bildungsgutscheine. Statt einer Regelung zur digitalen Zugänglichma- te Unterricht auch zur Freizeitgestaltung Zickzackkurs, der es schwer macht zu er- Erhöhung der Regelsätze für Kinder von chung verwaister und vergriff ener Werke, dient. Dieses stellt nun alle wirtschaft- kennen, wohin die Reise gehen soll. Un- Empfängern von Arbeitslosengeld II soll- europaweit Maßstäbe zu setzen und den lichen Grundsätze auf den Kopf. Denn tersuchungen belegen, dass gerade in der ten die Bildungsgutscheine dazu dienen, Bibliotheken die Möglichkeit zu geben, natürlich muss eine private Musik- oder Kultur- und Kreativwirtschaft die Zahl der Kindern aus sozial schwächeren Familien rechtssicher die Bestände zu digitalisieren Ballettschule eine Gewinnerzielungsab- Selbstständigen deutlich steigt und gleich- auch die Teilhabe an kultureller Bildung und zugänglich zu machen. Hier wäre ein sicht verfolgen, ansonsten wäre sie kein zeitig die der sozialversicherungspfl ich- zu ermöglichen. Mit glänzenden Augen wichtiger Beitrag zur Wissensgesellschaft Unternehmen. Da wiederum die privaten tig Beschäftigten zurückgeht. Ein Teil der wurde davon gesprochen, dass auch Kinder zu leisten gewesen und Deutschland hät- Musikerzieher, die vielfach auf Honorarba- Selbstständigen aus der Kultur- und Krea- aus sogenannten Hartz-IV Familien mit Hilfe der Bildungsgutscheine die Musik- schule besuchen können. Abgesehen davon, dass die Wartelisten für Plätze an Musik- schulen einen schnellen Zugang nicht einfach machen, scheinen die Angebote der kulturellen Bildung nicht präferiert zu werden, wenn es um den Einsatz der Bil- dungsgutscheine geht. Hier ist nach zwei Richtungen zu fragen: Zum einen schei- nen sich insgesamt die Erwartungen an die Wirkungsweise der Bildungsgutscheine nicht zu erfüllen, zum anderen ist es für Akteure der kulturellen Bildung off enbar nicht einfach sozial Benachteiligte zu er- reichen. Das wird auch der Prüfstein bei den Bündnissen für Bildung zu sein, die von Bundesbildungsministerin Schavan gefördert werden. Ende Juli endete hierfür

FOTO: TUBE / PHOTOCASE.COM / TUBE FOTO: die Ausschreibungsfrist. Ziel des Förder- programms »Kultur macht stark – Bünd- te sich beim Aufbau einer europaweiten sis an privaten Musikschulen unterrichten, tivwirtschaft ist in der Künstlersozialver- nisse für Bildung« ist es, auf der lokalen digitalen Bibliothek als treibende Kraft von der Umsetzsteuer befreit sind, entsteht sicherung versichert, andere können sich Ebene Bildungsbündnisse zu ermöglichen, erweisen können. Auch wäre es möglich weitere Verwirrung. Es wird im Zuge der für das Alter in berufsständischen Versor- die kulturelle Bildungsangebote für sozi- gewesen, damit Konzernen wie Google Beratungen des Jahressteuergesetzes  gungswerken absichern. Es bleibt aber eine al benachteiligte Kinder und Jugendliche und ihren Anstrengungen zur ungefrag- erforderlich sein, Licht in das Wirrwarr Versorgungslücke für diejenigen, die die außerhalb der Schule unterbreiten. Die ten Digitalisierung von Werken den Wind der umsatzsteuerlichen Einstufung von Kriterien zur Aufnahme in die Künstlerso- Idee dahinter ist, dass vor Ort die ver- aus den Segeln zu nehmen. Schade, abge- privaten Musik- und Tanzerziehern bzw. zialversicherung nicht erfüllen und nicht schiedenen Akteure zusammenarbeiten stimmte Vorschläge aus dem Kulturbereich Musik- und Ballettschulen zu bringen und in einem berufständischen Versorgungs- und ihre jeweiligen Stärken einbringen. lagen vor, die einen tragfähigen Kompro- für eine adäquate Lösung zu streiten. Hier werk Mitglied werden können. Die Idee, Für die Akteure der kulturellen Bildung miss der verschiedenen Interessengruppen sind sowohl Kulturstaatsminister Bernd Selbstständige, wie es in anderen europäi- wird es eine Chance sein, ihre fachlichen darstellten und der Bundesregierung auf Neumann als auch der Parlamentarische schen Ländern längst üblich ist, in das Sys- Kompetenzen in der kulturellen Bildung dem Silbertablett serviert wurden. Tak- Staatssekretär im Bundeswirtschaftsmi- tem der gesetzlichen Rentenversicherung in die Bündnisse einzubringen, um dann tisch nicht ganz so klug hat die SPD-Bun- nisterium Hans-Joachim Otto gefragt, einzubeziehen, ist daher im Kern richtig beispielsweise von den Erfahrungen der destagsfraktion diesen Vorschlag Eins zu die mit der gemeinsamen Initiative Kul- und begrüßenswert. Mit Blick auf die zu Wohlfahrtsverbände in der sozialen Arbeit Eins übernommen und damit letztlich für tur- und Kreativwirtschaft diesen Bereich zahlenden Beiträge müssen allerdings profi tieren zu können. Mit deutlich weniger die Regierungskoalition verbrannt. Jetzt eigentlich stärken wollen. Zweifelsohne die besonderen Bedingungen der Selbst- fi nanziellem Engagement, aber nicht we- hat die Europäische Kommission einen gehören private Musik- und Ballettschu- ständigen im Blick gehalten werden. Von niger wirkungsvoll verfolgt Kulturstaats- Vorschlag vorgelegt und Deutschland hat len zur Kulturwirtschaft auch wenn sie Seiten des Bundesministeriums für Arbeit minister Neumann das Thema kulturelle sich nicht als Schrittmacher erwiesen. vielleicht weniger publicity-trächtig sind und Soziales wurde stets unterstrichen, Bildung. In diesem Jahr wird zum vierten Die EU-Kommission treibt auch in als der im Jahr  als herausragender dass es bei der gesetzlichen Rentenversi- Mal der BKM-Preis für kulturelle Bildung Sachen Mehrwertsteuer für Kulturgüter Kreativpilot von der Initiative Kultur- und cherungspfl icht für Selbstständige gerade verliehen. Zum anderen werden Modellpro- die Koalition. Anfang des Jahres erklärte Kreativwirtschaft ausgezeichnete Erfi nder auch um jene Selbstständigen geht, die ein jekte zur künstlerisch-kulturellen Bildung sie unmissverständlich, dass der europa- eines Bratwursttoasters. kleines Einkommen haben und daher dro- gefördert. Kein Aufheben von dem Thema rechtswidrige ermäßigte Umsatzsteuersatz Gefragt ist diese Initiative letztlich hen in die Altersarmut zu rutschen. Wenn macht Bundesfamilienministerin Kristina für den Kunsthandel in Deutschland von auch in Sachen Urheberrecht. Der Deutsche dieses Ziel ernsthaft verfolgt wird, müssen Schröder, obwohl sie mit der Verantwor- ihr nicht mehr akzeptiert wird und daher Kulturrat hat bereits vor Jahren unterstri- die Beiträge so bemessen sein, dass sie tung für den Kinder- und Jugendplan des zum . Januar  der volle Mehrwertsteu- chen, dass das Urheberrecht das Marktord- auch fi nanzierbar sind. Die als Gerücht Bundes und den Bundesaltenplan zwei För- ersatz beim Verkauf von Kunstwerken über nungsrecht der digitalen Welt ist. Erfolg kursierenden Monatsbeiträge von bis zu derinstrumente in der Hand hat, mit denen den Handel erhoben werden muss. Welche kulturwirtschaftlicher Unternehmen ist  Euro Rentenversicherungsmindest- nachhaltig die Strukturen der kulturellen anderen Formen das Steuerrecht bietet, auch davon abhängig, dass die geschaff e- beitrag sind gerade für Existenzgründer Bildung unterstützt werden. Aber vielleicht um entstehende Wettbewerbsnachteile des nen Werke ökonomisch verwertet werden nicht aufzubringen. wird sie durch den Wettbewerb der anderen deutschen Kunsthandels auszugleichen können. Dass das bestehende Urheber- Mit gemischten Gefühlen ist die ge- doch noch angestachelt, denn dieser soll wird derzeit ausgelotet. Viel Zeit bleibt recht hierfür angepasst werden muss, ist plante Anhebung des Abgabesatzes zur bekanntlich ja das Geschäft beleben. nicht mehr, bis zum Ende dieses Jahres unstreitig – manche sprechen sogar vom Künstlersozialversicherung zu sehen. Ei- Ein gutes Jahr vor der Wahl wird es muss eine Lösung gefunden werden. Erfordernis eines neuen Urheberrechts nerseits ist eine Anhebung von , Prozent spannend, was die Regierung noch vor hat, Für Aufregung sorgt derzeit die ge- für die digitale Welt – es muss aber auch auf , Prozent ein kleiner Schritt, der als aber auch welche kulturpolitischen Pers- plante Regelung im Jahressteuergesetz, passieren. Dass in dieser Legislaturperio- normal zu verkraftende Schwankung an- pektiven die Opposition für die nächste Le- die Umsatzsteuerbefreiung privater Mu- de von Seiten der Bundesjustizministerin gesehen werden kann. Andererseits darf gislaturperiode entwirft. Wir sind gespannt sik- und Tanzschulen aufzuheben. Priva- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der diese Anhebung nicht der Vorbote für ein auf einen kulturpolitisch heißen Herbst. te Musik- und Tanzschulen, die ähnliche seit langem angekündigte Korb III Urhe- erneutes Hochschnellen des Abgabesatzes Aufgaben wie öff entliche Einrichtungen berrecht in der Informationsgesellschaft sein. Bereits in der Debatte zur Abschaf- Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des übernehmen, können auf Antrag von der vorgelegt wird, kann langsam dem Reich fung des ermäßigten Mehrwertsteuersat- Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz Umsatzsteuer befreit werden. Damit wurde der Legenden zugewiesen werden. Eigent- zes für den Kunsthandel wurde von Seiten ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Anfang des letzten Jahrzehnts nach lan- lich sollten auch keine Erwartungen mehr des Kunsthandels die Belastung durch die Deutschen Kulturrates. 04 INLAND www.politikundkultur.net

Rasenmäher oder Schwerpunktbildung Ist das jetzige hohe Niveau der Kulturausgaben in den neuen Ländern dauerhaft fi nanzierbar?

INGOLF DEUBEL mit  Euro pro Einwohner noch unter hiervon die jeweiligen Vorbelastungen die Sonder- und Zusatzrenten aus der stellt, dass im Zieljahr  der konso- dem Niveau von Sachsen-Anhalt und aus Zinsen und Beamtenversorgung DDR-Zeit auch zukünftig sehr deutlich lidierte Haushalt des Landes und seiner ei einem Vergleich des Einsatzes sogar die sehr fi nanzstarke Hansestadt einschließlich der Länderanteile für unter denen der alten Länder bleiben Kommunen genau ausgeglichen ist. öff entlicher Finanzierungsmit- Hamburg bleibt noch um sechs Cent pro die Zusatz- und Sonderrenten aus der werden, führt dies bei den nach Zin- Die anderen neuen Länder und B tel im Jahr  in den  Flä- Einwohner haarscharf hinter Sachsen DDR-Zeit ab, so verblieben den neuen sen und Versorgung noch verfügbaren ihre Kommunen müssen dagegen ihre chenländern wird sofort deutlich, dass zurück. Lediglich das Land Berlin leistet Ländern für alle Aufgaben zusammen Einnahmen zu erheblichen Verschie- Haushalte bis zum Jahr  zur Ein- die neuen Länder und ihre Kommunen sich mit  Euro pro Einwohner noch im Durchschnitt . Euro, den steu- bungen zugunsten der neuen Länder. haltung der Schuldenbremse real noch mit durchschnittlich  Euro pro Ein- mehr Ausgaben für Kultur als Sachsen erstärkeren alten Flächenländern . Aufgrund seiner außerordentlich erheblich reduzieren, nämlich jahres- wohner erheblich mehr Geld für die und ist damit zugleich auch (zumin- Euro und den steuerschwächeren . soliden Haushaltspolitik weist dabei durchschnittlich in Sachsen-Anhalt Kultur bereitstellen als die alten Flä- dest im Hinblick auf die eingesetzten Euro pro Einwohner. Die tatsächlich um , Prozent, in Thüringen um , chenländer, die im Durchschnitt nur  Finanzmittel) die Kulturhauptstadt der verfügbaren Mittel der neuen Länder Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern Euro pro Einwohner einsetzen. Bundesrepublik Deutschland. lagen im Jahr  also um  Prozent um , Prozent und in Brandenburg um Als Maßstab für diesen Vergleich Begreift man Kultur nicht als (über- über denen der steuerschwächeren und Konsolidierungs- , Prozent. Dagegen können die drei wird dabei die Diff erenz aus den be- fl üssigen) Luxus, sondern als wichtigen um  Prozent über denen der steuer- notwendigkeiten steuerstarken alten Flächenländer ihre reinigten Ausgaben und den unmit- Standortfaktor, um Einwohner und Un- stärkeren alten Flächenländer. Von der Kulturhaushalte Ausgaben im gleichen Zeitraum um jah- telbaren Einnahmen nach der Rech- ternehmen zu binden bzw. zu gewinnen, daher sind die heutigen, höheren Kul- resdurchschnittlich , Prozent steigern, nungsstatistik des öff entlichen Gesamt- so erscheint das hohe Engagement der turausgaben der neuen Länder zunächst während die Haushalte der fünf steuer- haushalts der Länder, einschließlich neuen Länder im Kulturbereich durch- einmal (mit Ausnahme von Sachsen) schwächeren alten Flächenländer (auf- der Kommunen und Zweckverbände aus rational und auf längere Sicht auch weniger als eine bewusste und gewollte Sachsen die geringsten Schulden und grund der hohen Ausgangsdefi zite im des Jahres  im Kulturbereich (ohne erfolgversprechend. Die entscheidende Prioritätensetzung zugunsten der Kul- Versorgungsausgaben aller Länder auf Jahr ) im Durchschnitt real genau Volkshochschulen, aber mit Kirchen), Frage ist dabei, ob die neuen Länder tur anzusehen, sondern beruhen vor und wird deshalb im Jahr  nach konstant bleiben müssen. herangezogen. Besonders die Länder rein fi nanziell gesehen auch zukünftig allem auf der zurzeit noch wesentlich Zinsen und Versorgung mit verfügba- Welche Konsequenz hat diese vor- Sachsen mit  Euro, Sachsen-Anhalt noch in der Lage sein werden, den Kul- günstigeren Finanzausstattung. ren Mitteln von rund . Euro pro aussichtliche Entwicklung für die neu- mit  Euro und Thüringen mit  turbereich weit überdurchschnittlich zu Bis zum Jahr  werden die Son- Einwohner mit Abstand den Spitzen- en Länder? Es ist off ensichtlich, dass Euro pro Einwohner liegen mit ihrem dotieren. Um diese Frage fundiert zu derförderungen für die neuen Länder platz aller  Flächenländer einnehmen. Sachsen sein hohes Niveau bei den Kul- Kulturengagement weit vor den drei beantworten, muss man sich intensiv allerdings fast vollständig abgebaut Dahinter folgen die drei steuerstarken turausgaben beibehalten, möglicher- besonders fi nanzstarken alten Ländern mit den heutigen und den zukünftigen sein. Um die Einnahmen der Länder alten Flächenländer mit durchschnitt- weise sogar noch weiter ausbauen kann. Baden-Württemberg und Hessen mit fi nanziellen Rahmenbedingungen der und ihrer Kommunen im Jahr  lich . Euro pro Einwohner. Aber Und genauso off ensichtlich ist, dass die jeweils  Euro und Bayern mit  Euro. neuen Länder und ihrer Kommunen abzuschätzen, sei unterstellt, dass der auch die anderen neuen Länder Meck- Gesamthaushalte in Sachsen-Anhalt, Fast gleichauf mit diesen drei Ländern beschäftigen. Länderfi nanzausgleich (der in seiner lenburg-Vorpommern mit . Euro, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern folgen dann bereits Brandenburg mit  Aktuell erhalten die neuen Länder jetzigen Form eigentlich  ausläuft) Thüringen mit . Euro, Brandenburg und Brandenburg gegenüber dem heu- Euro und Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen des Solidarpakts II noch im Wesentlichen unverändert bleibt. mit . Euro und Sachsen-Anhalt mit tigen Niveau deutlich reduziert wer- mit  Euro pro Einwohner. erheblich höhere Mittel als die alten Schreibt man die Steuerschätzung vom . Euro dürften ebenfalls noch deut- den müssen. Vermutlich werden diese Hinter den fünf neuen und den drei Länder. Nach Länderfi nanzausgleich, Mai  (die bis zum Jahr  reicht) lich über den fünf steuerschwächeren Konsolidierungsnotwendigkeiten auch steuerstarken alten Ländern klafft für die Folgejahre mit Zuwachsraten alten Flächenländern liegen, die im an den Kulturhaushalten dieser vier zu den fi nanzschwächeren alten Flä- von jährlich , Prozent fort, so liegen Durchschnitt lediglich über . Euro Länder nicht vorbei gehen können. Wie chenländern eine gewaltige Lücke. Neue Länder stellen die Steuereinnahmen der neuen Länder pro Einwohner verfügen können. Bei tief die Einschnitte sein müssen, hängt Die Kulturetats und die Kulturver- und ihrer Kommunen nach dem föde- der Interpretation der Pro-Einwohner- allerdings vorwiegend davon ab, wel- antwortlichen in Nordrhein-Westfa- erheblich mehr Geld ralen Finanzausgleich im Jahr  Werte ist allerdings zu bedenken, dass che Konsolidierungsstrategien sich in len und Rheinland-Pfalz mit jeweils für die Kultur bereit bei durchschnittlich rund . Euro die neuen Länder bis zum Ende des den einzelnen Ländern durchsetzen. In  Euro, im Saarland mit  Euro, in pro Einwohner. Die Steuereinnahmen Jahrzehnts auch weiterhin noch deut- der Variante  wird vor allem bei den Schleswig-Holstein mit  Euro und der steuerstärkeren alten Flächenlän- lich an Einwohnern verlieren werden. sogenannten »freiwilligen Ausgaben« schließlich in Niedersachsen mit  den allgemeinen Sonderzuweisungen der erreichen dagegen ca. . Euro Gemessen an den in den Ländern und in den Bereichen Kultur, Sport und Er- Euro pro Einwohner können deshalb durch den Bund und den überproporti- und die der steuerschwächeren alten ihren Kommunen insgesamt tatsächlich holung überproportional gekürzt, in von Verhältnissen wie in Sachsen oder onalen Zweckzuweisungen im Rahmen Flächenländer etwa . Euro pro nach Zinsen und Versorgung eingesetz- der Variante  wird in allen Bereichen auch Sachsen-Anhalt und Thüringen des sogenannten Korbs II verfügten die Einwohner. Von daher rutschen die ten Finanzmitteln des Jahres , kann gleichmäßig nach der sogenannten nur träumen. Mit durchschnittlich  neuen Flächenländer einschließlich ih- auch weiterhin sehr steuerschwachen deshalb von den neuen Ländern ledig- »Rasenmähermethode« gekürzt und Euro pro Einwohner setzen die steuer- rer Kommunen im Jahr  nach der neuen Länder noch deutlich hinter die lich Sachsen bis zum Jahr  seine in der Variante  wird für die sogenann- schwächeren alten Flächenländer und Kassenstatistik im Durchschnitt über steuerschwächeren alten Flächenlän- Ausgaben real (d.h. um eine erwartete ten »pfl ichtigen Aufgaben« konsequent ihre Kommunen gerade einmal  Pro- Einnahmen aus Steuern und zusätzli- der ab. Da allerdings die Verschuldung Preissteigerungsrate von jährlich , das heutige durchschnittliche Niveau zent der durchschnittlichen Mittel der chen Leistungen aus dem Solidarpakt II und vor allem die Versorgungsausgaben Prozent bereinigt) im Durchschnitt der steuerschwächeren alten Flächen- neuen Länder ein. Der ebenfalls recht von . Euro pro Einwohner, die alten der neuen Länder im Jahr  auch nochmals um , Prozent pro Jahr länder als Zielmaßstab verwendet. Bei fi nanzschwache Stadtstaat Bremen liegt dagegen nur über . Euro. Zieht man bei Einbeziehung des Länderanteils für steigern. Bei dieser Rechnung ist unter- der Variante  würde das Niveau für die Kulturausgaben massiv absinken müssen und könnte sogar die Werte der steuerschwächeren alten Flächen- länder erreichen oder gar noch unter- schreiten. Bei der Variante  würden sich die Kulturausgaben auf einem Niveau zwischen den steuerstärkeren und den steuerschwächeren alten Flä- chenländern einpendeln. Nur bei der Variante , die zumindest in Sachsen bereits weitgehend realisiert ist, könn- te der Kulturbereich auch in den an- deren neuen Ländern seinen heutigen Stellenwert behalten. Voraussetzung wäre natürlich, dass sowohl bei den Ländern als auch den Kommunen die Ausgaben für die »pfl ichtigen Bereiche« konsequent auf das Niveau der steu- erschwächeren alten Flächenländer abgesenkt würden und zugleich eine entsprechende politische Prioritäten- bildung zugunsten des Kulturbereichs stattfände. Nur wenn diese Schwerpunktsetzung politisch gewollt und konsequent um- gesetzt würde, könnten die Kulturhaus- halte in Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch in Brandenburg und Meck- lenburg-Vorpommern, ihr heutiges weit überdurchschnittliches Niveau auch dauerhaft im Wesentlichen beibehal- ten. Gelingt diese Schwerpunktbildung nicht oder werden andere Prioritäten gesetzt, so wird sich das heutige hohe Niveau der Kulturausgaben auf keinen Fall halten lassen.

Ingolf Deubel war bis  Finanz- minister von Rheinland-Pfalz und ist

FOTO: FOTOLIZIÖS / PHOTOCASE.COM / FOTOLIZIÖS FOTO: Honorarprofessor an der Universität Kommt die Kultur in einigen Bundesländern unter die Räder? Münster Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  INLAND 05 © LANDESHAUPTSTADT MAGDEBURG / FOTO: STADTPLANUNGSAMT MAGDEBURG STADTPLANUNGSAMT FOTO: / MAGDEBURG LANDESHAUPTSTADT © Magdeburg Altstadt, Schleinuferbrücke, Dom Treppe

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit Halbzeit im Kulturkonvent demografi sche Wandel vollzieht sich in allem im Umfeld der Kunsthochschu- besserungsvorschläge konnten bereits kussionen zu erwarten, die auf den Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt beschleunigt und triff t le Burg Giebichenstein, hat sich eine für die Förderpolitik und die Förderin- öff entlichen Konventssitzungen, aber den ländlichen Raum besonders stark. innovative und lebendige Kulturwirt- strumentarien der Kunststiftung Sach- auch im Internet mitverfolgt werden In einigen Landkreisen, u.a. Mansfeld- schaft mit den Stärken Design, Medi- sen-Anhalt, die in den letzten Monaten können. Der nächste öff entliche Kon- MANUELA LÜCK Südharz, Altmark, aber auch in Städten en und Film entwickelt. Parallel dazu sowohl von den Akteuren als auch von vent fi ndet am . September  in wie Dessau-Roßlau oder Wittenberg, verengt sich der fi nanzielle Spielraum den Medien kritisiert wurde, erarbeitet Lutherstadt Wittenberg statt. Auf er Kulturkonvent Sachsen- wird ein Bevölkerungsrückgang von bis für die Landesregierung in den nächs- werden. Dies gilt gleichermaßen für die dem Blog (www.kulturkonvent.word- Anhalt, ein bundesweit bis- zu  Prozent und ein höherer Anteil ten Jahren, was auf das geringer wer- Bereiche Landesmarketing, Kulturtou- press.com), wo sich neben aktuellen her einzigartiges kulturpo- der Älteren erwartet. Damit verändern dende Steueraufkommen aufgrund rismus und Kulturwirtschaft. Themen Informationen auch die Protokolle der D litisches Projekt, erarbeitet sich zukünftig nicht nur die Publikums- der demografi schen Entwicklung, der der nächsten Wochen und Monate, Tagungen fi nden, oder auf Facebook in einem breiten zivilgesellschaftlichen struktur und die Erwartungen an das vereinbarten Schuldenbremse, dem wenn sich der Konvent seinem Endziel, (Kulturkonvent Sachsen Anhalt), kann Forum innerhalb eines Jahres Empfeh- kulturelle Angebot, sondern werfen Auslaufen des Solidarpaktes  und den Empfehlungen nähert, werden die mitdiskutiert werden. lungen für die zukünftige Kulturent- auch Fragen der kulturellen Daseins- von EU-Mitteln zurückzuführen ist. Vor Theater und Orchester im Land sein, wicklung und Kulturförderung im Land. vorsorge und der Mobilität im ländli- diesem Hintergrund sucht der Konvent aber auch die öff entlich-rechtlichen Manuela Lück ist Referentin des Im Herbst letzten Jahres vom Landtag chen Raum auf. Zum anderen verfügt nach Antworten: Welche Kultur kann Stiftungen und das bürgerschaftliche Kulturkonvents des Landes Sachsen- einberufen, vereint der Konvent sowohl Sachsen-Anhalt über ein reiches kultu- sich ein in seinen finanziellen Mit- Engagement. Es sind spannende Dis- Anhalt Vertreter des Kulturbereiches (Museen, relles Erbe vom Mittelalter, über die Zeit teln eingeschränktes Land mit einer Bibliotheken, Theater und Orchester, der Reformation und Aufklärung bis in schrumpfenden Bevölkerung leisten? Literatur, Soziokultur, Musikschulen, die Moderne. Es fi nden sich nicht nur Welche Kooperationen und verstärkte HERAUSFORDERUNGEN FÜR Denkmalrat, Kinder- und Jugendbil- fünf UNESCO-Welterbestätten (Luther- Zusammenarbeit der Akteure und In- dung, Tourismus etc.), als auch der gedenkstätten Wittenberg und Eisleben, stitutionen sind möglich? Und können SACHSENANHALT beiden Kirchen, der Wirtschaft, der Bauhaus Dessau, Gartenreich Dessau- zusätzliche Einnahmen für den Kultur- Gewerkschaft, der Hochschulen, Vertre- Wörlitz, Quedlinburg) sowie zwei wei- bereich generiert werden? Im Januar Die . Regionalisierte Bevölkerungs- das sich tendenziell verstärkt, da ter der Jugendlichen und Senioren, der beschloss der Konvent auf seiner Klau- prognose Sachsen-Anhalt, die vom die zukünftige Müttergeneration Landtagsfraktionen, der Ministerien, surtagung eine Bestandsaufnahme zu Ministerium für Landesentwicklung zahlenmäßig schwach besetzt ist; des Landkreistages und des Städte- und erarbeiten, um einen Überblick über die und Verkehr des Landes Sachsen-An- • der Anteil der älteren Bevölkerung Gemeindebunds. Die ehrenamtliche Konkrete Stärken und Schwächen der kulturellen halt vorgelegt wurde, zeigt folgende (älter als  Jahre) wird deutlich Moderation obliegt Olaf Zimmermann, Verbesserungs- Infrastruktur im Land zu erhalten. Die Entwicklung: zunehmen; dem Geschäftsführer des Deutschen vorschläge erarbeitet Bestandsaufnahme wurde Ende Juni • wird der Anteil der Altersgruppen Kulturrates. Nach einem halben Jahr in- verabschiedet und bildet die Grundlage • bis zum Jahr  wird Sachsen- an der Gesamtbevölkerung für die tensiver Beratungen und Diskussionen für die anstehenden inhaltlichen und Anhalt im Vergleich zum Jahr  Jahre  und  verglichen, ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz. strukturellen Diskussionen im Herbst. voraussichtlich , Prozent der Be- zeigt sich folgendes Bild: Wo steht der Konvent? Welche Ziele hat tere auf der Vorschlagsliste, sondern In seinen Arbeitsgruppen beschäf- völkerung verlieren; in den Land- –  bis  Jahre:  , Prozent, er bereits erreicht und welche Themen auch unzählige Denkmale, Burgen und tigte sich der Kulturkonvent u.a. inten- kreisen wird die Bevölkerung um  , Prozent und Aufgaben liegen in den nächsten Schlösser, über  Museen und muse- siv mit dem Sächsischen Kulturraumge- , Prozent zurückgehen, in den –  bis  Jahre:  , Prozent, Monaten noch vor ihm? Die Anfangszeit umsähnliche Einrichtungen. Musikfeste setz, dessen modifi zierte Übertragung kreisfreien Städten um , Prozent;  , Prozent war geprägt vom Kennenlernen der Ak- erinnern u.a. an die reiche Musikge- eine Möglichkeit wäre, gemeinsam und • ab dem Jahr  wird Sachsen- –  Jahre und älter:  , Pro- teure untereinander und der Probleme schichte in Mitteldeutschland, die auch solidarisch Kultur im ländlichen Raum Anhalt unter  Millionen Einwoh- zent,  , Prozent und Zielkonfl ikte in der Landeskultur- neue Impulse setzten (u.a. Händelfest- zu gestalten und zu fi nanzieren. Der- ner haben (heute: , Millionen, • der Anteil der Erwerbsfähigen sinkt politik – Thema einer Arbeitsgruppe, spiele, Kurt Weill Fest u.v.a.m.). Dar- zeit wird in einem Gutachten geprüft, Stand . Mai ); laut Prognose deutlich. die ihre Ergebnisse nach einigen Wo- über hinaus bereichern Bibliotheken, ob das Modell auf die besonderen Ge- • die negative Bevölkerungsentwick- chen vorlegen konnte – und der vertief- Musikschulen, soziokulturelle Einrich- gebenheiten im Land übertragbar ist. lung ist inzwischen nicht mehr vor Das Statistische Bundesamt prognos- ten Analyse der Rahmenbedingungen, tungen und die zahlreichen Künstler Das Finanzausgleichsgesetz, das derzeit allem auf Wanderungsbewegungen tiziert für Sachsen-Anhalt bis zum die den Handlungsspielraum für den und Kunstvereine die vielfältige und von der Landesregierung neu ausge- aus Sachsen-Anhalt in andere Bun- Jahr  einen Bevölkerungsrück- Konvent vorgeben. Sie seien an dieser lebendige zeitgenössische kulturelle arbeitet wird, bietet ebenfalls einigen desländer zurückzuführen, sondern gang um , Prozent. Bezugsjahr ist Stelle noch einmal kurz skizziert. Der Szene. In Magdeburg und Halle, vor Gestaltungsspielraum. Konkrete Ver- auf ein anhaltendes Geburtendefi zit, das Jahr . 06 INLAND www.politikundkultur.net

FOTOS: KISSELER: PRESSESTELLE DES SENATS/MICHAEL ZAPF / AHNEN: HEIKE ROST / WALTER: STAATSMINTERIUM

Das Musik-Kultur-Politik-TV-Programm der nmz

Barbara Kissler, Kultursenatorin der Doris Ahnen, MdL, Ministerin für Bil- Jürgen Walter, MdL, Staatssekretär im Freien und Hansestadt Hamburg dung, Wissenschaft, Weiterbildung und Ministerium für Wissenschaft, For- Kultur Rheinland-Pfalz schung und Kunst Baden-Württemberg

mu:v – Camp 2012 Die junge Initiative der Jeunesses Musicales Kammerorchesterprobe und Didgeridookurs, Gesangscoaching Neue Landeskulturpolitik und freie Improvisation und dann auch noch ein DJ-Work- shop? Innerhalb von drei Tagen gibt es dieses Angebot wohl Kürzungspläne adé Akzentsetzung Innovationen nur an einem Ort – beim mu:v-Camp der Jeunesses Musica- les in Weikersheim. Von jungen Leuten für junge Leute lau- Über die Hamburger Kultur sind in den Unser Ziel ist es, jedem Menschen die Der Regierungswechsel hat sich ge- tet hier das Motto, das den beschaulichen Ort an der Tauber vergangenen Jahren wahre Gewitter- Chance zu eröff nen, aktiv am kulturellen lohnt: Viele Ideen aus unserer Oppo- diesen Sommer zum zweiten Mal nach 2010 für mehr als 100 schauer niedergegangen, von deren Leben der Gesellschaft teilnehmen zu sitionszeit konnten wir schon umsetzen. Jugendliche in einen „Magic Place for Music“ verwandelte. Ausläufern sich die Stadt erst langsam können. Dies knüpft an dem bisherigen Am Anfang war uns wichtig, die Zer- erholt. Kürzungspläne im ohnehin Schwerpunkt rheinland-pfälzischer Kul- splitterung der Kultur auf verschiedene chronisch unterfi nanzierten Kultur- turpolitik – der kulturellen Bildung – an. Ministerien zu beenden: Die Filmförde- bereich – der weniger als drei Prozent Allerdings ist angesichts der Gesamtsi- rung ist wieder in unserem Haus, auch des Gesamthaushalts ausmacht – haben tuation der öff entlichen Haushalte der die Zuständigkeit für Amateurtheater die Szene bis heute verunsichert und fi nanzielle Spielraum für neue, zusätz- und Laienmusik. Im nächsten Schritt auch überregional Hamburgs Ruf als liche und nachhaltig wirkende Maß- ist es uns gelungen, eine Erhöhung der Kulturmetropole erkennbar beschädigt. nahmen begrenzt. Ich setze deshalb Haushaltsmittel für  durchzusetzen, Die Stadtgesellschaft hat sich hierbei vorrangig darauf, bestehende und als gut zusammen rund acht Millionen Euro jedoch von einer Seite gezeigt, die mir befundene Innovationen der Vorjahre zu zusätzlich für Kunst und Kultur. Drei Mut macht. Mit den breit getragenen konsolidieren und weiterzuführen. Dazu Millionen davon gehen in einen neu- Protesten gegen die geplanten Kürzun- gehört für mich neben den Jugendkunst- en Innovationsfond. Mit ihm schaff en gen hat sie gezeigt, welche Bedeutung schulen und den soziokulturellen Zent- wir neue Spielräume in der Kunstszene für sie die Kultur hat. ren in erster Linie das Projekt »Auff üh- für alle Sparten und Bereiche – insbe- Es ist uns gelungen, die Kürzungs- rungsförderung«. Es wurde gemeinsam sondere auch für spartenübergreifende pläne des Vorgängersenats zurückzu- mit dem Landesverband professioneller Initiativen, um gerade denjenigen eine Chorfest Frankfurt 2012 nehmen. Mit den Künstlern im Gän- freier Theater Rheinland-Pfalz e.V. (La- Chance zu geben, die mit einem neu- Das Großevent des Deutschen Chorverbands geviertel konnten wir einen Vertrag profth) im Haushaltsjahr  erstmals en Projekt auf den Markt kommen. Ein vereinbaren, der ihnen nun umfassende umgesetzt. Ziel ist es, das Angebot von wesentlicher Teilerfolg bei den Haus- Mehr als 500 Chöre, 600 Konzerte und über 20.000 Sängerinnen Gestaltungsmöglichkeiten ermöglicht, Vorstellungen freier professioneller haltsberatungen war auch, dass wir und Sänger – das war das Deutsche Chorfest 2012 in Zahlen ohne dass die Stadt ihre politischen Theater in Rheinland-Pfalz quantitativ rund zwei Millionen Euro mehr für die und Fakten. An Inhalten ist die singende Mainmetropole weniger Steuerungsmöglichkeiten aufgibt. und qualitativ zu verbessern und den Filmförderung haben. Wir konnten da- leicht zu umreißen, so vielseitig waren die Konzerte und Veran- Viele weitere Projekte sind auf dem freien professionellen Theatern für her die Mehrmittel des Landes, die nach staltungen: Vom Open-Air-Konzert der Wise Guys bis zum Auftritt Weg, so wie es typisch ist nach einein- ihre Auftritte ein angemessenes faires den Empfehlungen der Filmkonzeption des RIAS-Kammerchors, vom Mitsingkonzert mit Mendelssohns halb von vier Jahren einer Legislatur. Honorar zu sichern, wenn dieses durch II seit  bereitgestellt wurden, von „Elias“ mit einem 700-köpfigen Spontanchor über Kinderkonzerte Mit dem Entwurf zu einem neuen die Eintrittseinnahmen alleine nicht fünf auf rund sieben Millionen Euro Denkmalschutzgesetz, das jetzt in erreicht werden kann. Damit ermögli- aufstocken. und den großen Chorwettbewerb bis hin zum Mitternachtssingen die parlamentarische Beratung geht, chen wir Auff ührungen an Orten, die bis Zudem haben wir die :-Förderung am Mainkai-Ufer unter freiem Himmel – Frankfurt war ganz Chor! wollen wir endlich alle Denkmäler dahin aus unterschiedlichen Gründen für die Soziokultur eingeführt. Für jeden bzw. ihre Eigentümer in ihren Rech- nur schwer für Theatervorstellungen zu Euro, den eine Kommune dafür ausgibt, ten und Pfl ichten gleichstellen. Dieses gewinnen waren. Vorrangig sollen die geben wir also  Cent dazu. Das ist  «Ipsa Lege-Prinzip» macht den bisher Theaterangebote Kindergärten, Schulen Jahre lang versprochen worden – wir notwendigen Verwaltungsakt zur Un- und Jugendzentren sowie ländlichen nehmen dafür rund , Millionen Euro terschutzstellung überfl üssig und ist Einrichtungen und Spielorten zugute in die Hand und machen es. Außerdem schon in nahezu allen Bundesländern kommen. Alle Beteiligten werten die konnten wir nach langen Diskussionen Realität – Hamburg muss hier nach- bisherigen Erfahrungen als sehr erfolg- endlich fi nanzielle Planungssicherheit ziehen. Bereits eingebracht hat der reich, so dass ab dem Doppelhaushalt für das LTT in Tübingen schaff en. Ein Hamburger Senat ein Gesetz für eine / dieses Förderinstrument in weiterer Punkt ist die Neuausrichtung Kultur- und Tourismustaxe auf Über- die institutionelle Förderung aufge- des Landeskunstpreises. Zusätzlich nachtungen. nommen wurde und somit nachhaltig zum bestehenden Hans-Thoma-Preis Die aktuelle Entscheidung des Bun- abgesichert ist. wird es künftig einen neuen »Großen desverwaltungsgerichts zwingt uns nun Die Landesregierung will auch die Landeskunstpreis« geben. jedoch – wie alle anderen Städte, die »Junge Kunst« verstärkt fördern. Von Ein großer Erfolg für uns ist, Ar- mit einem ähnlichen Modell in den dem von der Koalition vereinbarten min Petras vom Maxim-Gorki-Theater klasse.im.puls Startlöchern stehen – zur Überarbei- Projekt »Jedem Kind seine Kunst« er- Berlin nach Stuttgart holen zu können. Das Klassenmusikkonzept in Bayern tung des Gesetzesentwurfs. Und die hoff e ich mir deutliche neue Impulse für Ich habe mich außerdem sehr gefreut, Großbaustelle Elbphilharmonie konn- die kulturelle Bildung von Kindern und dass wir mit Christiane Lange eine sehr JeKi, JEKISS und JeKiSti, das Monheimer Modell oder Wir ten wir durch harte Verhandlungen mit Jugendlichen in unserem Bundesland. gute Nachfolgerin für Sean Rainbird in machen Musik! – immer mehr Konzepte zum Klassenmusi- dem Generalunternehmer nach mona- Mit diesem Modellvorhaben, das wir der Staatsgalerie Stuttgart gewinnen zieren gehören an deutschen Schulen zum Alltag. An bayeri- telangem Stillstand wieder in Bewe- in einer Stadt und im ländlichen Raum konnten. schen Schulen gibt es seit September 2009 ein ganz eigenes gung versetzen und eine Einigung über erproben wollen, werden neue Wege der Baden-Württemberg legt viel Wert Programm: klasse.im.puls richtet sich nicht, wie viele seiner den Weiterbau erzielen. intensiven Vernetzung von Kinderta- darauf, innovativ zu sein. Das muss Schwester-Projekte, an Grundschüler; hier werden ge- Nicht zuletzt wird die Stadt an dem gesstätten, Schulen und Einrichtungen auch für die Kunst gelten. Deshalb ist gemessen, was sie fi nanziell für die der Jugendhilfe mit Künstlerinnen und es ein Markenzeichen der neuen Lan- zielt Haupt-, Mittel- und Realschulen zum ge- Kultur tut – auch in Zeiten angespann- Künstlern des Landes entwickelt. Im desregierung, dass wir das Potenzial meinsamen Musikmachen ermu- ter Haushalte (die es für die Kultur al- Vordergrund aller Projekte, mit deren der Kultur erkannt haben und dass in tigt. nmzMedia stellt die- lerdings immer gab). Der Haushalts- Entwicklung und Implementierung in unserem Denken der Nutzen, den die ses besondere Modell vor. entwurf für die Jahre / wurde Kürze begonnen werden soll, steht die Gesellschaft von der Kultur hat, eine jüngst eingebracht, nun entscheidet künstlerische Annäherung und indi- Hauptrolle spielt. Kulturelle Bildung die Bürgerschaft. Ich bin froh, dass es viduelle kreative Auseinandersetzung, ist zentral für uns, damit wir auch ge- uns gelungen ist, das vielfältige Kul- nicht die wissens- und lernzielorien- sellschaftliche Schichten erreichen, turangebot in Hamburg zu verstetigen tierte Stoff vermittlung. Es geht um in denen ästhetische Bildung keine kostenlos unter: und zum Beispiel das Thalia Theater Möglichkeiten der intuitiven wie auch große Rolle spielt. Ein Beispiel dafür künftig so ausstatten zu können, dass emotionalen statt intellektuellen Aus- war die öff entlich zugängliche riesige Exklusiv und kostenlos unter www.nmz.de wir gerade den Vertrag mit dem her- einandersetzung mit der eigenen Situa- Skaterrampe von Michel Majerus vor www.nmzmedia.de vorragenden Intendanten Joachim Lux tion, dem persönlichen Empfi nden, der dem Kunstkomplex auf dem Stuttgarter verlängern konnten. erlebten Umwelt. Schlossplatz. Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  INLAND 07

