SWR 2 Künstlerisches Wort/Literatur

SWR2 : Feature am Sonntag

Redaktion : Gerwig Epkes/SWR 2

Regie : Gabi Schlag

Sendung : 28.07.2013, 14.05 h – 15.00 h

Ehre geht in die Luft

Der Flufhafen Rangsdorf und seine Helden

Von Gabi Schlag

Sprecher: Frank Arnold

Mario Hassert

Produktions-Nr. : 1001999

Produktion : Autorenproduktion in Berlin am 8.;11. und 12. Juli 2013

Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers . © by the author

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((Atmo Motorengeräusch Bücker Bestmann))

Sprecher 1 Berlin 1935. Gerade hat Reichsluftfahrtminister Hermann Göring die Gründung der Luftwaffe bekannt gegeben. Jetzt sucht er nach einem See, den er als Wasserflughafen für die olympischen Spiele ausbauen kann. Seine Wahl fällt auf Rangsdorf, eine kleine Gemeinde südöstlich von Berlin. Die anderen Berliner Seen sind zu belebt. Doch warum eigentlich nur ein Wasserflughafen?

((Atmo Bückermotoren))

Göring beschließt, auch gleich noch einen Landflughafen anzulegen, dazu ein Haus für den AERO-Club Deutschland, eine Reichsschule für Motorflug und ein neues Werk für Schul- und Kunstflugzeuge aufzubauen: Die Bücker Flugzeugwerke.

(( Militärmusik geht über in ))

((Atmo Schritte Glasklirren, Laufen durch Gestrüpp))

O-Ton Alfred Bayer

Wir betreten jetzt das Bückergelände, was ja 1936 gegründet wurde, und die Bückerbauten, die ersten Bauten wurden 36 hier gebaut, werden wir uns jetzt gleich alles angucken, welche Hallen, wo was gemacht wurde. Wo ich noch drum bitten würde, die Hallen nicht betreten, weil stark einsturzgefährdet, Scheiben können runterfallen oder so, dass wir immer ein bisschen Abstand nehmen und auch mal auf die Erde gucken, da liegen alte Nägel rum, alte Glasscheiben. Hier war das Büro von dem Bücker, da wohnt jetzt der Künstler drin, macht ganz gute Bilder. Original Bückerlogo, ist mal runtergefallen, Künstler hat Logo wieder aufgebaut. Originaleingang von den Werken. Das ist die Halle 1, die Montagehalle, da wurden die Flugzeuge zusammengebaut.

O-Ton Siegfried Wietstruck 2

Die hab ich ja auch unter Denkmalschutz stellen lassen, das nehmen mir manche noch übel. Deshalb stehen auch noch die Bückerhallen, sonst wären die auch schon längst abgerissen.

Alfred Bayer und Siegfried Wietstruck sind Mitglieder des Bückerflugzeugmuseums, am Rangsdorfer See. Siegfried Wietstruck hat dafür gesorgt, dass die Relikte des Flughafens unter Denkmalschutz gestellt wurden und er hat das Museum gegründet. Alfred Bayer ist aktiver Flieger, hat als einer der wenigen eine Sondererlaubnis, den ehemaligen Flughafen Rangsdorf mit den Bückerwerkshallen zu betreten. Die Hallen ragen als schwarze Gerippe anklagend gegen den grauen Himmel. Einzig die Kantine und die Bückervilla stehen unverzagt im Dreißiger Jahre Stil, originalrenoviert am Ursprungsort

O-Ton Alfred Bayer

Hier vor uns war die Kantine, hat man so gelassen. Da links oben ist das Bückerlogo wieder dranne. 1952 hat der das original wieder einbauen lassen. Heisst zwar Bückervilla, aber da hat der nie drin gewohnt, der hat in Berlin gewohnt.

Sprecher 1 Inhaber der Bückerwerke ist Carl Clemens Bücker, ein fortschrittlicher Mann. Bereits Anfang der 30er Jahre hat er in Berlin-Johannisthal ein ansehnliches Werk für Schulflugzeuge mit 2000 Mann Belegschaft aufgebaut, bevor er nun nach Rangsdorf umzieht. Bücker baut die besten Schulflugzeuge der Welt. Helmut Lehmann – heute 85 - war bis 1944 Lehrling in den Bücker- Flugzeugwerken

((Atmo Bückermotoren, Werkstattgeräusche, Schraubenschlüssel etc.))

O-Ton Helmut Lehmann

Also, hier war der Eingang zum Werk, dort war die Eingangskontrolle mit Stempeln usw., und links in diesem Gebäude dort war unsere erste Lehrwerkstatt. Und geradezu war unser Appellplatz, vor der so genannten Halle Eins, das 3 war die Produktionshalle, die Halle Eins, da haben wir jeden Morgen unseren Appell durchgeführt, Frühappell,

((Atmo Appell))

20 Minuten so ca., und dann haben wir unsere Arbeit begonnen. Ich habe dann gearbeitet an dem Bü 181 Bestmann. Das war eine erstklassige Schulmaschine, zwei Sitze nebeneinander und ideal geeignet für die Ausbildung von Jagdfliegerpiloten, kann man sagen. Und natürlich nicht nur deshalb. Auch eben als Reiseflugzeug. Und mit dieser Maschine konnte sogar auch Kunstflug gemacht werden.

((Atmo Motorengeräusch Bücker Bestmann))

O-Ton Klaus Lewandowski

Ich bin ja praktisch mit dem Geräusch der Hirth- Motoren der Bückerflugzeuge großgeworden, das war am Tag die Musik, die mir in den Kinderwagen gelegt wurde, es war hervorragend, und wenn einmal völlige Ruhe herrschte, dann war das Kleinkind, das ich damals war, schon unruhig und guckte an den Himmel, wo sind denn die, die hier sonst herumkurven.

Klaus Lewandowski ist der Sohn eines Offiziers, der am Flughafen Rangsdorf für das Amt Canaris, den militärischen Geheimdienst, tätig war. O-Ton Karsten Hansen

Man hörte von etwas Entfernung, vom Flugplatz die Flieger landen und starten, das ist übrigens auch ein nettes Erlebnis, was ich immer hatte, wenn meine beiden größeren Brüder in die Schule, die Volksschule in Rangsdorf gingen, dann legte ich mich auf den Rasen und guckte nach oben, und hab die Flugzeuge beobachtet,

Karsten Hansen ist der Sohn des Widerstandskämpfers Georg Alexander Hansen, ebenso wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg 1944 nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli hingerichtet wurde.

4 und seitdem hab ich schon immer eine gewisse Zuneigung zu der Luftfahrt, die ja damals noch nicht so ausgebaut war wie heute. Und wenn dann am Rangsdorfer Flughafen meinetwegen am Tag zwei, drei Flugzeuge ankamen, dann war ich schon zur Stelle, ich hörte schon die von weitem kommen, und die Ju 52, das Flugzeug, womit mein Vater auch oft geflogen ist, die hatte ja einen ganz besonderen Klang.

