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Eine Chronik Impressum

Herausgeberin: KURVE Wustrow Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V. Kirchstr. 14 29462 Wustrow

Tel: +49-(0)5843-9871-0 Fax: +49-(0)5843-9871-11 www.kurvewustrow.org [email protected]

Spendenkonto 556 633 309 Postbank Hannover BLZ 250 100 30

Redaktion: Steffi Barisch, Peter Steudtner, Schulamith Weil

Layout: Gregor Zielke (panphotos.org) Druck: Oktoberdruck Berlin Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier mit umweltfreundlichen Farben

Danksagung:

Vielen Dank an das Archiv Aktiv, Steffi Barisch, Magdalena Freudenschuß, Dorothea Giesche, Wolfgang Hertle und Harmen Storck sowie alle AutorInnen, ohne die die KURVE Chronik nicht in dieser Form erschienen wäre.

Fotos und Abbildungen: So nicht anders gekennzeichnet, stammen alle Fotos aus dem KURVE-Fotoarchiv. Eine Chronik Inhaltsverzeichnis 1

Einleitung 2-3

Der Gewaltfreiheit ein Haus 1979–1981 4–5 7 Gründungsaufruf 8 Warum wir die Bildungsstätte für Gewaltfreie Aktion gründeten 9 Vom Traum zum Verein Theodor Ebert ??? 11-14 Gewaltfrei arbeiten & wohnen 1981–1990 16 Leben und Arbeiten in der KURVE Wustrow Margrit Albers 19-20 Familie sein in der KURVE Wustrow Interview mit Doris Hertle Gewaltfreiheit intern: Konflikte als Teil der Entwicklung Peter Steudtner Verstimmungen haben auch ihr Gutes Reiner Steinweg & Konrad Tempel 19-20 Praxisbericht 1987 Marita Klumpe und Holger Witzke 21 Rückblicke 1980–1989 Martin Humburg 22-25

22-25 KURVE-Umbrüche zwischen Professionalisierung 28 und Globalisierung 1991–2000 29

10 Jahre KURVE Wustrow: Ein Blick von außen Jeetzel Zeitung 31 Trainings als Lernerfahrung in und über Konflikte: International Training on Nonviolence 32 Hagen Berndt & Peter Steudtner 33 KURVE-Trainingsarbeit in Ostdeutschland nach der Wende Eva-Maria Willkomm Internationaler Blickwinkel auf die KURVE-Trainingsarbeit Stella Tamang 37-40 TeilnehmerInnen-Blicke auf die Trainingsarbeit: Global und Lokal “Bringing peace to the stomache“ K.A.C. Sepalika 37-40 1992 - 1995: Graswurzelrevolution in der KURVE Wustrow Jochen Stay 41 “Ausrangiert!” KURVE agiert gegen den CASTOR Harald Förster 42 15 Jahre KURVE Wustrow – Ein Blick von außen Elbe Jeetzel Zeitung 43 Die KURVE Wustrow aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden Jan Gildemeister 44 Die AGDF-Außenstelle in der KURVE 45 „Das geht dann mit Händen und Füßen!“ KURVE-Nachbarschaft: Die Bäckerei Plette 46 Freiwillige mit und in der KURVE Wustrow unterwegs Sarah Schumacher 47 Freiwilligenarbeit: Der Blick aus dem Süden Suren Gadekar & Stella Tamang 48 Die KURVE-Außenstellen in Wroclaw, Hamburg und New York 49-50

51-54 Die KURVE Wustrow zwischen Bewegung 51-54 und Konsolidierung 2001–2010 55-56 57 “Wachet und Betet: Dem Terror nicht das letzte Wort” 58-60 KURVE-Mahnwache nach dem 11. September 2001 in Berlin Die KURVE aus dem Blickwinkel der Polizei Artikel der Polizeigewerkschaft 61 Menschenrechtsbeobachtung & CASTOR-Widerstand: International Peace Team KURVE global: Übersicht Internationale PartnerInnen der KURVE Wustrow 62 Von Informations- und Kampagnenarbeit zur Entsendung von Friedensfachkräften: Doppelseite Die Arbeitsstelle Friedensfragen Anja Petz Doppelseite Als Friedensfachkraft für die KURVE Wustrow in Palästina Interview mit Ulrike Ramlow 63-65 Das Centre for Nonviolent Action & die KURVE Wustrow Nenad Vukosavljevic Das Peace Building, Healing and Reconciliation Programme (PHARP) 63-65 & die KURVE Wustrow Felicien Nemeyimana 66-67 Die Union of Palestinian Women’s Committees & KURVE Wustrow Khitam Saafin 69-73 KURVE Finanzen: Zyklische Herausforderungen und Krisen Interview mit Harald Förster 69-73 Die Friedenskarawane 2002 Jan Stehn “Weg von der KURVE” Zum Abschiedung von Hagen Berndt und Petra Titze 69-73 Mehr als ein Aufruf: KURVE braucht Bewegung 74-75 Aus der KURVE Wustrow heraus: Das Trainingskollektiv Windrose TK Windrose 76 77 Nachhaltigkeit spenden: Die KURVE-Stiftung Schulamith Weil 78-79 Die KURVE in Bewegung: Organisationsentwicklung Jochen Neumann 80 Oft besuchte NachbarInnen: Das Café Klecks Damien Dauchet 81-82 Aktuelles Engagement & Perspektiven 2010: Anti-Atom-Aktionstrainingskampagne 83-84 Jochen Neumann & Cheyenne Schulz 85 Zurück zu den Wurzeln: Die KURVE als Teil der Anti-Atom-Bewegung 86 Interview mit Katja Tempel 87-88 „Ja, ich bin von der KURVE!“ Hida Sula im Gespräch 89 Afghanistan ins geholt: Berliner Compagnie Steffi Barisch 90-92 Grußwort des Bürgermeisters von Wustrow Ralf Ristau 93