Die Schriftsteller und die Gesellschaft »Doppelleben« – eine Studie von Bernard Lahire

MAX FUCHS sichern zu können: Es kommen Lesun- teressant: Normale Bedingung dafür, haben kann. Zum anderen kann damit auf der Basis der Ergebnisse der Erhe- gen, Workshops, Dozenturen, Stipendi- Mitglied werden zu können, ist ein die Unabhängigkeit des Autors von Kir- bung gestellt werden dürften. as Kunst denn eigentlich sei, en dazu, und diese auch nur dann, wenn Einkommen in Höhe des -fachen che und Staat gemeint sein. Auch für Die empirische Erfassung des li- darüber gehen die Meinun- man das Glück hat, zumindest litera- Satzes des durchschnittlichen gesetz- die Schriftsteller gilt jedoch, wie für die terarischen Feldes, zu der es heute W gen auseinander. Dass aber turnah arbeiten zu können. Oft genug lichen Mindestlohnes: , Prozent Bildenden Künstler gezeigt wurde: Die in Deutschland kein Pendant gibt, ist eine Aufgabe von Kunst darin besteht, ist es der Lebenspartner, eine Erbschaft der Versicherten erzielen ein Jahres- Loslösung von früheren persönlichen allerdings nur ein Ziel der Studie des der Gesellschaft und vielleicht auch je- oder ein völlig fachfremder Brotberuf, einkommen zwischen . und . Abhängigkeitsbeziehungen (etwa ge- Lyoner Soziologen. Ein zweites Anlie- dem Einzelnen den Spiegel vorzuhalten, der die Existenz sichern muss. Daher Euro. Immerhin bleiben über  Prozent genüber den Fürsten) ist verbunden mit gen, für das das Schriftstellerdasein darin sind sich viele einig. Seit es Kunst stellt sich für viele Autoren – und zeitweise unterhalb dieses Mindestsat- einer neuen (abstrakten) Abhängigkeit quasi eine Modellfunktion übernimmt, gibt, zumindest, seit man über Kunst auch für die genannten Protagonisten zes. Ca.  Prozent verdienen zwischen vom »Markt«: »Genau wie früher sind besteht darin, das Lahiresche Konzept nachdenkt, taucht diese Aufgabenbe- in Irvings Roman – immer wieder die . und . Euro, immerhin , auch heute das persönliche Vermögen multipler Identitäten zu unterfüttern. schreibung auf. Kunst schaff t Möglich- Frage der Selbstbezeichnung: Sind sie Prozent . Euro und mehr. Ca. und ein Zweitberuf die sichersten au- Lahires Einwand gegenüber Bourdieu keitswelten, Kunst ist Teil des Selbstre- Autoren, Schriftsteller, Kulturarbeiter,  Prozent haben als Nebenberuf eine ßerliterarischen Garantien für eine besteht darin, dass dieser von einer zu fl exionsprozesses des Menschen, Kunst Handwerker? Auch befassen sie sich lehrende Tätigkeit. Schriftsteller haben literarische Autonomie.« (). großen Homogenität sowohl bei der lässt uns spielerisch erproben, was alles ständig mit der Frage nach der Orga- es – etwa im Vergleich mit Bildenden Es ist also weder »die Kunst« und Zugehörigkeit des Einzelnen zu einem noch sein könnte, wenn es die reale nisation ihrer Arbeit und ihrem Vor- Künstlern, Tänzern, Schauspielern oder sicherlich nicht die jeweilige Kunst- bestimmten Feld als auch bei dem Vor- Welt nicht gäbe. Einige halten eine gehen: Wie systematisch, wie inspiriert Musikern – besonders schwer, sich als einrichtung, die »Autonomie« für sich handensein eines bestimmten (feld- solche funktionale Bestimmung nicht gehen sie vor? Woher erhalten sie die eigenständige Profession zu geltend machen kann: Es ist spezifi schen) Habitus ausgegangen für genügend. Doch nutzt man eine Anregungen und wie sichern sie sie defi nieren, fehlen doch ent- stets der Mensch, der produ- sei. Vielmehr sei heute Realität, dass solche häufi g dort, wo »Wesensdefi ni- sich? Wie häufi g können/müssen sie scheidende Merkmale, die zierende Künstler, der eigen- sich jeder von uns in verschiedenen tionen« nicht (mehr) gelingen wollen. publizieren, um sich selbst gegenüber, eine Profession ausmachen verantwortlich sein künstle- Feldern bewegen muss und daher über So spricht man etwa auch unter seriö- aber auch in Hinblick auf eine durchaus – etwa ein klares Berufsbild, risches Leben gestalten will. sehr verschiedene Habitus verfügen sen Wirtschaftswissenschaftlern davon, vergessliche Leserschaft, ihren Auto- relevante Studiengänge mit Autonomie in der Kunst un- müsse. Dies macht das spannungsvolle dass »Geld« das ist, was Geld tut, was renstatus zu sichern? Wie viel an Ver- anerkannten Abschlüssen. terscheidet sich daher nicht heutiger Individualität aus, wobei mög- also Geldfunktionen erfüllt. biegungen – etwa gegenüber Verlagen, Daher ist das Feld derer, die grundsätzlich von dem Au- licherweise Künstlern mit ihrer Kunst Welches solche Funktionen von Kritikern, Lesepublikum und Lektoren Schriftstellerei betreiben, tonomieverständnis in dem ein Medium zu Verfügung steht, diese Kunst sein könnten, was also Kunst in – sind sie bereit hinzunehmen? sehr viel heterogener als in Bereich, in dem sie übli- Spannungen und Widersprüche zumin- einer funktionalen Sichtweise ist, darü- Die Schriftstellerfi guren stellen sich anderen künstlerischen Be- cherweise diskutiert wird: dest zu bearbeiten. Künstler geben – ber denken nicht nur Philosophen, Po- alle diese Fragen – und beantworten sie reichen. Von Vorteil ist das dem Feld des richtigen oder so auch schon die Vermutungen, die litiker, Alltagsmenschen und – je nach durchaus unterschiedlich. Allerdings vermutlich deshalb, weil Schriftsteller falschen Handelns, dem Feld der prak- man in Anschluss an die Studien zum Kunstsparte unterschiedlich lange – die zeigt sich bei allen, dass die Schrift- dadurch leichter die Möglichkeit haben, tischen Philosophie also. modernen fl exiblen Kapitalismus von fachbezogenen Kunstwissenschaften stellerexistenz eine absolut prekäre ist in durchaus anerkannten nichtkünstle- Ambivalent sind die Positionen der Richard Sennett haben konnte – ein nach: Auch für die Künstler selbst ist es – und natürlich fl ossen auch in dieses rischen Berufen ihren Lebensunterhalt befragen Schriftsteller in Hinblick auf Rollenvorbild für Kreativität, Selbst- eine ständige Herausforderung, das zu Buch erhebliche biographische Daten zu sichern. Denn bis auf wenige Aus- staatliche Unterstützungsprogramme. verantwortung und Umgangsweise verstehen, was sie eigentlich betreiben. und persönliche Erfahrungen des Au- nahmen gelingt es kaum einem Autor, Einerseits wurde häufi g der Vergleich mit prekären Verhältnissen. Sie geben Sie tun dies in Form von Essays, Fach- tors Irving ein. mit literarischem Schreiben sein Geld mit Forschung und Wissenschaft zuge- aber auch ein Modell dafür ab, wie der beiträgen oder in wissenschaftlicher All dies fi ndet sich auch – allerdings zu verdienen. So sind sie als Lehrer zogen, Feldern also, bei denen niemand Mensch mit diesen Anforderungen Herangehensweise (denn im Zuge der systematisch mit Daten unterlegt – bei oder Dozenten oder in anderen kul- die Notwendigkeit einer staatlichen umgehen kann. So gesehen haben Till- Autonomisierung der Künste hat es Lahire. Er entwickelt seinen theore- turnahen Berufen tätig, aber auch in Förderung in Frage stellt. Daher wäre mann und Weber – ersterer zugleich auch eine Akademisierung und Verwis- tischen Rahmen, wobei heute niemand der Wirtschaft, in der staatlichen Bü- auch eine staatliche Unterstützung der Übersetzer des Werkes – Recht in senschaftlichung der Künstlerprofessi- und schon gar kein französischer So- rokratie oder im Journalismus. Viele der Künste notwendig. Andere Auto- ihrem Nachwort: Das Buch ist natür- onen gegeben), sie tun es aber auch mit ziologe an Bourdieu (v.a. seinem Buch leben von Auftragsarbeiten, zu denen ren lehnten jedoch strikt jegliche Form lich aufschlussreich aufgrund seiner ihren genuin künstlerischen Mitteln. »Regeln der Kunst«, ) vorbeige- sie in strenger Abgrenzung von ihrer von staatlicher Unterstützung ab, da bislang umfassendsten Darstellung So malen Maler andere Maler oder sich hen kann. »Feld«, »Habitus«, »sozialer eigentlich literarischen Tätigkeit auch sie dadurch ihre literarische Integrität der sozialen Lage eines bestimmten selbst beim Malen, so schreiben Auto- Raum« zusammen mit den Prozessen Essays, Drehbücher oder sonstige Au- gefährdet sehen (Literatur sei am ehes- künstlerischen Berufs. Es ist aber auch ren über andere Autoren – und müssen der Distinktion, dem Kampf um die torentätigkeiten zählen. ten mit Religion oder Liebe zu verglei- deshalb anregungsreich und wichtig, sich ständig die Frage gefallen lassen, Gewinnung von sozialem, kulturellem, All dies ist natürlich nicht neu. Wir chen, so einige Äußerungen, deshalb weil es in qualifi zierter Weise Fragen inwieweit ihr neuestes Werk (bloß) ökonomischem und symbolischem Ka- wissen von Lessings Versuchen, durch sei ebenso wie in diesen Bereichen des aufwirft, die uns alle angehen: Wie autobiographisch ist. Die Künste sind pital bieten die Hintergrundfolie, auf eine alleine ästhetischen Kategorien Liebens oder Glaubens eine staatliche geht es dem Individuum, das an den inzwischen selbst – vermutlich waren der Lahire seine – in einigen wichti- verpfl ichtete Tätigkeit als Autor oder Unterstützung völlig abwegig). Einige gesellschaftlichen Rollenansprüchen sie es schon immer – Mittel der Selbst- gen Punkten dann doch von Bourdieu Theatermacher seine Existenz zu si- Autoren beteiligten sich daher auch nur und persönlichen Krisen zu verzweifeln refl exion nicht bloß der Künstler, son- abweichende – Position entwickelt. Es chern. Es hat nicht geklappt, sodass unter der Bedingung an der Befragung, droht? (). dern auch von deren Kunst geworden. geht ihm zum einen um die Schließung er schließlich als Bibliothekar endete. dass unter keinen Umständen kultur- Aufschlussreich ist es daher, eine wis- des Desiderats, gründlich die desolaten Rousseau verdiente sein Geld als No- politische Forderungen nach einer wei- Max Fuchs ist Präsident des Deutschen senschaftliche und eine künstlerische ökonomischen Rahmenbedingungen tenkopist, Döblin und Benn waren Ärzte tergehenden staatlichen Unterstützung Kulturrates Auseinandersetzung mit dem Künstler- des Schriftstellerdaseins zu erfassen. (von letzterem hat Lahire auch den Ti- dasein zu vergleichen. Eher durch Zufall Und er tut dies u.a. durch Analyse der tel seines Buches geliehen), Musil und kam es bei mir zu einer Urlaubslektüre (französischen) Künstlersozialversi- Broch waren Techniker und Ingenieure, von John Irvings etwas älterem Buch cherung AGESSA, ihren Zugangsbedin- Kafka schließlich hasste seine Tätig- »Witwe für ein Jahr« (, deutsch gungen und ihrer Mitgliederstruktur. Er keit als Versicherungsfachmann, legte ) und einer ambitionierten Studie verwirklicht es durch eine umfangrei- jedoch trotzdem höchste Qualitäts- zur sozialen Lage von Schriftstellern che Befragung und in einer größeren ansprüche an sich in dieser Tätigkeit im Südosten Frankreichs von Bernard Zahl von Einzelinterviews, wobei er (und wurde daher zurecht befördert). Lahire (»Doppelleben«, Schriftsteller sich bewusst ist, dass bereits die Fest- Allerdings werden die Widersprüche zwischen Beruf und Berufung. ). zwischen der eigentlich wichtigen li- Fast alle Haupt- und Nebenfi guren in terarischen Tätigkeit und der notwen- dem -Seiten-Schmöker des großar- digen Erwerbstätigkeit zum Teil heftig tigen Erzählers Irving sind Schriftsteller Schreiben ohne erlebt. Nahezu alle Autoren setzen sich oder haben es mit Schriftstellerei (als Nebenberuf mit diesem Problem auseinander, das Lektor, Verleger, Kritiker, Autor etc.) zu nicht nur ein Problem der individuellen tun. Sie sind unterschiedlich erfolgreich, Lebensgestaltung, sondern aufs engste arbeiten in unterschiedlichen Genres verbunden ist mit dem Prozess der Au- (Frauenromane, Kinderbücher, Krimis), legung des Spektrums der Befragten tonomisierung des literarischen Feldes. genießen eine unterschiedliche Aner- eine defi nitorische Bestimmung des- Flaubert (»der Inbegriff des Schriftstel- kennung. Wer die Theorien von Howard sen ist, was ein »Schriftsteller« ist (z.B. lers ohne Nebenberuf«; S. ) hat hier- Becker (über die »art world«) oder von jemand, der mindestens ein Buch in bei eine Schlüsselrolle, weshalb Sartre Pierre Bourdieu über das literarische einem anerkannten Verlag publiziert zwei dicke Bände über ihn schreibt Feld konkret studieren will, fi ndet hier hat). Der Fragebogen hat dabei durch- (Der Idiot der Familie) und er auch im nahezu alle Elemente. Was Literatur, aus beachtliche Ausmaße:  Fragen Mittelpunkt der kunstsoziologischen speziell, was gute Literatur ist, ergibt zum Einkommen, zum Familienstand, Studie von Bourdieu steht. Flaubert sich in einem Aushandlungsprozess, zur Ausbildung, der eigenen, des Part- gilt deshalb als Schlüsselfigur, weil von dem viele Profi s leben, Verleger, ners und der Eltern (mit dem Ergebnis, mit ihm im Kampf um eine eigenstän- Kritiker, Kulturzeitschriften und Jour- dass Schriftsteller kaum aus niedrigen dige Setzung ästhetischer Maßstäbe nalisten, Lektoren, andere Schriftsteller, sozialen Schichten kommen und in der durch die Künstler selbst von diesen Hochschulen etc., beteiligt sind. Aner- Regel von Kind an ununterbrochen sel- ein entscheidender Sieg errungen wird. kennung erfährt man in den durchaus ber lesen: ca.  Prozent lesen über  Allerdings zeigt sich hier die Fragilität konfl ikthaften Auseinandersetzungen Bücher im Jahr,  Prozent sogar mehr des Autonomie-Konzeptes: Zum einen im Konkurrenzkampf um Status, Markt- als ). Es wird die Haltung zur Litera- ist zu unterscheiden die Herausbildung anteile und Aufmerksamkeit. Fachliche turkritik, zu Verlagen, zum Buchhandel einer eigenständigen »art world«, also Reputation geht dabei eher selten ein- und zu Verbänden ebenso erkundet wie des Systems literaturbezogener Institu- her mit ökonomischem Erfolg. Literatur die organisatorischen und räumlichen tionen (Akademien, Verlage, Zeitschrif- ist zudem am wenigsten für diejenigen, Rahmenbedingungen des Schreibers. ten etc.), das allerdings eine erhebliche

die sie produzieren, hinreichend er- Im Hinblick auf die Einnahmesitua- einschränkende Wirkung auf das lite- PHOTOCASE.COM / SOUNDSO. FOTO: tragreich, um ihren Lebensunterhalt tion ist die Statistik von AGESSA in- rarische Schaff en des einzelnen Autors 08 WEITE WELT www.politikundkultur.net

Mit exzellenter Vernetzung im Osten viel Neues Das junge Goethe-Institut ragt die Drei-Hauptstädte-Lesereise Colony für innovative internationale Im Bemühen um Mehrsprachigkeit ist Orientiert am lokalen und regionalen in der litauischen Haupt- von Literatur-Nobelpreisträgerin Her- Bildungs- und Kulturprojekte im künst- das frühe Fremdsprachenlernen ein (zeit)historischen Kontext aktuelle The- ta Müller im Frühjahr  anlässlich lerischen Bereich. Der Name erinnert Schwerpunkt der Goethe-Institute men aufgreifen und auf Entwicklungen stadt Vilnius des Erscheinens der litauischen, letti- an die seinerzeitige Künstlerkolonie in Litauen, Lettland und Estland. So reagieren, das hat sich das Vilniusser schen und estnischen Übersetzungen Nidden, mit Besuchern wie den beiden startete im Vorjahr litauenweit das Goethe-Institut insbesondere nach dem JUDITH LEWONIG ihres Romans »Atemschaukel« heraus. Expressionisten Max Pechstein und EU-Beitritt Litauens  auf die Fah- Lesungen, Diskussionen und Pressege- Karl Schmidt-Rottluff . nen geheftet. Kreatives Miteinander mit it der Gründung des spräche stießen allein schon themenbe- Zum ersten Mal in der fast -jäh- erwünschter eigendynamischer Ent- Goethe-Instituts in Vil- dingt auf intensives Interesse, war doch rigen Geschichte der Goethe-Medaille faltung. In diesem Sinne versteht sich nius  wurde der Ei- kaum eine Familie in den drei Ländern – seit  als offi zieller Orden aner- Kreatives Miteinander auch das größte Jahresprojekt »Going M genständigkeit und dem nicht von Deportation und Arbeitslager kannt – ging die Auszeichnung dieses erwünscht Public« mit Partnern, Akteuren und Ak- Selbstverständnis eines knapp , betroff en. Jahr nach Litauen: Die ehemalige Lei- tionen in Litauen, Weißrussland, Kali- Millionen-Einwohner () zählenden Mit Herta Müller hat bereits die terin des Thomas-Mann-Zentrums und ningrad und Deutschland: eine Ausein- postkommunistischen Landes Rech- dritte deutsche Literatur-Nobelpreis- Festival-Kuratoriumsangehörige Irena andersetzung mit Public Art Konzepten nung getragen. Heute ist das Goethe- trägerin Besuchsspuren in Litauen Veisaitė wurde für »ihr Lebenswerk als auf die Altersgruppe fünf bis sieben und Öff entlichkeitsschaff ung in heute Institut Vilnius eine fest verankerte hinterlassen. Knapp zehn Jahre zuvor treibende Kraft im deutsch-litauischen Jahren zugeschnittene »Deutsch mit politisch so unterschiedlichen Räumen Größe im Kultur- und Geistesleben sprach und las in Vilnius das Nobel- Kulturaustausch, ihre Kreativität und Hans Hase«-Programm in Kindergärten mit enger historischer Vergangenheit. Litauens, eines Landes, dessen Volks- preis-Trio Günter Grass, Czesław Miłosz ihren politischen Mut, auch Unbeque- und Vorschulen mit rund  Kindern Nach dem Auftaktworkshop in Vilnius dichtung schon Johann Wolfgang von und Wisława Szymborska mit dem »no- mes anzusprechen« geehrt. Die The- in  Gruppen;  waren es bereits  – eine Stadt, in der allein im . Jahr- Goethe beeindruckt hat. belpreiswürdigen« litauischen Dichter ater- und Literaturwissenschaftlerin Gruppen mit  Teilnehmern. hundert die Machthaber mehr als ein

Die Kathedrale in Vilnius, deren Glockenturm wie bei vielen Kirchen im Baltikum separat steht. LUDWIG BERNHARD FOTO:

Auf die Öff nung des Eisernen Vor- Tomas Venclova über »Die Zukunft der hat sich als Holocaust-Überlebende in Originelle sich um deutsche Sprache Dutzend Mal gewechselt haben – folg- hanges / hat die Zentrale des Erinnerung« (das gleichnamige Buch Litauen zeitlebens für Verständigung und Kultur drehende Ideen hervorspru- ten im Sommer eine Reihe von Künst- Goethe-Instituts mit zahlreichen Neu- erschien im Göttingener Steidl Verlag). und Versöhnung eingesetzt. Die un- deln und umsetzen wollen seit Jahres- lerinterventionen und Residenzen mit gründungen im östlichen Teil Europas Bis heute ist dieses vom Goethe-Institut glaublich aktive -Jährige, die sehr beginn die acht litauischen Mitglieder überregionalem Sich-Näherkommen, reagiert, wie in Lettlands Hauptstadt initiierte Treff en vielen Litauern als gut Deutsch spricht, fungierte auch als der »Goethe-Guerilla«, allesamt Stu- grenzübergreifenden Experimenten Riga () mit der Aufgabe, die beiden »historisch« im Bewusstsein geblieben. litauische Schirmherrin von »Jugend dierende um die  Jahre. So wurden und Ungewöhnlichem. Mit einer Kon- »baltischen« Nachbarn Litauen und Est- Thomas Mann ließ sich als frischer debattiert international«, ein Wettbe- bereits mit Grundschulkindern, Lehrern ferenz in Leipzig endet das Projekt im land in Sprach- und Kulturarbeit mit- Nobelpreisträger in Nida (dt. Nidden) werb für Deutschlernende aus Sekun- und Eltern in vier Schulen deutsche November. »Bislang hat es keine mul- zubetreuen. »Doch der Blick auf das auf der Kurischen Nehrung, ob »der un- darschulen in Mittel- und Osteuropa, Speisen gekocht und lustige Aufgaben tilateralen Kooperationen in diesem Baltikum als Einheit führt in die Irre, beschreiblichen Eigenart und Schönheit der die Debattierfähigkeit anhand po- gelöst. Mit der Aktion »Kuckuck« ani- Bereich gegeben. Wir hoff en, dass das da sich Litauen, Lettland und Estland dieser Natur … so ergriff en«, ein Som- litisch und gesellschaftlich relevanter miert die E-Generation zum Verschi- Netzwerk über den Projektzeitraum nicht so wahrnehmen und der politi- merhaus bauen und schrieb dort Anfang Themen fördert. Im internationalen cken selbstgebastelter handgeschrie- hinaus bestehen bleibt und weiter ge- sche Raum so nicht besteht, wie der der er-Jahre an seiner Joseph-Tet- Finale –  erstmals in Vilnius – de- bener Papier-Postkarten und baut ein deiht. Für uns bleibt die Orientierung Begriff Baltikum dies suggeriert. Jedes ralogie. Als Museum und Gedenkstät- battieren die Landessieger aller teil- Netz von Postkartenfreundschaften auch nach Weißrussland und Kalinin- Land hat seinen eigenen historischen te beherbergt das Haus seit  auch nehmenden Länder um den internatio- auch über Litauens Grenzen hinaus auf. grad auf jeden Fall aktuell«, so Johanna Kontext – gemeinsam sind ihnen ledig- das Thomas-Mann-Kulturzentrum zur nalen Siegertitel. Bemerkenswert, dass Über Post aus Deutschland würden sich M. Keller. lich die fast  Jahre Sowjetokkupation Förderung der deutschen Literatur und die in diesem Jahr hinter Mindaugas die Mitglieder der »Goethe-Guerilla« »Gėtės instituto Vilniuje direktorė – und seine eigene politische Orientie- Sprache. Es arbeitet eng mit dem Goe- Gudavičius aus der Vilniusser Daukša freuen: www.kuckuck.lt. Johana Keler« frönt neben dem Ler- rung. Mit je einem Goethe-Institut in the-Institut zusammen und richtete im Mittelschule zweitplatzierte Litauen- »Überaus positiv stellen sich in Li- nen litauischer Gedichte dem Lernen Riga, Vilnius und Tallinn () werden Juli  bereits das . Internationale Landessiegerin Rugilė Matuleviciūtė tauen die landesweite Instituts-Ver- litauischer »dainos« (Volkslieder). Eine diese individuellen Unterschiede auch Thomas-Mann-Festival aus, diesmal im Vilniaus Licėjus Deutsch »nur« als netzung und die breite Unterstützung Leidenschaft, der sich auch schon der kulturpolitisch anerkannt«, erläutert zum Thema »Verführtes Denken« mit zweite Fremdsprache lernt. »Ich habe durch die litauischen Partner-Organi- Namenspatron hingegeben hat: Johann Johanna M. Keller, seit  Instituts- hochkarätigen Gästen, wie Frido Mann bei vielen Deutsch-Projekten meiner sationen und Institutionen sowie Be- Wolfgang von Goethe hat nicht nur ein leiterin in Vilnius. und Eugen Ruge. Im Rahmen des ein- Schule mitgemacht, war auch bei einem hörden dar«, betont Institutsleiterin litauisches Brautlied in sein Singspiel Im weltweiten Netzwerk des Goethe- wöchigen Festivals präsentierte die Sprachkurs in Deutschland, dadurch Johanna M. Keller. So ist beispielsweise »Die Fischerin« aufgenommen, er konn- Instituts bildet Litauen mit Lettland, deutsche Künstlerin Franziska Nast hat sich mein Selbstbewusstsein für das Zentrum für Zeitgenössische Kunst te zumindest ein litauisches Folklore- Estland, Polen, Ungarn, Tschechien, ihre vor Ort entstandenen Arbeiten. Deutsch enorm verbessert«, lacht die Vilnius ein aktiver Partner der ersten lied (in deutscher Übersetzung) auch Slowenien und der Slowakei die Regi- Als erste Residenz-Stipendiatin des Zwölftklässlerin. Das Vilniaus Licėjus Stunde, auch beim aktuellen transnati- rezitieren. on Mittelosteuropa, die von Prag aus Goethe-Instituts verbrachte sie zwei ist seit  Partnerschule des Goethe- onalen Exzellenzprojekt »Going Public. koordiniert wird. Aus den bisherigen Monate in der von der Vilniusser Kunst- Instituts im Rahmen der Aktion »Schu- Über die Schwierigkeit einer öff entli- Judith Lewonig ist als freie Journalistin Vilnius-Riga-Tallinn-Kooperationen akademie neu geschaff enen Nida Art len: Partner der Zukunft« ( PASCH). chen Aussage«. und Autorin in Vilnius tätig Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  WEITE WELT 09

Verhängte Ansichten Was steckt oder besser wer steckt eigentlich hinter einem Niqab oder einer Burka?

REINHARD BAUMGARTEN am Bosporus. Sicher, auch in München, religiöse Gesinnung vor allem auf eine Berlin, Stuttgart und Köln tauchen sie gewachsene Hochkultur stützten. Der s ist ein Bild für die Götter. Ein auf. Aber nirgends außerhalb ihrer zumeist durchsichtige Gesichtsschleier Bild zum Schmunzeln, zum Herkunftsländer sind sie so zahlreich früherer Musliminnen war Mittel zur E Weinen, zum Zweifeln und zum wie in Istanbul. Das türkische Touris- Nachahmung der kultivierten Welt. Der Verzweifeln. In Amasra, einer vor mehr musministerium umwirbt sie. Sie sind Gesichtsschleier von heute bedeutet als zweieinhalbtausend Jahren von der islamisch-konservativen Führung Rückzug und Aussperrung. Das ver- Pontusgriechen gegründeten Stadt des Landes hochwillkommen. Sie tre- schleierte Antlitz versagt sich ele- am Schwarzen Meer, fotografi ert eine ten »gesittet« auf; sie geben viel Geld mentaren Grundformen des mensch- junge Frau aus Saudi-Arabien Bazarsze- aus; sie kaufen gern und teuer ein und lichen Miteinanders, der menschlichen nen. Mit ihrem iPad lichtet sie Kinder sie hängen nicht wie westliche Touris- Kommunikation und Interaktion. Ein ab, fotografi ert Frauen beim Einkaufen, ten Bier und Wein trinkend in und vor unverhülltes Gesicht erzählt mehr als Männer beim Teetrinken, Händler im den Kneipen Istanbuls herum. Doch in . Worte. Die Literatur wäre arm Gespräch, schlafende Katzen, dösende ihrer schwarzen Unkenntlichkeit und ohne die Beschreibungen dessen, was Hunde. Ihr beleibter Ehemann schaut ihrem konsumorientierten Auftreten in den Gesichtern von Menschen zu le- in engem T-Shirt und halblangen Ho- verkörpern sie zwei gleichermaßen be- sen ist. Der moderne Schleier ist ein In- sen bei  Grad im Schatten zu. Alles denkliche Grundströmungen unserer dikator tiefer Verunsicherung, die sich normal. Aber eines irritiert. Die ob ihrer Zeit: eine rückwärts gewandte Deutung zu der Gewissheit verstiegen hat, der gewandten Bewegungen und schlanken der Religion sowie einen ans religiöse Stoff vor Stirn, Nase und Mund verleihe Gestalt off enbar junge Frau trägt ein grenzenden Materialismus. Beides ist Würde, Sicherheit und Gewissheit. Es Abāya genanntes schwarzes Ganzkör- gleichermaßen Gift für unseren ge- ist überhaupt nicht verwunderlich, dass pergewand, schwarze Handschuhe, ein stressten Planeten. die Zahl der Munāqabāt genannten schwarzes Kopftuch und einen, Niqāb Die Vollverschleierung wird sowohl Trägerinnen solcher Gesichtsschleier genannten, schwarzen Gesichtsschlei- mit der Tradition in den arabischen in vielen islamischen Ländern immer er. Den schmalen Seeschlitz verbirgt Golfl ändern als auch mit religiösen mehr zunimmt. Viele islamische Ge- eine breite Sonnenbrille. Sie fängt die Vorschriften aus den Tagen des Pro- sellschaften stehen unter gewaltigem Welt in ihrer Vielfalt und Schönheit mit pheten begründet. Auf der arabischen wirtschaftlichem und sozialem Stress. ihrem iPad ein. Sie selbst Halbinsel – dem Stamm- Die weitaus meisten Munāqabāt tra- versperrt sich dieser Welt, land des Islams – hat sie gen den Niqāb mehr oder weniger aus

verweigert sich den Men- sich erst mit dem Auftre- freien Stücken. In Ägypten ist im Juli PHOTOCASE.COM / MEDIENARBEIT FOTO: schen, die sie fotogra- ten des sektiererischen mit Maria TV ein Programm auf Sen- fi ert und huscht wie ein Predigers Muhammad dung gegangen, das ausschließlich von schäftigen – wenn es denn überhaupt men zu. Die genetische Vielfalt wird dunkler Schatten durch Abdul Wahab im . Jahr- Munāqabāt präsentiert wird. Vollver- je untersucht werden sollte. Der Niqāb eingeschränkt, Erbkrankheiten sum- die sonnendurchfl uteten hundert beim einfachen schleierte Frauen sprechen über Kinder, gilt mehr und mehr Frauen in von Ar- mieren sich. Saudi-Arabien, das Land Gassen Amasras. Volk langsam etabliert. Kochen und Karriere. Kein Make- up, beits- und Perspektivlosigkeit geplag- mit den meisten Niqāb-Trägerinnen, Wandelnde Zelte wer- In den städtischen Zent- keine Falte, kein Lächeln lenkt vom ten muslimischen Ländern als Symbol gehört übrigens zu den Ländern mit den diese Erscheinungen ren des Hidschas – Mek- gesprochenen Wort ab. Wie viel Erfolg urislamischer Gesinnung und ist Aus- der höchsten Scheidungsrate in der von Spöttern in Istanbul ka, Medina, Dschidda die nicht identifi zierbaren Macherin- druck der Sehnsucht nach ungetrübten, islamischen Welt. genannt. Sie gelten ihnen als lebender und Taif – hatten Jahrhunderte lang nen auf Dauer haben werden, ist off en. reinen Zuständen. Aus dem Blickwin- Beweis für die Fortdauer einer Bedui- nur die vornehmen Frauen einen Ge- Für wie glaubwürdig die Zuschauer kel menschlicher Entwicklung kann er Reinhard Baumgarten ist Hörfunkkor- nenkultur in den arabischen Ländern sichtsschleier getragen. Sie eiferten derart verschleiert verlesene Meldun- nur in eine Sackgasse führen. Liebes- respondent der ARD in Istanbul und am Persischen Golf. In großer Zahl noblen Byzantinerinnen und Perse- gen halten, dürfte auch Anthropologen, heiraten werden seltener, arrangierte zuständig für die Länder Iran, Grie- kommen sie alljährlich in die Metropole rinnen nach, die sich außer auf eine Soziologen und Verhaltensforscher be- Ehen – oft unter Verwandten – neh- chenland, Türkei und Zypern

 10 KULTURELLE BILDUNG www.politikundkultur.net FOTOS: MISTERQM / PHOTOCASE.COM (LINKS); TABLE / PHOTOCASE.COM (RECHTS) PHOTOCASE.COM / TABLE (LINKS); PHOTOCASE.COM / MISTERQM FOTOS: Bildung in Deutschland  Nationaler Bildungsbericht mit Schwerpunkt kulturelle Bildung im Lebenslauf

BIRGIT WOLF nur zu  Prozent der unter -Jährigen Die Nachfrage an Studienplätzen steigt alle Kinder die Möglichkeit haben, Zu- wickeln sich durch die elektronischen mit Migrationshintergrund eine Betreu- – seit  um  Prozent – ebenso wie gänge zu kultureller/musisch-ästhe- Medien zunehmend neue Ausdrucks- m Zwei-Jahres-Rhythmus erscheint ung in Anspruch, steigt die Anzahl der die Nachfrage an hochqualifi zierten Ar- tischer Bildung zu erleben. Dass dies und Austauschformen kultureller Bil- der Nationale Bildungsbericht »Bil- Kindergartenkinder kontinuierlich. Ein beitskräften auf dem Arbeitsmarkt kon- fruchtet, belegen die Zahlen: »Im jun- dung für Kinder und Jugendliche, die I dung in Deutschland«, der eine Drittel der Kinder, deren Eltern zuhause tinuierlich steigt. Indes kommt jeder gen Schulalter sind nahezu  Prozent auf einer orts- und zeitungebundenen umfassende empirische Bestandsauf- nicht Deutsch sprechen, werden indes siebente Studierende aus dem Ausland. der Kinder musisch-ästhetisch aktiv.« Kommunikation basieren. nahme des deutschen Bildungswe- in Kindertageseinrichtungen betreut, in Die im Hochschulpakt vereinbarte Refe- Die Schule ist der zentrale Ort der Während in der Berufsausbildung sens als Ganzes abbildet. »Bildung in denen über  Prozent der Kinder eben- renzlinie verzeichnet dadurch bis  Vermittlung grundständiger kulturell/ mit , Prozent aller Schüler an Berufs- Deutschland « wurde von der Stän- falls Deutsch als Zweitsprache erlernen. ein Manko von . Studienplätzen. musisch-ästhetischer Bildung, an dem fachschulen und , Prozent im dua- digen Konferenz der Kultusminister der In diesen Einrichtungen bedarf es einer alle Kinder erreicht werden. len System einen künstlerischen oder Länder sowie dem Bundesministerium erhöhten alltagsintegrierten Sprachför- Weiterbildung Die Mehrzahl der - bis -Jähri- künstlerisch-affi nen Beruf beginnen, für Bildung und Forschung gefördert. derung durch qualifi zierte Fachkräfte. Seit einem Jahrzehnt stagniert die Wei- gen übt regelmäßig musikalische oder können Studierende zwischen . Die seit  erschienenen Bil- terbildungsbeteiligung der Bevölkerung. künstlerische Aktivitäten aus, wobei die Studiengängen in Kunst und Kultur dungsberichte stellen den Entwick- Allgemeinbildende Schule und non-for- Der Appell des letzten Bildungsberichts, bildnerisch künstlerischen Aktivitäten wählen. Das entspricht einem Zehn- lungsstand, die Fortschritte und die male Lernwelten im Schulalter die Weiterbildung zu stärken, um der wie Malen, Basteln, Fotografi eren und tel aller Studienangebote. Die Zufrie- sich abzeichnenden Probleme des deut- Das Abschlussniveau der Schüler ist all- demografi schen Entwicklung vorzubeu- Videosdrehen bei den - bis -Jährigen denheit mit dem gewählten Studium schen Bildungswesens bereichsüber- gemein gestiegen und hat sich im Jahr gen, hat wenig gefruchtet. Der größte mit  Prozent überwiegen.  Prozent drückt sich durch eine geringe Studien- greifend dar. Neben einem identisch  auf  Prozent der Schulabsolven- Weiterbildungsanbieter für berufl iche gehen musikalischen Angeboten nach. abbruchquote aus und dies trotz prekä- aufgebauten Stammteil wird in jedem ten mit allgemeiner und  Prozent mit Maßnahmen ist die Bundesagentur Hierbei zeigt sich die Bedeutung der rer Beschäftigungsaussichten. Bildungsbericht jeweils ein Thema ver- fachgebundener Hochschulreife weiter für Arbeit. Nur  Prozent der - bis non-formalen Bildungseinrichtungen: Allgemein ist jedoch festzustellen, tiefend behandelt. Im Bildungsbericht erhöht. Die Zahl der Jugendlichen, die -Jährigen nehmen an Weiterbildun-  Prozent der kulturell aktiven Jugend- dass viele Studierende mit Studienbe-  steht das Thema kulturelle Bil- ohne Abschluss die Hauptschule ver- gen teil, die größtenteils betrieblich lichen sind in Vereinen und Gruppen ginn ihre kulturell-musischen Aktivitä- dung im Mittelpunkt. Die diff erenzier- lassen, nahm von  mit  Prozent organisiert sind. Weiterbildungen sind – öff entlicher, halb-öff entlicher und ten aufgeben. »So sind fast  Prozent ten Formen der kulturellen/musisch- der gleichaltrigen Bevölkerung auf , noch weit davon entfernt, die »Vierte privater Organisationen – außerhalb der Studierenden auf dem Gebiet der ästhetischen Bildung werden in unter- Prozent im Jahr  ab. Alarmierend Säule« des Bildungssystems zu sein, wie der Schule aktiv.  Prozent der Schü- klassischen Musik aktiv gewesen, aber schiedlichen Lebenszusammenhängen ist jedoch der Anteil leseschwacher es z.B. der Deutsche Bildungsrat fordert. ler erreichen die außerunterrichtlichen nur  Prozent sind dies auch noch wäh- und -phasen, inklusive dem Fokus auf -Jähriger, der dreimal höher ausfällt. Angebote der Schule. rend des Studiums.« die non-formale Bildung und das infor- Die Autoren stellen fest, dass die Schwerpunktthema: Kulturelle/musisch- Die Unterrichtsbedingungen für die Zwei Drittel der Erwachsenen zwi- melle Lernen von der frühkindlichen Angebote von Ganztagessschulen bis ästhetische Bildung im Lebenslauf musisch-kulturellen Fächer unterschei- schen  und  Jahren nutzen musisch- Bildung bis ins Seniorenalter, aufge- dato nur ein Viertel der Schüler errei- Die Autoren des Bildungsberichtes den sich stark nach Schularten sowie ästhetische Bildungsaktivitäten. »Nach zeigt. Dies entspricht der Defi nition, chen. Der Ausbau von Ganztagsschulen gehen von einem umfassenden und Ganz- und Halbtagsschule. Es ist und Formen sind die rezeptiven Aktivitäten die auch der Deutsche Kulturrat in der variiert nach Ländern und vollzieht sich breiten Verständnis von kultureller bleibt wichtig, dass fachlich qualifi - doppelt so häufi g wie die eigenaktiven Dialogplattform Kulturelle Bildung überwiegend in off ener Form. Dabei Bildung als ein lebenslanger Prozess ziertes, pädagogisches Personal die ( Prozent gegenüber  Prozent) ver- vertritt, die im Juli  startete. Mit würde ein stringenterer Ausbau in ge- aus. Sie konstatieren, dass es in allen musisch-künstlerischen Fächer unter- treten.« Das Bildungsniveau spiegelt dem Verweis auf Problemlagen und He- bundener (verpfl ichtender) Form die Lebensphasen ein umfangreiches Inte- richtet, denn dies trägt zum Erfolg kul- sich auch hier wider: Erwachsene mit rausforderungen im internationalen Gestaltungsspielräume innerhalb der resse aller gesellschaftlichen Gruppen tureller, musisch-ästhetischer Bildung Hochschulreife gehen doppelt so oft Kontext sowie auf die unterschiedlichen Schule erweitern. Davon würden be- an kultureller Bildung gibt. bei. Die zunehmenden Kooperationen kulturellen Aktivitäten nach ( Pro- Entwicklungen in den einzelnen Bun- sonders bildungsbenachteiligte Kinder Der Hort der kulturellen Bildung ist mit außerschulischen Partnern zeigen zent) wie diejenigen mit Hauptschul- desländern bietet der Bildungsbericht und Jugendliche profi tieren. die Familie, in der Kinder die ersten, die Tendenz auf, Fachkompetenzen aus abschluss ( Prozent). eine Grundlage für bildungspolitische weichenstellenden kulturellen Bil- den außerschulischen Bereichen für die Der weit gefasste Begriff der kultu- Entscheidungen in Deutschland. dungserfahrungen sammeln, die spätere Schulen nutzen zu wollen. Die außer- rellen Bildung und eine lückenhafte, Neigungen und Interessen maßgeblich schulischen Angebote der Ganztags- unbefriedigende Datenlage zählten zu erwecken. Nahezu alle Eltern regen ihre schulen ergänzen das Spektrum und den Problemen bei der Bearbeitung des Zentrale Ergebnisse Bildungswege werden Kinder über gemeinsame Aktivitäten bieten somit insbesondere Schülern aus Schwerpunktthemas. Ebenso »bestehen auf einen Blick fl exibler zum Erleben und Erfahren kultureller/ bildungsfernen Elternhäusern die Mög- sowohl über die inhaltlichen Angebote Die demografi sche Entwicklung sowie musisch-ästhetischer Bildung an. lichkeit, sich innerhalb verschiedenarti- in den non-formalen und Informellen die anhaltenden strukturellen Verän- Singen und Musizieren besitzen in ger künstlerischer Ausdrucksformen zu Bereichen und die von ihnen erreichten derungen des Beschäftigungssystems den Familien einen hohen Stellenwert. erproben und künstlerisch-ästhetisches diff erenzierten Nutzergruppen als auch ziehen sich als roter Faden durch den Etwa ein Drittel der Familien mit Kin- Wissen zu erwerben. über deren Wirkung« für alle Alters- Bericht. Grundlegend stellen die Au- Aus- und Hochschulbildung dern aus der . und . Migrationsgenera- Beachtenswert ist, dass Einrich- gruppen unzureichende Informationen. toren fest, dass sich die Bildungswege Die demografi sche Entwicklung schlägt tion musizieren häufi g gemeinsam. Bei tungen der non-formalen Bildung wie Das Bundesministerium für Bildung zunehmend fl exibilisieren und die Bil- sich indes auch auf den Ausbildungs- Familien ohne Migrationshintergrund Musik- und Kunstschulen, Vereine, Kir- und Forschung nimmt sich dieses Man- dungssysteme sich durch die länder- markt nieder. Der Lehrstellenmarkt hat liegt der Anteil nur bei  Prozent. Das chen, Chöre sowie Laientheatergruppen kos an. Es werden verstärkt Mittel für spezifi schen Unterschiede zwischen sich entspannt. Trotz des Rückgangs um Bild verschiebt sich bei der Nutzung den höheren Wirkungsgrad haben als die Forschung bereitgestellt. Auf die halbtags/ganztags, G/G, öff entlichen/  Prozent der Neuzugänge gegenüber kulturell/musisch-ästhetischer Ange- die der formalen Bildung. Die Autoren Ergebnisse und den nächsten Bildungs- privaten Trägern ausdiff erenzieren.  blieb der Prozentsatz bei einem bote außerhalb der Familie.  Prozent kritisieren in dieser Beziehung auch die bericht in zwei Jahren dürfen wir ge- Drittel im Übergangssystem, wobei der Eltern mit hohem Bildungsstand unzureichende Datenlage bezüglich der spannt sein. Frühkindliche Bildung sich die Situation von Jugendlichen mit melden ihre Kinder zu musikalischen Inhalte, Wirkungen und Finanzierungs- Den Bildungsbericht  können  Prozent der - bis -Jährigen besu- maximal Hauptschulabschluss kaum Kursen an, das triff t nur auf  Prozent bedarf innerhalb der Kooperationen von Sie unter www.bildungsbericht.de her- chen eine Kindertageseinrichtung oder verbessert hat. Bedenklich ist, dass  der Eltern mit mittlerem und  Prozent Bildungseinrichtungen mit kulturellen unterladen. eine Kindertagespfl ege. Der Besuch ist Prozent der westdeutschen und gar  der Eltern mit niedrigem Bildungsstand Einrichtungen und dies, obwohl vier zur Regel geworden. Diese Tendenz Prozent der ostdeutschen Ausgebildeten zu. Deshalb ist gerade die frühkindliche Fünftel der Bildungsausgaben über Birgit Wolf ist wissenschaftliche korrespondiert auch mit der steigenden drei Jahre nach Abschluss in einem nicht Bildung in den Kindertageseinrichtung öff entliche Haushalte fi nanziert werden. Referentin beim Deutschen Zahl erwerbstätiger Frauen. Nehmen ausbildungsadäquaten Job arbeiten. von hoher Bedeutung, da dadurch fast Unabhängig von den Institutionen ent- Kulturrat Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  KULTURELLE BILDUNG 11