((Motorengeräusch Ju 52))

O-Ton Klaus Lewandowski

Ein Unternehmer, der Flugzeuge bauen wollte, der konnte das kurz nach dem Ersten Weltkrieg nicht aufgrund des herrschenden Verbotes. Mit dem Konstrukteur Anders Andersson hat Clemens Bücker diese Doppeldeckerfertigung in Berlin-Johannisthal in Provisorien ins Leben gerufen.

Sie waren in aller Welt beliebt. Sie waren einfach konstruiert, sie waren optimal aerodynamisch ausgeformt, sie hatten eine hohe Festigkeit und waren deswegen für den Schulbetrieb ebenso angesagt wie für den Kunstflug. Insbesondere der Typ Bü 133 Jungmeister galt bis lange nach dem 2. WK als weltbestes Kunstflugzeug. Sehr wendig um alle drei Achsen, sehr gut steuerbar und ausreichend motorisiert mit dem Siemens SH14 Sternmotor, luftgekühlt. Und er setzte also Maßstäbe insofern, dass bis nach Amerika diese Maschine nicht nur damals, sondern auch heute noch geflogen wird, und nach dem Krieg noch Kunstflugmeisterschaften mit dieser Maschine gewonnen werden konnten

((Atmo Menschenmenge klatscht))

Und der Kunstflug spielt eine große Rolle, Mitte der Dreißiger, als man - nach der großen Schlappe des ersten Weltkriegs - endlich wieder fliegen darf.

((Musik George Autheil, Ballett Mecanique))

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Die Fliegerei begeistert jung und alt, Mann und Frau, die Fliegerinnen wie Elly Beinhorn, Luise Hoffmann, Liesel Bach, Vera von Bissing sind in aller Munde und sehr bald macht auch eine junge Frau von sich reden, die später als Beate Uhse Geschichte schreiben wird. Beate Uhse, damals noch Köstlin, ist eine der wenigen weiblichen Praktikanten des Flugzeugbauers Bücker auf dem Flughafen Rangsdorf. Schon als kleines Mädchen ist das Fliegen ihre große Leidenschaft, und dann bekommt sie ihre Chance, wie sie in einem Interview des SWR 1998 erzählt

O-Ton Beate Uhse 18:40 (….) so treibt man sich herum, immer auf dem Flugplatz, (…) und hofft dass man mal hier einen kleinen Auftrag kriegt, das zu fliegen und hier mit einem Gast zu fliegen und da mal schnell einen Werkflug zu machen. Da hatte ich großes Glück. Ich arbeitete als Praktikantin bei den Bücker-Flugzeugwerken, (…) Dann habe ich drei Monate in der Lehrwerkstatt gearbeitet und nachdem ich das gemacht habe, kam ich von Abteilung zu Abteilung, war zum Schluss in der Montageabteilung in der Einfliegerei. Dann fehlte ein Pilot, weil wir einen Riesenauftrag nach Japan hatten und der Chefpilot dann mitging, dann sagten sie, ehe wir für drei Monate einen neuen anstellen, wir haben doch so eine kleine Praktikantin, die kann doch fliegen und die einfachen Sachen kann sie doch machen. Glück muss man haben.

Die allgemeine Kunstflug- und Filmbegeisterung lässt immer mehr Fliegerfilme aus dem Boden sprießen und Beate Köstlin – nunmehr Uhse, sie hat mal kurz ihren Fluglehrer geheiratet – hat erneut Glück. Als eine Filmfirma bei Bücker anfragt, ob er einen Piloten hätte, der ein Flugzeug am Boden rollen und es fliegen könne, während die Schauspieler hinten die tollen Burschen markierten, fällt dem die kleine Praktikantin ein. Weil sie so klein ist und sich gut auf dem Pilotensessel unsichtbar machen kann. Sie dreht dann 1940 den Propagandafilm „Achtung, Feind hört mit“ als Double für René Deltgen und 1938 „D III 88“.

((Atmo Filmausschnit „Achtung, Feind hört mit“))

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Wer flog oder gar ein Flugzeug besaß , war ein Ritter der Lüfte und hatte den Nimbus des Abenteurers. So wie Heinz Rühmann, der seine Flugausbildung bereits 1930 abgeschlossen hatte. Der erfolgreiche Schauspieler hatte mehrere Flugzeuge in Rangsdorf stehen und weilte oft im AERO Club direkt am See, wo er mit seiner Maschine fast bis an die Terrasse rollen konnte. Hier warteten die schönen Frauen reihenweise auf den Tausendsassa, der mit dem Film „Quax der Bruchpilot“ sein Fliegerimage auch im Krieg zu pflegen wusste. Im Bericht des Rangsdorfer AERO Clubs heißt es:

Sprecher 3 „Allwöchentlich ist Rühmann auf dem Flughafen Rangsdorf anzutreffen. Als unser Reporter den Schauspieler draußen in Rangsdorf besuchte, war er gerade dabei, mit seinem Freund Ernst Udet einen Erkundungsflug zu unternehmen. „

Ernst Udet war einer der bekanntesten Jagdflieger des Ersten Weltkrieges. Mit 62 Abschüssen galt er als ein Jagdflieger-Ass und war nach Manfred von Richthofen der zweiterfolgreichste Jagdpilot des ersten Weltkrieges. Ein kühner Held, der über Wagemut, Unerschrockenheit, Kühnheit, aber auch Großmut dem Feind gegenüber verfügt.

((Atmo „Ein Fliegerleben, ein Heldenleben“, 1941))

O-Ton Laurenz Demps, Historiker Die Ritter der Lüfte so heißt das ja waren Flugbegeisterte . Sie fliegen rum, sie lernen die Welt kennen. Sie sind ritterlich, während da unten die Kanonen donnern und die Maschinengewehre und das Schlachtfeld erobert und Menschen zerstört, bleiben sie die einsamen Ritter der Lüfte. Das ist alles Legende und alles Quatsch. Das ist eine sehr gute Methode Menschen dazu zu bringen aus ihrer Sportbegeisterung heraus den Beruf Militärflieger zu lernen.

Einer dieser Ritter der Lüfte war der Jagdflieger Ernst Udet

Udet ist das Charisma, der Flieger des 1. Weltkrieges, hoch dekoriert, der Kunstflieger mit internationaler Erfahrung, der sich in den 20er Jahren über Luft gehalten hat mit allen 7

möglichen Sportvorführungen, wo auch diese Flugbegeisterung genutzt wurde. Mein Vater erzählte, dass der auf einem Flugplatz mit der Tragfläche ein Taschentuch aus dem Rasen aufheben konnte. Das sind Dinge, die jetzt in diese Richtung „die Deutschen sind ein Volk der Flieger“ gehen.