95 Rückblick und Ausblick

96 Wieviel Bewegung braucht die zivile Konfl iktbearbeitung? Impulse von der KURVE Jahrestagung 2010 KURVE-Visionen & Visionen für die KURVE Wustrow ZeitKURVE

Regionaler Schwerpunkt Wendland

Menschen und Haus

Trainingsarbeit zu Gewaltfreiheit

Anti-Atom-Widerstand

KURVE global: Freiwillige, PartnerInnen und Fachkräfte Willkommen zum Rückblick auf 30 Jahre KURVE Wustrow Von Schulamith Weil und Peter Steudtner

„Gewaltfreiheit verbreiten!“ Mit die- Wir bitten an dieser Stelle die Nicht- Struktur der Chronik sem kurzen Grundsatz lassen sich genannten um Entschuldigung und alle Aktivitäten der KURVE Wustrow sprechen gleichzeitig unseren Dank Die Unterteilung in vier Übersichts- Bildungs- und Begegnungsstätte für aus! Ohne all die unzähligen Men- kapitel ergab sich sowohl durch die gewaltfreie Aktion e.V. beschreiben. schen, die geplant und diskutiert, Menschen, die die KURVE Wustrow Es ist eine Aufgabe und Herausfor- gebaut und geputzt, trainiert und prägten, als auch durch strukturell- derung, die sich durch die gesamte vorgetragen, gekocht und geschrie- politische Veränderungen: KURVE-Geschichte zieht. Vom Grün- ben, gespendet und kritisiert, buch- dungsaufruf 1979 über die drei Jahr- geführt und vieles mehr beigetragen So beginnt die KURVE Chronik im zehnte bis heute. haben, gäbe es die KURVE Wustrow ersten Kapitel (1979 – 1981) mit den und ihre Arbeit nicht, hätten wir keine Vorarbeiten und den Motivationen, Warum eine Chronik? Chronik zu schreiben. die Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion zu gründen so- Dreißig Jahre Wirken für Gewaltfrei- Aufbauend auf den Vorarbeiten von wie mit der Suche nach einem Haus heit, im regionalen Konflikt, in der Walter Ahrens und Gerd Brüning für für das Arbeits- und Wohnprojekt. deutschen Friedensbewegung, im ihre – später doch nicht veröffent- Hierbei kommen einige der Gründer internationalen Kontext. Dreißig Jah- lichte – 25-Jahre-Chronik, nähert und Gründerinnen zu Wort, wie Do- re Entwicklung eines Vereins, einer sich diese Chronik aus Anlass der ris Hertle, Margrit Albers, Wolfgang Bildungsstätte, einer Organisation. 30-Jahr-Feier dem hochkomplexen Hertle, Theodor Ebert und Reiner Da ist es an der Zeit, zurückzubli- Wirken, Tun und Leben der KUR- Steinweg. cken und die Linien nachzuzeichnen, VE Wustrow. Es ist der Versuch, ein die uns bis zum heutigen Stand ge- Mosaik aus KURVE-Aktivitäten und Der anschließende Zeitraum von bracht haben. KURVE-Geschichten entstehen zu 1981 bis 1989 ergibt sich durch das lassen, welches sowohl die von au- Wachsen der Begegnungsstätte mit Wer die KURVE Wustrow heute ken- ßen sichtbaren als auch die selten ihren Seminarangeboten zur Ge- nenlernt, weiß oft nichts von ihren erwähnten Menschen exemplarisch waltfreiheit innerhalb der Anti-Atom- Wurzeln. Wer sie in den frühen Jahren vorstellt. Politische und strategische Widerstandslandschaft sowie das mitgestaltete, wundert sich vielleicht, Entwicklungen sollen nachgezeich- stark prägende Wirken von Wolfgang wohin sie sich entwickelt hat und aus net werden, jedoch ohne einem ana- Hertle, der 1989 die KURVE Wustrow welchen Gründen. Unser Anliegen ist lytischen Anspruch zu folgen. Dabei wieder verließ. es, den zurückgelegten Weg sichtbar wechseln sich Berichte aus den ver- und nachvollziehbar zu machen und schiedenen KURVE-Epochen ab, mit Die Phase von 1990 bis 1999 ist ihn damit auch einer kritischen Prü- rückblickenden Artikeln, mit Inter- gekennzeichnet durch die Entwick- fung zu unterziehen. views und Dokumentationen bis hin lung von internationalen und lokalen zu literarischen Texten oder Kochre- Freiwilligendiensten, durch das Un- Außerdem wollen wir mit dieser Chro- zepten. terstützen und Mitwirken in der An- nik allen Mitwirkenden der letzten 30 ti-Atom-Bewegung – insbesondere Jahre für ihren Beitrag zum Heran- Nicht unerwähnt lassen wir die Kon- zum Gorleben-Konflikt – sowie das wachsen der KURVE Wustrow dan- fliktlinien innerhalb des Hauses in der anti-militaristische Engagement und ken. Wir wollen ihren Einsatz und ihr Kirchstraße 14, welche teils direkt mit die stärkere Öffnung hin zum inter- Engagement würdigen. Ein Ausdruck den Inhalten und Aktivitäten verbun- nationalen Einsatz gegen Kriege auf hierfür ist, dass wir, soweit möglich, den waren. Denn natürlich gab es sie: dem Balkan. Zum Ende dieser Pha- nicht über die Beitragenden schrei- die Konflikte, den Streit, das Wortge- se kristallisierte sich das zunehmend ben, sondern sie selbst zu Wort kom- fecht und die Auseinandersetzungen starke Engagement der KURVE men lassen. Damit wollen wir ihnen zwischen den Mitwirkenden. Sie sol- Wustrow im Bereich der Entsendung eine Stimme verleihen und sie (wie- len in der KURVE Chronik benannt von Friedensfachkräften sowie die der) sichtbar machen. Da der Platz werden, nicht um alte Wunden auf- Unterstützung damit verbundener allerdings nicht reicht, um alle Mit- zureißen, sondern vielmehr um den Partnerprojekte heraus, welche heu- wirkenden sprechen zu lassen, findet guten Willen und das Engagement te einen Schwerpunkt der KURVE- sich unsere Anerkennung auch im aller Beteiligten für die Entwicklung Arbeit darstellen. fortlaufenden “DANKE“-Band an den der KURVE Wustrow – kritisch – zu Seitenenden wieder. Vielleicht wird würdigen. Der jüngste Abschnitt von 2000 bis der eine oder andere Name fehlen. 2010 beschreibt die gewachsene