an. »Schön« ist diese documenta kaum. Mir fehlen ein wenig die poetischen Hö- Die dOCUMENTA  hepunkte vergangener documenten. Denn dass das Leben schwer ist, weiß man viel- Eindrücke und Analysen des Künstlerbildes: Künstler werden selbst Komplexität der Ausstellung darüber zu Kunst kommt leicht auch selbst schon. Eine Ausnahme zu Kuratoren, Kritikern und Unterneh- schreiben. Dieses Mal ist es nahezu un- von der Defi niti- ist die Installation von Haegue Yang mit MAX FUCHS mern (so V. Krieger: Was ist ein Künstler? möglich. Es ist wie bei dem Hasen und dem Projektionen auf große rotierende Soff - ). Und solche, die Kunst eigentlich Igel: Immer schon ist die Ausstellung da. onsmacht, die Zylinder, die an der Decke hängen. Doch rüher, so scheint es, war es ein- nur vermitteln sollen, rücken sich gezielt Integriert werden Wissenschaften (etwa Experten, dann wird man wieder in der großen facher, über Kunst zu schreiben. in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: der Quantenphysiker Anton Zeilinger), Kuratoren und Teilausstellung »The Repair« von Kader Böse Zungen behaupten etwa, Galeristen, Kuratoren, Intendanten oder sodass die documenta sich gelegentlich Galeristen Attia mit nur schwer zu ertragenden de- F dass Kant seine Schrift zur Ästhe- Groß-Kritiker. Die Kunst und die Künstler präsentiert wie das Deutsche Museum, formierten Gesichtern, vom Krieg beschä- tik ohne tiefere Kenntnis über die Künste selbst rücken off enbar immer mehr in den zumal die Orangerie und das Ottoneum ausüben. digt und nur notdürftig wieder hergestellt, hat schreiben können. Hegel war sicher- Hintergrund. Teil dieses Event-Betriebes mit ihren naturwissenschaftlichen Aus- konfrontiert. Bei so viel Zivilisationskritik, lich ein Kenner, doch musste sich auch bei ist alle fünf Jahre die documenta. Natür- stellungen fugenlos eingebaut sind. Es bei der immer wieder das zerstörte Sub- ihm die Kunstrefl exion der Logik seines lich wird hier Einfl uss genommen darauf, sind alle Künste präsent, da viele Künst- jekt, der Einzelne als Spielball destruktiver Systems beugen. Immerhin konnte man was als Kunst zu gelten hat. Natürlich ler geniale Doppelbegabungen sind (Llyn Techniken und Machtstrategien, gezeigt noch bis zur Mitte des . Jahrhunderts werden hier Marktpreise defi niert, auch Foulkes, William Kentridge u.a.). Es ist wird, könnte man eine Totalablehnung der über das »Wesen der Kunst« fabulieren, wenn es keine Messe ist. Und natürlich die Einheit von Mensch und Natur ange- Technik insgesamt vermuten. Doch öff net obwohl spätestens in der zweiten Hälfte prägen die jeweiligen Kuratoren sehr viel strebt, sodass letztere ebenfalls – wie al- sich die documenta-Halle mit den Werken des . Jahrhunderts das Wechselspiel der mehr das Gesamtbild als die Kunst und lerdings auch schon früher – eingebunden von Thomas Bayrle, der die Ästhetik aufge- Ismen begann. Dabei ging es um nichts die Künstler. War es dieses Mal anders? ist. Gleichzeitig zur Kasseler Ausstellung schnittener Motoren oder die Melancholie weniger, als eine jeweils neue Defi nition Schon im Vorfeld gab es zwischen Kritik fi nden Parallel-Aktionen in Kabul statt von Scheibenwischern in nutzloser Aktion dessen, was Kunst ist, durchzusetzen. Mar- und Amüsiertheit heftige Reaktionen auf (Goshka Macuga). Auch Kairo und Banff zeigt. cel Duchamp und Andy Warhol markieren die blumigen Äußerungen von Carolyn werden integriert. Natürlich ist die dies- Kunst stimuliert die Sinne, dies ist geradezu Revolutionen im Kunstverständ- Christov-Bakargiev (CCB). Bei ihrem Vor- jährige documenta auch politisch. Es gibt vielleicht der letzte Rettungsversuch ei- nis: Ersterer, weil es ihm gelungen ist mit gänger blühten sogar Internetforen auf, zahlreiche Diskussionsrunden, Gespräche, ner essentialistischen Defi nition. Doch seinen Ready-Mades Industrieprodukte die sich über die oft sinnfreien Äußerun- Vorträge von Fachwissenschaftlern aller zur Tradition der Künste – und auch der offi ziell als Kunstwerke anerkennen zu gen lustig machten. Und bei der vorletzten Gebiete. Der Philosoph Christoph Menke documenta – gehört, dass sie sich immer lassen, Letzterer, weil seine New Yorker documenta (die .) trat die eigentliche hat seinen eigenen Bereich. Die Aufarbei- wieder der Sinne entziehen. Dies zeigte Factory in der Tat eine fabrikmäßige Kunstausstellung als bloß fünfte Platt- tung des Faschismus (in den letzten Jahren schon der unsichtbare Kilometer, der zu Organisation der Kunstherstellung re- form eines überambitionierten weltweiten kaum präsent) und der Kolonialzeit ist ein Zeiten des OB’s Hans Eichel – heute einer alisierte und die Idee eines auratischen Politikdiskurses, der kein postmodernes Schwerpunkt. So werden Werke ermorde- der »Weltgewandten Begleiter« – einge- Originals endgültig ad absurdum führte. und postkoloniales Thema ausließ, fast in ter oder vertriebener Künstlerinnen und graben wurde. Heute verdeckt der hoch- Seither hat es sich inzwischen weitgehend den Hintergrund. Dies zumindest geschah Künstler prominent platziert (z. B. Gustav betagte Gustav Metzger seine Malereien durchgesetzt: Kunst ist das, was ein Kreis dieses Mal nicht. Man registrierte vielmehr Metzger). Auch der ganz normale gegen- mit Tüchern, die man erst anheben muss, von Experten dafür hält (Kuratoren, Mu- überall große Überraschung. Denn es ging wärtige Wahnsinn zivilisierter Staaten ist um sehen zu können. Heute ist gleich in seumsleiter, Sammler, Galeristen, Kritiker, tatsächlich um Kunst, um sehr viel Kunst, Gegenstand, etwa bei der Galgeninstalla- der Eingangshalle anstelle von Werken Hochschullehrer, Kunstwissenschaftler denn über  Künstlerinnen und Künstler tion von Sam Durant in der Karlsaue, mit ein gar nicht so sanfter Luftzug zu spüren und zuletzt: die Künstler selbst). Das Feld bespielen die gesamte Stadt. Viele Frauen, der er gegen die Todesstrafe in den USA und es wird ein Absagebrief von Kai Alt- der Künste ist ein Feld des Kampfes um viele (bislang) völlig unbekannte, viele neu protestiert. Protest gegen die Pathologi- hoff gezeigt, der erläutert, warum er nicht Defi nitionsmacht, Aufmerksamkeit und entdeckte und einige sogar schon längst en der Moderne: Die Choreographie von ausgestellt werden kann. letztlich auch um Marktwert. Damit ver- verstorbene Künstler wurden präsentiert. Tanzszenen auf Müllhalden und im stark Vieles wäre noch zu erwähnen. Etwa bunden ist eine gravierende Veränderung Schwer war es schon immer, aufgrund der verschmutzten Meer regen den Brechreiz das überaus umfassende Vermittlungs- programm. Leicht größenwahnsinnig – eine Ironie war nicht zu erkennen – ist das »Buch der Bücher«, eine Zusammen- stellung von  Notizbüchern quer durch alle Wissens- und Erlebnisbereiche, die von der Kuratorin ausgesucht bzw. von Experten auf ihre Einladung hin verfasst wurden. »Totale Überforderung« und ein Schrei nach Ordnung war die Reaktion des art-Redakteurs Till Brieger, der sich einem Selbstversuch der Lektüre unterzogen hat. Wie eingangs erwähnt: Es dürfte kaum ein Thema, eine Aktionsform, ein Angebot, eine Expertise, ein Zugangsweg ausgelas- sen worden sein, ein Rundum-Sorglos- Paket der Kunstaneignung also. Was heißt dies für die Kulturpolitik? Mit einer »reinen« Kunsttheorie ist Ge- genwartskunst nicht zu verstehen. Sie ist viel zu sehr in die Erlebnis-, Event- und Machtprozesse der kapitalistischen Ge- sellschaft eingebunden, selbst wenn sie dagegen protestiert. Es wird zudem viel Kunst, es werden viele Künstler gezeigt. Kann man all dies würdigen, wenn es so konzentriert daherkommt? Ich kann es nicht. Es zeigt sich die Dominanz der Ver- mittler. Dies ist nicht bloß in der Bilden- den Kunst der Fall: Marcel Reich-Ranicki hat seinerzeit gezeigt, dass der Kritiker wichtiger ist als der Autor. Kuratoren zei- gen, dass sie wichtiger sind, als die Werke. Der Kunstwissenschaftler und Publizist Christian Demand zeigt, wie gerade in den besten Museen der Kunst der Moderne – etwa im MoMA in New York – alleine durch die Art der chronologischen und thematischen Hängung der Werke eine Ordnung geschaff en wird, die es eigent- lich nicht gibt. Kunst braucht Vermitt- lung, zweifellos. Aber ob sie die heutige Dominanz der Vermittler braucht, ist zu bezweifeln. So spielen ganz aktuell in der Diskussion um das Urheberrecht die beiden eigentlich wichtigen Gruppen im Umgang mit Kunst, nämlich die Produ- zenten und die Rezipienten, eine sehr viel geringere Rolle als all diejenigen Personen, Berufe, Firmen, die zwischen Künstler und Publikum stehen. Vielleicht ist dies unver- meidbar. Dann sollte man jedoch unsere kulturpolitischen Begründungen sorgsam auf ihre Richtigkeit überprüfen.

FOTO: NILS KLINGER NILS FOTO: Max Fuchs ist Präsident des Deutschen Das Fridericianum ist traditionsgemäß der Hauptaustragungsort der documenta Kulturrates 12 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

Im Kontext unserer Zeit Das Reformationsjubiläum  und die politische Dimension des Freiheitsbegriff es

MARGOT KÄẞMANN nen ordiniert und auch als Bischöfi nnen akzeptiert. ls Botschafterin des Rates der Für viele Reformatoren war der Evangelische Kirche in Deutsch- Schritt zur Ehe ein Zeichen, dass auch A land (EKD) für das Reformati- Leben in einer Familie, mit Sexuali- onsjubiläum bin ich beauftragt, Kontak- tät und Kindern von Gott gesegnetes te in unterschiedliche gesellschaftliche Leben ist. Die Reformatoren wollten Bereiche und vor allem auch zu Kirchen deutlich machen: Weltliches Leben außerhalb Deutschlands zu knüpfen, ist nicht weniger wert als priesterli- um dazu beizutragen, dass wir  ches oder klösterliches. Es geht darum, nicht ein binnenkirchliches oder rein mitten im Alltag der Welt den Glauben deutsches Jubiläum feiern. Dazu die- zu leben. Theologische Grundlage der nen Vorträge, Gespräche, Predigten und Überlegungen war die Taufe. Gott sagt schriftliche Beiträge. dem Menschen Gnade, Liebe, Zuwen- Zurzeit fi nde ich vor allem folgende dung, Lebenssinn zu. Jeder, der aus der Überlegung interessant: Reformations- Taufe gekrochen ist, ist Priester, Bischof, jubiläen waren stets von ihrem Kontext Papst. Von daher hat Luther auch den geprägt. Was zeigt sich schon heute als Respekt gegenüber Frauen entwickelt. das Besondere am Jubiläumszeitpunkt Sie sind getauft und stehen damit auf ? Erste Überlegungen: gleicher Stufe. Das war ein theolo- gischer Durchbruch und zugleich eine Ökumene gesellschaftliche Revolution. Es ist das erste Jubiläum nach  Jah- Es hat allerdings noch Jahrhunderte ren ökumenischer Bewegung. Das be- gedauert, bis die Kirchen der Reforma- triff t einerseits den römischen Katho- tion begriff en haben, was Priestertum lizismus. Wir sind auf je eigene Weise aller Getauften meint. Nämlich, dass »Erbin der Alten Kirche« (Luther, Wider Frauen auch de facto Pfarrerin und Bi- Hans Worst ), es geht um eine ge- schöfi n werden können. meinsame Geschichte.  wurde in Beim Jubiläum  ist deutlich: Augsburg in der Gemeinsamen Erklä- Kennzeichen der evangelischen Kirche rung der römisch-katholischen Kirche ist, dass aus theologischer Überzeugung und des Lutherischen Weltbundes zur Frauen Pfarrerin sein können und auch Rechtfertigung festgehalten: So wie die Bischöfi n. beiden Kirchen ihre Lehre heute formu- lieren, werden sie von den Verwerfun- Spaltung überwinden gen des . Jahrhunderts nicht getroff en. Das Reformationsjubiläum  ist das Bei aller bleibenden Diff erenz und dem erste nach der Leuenberger Konkordie je eigenen Profi l verbindet uns mehr als von . In Europa wurde mit der Leu- uns trennt. In einer säkularisierten Ge- enberger Konkordie  ein wichtiges sellschaft ist zudem ein gemeinsames Signal gesetzt: Trotz aller Diff erenzen Zeugnis der Christinnen und Christen können sich die aus der Reformation von Bedeutung. hervorgegangenen Kirchen gegensei- Es geht auch um die weltweite tig und auch in ihren Ämtern aner- Ökumene, die als Bewegung seit  kennen und miteinander Abendmahl existiert und seit  mit dem Ökume- feiern. Auch wenn diese Gemeinschaft nischen Rat der Kirchen institutionali- bekenntnisverschiedener Kirchen man- siert ist, auch im Lutherischen und Re- ches Mal als »Minimalökumene« diskre-

formierten Weltbund eine Stimme hat. ditiert wurde: Es ist ein gelebtes Modell, SACHSENANHALT IN LUTHERGEDENKSTÄTTEN STIFTUNG FOTO: Wie ist die Verbindung zu den Kirchen Spaltung zu überwinden. Luther  –  Jahre Reformation; www.luther.de; Grundlage: Lucas Cranach d. Ä. (Werkstatt), Öl auf Holz,  in aller Welt? Welchen spezifi schen Das Reformationsjubiläum  Beitrag leisten die Evange- kann die Leuenberger Kon- Verfassung und Menschenrechten. In ihrer Verführbarkeit in der Zeit des die politische Dimension des reforma- lischen? Was bedeutet das kordie als gelebtes Modell, Luthers Freiheitsbegriff geht es zual- Nationalsozialismus haben wir gelernt, torischen Freiheitsbegriff s aufzeigen. Jubiläum in Chile, in Korea, Spaltung zu überwinden, lererst um die Glaubensfreiheit, die uns dass Kirche Widerstand leisten muss, Es wird darum gehen, das Jubiläum be- in Tansania?  wird ein hervorheben. Christus schenkt. In der Konsequenz wo Menschen- und Freiheitsrechte mit wusst im Kontext unserer Zeit zu feiern. Reformationsjubiläum mit geht es auch um Freiheit des Gewis- Füßen getreten werden. Das sind auch Das wird spannend. ökumenischer Dimension Bildung sens, um Religionsfreiheit und Mei- Erfahrungen der Kirche in der DDR. Das sein. Das Reformationsjubiläum nungsfreiheit. Das hat auch politische sind auch Erfahrungen in aller Welt: in Margot Käßmann ist Botschafterin des  ist das erste, das in Konsequenzen. Nach der Erfahrung des Südafrika, in Argentinien, im Iran. Das Rates der EKD für das Reformationsju- Dialog der Religionen einer Zeit gefeiert wird, in Versagens unserer Kirchen und auch Reformationsjubiläum  muss auch biläum   ist das erste Gedenk- der die historisch-kritische jubiläum des Thesenan- Mit dieser Kolumne Methode der Bibelexegese schlags nach dem Holo- begleiten wir das weitgehend anerkannt ist. caust. Wir müssen off en- Reformationsjubiläum. Die Voraussetzung für ei- siv mit dem fatalen Erbe nen mündigen Glauben war Luthers in dieser Beziehung umgehen für Luther, dass jede und jeder selbst die SaatGut – Fundraising für Soziokultur in einer Zeit, die sich bewusst ist, dass Bibel lesen konnte, Grundlage dafür war Ein Projekt öff net neue Perspektiven für Kulturschaff ende der Dialog der Religionen notwendig ist. eine Bildung für alle. Bildungsgerech- Mir scheint wichtig, hier einen tigkeit und Bildungsteilhabe. Er hatte ELLEN AHBE viduelles Konzept erstellt. Beim Auf- der Öff entlichkeit zu präsentieren, neuen Akzent zu setzen. Nach sech- dafür theologische Gründe: Glaube war bau der Strukturen und Maßnahmen nimmt die Bundesvereinigung den zig Jahren jüdisch-christlichem Dia- für ihn gebildeter Glaube, also ein Glau- ach doch mal was mit Fund- vor Ort steht über mehrere Monate zweiten bundesweiten »Tag der So- log können wir sehen, dass die Kirche be nicht aus Konvention und nicht aus raising!« Das hören Kul- hinweg ein Coach zur Seite. Dieser ziokultur« zum Anlass und lädt am . der Reformation dialogfähig ist. Das spiritueller Erfahrung allein, sondern M turschaff ende nicht selten, Aspekt erhöht nach Meinung der Ex- Oktober von  bis  Uhr in das Ber- ist eine aktuelle Herausforderung auch durch die Bejahung der befreienden wenn sie auf dem politischen Parkett pertin die Chancen deutlich, dass alle liner Mitgliedszentrum RAW-tempel mit Blick auf Muslime. Wetterte Luther Botschaft des Evangeliums. Heute kön- um fi nanzielle Unterstützung aus öf- Hürden genommen und erste Erfolge ein! Das Gelände in der Revaler Stra- wider die Türken, so leben wir heute nen wir sagen, dass dieses Bibellesen fentlicher Hand kämpfen. Das triff t bei der Akquise von Unterstützerin- ße  ist der letzte kulturelle, nicht gemeinsam in einem Land. Gleichzeitig auch beinhaltet, die Entstehung der auch für soziokulturelle Zentren nen und Unterstützern erzielt werden. hermetische Freiraum im Zentrum sind Christen in aller Welt die am meis- biblischen Bücher wahrzunehmen. zu, die bis zu  Prozent ihrer Mit- »Erst dann kann die Saat aufgehen«, der Stadt und bundesweit eines der ten verfolgte Religionsgemeinschaft. Beim Reformationsjubiläum  tel selbst erwirtschaften. Doch wer so Wiebke Doktor von der Agentur größten verbliebenen Projekte sei- Wir brauchen einen Dialog und er muss muss deutlich sein: Den Kirchen der Fundraising erfolgreich in seinen »fundamente«. ner Art. Es wurde in den Jahren  theologisch gegründet sein. Reformation geht es um gebildeten Kulturbetrieb implementieren will, Für die Durchführung der Pilot- und  durch den Deutschen Rat Zum Reformationsjubiläum  Glauben und der schließt auch den muss zuvor Zeit und Geld investieren. phase mit zehn soziokulturellen für Nachhaltigkeit mit dem Prädikat muss der Dialog der Religionen sich historisch-kritischen Blick auf den bi- Deshalb hat die Bundesvereinigung Zentren werden nun bundesweit »Werkstatt N« ausgezeichnet. als Anliegen des Protestantismus er- blischen Text ein. Soziokultureller Zentren e.V. mit der Unterstützerinnen und Unterstützer Mehr Informationen zum Projekt weisen. Agentur »fundamente« aus Duisburg gesucht. Pro Zentrum werden . »SaatGut« und zur Veranstaltung fi n- Freiheit das Programm »SaatGut« entwickelt. Euro als »SaatGut« benötigt. Die Bun- den Sie auf www.soziokultur.de. Frauen  wird das erste Reformationsjubi- Es sieht für die teilnehmenden so- desvereinigung Soziokultureller Zen- Es ist das erste Jubiläum, bei dem die läum sein, bei dem es in Deutschland ziokulturellen Zentren zunächst eine tren will hierfür mit Stiftungen und Ellen Ahbe ist Geschäftsführerin der große Mehrheit der evangelischen Kir- eine klare Trennung von Kirche und intensive Schulung vor. Anschließend Sponsoren kooperieren. Um das vom Bundesvereinigung Soziokultureller chen in aller Welt Frauen zu Pfarrerin- Staat gibt und ein klares Bekenntnis zu wird mit fachlicher Beratung ein indi- Fonds Soziokultur geförderte Projekt Zentren e.V. Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  KULTURELLES LEBEN 13

Mit der Roten Liste bedrohter Kultureinrichtungen, einer Analogie zu GEFÄHRDUNGSKATEGORIEN den bekannten »Roten Listen« bedrohter Tier- und Pfl anzenfamilien, werden in jeder Ausgabe gefährdete Kulturinstitutionen, -vereine und -programme vorgestellt. Kategorie  Gefährdung aufgehoben/ungefährdet Die Ziel ist es, auf den Wert einzelner Theater, Museen oder Orchester, seien sie Teil einer Kommune oder einer Großstadt, hinzuweisen. Oft wird die Kategorie  Vorwarnliste Bedeutung einer kulturellen Einrichtung den Nutzern erst durch deren Bedrohung deutlich. Erst wenn Empörung und schließlich Protest über Kategorie  gefährdet mögliche Einschnitte oder gar eine Insolvenz entstehen, wird den Verant- wortlichen bewusst, wie stark das Museum, Theater oder Orchester mit Kategorie  von Schließung bedroht Rote der Struktur und der Identität des Ortes verbunden ist. Diesen Bewusstseinsprozess gilt es anzuregen. Politik & Kultur stellt dazu Kategorie  geschlossen die Arbeit einzelner Einrichtungen vor und teilt sie ein in Gefährdungs- kategorien von  bis . Ob und welche Veränderungen für die vorgestell- Benachrichtigen Sie uns über die Lage Ihnen bekannter Kultureinrich- ten Einrichtungen eintreten, darüber werden wir Sie fortlaufend infor- tungen! Senden Sie uns dazu Ihre Vorschläge an info@politikundkultur. Liste mieren. net.

STADTBIBLIOTHEK CALBE, SACHSENANHALT BERGISCHE PHILHARMONIE, NRW

• Gründung:  • Gründung:  • Mitarbeiter:  • Mitarbeiter:  Orchestermusiker • Tätigkeitsfeld: umfangreicher Buch- und Medienbestand, Lese- und Bastelnachmittage für Kinder, • Tätigkeit: Orchester der Städte Remscheid und Solingen Bücherfl ohmarkt • Finanzierung: durch oben genannte Städte, Land, Eigenmittelerwirtschaftung • Träger: Kommune - Stadtverwaltung Calbe (Saale) • Homepage: http://www.bergischesymphoniker.de • Homepage: http://www.calbe.de/front_content.php?idcat= ------Von Philharmonischen Konzerten gen und Zeitschriften, das ist das und Kammermusik, über Sonder- Pfund, mit dem die Stadtbibliothek Familien- und Meisterkonzerte, Calbe wuchern kann. Bislang. Denn von Musiktheater bis zu Gastspie- ab dem . Dezember  wird die len und Schulkonzerten, an pro- Bibliothek der Stadt im Salzland- grammlicher und musikalischer kreis, die zirka . Einwohner Vielfalt mangelt es den Bergi- hat, geschlossen. Auf Grundlage schen Symphonikern keineswegs. eines Stadtratsbeschlusses wurden Für die musikalische Klasse sorgt die freiwilligen Ausgaben für die Peter Kuhn, der seit / Ge- Bibliothek aufgekün- neralmusikdirektor digt. Im Vorfeld des ist. Pro Spielzeit gibt Schließungsbeschlus- das Orchester ca.  ses gab es vielfältige Konzerte. Proteste der Bürger. Als modellhaft gilt

FOTO: ??? Auch Alternativvor- die Jugendarbeit  schläge der Mitarbeite- des Orchesters mit  SYMPHONIKER FOTO:BERGISCHE . Romane, . Kinderbücher, . Sach- rinnen der Bibliothek, Schulkonzerten und bücher sowie . Musikkassetten, CDs, DVDs, konnten die geplante Schließung bisher nicht Schulmusiken. Nachwuchsmusikern dient die Finanzierung des Hauses. Der Sparzwang der Hörbücher, Gesellschaftsspiele, CD-Rom, Zeitun- verhindern. Orchesterakademie als Möglichkeit, um erste Städte könnte sich auch bald auf die Sympho- Erfahrungen in einem Profi -Orchester zu sam- niker auswirken. Aktuell wird von städtischer meln. Die Bergischen Symphoniker sind ein Seite geprüft, ob und wie . Euro von bei- Zusammenschluss, eine Orchesterehe, die  den Städten eingespart werden können. Eine FRAUENMUSIKZENTRUM, HAMBURG die Remscheider Symphoniker und das Städ- Kürzung um ¼ wird sich problematisch auf den tische Orchester Solingen eingingen. Der sich Fortbestand der Einrichtung in ihrer jetzigen

• Gründung:  anbahnende Mangel bezieht sich auf die weitere Form auswirken. • Mitarbeiter:  Hauptamtliche und viele ehrenamtliche Helferinnen je nach Bedarf • Tätigkeitsfeld: kulturpolitische, feministische und vor allem musikalische Aktivitäten in den Bereichen Rock, Pop und Jazz DOKUMENTATIONSZENTRUM ALLTAGSKULTUR DER DDR, • Finanzierung: Eigeneinnahmen sowie Förderung durch die Freie und Hansestadt Hamburg, Be- hörde für Kultur und Medien BRANDENBURG • Homepage: http://www.frauenmusikzentrum.de/ ------• Gründung:  Proberäume, in denen bis zu  • Mitarbeiter: aktuell  feste Mitarbeiter,  MAE (. Arbeitsmarkt),  studentische Praktikanten Musikerinnen Platz fi nden. Das • Tätigkeitsfeld: Fachmuseum für die Alltagskultur der DDR Frauenmusikzentrum veranstal- • Finanzierung: Stadt Eisenhüttenstadt, Landkreis Oder-Spree, Land Brandenburg tet Projekte wie »espressiva - das • Homepage: http://www.alltagskultur-ddr.de Musikerinnenfestival« und »SIS------TARS - das bundesweite Mädchen- In Eisenhüttenstadt wird gesam- bandcoaching«. Nun wurde der melt, sortiert, dokumentiert und Mietvertrag für die Proberäume erforscht,- und zwar Gegenstände des Zentrums, und damit der Dreh- der DDR Alltagskultur. Das Doku- und Angelpunkt seiner kulturellen mentationszentrum Alltagskultur Funktion, gekündigt. der DDR präsentiert seine Objek- Der einzige Ausweg te und Arbeitsergebnisse seit  besteht im Kauf der der interessierten Öff entlichkeit. Immobilie durch ei- Ziel des Museums ist nen Investor und im es, den Alltag und die anschließenden An- Gesellschaft der DDR © FMZ ©  mieten der Räume verständlich zu ma- durch das fmz. Die chen. Dabei orientieren

Im Hinterhof in der Großen Brunnenstraße in Hamburger Stiftung konnte als sich die Mitarbeiter am LUDWIG A. FOTO: Hamburg ist das Frauenmusikzentrum (fmz) be- Käufer gewonnen werden, jedoch bedarf es ei- jeweils aktuellen For-  heimatet. Seit  Jahren ist das fmz Anlaufstelle nem Eigenkapitalanteil seitens des Zentrums schungsstand und kooperieren mit Hochschu- Abstand nehmen. Gerade erst wurde eine neue für Frauen und Mädchen, die von Punkrock über von . Euro. len und Museen. Ob weiterhin in Eisenhütten- Dauerausstellung mit dem Titel »Alltag: DDR« Bigband bis hin zu Heavymetal Musik erleben Nach Erbringung dieser Summe würde die stadt Raum für den öff entlichen Diskurs um die eröff net – mit Unterstützung aus dem Gedenk- und erproben möchten. Ziel des Zentrums ist es, Stiftung dem fmz ein lebenslanges Mietrecht deutsch-deutsche Zeitgeschichte ist, ist ungewiss. stättenprogramm des Bundes. Frauen eine Plattform für das Ausprobieren und und einen konstanten Mietpreis zusichern. Das Die Stadt Eisenhüttenstadt hat angekündigt, ihre Wie lange das Fachmuseum für die Alltagskultur die Umsetzung kreativer Ideen zu bieten. Zudem Zentrum hoff t auf Spenden, damit die Räum- Mittel in Höhe von ca. . Euro ab kommen- der DDR noch solch originelle Projekte umsetzt, ist Raum für kulturpolitische und feministische lichkeiten erhalten und die musikalische Arbeit dem Jahr zu streichen. In diesem Fall würde auch entscheidet sich in den nächsten Wochen und Diskussionen. Herzstück des Zentrums sind die fortbestehen kann. der Landkreis von einer Finanzierung ebenfalls Monaten.

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Kultureinrichtung/-projekt Ort Gefährdungskategorie aktuell (vormals) BISHER VORGESTELLTE Theaterburg Roßlau. e.V. Roßlau, Sachsen-Anhalt  () KULTURINSTITUTIONEN Archiv der Jugendkulturen Berlin  () Kino Streit’s Hamburg  () Nordwestdeutsche Philharmonie Herford, NRW  () 14 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

Drei Namen, eine Autorin Nina George – ein Porträt inzwischen zwölf erzählende Sachbü- sich so vor wie das junge Mädchen, das Männern den Mund verboten. « Emma nur das Tor zur Welt sein – für mich ist cher zu den Themen Sexualität, Erotik im Bett liegt und träumt und sich schon wollte das Manuskript nicht veröff ent- sie die Welt.« Für ihren «Stadtverführer» ANDREAS KOLB und Partnerschaft verfasst und gilt als mal auf alle Interviews vorbereitet, die lichen, doch die Herrenzeitschrift Pent- Verliebt in Hamburg stellte Nina Georges Deutschlands Fachfrau für Erotik. Die sie als Erwachsene geben wird.« house fand Gefallen an dem frechen Text jetzt eine Sammlung ihrer Kolumnen ie bezeichnet sich selbst als In- Themen »untenrum« sind eine Facette Ihr erster Berufsplan war allerdings der jungen Frau. Die ersten Jahre bis  aus dem Hamburger Abendblatt für den haberin einer Schreibboutique, ihres Werkes. Nina George beherrscht ein anderer: »Als Mädchen hatte ich fest machte sie alles, wenn’s sein muss »auch Quadriga Verlag zusammen. S »käufl ich, aber unbestechlich«. aber auch das seriöse Fach: Ihr fünfter vor, Chefi n einer Räuberbande zu wer- im Fleischereimagazin die Kolumne Vor einem knappen Jahr gründete Der Laden geht gut und auch die »Be- Roman, »Die Mondspielerin«, erhielt den. « Schießen, Reiten, Fechten, Laufen rund um die Wurst betreuen« oder »die George gemeinsam mit der Autorin und stechungsversuche« reißen nicht ab:  die DeLiA, den Preis für den besten und Schwimmen – George trainierte Mo- Rückseite von Streichholzbriefchen be- Herausgeberin Angela Eßer die Initiative Erst kürzlich hat ihr ein Verlag ange- deutschsprachigen Liebesroman. Un- dernen Fünfkampf, durchaus mit dem texten«. Heute ist die Liste der alten und » JA zum Urheberrecht«, mit der sie sich boten, einen Roman nach dem Vorbild ter Georges zweitem Pseudonym, ihrem Hintergedanken, eines Tages wie Errol neuen Kunden, Zeitungen, Zeitschriften ehrenamtlich für die Verteidigung des von »Fifty Shades of Grey«, der populä- Ehenamen Nina Kramer, erschien  Flynn den Degen in ein Segel zu stechen, und anderen Publikationen beeindru- Urheberrechtes für Schriftsteller und ren SM-Romanreihe von E.L. James, zu im Pendragon Verlag der Roman »Ein und dann aus der Takelage nach unten ckende zwei Seiten lang. Künstler aller Sparten engagieren und verfassen. Sie fühlte sich geschmeichelt, Leben ohne mich«, ein Wissenschafts- aufs Schiff sdeck zu gleiten. Ihre Reali- sich klar an die Seite der Verlage stel- lehnte aber dankend ab. »Sie«, das ist thriller über Reproduktionsmedizin. tät sah anders aus: Mit  ging sie den len. Mitglieder des Syndikats, die für die Nina George, geboren , seit  Wer mehr über die Autorin erfahren Eltern, die in Bad Pyrmont Obst- und Schießen, Reiten, JA-Kampagne als Fotomodelle in einer praktizierend als freie Journalistin, will, wird im Anhang der »Mondspie- Gemüsefeinkostläden führten, an die pro-Urheberrechts-Plakatkampagne Text-Dozentin für junge Erwachsene, lerin« fündig. In einem Interview mit Hand. Anfang der er-Jahre versuch- Fechten, Schrei- zur Verfügung standen, wurden kurz Restauranttesterin und Schriftstellerin. sich selbst, steht sie sich Rede und Ant- te der Teenager seine ersten Avocados, ben – eine Frau mit nach Launch der Motive am Interna- Ob sie wohl vor  Jahren auch abge- wort: Wann hat sie mit dem Schreiben Litschies oder Rohmilchkäse aus Frank- Leidenschaften tionalen Tag des Geistigen Eigentums lehnt hätte, als sich ihre Honorare noch begonnen? Wie sieht ihr Alltag aus? Was reich. George erlebte den Aufbau der am . April  von Mitgliedern der nicht im fünfstelligen Bereich beweg- hat es mit ihren Pseudonymen auf sich? Bioland-Höfe von der ersten Stunde an »Hacktivisten«-Gruppe Anonymous ten wie heute? Oder im sechsstelligen Und natürlich erhält man die eine oder mit. »Wir hatten diese wertvollen Dinge Das Journalisten-Handwerk lernte Geor- attackiert. wie damals, als mit Anne Wests Durch- andere Information zum Hintergrund mit als Erste«. Diese im wahrsten Sinne ge von der Pike auf, als Volontärin des Nach ihren Motiven für dieses kul- bruch auch der kommerzielle Erfolg des Romans. »Wenn man sich selbst in- des Wortes »sinnliche« Ausbildung hatte Münchener Männermagazins Penthouse. turpolitische Engagement gefragt, wird kam? Unter diesem Pseudonym hat sie terviewt«, so die Autorin, »kommt man auch Folgen für ihr literarisches Werk: Als sie  die Möglichkeit hatte, für George leidenschaftlich: »Am meisten »Essen bedeutet Leben und Charakter, Familie & Co und später fürs Hambur- empörte mich, dass die Politiker die Ur- und wenn ich in meinen Büchern übers ger Abendblatt zu schreiben, war das die heberrechtslaufzeiten verkürzen wollten. Essen spreche, dann kann ich damit den ersehnte Chance, in die Elbmetropole Der Verlag und ich sind Geschäftspartner, Charakter meiner Protagonisten zeigen, zu ziehen. »Endlich dem Himmel näher ich weiß Vertrieb, Lektorat und Marke- ohne ihn zu erklären. « sein«, sagt sie heute dazu und: »Ich war ting sehr zu schätzen, denn ich kann das Ein weiteres Lebensmittel ist für gerade elf Jahre alt, als ich mich in die nicht leisten, ich muss schreiben. Das George Bewegung und Klavierspielen. Stadt Hamburg verliebte. Auf dem Bei- Urheberrecht braucht ein neues Image. Obgleich sie als Kind von DDR-Emigran- fahrersitz der Citroen DS einer Freundin Was geschieht, bis eine neue CD, ein ten nicht getauft war, spielte sie bereits brauste ich über die Elbbrücken. Alles neues Buch auf den Markt kommt? Das als Teenager in der Kirche die Orgel zum wurde groß und weit und ich teilte zu erklären, würde helfen, den Respekt Gottesdienst. »In Kirchen habe ich mei- den Eltern mit: Ich will Hamburgerin den Künstlern und den Urhebern gegen- ne schönsten musikalischen Erlebnisse werden.« Heute lebt sie im Hamburger über wieder herzustellen. Ich möchte gehabt«. Grindelviertel und als Kolumnistin fürs weder in einem sozialen Gefüge leben, Ihre größte Leidenschaft, das Schrei- Hamburger Abendblatt streifte sie fast wo Rechte plötzlich stören, noch in einer ben, entdeckt Nina George mit . Sie täglich durch die Stadt: »Ich trinke mit überwachten digitalen Welt.« reichte ein »kleines unschuldiges femi- den Augen Farben und Menschen, bevor

FOTO: JAKOB BÖRNER JAKOB FOTO: nistisches Manifest« (George) bei drei es wieder an den Schreibtisch, in den Andreas Kolb ist Redakteur von Politik Nina George gründete mit Angela Eßer die Initiative „JA zum Urheberrecht“ Zeitschriften ein. »Ich habe darin den Roman geht. Hamburg mag für andere & Kultur