((Atmo „Ein Fliegerleben, ein Heldenleben“, 1941))

O-Ton Klaus Lewandowsky Um es für heutige Ohren verständlich zu machen: er war eine Kultfigur. Und dieser Kult wurde auch geschickt ausgebaut. Mut und Einsatzkraft und er hat für uns Kinder den Siegertyp stilisiert. So hab ich das in Erinnerung,

((Musik: Marc Blitzstein, Airborn Symphony steht frei)) Sprecher 1 Nach dem ersten Weltkrieg hat der Flieger Ernst Udet Schwierigkeiten, sich im Alltag zurechtzufinden. Er probiert vieles aus, beginnt Sportflugzeuge zu bauen, wirkt als Schauspieler in einigen Filmen mit (Atmo Stürme über dem Montblanc) versucht sich als Kunstflieger und beteiligt sich an abenteuerlichen Flugexpeditionen nach Afrika und Grönland, (Atmo Cockpit) unstet und relativ erfolglos. Bis 1933 sein Freund Hermann Göring Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe wird (Atmo Rede Göring: ein Volk der Flieger)

und dem Fliegerhelden des Ersten Weltkriegs Ernst Udet das Amt des Generalluftzeugmeisters überantwortet. Dieses Amt erfordert vor allem logistische und organisatorische Fähigkeiten, zahlreiche Dienststellen und Ämter sind ihm zugeteilt, darunter auch die Flugübungsstelle Rangsdorf.

((Musik Arthur Honnegger, Symphonie Nr.2, 1. Satz))

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Ende 39 ist Ernst Udet für die gesamte Flugzeugentwicklung und - produktion zuständig, aber auch für Beschaffung, Nachschub und Versorgung. Ihm, dem tollkühnen Jagdflieger, unterstehen 26 Abteilungen mit 4000 Offizieren, Beamten und Ingenieuren, die zwar für alles zuständig, jedoch für nichts selbst verantwortlich sind

O-Ton Laurenz Demps, Historiker Ernst Udet bekommt im Zuge der Aufrüstung die Bezeichnung Generalluftzeugmeister. Das ist eine sehr altmodische Erklärung. Wir müssen uns das so vorstellen, man nimmt hier Traditionsbegriffe auf. Ein Schirrmeister ist in der nichts weiter als ein technischer Offizier und ein Generalluftzeugmeister ist verantwortlich für die Organisation der Produktion für die Entwicklung von Typen für die Luftwaffe. Auf Udet soll der Sturzbombers Ju86/87 zurückgehen, also das Einbauen von Sirenen. Aber Udet war Flieger und er hatte nicht die Ausbildung, die notwendig war, um die ganze technische Seite der Luftrüstung, das war ja sein Verantwortungsbereich, im Heer wäre das Heereswaffenamtleiter, da war er total überfordert.

((Musik Arthur Honnegger, Symphonie Nr.2, 1. Satz))

Sprecher 1 Am 17.November 1941 nimmt Udet sich mit einer Pistole das Leben. Göring kommuniziert einen tragischen Unglücksfall, während Udet für Volk und Vaterland gedient habe.

O-Ton Klaus Lewandowski

Selbst sein Ableben, sein Tod mit Geheimnis umwoben, sein Selbstmord wurde als Heldentod geehrt.

Wir waren ja nun sechs, acht, zehn bei Kriegsende, und man brauchte ja vorher solche Figuren, die man als Helden stilisierte und denen man nacheifern musste oder konnte, sollte, klar, und deswegen sind wir ja auch alle schon 1945 im Januar vorfristig in die Hitlerjugend gekommen, und empfanden das natürlich als Ehre, dabei zu sein. Welche Unehre das war, haben wir später erst erfahren. 9

Helmut Lehmann: So ist es.

((Atmo „ Ein Fliegerleben, ein Heldenleben“, 1941))

O-Ton Laurenz Demps

Es ist ja Udet, der den Selbstmord macht, und es ist auch der Chef des Generalstabes der Luftwaffe, Jeschonneck, er macht auch Selbstmord, weil eben Einsatzkonzept und die Möglichkeiten nicht deckungsgleich sind. Es ist der Versuch der Quadratur des Kreises und das gelingt eben nicht und dann machen diese Leute Selbstmord, bevor sie zur Verantwortung gezogen werden. Und zur Verantwortung gezogen werden ist ja in der Zeit etwas Furchtbares. So bleibt dann der Ruf erhalten.

Udets Leben und Sterben war Vorlage für den mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichneten Film „Des Teufels General“ (1955)

((Atmo Filmausschnitt des Teufels General)) ((Atmo geht über in Kriegsgeschrei und Schüsse des Polenfeldzugs))

September 1939. Die Realität des Krieges verzerrt das romantische Bild des Fliegerhelden immer mehr. Durch den Einsatz einer großen Anzahl schneller Jagdflugzeuge schwindet die Gelegenheit eines romantisierten Zweikampfes „von Mann zu Mann“.

((Ausschnitt Wochenschau geht über in))

((Musik Dimitri Schostakovitsch, Symphonie Nr. 5, 1. Satz))

Die erfolgreiche Koordination aller Kräfte und die Art des Einsatzzieles bestimmen den Ablauf. Über Sieg oder Niederlage im Luftkampf entscheidet selten nur persönliche Leistung der Piloten, sondern hauptsächlich technische oder konzeptionelle Vor- oder Nachteile. 10

((Musik Dimitir Schostakovitsch, Symphonie Nr. 5, 1. Satz geht über in)) ((Bombenalarm)) Auch für den Sportflughafen Rangsdorf beginnt mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Vorbei ist es mit dem gesellschaftlichen Rangsdorf, wo die Berühmtheiten sich im Kunstflug ergehen, und schneidige Flieger auf der Terrasse des AERO Clubs ihren Sekt schlürfen. Vorbei die Zeit, als hier technische Innovationen reifen konnten.

((Atmo Schritte und Türenöffnen))

Auf dieser Terrasse des Aeroclubs wurde 1938 der erste deutsche Hubschrauber getestet. O-Ton Alfred Bayer das hier ist der Eingangsbereich. Und da ist der See.

Wir können mal weitergucken, wir haben von der Mensa nen besseren Blick. Hier sieht man den Strand, hier haben sie gesessen. Da hinten war der Aeroclub. Und da drüben sehen wir die Mensa, wie sie früher ausgesehen hat und wie sie jetzt aussieht. Fenster, Deckentäfelung, alles original.

Alfred Bayer führt uns in den ehemaligen Aeroclub, der im letzten Jahr zum Internat und zur Ganztagsschule ausgebaut wurde.