Das hätte Friedrich II. gefallen

Hundedenkmale – steiner- dramatisches und für die Beteiligten folger, ist auf dem Cimetière des chiens, von St. Veit. Nach einem Erkundungs- rettete ihn sein Hund Peritas vor dem ne Erinnerungen an tapfe- höchst gefährliches Ereignis, das sich dem Pariser Hundefriedhof, ein heroi- ritt während eines Kriegszuges in den Zertrampeltwerden durch einen Kampf-  zugetragen hat, nämlich den An- sches Standbild gewidmet. Niederlanden war dieser eingeschlafen. elefanten, indem er diesen angriff , in re, treue Gefährten griff eines tollwütigen Hundes: Denkmale etwa in Edinburgh, To- Als feindliche Reiter nahten, versuchte die Unterlippe biss und den Elefanten »Hier liegt eine alte treue Hüner= kio und Moskau erinnern an Hunde, ihn sein Hund Delphin (»Telvin«) zu so irritierte, dass er von Alexander ab- GEORG RUPPELT Hündinn genannt Dame. Sie schützte die sich treu viele Jahre über den Tod wecken und wählte, nachdem nichts ließ. Peritas verlor dabei sein Leben. am . Junius  den hiesigen Fami- ihrer Herren hinaus an deren Grabstät- fruchtete, schließlich einen Biss in das Nach dem gewonnenen Krieg ließ Alex- as wohl haben Schlie- lien-Zirkel vor dem Anfall eines tollen te aufhielten oder sie am Ende eines Ohr seines Herrn als Wecksignal, was ander eine Stadt nach seinem tapferen stedt in der niedersäch- Hofhundes und fand dadurch ihren Arbeitstages vor ihrer U-Bahnstation seinem Herrn das Leben rettete. Hund benennen und auf deren Haupt- sischen Samtgemeinde Tod.« erwarteten, um sie abzuholen, obwohl Das größte Denkmal für einen, für platz ein Denkmal für ihn errichten. W Schöppenstedt, New Ortsheimatpfl eger Uwe Kramer hat ihr Herrchen längst gestorben war. »seinen« Hund aber hat der ebenfalls York, Paris, Tokio, Moskau, Edinburgh die Vergangenheit des Gedenksteines Auf vier ältere Hundedenkmale im größte Held der Antike gesetzt, Alex- Georg Ruppelt ist Direktor der Gott- und einige wenige andere Orte, was an- erforscht und in seiner Publikation deutschsprachigen Raum sei noch hin- ander der Große. In der Schlacht bei fried Wilhelm Leibniz Bibliothek in dere nicht haben? Wer es nicht weiß, »Geschichte und Geschichten von gewiesen. Das jüngste von ihnen wurde Gaugamela  v. Chr. gegen die Perser Hannover kommt nicht darauf. Sowohl das klei- Schliestedt«  dargestellt. Von   eingeweiht, nämlich das mächtige ne, beschauliche Schliestedt wie auch bis  besaß die Familie von Bülow sogenannte Rüden-Denkmal bei So- die genannten Millionen-Metropolen (wem kommen da nicht sofort Loriot lingen, das an die Sage einer Errettung besitzen Denkmale, die an die Tapfer- alias Vicco von Bülow und seine di- des Jungherzogs Robert von Berg durch keit und/oder Treue der wohl ältesten versen Hundecharaktere in den Sinn?) einen Hund nach einem Jagdunfall im Kulturmensch Gefährten der Menschheit erinnern, an die Gutsherrschaft in Schliestedt. Der . Jahrhundert erinnert. Hunde. Und zwar an einzelne Hunde, Forstmeister Wilhelm August Heinrich In der schönen württembergischen an Hunde, die wirklich gelebt haben, von Bülow (–) bewirtschaftete Stadt Winnenden, die leider durch den Stéphane Hessel an vierbeinige Individuen also, deren in jenem Jahr der Hundeattacke das Gut. furchtbaren Amoklauf vom . März Verhalten die Menschen ihrer Zeit so Er war es auch, der den Gedenkstein an-  weltweit bekannt geworden ist, Empört Euch!, forderte Stéphane bewegten, dass sie ihnen ein Denkmal fertigen ließ. Ein gut erhaltener, wert- erinnert vor dem Schloss Winnental ein Hessel und landete damit nicht nur in setzten. voller Kamin aus jener Zeit im Schloss in Stein gehauener Mops an den Hund Frankreich und in Deutschland einen Im Vergleich zur unübersehbaren zeigt schön gestaltete Jagdszenen mit des Herzogs Karl Alexander. Während Verkaufsschlager, sondern schaff te es Fülle an Denkmalen, die in aller Welt an Hunden und deutet auf den Hunde- der Schlacht um Belgrad  führte die- mittels dieser kleinen Streitschrift die mehr oder weniger große Heldentaten freund von Bülow als Auftraggeber hin. ser die kaiserlichen Truppen. Dabei sol- Menschen zum Nachdenken zu bewe- (oder Verbrechen) einzelner Menschen Das Denkmal in Schliestedt befi n- len sich Herr und Hund verloren haben. gen. Bewegung, das scheint eine der oder Gruppen erinnern, sind Dekmale det sich in guter Gesellschaft, etwa mit Die Legende berichtet, dass der Mops Botschaften Hessels zu sein. Empört dem des legendären Schlittenhundes »von Belgrad bis ins Schwabenland« zu Euch triff t den Nerv der Zeit. Der Ap- Balto, der als Leithund mit seinen  seinem Herrn zurückgelaufen sei. pell des ehemaligen Résistance-Kämp- Auf den Hund Hundegefährten  in Alaska eine Im Schlosspark von Winterstein fers zu mehr Engagement und friedli- gekommen Entfernung von  km bei extremen (Landkreis Gotha) fi ndet man ein Denk- chem Widerstand gegen Ungerechtig- Wetterlagen überwand und so durch das mal für den »treuen Hund Stutzel von keiten, die aus der Unzulänglichkeit der herbeigeschaff te Serum gegen Diphthe- Wangenheim«, der wohl Botendienste, Menschen erwachsen – man denke nur rie vielen Menschen das Leben rettete. möglicherweise auch amouröser Art, an die sich zuspitzende Finanzkrise für Hunde eher rar. In Schliestedt kann Sein Denkmal im Central Park in New verrichtete, und  das Zeitliche oder die fortschreitende Umweltver- man eines in Augenschein nehmen – York kann man bequem über Google segnete. schmutzung – sind aktueller denn ein altes überdies, wenn auch nicht das besuchen.  wurde im österreichischen St. je. Empörung, die zu Veränderung führt, älteste seiner Art. Dem Lawinen-Suchhund Barry, ei- Veit am ehemaligen Wasserschloss ein scheint immer dringender von Nö- An dem muss man vorbei, bevor man nem Bernhardiner aus den Schweizer Hundedenkmal errichtet, und zwar von ten. Eine Kultur des Umdenkens, ge- das Schloss über eine (moderne) Brücke Alpen, und seinen (wohl legendären) Ritter Siegmund Hager von Allensteig, fordert vom Kulturmenschen Stéphane LEEMAGE GATTONI FOTO: betritt. Seine Inschrift erinnert an ein Heldentaten und denen seiner Nach- einem kühnen Haudegen und Besitzer Hessel. Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober   JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG 15 FOTO: ULLSTEIN BILD  DPA  BILD ULLSTEIN FOTO:

Bundeskanzler Konrad Adenauer und Staatspräsident Charles de Gaulle (r.) während der Unterzeichnung im Elysee-Palast in Paris - ..

Blickpunkt Frankreich Auch nach  Jahren Élysée-Vertrag gibt es beim Nachbarn Frankreich vieles zu entdecken

OLAF ZIMMERMANN der Ehe und der anstehenden «Golde- deutsch-französischen Freundschaft größere Rolle spielen als in Deutsch- Rolle diese Konvention in der Kulturpo- nen Hochzeit» zu bemühen. Die beiden erinnern und künftige Aufgaben auf- land. Besonders deutlich wird das mit litik spielt. Spannend wird es sein, mehr rankreich – seine großartige Partner können zufrieden auf fünfzig zeigen. Bewusst wurde der Schwer- Blick auf die Sprachenpolitik und das darüber zu erfahren, welche Strategien Kultur und seine so eigene Kul- gemeinsame Jahre zurückblicken. Vie- punkt für diese Ausgabe geplant, da Selbstbewusstsein, mit dem auf der beide Länder in der Einwanderungs- F turpolitik und die deutsch-fran- les wurde erreicht an gemeinsamen im September dieses Jahres die Feier- europäischen Ebene für französisch politik verfolgen und welche Rolle der zösischen Kulturbeziehungen, die in Institutionen, an gemeinsamen Ver- lichkeiten zu  Jahre Élysée Vertrag interkulturelle Dialog innerhalb des den vergangenen Jahrzehnten gewach- einbarungen, an routinierten Treff en beginnen. Am . September soll an die jeweiligen Landes hat. Dazu gehört senen institutionellen und politischen und heute erscheint es geradezu ab- Rede des französischen Staatspräsiden- auch die Frage nach der Religion. Wel- Verbindungen stehen im Mittelpunkt surd, dass Franzosen und Deutsche sich ten Charles de Gaulle an die Jugend in Kulturpolitischer Aus- che Rolle spielt die Religion im laizisti- dieses Schwerpunkts » Jahre Élysée- feindlich gegenüberstanden. Ludwigsburg vor  Jahren erinnert tausch in der Zivilge- schen französischen Staat? Gehört zum Vertrag«. Der deutsch-französische Trotzdem ist es gut auch einmal und damit der Reigen an Feierlichkei- sellschaft ist gefragt interkulturellen auch der interreligiöse Freundschaftsvertrag, nach dem Ort kurz zurückzudenken. Als ich mit ten zu  Jahre Élysée-Vertrag eröff net Dialog? Und welche kulturpolitische der Unterzeichnung Élysée-Vertrag fünfzehn Jahren Mitte der siebziger werden. Politik & Kultur beginnt mit Verantwortung wollen Frankreich und genannt, markiert einen tiefgreifen- Jahre des letzten Jahrhunderts ge- diesem Schwerpunkt eine kleine Rei- Deutschland in und für Europa gemein- den Einschnitt in den deutsch-fran- meinsam mit einem Freund zwei Wo- he »Blickpunkt Frankreich«. Bis in das eingetreten wird. Hieran sollte sich die sam übernehmen? Dabei soll auch auf zösischen Beziehungen. Aus «Erbfein- chen durch Frankreich getrampt bin, kommende Jahr hinein wollen wir in deutsche Politik ein Beispiel nehmen. die Besonderheiten der verschiedenen den» wurden Freunde. Und so ist es war das nicht nur mein erstes großes jeder Ausgabe von Politik & Kultur uns Deutschland und Frankreich sind, künstlerischen Sparten eingegangen keineswegs verklärend angesichts des Reiseabenteuer, sondern auch eine bis in mehreren Beiträgen den deutsch- trotz ihrer unterschiedlichen struktu- werden. In den Mittelpunkt wollen wir . Jubiläums dieses Vertrags im Juli heute in mir nachwirkende lebendige französischen Kulturbeziehungen und rellen kulturpolitischen Vorraussetzun- aber die Rahmenbedingungen für Kunst kommenden Jahres die herausragende Geschichtsstunde. Deutlich war damals in besonderer Weise der deutsch-fran- gen, in der Kulturpolitik enge Partner. und Kultur rücken. Bedeutung dieses Vertragswerks noch zu spüren, dass die tiefen Wunden des zösischen Kulturpolitik widmen. In »Blickpunkt Frankreich« in Politik & Wir sind neugierig auf den Nachbarn einmal zu betonen. Krieges noch nicht verheilt waren. Uns Was auf der staatlichen Seite längst Kultur wollen wir zeigen, welche Mög- Frankreich und ich bin mir sicher, es Die deutsch-französische Geschichte wurde während dieser Reise nicht nur eine Selbstverständlichkeit ist, der re- lichkeiten diese Partnerschaft für die gibt auch nach  Jahren Élysée-Ver- war über Jahrhunderte eine Geschichte einmal bedeutet, dass wir herzlich gelmäßige Austausch der Regierungen Zukunft bietet. Wir wollen analysieren, trag vieles zu entdecken und vor allem der kriegerischen Auseinandersetzun- zu kulturpolitischen Fragen, muss auf welche Rahmenbedingungen für Kunst noch vieles gemeinsam auf den Weg gen. Die napoleonischen Kriege, der der zivilgesellschaftlichen Seite im und Kultur Frankreich für die Zukunft zu bringen. Herzlich danken möchte deutsch-französische Krieg , der Élysée war eine Grund- Kulturbereich mit noch mehr Leben besonders wichtig sind. Wie mit der An- ich an dieser Stelle dem französischen . und der . Weltkrieg; sie waren auch gefüllt werden. Der Deutsche Kultur- forderung nach dem Schutz des geis- Botschafter in Deutschland Maurice Kriege, in denen es um die Vormacht- voraussetzung für das rat als Spitzenverband der Bundes- tigen Eigentums in der digitalen Welt Gourdault-Montagne, seinen Mitar- stellung in Europa ging. Der Élysée- »Europäische Haus« kulturverbände nimmt das jährige umgegangen werden soll, welche Re- beiterinnen in der Kulturabteilung der Vertrag, die Aussöhnung mit Frank- Jubiläum des Élysée-Vertrags zum gelungen im Steuerrecht für Kunst und Französischen Botschaft sowie den reich und die sich daraus entwickelnde Anlass, die Diskussion mit französi- Kultur getroff en werden sollen, wie die Mitarbeiterinnen des Institut francais tiefe Freundschaft waren ein zentraler schen Kulturverbänden zu suchen, den soziale Lage der Künstler in Frankreich in Berlin. Mit ihnen wurde gemein- Schritt Deutschlands nach Westen und willkommen sind, aber nur weil wir so kulturpolitischen Austausch zu forcie- ist, welche Anstrengungen unternom- sam der Schwerpunkt geplant und wir die Grundvoraussetzung für das später jung waren. Wer konnte das unseren ren und so der deutsch-französischen men werden, um Kultur zu vermitteln freuen uns auf die weitere Zusammen- kommende europäische Haus. Gastgebern, die den Zweiten Weltkrieg Freundschaft eine weitere Facette hin- und vieles andere mehr. Auch wird es arbeit bei den nächsten Blickpunkten Heute ist die deutsch-französische noch in schmerzlicher Erinnerung hat- zuzufügen. um die Frage gehen wie Frankreich Frankreich. Freundschaft eine Selbstverständlich- ten, verdenken? Von Seiten der deutschen Kulturak- und Deutschland gemeinsam mit der keit. Angesichts des bevorstehenden Der Schwerpunkt » Jahre Élysée- teure wird oft mit Neid auf Frankreich UNESCO-Konvention zum Schutz und Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer jährigen Jubiläums des Élysée-Ver- Vertrag« in dieser Ausgabe von Politik geschaut, weil dort kulturelle Fragen zur Förderung der Vielfalt kultureller des Deutschen Kulturrates und Heraus- trags ist die Versuchung groß, das Bild & Kultur soll an die Geschichte der – tatsächlich oder vermeintlich – eine Ausdrucksformen umgehen. Welche geber von Politik & Kultur 16  JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG www.politikundkultur.net

Deutsch-französische Kulturbeziehungen Ein etwas anderer Blickwinkel

DORIS PACK sen, die man bei ihrer Würdigung nicht unberücksichtigt lassen darf«. egleiten Sie mich zu Beginn mei-  Jahre später begrüßt das Saar- ner Ausführungen weit zurück ländische Staatstheater in Saarbrücken B in die Zeit vor  Jahren. Das Eugène Ionesko, den berühmten Dra- späte Mittelalter neigt sich bereits, um matiker des Absurden Theater. Er war den neuen geistigen Strömungen der zur Auff ührung seiner beiden Stücke Renaissance Platz zu machen. »La Cantatrice chauve« und »La lecon« Es ist im August . Da rollen aus Paris gekommen und mit ihm das schön geschmückte Kutschen aus dem Ensemble des Théâtre de la Huchette, Hof der mächtigen Burganlage von Vau- das der Einladung von Perspectives, demont und holpern den Berg hinunter dem Festival du Théâtre francais, zu- zum Schloss Vézelise. In die prächtigste gestimmt hatte. Kutsche steigt die fünzehnjährige Toch-  hatte sich in Saarbrücken das ter des lothringischen Grafen Friedrich, heutige deutsch-französische Festival Isabel de Lorraine. Neben einer hohen der Bühnenkunst gegründet, um dem Mitgift führt die Reisegesellschaft eine deutschen Publikum die Gelegenheit wertvolle und für die damalige Zeit zu geben, jedes Jahr junges, innovatives umfangreiche Bibliothek mit. Mehrere französisches Theater zu erleben und Tage dauert die Reise zur mittelalterli- dem französischen Theater ein Forum chen Burg von Saarbrücken. Dort wird für die Vielfältigkeit seiner Bühnen- die junge Französin am . August  kunst zu bieten. Dieses Festival hat seit mit dem Grafen Philipp . von Nassau- einigen Jahren ein neues, dem Publi- Saarbrücken verheiratet.  Jahre später kum zugewandtes, erfolgreiches Kon- beginnt die lothringische Adlige mit zept erarbeitet – ganz im Sinne Hein- dem Schreiben. Sie übersetzt franzö- rich Heines, für »das Volk zu schreiben«. sische Heldenlieder um Karl den Gro- Allerdings ist es auch eine Tatsache, ßen, die chanson de geste, in die früh- dass sich der Austausch im Bereich neuhochdeutsche Sprache und formt Theater immer noch verhältnismäßig sie zu Prosatexten um. Damit wird sie schwierig gestaltet. Grund dafür mag zur Begründerin der ersten deutschen sein, dass deutsche Theater vorwie- Unterhaltungsromane, die vom Leben gend mit festen Ensembles arbeiten, an französischen Höfen erzählen und während französische in vielen Fällen zur frühen Vermittlerin zwischen zwei Tourneetheater sind und deshalb häu- Kulturen. fi ger auf deutschen Bühnen auftreten  Jahre später, im Mai , fährt können. eine Reisekutsche über die Rue St De- In diesen  Jahren wüteten zwei nis in Paris, deren Reisender »der be- Weltkriege. Deutschland und Frank- deutendste Journalist unter den Dich- reich entfremdeten sich politisch. Die tern und der berühmteste Dichter unter Phase der großen Zäsur begann. Doch

den Journalisten zwischen Deutsch- erst jetzt erschließen Forscher neue DPA  BILD ULLSTEIN FOTO: land und Frankreich, ja der ganzen Felder im Kontext der Kulturbeziehun- Deutsch-Französischer Freundschaftsvertrag (Élysée-Vertrag): Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) und Frankreichs Welt ist«, wie ihn der Literaturkritiker gen beider Länder und stellen fest, dass Staatspräsident Charles De Gaulle nach der Unterzeichnung des Vertragswerks im Pariser Élysée-Palast - .. Marcel Reich-Ranicki beschreibt. Die gerade in den Kriegs-Okkupations-und Rede ist von Heinrich Heine, Lyriker, Nachkriegszeiten zwischen  und land schreibt er sich als Student der Doch die deutsche Literatur hat es nach Philosoph und Frankreichkenner Peter politischer Prosaautor, Journalist und  und auch schon in den konfl ikt- Romanistik ein. Sein Name ist Eugen wie vor schwer in Frankreich. Sloterdij k die deutsch-französischen Feuilletonist. Heine reist im Auftrag reichen Jahren - »entscheiden- Helmlé. ( –) Er lernt die be- »Wissen Sie, wie viele der  über- Kulturbeziehungen. des Verlagshauses Cotta und der »All- de Grundlagen für die Intensivierung deutenden Autoren der damaligen Zeit setzten Romane in diesem Herbst  Ich möchte in dem Zusammenhang gemeinen Zeitung« als Korrespondent des Kulturaustauschs geschaff en und kennen, die sich, beeinfl usst von der aus Deutschland kommen?« fragt die zu einer gewissen Gelassenheit in der nach Paris. ein Interesse für die Kultur des Nach- surrelastischen Bewegung, einem neu- französische Literaturzeitschrift »Quin- Bewertung der Kulturbeziehungen bei- Heines journalistische Arbeiten, barlandes geweckt wurden.« (Lüse- en Schreiben verpfl ichtet sahen. In der zaine littéraire« und nennt einen ein- der Länder raten und die Fortschritte die Berichterstattungen, Kolumnen brink) Historiker gehen sogar soweit, Literatengruppe »Oulipo«(L’Ouvroire zigen Titel! nicht übersehen. Wenn französische und Essays werden zu wichtigen lite- belegen zu können, dass Kriegs-und de Littérature Potentielle ) triff t er auf Daniel Kehlmann, Bernhard Schlink, Schüler wieder mehr Deutsch lernen, rarischen Dokumenten einer deutsch- Konfliktsituationen interkulturelle seinen späteren langjährigen Freund Ingo Schulze und Judith Zeh sind in wenn junge Franzosen mehr und mehr französischen Annäherung und zu be- Beziehungen intensivieren und beför- Georges Perec. Für ihn ist es zwingend, Frankreich erfolgreich, aber das sind Berlin als die Kulturmetropole für sich eindruckenden Zeugnissen einer euro- dern. Dass die deutsch-französischen diese neue experimentelle Literatur ins einige Wenige. Die großen Verlage Gal- entdecken, wenn die Übersetzertätig- päischen Geisteshaltung. Er ist freier Kulturbeziehungen trotz Krieg und Deutsche zu übersetzen. Und nun be- limard und Albin Michel halten deut- keit in den beiden letzten Jahren zu- Terror nie abgerissen sind, ist ein Ver- ginnt eine rege Übersetzertätigkeit, die sche Literatur »für eine Behinderung«, genommen hat, wenn eine deutsch- dienst der nach Frankreich emigrierten ihn zu einem der bekanntesten literari- mit der kein Geschäft zu machen sei. französische Jugendzeitschrift – von Autoren wie Stefan Zweig, Paul Celan schen Vermittler zwischen Frankreich Französische Literatur wird häufi ger Schülern beider Länder hoch motiviert Kulturbeziehungen oder der Künstler wie Kandinsky, Klee und Deutschland macht. ins Deutsche übersetzt, aber ihre Au- gestaltet – verdient den deutsch- trotz Krieg und Terror und Max Beckmann, um nur einige zu In Würdigung seiner Verdienste um toren sind auch bei uns wenig bekannt. französischen Journalistenpreis er- nie abgerissen nennen. Auch wenn viele von ihnen die Kulturbeziehungen beider Länder Wenig erfolgreich in Frankreich hält, wenn die Jugendbuchmessen in nicht mehr nach Deutschland zurück wurde nach ihm der deutsch-französi- ist auch der deutsche Film. Lediglich Saarbrücken, Epinal und Montreuil wollten, waren sie doch entscheidend sche Übersetzerpreis in Saarbrücken im acht Produktionen liefen im Jahr , zusammenarbeiten, wenn in Kürze an der Wiederaufnahme des Kultur- Jahre  ins Leben gerufen. Er wird während in Deutschland jährlich  erstmalig deutsche und französische Korrespondent in Frankreich, der seine austauschs beteiligt. Dies gilt insbe- jährlich vergeben. bis  französische Filme in die Kinos unabhängige Juroren über Jugendbü- Texte in zwei Sprachen schreibt und auf sondere für den Bereich der Literatur Die zweite Hälfte des . Jahrhun- kommen. cher gebeugt sitzen und die beiden zwei nationalen Lesemärkten anbietet (Joseph Jurt). Zahlreiche neue Überset- derts war geprägt von dem Wunsch Wie sieht es heute,  Jahre nach der deutsch-französischen Jugendlitera- und verkauft und der sein Lesepubli- zungen, viele Vortragsreisen franzö- und dem Willen nach einem vertieften Unterzeichnung des Élysée- Vertrags, turpreisträger ermitteln werden, sind kum »im Volk« sucht sischer Schriftsteller in Deutschland, kulturellen Austausch zwischen beiden mit den Kulturbeziehungen zwischen Anlässe zur Hoff nung auf eine neue, Bereits  hat der Verleger Eugène Auff ührungen französischer Theater- Ländern nach dem . Weltkrieg.  beiden Ländern aus? andere Dynamik gegeben. Renduel Heines deutsche Schriften und stücke und neue Kulturzeitschriften, entstanden die ersten deutsch-fran- Die deutsch-französischen Kultur- Wir müssen den jungen Menschen Gedichte ins Französische übersetzen in denen zum Beispiel Alfred Grosser zösischen Partnerschaften zwischen institutionen und ihre Partnerorgani- zugestehen, dass sie andere Akzente in lassen und damit die dreifache Be- und Emmanuel Mounier für die Grün- den Städten. Die ersten französischen sationen sind Geschichte geworden. den deutsch-französischen Beziehun- deutung Heines auch für die Zukunft dung deutsch-französischer Institute Institute eröff neten in Deutschland, Sie funktionieren. Der Austausch fl ießt gen setzten als die Generationen davor. erkannt: als Beobachter des Lebens warben, bestätigen den intensiven das deutsch-französische Jugendwerk unaufgeregt. Der Dialog zwischen den Sie leben das Wissen um die Beziehung und der Kultur in Frankreich, als Ken- deutsch-französischen Dialog in der mit Sitz in Berlin und Paris gründete beiden Ländern ist leiser geworden, die zwischen den beiden Ländern als eine ner Deutschlands und als begnadeter Nachkriegszeit.  entstand in Lille sich, ebenso drei deutsch-französische Selbstverständlichkeit, die keine gro- Lyriker. das erste Goethe-Institut in Frankreich. Gymnasien, eines davon in Saarbrücken. ßen Fragen stellen muss. Dialoge und Heute gehört Heine wie selbstver- Nach Kriegsende  reist ein jun-  nimmt der deutsch-französische große Debatten bringen nicht mehr ständlich in den Themenkanon des ger Abiturient von Saarbrücken nach Kulturrat , der sich aus deutschen und Die großen Kultur- die Schlagzeilen, sie werden im Inter- Unterrichts an deutschen und franzö- Paris, um eine Arbeitsstelle zu fi nden. französischen Kulturschaff enden zu- debatten gibt es net geführt, leiser zwar, aber das muss sischen Schulen. Sein Schulfranzösisch ist makellos. In sammensetzt, seine Vermittlerrolle auf. nicht mehr kein Schritt zurück sein. Es kann im Heine ist ein begeisterter Theater- der berühmten Konditorei Fouchon  geht der Kulturkanal ARTE auf Gegenteil sogar als ein Weiterdenken gänger, der sich fasziniert zeigt von fi ndet er eine Lehrstelle und lässt sich Sendung und die deutsch-französische interpretiert werden. der französischen Bühnendramaturgie. zum Konditormeister ausbilden. Wäh- Filmakademie nimmt ihre Arbeit auf. Nach wie vor wird die Literatur dabei Trotz allem vergisst er darüber nicht rend seiner Pariser Zeit erfährt er die Die Kunst-Achse Berlin-Paris fl oriert, großen Kulturdebatten, wie sie zu einer die wichtigste Rolle spielen. Die Litera- seine ihm wichtige Vermittlerrolle: »Es gravierenden Unterschiede zwischen immer mehr französische Künstler zie- Zeit geführt wurden, als beispielsweise tur eines Landes verstehen, heißt seine würde mir nie in den Sinn kommen, die der von ihm erlernten französischen hen nach Berlin. Die großen Buchmes- Sartre Deutschland besuchte, gibt es Kultur verstehen. Vertrauen wir ihr! französische Tragödie auf Kosten der Sprache und der gelebten Sprache der sen in Frankfurt und Paris informieren nicht mehr. Die Reibungsfl ächen feh- deutschen zu preisen und umgekehrt. Menschen, denen er täglich begegnet. über die jeweils junge Literatur .  len. Von »Entdynamisierung und Ba- Doris Pack ist MdEP und Vorsitzende Die Literatur und die Kunst jedes Lan- Diese Faszination lässt ihn nicht mehr war Deutschland Ehrengast der Pariser nalität« sei das Verhältnis mittlerweile des Kulturausschusses im Europä- des sind bedingt von lokalen Bedürfnis- los und nach seiner Rückkehr ins Saar- Buchmesse. geprägt, kritisiert deshalb der deutsche ischen Parlament Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober   JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG 17

ckende Sensibilisierung erfolgreich war, können Frankreich und Deutschland Ver- Der Andere in uns antwortung zeigen und gemeinsam agie- ren. Hand in Hand im europäischen Gefüge Zur Evidenz deutsch-franzö- Der Ton dazu ist bitter ernst. »Es ist Zeit, und Erasmusprogrammen auf und lernte Deutsch-Fran- aktiv dafür sorgen, dass Schulkinder des . sischer Kultur dass man  Jahre nach Beendigung des deutsche Altersgenossen auf Uni-Partys Jahrhunderts – und damit auch ihre Eltern Zweiten Weltkrieges und  Jahre nach in Barcelona kennen. Und nun sollen wir zösische Kultur und Großeltern – ein sicheres Bewusstsein Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit sei- für unsere Kinder jenen pathosbeladenen muss nicht für die aufregende Verwobenheit und rei- BÉNÉDICTE SAVOY nen Millionen Opfern, endlich die Ziele Mahnrufen folgen, die sie zur binationalen geschaff en che Komplexität der europäischen Kultur des Elysée-Vertrages zur Verbreitung Sprach- und Kulturkompetenz im Sinne bekommen, für die seit Jahrhunderten ir haben uns auseinan- der französischen Kultur und Sprache in Konrad Adenauers und Charles de Gaul- werden. Sie war anhaltenden Zirkulationen, Adaptatio- dergelebt! Wir haben uns Deutschland und der deutschen Kultur les verhelfen sollen? Sollen wir uns allen immer da nen, Transformationen von Ideen, Formen, zusammengelebt! Strei- und Sprache in Frankreich auszuführen«. Ernstes die Frage gefallen lassen, warum es Menschen und Objekten innerhalb der eu- W ten und Lieben! Gemein- Das mahnte Le Monde kürzlich, als sei nicht gelungen sei, »zwischen Deutschland ropäischen Grenzen und im Kontakt mit same Kultur! Aufruf zur Erneuerung der die Flamme am Grabe des unbekannten und Frankreich eine gemeinsame Kultur den außereuropäischen Kulturen. deutsch-französischen Beziehungen! Die Soldaten gerade im Begriff zu erlöschen. zu schaff en« (FAZ)? Heute,  Jahre nach Dass in diesen aufregenden Prozessen Debatten der letzten Monate können ei- Dabei hatte man eben noch den Ein- dem Zweiten Weltkrieg und  Jahre allein aus topographischen und demogra- nem das Deutschfranzösischsein verlei- druck, die staatlich verordnete Pfl ege der nach dem Ersten, scheint es wirklich an phischen Gründen das deutsch-französi- den. Da gibt der große, verehrte Historiker deutsch-französischen Kulturbeziehungen der Zeit, wenigstens den Schulkindern sche Element von jeher eine zentrale Rolle Pierre Nora der Frankfurter Allgemeinen habe sich in ein entspanntes Mit- und Ne- des . Jahrhunderts zu erzählen, wie eng spielte, muss kaum erörtert werden. Weder Zeitung ein misslauniges Interview, plau- beneinander verwandelt, so wie es das Ziel verflochten, zusammengebacken und muss man hier den »pater Europae«, Karl dert über Deutschland und darüber, dass einer jeden Versöhnungsbemühung sein gemixt seit vielen Jahrhunderten unsere den Großen als Paradebeispiel deutsch- ihm die deutsche Kultur fremd sei. Was ihn sollte. Mit archäologischer Neugier und europäische Kultur doch ist. Das Deutsch- französischer Inanspruchnahmen und off ensichtlich wurmt, ist, dass die Zeiten bemerkenswerter Gelassenheit stellten so- Französische darunter ist nicht nur eine Konstrukte bemühen; noch Napoleon als »kultureller Gärung in Frankreich längst gar einige Spätgeborene fest, wie lebendig absolute Selbstverständlichkeit. Es ist ein großen Vergewaltiger und (!) Geburtshelfer Vergangenheit« seien – seine Jugend also. in den er- und er-Jahren ja doch auch besonders exquisites Destillat im berau- des modernen Deutschlands zugleich, ja »Wenn Sie nichts zu exportieren haben, das »andere« deutsch-französische Paar schenden deutsch-französisch-italienisch- des modernen Europas. Weder Madame gibt es auch nichts auszutauschen«, so gewesen sei, das in Leipzig und Ost-Berlin grieschisch-afrikanisch-englisch-spa- de Stael als Geheimpolizistin des deut- Nora über Frankreich. Also schwingt der statt in Tübingen und Bonn seine Bühne nisch-niederländischen Cocktail, das wir schen Geistes, noch Heinrich Heine als große Mann die Keule hoch mit gewalti- hatte, wie strukturelle Gemeinsamkeiten – täglich in unseren Museen, Opernhäusern Deutschlands blutende Wunde in Paris. gem Arme gegen das deutsch-französische den starken Zentralismus, die historische und Bibliotheken antreff en. Und auch nicht den genialen, inzwischen Paar, das nicht merkt, wie ihm geschieht. Selbstverortung in den Revolutionen und Ach, aber schon muss man hören: zum positiven Helden der Bundesrepublik Das kann man unrefl ektiert fi nden, Noras Aufständen des . Jahrhunderts, den feh- Schulkinder des . Jahrhunderts gehen avancierten Rive-Gauche Bewohner Alex- intellektueller Potenz unangemessen oder lenden Bezug zur amerikanischen Welt nicht in Museen, Opernhäuser und Biblio- ander von Humboldt. Es reicht schon, wenn auch strategisch. Jedenfalls eilen deutsch- etwa – die gegenseitige Sympathie geprägt theken, sie fühlen sich da underwell. Auch wir mit unseren Schulkindern der leisen französische Funktionäre den Geprügelten hatten. Unsere traumatisierten Großeltern ihre Eltern betreten diese Tempel nicht Geschichte horchen, die Rotkäppchen, zu Hilfe, loben die eigenen Institutionen rissen sich sichtlich zusammen, wenn sie mehr, Studenten nicht und überhaupt Aschenputtel, der gestiefelte Kater, Blau- oder fordern mit Pathos Auff rischung und hörten, die neue Jugendliebe des Enkel- nur noch die sogenannte (weißhaarige) bart und ihre Freunde uns durch die Jahr- Wiederbelebung. Was bleibt, ist vor allem kindes käme aus Deutschland. Unsere El- Bildungselite. Ja! Und da ist der dringen- hunderte erzählen, ob aus Bilderbüchern, eins: das Jammern über die Schwunglo- tern wählten für uns »allemand première de kulturpolitische Handlungsbedarf auf den Walt Disney Studios oder japanischen sigkeit des einst so munteren Paares. Und langue«, um uns die besten Klassen (und europäischer Ebene. Hier und jetzt, wo der Animationsserien:  von Charles Perr- wie beim Kniesehnenrefl ex springt die Dis- den oft trostlosesten Sprachunterricht, edle deutsch-französische Militantismus ault aus italienischem Märchenstoff für kussion sofort auf die eine Frage: Warum den man sich vorstellen kann) zu sichern. von gestern vielen als olle Rhetorik er- das Pariser Publikum arrangiert und zum lernen deutsche Kinder kein Französisch Die Generation Golf schließlich wuchs mit scheint, weil die gröbsten Aggressionen Erfolg geführt, kamen sie über einge- mehr – und französische kein Deutsch? Playmobil, Nina Hagen, InterRail-Tickets aus der Welt sind und weil die fl ächende- wanderte hugenottische Familien in den deutschen Sprachraum und erlebten in der unberechenbaren Sprachmaschine der ein- fachen Leute, im Prozess mündlicher und familiärer Überlieferung, so wunderliche Verwandlungen, dass sie zu Beginn des . Jahrhunderts von den Brüdern Grimm als musterhafter Ausdruck deutscher Volks- tradition und deutschen Kulturgeistes entdeckt und publiziert werden konnten – ja als Paten der modernen Germanistik. Kurzum: Die gemeinsame deutsch- französische Kultur muss nicht erst ge- schaff en werden; sie war schon immer da, und wird immer da sein. Kultur ist gemein- sam. Nur das Bewusstsein dafür und die Sprache darüber fehlen bitter. Wie man diese heute, im Zeitalter des globalisier- ten Kulturkonsums und der Social Media erzeugen kann, muss überlegt werden. Si- cher ist, dass das gar nicht so olle deutsch- französische Paar mit seinen historisch gewachsenen Institutionen und Ritua- len hier als Labor für Europa fungieren kann. Fehlende Sprachkenntnisse durch breitangelegte Übersetzungsfonds und -programme zu kompensieren wäre doch eine Möglichkeit. Durch Übersetzungen (von Literatur, Theater, Film, Geisteswis- senschaften, Krimis und Comics) werden nicht nur mentale Welten zugänglich, sie sichern die transnationale Zirkulation, Transformation und Integration von Ide- en und Begriff en als urkultureller Prozess schlechthin. Und dann müssen dringend unsere Schulkinder mit der Geschichte der Kunst, der Musik und der Literatur Europas in anhaltende Berührung gebracht wer- den, bevor sie das Berufsalter erreichen. An deutschen Schulen scheinen die Geis- teswissenschaften eine noch klägliche- re Rolle zu spielen, als an französischen. Wer einmal als ahnungsloser Jugendlicher ohne deutsche Sprachkenntnisse durch die Gunst einer unangepassten Musiklehrerin in den »Wozzeck« von Alban Berg geraten ist und umgekehrt in Arthur Rimbauds re- volutionäre Gedichte in der inspirierten Übersetzung von Paul Celan, hat mögli- cherweise ein Fenster zur Kultur des Nach- barn eröff net bekommen, das sich nicht mehr schließen lässt. Der andere ist in uns.

FOTO: ULLSTEIN BILD  DPA  BILD ULLSTEIN FOTO: Bénédicte Savoy ist Professorin am Insti- Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) und Staatspräsident Charles de Gaulle umarmen sich nach der Unterzeichnung des Vertrags im tut für Kunstwissenschaft und Historische Elysee-Palast, Paris (Élysée-Vertrag) Urbanistik an der TU Berlin 18  JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG www.politikundkultur.net

Glücklich über das Erreichte Der Élysée-Vertrag im Deutsch-Französischen Jahr /

MICHAEL LINK Cazeneuve, und ich die Kooperation auf politischer Ebene. Wir bereiten auch die m . Januar  jährt sich die regelmäßig tagenden deutsch-franzö- Unterzeichnung des Élysée- sischen Ministerräte vor und pfl egen A Vertrags zwischen Deutschland Kontakte zu Unternehmen, Verbänden, und Frankreich zum . Mal.  Jahre Stiftungen, Vereinen sowie Kulturschaf- Elysée-Vertrag, das sind  Jahre einer fenden. In bildungspolitischen und kul- großartigen Erfolgsgeschichte. Die turellen Angelegenheiten vertritt die Dichte und Intensität der Zusammen- Bevollmächtigte für kulturelle Ange- arbeit zwischen unseren beiden Län- legenheiten der deutsch-französischen dern ist einmalig. Beide Regierungen Zusammenarbeit, Ministerpräsidentin arbeiten heute eng und vertrauensvoll Annegret Kramp-Karrenbauer, die In- zusammen. Die Zusammenarbeit be- teressen der  Länder und des Bundes schränkt sich aber nicht nur auf die gegenüber Frankreich. Regierungen. In Schulen und Kinder- Das Besondere an der Zusammenar- gärten, in Städtepartnerschaften und beit zwischen Deutschland und Frank- Betrieben, an Hochschulen und For- reich ist aber, dass sie nicht auf die bei- schungseinrichtungen wird die Zusam- den Regierungen beschränkt ist. Schon menarbeit täglich aufs Neue mit Leben Charles de Gaulle und Konrad Adenauer gefüllt. wollten die Gesellschaft und insbeson- Zunächst ein Blick auf die Regierun- dere die Jugend auf beiden Seiten des gen: Der französische Staatspräsident Rheins ansprechen. Das im Sommer und die deutsche Bundeskanzlerin tref-  gegründete Deutsch-Französische

fen sich mehrmals im Jahr – in Berlin, Jugendwerk (DFJW) – manche nennen SCHIRNER  BILD ULLSTEIN FOTO: Paris, Brüssel oder anderswo. Gerade es das schönste Kind des Élysée-Ver- Konrad Adenauer und Charles de Gaulle im off enen Auto auf der Fahrt durch Reims – .. in der gegenwärtigen Schuldenkrise ist trages – soll Neugier auf das jeweils diese enge Zusammenarbeit wichtiger andere Land wecken und das Lernen ständigen kann. Daher gehörte die übergreifenden Fernsehsender ARTE, Schlosshof von Ludwigsburg vor . denn je. Unsere beiden Staaten sind voneinander fördern. In den  Jahren Förderung der Sprachkenntnisse von die Aktivitäten der Stiftung Genshagen jungen Deutschen und Franzosen legte die wichtigsten Volkswirtschaften in seines Bestehens hat das DFJW über Anfang an zu den zentralen Punkten der oder auch durch Goethe-Institut und der damalige französische Staatsprä- Europa. Deutschland und Frankreich acht Millionen jungen Menschen er- Zusammenarbeit. Inzwischen gibt es Institut français. Jenseits der Kontak- sident die Zukunft der deutsch-fran- verbindet überdies ein einzigartiges möglicht, Erfahrungen im Nachbarland unzählige bilinguale Kindertagesstät- te zwischen den Regierungen sind die zösischen Freundschaft in die Hände Vertrauensverhältnis. Dies ermöglicht zu sammeln. Auch in Zeiten knapper ten und Schulen in Deutschland und über . Städtepartnerschaften ein der Jugend. Beim großen Bürgerfest es unseren Ländern, auch dort Kompro- öff entlicher Mittel unterstütze ich aus- in Frankreich. Auch das gemeinsame zentrales Element der deutsch-franzö- zur Feier dieses Ereignisses am . Sep- misse zu schmieden, wo sie verschiede- drücklich den Wunsch des DFJW nach deutsch-französische Geschichtsbuch sischen Freundschaft. Sie organisieren tember  in Ludwigsburg werden die ne Auff assungen haben. Diese Kompro- angemessener öff entlicher Förderung, ist ein ganz konkreter Beitrag, das ge- Sprachreisen, Schüleraustausche, kul- Bundeskanzlerin und der französische misse haben zum Ziel, dass sich Europa damit es seine erfolgreiche Arbeit fort- genseitige, vor allem historische Ver- turelle Begegnungen und vieles mehr. Staatspräsident das Deutsch-Franzö- um sie sammeln kann. Deutschland und führen kann. ständnis im Schulunterricht zu stärken. Diese Partnerschaften bilden das Fun- sische Jahr offi ziell eröff nen. Die offi - Frankreich tragen eine besondere Ver- Das Ziel des Élysée-Vertrags – das Die Deutsch-Französische Hochschule, dament für die Zusammenarbeit zwi- ziellen Feierlichkeiten anlässlich des antwortung für das europäische Projekt. gegenseitige Verständnis zwischen ein Verbund von  Partnerhochschu- schen den Regierungen. . Jahrestages der Unterzeichnung Als Beauftragte der deutsch-franzö- Deutschland und Frankreich auch auf len, fördert Exzellenz und Mobilität im Ganz besonders eng ist die Zusam- des Elysée-Vertrags fi nden am . Ja- sischen Zusammenarbeit koordinieren der Ebene der Bürger zu stärken – kann Hochschul- und Forschungsbereich. menarbeit natürlich in den Grenzregi- nuar  in Berlin statt. Hier werden der französische Staatsminister für eu- langfristig am besten erreicht werden, Auch auf kulturellem Gebiet ist der onen. Hier reicht sie von der Wissen- die Parlamente und die Regierungen ropäische Angelegenheiten, Bernard wenn man sich auch miteinander ver- Austausch eng – ob über den länder- schaftskooperation über die Gründung beider Länder zusammentreff en. Den gemeinsamer Wasserschutzpolizeista- Abschluss des Deutsch-Französischen tionen bis zur grenzüberschreitenden Jahres bildet der . Jahrestag der Grün- Arbeitsvermittlung. Es sind gerade die- dung des Deutsch-Französischen Ju- se Projekte, die für den Bürger in sei- gendwerks im Juli  in Paris. nem Alltag die deutsch-französische Neben diesen Fixpunkten sind die Freundschaft konkret erlebbar machen. Städte und Gemeinden, Unternehmen Allerdings bleibt einiges zu tun, um die und Verbände, Schulen und Hoch- besonderen Chancen, die das Leben in schulen und auch engagierte Bürger den Grenzregionen bietet, zum Nut- aufgerufen, Initiativen zu starten, um zen aller Anwohner voll zur Geltung die Vielfältigkeit der Zusammenarbeit zu bringen. Auch hierfür setze ich mich zwischen Deutschland und Frankreich mit meinem Amtskollegen Bernard Ca- im Jubiläumsjahr darzustellen. Zahl- zeneuve ein. reiche Veranstaltungen sind bereits Die Zusammenarbeit zwischen geplant. Ein Kalender mit allen Veran- Deutschland und Frankreich ist in den staltungen fi ndet sich im Internet unter letzten  Jahren immer dichter gewor- www.elysee.de oder www.elysee.fr. den. Einen wichtigen Impuls auf poli- Wir können glücklich über das Er- tischer Ebene hat die deutsch-franzö- reichte sein. Der Elysée-Vertrag bleibt sische Agenda  gegeben, die beim die politische, rechtliche und symboli- . deutsch-französischen Ministerrat sche Grundlage für eine beispielhafte im Februar  unterzeichnet wurde. Zusammenarbeit zwischen unseren Sie ist ein ambitioniertes politisches Staaten, vor allem jedoch hat er die Arbeitsprogramm und enthält über  Entwicklung einer echten Freundschaft konkrete Projekte, die zum großen Teil zwischen Franzosen und Deutschen bereits umgesetzt sind oder deren Um- ermöglicht. Wer hätte das vor  Jah- setzung begonnen hat. ren für möglich gehalten? Das kost- Die Feiern zum . Jahrestag der Un- bare Erbe der deutsch-französischen terzeichnung des Élysée-Vertrags sollen Freundschaft wird nicht einfach wei- die gesamte Bandbreite der deutsch- tergereicht. Diese Freundschaft muss französischen Beziehungen widerspie- vielmehr von Generation zu Generation geln. Das »Deutsch-Französische Jubi- immer wieder aufs Neue belebt wer- läumsjahr« beginnt im September  den. Sie zu bewahren und auszubauen und wird bis Juli  andauern. Die kann nur gelingen, wenn sich immer junge Generation steht bei den Feiern wieder Politiker, Künstler, Unterneh- im Mittelpunkt, denn sie muss immer mer, Lehrer, Studierende, Schüler und wieder neu für die deutsch-französische viele andere Bürger in Deutschland und Freundschaft gewonnen werden. Ins- Frankreich für die Freundschaft beider gesamt soll das Deutsch-Französische Länder engagieren. Dieses Engagement Jubiläumsjahr nicht nur das in der Ver- zu fördern und ihm neue Impulse zu gangenheit Erreichte feiern, sondern geben – das ist das Ziel des Deutsch- sich gerade auch auf die gemeinsame Französischen Jahres /. Zukunft in Verantwortung für Europa ausrichten. Michael Georg Link, MdB, ist Staatsmi- Den offi ziellen Auftakt bildet der . nister im Auswärtigen Amt und Beauf- Jahrestag der Rede Charles de Gaulles tragter für die Deutsch-Französische an die Jugend. In seiner Rede  im Zusammenarbeit Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober   JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG 19

Kulturelles Projekt Europa Gute Nachbarschaft muss gepfl egt werden

JOHANNES EBERT Auch wenn die ökonomische Situation die Medienberichte dominiert, dürfen Juli . Fast zur gleichen Zeit, wir nicht vergessen, dass Europa ein als Frankreichs Premierminister kulturelles Projekt gesellschaftlicher .Jean-Marc Ayrault im französi- Werte ist. Und auch wenn das Thema, schen Parlament seine Regierungser- die Strukturkosten zu senken, ange- klärung abgibt, hält unweit davon Bun- sichts sinkender nationaler Haushalte desaußenminister Guido Westerwelle auch die Kulturinstitute nicht loslas- eine Rede zum -jährigen Jubiläum sen wird, so geht es heute nicht dar- des Goethe-Instituts Paris. »Das poli- um, eingesparte Ressourcen in andere tische Projekt Europa wird nur gelin- Weltgegenden zu verlagern, sondern gen, wenn wir es viel stärker als bisher Freiräume zu gewinnen für die Arbeit in auch als kulturelle Gestaltungsaufgabe Europa: Es geht darum, den Austausch begreifen«, sagt der deutsche Außenmi- zwischen den Ländern der europäi- nister. Bewegend erzählt er von seinen schen Union zu fördern und nachhaltige ersten persönlichen Begegnungen mit Prozesse des gegenseitigen Verstehens Franzosen als Jugendlicher. Auch Pre- zu intensivieren, die tiefer gehen als mier Ayraults Beziehung zu Deutsch- kurzfristige politische Diff erenzen. Es land geht tief: Er studierte Germanistik geht darum, ein europäisches Bürgerbe- unter anderem in Würzburg und arbei- wusstsein zu verstärken, das nationale tete vor seiner Wahl zum Abgeordneten Identitäten berücksichtigt, aber doch als Deutschlehrer. ermöglicht, dass sich der Einzelne als Der Elysée-Vertrag, der vor fast  Europäer fühlt und handelt. Und hierbei Jahren unterzeichnet wurde, schuf den können Frankreich und Deutschland,

Rahmen für die Partnerschaft zwischen die Goethe-Institute und die französi- IMAGO  BILD ULLSTEIN FOTO: Deutschland und Frankreich, die in schen Kulturinstitute mit ihren Netz- Der französische Präsident De Gaulle und der deutsche Bundeskanzler K. Adenauer bei einer Kundgebung in Bonn. Un- vielen Bereichen zum Motor der euro- werken und ihrer großen Erfahrung im zählige Menschen nahmen an dem politischen Aufmarsch teil um die europäische Union und die Freundschaft zwischen päischen Integration wurde. Die ent- interkulturellen Austausch gemeinsam Frankreich und Deutschland zu unterstützen – ... scheidende Grundlage für eine echte Zahlreiches bewirken. Aussöhnung bildeten die zahlreichen Herausforderungen gibt es viele: persönlichen Beziehungen und Be- Gute Nachbarschaft ist keine Selbst- rührungspunkte, für die Ayrault und verständlichkeit, sondern muss dauer- Westerwelle symbolhaft stehen: Ju- haft und aktiv gepfl egt werden. Das gilt Europäische Kulturpolitik heute gendliche in Austauschprogrammen, gerade auch für die nachwachsenden Städtepartnerschaften, Kulturbegeg- Generationen, für die der Abschluss Das Beispiel des Institut français nungen, französische Schülerinnen des Élysée-Vertrags wenig mehr ist als und Schüler, die Deutsch lernen, und ein fernes historisches Ereignis. Dabei XAVIER DARCOS zu bieten. Die deutsch-französische schlag in der Programmplanung zum deutsche Schülerinnen und Schüler, spielt die Sprache – die deutsche wie Zusammenarbeit schöpft häufi g aus . Jubiläum des Élysée-Vertrags: Das die über die französische Sprache den die französische – eine Schlüsselrolle. uropa ist heute eine unum- den Partnerschaften und den lang- Tandem Paris-Berlin stärkt in diesem ersten Kontakt mit dem Nachbarn be- Diesen »Türöff ner« durch modernen gängliche Komponente der jährigen, zuweilen in die Zeit vor Rahmen die Verbindungen zwischen kommen. Sprachunterricht, Qualifi zierungsan- deutsch-französischen Zu- dem Élysée-Vertrag zurückreichenden unseren beiden Kulturhauptstädten; Auf der Grundlage solcher Begeg- gebote für Deutschlehrerinnen und E sammenarbeit und bestimmt Freundschaftsabkommen zwischen das Tanz- und Theaterfestival Trans- nungen ist in den vergangenen  Jah- Deutschlehrer und Beratung von Bil- in Teilen auch ihre Zukunft. Ist es in über . Städten, Departements fabrik bietet ein dynamisches deutsch- ren ein einzigartiges Beziehungs-Netz- dungsinstitutionen zur Verfügung zu diesem europäischen Kontext notwen- und Regionen, insbesondere in den französisches Programm auf sechs werk entstanden, an dessen Entstehung stellen und Freude an der Sprache des dig, die Präsenz des Institut français in Grenzgebieten unserer beiden Länder. großen Bühnen – HAU (Berlin), Kamp- die Goethe-Institute in Frankreich und Anderen zu wecken, sieht das Goethe- Deutschland aufrechtzuerhalten? Die Zusätzlich sorgen die Fachbüros für nagel (Hamburg), PACT Zollverein (Es- die französischen Kulturinstitute in Institut als eine zentrale Aufgabe. In- Kulturbeziehungen zwischen Deutsch- Film, Buch und Verlagswesen, Bildende sen), Centre Pompidou (Metz), Quartz Deutschland einen wesentlichen Anteil formationsangebote, die das Verständ- land und Frankreich sind Teil einer Kunst, Theater und Tanz sowie Musik (Brest) und Théâtre de la Cité Univer- haben. Die Goethe-Institute in Paris, nis für den Anderen fördern, und kultu- langen Geschichte – der Geschichte für einen noch intensiveren Austausch sitaire (Paris); die Projekte »Histoires Nancy, Lyon, Toulouse, Bordeaux und relle Programme gerade auch für junge eines gemeinsamen intellektuellen zwischen der Fachbranche und den in- croisées« und »Mixart« verknüpfen In- Lille, die ein großes Netz an deutsch- Menschen, die Vertrauen und Empathie Begegnungsraums, einer gemeinsa- stitutionellen Akteuren unserer beiden itiativen deutscher und französischer französischen Kulturgesellschaften erzeugen, bleiben in den bilateralen men Kunstgeschichte und gemein- Länder und beraten gleichzeitig deut- Künstler und Schüler. Auch im Rahmen betreuen, informieren über Deutsch- Kulturbeziehungen weiter wichtig. samer Vorstellungen. Deutschland sche wie französische Programman- der Gedenkveranstaltungen zu Beginn land, öff nen den Zugang zur deutschen Europa heißt das große kulturelle ist nicht nur Frankreichs wichtigster bieter. Die aus der Zusammenarbeit des Ersten Weltkrieges, die wir für  Kultur und fördern das Erlernen der Projekt, das unseren Einsatz heute politischer und Handelspartner, son- mit Filmverleihen und Musik- und vorbereiten, werden wir auf all diesen deutschen Sprache an Schulen und mehr denn je erfordert. Die deutschen dern auch das Land, in dem sich un- Theaterbühnen entstandenen Initi- Ebenen zusammenarbeiten. Universitäten. und französischen Kulturinstitute ar- sere Denktraditionen und kreativen ativen, diese Formen der Publikati- Diese vielfältigen Aktivitäten und In den neunziger Jahren des ver- beiten hier eng zusammen. In einem Schöpfungen in der Vergangenheit onsförderung, konkretisieren sich da, Programme spiegeln die heutigen gangenen Jahrhunderts sahen sich die Abkommen haben sich Institut français verankert haben und heute lebendig wo jährlich Tausende französischer Schwerpunkte des Institut français Goethe-Institute angesichts der welt- und Goethe-Institut einer engeren Zu- entfalten. Das . Jubiläum des Élysée- Bücher ins Deutsche übersetzt wer- wider: die französische Sprache för- politischen Umwälzungen in Osteuropa sammenarbeit verpfl ichtet. So führen Vertrags gibt Anlass, uns die Stärke den, rund vierzig französische Filme dern, den Austausch zwischen allen die sieben Goethe-Institute und zehn dieser Beziehung vor Augen zu füh- in deutsche Kinos kommen und der Bereichen des künstlerischen Schaf- deutsch-französischen Kulturgesell- ren – ob in der Bildung, in der Kunst französische Film auf den drei großen fens vertiefen, kritische Debatten schaften in Frankreich sowie die elf und der Kulturindustrie oder in den deutschen Filmfestivals, der Berlinale, anstoßen. Die Debatten – ob über die Instituts français in Deutschland ge- Kontakten zwischen Wissenschaftlern, dem Filmfest München und dem Film- gemeinsamen Werte unserer beiden Sprache als Türöff ner meinsame Projekte durch. Aber auch Studierenden und Kunstschaff enden fest Hamburg, vertreten ist. Länder, über aktuelle Fragestellungen international realisieren Deutsche und beider Länder. Eine solche Beziehung Die europäische Kulturpolitik oder politische Ansätze – stehen im zur Kultur Franzosen gemeinsame Kulturprogram- löst sich nicht in Europa auf; sie fi ndet fi ndet aber auch außerhalb unserer Zentrum unserer Arbeit. Wenn es dabei me und demonstrieren eindrucksvoll, dort eine neue Aktualität. Landesgrenzen statt: Der Deutsch- wie so oft um unsere wirtschaftlichen wie aus ehemaligen »Erbfeinden« Daher ist es uns wichtig, über den Französische Fonds für Kulturpro- Kulturmodelle, um politische Fragen befreundete Nachbarn werden kön- natürlichen Austausch zwischen den gramme in Drittländern steht mit in den Bereichen Buch, Verlagswesen nen. Der Wille zur Zusammenarbeit Kulturprofi s unserer beiden Länder hi- seiner europäischen Ausrichtung und darstellende Künste, um die im und Asien neuen Herausforderungen beschränkt sich jedoch nicht nur auf naus auf institutioneller Ebene präsent für den Willen Deutschlands und Zuge der Digitalisierung entstehenden gegenüber. In Mittelosteuropa und der bilaterale Kooperation. Goethe-Insti- zu bleiben: Wir möchten unsere Wer- Frankreichs, ihr Engagement für die neuen Gewohnheiten und Kommuni- ehemaligen Sowjetunion galt es, eine tut und Institut français sind wichtige tegemeinschaft und unsere gemeinsa- europäische Integration sichtbar zu kationsräume oder um den Schutz historische Chance zu ergreifen und Akteure von EUNIC, dem Netzwerk der men kreativen Ansätze zu öff entlichen machen. Mit dem kürzlich unterzeich- des Urheberrechts geht, dann zeigt ein beispielloses Interesse an Deutsch- nationalen europäischen Kulturinstitu- Schwerpunkten unserer Zusammen- neten Kooperationsabkommen zwi- sich: Unsere beiden Länder stehen land, an deutscher Kultur und Sprache te. Gemeinsame Programme rund um arbeit machen. Diese institutionelle schen dem Goethe-Institut und dem vor denselben Herausforderungen. zu befriedigen. Viele hielten damals vor den Globus verdeutlichen den hohen Präsenz steht im Jahre  auf dem Institut français sowie durch unsere Die Vertiefung solcher Debatten bis diesem Hintergrund die EU-Nachbar- praktischen und ideellen Mehrwert Fundament eines deutschlandweiten gemeinsame Beteiligung an den Über- zur Entwicklung gemeinsamer Stand- schaften – etwa zwischen Deutschland europäischer Zusammenarbeit. Diese Netzwerks aus elf Instituts français legungen des EUNIC-Netzwerks sollte punkte kann eine wichtige Rolle spie- und Frankreich –für so gefestigt, dass zu intensivieren, auch indem wir neue und zehn daran gekoppelten deutsch- es uns möglich sein, neue Schritte in len, wenn es um unser Anliegen geht, sie glaubten, die Arbeit nationaler Kul- Programmformate initiieren und ak- französischen Zentren, welche in en- diese Richtung zu unternehmen und Kunstwerke und Wissensbestände in turinstitute in diesen Ländern könne tuelle europäische Fragestellungen in gem Dialog mit den Schul- und Kul- die traditionellen Kreise der deutsch- ihrem Entstehen und ihrer Verbreitung zugunsten der neuen Aufgaben redu- den Mittelpunkt rücken, ist eine der Zu- turbehörden vor Ort daran arbeiten, französischen Zusammenarbeit noch innerhalb des europäischen Raums zu ziert werden. kunftsaufgaben deutsch-französischer die Zusammenarbeit in den Bereichen stärker auszuweiten. unterstützen und zu fördern. Heute, vor dem Hintergrund einer Kultur-Kooperation. Sprache und Bildung zu vertiefen, den Dieser Wunsch, die Verfl echtungen Krise, die die Europäische Union in Französischunterricht an den Schulen zwischen unseren Bevölkerungen und Xavier Darcos ist Präsident des Insti- ihren Grundfesten erschüttert, sind Johannes Ebert ist Generalsekretär des zu fördern und der breiten Öff entlich- unseren Institutionen weiter zu ver- tuts français und ehemaliger französi- solche Überlegungen kaum denkbar. Goethe-Instituts keit ein vielfältiges Kulturprogramm tiefen, fi ndet aktuell seinen Nieder- scher Bildungs- und Arbeitsminister 20  JAHRE ÉLYSÉEVETRAG www.politikundkultur.net

 Jahre Deutsch-Französische Jugendwerk und noch kein graues Haar in Sicht Begegnung der jungen Generation fördern

MARKUS INGENLATH

as Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) fei- ert  sein -jähriges D Bestehen und blickt als lebendiges Erbe des deutsch-fran- zösischen Freundschaftsvertrags auf eine beachtliche Bilanz. Das Ziel, »die Bande zwischen jungen Menschen aus Deutschland und Frankreich« zu stär- ken, wie es im Gründungsabkommen des Jugendwerks heißt, hat sich nicht geändert. Nur die Austausch- und Be- gegnungsformen, die Zielgruppen und Thematiken des Jugendwerks haben sich weiterentwickelt. Seit  hat das DFJW mehr als acht Millionen jungen Deutschen und Franzosen die Möglich- keit gegeben, an Begegnungen teilzu- nehmen und die Sprache und Kultur des Nachbarlandes besser kennenzulernen.

Das DFJW als Vorreiter des inter- nationalen Jugendaustauschs Alfred Grosser gab dem DFJW bei sei- ner Gründung eine Mission, nämlich die »Avantgarde des internationalen Jugendaustauschs« zu sein. Diesem Auftrag möchte das DFJW auch heu- te gerecht werden. Stand vor fünfzig

Öff nung für Dritt- länderbegegnungen

Jahren der Versöhnungsgedanke für ein friedliches Zusammenleben im Vordergrund, möchte das DFJW heute die Grundlagen für die deutsch-fran- zösischen Beziehungen von morgen legen und die junge Generation auf

das Zusammenwirken von Deutsch- DPA  BILD ULLSTEIN FOTO: land und Frankreich in einem geeinten Ein Messerschmitt-Kabinenroller mit Grussparole für Charles de Gaulle (Staatspräsident, Frankreich) in München: «Vive de Gaulle» – .. Europa vorbereiten. So setzt sich das Jugendwerk heute beispielsweise für die schrittweise für Drittländerbegegnun- und stellen eine weitere Pionierleistung sollen vielmehr erkannt und akzeptiert Ausstellungsbereich. Das deutsch-fran- systematische, gegenseitige Anerken- gen geöff net: ab  zunächst für jun- für die europäische Jugendpolitik und werden. Junge Leute erleben bei den zösisch-schweizerische Goldschmidt- nung der Bildungsabschlüsse ein sowie ge Menschen aus anderen Mitgliedslän- die Demokratieförderung dar. Austauschbegegnungen kulturelle und Programm, welches junge Literatur- für die Schaff ung eines gemeinsamen dern der Europäischen Gemeinschaft, sprachliche Vielfalt. Diese Erfahrungen übersetzer unterstützt, zeigt, dass die Status’ für deutsche und französische Anfang der -er Jahre kam der Aus- tragen zu ihrer persönlichen Entwick- Programme eine Ausstrahlungskraft Kulturelle Bildung als Pilotthema Praktikanten oder für Vereine. Nur so tausch mit mittel- und osteuropäischen lung und zum Erwerb von Schlüssel- über die bilaterale Zusammenarbeit des DFJW kann deren Arbeit auf beiden Seiten des Staaten sowie Nordafrika hinzu und seit kompetenzen für Europa bei. hinaus besitzen. Rheins erleichtert werden.  verstärkt mit südosteuropäischen In den gesamten Bestrebungen des Die kontinuierliche Öffnung des Das DFJW hat seinen Aktionsraum Doch die Arbeit des DFJW beschränkt Staaten. Die trilateralen Austauschak- Jugendwerks geht es nicht darum, Un- Austauschrepertoires des DFJW, hin in den letzten Jahren von Kino- über sich nicht auf die bilaterale Zusammen- tivitäten machen mittlerweile bis zu  terschiede zwischen den Ländern und zu mehr kulturellen Programmen, ent- Slam- bis hin zu Theaterbegegnungen arbeit. Es hat seine Programme auch Prozent des Programmhaushalts aus deren Kulturen abzubauen. Diff erenzen spricht nicht dem Wunsch, der mühsa- erweitert. So ist das Jugendwerk mit men Begegnungsarbeit einigen Glanz einer jungen deutsch-französischen zu verleihen, sondern der Einsicht, Filmjury offi zieller Partner der Berli- gute Erfahrungen gemacht, von sendung wenigstens eine Kulturmel- dass alle kulturellen Austauschfor- nale und spricht mit der Organisati- so mancherlei »kleinstaatlichen« dung gehört. Wenn in Frankreich ein men, alle Ansätze und Medien, in die on von deutsch-französischen Poetry Hemmnissen auf kulturpolitischer großer Schauspieler, und sei es »nur« deutsch-französischen Begegnungen Slam-Begegnungen und Hip-Hop-Ate- Ebene oder auch fi nanziellen Eng- ein Komiker wie Bourvil, stirbt, dann einbezogen werden müssen. Deshalb liers neue Zielgruppen an. All diese pässen auf Länderebene mal abgese- verkündet die Nachricht in Frank- ist »kulturelle Bildung« seit  eins Initiativen bieten den Teilnehmern die hen. Anders als in Frankreich blüht reich ein TV-Nachrichtensprecher der fünf Pilotthemen des Jugendwerks. Möglichkeit, das Partnerland kennen Das Jubiläum des deutsch-fran- eine vielfältige Kultur in Deutsch- sichtlich bewegt und mit tränener- Darüber hinaus eignen sich künst- zu lernen und sich ein Netzwerk zum zösischen Freundschaftsvertrags land nicht nur in den großen Zent- stickter Stimme natürlich noch vor lerische Programme besonders gut interkulturellen Austausch aufzubau- gibt natürlich auch Anlass, über die ren des Landes. allen anderen Weltnachrichten. für interkulturelle Begegnungen, weil en. kulturellen Beziehungen, auch die Andererseits ist es in Frankreich Auch vom Stellenwert des einheimi- sie den Austausch auch mit geringen Auch in Zukunft wird sich das DFJW Gemeinsamkeiten und Unterschiede selbstverständlich, dass bei Ge- schen Kinos in Frankreich können Kenntnissen der Partnersprache ermög- weiterhin der Idee verschreiben, neue beider Länder, nachzudenken. Es burtstagen, Preisverleihungen oder wir uns in Deutschland, bei allen lichen. Mitte der Siebzigerjahre rich- Wege im internationalen Jugendaus- ist viel erreicht worden und Fran- Nachrufen im Bereich der Kultur zwischenzeitlichen Erfolgen, noch tete sich das DFJW erstmals an junge tausch zu bestreiten. Anlässlich seines zösische Filmwochen oder Musik- der Staatspräsident, anders als bei etwas abgucken. Wie überhaupt Künstler und trug damit der Tatsache runden Geburtstages hat das Jugend- veranstaltungen wie die Fête de la uns, persönlich viel öfter das Wort Kunst und Literatur jenseits des Rechnung, dass es sich um eine eigene werk auf der Suche nach besonders Musique sind fester Bestandteil des ergreift, wie jüngst erst beim ver- Rheins einen größeren gesellschaft- Zielgruppe und ein neues Publikum von innovativen und zukunftsweisenden kulturellen Lebens in Deutschland. storbenen Filmemacher Chris Mar- lichen Stellenwert genießt als im Multiplikatoren handelte, das über ein Projekten die Aktion » Jahre,  Dennoch muss registriert werden, ker. Auch sind solche Nachrichten im »Land der Dichter und Denker«. Wor- beachtliches kreatives Potenzial und Projekte« ausgeschrieben. Denn der dass das gegenseitige Interesse an französischen Fernsehen wie selbst- te wie »homme de lettre« und »sa- große Sensibilität verfügt. In der Fol- Ideenreichtum und die Kreativität der den Fremdsprachen beider Länder verständlich oft Spitzenmeldungen voir vivre« sind bei uns noch immer ge entstanden Förderprogramme für Jugend sind das Fundament, auf dem ausgerechnet seit der deutschen und nicht »Anhängsel« vor dem Fremdwörter, in Frankreich gehören Studienaufenthalte an Kunstakademi- die Deutsch-Französische Freundschaft Wiedervereinigung nachgelassen hat. Wetter wie in Deutschland – ganz sie wie selbstverständlich zusammen en. Außerdem ist das DFJW seit über fußt und die gegenwärtige Krise in Eu- Dabei könnten beide Länder durch- abgesehen davon, dass es in den – Kultur und Lebensgenuss. Eine  Jahren in der Nachwuchsförderung ropa überwunden werden kann. aus voneinander lernen. Deutsch- deutschen Rundfunk- und Fernseh- wunderbare, weil die körperliche und junger Berufstätiger in der Buchhändler- land hat mit seiner föderalen Ord- sendern immer noch nicht gängige seelische Gesundheit fördernde Le- und Verlagsbranche aktiv und fördert Markus Ingenlath ist Generalsekretär nung auch im kulturellen Bereich Praxis ist, dass in jede Nachrichten- benseinstellung, meint Mommert. Austauschprogramm im Museums- und des Deutsch-Französische Jugendwerks Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober   JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG 21

Die Rolle des Deutsch-Französischen Kulturrats Gemeinsam für ein Mehr Einfl uss geltend machen: sowohl auf an Kultur in Europa Regierungsebene als auch beim Bevoll- mächtigten für die deutsch-französi- sche kulturelle Zusammenarbeit und JACQUES TOUBON bei der Kultusministerkonferenz (KMK). Ich möchte an dieser Stelle zwei unächst sei dem Deutschen Kul- konkrete und aktuelle Maßnahmen turrat dafür gedankt, dass er die herausgreifen. Z kulturpolitischen Debatten in Im Rahmen unseres Treffens in Deutschland antreibt und sich auf den Saarbrücken im Januar  haben wir Seiten von Politik & Kultur mit neuen in Reaktion auf die Krise ein Manifest wie alten kulturpolitischen Fragestel- der Kulturwerte verabschiedet, in dem lungen auseinandersetzt. wir an Deutschland und Frankreich Die Beziehungen und die Zusam- appellieren, sich im Rahmen der Eu- menarbeit auf den Gebieten Bildung ropäischen Union für die »exception und Kultur bilden seit jeher einen dieser culturelle« stark zu machen. Themenschwerpunkte, und es ist mir Der Deutsch-Französische Kultur- eine Freude, an dieser Stelle in meiner rat sieht Europa heute am Scheideweg. Funktion als französischer Präsident Die neoliberale Wirtschaft, die lange des Deutsch-Französischen Kulturra- als Leitmodell und Wegweiser für die tes einige Gedanken dazu ausführen Zukunft galt, hat sich nun mit ihren zu dürfen. dogmatischen Regeln und ihrer alles Die Kultur hat einen bedeutenden durchdringenden Logik als unfähig er- Platz in der öff entlichen Politik unserer wiesen, eine überzeugende Antwort auf beiden Länder. Deutschland und Frank- die grundsätzlichen Fragen zu liefern, reich wenden jährlich jeweils über  die sich die Menschen und Gesellschaf- Milliarden Euro für ihre Kulturpolitik ten stellen. auf und die Kulturindustrie erzeugt Gibt es andere Antworten als die in beiden Ländern zwischen zwei und ewige Unterwerfung unter das ökono- drei Prozent des BIP. mische Diktat? Ist es nicht gerade vor Nur ein Beispiel: Die Umsatzzah- dem Hintergrund der verschwindend len von Buchpublikationen liegen in kleinen Prozentsätze für Kulturaus- Deutschland bei über  Milliarden Euro, gaben in den öff entlichen Haushalten Frankreich kommt auf , Milliarden. wichtig, diese geringen Budgets mit

Unser politisches Handeln ist an un- allen Mitteln zu bewahren? Kunst und DPA  BILD ULLSTEIN FOTO: terschiedliche verfassungsrechtliche Kultur sowie ihre Institutionen können Erste politische Gespräche in Bonn: Staatspräsident Charles de Gaulle (re) und Bundeskanzler Konrad Adenauer während Vorschriften gebunden und wir machen dazu dienen, den modernen Menschen des Presseempfangs auf der Terrasse des Palais Schaumburg – .. nicht auf dieselbe Weise Gebrauch von in ein Verständnis von Welt und Ge- öff entlichen und privaten Mitteln. Ein sellschaft einzubetten, das über den Ein besonderer Aspekt der Frage des eigenen Budget ausgestattet, deutsch- Der Deutsch-Französische Kulturrat Blick in die Seiten von Politik & Kultur herkömmlichen und unbefriedigenden Urheberrechts betriff t insbesondere das französische Kulturaktivitäten gene- wird im Herbst offiziell alle poten- zeigt jedoch, wie sehr sich die Debat- Materialismus hinausgeht. Internet: Es werden zurzeit immer mehr riert und fördert. ziellen Partner einer solchen Stiftung ten in unseren beiden Ländern ähneln, Viele Probleme unserer Zeit bedür- Inhalte von Anbietern online gesetzt, Der Deutsch-Französische Kulturrat ansuchen. insbesondere im neuen Zeitalter der fen weitaus komplexerer Gedanken- die die Rechte von Autoren, ob Schrift- möchte damit aus diesem Gedenkjahr Der Deutsch-Französische Kultur- Digitalisierung und des Internets. gänge als eine simple Kosten-Nutzen- steller, Künstler, Komponisten oder Re- ein Projekt hervorgehen lassen, das die rat versteht sich so in gewisser Wei- Mit dem Élysée-Vertrag  wurde Rechnung sich vorstellen kann. Der gisseure, einfach ignorieren. Parallel Zukunft bereichert, wie es zum Beispiel se als eine – wenn auch bescheidene in Deutschland auf Regierungsebene kulturelle Reichtum Europas ist groß, zu Strafen im Nachhinein befürwortet das Deutsch-Französische Jugendwerk – Schmiede, aus der ein gemeinsames das Amt des Bevollmächtigten für die es gibt viel zu verlieren. Wir müssen der Deutsch-Französische Kulturrat die vermocht hat. Kulturdenken erwachsen soll. Dies deutsch-französische kulturelle Zu- Kunst und Kultur als einen fundamen- Einrichtung von legalen Plattformen, Obwohl die bestehenden deutsch- ist ein unverzichtbarer Schritt, wenn sammenarbeit geschaffen. Aufgabe talen Wert unseres Lebens betrachten. wie sie zurzeit die Musik-, Buch- und französischen Institutionen in den ver- der Weg von der Nachbarschaft über des jeweiligen Amtsinhabers – einem Der Reichtum einer Gesellschaft lässt Filmbranche Schritt für Schritt einset- gangenen  Jahren zahlreiche Kultur- die Aussöhnung zur Zusammenarbeit der amtierenden Ministerpräsidenten sich auch daran ablesen, wie viele Ein- zen und dabei das Urheberrecht berück- aktivitäten ermöglicht haben, so fi ndet weiter in Richtung einer Gemeinschaft – ist die Förderung der Beziehungen richtungen, die keinen ökonomischen sichtigen. doch ein großer Teil des kulturellen des öff entlichen und privaten Handelns zwischen den zuständigen Behörden Gewinn erwirtschaften, sie sich leistet. Die Förderung von Kultur durch Lebens außerhalb dieses geförderten fortgesetzt werden soll. in Deutschland und der französischen In den kommenden zehn Jahren die öff entliche Hand in Deutschland, Bereichs statt. Unabhängige, von der Gemeinsam also für ein »Mehr an Regierung. werden das Schaff en, die Produktion Frankreich und in der Europäischen Zivilgesellschaft getragene Projekte fi n- Kultur« in Europa.  beschlossen Bundeskanzler und die Verbreitung von kulturellen Union darf aus kurzsichtiger Haus- den oft keine Förderung, da sie an den und Staatspräsident Fran- Gütern und kulturellen Dienstleis- haltsenge nicht in Frage gestellt wer- formalen Kriterien scheitern. Gelänge Jacques Toubon ist französischer çois Mitterrand die Einrichtung eines tungen zu einem zentralen Pfeiler der den. Diese Unterstützung umfasst in es, diesen Initiativen eine materielle Präsident des Deutsch-Französischen Deutsch-Französischen Kulturrates, pa- wirtschaftlichen Entwicklung werden. erster Linie direkte Finanzierungen, Grundlage zu verschaff en, eine Art »An- Kulturrates und war von  bis  ritätisch zusammengesetzt aus je zehn Die sogenannte immaterielle Wirt- private und öff entliche Subventionen schubfi nanzierung«, so könnte viel be- französischer Kulturminister sowie von deutschen und französischen Persön- schaft, die Wirtschaft des Wissens, wird für die unterschiedlichen Kunstsparten. wegt werden. Diese Projekte, die nicht  bis  Justizminister. lichkeiten aus der Welt der Kultur. Er künftig immer mehr für Reichtum und Für die Europäische Union fordern unbedingt dem formalen Förderrahmen berät unsere beiden Regierungen als Beschäftigung sorgen. Damit Kultur- wir daher die Einführung eines Artikels entsprechen, bilden heute die Grund- unabhängiges Gremium zu gemein- schaff ende davon profi tieren können, über Kunst und Kultur in die Europäi- lage für die Zukunft der Kulturtätigkeit DEUTSCH samen Fragen aus Kunst, Kultur und müssen Spielregeln eingeführt werden, sche Verfassung. zwischen unseren beiden Ländern. Bildung. die den besonderen Charakter von Kul- Mit der Gründung einer europä- FRANZÖSISCHER Heute zählt der Kulturrat zwölf Mit- turgütern berücksichtigen. Gegen die Wir schlagen daher folgende politische ischen Stiftung würden Deutschland KULTURRAT glieder – sechs aus jedem Land. Den uneingeschränkte Anwendung einer Maßnahmen vor: und Frankreich eine unabhängige Ein- Vorsitz halten zurzeit der künstlerische absoluten Konkurrenz auf dem freien • Musische Fächer sind im Kindergar- richtung schaff en, die den Künstlern Gründung:  Leiter der Schaubühne, Thomas Oster- Markt setzen wir uns mit Nachdruck ten und in der Grundschule Pfl ichtfä- als Partner zur Seite stehen könnte, die Ziel: Impulsgeber in Bereichen der meier, und ich. Das Sekretariat ist auf für eine »exception culturelle« ein, wie cher. Mindestens ein musisches Fach schnell und unabhängig handeln könnte, Kunst und der Kultur der deutsch- deutscher Seite in Saarbrücken ange- sie in Frankreich defi niert wurde, die ist in der Sekundarstufe Pfl icht. Es niedrige Verwaltungskosten hätte und französischen kulturellen Zusam- siedelt, auf französischer Seite in der zwischen Gütern allgemeiner Art und werden genügend qualifi zierte Lehr- der Kunst sowie den Kunstschaffen- menarbeit sowie Schnittstelle Kulturabteilung der Französischen Bot- Kulturgütern unterscheidet. kräfte dafür ausgebildet. den nahestehen würde. Noch laufen zwischen den Regierungen beider schaft in Berlin. Jährlich werden zwei Ein Gebiet, neben anderen, auf • Urheberrechte werden europaweit be- auf europäischer Ebene die Gespräche Länder und ihren Zivilgesellschaften Plenarsitzungen abgehalten, abwech- dem Frankreich und Deutschland sich rücksichtigt, auch im Internet, so dass über den rechtlichen Rahmen einer Struktur:  Mitgliedern (je  aus ei- selnd in Frankreich oder Deutschland. erheblich entwickeln müssen, ist die Künstler von ihrer künstlerischen solchen Stiftung. In der Zwischenzeit nem Land), aus ihren Reihen einen Die Mitglieder des Kulturrates stam- künstlerische und kulturelle Bildung. Es Wertschöpfung auch leben können. sollten in Deutschland und Frankreich französischen und einen deutschen men aus den unterschiedlichsten Kul- ist unverzichtbar, den kulturbezogenen organisatorische Übergangslösungen Präsidenten sowie je einen Gene- turbereichen: Theater, Musik, Museen, Fächern denselben Stellenwert einzu- Dank der europaweiten Durchset- eingesetzt werden. Besonders wirkungs- ralsekretär Kulturerbe, Geschichte, Urheberrechts- räumen wie den naturwissenschaftlich- zung des Grundsatzes einer »exception voll wäre eine Gründung anlässlich der Arbeitsweise: zweimal jährlich verwaltung, Kulturstiftungen, Verlage mathematischen und den geschichts- culturelle« wird diese international an- Feierlichkeiten zum . Jahrestag der treff en sich die französischen und usw. Das macht sie zu kompetenten, und gesellschaftswissenschaftlichen erkannt und ist Teil der Verhandlungen Unterzeichnung des Élysée-Vertrags: Die deutschen Delegationen zu Plenar- erfahrenen und engagierten Vertre- Fächern. für ein künftiges internationales Han- symbolische Tragweite dieser Stiftungs- sitzungen; an diesen nehmen Ver- tern der kulturellen Zusammenarbeit Frankreich und Deutschland müs- delsabkommen. gründung wäre ein klares Zeichen für die treter der zuständigen Ministerien zwischen unseren beiden Ländern. sen den Charakter des Urheberrechts Im Jahre , anlässlich des . zentrale Rolle, die die deutsch-französi- bzw. der KMK sowie Experten teil; Im Jahr des -jährigen Jubiläums als Grundpfeiler jeglicher Kulturpolitik Jahrestags des Deutsch-Französischen sche Geschichte für Europa spielt. Präsidiumssitzungen, Sitzungen des Élysée-Vertrags kann auch der unterstreichen, da dieses den Kunst- Freundschaftsvertrags und des . Ju- Eine private Form der Stiftung, wie der deutschen bzw. französischen Deutsch-Französische Kulturrat be- schaff enden die Möglichkeit gibt, von biläums des Deutsch-Französischen sie das europäische Stiftungsrecht er- Mitgliedern sowie Arbeitsgruppen- reits auf ein Viertel Jahrhundert Kul- ihrer Kunst zu leben, wirtschaftlich un- Kulturrates wird eine Deutsch-Fran- laubt, könnte die Autonomie und die treff en turzusammenarbeit zurückblicken. Er abhängig zu sein und ihre künstlerische zösische Kulturstiftung nach europäi- Handlungsfähigkeit der Zivilgesell- Mitglieder: Kulturschaff ende beider konnte – auf diskrete Weise – seinen Arbeit frei zu entfalten. schem Recht gegründet, die, mit einem schaft befördern. Länder 22  JAHRE ÉLYSÉEVERTRAG / MEDIA www.politikundkultur.net