Wenn man rausguckt auf die Wiese, da hat Fokke seinen ersten Hubschrauber getestet. Wie er mit dem Hubschrauber schwebt. Das waren die Anfänge des Hubschrauberfluges.

((Atmo Hubschrauber))

O-Ton Siegfried Wietstruck 38, da flog schon ein Hubschrauber. Henrich Fokke war der Erfinder dieses ersten Hubschraubers F-61, der dann lange Zeit alle Rekorde, Hubschrauberrekorde hielt. Der wurde 38 in Rangsdorf vorgestellt. Der landete erst auf dem Flugplatz, und da war dann im Aeroclub eine Versammlung der internationalen Sportfliegerorganisation, und denen wollte er das zeigen, und der Karl Bode, der den flog, der ging dann zum Flugplatz und ließ den Motor laufen, und der

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Flugplatzwart, der daneben stand, sagte: jetzt muss ich doch aber die ganzen Maschinen hier wegräumen, damit die Maschine starten kann. Und da hat dann Fokke gesagt: brauchen Sie nicht zu machen. Und dann schilderte Fokke wie der andere dastand, sich die Hände klatschte und – den Mund weit aufgerissen – völlig sprachlos war, wie so ein Flugapparat sich senkrecht in die Luft erheben kann

Sprecher 1 Im Oktober 1939 befiehlt Hermann Göring die Einstellung des gesamten zivilen Luftverkehrs. Da er massive Luftangriffe der Westmächte befürchtet, lässt er den Flughafen Tempelhof schließen. Der gesamte Zivilflugverkehr wird nach Rangsdorf verlagert. Am 4. Oktober 1939 wird Rangsdorf zum Internationalen Flughafen von Berlin

O-Ton Klaus Lewandowsky

Der Flugplatz ist ein so genannter kreisrunder Grasplatz mit einem Durchmesser, für Flugzwecke vermessen, von 1.000 Metern, also einem Kilometer, hatte den Vorteil, dass man bei Wechsel der Windrichtung in jede Windrichtung gegen diesen Wind starten konnte. Und es gab auch vereinzelte Betonrollbahnen hier, denn, wie wir wissen, ist ja Rangsdorf der Verkehrsflughafen von Berlin zwischen 1939 und 1940 gewesen, und war der Endpunkt vieler internationaler Luftfahrtlinien, so z.B. im Januar 1940 der Endpunkt der wieder ins Leben gerufenen Luftfahrtverbindung Moskau – Berlin. Es sind also hier mit russischen Lizenztypen, aus amerikanischer Produktion DC3 bzw. Li 2 in Passagierausführung geflogen und hier gelandet worden, und in dieser Zeit wurde selbst Flugzeugen der Lufthansa, z.B. der Ju 90 gestartet und gelandet.

O-Ton Laurenz Demps Der internationale Flugverkehr und auch der nationale blieb aufrecht erhalten: nach Spanien, nach Schweden konnte man nach wie vor fliegen, obwohl Krieg war, denn diese Länder

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befanden sich mit Deutschland nicht im Krieg und der Flugverkehr wurde von Rangsdorf aus organisiert. Anders gesagt, man traf sich am Bahnhof Friedrichstraße an einem Reisebüro und wurde dann mit Bussen geschlossen nach Rangsdorf gebracht und dann in die Maschinen die international und national verkehrten, gebracht.

Sprecher 1 1940. Die massiven Luftangriffe auf Tempelhof bleiben aus. Die deutsche Luftwaffe wähnt sich unbesiegbar.

((Musik Edgar Vares, Ionisation, Ameriques))

Am 7. März 1940 befiehlt Göring die Zurückverlegung des internationalen Flughafens nach Tempelhof. Rangsdorf wird nun endgültig zum Feldflughafen. 1941 sind bereits 1000 Mann hier stationiert. Da der Platz bald nicht mehr ausreicht, überschwemmen Offiziere und Soldaten Rangsdorf, Dahlewitz und Umgebung. Über Rangsdorf wird ein vielfältiger Kurierdienst verwirklicht. Und hier macht Heinz Rühmann wieder auf sich aufmerksam. Weil im Krieg alle Privatflüge verboten sind, absolviert der Vielflieger Heinz Rühmann eine militärische Grundausbildung. Er fliegt in Rangsdorf Bückermaschinen, um angeblich Fahrgestelle zu testen und wird durch seine Beziehungen zu Admiral Canaris als Kurierflieger eingestuft. Rangsdorf ist zwar nicht mehr internationaler Flughafen, hat aber von seiner Wichtigkeit nichts eingebüßt.

O-Ton, Laurenz Demps, Historiker Das kann man so sagen, dass Rangsdorf der wichtigste Punkt ist für das Militär, wenn Offiziere, Generäle, Marschälle, Minister von Berlin oder nach Berlin mit einem Flugzeug kommt wegen der schnelleren Verbindung geht das von Rangsdorf. Der Verkehr zwischen Berlin und den militärischen Stellen in Berlin/Wunstorf und dem Führerhauptquartier Ostpreußen, der Flugverkehr geht über Rangsdorf. Es hatte in diesem Bereich eine eminente Bedeutung. O-Ton Siegfried Wietstruck 13

Was hier für Maschinen standen, das ist unwahrscheinlich. Diese B-17 Flying Fortress, also die Fliegende Festung hier dieser amerikanische Vier-Motoren-Bomber, der wurde über der Normandie beschädigt, musste notlanden, wurde instandgesetzt, dann wurde er vorgeführt bei den Jagdfliegereinheiten, damit die wissen, wie der… der war ja ringsum bewaffnet – wie der am besten anzugreifen und abzuschießen wäre, und dann kam er nach Rangsdorf, diese große Maschine, und von hier aus wurden dann Agenten der und vom Reichssicherheitshauptamt hinter die feindlichen Linien geflogen, also in die Sowjetunion und in den Kaukasus und wo die überall hingeflogen sind, abgesetzt per Fallschirm dann. Also, Rangsdorf hat schon eine interessante Rolle gespielt.

September 1940. Aus Rangsdorf ist ein Fliegerhorst geworden. ((Atmo Tower Rangsdorf)) O-Ton Laurenz Demps Das ist wieder der Versuch, durch alte Begriffe eine Dynamik in die Sprache zu bringen. Ein Horst ist eigentlich das Nest eines Adlers. Horst ist der Heimatort der Flugzeuge. Und dann wird es um Berlin aufgebaut. Jagdfliegerhorste in Eberswalde, wo die Jagdflieger stationiert werden, die Berlin schützen sollen. Und Rangsdorf wird auch einer dieser Fliegerhorste, allerdings mit einem Unterschied, denn da ist Produktion von Flugzeugen und der Kurier und Nachrichtenverkehr. Also nicht nur Jagdflieger, die die Reichshauptstadt schützen sollen, sondern eben auch Nachschub, Informationen, die mit Flugzeugen ausgetauscht werden. Das macht die Besonderheit von Rangsdorf aus. Ist natürlich alles militärisch geleitet. Dieser Teil des Transportwesens, Menschen, Material. Nachrichten mit Flugzeugen transportieren, das ist das Besondere in Rangsdorf.

Und Informationen über das Wetter, denn Rangsdorf verfügt über eine berühmte Wetterwarte. Und über den Wetterinspektor Heinrich Scheel, der alle Informationen, die er kriegen kann an Kurt

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Schumacher und Hans Coppi weiterleitet – Mitglieder der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen-Harnack, die von der Gestapo als „Rote Kapelle“ bezeichnet wird.

O-Ton Siegfried Wietstruck

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Der Heinrich Scheel wurde als Wetterdienstinspektor hier eingesetzt, hatte in Halle 1 im Turm seinen Sitz, hatte die Aufgabe, für die Flugbesatzungen vorherzusagen, welches Wetter sie erwartet. Aber da er ja nun Mitglied dieser Widerstandsgruppe war, hat er dann auch festgestellt, aha, da gibt es die und die, und die haben den Flugbefehl da und da hin, denn bei den Unterhaltungen im AeroClub oder wo auch immer, da verplauderten sich die Piloten auch mal, welchen Auftrag sie hatten… er bekam dann eben raus, welche Maschinen in welcher Stärke und welcher Richtung das ging.

O-Ton Laurenz Demps Diese Wetterstation war deshalb wichtig, weil sie nur das lokale Wetter für Berlin beobachten konnte, dort aber die Nachrichten einflossen aus anderen Wetterstationen, die man dann weiterleitete an den Generalstab der Luftwaffe, damit man wusste, welche Großwetterlage in Europa herrscht für die eigenen Flugzeuge aber auch für die Beobachtung der alliierten Flugzeuge dann. Diese Wetterstation war dadurch eine zentrale geworden und man konnte dort Nachrichten über das Wetter, die konnte man auch umsetzen. Die alliierten Bomber kamen am liebsten in mondhellen Nächten, damit sie sich orientieren konnten. Und Heinrich Scheel hat den Flugverkehr beobachten können, nicht den Kampfeinsatz, sondern welche Flüge gehen mit wem wohin und diese Wettergroßlage beobachten können. Und das hat er dann an Hans Coppi weitergeben können, an den Widerstandskreis Rote Kapelle .

((Musik Marc blitzstein, Airborn Symphony steht unter Text))

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Die Rote Kapelle will den Krieg beenden. Sie dokumentiert die Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Nationalsozialisten und wendet sich mit Flugblättern und illegalen Schriften an die Öffentlichkeit. Sie versteckt Verfolgte, sammelt Lebensmittelkarten und organisiert Fluchthilfe. Über Funk spielt sie den Sowjets sämtliche Informationen zu, über die sie verfügt. Im Spätsommer 1942 wird die Rote Kapelle von der militärischen des Oberkommandos der Wehrmacht aufgedeckt. Einundneunzig Männer und Frauen, die tapfer Widerstand geleistet haben. Achtundvierzig von ihnen werden hingerichtet. Heinrich Scheel wird gefangen genommen und ins KZ gesteckt O-ton Laurenz Demls Er hat´s überlebt. Er ist zu 5 Jahren verurteilt worden, weil man das alles nicht als so wichtig angesehen hatte. Was sind Wetternachrichten. Wenn er noch andere Nachrichten weitergegeben hat, was stimmte, das musste man ihm beweisen und Wetternachrichten sind ja nun nicht militärische Geheimnisse im engeren Sinne.

Heinrich Scheel wurde zum berühmten Historiker der DDR, Laurenz Demps hat noch bei ihm an der Humboldt-Universität Vorlesungen gehört

O-Ton Laurenz Demps Ich hatte 62 im Wintersemester, ich habe den Seminarschein noch gefunden, bei ihm ein Spezialseminar gemacht. Er war Angehöriger der Akademie der Wissenschaften damals im Range eines Oberassistenten und die hatten das Recht teilweise auch die Pflicht an der Uni zu lehren . Wir hatten uns oft getroffen bei wissenschaftlichen Veranstaltungen. Er war international sehr geachtet. Wir trafen uns dann bei Verteidigungen, er war ja Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und das war so überaus angenehm. Wenn das Gelaber losgeht, sagte er dann jetzt mal zur Sache wir wollen über Inhalte reden.

Und noch ein Mann des Widerstands operierte von Rangsdorf aus: Am 20. Juli 1944 verlässt Claus Schenk Graf von Stauffenberg kurz nach sechs seine Wohnung in Berlin Wannsee und 16 lässt sich in die Stadt fahren, wo Werner von Haeften zusteigt. Die beiden rasen in schneller Fahrt zum Flughafen Rangsdorf. Oberst von Stauffenberg soll an diesem Tag in der „Wolfsschanze“, dem Führerhauptquartier, einen Vortrag halten. Doch eigentlich will er Hitler töten. In seiner Aktentasche hat er die Bombe, die er in der Wolfsschanze deponieren möchte, dann will er sich unter einem Vorwand zurückziehen. Das Flugzeug Heinkel He 111 startet Punkt sieben Uhr auf dem Flughafen Rangsdorf. Es landet pünktlich um 11.00 Uhr auf dem kleinen Flugplatz der Wolfsschanze und Stauffenberg und sein Adjutant verlassen die Maschine. Um 13.00 Uhr erscheinen Stauffenberg und sein Adjutant erneut, ohne Aktentasche, und besteigen die wartende Maschine in aller Hast.

Ebenfalls an Bord: der Bordfunker Oswald Bauernschubert, heute 95.

O-Ton Oswald Bauernschubert Komisch war nur, dass wir den Befehl in der Frühe erst bekommen haben und der Start ist auch unsicher, hat’s geheißen. Und da waren wir 11 Uhr, waren wir am Platz, am Flugzeug, einen Probelauf gemacht der Motoren, dass sie alle sauber laufen, und war in Ordnung, halb 12 noch mal, 12 noch mal, nachher um halb eins auf einmal hat’s geheißen, wir müssen nach Rastenburg, Rastenburg hat einen großen Flugplatz gehabt, bei Rastenburg, und einen kleinen direkt an der Wolfsschanze, aber wir sind den kleinen haben wir anfliegen müssen, das mussten schon gute Flugzeugführer sein, wir sind mit der Ju auch dort gelandet, und mussten dort hinfliegen, und wir waren kaum dort, kommt ein Jeep und nicht schnell genug ins Flugzeug rein und nach Berlin, das ist uns vorgekommen, warum muss das so rasch sein? Aber warum, wussten wir ja nicht, wir dachten ja nichts, ne? Auf dem Flugbefehl war schon gestanden, Stauffenberg. Das haben wir gewusst, haben wir einen Stauffenberg und seinen Adjutanten fliegen müssen.