Der Nachbar als Spiegel Darstellung des Wirtschaftsbilds der beiden Länder

JEANMICHEL GUY stufen die französische Lebensmittel- als chauvinistisch, was in keiner Wei- industrie sehr hoch ein. Sie sind die se ihrem Europagefühl widerspricht. m die Kenntnisse der Deut- einzigen, die sich eine starke pharma- In den Augen der Deutschen sind die schen, Italiener und Franzo- zeutische Industrie zuschreiben. Franzosen kultiviert und sehr chauvi- U sen in Bezug auf ihr eigenes nistisch, aber auch europäisch. Kunst- und Kulturerbe und das der Die «angeblichen» Charakter- jeweils anderen Völker einzuschätzen, züge der zwei Bevölkerungen In den zwei Ländern wurde  und  in den besagten drei Ländern die Studie »Kreuzung der Stereotypen sind hartnäckig: Ihnen Die jungen Generationen der - bis Kulturen« durchgeführt. Unter ande- zufolge sind Deutsche ernst und fl ei- -Jährigen schätzen die Off enheit rem interessiert sie sich für die Bilder, ßig, Franzosen kultiviert und ein- gegenüber anderen, Engagement für um nicht zu sagen Stereotypen, die die gebildet usw. Global betrachtet sind Europa, Tatkraft und Warmherzigkeit. Einwohner der drei Länder von ihren diese Stereotypen transnational, das So sind die jungen Deutschen von  Nachbarn haben. Die Ergebnisse für heißt es gibt keinen großen Unter- bis  Jahren der Meinung, dass sie Deutschland und Frankreich werden schied zwischen dem Selbstbild und europäischer, optimistischer, fröhli- im Folgenden kurz zusammengefasst: dem Bild, das andere sich von einem cher, warmherziger und lauter als der machen. Dennoch lassen einige we- nationale Durchschnitt sind. Die jun- sentliche Abweichungen auf mögliche gen Franzosen von  bis  Jahren Deutschland Missverständnisse schließen. Überdies stufen sich als europäischer und we- Bei der Analyse fällt auf, dass die deut- scheinen alte Stereotypen bei den jün- niger chauvinistisch als die älteren Ge- sche Wirtschaft von Franzosen und geren Generationen zu verblassen und Deutschen als hervorragend eingestuft neuen Bildern Platz zu machen. wird. In den Augen der Deutschen und Deutsch-Französische ihrer Nachbarn ist Deutschland vor PHOTOCASE.COM / BASTOGRAFIE FOTO: Deutsche allem eine Industriemacht: Auto- Stereotype im mobilindustrie, Werkzeugmaschinen Die Deutschen betrachten sich nicht Vergleich und Maschinenbau, chemische und nur als fl eißig, organisiert und zuver- pharmazeutische Industrie. Nur in ei- lässig, sondern auch als kreativ und nem Punkt weicht das Selbstbild der innovativ. Die Franzosen hingegen nerationen ein. Bei der Einschätzung Was ist ein Deutschen stark vom Deutschlandbild schreiben ihnen diese Charakterzü- ihrer europäischen Partner haben die der Franzosen ab: Für letztere steht ge nicht spontan zu. Bemerkenswert jungen Generationen in mancher Hin- Deutschland ebenfalls für Rüstungs- ist, dass die Franzosen die Deutschen sicht eine weniger stereotype Vision und Atom-/Nuklearindustrie, während außerdem als warmherzig und lebhaft als die ältere Generationen. In Frank- Fernsehkanal? die Deutschen ihr Land keineswegs einstufen. Sie betrachten sie als kulti- reich sind die - bis -Jährigen die mit diesen beiden Industrien assozi- viert und fühlen sich ihnen im europä- größte Gruppe der Franzosen, die die Die Grauzone der digitalen eigenständiges Programmangebot dar. ieren. ischen Gedanken verbunden. Deutschen als europäisch einstufen. Angebote Gestattet sind aber nur programmbe- Die jungen Deutschen von  bis  gleitende Online-Angebote. Jahren haben am wenigsten Vorurteile Wenn die Politik solche Online-Ka- Frankreich Franzosen gegen den angeblichen Chauvinismus HELMUT HARTUNG näle auch künftig toleriert, hat das zur Frankreich steht für Luxusartikel und Die Franzosen haben kein eindeuti- der Franzosen. Konsequenz, dass generell der Rund- Atom-/Nuklearindustrie, darüber sind ges Bild von sich selbst. Sie scheinen ährend der Bericht- funkbegriff überdacht werden muss, sich alle einig. In Bezug auf andere zwischen verschiedenen Charakterzü- Jean-Michel Guy ist Forschungsinge- erstattung von den auch für nicht lineare TV-Angebote Wirtschaftszweige gibt es größere Un- gen zu schwanken: kreativ, fl eißig, an- nieur bei der Studium-, Zukunftfor- Olympischen Spielen in keine Lizenzen mehr erforderlich sind terschiede: Für die Deutschen steht spruchsvoll, warmherzig, voller intel- schungs- und Statistikabteilung W London konnte der mul- und die Online-Formate von ARD und Frankreich für Automobil-, Lebensmit- lektueller Neugier. Nur in einem Punkt des französischen Kulturministe- timedial ausgerüstete Fernsehzuschau- ZDF generell nicht mehr an einer Pro- tel- und Textilindustrie. Die Franzosen sind sie sich einig: Sie betrachten sich riums er eine Premiere erleben: ARD und ZDF grammbegleitung festgemacht werden zeigten zur Olympia-Übertragung im Ersten im ZDF-Hauptprogramm par- allel über fünf Online-Kanäle zusätz- lich Live-Bilder von den Wettkämpfen. Rundfunkbegriff Mal kommentiert, mal unkommentiert. überdenken Wer einen Smart-Fernseher besitzt, und diesen auch mit dem Internet verbun- den hat, konnte per Knopfdruck die- se zusätzliche Berichterstattung in dürften. Das hätte für den Zuschauer si- HD-Qualität genießen. Doch welche cher Vorteile – siehe zusätzliche Infor- medienpolitische Relevanz hat dieser mationen aus London, aber Nachteile Versuch? Sind diese Streaming-An- für Wettbewerber – siehe die Debatte gebote einem klassischen TV-Kanal über die Tagesschau.de-App. gleichzusetzen? Bedarf es dazu einer Dieses Experiment hat aber auch Beauftragung durch die Bundesländer etwas anderes gezeigt, was im Zusam- wie für die klassischen TV- und sechs menhang mit den künftigen Aufgaben Digital-Kanäle? des öff entlich-rechtlichen Rundfunks Die Rundfunkstaatsverträge regeln und der Arbeitsgruppe Beitragsstabi- bis aufs kleinste, was die öff entlich- lität der Länder interessant ist: ARD rechtlichen Sender dürfen und was und ZDF könnten auf ihre Digitalkanäle nicht. Im . Rundfunkänderungs- möglicherweise verzichten, wenn es staatsvertrag wurde zum Beispiel ihnen gestattet wird Online-Kanäle zu detailliert festgelegt, welche Online- entwickeln, die auch auf dem TV-Gerät Inhalte ARD und ZDF anbieten, wie oder mobil genutzt werden könnten.  lange Sendungen in Mediatheken vor- Millionen Euro, die bisher für die Di- gitalkanäle ausgegeben werden, ohne Zeitschriften bei ConBrio eine relevante Zahl von Zuschauern zu erreichen, könnten gespart werden. Olympia-Streaming Gleichzeitig können die öffentlich- als Testballon rechtlichen Sender Angebote entwi- ckeln, die multimedial sind und spezi- fi sche Zuschauergruppen ansprechen, also auch die Jüngeren. Damit ist auch gehalten werden dürfen und wie das die Entwicklungsgarantie für ARD und Genehmigungsverfahren bei neuen ZDF gegeben, die das Bundesverfas- Angeboten ist. Hier erlebte der Drei- sungsgericht gefordert hat. Stufen-Test seine Premiere. Hierzu sind aber Entscheidungen Doch für Online-Kanäle, die auf den der Medienpolitik notwendig. Wenn Fernseher per App gestreamt werden, man – was sinnvoll ist – die Digital- NEUE MUSIKZEITUNG – JAZZ ZEITUNG – OPER & TANZ – ist weder in den Staatsverträgen et- kanäle streicht, muss man Online- POLITIK & KULTUR – KUNST+ KULTUR – KULTURAUSTAUSCH was geregelt, noch gab es dafür einen Alternativen ermöglichen. Vielleicht Drei-Stufen-Test oder eine Genehmi- zeichnet sich mit den Olympia-Kanälen gung durch die Politik. ARD und ZDF der nächste medienpolitische Kuhhan- haben etwas getestet, was ihnen zwar del ab: Online-Kanäle im Tausch gegen www.conbrio.de nicht gestattet, aber auch nicht explizit die Einstellung von Digitalkanälen. verboten ist. Dennoch: Diese Olympia- Streaming-Angebote waren nicht pro- Helmut Hartung ist Chefredakteur bei grammbegleitend, sondern stellten ein promedia Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  MEDIA 23

Die GamesCom schwächelt Über fehlende Internationalität, wenig Neuheiten und Gerüchte über einen Standortwechsel

FELIX ZIMMERMANN Anbindung an den internationalen Kun- eine schöne Sache, aber wenn ich zum Nintendo kommt nicht zur GamesCom. hinausgehen? Hier stimmt meiner Mei- denkreis einer der Gründe war, warum Beispiel an die E dieses Jahres und an Ebenso scheint durch Handel im Busi- nung nach das Verhältnis von Warte- enn die verpickelten, die GamesCom (damals noch Games das von UbiSoft präsentierte Videospiel ness-Bereich auch kein derartiger Ge- zeit zu letztendlicher Spielzeit in keiner ungepfl egten Nerds aus Convention)  von Leipzig nach Watch Dogs denke, das aus dem nichts winn zustande zu kommen, dass es sich Weise. Außerdem ist es äußerst scha- ihren Zimmern kommen, Köln wechselte. Ist Köln etwa auch nicht auftauchte und die Besucher sowohl mit lohnt, mehrere zehn-, wenn nicht sogar de - allerdings erneut ein Indiz für die W dann fi ndet wohl erneut international genug für die aufstreben- Grafi k als auch Gameplay überraschte mehrere hunderttausend Euro in einem fehlenden Neuigkeiten auf der Messe –, die GamesCom, das »weltweit größte de Videospielbranche? So scheint die und beeindruckte, dann wird klar, dass Stand zu verpulvern. Setzt sich dieser dass ich teilweise alte Spielszenen, die Messe- und Event-Highlight für inter- GamesCom, international nur auf ver- es diese »Aha«- oder »Wow«-Momente Publisherschwund auf der GamesCom ich schon in Gameplay-Videos von der aktive Spiele und Unterhaltung«, so liest haltene Resonanz zu stoßen – natürlich sind, die der GamesCom noch fehlen. weiter fort, dann fehlen damit auch die E sehen durfte, erneut aufgetischt be- man es wenigstens auf der offi ziellen entgegen aller Aussagen der Veranstal- Natürlich ist auch die Größe einer wichtigen Aussteller. Wie lange soll das kam. Wenigstens hier wäre es, alleine um GamesCom-Website, in Köln statt. Aber ter. Zwar kamen Fachbesucher aus  Messe ein Faktor und zum Beispiel noch gut gehen? die unmenschlichen Wartezeiten (die Moment: Über diese Vorurteile sind wir verschiedenen Ländern zusammen ( die Öff nung von Halle  war ein guter Das alles stört den normalen Besu- viele Spieler mit eiserner Willenskraft doch schon längst hinaus! Videospie- Länder mehr als im Vorjahr), doch bei Schritt, aber das alleine reicht nicht aus. cher natürlich kaum. Von sehr vielen durchstehen - dafür mein Kompliment) le und Videospieler sind, nach langen der weltgrößten Spielemesse vermisse So erweiterte man das Messegelände z.B. hörte ich begeisterte Berichte über die zu rechtfertigen, notwendig, auch wirk- Jahren des Kampfes, doch endlich ein ich vor allem ausländische Spielegrößen mit dieser zwei-Etagen-Halle und ver- Atmosphäre auf der Messe, den Spaß, lich komplett neues Material zu zeigen. akzeptierter Teil der Gesellschaft gewor- wie einen Hideo Kojima, der z.B. kurz folgt damit den Trend der GamesCom in sich mit Gleichgesinnten zusammen- Auf keinen Fall sollte man dies hier den und längst treff en überzogene Vor- vorher seinen Besuch bei der GamesCom Köln weiter, die es sich off enbar auf die zusetzen und auszutauschen. Und eben- falsch verstehen. Ich wünsche mir kei- urteile über Aussehen und Geschlecht ohne Nennung eines Grundes absagte. Fahne geschrieben hat, mit der schieren so häufi g hörte ich auch von denen, die neswegs, dass die GamesCom Köln ver- von sogenannten Zockern nicht mehr zu. Außerdem muss es zweifellos Gründe Größe der Ausstellungsfl äche und der völlig mit dem Angebot auf der Messe lässt. Allerdings steht meiner Meinung Oder doch? Wenn man so über die Messe dafür geben, dass mehrere große Spie- Anzahl von Ausstellern von anderen zufrieden sind. Das möchte ich keines- nach außer Frage, dass, wenn es weiter- schlendert, dann kommt man nicht um- lefi rmen (wie Microsoft, THQ, Sega oder Problemen abzulenken. Die Stadt be- wegs Jemandem schlechtreden. hin auf der GamesCom keine Neuvorstel- lungen von Bedeutung gibt und weitere Publisher abspringen, der Standort Köln als Austragungsort für die GamesCom gefährdet ist. Nicht ohne Grund gibt es Gerüchte, dass sie  nach Frankfurt wechseln könnte. Dann nämlich läuft der Vertrag des Veranstalters mit der Stadt Köln aus und andere Angebote rücken in den Fokus. Oberfl ächlich gesehen war die GamesCom natürlich mit ihren medienwirksamen Besucherrekorden (bis auf dieses Jahr) jedesmal ein vol- ler Erfolg, aber bei einem attraktiven Angebot aus Frankfurt, kombiniert mit der hervorragenden Anbindung an den internationalen Markt, könnte es für Köln schwer werden.. Wer weiß, viel- leicht springen Nintendo, Microsoft, THQ und Sega nächstes Jahr wieder auf und zeigen mit neuen Top-Titeln – vielleicht sogar schon für die nächste Konsolengeneration – was alles mög- lich wäre auf der GamesCom. Wenn die GamesCom, trotz der Tatsache, dass sie die größte Videospielmesse der Welt ist, weiterhin große Ankündigungen schul- dig bleibt, dann ist das verschwendetes Potential. Ich wünsche mir daher für die GamesCom nächstes Jahr vor allem ei- nen qualitativen Sprung hinsichtlich der Neuerscheinungen und -vorstellungen und eine breitere Unterstützung durch die Global Player der Videospielbranche. Denn auch wenn die Stimmung auf der GamesCom unverändert gut ist, erwarte ich von einer derartig gelobten Messe et- was mehr. Tut sich hier nichts, sieht die

FOTO: KOELNMESSE FOTO: Zukunft für die GamesCom – jedenfalls Ist die Luft raus bei der GamesCom? in Köln – nicht rosig aus. Am Ende wird die Entscheidung nicht von den Besu- hin zu bemerken, dass dieses Klischee Nintendo) auf ihren Besuch auf der müht sich, keine Frage, aber sie versucht Von meiner Warte aus allerdings ist cherzahlen, sondern von den Firmen mit teilweise tatsächlich nicht völlig an den GamesCom verzichtet haben. Sie schei- vor allem mit Quantität zu beeindrucken. z.B. die Situation an den Ständen der dem großen Geld getroff en werden. Haaren herbeigezogen ist. Aber das sind nen nicht das Gefühl zu haben, genug Einige der wichtigsten Firmen bleiben größeren Firmen eine Zumutung. Wie die Ausnahmen, selbst viele Frauen kann Menschen zu erreichen, um Aufwand aber eben der Messe fern. kann es sein, dass bei einer Messe, die Felix Zimmermann ist Student man in den Messehallen entdecken. Vi- und Kosten rechtfertigen zu können. So Außerdem muss klar sein, dass am off enbar ihren stärksten Fokus auf das und passionierter Computer- und deospielen, Gamen, Zocken ist salonfä- gut die Verkehrsanbindung in Köln auch Ende das Geld entscheiden wird, wie es (kurze) Anspielen bzw. Anschauen bald Videospieler. Er arbeitete im Auf- hig geworden. Betrachtet man die dies- ist – vor allem in Bezug auf die Bahn -, mit der GamesCom in Köln weitergeht. erscheinender Titel legt, Wartezeiten trag des Deutschen Kulturrates als jährige Berichterstattung in den Medien, Interkontinentalfl üge landen nunmal Hinzu kommt, dass die GamesCom die- entstehen, die selbst über fünf Stunden Blogger auf der Gamescom dann scheint das außer Frage zu stehen. nicht in Köln. Ohne Zweifel würde es ses Jahr ihr Besucherniveau mit . Das Interesse scheint jedenfalls in einer eine große Menge internationaler Gäste Besuchern halten, aber nicht verbessern breiten Masse vorhanden zu sein. – nicht gemeint sind Fachbesucher, die konnte – anders formuliert: Die Besu- 3. Sächsischer Fachtag Soziokultur Aber welchen Platz nimmt die ihres Berufes wegen sowieo teilnehmen - cherzahlen stagnierten trotz einer Er- ϮϬ:ĂŚƌĞ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌŝŶ^ĂĐŚƐĞŶ͘ GamesCom für Gamer, Entwickler und anlocken, wenn man vom Flugzeug ohne weiterung der Ausstellungsfl äche um tĞƌƐŝŶĚǁŝƌƵŶĚǁĂƌƵŵ͍ŚĂŶĐĞŶĞŝŶĞƌďƺƌŐĞƌŶĂŚĞŶ<ƵůƚƵƌĂƌďĞŝƚ͘ Interessierte ein? Wie steht es um diese größere Umwege direkt zu den Messe-  Prozent. Das enttäuscht natürlich, ist ŝŶĞ'ĞŵĞŝŶƐĐŚĂŌƐǀĞƌĂŶƐƚĂůƚƵŶŐĚĞƐ>ĂŶĚĞƐǀĞƌďĂŶĚƐ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌ^ĂĐŚƐĞŶĞ͘s͘ von nahezu allen Seiten gelobte Erfolgs- hallen gelangen könnte. aber die logische Konsequenz aus den ƵŶĚĚĞƌ<ƵůƚƵƌƐƟŌƵŶŐĚĞƐ&ƌĞŝƐƚĂĂƚĞƐ^ĂĐŚƐĞŶ͘ geschichte der Videospielmesse? Was Ebenso problematisch ist, dass es vielen Absagen wichtiger Spielefi rmen. ŵϮϵ͘EŽǀĞŵďĞƌŝŶĚĞƌ<ƵůƚƵƌĨĂďƌŝŬ>ĞŝƉnjŝŐ bietet die GamesCom uns Spielern? Was kaum nennenswerte Vorstellungen Denn am Ende ist wichtig, ob diese Mes- tut sie für uns Spieler? von Neuheiten oder Innovationen auf se von den Publishern als lukrativ genug Soziokultur DAMALS und HEUTE Kulturelle Bildung in der Soziokultur Natürlich hilft solch eine Messe, die der GamesCom gibt. Trotz ihrer »inter- eingeschätzt wird. Bringt es Nintendo sŽŵĚĞŵŽŬƌĂƟƐĐŚĞŶƵĩ ƌƵĐŚĚĞƌEĂĐŚͲ DĞŚƌǁĞƌƚŽĚĞƌDĞŚƌǁĞƌƚ͍ Akzeptanz für unser Hobby in der Ge- nationalen Strahlkraft«, davon spricht etwas, wenn die Spieler an den Ständen ǁĞŶĚĞnjĞŝƚnjƵƌďƺƌŐĞƌŶĂŚĞŶ<ƵůƚƵƌĂƌďĞŝƚ ^ćĐŚƐŝƐĐŚĞ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌŝŶĂŚůĞŶʹ ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌʹƵŬƵŶŌĚĞŶŬĞŶ sellschaft zu verstärken, sie hilft, Video- jedenfall Gerald Böse, Vorsitzender der  minütige Abschnitt ihrer Top-Titel ĞƐƚĂŶĚƐĂƵĨŶĂŚŵĞϮϬϭϮ tĂƐŬĂŶŶƵŶĚƐŽůů^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌůĞŝƐƚĞŶ͍ tĞůĐŚĞŚĂŶĐĞŶůŝĞŐĞŶŝŶĚĞƌsĞƌŬŶƺƉĨƵŶŐ spiele in den Fokus der Aufmerksamkeit Geschäftsführung Koelnmesse GmbH, sehen oder spielen? Befeuert das die Kultur und Professionalisierung ǀŽŶ<ƵůƚƵƌͲ͕ŝůĚƵŶŐƐͲƵŶĚ^ŽnjŝĂůĂƌďĞŝƚ͍ zu rücken und sie schaff t es, mit ihrer stellen Entwickler und Publisher ihre Spieleverkäufe? Wahrscheinlich kaum. ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌnjǁŝƐĐŚĞŶŐĞƐĞůůƐĐŚĂŌůŝĐŚĞŶ tĞůĐŚĞƌŐĞƐĞůůƐĐŚĂŌƐƉŽůŝƟƐĐŚĞŶ<ƵůŝƐƐĞ selbst für Videospielunerfahrene sehr Produkte einfach lieber auf der E in Los Die wirkliche Core-Gamer-Zielgruppe ƵŌƌĂŐƵŶĚDĂƌŬƚ ďĞĚĂƌĨĞƐ͕ĚŝĞƐĞŶŶƐĂƚnjǁĞŝƚĞƌnjƵĞŶƚǁŝĐŬĞůŶ͍ eindrucksvollen, ungezwungenen, fried- Angeles oder der Tokyo Game Show vor. weiß schon vorher über jedes Spiel Be- ĞƌĚĞŵŽŐƌĂĮƐĐŚĞtĂŶĚĞůĂůƐŚĂŶĐĞ sĞƌůĞŝŚƵŶŐĚĞƐ„Sächsischen Preises für ,ĞƌĂƵƐĨŽƌĚĞƌƵŶŐĞŶƵŶĚƵĨŐĂďĞŶĨƺƌĞŝŶĞ soziokulturelles Engagement“ lichen Stimmung von unserem Lieb- Auch dieses Jahr war das wieder auff ällig. scheid und informiert sich auch nach der ŐĞŵĞŝŶǁĞƐĞŶŽƌŝĞŶƟĞƌƚĞ<ƵůƚƵƌĂƌďĞŝƚ ĚĞƌ<ƵůƚƵƌƐƟŌƵŶŐĚĞƐ&ƌĞŝƐƚĂĂƚĞƐ^ĂĐŚƐĞŶ lingsmedium zu überzeugen. Zwar ist es schön, nach der GamesCom Messe weiter. So einfach lassen sich die Das war es aber auch schon. So traurig einen Anstieg von  Prozent auf  kritischen Spieler nicht von einem Kauf hŶƚĞƌĂŶĚĞƌĞŶŵŝƚ͗WƌŽĨ͘ƌ͘ůďƌĞĐŚƚ'ƂƐĐŚĞů͕WƌŽĨ͘ƌ͘ŝĞƚĞƌ,ĂƐĞůďĂĐŚ͕'ƌŝƚ,ĂŶŶĞĨŽƌƚŚ͕dŽďŝĂƐ:͘<ŶŽďůŝĐŚ͕<ƌŝƐƟŶĂsŽůŬĞ es ist: Die GamesCom schwächelt. Zum Neuvorstellung vermelden zu können, überzeugen. Einfacher ist es da schon, പപ&ĂĐŚǀŽƌƚƌćŐĞപപപപപtŽƌŬƐŚŽƉƐപപപപപŝƐƐŬƵƐŝŽŶĞŶപപപപപ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌůŝǀĞ einen scheint die Messe ein Problem mit wirkliche Kracher fehlten aber dieses an die unerfahrenen, die Casual-Gamer dĂŐƵŶŐƐƉƌŽŐƌĂŵŵƵŶƚĞƌ͗www.soziokultur-sachsen.de fehlender Internationalität zu haben. Jahr auch wieder. Denn unter diese Zahl (kleine Kinder, ältere Mitbürger), her- Das ist vor allem deswegen unerwartet, fallen z.B. auch neue Trailer zu bereits anzugehen. Und die sind nicht ausrei- ĞƐƚĂŶĚƐĂƵĨŶĂŚŵĞ^ŽnjŝŽŬƵůƚƵƌϮϬϭϮŐĞĨƂƌĚĞƌƚĚƵƌĐŚ͗ da – neben der Größe – die schlechte bekannten Spielen. Die sind natürlich chend auf der Messe vertreten. Ergo: 24 NETZKULTUR www.politikundkultur.net

Warten auf die Wissenschaftsschranke Kommt die Urheberrechts- Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) Dringender Verbesserungsbedarf be- debatte nach der Sommer- hat den . April – den Welttag des Bu- steht auch bei den Sonderregelungen ches und des Urheberrechts (!) – zum für Bibliotheken (»Bibliotheksschran- pause? Anlass genommen, um eine umfassende ken«), die sich im Hinblick auf »digi- Positionierung zu Urheberrechtsfragen tale Leseplätze« sowie im Hinblick auf FRANK SIMONRITZ zu veröff entlichen. Der dbv setzt sich die Fernleihe im Urheberrechtsgesetz dafür ein, dass insbesondere an den fi nden. § b UrhG gestattet es Biblio- ach einer langen und biswei- Hochschulen und Universitäten der Zu- theken, Bücher, die sie »analog« auch len aufreibenden Debatte über gang zu wissenschaftlichen Fachinfor- im Regal haben, zu digitalisieren und N die europäische Finanzpolitik mationen schneller und leichter mög- die Digitalisate dann ausschließlich verabschiedete sich der Bundestag am lich sein muss. In diesem Sinne schließt in den Räumlichkeiten der Biblio- . Juni um . Uhr – so vermerkt es sich der dbv der Forderung nach einer thek ihren Besuchern zugänglich zu das Protokoll – in die Sommerpause. Die »allgemeinen Wissenschaftsschranke« machen. Unklarheiten über die Aus- reguläre Sitzungsroutine beginnt erst an, die bereits im Jahr  von Seiten legung der Norm haben schnell zu wieder am . September, und damit wird des Aktionsbündnisses »Urheberrecht heftigen gerichtlichen Auseinander- es für alle Gesetzesvorhaben, die noch für Bildung und Wissenschaft« erho- setzungen geführt. Obwohl noch kein bis zum Jahresende auf den Weg ge- ben wurde. Unter dieser Wissenschafts- rechtskräftiges Urteil höchster Instanz bracht werden sollen, zeitlich ziemlich schranke sollten Einzelregelungen vorliegt, ist bereits jetzt absehbar, dass eng. Das gilt auch für die Novellierung zusammengefasst werden, die für den die ursprüngliche Idee des Gesetzge- des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) – und zeitgemäßen Zugang zu wissenschaft- bers, nämlich das wissenschaftliche insbesondere für das drohende Auslau- licher Information unabdingbar sind. Arbeiten und Lernen mit den Werken fen von § a UrhG zum ... Daneben spielen im Positionspapier zu fördern, verfehlt wird. Und dabei waren zwischen Anfang des dbv insbesondere die Forderungen Ähnlich hinderlich sind die Ein- April und Ende Juni eine ganze Reihe nach einem Zweitverwendungsrecht schränkungen, die es für digitale Kopien

von Aktivitäten zu verzeichnen. An- sowie nach einer Entfristung von § a im Rahmen des Leihverkehrs zwischen PHOTOCASE.COM / ANDREASF FOTO: gefangen hat alles mit dem Urteil des UrhG eine wichtige Rolle. Hier besteht den Bibliotheken (Fernleihe) gibt. Das Oberlandesgerichts Stuttgart gegen die ganz unmittelbarer Handlungsdruck, da enge Korsett von § a UrhG führt dazu, hebung von § k UrhG – der Norm, beiden Regierungsfraktionen darf man Fern-Universität Hagen vom . April. diese Regelung bis . Dezember  dass in der Regel zwar eine digitale in der die Befristung von § a UrhG sehr neugierig darauf sein, wie sich die Der Alfred Körner Verlag (Stuttgart) befristet ist. Durch den Gesetzgeber Kopie erzeugt wird, diese Kopie aber geregelt ist – vorsieht. Bundesregierung und das fachlich zu- hatte – mit Unterstützung des Bör- nicht an den Benutzer bzw. Besteller Auch die CDU/CSU-Bundestagsfrak- ständige Bundesministerium der Jus- senvereins des Deutschen Buchhan- übermittelt werden kann. tion hat sich mit » Leitlinien« in die tiz nach der Sommerpause zu diesen dels – dagegen geklagt, dass an der Schlechtere Informa- Noch vor der parlamentarischen Diskussion über das »Urheberrecht in Fragen äußern. Die spannende Frage Fern-Universität Hagen insgesamt  Sommerpause haben sich erneut auch der digitalen Gesellschaft« eingeklinkt. besteht vor allem darin, ob man sich Seiten eines Psychologie-Lehrbuchs tionsversorgung die Fraktionen von SPD und von CDU/ CDU und CSU sprechen sich hier für ausreichend dafür gerüstet sieht, nicht einer großen Studierendengruppe in CSU in Urheberrechtsfragen zu Wort ge- eine kurzfristige (!) Überarbeitung der nur eine erneute zeitliche Befristung digitaler Form zur Verfügung gestellt meldet. Am . Mai stellte zunächst die bestehenden Schrankenregelungen (oder aber eine dauerhafte Entfristung) wurden (elektronischer Semesterappa- ist daher dringend zu klären, dass die SPD-Fraktion ihre »Zwölf Thesen zum sowie für deren »Zusammenführung von § a UrhG auf den Weg zu bringen, rat). Dieses Urteil hat der Börsenverein Verwendung digitaler Kopien in soge- Urheberrecht« vor. Die SPD tritt unter zu einer einheitlichen Wissenschafts- sondern sich auch Fragen wie der all- zum Anlass für eine gepfeff erte Presse- nannten elektronischen Semesterap- anderem für ein »wissenschafts- und schranke« aus. Gerne hören die Biblio- gemeinen Wissenschaftsschranke, dem mitteilung genommen, in der schon in paraten der »Veranschaulichung im bildungsfreundliches Urheberrecht« ein. theken – und auch die Verlage –, dass Zweitverwendungsrecht sowie einer ge- der Überschrift die „Abschaff ung“ von § Unterricht« dient. Die entsprechende Dabei macht sie sich für ein Zweitver- CDU und CSU zugleich eine »angemes- setzlichen Regelung für vergriff ene und a UrhG gefordert wurde. Aus Sicht des Praxis hat sich an zahlreichen Hoch- wertungsrecht stark und fordert eine sene Erhöhung« der Erwerbungsetats verwaiste Werke zuwenden will. Börsenvereins hat sich der § a UrhG schulen und Universitäten sehr bewährt. Entfristung der Schrankenbestimmun- von Schulen, Universitäten und Bib- als »untaugliches, wenn nicht sogar Der ersatzlose Wegfall von § a UrhG gen. Am . Juni hat sich die SPD auch liotheken fordern. Auch das Zweitver- Frank Simon-Ritz ist Direktor der Uni- schädliches Mittel« erwiesen. würde eine drastische Verschlechterung konkret zur dauerhaften Entfristung öff entlichungsrecht fi ndet die Unter- versitätsbibliothek Weimar, Mitglied Diese Erklärung ist selbstverständ- für die Informationsversorgung in Stu- von § a UrhG positioniert und einen stützung von CDU und CSU. Angesichts im dbv-Vorstand und Sprecher der lich nicht unwidersprochen geblieben. dium, Lehre und Forschung bedeuten. Gesetzentwurf eingebracht, der die Auf- dieser Positionierung der größeren der Deutschen Literaturkonferenz Wahrnehmung und Aufmerksamkeit Aus der Sicht eines Piraten

BRUNO KRAMM immer auf die Frage der Finanzierbarkeit. aktion und das erste Auffl ammen einer stellte, entwickelte die Industrie nur Rechtssprechung längst neue Dimen- Das Bedienen von Nischen und Sub- Idee: Partizipation. zaghaft Angebote in der neuen Domäne sionen erreicht hat. ls Arno Schmidt die Grenze der kulturen war damals Aufgabe weniger Während sich die Honorierung der und verpasste dadurch eine historische Die Selektionsmechanismen, das individuellen Wahrnehmung als Enthusiasten. Wenn die Breitenwir- Urheber bereits damals im Austausch Chance. Bis heute hat man aus den frü- Vorhören, das Bewerten und der Aus- A Claim der dreitausend Bücher kung keinen Erfolg versprach, lag es an mit neuen Schrankenregelungen durch heren Verboten wenig dazu gelern. Das tausch von Kulturgütern ist wesent- absteckte, gab es zwischen dem Recht Mäzenen oder an der Kulturförderung, Pauschalabgaben wirtschaftlich regeln Verbot von Napster ließ neue illegale licher Teil kommunikativer Prozesse des Urhebers und der Rezeption seines eine subventionierte Sonderregelung ließ, war für die Kulturindustrien der kommerzielle Infrastrukturen entste- geworden. Werkes keine Konfl iktlinien. Verglichen zu fi nden. Das klassische Modell von Verlust des Monopols auf die ungeteil- hen. Die langjährige Blockierung einer Verschiedenste soziale und intellek- mit dem Malstrom der heute auf den Angebot und Nachfrage als Credo der te Aufmerksamkeit seiner Kunden ein Tarifeinigung zwischen Verwertungs- tuelle Millieus verleihen dadurch einer Konsumenten einstürzt, erscheint die Unterhaltungsindustrie fand sich in Dammbruch. Die Verfügbarkeit von gesellschaften und Verbänden bereitete kulturellen Partizipation neuen Aus- Zeit der er wie eine Oase der Stille der Informationstheorie bestätigt. Die Kopiermaschinen machte die Sonder- den Boden für heutige Monopolisten druck und sind in digitalen Netzwerken oder ein schmerzhaftes Vakuum – ganz Anzahl der Sender war begrenzt, wäh- rolle des Senders von kulturellen Gü- wie Apple Itunes. Das aktuelle Urteil zur das Äquivalent des früheren Real Lifes. nach individueller Betrachtungsweise. rend die Empfänger ohne Rückkanal als tern zunichte. Die Einführung der CDR Sperrung von Youtubevideos wird auch Die Frage nach Wahrnehmung und Auf- abwartende Konsumenten klar umrissen und der Kopierbarkeit von Medien wie hier neue abseitige Angebote schaff en. Neue Problemfelder merksamkeit ist für Urheber dagegen waren. Ihr Hunger nach Kultur zwischen Filmen in neuen Computerformaten heute häufi g noch viel wichtiger als die Kontemplation und Rausch war Selbst- verschärfte diese Problematik. Die re- Die klassische Einzelverrechnung ist in Vielfalt blindwütige Debatte um Urheberrechte verständlichkeit. striktive Antwort der Kulturindustrien einer trägerlosen Gesellschaft, die so- und Restriktion von Konsumverhalten. dokumentierte nicht nur die Kapitula- Trotz der zugespitzten Debatte um wohl den kommunikativen Tausch als tion vor dem Konsumentenverhalten Kopien und Nutzungsrechte stellt die auch den Erwerb von Werken ohne den Rückkanal und ihren Bedürfnissen, sondern auch Kulturindustrie heute längst fest, dass Eingriff in die Privatsphäre vollziehen Monopol der Aufmerksamkeit Als die Musikkassette die Märkte er- die Ignoranz neuer Urheberschichten. die neuen Angebote auch funktionie- möchte, nur bedingt erfolgreich. In den er-Jahren sollten die Kultur- oberte und mit ihr die individualisierte Auch wenn der Großteil der Konsu- ren. Zweistellige Wachstumszahlen Umso wichtiger werden Pauschal- industrien und ihre Repertoiremana- Audiobibliothek möglich wurde, eröff - menten im kreativen Rückkanal noch spiegeln den Willen des Konsumenten modelle und Förderprogramme für ger noch gut zwei Jahrzehnte hoheit- nete die Contentindustrie die hitzige längst nicht das eigene Potenzial ent- wieder, kulturelle Schöpfungen in den die Vielzahl der mittleren und kleinen lich über die Vermarktung von Kultur Debatte um Piraterie und Raubkopie. deckt hatte, so stieg jedoch die Zahl neuen Formaten zu honorieren. Frei Urheber. Die Verteilungsgerechtigkeit wachen dürfen, denn Künstlerakquise, Wenn ich heute an die unzähligen mu- jener Kreativen, die aus der Isolation portierbare Angebote haben sich ge- von Pauschalabgaben der Verwertungs- Herstellung und Vertrieb wurden ebenso sikalischen Grußbotschaften denke, die heraustreten konnten und die neu ent- genüber den physischen Trägern von gesellschaften hat sich jedoch noch dominiert wie die Aufmerksamkeit des ich so wie viele hunderttausend andere deckten Medien für die eigenen Inhalte Werken durchgesetzt und entsprechen nicht auf die neue Diversifi zierung der Publikums. Der kulturelle Spitzenmarkt Teenager für die ersten Liebeleien oder nutzten. dem Nutzungsverhalten der heutigen Kulturschaff enden eingestellt. Ihre Un- wurde dosiert befeuert, während am un- Freundschaftsbekundungen auf Kas- Gleichzeitig wuchs der Aufmerksam- Konsumenten, die diese Medien längst terscheidung von professionellen und teren Ende der Großteil der bereits ver- sette kompiliert hatte, wird mir warm keitsökonomie mit dem anwachsenden zum Teil ihrer Netzkommunikation ge- nebenerwerblichen Urhebern produziert markteten Produkte seinem Ausverkauf ums Herz. So erfüllte diese Werkschau Strom kultureller Schöpfungen mehr macht haben. Die Populariät der Social ungerechte Verteilungsstrukturen, wäh- entgegen glühte um wieder Platz für in ihrer emotionalen Dimension nicht Bedeutung zu. Während die Entwick- Networks und anderen Infrastrukturen rend die Not dieser Urheber häufi g für Neues zu schaff en. Die Begriff e Informa- nur die Kriterien einer Gefühlskollage lung der Computertechnologie und drückt dieses Bedürfnis nach Teilen von eigene Zwecke instrumentalisiert wird. tionsgesellschaft und Wahrnehmungs- oder auch manchmal einer Anthologie. der Infrastrukturnetzwerke dieser gi- Vorlieben und persönlichen Interessen ökonomie hatten nur theoretische Be- Sie war eine kulturelle Revolution, denn gantischen Medienverfügbarkeit neue mit dem eigenen digitalen Freundes- Bruno Kramm ist Beauftragter für Urhe- deutung. Kulturelle Vielfalt stieß dabei sie öff nete einen Rückkanal zur Inter- Selektionsmechanismen gegenüber kreis aus, der entgegen der gängigen berrecht der Piratenpartei Deutschland Politik & Kultur | Nr.  /  | September — Oktober  WISSENSWERTES 25