((Atmo Flugzeugtüren werden geshlossen, Fahrwerk eingefahren, Startgeräusch))

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O-ton Oskar Bauernschubert

Gewundert haben wir uns über dass alles so schnell gehen musste. Und vor allem er hat’s eilig gehabt, ins Flugzeug reinzugehen, das hat mich gewundert, warum hat’s der so eilig, wieder nach Berlin zu kommen? Ist das wirklich so? Von dem Attentat hab ich ja, wir haben ja nichts gehört, waren ja 30 km entfernt, und da wussten wir nichts. Und der ist eingestiegen, und sein Adjutant mit, und ich hab bloß, die haben sich da hingesetzt, ich einmal zurückgeguckt, da haben sie all die Akten dort gehabt und haben sich miteinander besprochen. Da haben sie schon besprochen, und einmal ist der Adjutant, sein , mal vorgekommen, mit wem ich Funkverkehr hab. Und da hab ich gesagt, mit Rangsdorf. Mit Rangsdorf hab ich mich schon angemeldet, dass wir unterwegs sind. Ja, ja, ist gut, hat er gesagt, wie lang fliegen wir denn noch? Da hab ich ungefähr ausgerechnet, so viele Minuten, das hat den halt pressiert. Da ist er wieder hintergegangen, das war alles, nicht. Und Rangsdorf sind wir normal gelandet, ausgelandet, abgestellt auf dem Platz, Tür aufgemacht, das Leiterle raus, und da mussten wir als Besatzung als erste raus, und wenn es so hohe Befehlshaber waren, und nachher sind die raus und da mussten wir ja unten eine Ehrenbezeigung machen. Und der Flugzeugführer hat noch gemeldet, Flug beendet, und meistens haben sich die Generale mit einem Handschlag beim Flugzeugführer bedankt, manch einer hat auch die ganze Mannschaft von uns die Hand gegeben, aber meistens nur dem Piloten. Und da der hat nur kurz gedankt. Und das Lädle runter und da war der Jeep schon da wo sie ihn abgeholt haben das war halt der offene Wagen, und geht er hin, und da kommt auch einer noch, macht seine Bezeugung, auch ein hoher Offizier, und da ruft der Stauffenberg: Meine Herren, der Führer ist tot.

((Atmo: Autotüren werden geschlossen, Auto fährt rasant los))

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Stauffenberg und sein Adjutant besteigen einen offenen Mercedes und fahren mit den wartenden Offizieren Richtung Berlin

O-Ton Oswald Bauernschubert

Ach Gott, ich hab gedacht, ein Zentnersack geht in die Knie rein, Hitler ist tot, was ist passiert, wir waren ja Werkzeuge jetzt in dem Moment, wir haben nur geflogen, vom Attentat haben wir ja nichts gewusst.

((Motorenlärm und Auto fährt weg))

Das konnte ja so oder so, für uns war das Fragezeichen. Und der ist abgebraust, kein Mensch hat einen Flugbefehl abstimmen lassen , dass wir angekommen sind, und kriegen eine Essensration für morgens, die haben wir da in der Flugleitung gekriegt, und da sagt der hohe Offizier, was habt ihr denn verbrochen? Ihr dürft den Flugplatz nicht verlassen, ihr dürft euer Zimmer nicht verlassen. Und da sind wir runter aufs Zimmer, und schon waren die Feldpolizei, wie die Kettenhunde, haben wir gesagt, die haben da so ein Wappen gehabt mit der Kette, und da waren‘s für uns die Kettenhunde, Und da haben sie uns nach nem Papier gefragt, seit wann wir wussten, Attentat wissen wir gar nichts, wissen wir gar nichts davon, und wo haben wir unseren Auftrag gekriegt, haben wir den Flugbefehl abgegeben, früh sind wir benachrichtigt worden, haben wir halt das auch gesagt, den Flugbefehl haben sie mitgenommen, und noch einmal ??? dass wir wirklich nichts gewusst haben. Eine Verschwörung usw., ist Ihnen nichts bekannt? Wissen Ihre Vorgesetzten etwas davon? Nee, wissen nix, ist uns gar nichts bekannt. Naja, und am nächsten Tag haben wir die Nachricht gekriegt, wir sind frei, wir dürfen wieder mit unserer Maschine nach Lötzen, nach Ostpreußen zurück. Da sind wir nächsten Tag, sind wir wieder zurückgeflogen. Und wie wir zurückkommen war alles durcheinander, weil unser Staffelkapitän, der Major(…) Der hat gewusst, und den haben wir nie mehr gesehen, ich glaube, der ist unter den ersten dreißig warn, wo erschossen worden sind. 19

O-Ton Klaus Lewandowski

Auch ich habe an den 20. Juli eine wohl nie erlöschende Erinnerung. An diesem Tag setzte sich mein Vater aufs Fahrrad und ich auch, und (er) sagte: wir fahren jetzt mal. Und dann sind wir über Mittenwalde, dort hatte er in dem Brunnenbauer Laurisch einen guten Freund, welcher Art, kann ich nicht sagen hinterher hab ich mir überlegt, denn bei den Gesprächen durften wir Kinder, der hatte auch welche, nicht dabei sein. Und wir sind dann weitergeradelt, immer in Richtung Spreewald. Als wir kurz vor Gallun waren überflog eine He 111 die Straße ziemlich tief. Mein Vater guckte und sagte: Aha. Und dann sind wir aber weitergeradelt, ich bin bald vom Fahrrad gefallen, und dann haben wir eine Pause gemacht und auf dem gleichen Weg zurückgeradelt. Und wir waren im Garten, meine Mutter kam uns entgegen, und sagte zu seinem Vater: es ist passiert.

O-Ton Helmut Lehmann

Wir waren natürlich in dem Sinne erzogen, wir haben das schon bedauert, dass überhaupt dieser Anschlag stattfand. Und dass es dann missglückt war, hat uns im ersten Moment gefreut. Ich sag das mal so. Wir haben das so erlebt, wir waren in der Hitlerjugend, wie das sein musste, und anders kann ich das nicht bezeichnen. Dass wir das dann später anders gesehen haben, das ist ne andere Sache. Aber wir haben, unter uns, die Lehrlinge, wir als Lehrlinge unter uns, … getuschelt. Mehr oder weniger. Und dann uns eben gefreut, dass es nicht geklappt hat.

Georg Alexander Hansen, der Nachfolger von Admiral , war einer der Mitverschwörer Stauffenbergs. In Hansens Haus in Rangsdorf haben sich die Verschwörer oft getroffen, als sie das Attentat planten. Sein Sohn Karsten Hansen erinnert sich:

O-Ton Karsten Hansen, Sohn von Georg Alexander Hansen Und wenn dann die Zeit kam, dass mein Vater Offiziere eingeladen hatte nach Rangsdorf in unser Häuschen,, dann weiß ich, dass oben ein großer oder mittelgroßer Militärwagen vorfuhr. Die Fahrer und das damalige 20

Dienstmädchen, die Katie, und ich, wir saßen dann, in Rangsdorf in der Küche, während die Offiziere im kleinen Rauchzimmer vom Vater, vom Arbeitszimmer neben dem Wohnzimmer gelegen, sich niedersetzten und gewisse Dinge besprachen, wobei meine Mutter eigentlich nie dabei war bei diesen Besprechungen. Der Vater sagte immer: was du nicht weißt, das ist gut, du musst nicht alles wissen, es kann die Zeit kommen, wo das gefährlich sein könnte.

Die damaligen Treffen in Rangsdorf waren sehr eindrucksvoll, weil sie doch zwei, drei Stunden sozusagen im verschlossenen Kämmerlein waren, und sich da mehr oder weniger lautstark unterhalten haben. Wichtig war eben in der damaligen Zeit schon auch, dass man abhörsichere Räume hat. Damals, in der NS-Zeit, die Gestapo war ja allüberall, und man musste schon aufpassen, man erinnert sich ja an das große Plakat, wo draufstand „Feind hört mit“, das musste man ja immer vergegenwärtigen.

O-Ton Siegfried Wietstruck Oberst Georg Hansen wohnte im Grenzweg 1, vorher in Mahlow, er zog dann nach Rangsdorf, und war einer derjenigen, die Kontakt mit Stauffenberg und mit dieser Gruppe hatten, die dann den Umsturz wollten. Das weiß ich jetzt nicht, ob Canaris des Öfteren auch zu Besuch in Rangsdorf war, auf jeden Fall wissen wir, dass er zusammen mit Oberst Hansen auch in einer Gaststätte dort gesehen wurde und ganz offensichtlich auch Kontaktmann war mit Stauffenberg

O-Ton Karsten Hansen

Graf Stauffenberg und mein Vater lernten sich in der Kriegsakademie Berlin 1936 kennen

Als Stauffenbergs Pläne Gestalt annehmen, wird er auch von Georg Alexander Hansen und von Admiral Canaris unterstützt

O-Ton Karsten Hansen

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Mein Vater war dann schon ein fanatischer Gegner Hitlers, und hat sich verstärkt bemüht um die Kontakte herzustellen zwischen der Heeresgruppe im Osten und der Pariser Gruppe. Es war also eine sozusagen neutrale Drehscheibe in Berlin entstanden, im Amt Auslandabwehr unter der Leitung von Canaris, der sich zwar aus dem Technischen rausgehalten hat, Canaris hat aber immer angetrieben und hat immer gefragt: wie weit seid ihr, wann schlagt ihr endlich los, was passiert jetzt, was kommt jetzt

Ende Januar 1944 fliegt Canaris auf und Georg Alexander Hansen wird zu seinem Nachfolger bestellt

O-Ton Karsten Hansen

Die Übergabe von Canaris auf Hansen erfolgte 1944 Ende Januar Anfang Februar, weil Canaris ja eine Persona non Grata geworden war, wegen der Übertritte von Mitarbeitern in der neutralen Türkei nach England, auf jeden Fall wurde dann Canaris in Ehrenhaft geschickt nach Schloss Hohenstein bei Ludwigstadt, also auch im Fränkischen an der Grenze nach Thüringen. Und seit dieser Zeit hat unser Vater das Amt übernommen, das Amt Auslandabwehr, man muss sagen, er40:46hat praktisch bis zum 22 Juli unbeobachtet arbeiten können, er war immer getarnt bis zum 22. Juli. Und konnte seine doppelköpfige, seine doppelschultrige Arbeit ausführen, einmal das Amt zu leiten und mit den Befehlen von oben zu leben, und auch das konspirativ tätig sein. Also, mein Vater war 100%ig in die Pläne einbezogen, er war bei den Besprechungen, er war noch im Juli bei dem ehemaligen Generaloberst Beck, die sich damals noch ausgetauscht haben über das Attentat.

Am 20. Juli kann Georg Alexander Hansen jedoch nicht mit in Berlin sein, Anfang Juli wird die jüngste Tochter Hansens, Dagmar geboren und am 19. Juli 1944 soll die Taufe sein

O-Ton Karsten Hansen

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Mein Vater konnte gar nicht zum 20. Juli in Berlin sein, weil am 15. Juli seine jüngste Tochter geboren wurde und seine Schwiegermutter aus Michelau ihn in Berlin anrief: Du, Georg, du hast eine Tochter, die Taufe ist am 19. Juli in Bamberg bei Burg Ellern. Und da Hansen wusste, dass die Telefongespräche schon seit Mai 44 in Berlin abgehört werden, wenn er also jetzt nach Berlin gekommen wäre, nicht zur Taufe gefahren wäre, wäre die Sache für die Gestapo sehr einfach gewesen, zu vermuten, da passiert irgendwas. Denn die Berliner Luft war damals nicht nur warm, sondern sehr heiß, überall wurde gesprochen, es liegt was in der Luft, es passiert was, und die Gestapo war sehr hellhörig. Hansen fuhr also zu dieser Taufe von der jüngsten Tochter Dagmar, und war am 20. Juli nicht anwesend, kam am 22. Juli nach Berlin zurück, obwohl er wusste per Radio, dass das Attentat gescheitert war.

Obwohl Georg Alexander Hansen weiß, dass Hitler das Attentat überlebt hat und dass der Umsturzversuch gescheitert ist, kehrt er, obwohl er die Möglichkeit zur Flucht hätte, kehrte kehrt er am 22. Juli dorthin zurück.

O-Ton Karsten Hansen

Am 22. Juli fuhr mein Vater auch mit dem Wagen nach Berlin rein zu dem geplanten Essen, saß am Tisch, und da kam Schellenberg rein und sagt: Wir müssen wohl Hansen hierbehalten, ich habe gerade den Oberstleutnant Engelhorn hier sitzen, und es wird einiges über Hansen erzählt, wir müssen ihn wohl hierbehalten. Das war sozusagen der Beginn der Zeit in der Haft von unserem Vater, also, seit 22. Juli sitzt er im Kerker der Gestapo in Berlin und ist dann, glaub ich, nach Moabit überliefert worden, und von da dann nach Plötzensee.

Georg Alexander Hansen geht - gemeinsam mit den Männern und Frauen des 20. Juli - in aufrechter Haltung zum Schafott. Seine Kinder kommen in Sippenhaft.