Tragende Säule der Künstlersozialversicherung

Die Künstlersozialabgabe Die beauftragten Künstler oder Publi- rasch sinken: von , Prozent im Jahr die Künstlersozialkasse sind deren verbleibende Abgabebedarf in Höhe von – Abgabesatz steigt  zisten sind hier nicht Beschäftigte des  über , Prozent in  auf , gemeldete Einkommen in den ver- rund  Millionen Euro ins Verhältnis Unternehmens, für das sie arbeiten, Prozent in , , Prozent in . gangenen Jahren deutlich gestiegen. zu der geschätzten Honorarsumme in leicht an sondern selbstständig tätig. Weil Künst- Seit  konnte der Abgabesatz stabil Für  und  wird ein Anstieg Höhe von rund , Milliarden Euro ge- ler und Publizisten aber typischerweise bei , Prozent gehalten werden. der Arbeitseinkommen um durch- stellt und auf eine Nachkommastelle RAINER FUCHS in einer arbeitnehmerähnlichen Abhän- schnittlich je rund , Prozent (alte gerundet wird. Auf diese Weise errech- gigkeit von ihren Auftraggebern ste- Länder) bzw. , Prozent (neue Län- net sich ein Abgabesatz für  von Warum steigt der Abgabesatz im nsere Künstlersozialversi- hen, sollen sie auch wie Arbeitnehmer der) unterstellt. , Prozent. nächsten Jahr auf , Prozent? cherung ist in Europa ein- geschützt sein. Selbstständige Künst- • Entwicklung der Zahl der Versicherten: zigartig. Viele Staaten be- ler und Publizisten zahlen daher den Der Entwurf der Künstlersozialabgabe- Höhere Versichertenzahlen führen Was bedeutet dies für die Zukunft? U neiden uns zu Recht um die- »Arbeitnehmeranteil« auf ihr Einkom- Verordnung  wurde im August  gleichfalls zu einem höheren Ab- ses erfolgreiche System, das wir seit den men; die Auftraggeber zahlen mit der vom Bundesministerium für Arbeit und gabesatz. Denn dadurch steigt das Um auch künftig einen niedrigen Bei- er-Jahren des letzten Jahrhunderts Künstlersozialabgabe einen »Arbeit- Soziales an die beteiligten Verbände Gesamtvolumen des erforderlichen tragssatz zu sichern, wird es darauf an- besitzen. Über . selbstständige geberanteil« auf das gezahlte Honorar. und Länder versandt. Nach den Regie- Beitragsaufkommens und damit kommen, lückenlos alle Unternehmen, Künstler und Publizisten verdanken der Allerdings – und das sollten gerade die rungsberechnungen muss danach die auch der Anteil, den die Verwerter die künstlerische oder publizistische Künstlersozialversicherung ihre sozi- Unternehmen im Presse- und Kultur- Künstlersozialabgabe ab Januar  in Form der Umlage zahlen. Für Leistungen in Anspruch nehmen, auch ale Absicherung gegen die Risiken bei bereich bedenken – liegt dieser Beitrag von , Prozent auf , Prozent leicht  und  wird eine Zunahme tatsächlich zur Künstlersozialabgabe Krankheit, Pfl egebedürftigkeit und im weit niedriger, als der gewöhnliche Ar- ansteigen. der Versicherten um je , Prozent heranzuziehen. Allerdings glauben Alter. Eine tragende Säule der Künstler- beitgeberanteil bei der Beschäftigung Trotz steigender Versichertenzahlen mit rund plus . pro Jahr unter- immer noch viele Unternehmen, nicht sozialversicherung ist die Künstlersozi- von Mitarbeitern. sowie wachsender Arbeitseinkommen stellt. Diese Annahme orientiert sich oder nicht vollständig melden zu müs- alabgabe. Sie steigt  leicht auf , in der Künstlersozialkasse konnte der an der durchschnittlichen Entwick- sen. Nur so ist es zu erklären, dass die Prozent an: Anlass zur Klärung von Hin- Abgabesatz mit einem geringfügigen lung der Jahre  bis . Ende gemeldeten Honorarsummen nicht Wie hat sich die Künstlersozialab- tergründen und Zukunftsperspektiven. Anstieg von , Prozentpunkten auf ei-  werden voraussichtlich rund mindestens im gleichen Takt wie die gabe entwickelt? nem niedrigen Niveau gehalten werden. . Künstler und Publizisten Versicherteneinkommen steigen. Auch Der Abgabesatz zur Künstlersozialver- Insbesondere vor dem schwierigen wirt- in der Künstlersozialversicherung bilden die aktuell gemeldeten Honora- Was ist die Künstlersozialabgabe? sicherung hat eine recht wechselvolle schaftlichen Umfeld ist das ein gutes versichert sein. re nicht den inzwischen wieder guten Die Künstler allein könnten den kom- Geschichte; seit dem Jahr  wird Ergebnis. • Entwicklung der Honorare der Ver- Wirtschaftsverlauf ab, der die Kultur- pletten Sozialversicherungsbeitrag er für alle Sparten einheitlich fest- Um die Notwendigkeit der Anhebung werter: Je höher die der Künstlerso- und Medienszene, aber auch die Wer- nicht aufbringen. Dazu sind die Ho- gesetzt. Er unterliegt beträchtlichen und mögliche Konsequenzen für die zialkasse gemeldeten Honorare sind, bewirtschaft positiv beeinfl usst. norare – leider – in aller Regel auch Schwankungen. Als der Abgabesatz die zukünftige Entwicklung besser zu ver- auf die Abgabe gezahlt wird, desto viel zu niedrig. Deshalb werden die -prozentige Marke zu erreichen drohte, stehen, ist es hilfreich, wenn wir einen niedriger kann tendenziell der Ab- Verweigerung bei der Künstlersozi- Auftraggeber – die sogenannten Ver- wurden wirksame gesetzliche Gegen- Blick auf die Grundlagen der Berech- gabesatz sein. Denn insgesamt muss alabgabe ist unsozial! werter – in Form der Künstlersozialab- maßnahmen ergriff en: Dem Anstieg nung des Abgabesatzes werfen: nur der »Arbeitgeberanteil« von  gabe am Sozialbeitrag für Künstler und der Versichertenzahlen wurde auf der Der Abgabesatz für  hängt von den Prozent am Beitragsaufkommen Unternehmen, die sich um die Künst- Publizisten zu  Prozent beteiligt.  einen Seite durch schärfere Kontrol- folgenden »Stellschrauben« ab: hereinkommen; entsprechend wird lersozialabgabe drücken oder diese aus Prozent des Sozialbeitrages – immerhin len begegnet. Andererseits wurde die der Abgabesatz festgelegt. Deshalb Unachtsamkeit nicht zahlen, handeln über  Millionen Euro für das Jahr Deutsche Rentenversicherung damit • Entwicklung der Einkommen der Ver- kommt es darauf an, alle Abgabe- unsozial, und zwar gleich doppelt: Sie  – zahlt der Bund. Die andere Hälfte betraut, alle Unternehmen im Rahmen sicherten: Höhere Einkommen der pfl ichtigen richtig zu erfassen. Hier verhindern nicht nur die soziale Absi- des Sozialbeitrags zahlen die Künstler der regulären Arbeitgeberprüfungen Künstler und Publizisten bedeuten kommt den  einsetzenden cherung selbstständiger Künstler, son- und Publizisten. Zusammen reichen so auch auf die Künstlersozialabgabe hin einen höheren Abgabesatz, weil der Prüfungen der abgabepfl ichtigen dern sie bürden die Mehrkosten auch das Aufkommen aus der Künstlersozi- zu prüfen. Diese Prüfungen waren au- zugehörige höhere Arbeitgeberanteil Unternehmen durch die Träger der noch denjenigen auf, die ehrlich und alabgabe, der Bundeszuschuss und die ßerordentlich erfolgreich. Bis heute über die Künstlersozialabgabe aufge- Deutschen Rentenversicherung gro- solidarisch ihre Abgabe leisten. Denn Beitragsanteile der Versicherten aus, konnten rund  Millionen Euro an bracht werden muss. Nicht zuletzt ße Bedeutung zu. Allein im Jahr  der Abgabesatz erhöht sich automa- um den Bedarf der Künstlersozialkasse Künstlersozialabgabe zusätzlich erho- wegen der besseren Überprüfung wurde auf rund , Milliarden Euro tisch, je weniger Abgabe von jedem zu decken. ben werden. So konnte der Abgabesatz der Versicherteneinkommen durch Honorare der Abgabesatz von , Einzelnen gezahlt wird. Prozent an die Künstlersozialkasse Daher der Appell an alle Unterneh- gezahlt. Leider ist aus verschiede- men, Honorare und entsprechende nen Gründen hier eine rückläufi ge Entgelte an selbstständige Künstler Entwicklung zu verzeichnen, so dass und Publizisten der Künstlersozial- Blätterrauschen: Musikforum für die Jahre  bis  lediglich kasse zu melden. Dieser Appell richtet von einer moderaten jährlichen sich zunächst an die Unternehmen, die Im Musikforum, der Zeitschrift des Stellung zum Thema »Digitalisierung Name Steigerung von  Prozent ausge- Aufträge für Werbung und Öff entlich- Deutschen Musikrates, dreht sich und Geistiges Eigentum«. Weitere gangen werden kann. Unter diesen keitsarbeit erteilen. Inzwischen sollte alles ums Musikleben. In Beiträgen, Themenschwerpunkte reichen von Musikforum Annahmen wird für das Jahr  jeder Betrieb wissen, dass Künstlerso- Kommentaren, Interviews und Pro & der »Überförderung« von Kindern über eine Honorarsumme in Höhe von zialabgabe im PR-Bereich typischer- Contras werden Trends der Musikkul- das »Wegsterben« des Konzertpubli- Herausgeber , Milliarden Euro erwartet. weise anfallen kann. Aber auch echte tur, Musikpolitik und Musikwirtschaft kums bis hin zum Zusammenhang von • Entwicklung der Sozialbeiträge: Nied- Verwerter – vom Konzertveranstalter kritisch beleuchtet. »Musik und Gewalt«. Die Autoren der Deutscher Musikrat, Gemeinnützige rigere Beitragssätze entlasten den bis zur Musikschule, vom Verlag bis Jedes Heft der vierteljährlich er- aktuellen Ausgabe des Musikforums Projektgesellschaft mbH Abgabesatz, weil dann weniger zum Theater, vom Radio bis zu Film scheinenden Zeitschrift rückt ein mit dem Schwerpunkt »Kulturland In Zusammenarbeit mit Schott Music »Arbeitnehmeranteil« und weniger und Fernsehen – sind angesprochen. Thema aus der Musiklandschaft in Deutschland – Reißen wir unsere Wur- »Arbeitgeberanteil« aufzubringen Sie sägen an dem Ast, auf dem sie selbst den Fokus. So wird beispielsweise im zeln heraus?« beleuchten die Verände- Chefredaktion ist. Für  werden die derzeit gel- sitzen, wenn sie Künstlersozialabgabe Schwerpunktheft »Digitales Paradies« rung des Stellenwertes von Kultur in tenden Beitragssätze in der Renten-, hinterziehen. Um unsere Kultur- und der Frage nachgegangen, ob – ganz unserer Gesellschaft. Die kommende Christian Höppner Kranken- und Pfl egeversicherung Medienlandschaft wäre es schlecht be- in beuysschem Sinne – jeder Mensch Ausgabe behandelt den Schutz des zugrunde gelegt; für  wird ab- stellt, wenn der Alltag der Künstler und ein Künstler ist. Hierzu ist u.a. ein Urhebers. Erscheinen weichend für die Rentenversicherung Publizisten wegen fehlender sozialer Pro & Contra zu lesen, und Mitglie- Die Rubrik »Europa« wirft in In- ein Beitragssatz von , Prozent und Sicherheit von Unsicherheit geprägt der der verschiedenen Fraktionen terviews, Berichten und Porträts Vierteljährlich: Januar, April, Juli, für die Pfl egeversicherung von , wäre. Für diese Absicherung steht die der Enquete-Kommission »Internet einen Blick auf die Musiklandschaft Oktober Prozent unterstellt. Künstlersozialversicherung. und Digitale Gesellschaft« nehmen und -politik außerhalb Deutschlands. Die Träger der Deutschen Renten- Des Weiteren werden im Musikforum Aufl age versicherung haben daher bereits an- Wie wird daraus der Abgabesatz neue Forschungsansätze präsentiert, gekündigt, im Rahmen von Betriebs- für  errechnet? Musiker porträtiert, Institutionen . prüfungen bei Unternehmen verstärkt des Musiklebens vorgestellt und die Zur Berechnung des Abgabebedarfs auf die Künstlersozialabgabe zu achten. neuesten Tonträger und Bücher be- Inhalt werden von den erwarteten Ausgaben Ziel ist eine gerechte Lastenverteilung sprochen. der Künstlersozialkasse für die Ren- zwischen den Unternehmen. Wer nicht Die Zeitschrift erscheint bereits seit Musikkultur, Musikpolitik und Mu- ten-, Kranken- und Pfl egeversicherung zahlt, riskiert hohe Bußgelder bis zu , damals noch zweimal jährlich sikwirtschaft ( in Höhe von rund  Millionen . Euro. Außerdem ist die Künst- und unter anderem Namen. Seit  Euro) die erwarteten Beitragseinnah- lersozialabgabe auch für die Vergan- ist sie als Musikforum erhältlich und Zielgruppe men der Versicherten im Jahr  in genheit nachzuzahlen. seit  erscheint sie auch viermal Höhe von voraussichtlich rund  Mil- Nähere Informationen und Melde- jährlich. Das Musikforum richtet sich Entscheider und Akteure in Kultur, lionen Euro sowie der Bundeszuschuss formulare können auf der Internet- an die Mitglieder des Deutschen Mu- Politik, Wirtschaft und den Kirchen, für  in Höhe von voraussichtlich Seite der Künstlersozialkasse (www. sikrates, an Entscheider und Akteure Mitglieder des Deutschen Musikrates rund  Millionen Euro abgezogen. Für kuenstlersozialkasse.de) abgerufen in Kultur, Politik, Wirtschaft und den und alle musikinteressierten Leser das Jahr  ist damit die Diff erenz werden. Auch die Broschüre des Bun- Kirchen, aber auch an alle musikinte- in Höhe von rund  Millionen Euro desministeriums für Arbeit und Soziales ressierten Leser. Titelthemen der letzten Ausgaben von den Abgabepfl ichtigen in Form »Künstlersozialversicherung «, die Zu beziehen ist das Musikforum der Umlage als Künstlersozialabgabe im Internet abgerufen (www.bmas.de) im Abonnement und im Internet als Kulturland Deutschland - Reißen wir aufzubringen. Für  konnten dabei oder über die Pressestelle des Minis- e-paper und an ausgewählten Kiosken. unsere Wurzeln heraus?; Musik und noch Überschüsse aus den Vorjahren teriums bezogen werden kann, enthält Gewalt – Gratwanderung zwischen in Höhe von rund  Millionen Euro wichtige Fragen und Antworten für ab- Weitere Infos unter: www.musik-forum- Kunst und Manipulation; Digitales berücksichtigt werden, die von den gabepfl ichtige Unternehmen. online.de Paradies – Jeder Mensch ein Künst- rund  Millionen Euro in Abzug zu ler?; Schwindsucht im Parkett – Die bringen sind. Rainer Fuchs ist Leiter des Referates Andrea Wenger ist Projektassistentin Zeit läuft; Burnout im Mutterleib – Der Prozentsatz der Künstlersozial- Künstlersozialversicherung im Bundes- des Deutschen Kulturrates Überfordern wir unsere Kinder? abgabe wird nun ermittelt, indem der ministerium für Arbeit und Soziales 26 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

KURZNACHRICHTEN

Öff entliches Expertengespräch verständiger des Beirats der Unter- Als Sachverständige wurde Gabriele haltungssoftware Selbstkontrolle), Schulz, stellvertretende Geschäfts- Michael Moorstedt (freier Journa- führerin des Deutschen Kulturrates, list, unter anderem Wired, Süd- am . Juni  vom Ausschuss deutsche Zeitung), Dr. Maximilian Kultur und Medien des Deutschen Schenk (BIU e.V.), Kathrin Spoerr Bundestages angehört. Bei dem (Redakteurin Welt Online) und öff entlichen Expertengespräch zur Alexander Vogt (Medienpolitischer sozialen Lage von Künstlerinnen Sprecher der SPD im Landtag NRW). und Journalistinnen waren eben- Moderation: Uke Bosse (Play!). falls Monika Heinzelmann (Künst- lersozialkasse), Annemarie Helmer- Politik &Kultur-Journalisten- Heichele (Bundesverband Bildender preis Künstlerinnen und Künstler e.V.), Die Jury des Politik & Kultur-Jour- Ursula Kraus-Weber (Bundesagen- nalistenpreises hat sich entschie- tur für Arbeit) und Regine Sakowsky den: In zwei Kategorien werden in (Deutscher Journalisten-Verband diesem Jahr drei Journalistenpreise e.V.) geladen. Eine Zusammenfas- für die allgemeinverständliche Ver- sung der Ergebnisse fi nden Sie un- mittlung kulturpolitischer Themen ter: www.bundestag.de/dokumente/ in den Medien verliehen. Folgende textarchiv//_kw_pa_ Journalistinnen und Journalisten kultur/index.html. werden mit dem P&K-Journalisten- preis  ausgezeichnet: Christian Kulturpolitische Rückschau Eger, Mitteldeutsche Zeitung, für Der Jahresbericht  des Deut- die kontinuierliche journalistische schen Kulturrates kann ab sofort Begleitung und Aufbereitung der online abgerufen werden unter: Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt; www.kulturrat.de/dokumente/dkr- Fredy Gareis und Christian Salew- jahresbericht-.pdf ski für die Reportage „Ein Picasso für Palästina“, erschienen im Wahlversprechen-Check ZEIT-Dossier, als gut recherchierte, Der Deutsche Kulturrat hatte wie zu spannend geschriebene und ein den Bundestagswahlen , , breites Themenspektrum erfassen-  und  auch zur Bundes- de kulturpolitische Reportage sowie tagswahl  die im Deutschen Gerhard Schick und Birgit Schulz Bundestag vertretenen Parteien für die Reportage „Halbmond über Fragen zu ihren kulturpolitischen Köln“, ausgestrahlt von WDR/ARTE, Vorhaben und Planungen für die für die ausgewogene Darstellung Legislaturperiode  bis  der unterschiedlichen Positionen gestellt. Die Antworten der drei in der Debatte zum Moscheebau in Parteien CDU, CSU und FDP, die Köln Ehrenfeld. Die Preisverleihung die Regierung stellen, wurden jetzt, fi ndet am . September statt. ein Jahr vor der nächsten Bundes- tagswahl, aus der Schublade geholt, Kulturgroschen  um zu überprüfen, ob die damals Ernst Elitz wird am . September gemachten Wahlversprechen einge-  mit dem Kulturgroschen des halten wurden und welche Verspre- Deutschen Kulturrates ausge- chen noch auf ihre Erfüllung in den zeichnet. Der Deutsche Kulturrat noch verbleibenden zwölf Monaten würdigt damit seine Leistungen warten. CDU und CSU hatten bei der beim Aufbau und der Etablie- Beantwortung der Fragen des Deut- rung von Deutschlandradio. Elitz schen Kulturrates eine gemeinsame hat nach der Wiedervereinigung Antwort vorgelegt. Der Wahlver- unterschiedliche Sender aus Ost sprechen-Check ist zu fi nden unter: und West zum Deutschlandradio www.kulturrat.de/wahlversprechen zusammengeführt und einen nati- onalen Hörfunk etabliert, der bei- Kulturgut Computerspiel spielgebend für den Informations-, Breits vor Jahren postulierte der Bildungs-, Unterhaltungs- und Deutsche Kulturrat, dass Compu- Kulturauftrag des öff entlich-recht- terspiele Bestandteil der Kultur lichen Rundfunks ist. Deutschland- seien. Dieses Kulturverständnis ist funk und Deutschlandradio Kultur seitdem common sense. Als Diskus- sind gebührenfi nanziert und wer- sionspartner und Impulsgeber war befrei. Mit DRadio Wissen wird das der Deutsche Kulturrat auf in die- Internet in beispielgebender Weise sem Jahr durch seinen Geschäfts- als Verbreitungsweg für ein an- führer Olaf Zimmermann auf der spruchsvolles Programm genutzt, gamescom vertreten. Zimmermann das sich an ein junges Publikum war Gast bei der Podiumsdiskussion wendet. Die Laudatio auf Elitz wird zum Thema „Ob Shooter oder Soci- Kulturstaatsminister Bernd Neu- al Game: Videospiele sind Kultur- mann halten. In diesem Jahr feiert gut!“. Mit ihm auf dem Podium: Dr. der Kulturgroschen sein -jähri-

Murad Erdemir (juristischer Sach- ges Jubiläum. WOESSNER FREIMUT KARIKATUR:

IMPRESSUM

Politik & Kultur – REDAKTIONSASSISTENZ LAYOUT UND SATZ können unter www.politikundkultur.net freuen uns über jeden Hinweis und werden Zeitung des Deutschen Kulturrates Tatjana Gridnev, Carolin Ries Petra Pfaff enheuser auch als PDF geladen werden. Ebenso kann nicht aufgeführte Bildautoren in der jeweils c/o Deutscher Kulturrat e.V. der Newsletter des Deutschen Kulturrates nächsten Ausgabe nennen. Sollte in Beiträ- Chausseestraße ,  Berlin ANZEIGENREDAKTION Politik & Kultur erscheint  mal im Jahr. (– mal pro Woche) unter www.kulturrat.de gen auf das generische Femininum verzichtet Telefon:  .     Martina Wagner abonniert werden. worden sein, geschah dies aus Gründen der Fax:  .     Telefon:  .    ABONNEMENT besseren Lesbarkeit. Selbstverständlich sind www.politikundkultur.net Fax:  .     Euro pro Jahr (inkl. Zustellung im Inland) HAFTUNG immer weibliche als auch männliche Grup- [email protected] [email protected] Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte penangehörige einbezogen. BESTELLMÖGLICHKEIT und Fotos übernehmen wir keine Haftung. HERAUSGEBER VERLAG Politik & Kultur Alle veröff entlichten Beiträge sind urheber- FÖRDERUNG Olaf Zimmermann und Theo Geißler ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Chausseestraße ,  Berlin rechtlich geschützt. Namentlich gekenn- Gefördert aus Mitteln des Beauftragten www.conbrio.de Telefon:  .     zeichnete Beiträge geben nicht unbedingt der Bundesregierung für Kultur und REDAKTION Fax:  .     die Meinung des Deutschen Kulturrates Medien auf Beschluss des Deutschen Olaf Zimmermann (Chefredakteur v.i.S.d.P), DRUCK [email protected] wieder. Bundestages. Gabriele Schulz (Stv. Chefredakteurin), Freiburger Druck GmbH & Co. KG Stefanie Ernst (Chefi n vom Dienst), www.freiburger-druck.de VERKAUFSSTELLEN HINWEISE HINWEIS Andrea Wenger, Politik & Kultur ist im Abonnement, in Politik & Kultur bemüht sich intensiv um die Bitte beachten Sie auch die Plakataktion »Ja Barbara Haack, GESTALTUNGSKONZEPT Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken Nennung der Bildautoren. Nicht immer ge- zum Urheberrecht« der Autorenvereinigung Andreas Kolb Ilja Wanka und S Design sowie an Flughäfen erhältlich. Alle Ausgaben lingt es uns, diese ausfi ndig zu machen. Wir »Das Syndikat« in dieser Ausgabe. Islam Kultur Politik BEILAGE ZUR POLITIK UND KULTUR

September – Oktober 2012 www.kulturrat.de ISSN 2191-5792 · B 58 662 Die Moschee als Aufgabe der Stadtplanung Zwischen Hinterhof und Boulevard, Zentrum und Stadtrand / Von Reinhold Zemke In Deutschland ist seit den 1990er-Jahren eine verstärkte Nachfrage nach Standor- ten für Moscheen zu konstatieren, die bis dato in der Hauptsache in umgenutzten Fa- briketagen oder Wohnungen »unsichtbar« untergebracht waren.

ie Trendwende und der Beginn dieses neu- D en Booms werden durch den Bau der Fatih- Moschee in Pforzheim markiert, die nach lan- gen Debatten 1992 eröffnet wurde und am 26. September 2012 ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Die Standortsuche beginnt im Jahr 1988 und wird schließlich durch einen Grundstückstausch zwischen Moscheeverein und Stadt vollzogen. Die in das Gewerbe- und Industriegebiet der Stadt eingebettete Lage an einer Hauptverkehrsstraße bietet aus der Sicht der Stadt gute Parkmöglich- keiten, die an den Standorten der Vergangenheit oftmals Anlass für massive Beschwerden der Anwohner gewesen waren. Die Nutzungsvielfalt von Moscheen ist groß und korrespondiert mit der historischen Bedeutung von islamischen Gebetshäusern als weltliches und religiöses Zentrum einer islamischen Ge- meinde. Über Räume zum Beten hinaus ist die Kombination mit weiteren, assoziierten Nutzun- gen der Regelfall, die von Wohn- und Mehr- zweckräumen (vor allem für Versammlungen und Fortbildungen) über Einzelhandels- und Gas- tronomienutzungen (z.B. Läden für Betbedarf, Teestuben) bis hin zu Bibliotheken und Räumen für die Kinder- und Jugendfreizeit reichen. Wenn – planerisch begründete – Nutzungskonflikte auftreten, stehen verkehrsinduzierte Lärmim- missionen und nicht ausreichend vorhandene PKW-Stellplätze eindeutig im Vordergrund. Diese treten zumeist bereits während der Planungs- und Bauphase und nicht erst beim Betrieb der fertig gestellten Moschee auf. Duisburg-Marxloh, Merkez Moschee. Freitag, 10. Juli 2009. Foto: Wilfried Dechau Das Spektrum vormals anders und zu Moscheen umgenutzer Gebäude ist vielfältig und unter- in Mannheim. Beide füllen Baulücken im Sinne Baugesetzbuch sind – wie das Grundgesetz auch Merkmalen: Zusammenführung unterschied- streicht, wie wenig gebäudespezifisch die An- einer Stadtreparatur aus, knüpfen an die Bau- – weltanschaulich neutral auszulegen. licher Betrachtungsräume (Region, Stadt, Stadt- forderungen einer Moschee sind. Bekannt sind fluchten und -höhen der benachbarten Gebäude Ein städtebaurechtlich nicht zu beanstandender teil) und -ebenen (baulich-räumliche, wirtschaft- neben Wohnungen z.B. ehemalige Kindergärten, an und nehmen damit erkennbar Bezug auf die Standort ist bei all dem jedoch nicht gleichzu- liche, umweltrelevante, soziale, kulturelle, image- Bahnhöfe, Hotels und Gaststätten, Kinos und Dis- sie umgebende – europäische Stadt. setzen mit einer städtebaulich und stadtent- prägende Aspekte) sowie ressortübergreifende kotheken, Hallen aller Art und – eine Bankfiliale. In den rund 11.000 deutschen Gemeinden sind wicklungsplanerisch optimierten Konzeption, Zusammenarbeit und Zusammenführung aller Freistehende Moscheeneubauten werden in derzeit ca. 2.600 Gebetsräume und rund 200 für deren Entwicklung keine Patentrezepte relevanten Akteure über Politik und Verwaltung Deutschland eindeutig vom Typus der türkisch- sichtbare neue Moscheen bekannt. Ca. 120 sol- existieren. Empfohlen wird die schwierige Suche hinaus – Bürger, Vereine, Unternehmen –, ist das osmanischen Kuppelmoschee geprägt, die wie len im Bau sein. Niemand führt hierüber genau nach einem innovativen Entwurf, der gleicher- Instrument der integrierten Stadtentwicklungs- ein märchenhaftes Gebilde aus 1001 Nacht in Buch. Städtebaulich prägend wirken die Neu- maßen zukunftweisend für die Muslime in ihrer planung prädestiniert, für die Kommunikation verschiedenen städtebaulichen und nutzungs- bauten regelmäßig nicht durch ihre Anzahl oder neuen Heimat wie auch für die nichtmuslimische von Moscheebauvorhaben zu sorgen und Mi- strukturellen Umfeldern anzutreffen ist und je ihre, im Vergleich zu christlichen Kirchen eher Mehrheitsbevölkerung ist: eine Synthese aus tra- granten stärker als bisher in Aushandlungs- und nach Lage, Größe und Nutzungsmischung sehr geringe Baumasse, sondern hauptsächlich durch ditionell islamischer und moderner Architektur, Abstimmungsprozesse im Stadtteil zu integrieren. verschiedene Anforderungen an die planerische ihre orientalischen Stilelemente – Kuppel und die städtebaulich eindeutig auch Bezug auf ihr Planungskultur und Verfahren sollten nach den Konfliktbewältigung formulieren kann. Minarett. Diese Stilelemente zeichnen auch für Umfeld nimmt. Ein „sich öffnendes“ Gebäude bisherigen Erfahrungen offensiv mit den Anlie- Städtebaulich integriertere Lösungen im Zen- den Laien eindeutig das »islamischste« Gebäude entspricht auch dem Anspruch vieler Moschee- gen der muslimischen Bevölkerung umgehen, trum großer Städte sind eher die Ausnahme. überhaupt aus und sind zusammen mit dem Ruf vereine. Vermieden werden sollte „Beliebigkeit“, Standortalternativen ggf. auch kontrovers disku- Beispielhaft genannt seien hier die Omar-Ibn- des Muezzin und klappenden Autotüren in den z.B. durch Verwendung vielleicht „moderner“, mit tieren sowie christliche Kirchen und Medien früh- Al-Khattab-Moschee an einer exponierten Ecke frühen Morgenstunden die Reizthemen, die in dem Gebäudetyp aber nicht verbindbarer Stilele- zeitig in den Informationsaustausch einbeziehen. am Görlitzer Bahnhof in Berlin-Kreuzberg und der Planungsphase im Stadtteil erörtert werden. mente und die weitere Nutzungsintensivierung in Die Moschee selbst kann dabei die sozialräum- die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee am Luisenring Die juristische Debatte um den Ruf des Mu- den Blockinnen- und Hofbereichen, die vor allem liche Plattform werden, die für den Austausch ezzin wurde vor allem Ende der 1990er-Jahre in den stadtzentraleren Lagen der Großstädte der Kulturen benötigt wird und ihn sichtbar und geführt und blieb in ihrem Umfang genauso vielfach die einzigen Orte der Ruhe sind. transparent machen. Auch die baulich-räumliche überschaubar, wie die Entscheidungen deutscher Im Hinblick auf eine verbesserte städtebauli- Struktur und die Ausstattung der neuen Mo- Zu den Bildern Verwaltungsgerichte, die vor allem Fragen der che und gesellschaftliche Integration von Mo- scheen mit Tagungs- und Veranstaltungsräumen Zumutbarkeit zusätzlicher Verkehrsbelastungen scheen erscheinen insbesondere Standorte in prädestinieren sie für diese Aufgabe. Besteht sowie Fragen nach dem zulässigen städtebau- Gewerbegebieten an der Peripherie – in denen die Moschee als Gebäude dann auch noch aus Die Bilder des Dossiers stammen von dem lichen Maßstab von Moscheen im Kontext ihrer auch christliche Kirchen üblicherweise nicht der hier empfohlenen städtebaulichen Synthe- Fotografen Wilfried Dechau. Sie sind ein ein- Umgebung zu beurteilen hatten. errichtet werden – völlig ungeeignet. Fehlende se aus erkennbar islamischer Architektur und drückliches Beispiel für den Umgang mit und Rechtsstaatliche Säkularität und grundgesetzlich Wohnnachbarn und ausreichende Erschließung erkennbarer Auseinandersetzung mit dem Ort, den Stellenwert von Moscheen in Deutschland. garantierte Religionsfreiheit, zu der unzweifelhaft machten gerade diese Orte in der Vergangenheit der europäischen Stadt, an dem sie realisiert Die Aufnahmen der folgenden Seiten zeigen auch der Bau der für die Ausübung der jeweiligen jedoch besonders attraktiv für den Neubau von wird, dann erleichtert sie der (nicht islamischen) sowohl die Außen- wie auch die Innensicht Religion erforderlichen Gebäude gehört, sind in Moscheen. Mehrheitsgesellschaft tendenziell die Akzeptanz muslimischer Gotteshäuser hierzulande. Die diesem Zusammenhang hohe Rechtsgüter, deren Die Standortplanung für Moscheen sollte als Ort des kulturellen Austausches. Zu fragen Ausstellung „Moscheen in Deutschland“, bei Übersetzung auf die Ebene und in die Sprache konzeptionell verstärkt in die integrierte Stadt- ist dabei jedoch, ob die neuen Moscheen mit der diese und weitere Bilder gezeigt werden, des Städtebaurechtes den Verwaltungsgerichten entwicklungsplanung einer Stadt bzw. eines diesem indirekten „Integrationsauftrag“ nicht wurde bis Ende August im Goethe-Institut deutlich weniger Schwierigkeiten macht als man- Stadtteils eingebettet werden, die als Koor- auch überfordert sein können. Freiburg gezeigt. chen Städten und Gemeinden, die hier teilweise dinierungsinstrument nicht erst seit 2007, als sozio-kulturelle oder symbolische Konflikte „mit- die für das Bauwesen zuständigen Minister der REINHOLD ZEMKE LEHRT AN DER FAKULTÄT Weitere Informationen unter www.wilfried- verhandeln“ wollen. Bei der bauplanungsrechtli- Europäischen Gemeinschaft sich in Leipzig auf FÜR ARCHITEKTUR UND STADTPLANUNG dechau.de chen Beurteilung der Zulässigkeit von Vorhaben die Eckpfeiler der europäischen Stadtentwick- DER FACHHOCHSCHULE ERFURT UND IST ist jedoch allein auf städtebauliche Gesichts- lungspolitik verständigten (BMVBS 2007), stetig GESELLSCHAFTER DER CONTEXTPLAN GMBH punkte zu achten. Baunutzungsverordnung und an Bedeutung gewonnen hat. Mit ihren zentralen IN BERLIN Islam · Kultur · Politik Politik & Kultur • SEPT. – OKT. 2012 • SEITE 2 • • • • • • • • Normalität im Zusammenleben ist das Ziel Stefanie Ernst im Gespräch mit Erol Pürlü Über Jahrzehnte hinweg sprach man, wenn einer Moschee wie der eines jeden anderen gegründet, den Bedürfnissen der damaligen Bildungsarbeit des VIKZ. Dabei spielte die Parti- es um muslimische Gotteshäuser ging, fast Gebäudes betrachtet werden. muslimischen, vor allem türkischen Gastarbeiter zipation von Jugendlichen eine besondere Rolle. ausschließlich von Hinterhofmoscheen. Mit Muslimisches Leben ist ein Teil Deutschlands. Wir in Deutschland nachzukommen. Was hat sich Von Anfang an wurden die Ideen und Wünsche Blick auf Bauten in Köln, Berlin und anderen wünschen uns, dass dieses muslimische Leben an dieser Zielrichtung in den letzten knapp 40 der Zielgruppe in Workshops erarbeitet und in Städten scheint sich das Bild der Moschee und die Vielfalt in Deutschland als eine Chance Jahren geändert? den Planungen berücksichtigt. Das Interesse und erheblich gewandelt zu haben. Wie schät- und nicht als Gefahr wahrgenommen wird. Ge- Pürlü: An der Zielrichtung, hat sich nicht viel die Zufriedenheit der Jugendlichen konnte so zen Sie diese Veränderungen der letzten rade rechte Gruppierungen nutzen die Ängste geändert. Jedoch haben sich die Bedürfnisse der erhöht werden. Die wissenschaftlich erarbeiteten Jahre ein? der Mehrheitsgesellschaft für Stimmungsmache ehemaligen Gastarbeiter, die nunmehr dauer- Konzepte im Rahmen des Projektes werden nun gegen muslimisches Leben. Deutschland ist das hafte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und in den Gemeinden des Verbandes umgesetzt. Mit Erol Pürlü: Viele Moscheen wurden in den Zuhause von vielen unterschiedlichen Religionen: hier beheimatet sind, verändert. Auch die jungen der Entwicklung professioneller Strukturen soll vergangenen Jahrzehnten als Provisorien er- Muslimen, Christen, Juden, Hindus, Buddhisten, Generationen stellen andere Anforderungen an den Bedürfnissen und Ansprüchen von Kindern richtet, da viele Muslime annahmen, dass sie alle leben miteinander in unserem Land. Über- uns. Während zu Beginn unseres Engagements und Jugendlichen entsprochen werden. wieder in die Heimat zurückkehren würden. Man fremdungsszenarien entsprechen nicht der Re- die religiöse Betreuung im Vordergrund stand, Gegenwärtig führen wir mit der Otto-Benecke- hat damals einfache Räumlichkeiten geschaf- alität und schaden der Gesellschaft im Ganzen. haben wir unser Angebot mit den Jahren stetig Stiftung das Projekt »Bildungs-Brücken: Auf- fen, um den religiösen Bedürfnissen wie dem Poltik & Kultur: Der Tag der offenen Moschee den neuen Anforderungen angepasst. Heutige stieg!« durch, das ebenfalls vom Bundesfamilien- Freitagsgebet und Festgebeten nachzugehen. (3. Oktober) erfreut sich außerordentlicher Schwerpunkte islamischer Kulturzentren des ministerium gefördert wird. Ziel des Modellpro- In den 1990-er Jahren gelangten Muslime zu Beliebtheit. Durch ihn rücken Moscheen buch- VIKZ sind, neben der religiösen Bildung, die jektes ist es, zugewanderte Eltern zu befähigen, der Erkenntnis, dass für viele eine Rückkehr stäblich ins Blickfeld der nichtmuslimischen muslimische Seelsorge und die außerschuli- die Bildungsverläufe ihrer Kinder zu begleiten. unrealistisch geworden war. Die zugewanderten Gesellschaft. Kulturzentren hingegen scheinen sche Förderung von Kindern und Jugendlichen. Hierfür werden die Eltern über zentrale und Muslime hatten in Deutschland eine Heimat weiterhin oftmals ein Randdasein zu führen. Im Rahmen unserer Bildungsarbeit bieten wir dezentrale Angebote zur Information über das gefunden und ihre Kinder und Enkelkinder sind Wie viele muslimische Kulturzentren existieren Sprachförderung, Nachhilfe und Fachkurse zu deutsche Bildungssystem und zur persönlichen hier geboren und aufgewachsen. Die ehema- in Deutschland? verschiedenen Themenbereichen. Ein weiteres Weiterbildung informiert. Die Kompetenzen der ligen Gastarbeiter begannen hierzulande zu Pürlü: Wir als VIKZ betreiben um die 300 Bil- Ziel ist es, die Jugendlichen zu gesellschaftlicher Eltern werden gestärkt, um die Potenziale der investieren, in dem sie Wohnungen oder Häu- dungs- und Kulturzentren bundesweit. Ein isla- Mitverantwortung und sozialem Engagement Kinder aktiv zu unterstützen. ser kauften und sich wirtschaftliche Existenzen misches Kulturzentrum beherbergt meistens auch anzuregen. Poltik & Kultur: Wie wichtig ist für Sie als aufbauten. Dazu gehörte auch der Bau von eine Gebetstätte, also eine Moschee. Poltik & Kultur: Besonders Kinder- und Ju- Verband der interkulturelle Dialog? Sind Kultur- würdigen Gotteshäusern. Seitdem in unserer Moschee in Köln Ehrenfeld gendliche benötigen Orte des Rückzugs, sei zentren Orte, an denen Begegnungen zwischen Heutzutage haben wir sehr viele sehenswürdige im Jahre 1996 der Tag der deutschen Einheit mit es in der Stadt oder auf dem Land. Decken die Muslimen und Nichtmuslimen verstärkt stattfin- Moscheen in Deutschland, seien es klassische Politik, Kirche und Gesellschaft gefeiert wurde, Kulturzentren diese Ansprüche ab? den könnten? Moscheen mit Minarett und Kuppel, aber auch veranstalten wir am 3. Oktober den Tag der Pürlü: Moscheen übernehmen in den letzten Pürlü: »Wir haben Euch zu Stämmen und Völ- solche Gebetsräume, die in Kulturzentren inte- offenen Moschee. Seit fünf Jahren findet diese Jahren immer häufiger soziale Aufgaben für kern gemacht, damit ihr einander kennen lernt« griert und von außen nicht als «klassische Mo- Aktion unter dem Schirm des Koordinationsrates Kinder und Jugendliche. Viele Moscheegemein- ist ein quranischer Vers, der für uns ein Leitmo- schee» zu erkennen sind. Die Moschee gehört der Muslime (KRM) statt, dessen Gründungsmit- den haben vor einigen Jahren begonnen, eine tiv darstellt. Unser Verband setzt sich seit den mittlerweile zum Stadtbild in Deutschland. glied der VIKZ ist. Jugendarbeit auf- und auszubauen. Diese ist ein 1970er-Jahren für den interkulturellen Dialog Poltik & Kultur: Hat sich die gesellschaftliche Poltik & Kultur: Wie können sich unsere Lese- besonderer Schwerpunkt des VIKZ. ein. Der VIKZ ist heute ein wichtiger Dialog- Akzeptanz der sogenannten Mehrheitsgesell- rinnen und Leser die Aktivitäten in muslimischen In den Moscheegemeinden des VIKZ wird neben partner auf Bundes- und Landesebene. Damals schaft gegenüber Bauten von Moscheen und Kulturzentren vorstellen? der Bildungsarbeit in Form von Hausaufgabenhil- waren die christlichen Kirchen vornehmlich die muslimischen Kulturzentren verändert, gar Pürlü: Die islamischen Kulturzentren orientieren fe oder Nachhilfe auch Jugendarbeit angeboten. Dialogpartner. entspannt? sich an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder und Letztere erstreckt sich auf freizeitpädagogische Heute brauchen wir einen gesamtgesellschaft- Pürlü: Die Haltung der sogenannten Mehrheits- Besucher. Daher sind in vielen Kulturzentren reli- Elemente wie Spiel, Sport und Reisen oder auch lichen Dialog, denn wir sind nicht nur religi- gesellschaft gegenüber Moscheen und Kultur- giöse, soziale und kulturelle Dienste vorzufinden. auf Elemente politischer und kultureller Bildung. öse Menschen, die zur Moschee gehen. Die zentren ist sehr unterschiedlich. Die hängt von Bundesweit leiten wir cirka 300 Kulturzentren, Es bestehen auch offene Angebote wie Teestuben gemeinsamen Begegnungen finden auch im vielen unterschiedlichen Faktoren ab: Wie gut welche ein umfangreiches Angebot an religiösen und Möglichkeiten, in eigenen Räumen diverse öffentlichen Raum, in Restaurants, Geschäften, kennt man die Träger der Moscheegemeinden? und auch sozialen Diensten anbieten. Gesellschaftsspiele zu spielen. Diese Angebote Krankenhäusern, in allen erdenklichen Situati- Inwieweit bringt sich die Moscheegemeinde im Unser religiöses Angebot umfasst fünf tägliche werden von Kindern und Jugendlichen gerne onen des Alltags, statt. Jede Begegnung zeigt Stadtteil aktiv ein? Auch die Berichterstattung Gebete, Freitags- und Festgebete sowie Religi- angenommen. immer wieder, dass wir in Deutschland viel Ge- über den Islam in den Medien spielt eine Rolle. onsunterricht. Auch bieten wir seelsorgerische Jedoch finanzieren wir diese Arbeit weitgehend meinsames haben und doch wenig voneinander Während Moscheen in Gewerbegebieten kaum Tätigkeiten und Beratung. Einen besonderen ohne öffentliche Mittel, sondern durch Spenden wissen. Deshalb sind Kulturzentren wichtige Probleme in der Mehrheitsgesellschaft hervorru- Fokus legen wir auf die Bildungsarbeit für Kin- unserer Mitglieder. Die ständige Erweiterung Orte der Begegnung zwischen Muslimen und fen, kommt es in Wohngebieten immer wieder der- und Jugendliche. Unser Angebot umfasst unseres Angebotes lässt uns auch neue Wege Andersgläubigen in dieser Gesellschaft. zu Konflikten. Wir haben auch die Erfahrung hier beispielsweise Hausaufgabenbetreuung und gehen. Erst in neuerer Zeit entwickeln wir gemacht, dass selbst ein Umzug innerhalb des Nachhilfe sowie Sprach- und Computerkurse. gleichberechtigte Kooperationen mit anderen EROL PÜRLÜ IST DIALOGBEAUFTRAGTER DES gleichen Stadtteils Konflikte auslösen kann, weil Das freizeitpädagogische Angebot, welches Akteuren. So hat der VIKZ im letzten Jahr mit der VERBANDS DER ISLAMISCHEN KULTURZENT- die Menschen sehr wenig über muslimisches sportliche Aktivitäten, Fahrten und Freizeitbe- Otto-Benecke-Stiftung erfolgreich das Projekt REN UND ISLAMWISSENSCHAFTLER Leben in Deutschland wissen oder weil rechte treuung umfasst, findet ganzjährig statt. PARTIMO durchgeführt, das vom Bundesfamilien- STEFANIE ERNST IST REFERENTIN FÜR ÖF- Gruppen Ängste und Vorurteile bewusst schüren. Poltik & Kultur: Der Verband der Islamischen ministerium gefördert wurde. Ziel dieses Projek- FENTLICHKEITSARBEIT BEIM DEUTSCHEN Poltik & Kultur: Welche Konflikte existieren Kulturzentren e.V. wurde 1973 mit dem Ziel tes war die Professionalisierung der Jugend- und KULTURRAT weiterhin? Pürlü: Es gibt immer wieder Bürgerinitiativen oder rechtsradikale Gruppierungen, die den Moscheebau für ihre eigenen Zwecke instru- mentalisieren und so Angst und Vorurteile in der Gesellschaft schüren. Auch gibt es Befürchtungen seitens der Anwoh- ner, dass ein Moscheebau zu Verkehrsproblemen oder Lärmbelästigung im Stadtteil führen könnte oder gar zu Wertverminderung ihres eigenen Anwesens. Poltik & Kultur: Abhilfe könnte man also schaffen… Pürlü: …durch einen noch intensiveren Dia- log auf der unteren Ebene in den Gemeinden, Städten und Stadtteilen vor Ort, indem man auf einander zugeht, sich kennenlernt und gemein- same Informationsveranstaltungen organisiert. Dies funktioniert dann besser, wenn Vertreter der Kommunen und der jeweiligen Moscheege- meinden miteinander an einem Strang ziehen. Schließlich geht es um die Muslime und die Moschee des jeweiligen Stadtteils. Informations- veranstaltungen mit Kirchengemeiden, Bürgerin- itiativen und gesellschaftlichen Organisationen in der Nachbarschaft können gegebenenfalls vorhandene Befürchtungen entschärfen und zu einem besseren Verständnis und freundschaftli- chem Miteinander beitragen. Poltik & Kultur: Welche konkreten Wünsche würden Sie an die Politik und die Gesellschaft stellen, um die Lage und die Akzeptanz der mus- limischen Kulturzentren unter städteplanerischer Sicht zu verbessern? Pürlü: Wir denken, dass durch die gesellschaftli- che und politische Partizipation der muslimischen Gemeinden, wie beispielsweise durch die Gleich- stellung der islamischen Religionsgemeinschaf- ten, mittel- bis langfristig so etwas wie Normalität im alltäglichen Zusammenleben eintreten wird. Dann wird der Bau eines Kulturzentrums oder Mannheim, Yavuz-Sultan-Moschee, gegenüber die Katholische Kirche „Unserer Lieben Frau“. Karfreitag, 21. März 2008. Foto: Wilfried Dechau Islam · Kultur · Politik Politik & Kultur • SEPT. – OKT. 2012 • SEITE 3 • • • • • • • • Kubus, Kuppel, Konflikt Von Claus Leggewie m Jahr 1925 entstand in Berlin die erste deut- gebiete betrachtete. Der Entwurf des Berliner I sche Moschee. Seither ist der Islam zu einem Architekten K. A. Herrmann erinnert an ein Teil unseres Landes geworden. Über den Bau Mausoleum indischer Moguln – ein kleines muslimischer Gotteshäuser aber wird heftiger Tadsch Mahal inmitten eines stillen bürgerlichen gestritten denn je. Bezirks. Anfangs stand die Moschee Muslimen Die Kirche im Dorf ist der sprichwörtliche Beweis, aller Nationen offen und bildete, unter anderem dass man sich im christlichen Abendland befindet mit der Herausgabe der Muslimischen Revue, – auch wenn es längst nicht mehr so christlich ist, ein spirituelles und intellektuelles Zentrum des wie es früher einmal war: Staat und Kirche sind Islams im Westen. Nach 1945 verlor der Bau getrennt, die Religion ist Privatsache geworden zunehmend an Bedeutung; heute birgt er ein und aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Blei- Museum. 2011 wurde ein Anschlag auf das ben die steinernen Zeugen einer großen Vergan- altehrwürdig wirkende Gebäude verübt. Das genheit: Kapellen, Klöster und Kathedralen. Aber insgesamt wenig tolerante Klima führte auch weil die christlichen Glaubensgemeinschaften dazu, dass eine andere Ahmadiyya-Moschee im immer mehr Mitglieder verlieren, werden man- Osten Berlins, die Khadija-Moschee in Pankow- cherorts auch schon Gotteshäuser stillgelegt, Heinersdorf, 2008 nur unter Protesten öffnen abgerissen oder umgewidmet. konnte. Die »Glaubenslücke« füllen seit einigen Jahren Mehrfach zum Ziel von Brandanschlägen wurde die Muslime; der Islam als »Teil Deutschlands« auch Berlins größtes muslimisches Gotteshaus, ist inzwischen ein Gemeinplatz (wenn auch ein die 1998 am Columbiadamm errichtete Şehitlik- umkämpfter!). Im Stadtbild sind seine Wahr- Moschee, ein imposanter Gebäudekomplex in zeichen kaum noch zu übersehen: Vielerorts der Nähe des noch immer existierenden Tür- ragen neben Kirchtürmen und Bürohochhäusern kischen Friedhofs aus dem ausgehenden 18. auch Minarette in den Himmel. Einige finden Jahrhundert. Entworfen hat ihn ein türkisches das exotisch und bunt, andere sehen darin eine Architekturbüro unter dem international renom- bedrohliche Landnahme, den meisten aber sind mierten Muharrem Hilmi Şenalp, der schon in Moscheen so gleichgültig wie Kirchen und an- Turkmenistan und Japan Moscheen gebaut hat. dere Sakralbauten. Heimisch geworden ist der Şenalp orientierte sich dabei an der osma nischen Islam in Deutschland und Europa damit jedoch Schule des legendären Baumeisters Yusuf Sinan noch lange nicht – nach wie vor sind Muslime (um 1490–1588), die das alteuropäische Orient- die religiöse Minderheit, der die Deutschen am bild geprägt hat: Sinans erstes großes Werk war stärksten misstrauen. die Şehzade-Moschee in Istanbul, die zwischen Die ersten Moscheebauten auf deutschem Bo- 1543 und 1548 erbaut wurde. Später entwarf den entstanden im 18. Jahrhundert. Sie waren er die Süleymaniye-Moschee in Istanbul und allerdings keine Gebetsorte für Muslime, son- die Selimiye-Moschee in Edirne. Noch heute dern Ausdruck der damaligen Türkenmode und malt jedes Kind eine Moschee so wie diesen dienten profanen Zwecken. So entwarf etwa der weltberühmten Prunkbau oder ihren Berliner lothringische Architekt Nicolas de Pigage Ende Abklatsch am Columbiadamm: Kubus, Kuppel, des Jahrhunderts ein orientalisches Ziergebäude Minarett – fertig ist die Moschee! in Gestalt einer Moschee für den Schwetzinger Schlosspark – ein Denkmal für die Toleranzge- Der Streit über Moscheeneubau- danken des Aufklärungszeitalters. Ein halbes ten Jahrhundert später, 1841, ließ der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im Sanssouci-Park Auch in anderen westeuropäischen Ländern zu Potsdam ein Pumpwerk mit Minarett und wurden in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahr- Kuppel nach Mamlukenart errichten; es sollte hunderts Moscheen gebaut. So entstand etwa im die zahlreichen Wasserfontänen des Parks kon- 5. Pariser Bezirk, dem Quartier Latin, kurz nach tinuierlich speisen. dem Ersten Weltkrieg die Grande Mosquée – zum Auch das Bürgertum machte bald mit und träum- Dank Frankreichs an die muslimischen Tirailleurs, te von orientalischer Exotik. In Dresden wählte die als koloniale Hilfstruppen gegen die Deut- ein Zigarettenhersteller 1908 die Moscheeform schen gekämpft und auf den Schlachtfeldern um Hamburg, Imam-Ali-Moschee. Dienstag, 15. April 2008. Foto: Wilfried Dechau für seine Tabakfabrik Yednize (das Minarett ver- Verdun gewaltige Verluste erlitten hatten. steckte den Schornstein). Für die Schalterhalle Die Architektur ist durch zwei nordafrikanische Gebetsräumen, die von außen kaum als solche ten: Großplakate der Ayasofya in Istanbul oder des Stuttgarter Hauptbahnhofs stand ein paar Vorbilder geprägt: durch die Kuppel der Al- erkennbar waren. Das blieb auch so, als sich der Kaaba von Mekka hingen an den Wänden, Jahre später eine Kairoer Moschee Modell: Qarawiyyin-Moschee im marokkanischen Fes die muslimische Diaspora in Deutschland von arabische Kalligrafien verzierten die schlichten Imitiert wurde der sogenannte Iwan – eine nach und durch das Minarett der Großen Moschee im 1961 an mit der türkischen, jugoslawischen und Hallen. drei Seiten geschlossene Halle mit einem großen tunesischen Kairouan. Der Bau wurde zu einem nordafrikanischen Einwanderung vervielfachte. Der Koran liefert keine Blaupause, keine Bau- Rundbogenportal. Symbol der französisch-arabischen Freundschaft. Der Hinterhof: Das waren leer stehende Lager- vorschrift für eine Moschee. Das Wort leitet Den ersten Friedhof, auf dem nach islamischem Dalil Boubakeur, der heutige Moscheevorsteher, und Fabrikhallen, Büroräume, Ladenlokale und sich vom arabischen masjid ab, was »Stätte der Ritus bestattet wurde, genehmigte 1798 ein ist Präsident des integrations- und dialogwilligen Etagenwohnungen, in welche die Emigranten Niederwerfung« heißt. Erforderlich ist dafür nur Nachfolger Friedrichs II. in Berlin-Tempelhof, Conseil français du culte musulman. auswichen. Die Muslime waren gesellschaftlich ein den rituellen Reinheitsregeln entsprechender nachdem der ständige osmanische Gesandte am So prachtvoll die Vorstellungen vom Islam aus alles andere als angesehen. Auch verfügten sie Platz, an dem Gläubige die vorgeschriebene Berliner Hof, Ali Asis Efendi, gestorben war. Noch der Zeit des europäischen Orientalismus waren, über zu wenig Geld für repräsentativere Bau- Prostration (Niederwerfung) verrichten können. aber lebten kaum Muslime in deutschen Landen. so unscheinbar sah zunächst die Realität des ten. Sie nahmen Deutschland als Transitraum Zum Beten sind Sammlung und Konzentration Das änderte sich dann im 20. Jahrhundert. islamischen Lebens in Europa aus. Prachtvolle wahr; als »Gastarbeiter« würden sie ja ohnehin in korrekter Kleidung erforderlich, aber weder Als erstes muslimisches Gotteshaus in Deutsch- Gebäude blieben die Ausnahme. Die Einwande- bald wieder nach Hause zurückkehren. Deshalb Teppich noch Vorbeter. Auf Reisen kann man land eröffnete 1925 im Bezirk Wilmersdorf die rer lebten ihren Glauben im Verborgenen. scheuten sich anfangs sicherlich viele, in der einen Stab oder ein anderes Symbol in den Boden Moschee der Ahmadiyya, einer aus Indien und Auch hierzulande führte der Islam über Jahr- Fremde Geld zu investieren, um würdigere Stät- stecken und eine Zeitung auf den Boden legen – Pakistan stammenden Reformströmung, die zehnte eine Hinterhofexistenz. Die rund tausend ten des Gebets zu errichten. Wer aber genauer eine mosque to go. Die Moschee ist als ein Ort vom orthodoxen Islam als häretisch abgelehnt Muslime, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg hinschaute, konnte erkennen, dass die Muslime wird und die Europa und Amerika als Missions- in Deutschland lebten, versammelten sich in ihre einfachen Räume hingebungsvoll gestalte- Fortsetzung von Seite 4