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O-Ton Karsten Hansen

Es war ja der 20. Juli 44, es war also noch lange Kriegszeit bis Anfang Mai 45. Wir drei Jungs waren in Ilmenau bei der Tante, weil da auch unser Ältester und der zweite zur Schule gehen konnten, was in Michelau nicht möglich war, da kommen jetzt ein oder zwei Männer, die nehmen euch mit und ihr kommt in ein Kinderheim. Wussten wir nicht, was das ist und wir gingen da bereitwillig mit. Unser ältester Bruder hat sicherlich gewusst, worum es geht …

Sippenhaft bedeutete im Nationalsozialismus die Bestrafung eines Verwandten oder Ehepartners für die Straftat eines anderen „Sippenangehörigen“. Diese Art der Haft wurde als Terrormaßnahme gegen politische Gegner und deren Familien angewandt.

O-Ton Karsten Hansen

Himmler hat gesagt, das Verbrechen an dem Attentat wird gesühnt bis ins zweite, dritte und vierte Glied, also immer weiter, und da waren wir Kinder also auch behaftet und…

Drei Monate währte die Sippenhaft. Und mit deren Ende näherte sich langsam, ganz langsam auch das Ende des furchtbaren sinnlosen Krieges. ((Fliegeralarm))

Erstaunlicherweise erlebte der Rangsdorfer Flughafen keinen Luftangriff alliierter Bomber oder Jäger während des gesamten Krieges

O-Ton Laurenz Demps, Historiker Die Flieger haben gesagt, warum sollen wir das zerstören, wenn wir wissen, wir sind eines Tages da. Dann müssen wir es wieder aufbauen und einen Flugplatz brauchen wir. Das ist ein Kommunikationsmittel. Rüstungswerke brauchen wir nicht. Rangsdorf kommt noch dazu, es ist die Bedeutung von Rangsdorf und Wunstorf bei den Alliierten gar nicht bekannt, dass da die Konzentration ist von militärischen Behörden, von Nachrichtenverbindungen. Wenn man heute einen Film

24 macht dann wird immer geschossen, geschossen, geschossen. Aber diese Dinge, die Logistik das ist auch nicht im öffentlichen Bewusstsein.

Und dann kamen die Russen ((Atmo Russen)) O-Ton Klaus Lewandowski

Jede Familie saß in ihrem Haus und hatte Angst. Die Berichte über Gräueltaten der vorrückenden Sowjetarmee bzw Roten Armee wurden ja fast täglich durch den Reichsrundfunk gebracht. Ab und zu ging dann einer raus und guckte, eine von den Frauen meistens, oder Jungen oder Mädchen: Wir haben noch nichts gesehen. Nein, wir sind noch nicht da. Rangsdorf wurde kampflos übergeben, es gab einige sehr mutige Männer, die sind mit der weißen Fahne zum Ortseingang gegangen, und wurden natürlich von russischen Soldaten umringt, und die Fahne ließ man dort, und sie konnten wieder nach Hause gehen.

O-Ton Helmut Lehmann

Nach dem Krieg, als die Russen hier reinkamen, da war natürlich mit dem Werk aus. Und die ganze Obrigkeit hat sich irgendwie verdünnisiert, Richtung Westen. So sehe ich das.

O-Ton Klaus Lewandowski: Man sagt, sie seien mit der Feuerwehr des Bückerwerkes gen Westen gefahren. O-Ton Helmut Lehmann Ja, da wurden sogar noch diese Pilotinnen z.B., Beate Uhse, die hieß damals Beate Köstlin, die hat hier in Rangsdorf ihre Flugausbildung gemacht, und sie ist auch noch weggekommen, und ist dann später irgendwo in Flensburg gelandet und hat dann ihren anderen Weg gemacht, der ja bekannt ist.

So endet die Geschichte des Rangsdorfer Fliegerhorstes der deutschen Luftwaffe im Nationalsozialismus. Sowohl der Ort als auch der Flugplatz mit den Hangars und das verlassene Bücker Flugzeugwerk fielen unzerstört und kampflos in die Hände der Roten Armee. 25

((Atmo Russische Soldatenlieder geht über in))

((Atmo Mücken summen, weit in der Ferne eine leise russische Unterhaltung))

Sommer 1945, neugierig streifen Jungs über den verlassenen Flugplatz. Die Rotarmisten kümmern sich nicht drum, sie haben andere Sorgen. Einer von den Jungs ist Klaus Lewandowski

O-Ton Klaus Lewandowski

Es waren deutsche Motoren, die da rumstanden, und zwar Ersatzmotoren, um konkret auf diesen Fall einzugehen, Mercedes 605, glaube ich, in großen Kisten verpackt, weil Rangsdorf ja ein Etappenflugplatz war, bei dem Umsetzen von Verbänden von West nach Ost, und dann hier auf dem Flugplatz Motorenwechsel und ähnliches durchgeführt werden konnte, und dann standen nach unserer Auffassung betriebsfähige Flugzeuge, z.B. ein Spielobjekt von uns war ein Jagdflugzeug, FokkeWulf 190, diese war mit einer Batterie versehen, und einer von uns drückte auf den Starterknopf, die so genannte Pulle, die man da reinschob, und dann fing sich der Propeller an zu drehen, so ganz langsam. (Gabi erstaunt) Die Russen haben uns nichts getan.

Flughafen Rangsdorf wird zum russischen Flughafen. Hier werden Hubschrauber und Triebwerke gewartet, Russen und Rangsdorfer akzeptieren einander, leben in friedlicher Koexistenz. Der Fluglärm allerdings wird als störend empfunden, ab und zu nehmen die Maschinen sogar ganze Dächer mit

O-Ton Alfred Bayer Dit hier ist die Endmontagehalle, steht noch alte Waage da, haben die Russen noch so gelassen. Russen haben hier Hubschrauber gebaut und repariert. Die haben hier öfter mal ein Haus abgedeckt, musste man zur Kommandantur, dann ging das alles.

Und 1994 zogen auch die Russen ab

Dann wurde alles zerschlagen, dann gab es auch keinen Wachschutz mehr. 26

Flughafen Rangsdorf 2013, Dächer und Halle marode, Betreten lebensgefährlich. Trotzdem wollen alle Leute, die heute noch ein Bückerflugzeug fliegen einen Stempel vom Rangsdorfer Flughafen haben. Die Idee, die Hallen wieder zu aktivieren, hat sich zerschlagen. Ein polnisches Unternehmen wollte hier Anfang 2000 Bückerflugzeuge bauen. Doch der Gemeinderat hat abgelehnt. Zuviel Lärm. Und zuviel unangenehme Erinnerungen.

((Motorenlärm Bücker geht über in Musik: Dimitri Schostakovich, 5. Symphonie, 1. Satz.))

Absage

Ehre geht in die Luft

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