Pforzheim, Fatih Moschee. Freitag, 7. März 2008. Foto: Wilfried Dechau Stuttgart, Islamische Union. Freitag, 25. April 2008. Foto: Wilfried Dechau Islam · Kultur · Politik Politik & Kultur • SEPT. – OKT. 2012 • SEITE 4 • • • • • • • •

Fortsetzung von Seite 3 Kubus, Kuppel, Konflikt definiert, an dem sich die Gemeinschaft versam- melt. Ein schlichter Raum mit einer chorförmigen Gebetsnische– (mihrab) reicht dafür aus; neben den Waschplätzen gibt es die Kanzel (minbar), die an der nach Mekka gerichteten Gebetswand (qibla) angebracht ist und der Freitagspredigt (chutba) dient. Zum klassischen Erscheinungsbild von Moscheen gehören außerdem die Minarette. Ursprünglich als Wachtürme gebaut, dienten sie später dem Muezzin für den Ruf zum Gebet, den man in der motorisierten Moderne gegen den Verkehrslärm durch Megafone und Lautsprecher verstärkte. Heute haben die Türme meist nur noch eine sym- bolische Funktion. Immer wieder aber werden sie auch als Ausdruck eines muslimischen Macht- und Herrschaftsanspruchs betrachtet – vor allem von den Gegnern neuer Moscheebauten. Nicht zufällig muteten die stilisierten Türme auf den Plakaten der Schweizer Minarettverbot-Initiative von 2009 wie Raketen an. Auch in Deutschland entbrannte in den vergan- genen Jahren regelmäßig heftiger Streit über Moscheeneubauten. Sei es nun die große, mit Landes- und EU-Mitteln geförderte Merkez- Moschee in Duisburg-Marxloh, die Mannhei- mer Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, die bereits erwähnte Berliner Şehitlik-Moschee oder die fast vollendete Große Moschee in Köln – immer wieder kam es zu Protesten. Die Haltung der meisten Demonstranten dürfte dabei lauten: »Moschee? Von mir aus, aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft.« Anwohner fürch- ten Lärm, Parkplatzprobleme und dass der Preis ihrer Immobilien fallen könnte. Ein wachsender Teil der Moscheegegner aber will den Muslimen die Ausübung ihres Glaubens am liebsten ganz verbieten. Auch islamophobe Bewegungen und Parteien verfolgen dieses Ziel. Der niederlän- dische Politiker Geert Wilders hat die durchgestri- chene Moschee zum Erkennungszeichen seiner europäischen Anti-Islam-Partei gemacht; und auch in den USA rufen christliche Radikale zum Glaubenskrieg gegen die Muslime auf. Wer baut, der bleibt, sagt der Volksmund. Die großen, repräsentativen Moscheen, die hierzu- lande in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht haben, lassen denn auch darauf schlie- ßen, dass die Muslime ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland sehen – und dass sie gute Nachbarn sein wollen. Die meisten der inzwischen mehr als 2.000 Moscheen fallen dabei kaum auf. Nur die sogenannten Mittelpunktmoscheen erregen allein schon durch ihre Größe Aufsehen. Sie sollen an Freitagen und zu festlichen Anlässen alle (männlichen) Muslime der Umgebung und zusätzlich auch Reisende aufnehmen können. Die drei Großmoscheen in Mannheim, Berlin und Duisburg-Marxloh wurden von der Ditib gebaut, der in Köln ansässigen Türkisch-Islamischen Uni- on der Anstalt für Religion, einem Ableger des türkischen Religionsministeriums in Deutschland. Ditib und andere Dachverbände der Muslime in Deutschland bevorzugen dabei eindeutig tradi- tionelle osmanische Formen, die dem Orientkli- schee »Kubus, Kuppel, Minarett« entsprechen. Auch die türkische Gesellschaft selbst und ihr erklärt laizistischer Staat bekennen sich seit der Präsidentschaft Turgut Özals und verstärkt unter Recep Tayyip Erdoğan wieder zum islamischen Erbe: Moscheen sind für sie Zeichen türkischen Einflusses im Ausland – und darum sollen sie groß und repräsentativ gebaut werden.

Traditionalisten versus Modernisten Pforzheim. Donnerstag, 6. März 2008. Foto: Wilfried Dechau Das Vorherrschen klassischer Prunkmoscheen lässt dabei den Eindruck entstehen, dass eine grammiert: Ob in London, Istanbul, Dubai oder liche Schwelle zwischen den Geschlechtern. Eine stätten, Kantinen und Cafés. Moschee eben so und nicht anders auszusehen Chittagong – überall, wo Bauherren aus dem zunehmend selbstbewusste und gebildete Schicht Wenn wie in Duisburg-Marxloh ein Stadtteil habe. Wer aber muslimische Gotteshäuser in Rahmen fallende Visionen umgesetzt haben oder von Musliminnen, die sich ohnehin nicht mehr baulich und sozial verfällt, können sie auch zu aller Welt besucht, wird von Lehmbauten in planen, prallen Traditionalisten und Modernisten auf den häuslichen Bereich festlegen lassen und Orten kultureller Erneuerung werden. In mo- der Sahelzone Westafrikas bis zu chinesischen aufeinander. theologisch interessiert sind, wird diese Lockerung dernen Moscheekomplexen werden darum der Tempelmoscheen viele Varianten kennenlernen. Unter den Architekten sind dabei auch Nichtmus- für sich zu nutzen wissen. Das selbstbewusste Dialog und die Begegnung mit den Nachbarn Rund um den Globus stellen Architekten – auch lime. So wird vor den Toren Algiers derzeit nach Auftreten vieler islamischer Feministinnen und in der Regel schon beim Bau mitgedacht. In den aus den islamischen Kernregionen – die alten einem Entwurf des Frankfurters Jürgen Engel ein weiblicher Prediger spricht dafür. christlichen Gemeinden des alten Europa war es Konventionen infrage. Sie arbeiten mit unge- riesiger Moscheekomplex mit einem 200 Meter Anders als eine katholische Kirche ist eine Mo- oft nicht viel anders. Und damit schließt sich der wohnten Grundrissen und nutzen »unübliche« hohen, als Bibliotheksturm gedachten Minarett schee kein geweihter Raum; erst die Anwesenheit Kreis: Auch die Moschee ist im christlich-jüdisch- Materialien wie Glas, Beton, Naturstein und errichtet, der bald zu den größten der arabischen der Betenden und Gläubigen macht sie zu einem muslimischen Abendland längst zur sprichwörtli- Metall. Paul Böhm etwa, Spross einer katho- Welt zählen wird. Dass ein »Ungläubiger« einen so Sakralbau und zu einem Haus Allahs. Moscheen chen »Kirche im Dorf« geworden – ob traditionell lischen Dynastie von Kirchenbaumeistern, spielt wichtigen Auftrag erhält, muss nicht verwundern: sind Orte der Instruktion. Die Predigten sollen mit Kuppel, Kubus und Minarett oder in moderner in seinem Kölner Projekt mit dem Kuppelstereo- Auch Yusuf Sinan, der Baumeister der klassischen den Gläubigen Orientierung geben, sowohl in Form, ob prachtvoll und zentral oder schlicht und typ, indem er es buchstäblich aufbricht. osmanischen Architektur, war ein Christ. ihrem täglichen Leben als auch in ihren politi- verborgen im Hinterhof. Radikaler ging der aus Bosnien stammende In der Diaspora wird inzwischen sogar an der ri- schen Ansichten. Architekt Alen Jasarevic zu Werke: In die Zwie- giden Geschlechtertrennung gerüttelt, welche die Moscheen erfüllen daher seit je eine Vielzahl von CLAUS LEGGEWIE IST POLITIKWISSENSCHAFT- belturmlandschaft Oberbayerns in Penzberg Frauen bislang hinter Sichtfenster, auf die abge- Funktionen: Hier versammeln sich die Gläubigen LER UND DIREKTOR DES KULTURWISSEN- stellte er eine Moschee, die nichts mehr mit schottete Empore oder in Hinterzimmer verdammt. zum gemeinsamen Gebet, hier halten sie stille SCHAFTLICHEN INSTITUTS (KWI) IN ESSEN dem osmanischen Klischee zu tun hat, sondern Aufgeschlossene Muslime und Architekten planen Einkehr. Zugleich dienen Moscheen aber auch als ausschließlich kubische Formen varriiert und die weiblichen Gemeindemitglieder nunmehr im Schulen und Sozialstationen, als Jugendzentren Zuerst erschienen in ZEIT Geschichte am 22. Mai kombiniert. Streit ist in solchen Fällen fast pro- Hauptraum der Moschee ein und senken die bau- und Bürgerhäuser, Geschäfte und Begegnungs- 2012 Islam · Kultur · Politik Politik & Kultur • SEPT. – OKT. 2012 • SEITE 5 • • • • • • • • Stadtteilentwicklung als gesellschaftliches Projekt Von Gabriele Steffen enachteiligte Stadtteile mit vereinten Kräf- in Bezug auf Image, Zusammenleben und En- B ten wieder voranzubringen, ist ein Ziel gagement. Soziales und kulturelles Kapital ist des Bund-Länder-Programms »Soziale Stadt«. gewachsen und Investitionen haben vielfache Unterstützt und organisiert durch ein Stadtteil- weitere ausgelöst. Bedauerlicherweise wird das management, engagieren sich Menschen für Programm drastisch reduziert. umfassende Verbesserungen in ihrem Quar- Unter den Menschen, die sich engagieren, sind tier – für Bildung, Kultur, Gesundheit, Verkehr, viele muslimischen Glaubens. Moscheegemein- Wirtschaft, Wohnen, Freiflächen, im Städtebau. den und -vereine gehören selbstverständlich zu Bürgerinnen und Bürger, die auch Muslime sind, den zivilgesellschaftlichen Akteuren, deren Be- gehören selbstverständlich dazu. Noch manch teiligung ausdrücklich erwünscht ist. Aber es gibt offene Fragen gibt es in der Zusammenarbeit oft Fragen, ganz verschiedene. Soll eine Gruppe mit Moscheevereinen und -gemeinden. In den junger Frauen für ihr Projekt einer dezidiert reli- Wohnsiedlungen existieren meist gar keine giös geprägten Kinder- und Altenbetreuung eine Moscheen. Offenheit für Differenz weisen vor Förderung aus dem Stadtteilfonds erhalten? allem solche Stadtquartiere auf, die über das Was trennt die »liberalen« Aleviten von den Sun- Wohnen hinaus durch eine große Vielfalt an niten? Wenn eine muslimische Gemeinde sich zu Nutzungen – wirtschaftlicher, sozialer, kulturel- den Grauen Wölfen bekennt und den Wolfsgruß ler Art – geprägt sind. zeigt, soll man den Kontakt abbrechen – oder den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen? Wa- „Soziale Stadt“ rum können so wenige Deutsche Türkisch? Was ist, wenn eine christliche Gruppierung an ihrem Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Erzählca- Stand beim Stadtteilfest auch missionierende fé – darunter viele Ältere und Alteingesessene Broschüren auslegt (»Özlem findet Jesus«)? – besuchen eine Moschee. In einem anderen Es gibt wohl nicht die einzig richtige Antwort. Stadtteil beteiligt sich eine Moscheegemeinde Wichtig sind vor allem die Auseinandersetzung, an der jährlichen Putzaktion. Dies sind zwei klei- der Kontakt, die Kenntnisnahme. Und vor allem ne Beispiele aus dem Stadtteilmanagement, das gibt es nicht die Repräsentanten »des« Islam, zu den Kernpunkten des Programms »Soziale sondern ein breites Spektrum muslimischen Stadt« gehört. Dieses 1999 aufgelegte Bund- Lebens in Deutschland. Länder-Programm der Städtebauförderung verfolgt den zukunftsweisenden Ansatz, Verbes- Glaubensausübung im eigenen serungen im sozialen, kulturellen, im baulichen, Stadtteil bleibt oft schwierig städtebaulichen, ökologischen und wirtschaftli- chen Bereich im Zusammenhang, ressort- und Verbindend ist die gemeinsame Praxis, die ge- trägerübergreifend zu verwirklichen und die meinsame Erfahrung, der gemeinsame Alltag. unterschiedlichen finanziellen und personellen Und auch die Identität als Stadtteilbürgerin Ressourcen kombiniert zu nutzen. Die Men- oder -bürger – viele identifizieren sich in erster schen vor Ort sollen selber die hauptsächlichen Linie mit ihrem Quartier. Die Konstruktion von Akteure der Entwicklung sein – engagierte Ein- Fremdheit ist freilich hartnäckig. Durchaus gut zelne, Vereine, Initiativen, Kirchengemeinden, gemeint werden Menschen »mit Migrationshin- öffentliche Einrichtungen und die Wirtschaft tergrund« als erstes nach ihrer Herkunft gefragt, im Quartier. Das Stadtteilmanagement soll die als Fremde („ihr“ versus „wir“) angesprochen, örtlichen Potenziale stärken. Es soll dazu beitra- wird von Begegnung „der Kulturen“ und „der gen, dass sich Bewohnerorganisationen, stabile Religionen“ gesprochen. Und in den Medien sind soziale Netze und Bürgerbewusstsein für den Bilder von Frauen mit Kopftuch und fremd wir- Stadtteil entwickeln und Entwicklungen in Gang kender Kleidung, möglichst bei der Zubereitung kommen, die sich über die Dauer der Förderung ausländischer „Spezialitäten“, einfach beliebter hinaus auf längere Sicht selbst tragen. als beispielsweise Bildungsprojekte mit Frauen, Hamburg, Imam-Ali-Moschee, Bibliothek. Dienstag, 15. April 2008. Foto: Wilfried Dechau Zwar lassen sich Armut, Arbeitslosigkeit, Bil- denen man das Migrantische nicht ansieht. dungsarmut, Segregation nicht allein durch Ein Hauptproblem ist aber: In den Stadtteilen, dass es sich um Wohnsiedlungen handelt, in und Stadtquartiere aus, in denen Moscheen ein Städtebauförderungsprogramm beheben. in denen ich mich um ein Stadtteilmanagement denen es zwar regelmäßig Kirchen, aber nur überhaupt möglich sind? Dennoch ist das Programm in vieler Hinsicht im Rahmen der „Sozialen Stadt“ kümmere, gibt wenig andere Nutzungen gibt, auch meist keine In manchen Stadtteilen kommen Menschen eine Erfolgsgeschichte: In den benachteiligten es mit einer Ausnahme gar keine Moscheen, Räume zur Umnutzung als ersten Einstieg. Die trotz großer Heterogenität ohne großes Auf- Stadtteilen sind Veränderungen sichtbar und weder in einem umgenutzten Altbau noch Moscheen sind dann außerhalb, im Gewerbe- sehen miteinander zurecht, in anderen stößt spürbar – baulich-städtebaulich ebenso wie erst recht als Neubau. Dies hat damit zu tun, oder Industriegebiet. Wie sehen Stadtstrukturen schon ein Kinderspielplatz oder ein Haus für Asylbewerber auf Abwehr. Aller Voraussicht nach wird Heterogenität in den kommenden Jahrzehnten verstärkt die Gesellschaft kenn- zeichnen. Vor einigen Jahren sind wir in einem Forschungsprojekt der Frage nachgegangen, wie der Umgang mit Fremdheit und auch Kon- flikten, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, in unterschiedlichen Lebenslagen, mit unterschiedlichen Lebenssti- len und Wertvorstellungen in unterschiedlich geprägten Stadtteilen gelingt. Ein wesentliches Ergebnis war: Der Umgang mit Differenz und ein auskömmliches Zusammenle- ben hat viel mit stadträumlichen Verhältnissen zu tun. Eine besondere Rolle spielt dabei, ob in einem Stadtteil neben dem Wohnen eine Vielfalt anderer – wirtschaftlicher, sozialer, kultureller – Nutzungen vorhanden ist. Funktional gemischte Quartiere erbringen im Vergleich mit Wohnsied- lungen andere Leistungen für die Gesellschaft und für die Alltagsorganisation der Einzelnen mit ihren jeweiligen Bedürfnissen, und sie er- öffnen andere Möglichkeiten. Durch den auch wirtschaftlichen Austausch können Menschen »füreinander nützlich« sein (Louis Wirth). Er hat große Bedeutung für den Umgang mit Fremdem und Anderem, für beiläufige aber regelmäßige Kontakte in alltagspraktischen Zusammenhän- gen, den Kontakt zur Arbeitswelt und für die lebensweltlichen Qualitäten eines Stadtteils aus Sicht seiner verschiedenen Nutzerinnen und Nutzer. Auch anderswo unerwünschte Nutzungen – vom Projekt für Wohnungslose bis eben zur Moschee – werden eher akzeptiert. Die Anwesenheit von »Fremden« gehört zum Alltag. Lebendigkeit und Vielfalt werden ganz überwiegend als Vorteil erfahren.

Penzberg, Islamisches Forum. Freitag, 14. März 2008. Foto: Wilfried Dechau Weiter auf Seite 8 Islam · Kultur · Politik Politik & Kultur • SEPT. – OKT. 2012 • SEITE 6 • • • • • • • •

Fortsetzung von Seite 7 Stadtteilentwicklung als gesellschaftliches Projekt Ein Beispiel ist die östliche Innenstadt von Ess- lingen. Sie ist außerhalb der Stadtmauern vor allem in der Industrialisierung entstanden. Von B eginn an gab es neben Gewerbe, Wohnge- bäuden und bemerkenswerter Infrastruktur (wie dem schönen Jugendstilbad) eine große Vielfalt an religiösen Orten unterschiedlicher Glaubens- richtungen – von Betkreisen im Wohnzimmer bis hin zu sichtbaren Kirchen, in jüngerer Zeit auch einige Moscheen in umgenutzten Räumen. Dort entsteht ein Moscheebau, zwar eher am Rand, aber in exponierter Lage, an der bedeutenden Bahnlinie, die charakteristische Silhouette der Stadt erkennbar prägend, direkt neben der be- reits erbauten griechischen Kirche, die als größte griechisch-orthodoxe Kirche in Europa außerhalb Griechenlands gilt. Das Projekt war und ist nicht unumstritten. Aber nach intensiven Debatten in der Öffentlichkeit, einem Runden Tisch, Nach- barschaftsgesprächen, viel Entgegenkommen des Vereins bei der, auch architektonischen, Konzeption hat der Gemeinderat zugestimmt, und die Bebauung schreitet – den finanziellen Möglichkeiten entsprechend langsam – voran. Der Stadtteil selbst ist bei einem sehr hohen Mi- grantenanteil nie zum »Problemgebiet« gewor- den. Migranten haben an der Stadt mitgebaut: durch Erwerb und Renovierung von Altbauten, durch wirtschaftliche Existenzgründungen. Die kleinteilige Nutzungsvielfalt sorgt für eine an- haltend hohe Lebensqualität im Stadtteil. Dazu beigetragen hat eine Strategie der kontinuierli- chen Stadterneuerung. Stadtteile zu entwickeln, in denen Zusammenleben auch unter den Bedin- gungen von Differenz auskömmlich ist, durch klu- gen Städtebau und soziale Organisation – das ist als zivilgesellschaftliches Projekt für Gegenwart und Zukunft gar nicht hoch genug zu schätzen.

GABRIELE STEFFEN IST GESCHÄFTSFÜHRERIN DES INSTITUTS FÜR STADTPLANUNG UND SOZIALFORSCHUNG WEEBER+PARTNER Mannheim, Yavuz-Sultan-Moschee. Karfreitag, 21. März 2008. Foto: Wilfried Dechau Islam · Kultur · Politik Islam · Kultur · Politik Islam • Kultur • Politik ist eine regelmäßige ben werden. Der Deutsche Kulturrat versteht Is- Themen „9/11: Philosophische und religiöse Beilage zur Zeitung Politik & Kultur des Deut- lam • Kultur • Politik zudem als einen Beitrag zur Einschätzungen“, „Politischer Umgang mit Regelmäßige Beilage zu schen Kulturrates. Sie ist eine Kooperation des Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Schutz 9/11“, „9/11 als Medienereignis“ und „Kulturelle Politik & Kultur Deutschen Kulturrates und der Robert Bosch Stif- und zur Förderung kultureller Ausdrucksformen. Aufarbeitung der Anschläge“. ISSN 2191-5792 tung. 2013 ist eine weitere Ausgabe der Beilage · Dossier Islam • Kultur • Politik in Ausgabe geplant, die den Abschluss der insgesamt sieben Bisherige Schwerpunkte waren: · 1/2012 von Politik & Kultur (8 Seiten) widmete Erscheint als Beilage zur Zeitung Politik & Ausgaben bildet. · Dossier Islam • Kultur • Politik in Ausgabe sich Fragen der Lebenswelten muslimischer Kultur, herausgegeben von Olaf Zimmer- 1/2011 von Politik & Kultur (40 Seiten), anhand Jugendliche in Deutschland. mann und Theo Geißler. Die Beilage wird in Die Beilage Islam • Kultur • Politik soll die De- von fünf Schwerpunktthemen (Islamische Viel- · Dossier Islam • Kultur • Politik in Ausgabe Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung batte um die Rolle des Islams in Deutschland falt, Judentum Christentum Islam, Bildung Re- 1/2012 von Politik & Kultur (8 Seiten) ging der herausgegeben. vertiefen. Es geht dabei zum einen um eine Aus- ligion Glaube, Wissen über den Islam – Wissen Frage nach, ob eine muslimische Zivilgesell- Deutscher Kulturrat einandersetzung um die Wirkungen der muslimi- des Islams, Islam in den Medien, Zusammen- schaft überhaupt existiert und wenn ja, wie Chausseestraße 103 schen Religion auf Kultur und Lebensweise der leben in Deutschland) wurde sich umfassend diese ausgestaltet ist. 10115 Berlin hier lebenden Menschen. Zum anderen soll der mit dem Verhältnis von Islam, Kultur und Politik Geplant ist eine weitere Ausgabe, die die Reihe Tel: 030/24 72 80 14 politische Umgang mit dem Islam beziehungs- auseinandergesetzt · abschließen wird. Wir freuen uns auf die weitere Fax: 030/24 72 12 45 weise mit Muslimen beleuchtet werden. Damit · Dossier Islam • Kultur • Politik in Ausgabe Diskussion zu dem Themenkomplex Islam • Kul- www.kulturrat.de soll die Debatte um den Islam und um Muslime 3/2011 von Politik & Kultur (8 Seiten), die im tur • Politik. Schreiben Sie uns unter: post@kul- E-Mail: [email protected] in Deutschland versachlicht und für ein friedliches vorangegangenen Dossier aufgeworfenen turrat.de. Die bisher erschienenen Hefte können Zusammenleben der Menschen verschiedener Fragen wurden vertieft, einen Schwerpunkt unter www.kulturrat.de/islam abgerufen werden. Redaktion: Religionen und unterschiedlicher Kulturen gewor- bildete die auswärtige Kulturpolitik in islami- Olaf Zimmermann (verantwortlich), schen Ländern. · OLAF ZIMMERMANN, GESCHÄFTSFÜHRER Gabriele Schulz, Stefanie Ernst, · Dossier Islam • Kultur • Politik in Ausgabe DES DEUTSCHEN KULTURRATES UND HERAUS- Olaf Hahn 5/2011 von Politik & Kultur (8 Seiten), „Der GEBER VON POLITIK & KULTUR. OLAF HAHN, Redaktionsassistenz: ,VODP.XOWXU3ROLWLN Bruch des 11. September 2001 als Chance für DIREKTOR DES PROGRAMMBEREICHS BIL- '266,(5=8532/,7,.81'.8/785 Carolin Ries, Tatjana Gridnev -DQXDU²)HEUXDUZZZNXOWXUUDWGH ,6%1Ã,661Ã% =ZHLIHOORVZ einen kulturellen Aufbruch“: die inhaltlichen DUNG, GESELLSCHAFT UND KULTUR DER (GLWRULDOYRQ2ODI=LPPHUPDQQ(GLWRULDOYRWRULDOYRQ2ODI=LPPHQ2ODI=LPPHUPDQQ

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HVPHQVWHKWIUHLQH*HQHUDWLRQGHXWVFKHUHVPPHQVWHKWIUHLQH*HQHUDWLRQGHXWVFKHU .00XV0XVOLPHIUGLHDOWH*HZLVVKHLWHQLPPHUVOLPHIUGLHDOWH *HZLVVKHLWHQ LPPHU Politik & Kultur bemüht sich intensiv um die ZZHZHQLJHU%HVWDQGKDEHQ)UGHQ*UQGHUXQGHHQQLJJHHU%HVWDQGKDEHQ)UGHQ*UQGHU XQG ''H'HVLJQHUGHV0RGHODEHOVÅ6W\OHLVODP´GDVVLFKHHVLJJQHHUGHV0RGHODEHOVÅ6W\OHLVODP´GDVVLFK DDXDXILVODPLVFKH/LIHVW\OH3URGXNWHVSH]LDOLVLHUWKDWXILLVODPPLVFKH/LIHVW\OH3URGXNWHVSH]LDOLVLHUWKDW LLVWLVWVHLQH5HOLJLRVLWlWDXFKHLQH5HDNWLRQDXIVHLQHWVHHLLQHH5HOLJLRVLWlWDXFKHLQH5HDNWLRQDXIVHLQH 2 Normalität im Zusammen- 6 Islam · Kultur · Politik 88PZHOW:LHHLQ3XQNUHDJLHUHHUPLWVHLQHU$UWPPZZZHOWW:LHHLQ3XQNUHDJLHUHHUPLWVHLQHU$UW GGHGHQ*ODXEHQ]XOHEHQDXIGLHÅHQ**ODDXEHQ]XOHEHQDXIGLHÅ 0LVVYHUVWlQGQLV0LVVYHUVWlQGQLVIslam Kultur Politik VVHVHXQG=HUUELOGHU´GLHLQGHUgIIHQWOLFKNHLWEHUHXXQG=HUUELOGHU´GLHLQGHUgIIHQWOLFKNHLWEHU Nennung der Bildautoren. Nicht in allen GGHGHQ,VODPEHVWHKHQHQ,VVODDPEHVWHKHQ ''H'HU,VODPLVWPLWGLHVHQ-XJHQGOLFKHQLQ'HXWVFKHHU,VVODDPLVWPLWGLHVHQ-XJHQGOLFKHQLQ'HXWVFK BEILAGE ZUR POLITIK UND KULTUR OODODQGQQGG D DQJHNRPPHQQJHNRPPHQ 6FKOLH‰OLFK6FKOLH‰OLFK ]HLJW VLFVLFKK LP $$O$OOWDJMXQJHU0XVOLPHLPPHUVWlUNHUGHU(LQIOXVVOOOOWDDJJMXXQJHU0XVOLPHLPPHUVWlUNHUGHJuli – August 2012 U(LQIOXVV www.kulturrat.de ISSN 2191-5792 · B 58 662 GGHGHU6R]LDOLVDWLRQLQGHUGHXWVFKHQ*HVHOOVFKDIWHU6R]]LDOLVDWLRQLQGHUGHXWVFKHQ*HVHOOVFKDIW leben ist das Ziel VON OLAF ZIMMERMANN ==Z=ZDUZZDDU LG LGHQWLIL]LHUWGHQWLIL]LHUW VLFK HLQH JUR‰H =DK=DKOO MXQJHU 00X0XVOLPHLPPHUQRFKPLWGHQ+HUNXQIWVOlQGHUQXXVVOLPHLPPHUQRFKPLWGHQ+HUNXQIWVOlQGHUQ Fällen gelingt es uns, die Bildautoren aus- GGHGHU(OWHUQ8QGDXFKZHLWHUKLQVSLHOHQ5HOLJLRQHU(OWHHUQ8QGDXFKZHLWHUKLQVSLHOHQ5HOLJLRQ XXQXQGHWKQLVFKH,GHQWLWlWIUGLHOHEHQVZHOWOLFKHQQGHHWKKQLVFKH,GHQWLWlWIUGLHOHEHQVZHOWOLFKHQ ((U(UIDKUXQJHQUIIIDDKKUXXQJHQ XQGMuslimische2 2ULHQWLHUXQJHQULHQWLHUXQJHQ YRQ MXQJHQMXQJHQ Zivilgesellschaft – gibt es sie eigentlich? 00X0XVOLPHQXXVVOLLPPHQ HLQH SUlJHQGHSUlJHQGH 5ROOH 'HQQRFK LVW HHVHVJHUDGHDXFKLQGHU%HJHJQXQJXQG$XVHLV JJHHUDDGH DXFK LQVon GHU%HJHJQXQJXQG$XVHL Olaf Zimmermann STEFANIE ERNST IM UND OLAF HAHN QQDQDQGHUVHW]XQJPLWGHUGHXWVFKHQ*HVHOOVFKDIWDQGHUUVHW]XQJPLWGObHUGHXWVFKHQ*HVHOO nun der Islam zuVFKDIW Deutschland gehört YYRYRQJUR‰HU%HGHXWXQJGDVVMXQJH0XVOLPHLKURRQQJJURR‰HU%HGHXWXQJGDVVMXQJH0XVOLPHLKU findig zu machen. Wir freuen uns daher über oder ob die Muslime zu Deutschland ge- 66H6HOEVWYHUVWlQGQLVHQWZLFNHOQHOEEVVWYYHUVWlQGQLVHhören,QWZLFNHOQ über diese nur auf den ersten Blick semantischen Verschiebungen findet in Deutschland im Kern eine Auseinander- setzung über die Grundlagen unseres Ge- meinwesens statt. Spielt Religion in einem GESPRÄCH MIT EROL PÜRLÜ weitgehend säkularisierten Gemeinwesen jeden Hinweis und werden nicht aufgeführte überhaupt noch eine Rolle? Und wenn ja, welchen Stellenwert hat sie? Gibt es Religio- nen erster Klasse wie das Judentum und das Christentum, Religionen zweiter Klasse wie den Islam und dann die anderen? Und wenn ja, welche Bedeutung haben dann zivilge- sellschaftliche Organisationen religiöser Prägung? Gibt es auch hier eine Rangfolge? Bildautoren in der nächsten erreichbaren

pannende Fragen, die auf den dahinterliegen- Sden Diskurs verweisen, wenn über Muslime und Zivilgesellschaft nachgedacht wird. Muslime und Zivilgesellschaft – diese Fragestellung hat mindestens zwei Dimensionen. Zum einen geht es um das Engagement von Muslimen in zivil- Ausgabe von Politik und Kultur nennen. gesellschaftlichen Organisationen wie Vereinen oder Stiftungen abseits von religiösen Fragen. Zum anderen geht es um die Frage der musli- misch geprägten organisierten Zivilgesellschaft, das heißt jene Vereine und Organisationen, die sich aufgrund eines gemeinsamen religiösen Hintergrunds zusammenschließen.

Muslime in zivilgesellschaftlichen Organisationen Gefördert aus Mitteln der Robert Bosch Muslime gehören selbstverständlich zivilgesell- schaftlichen Organisationen an. Sie sind Mitglied Stiftung.