Unser Dank geht mit dieser Dank-KURVE an alle, die die KURVE Wustrow aktiv mit begleitet und gestaltet haben: Advocacy Forum Nepal • Walther

6 Professionalisierung im Bereich der verbinden kann. Für alle, die (noch) Betreuung und Entsendung von Frei- nichts mit der KURVE Wustrow zu willigen und Friedensfachkräften. In- tun hatten, gibt sie hoffentlich span- terne Auseinandersetzungen um die nende Einblicke in diese einzigartige inhaltliche Ausrichtung und um Ent- Bildungs- und Begegnungsstätte für scheidungsstrukturen in der KURVE gewaltfreie Aktion. Wustrow führten zu Organisations- Entwicklungs-Prozessen. Erst gegen Ein herzliches Dankeschön für die Ende dieser Zeit verstärkt die KURVE Unterstützung geht an alle Mitwir- Wustrow wieder ihr Engagement in- kenden der KURVE Chronik. Wir nerhalb der Anti-Atom-Widerstands- wünschen allen Lesern und Leserin- bewegung. nen eine anregende Lektüre.

Fünf Symbole zur Orientierung

Um die thematische Orien- Schulamith Weil und Peter Steudtner tierung innerhalb der KUR- VE Chronik zu erleichtern, haben wir die meisten Ar- tikel mit einem Symbol in Schulamith Weil, geb. 1968 ist Dipl. der rechten oberen Sei- Sozialpädagogin und seit 2000 im tenecke gekennzeichnet. Wendland ansässig. Sie ist seit 2004 So steht die Wendland- Vorstandsmitglied der KURVE Wus- Sonne für alle Aktivitäten, trow und seit 2005 Vorstandsmit- deren Schwerpunkt oder glied der KURVE Friedensstiftung. Blickrichtung in der Regi- on Wendland beheimatet Peter Steudtner ist (KURVE-)Trainer ist. Das Haus steht für den für gewaltfreie Konfl iktaustragung Blick in die KURVE Wust- und Photojournalist. row hinein, seien es das Haus in der Kirchstraße oder interne Konfl ikte und Entwicklungen. Die Anti- Atom-Kraft-Sonne weist auf Artikel zu KURVE-Akti- vitäten innerhalb des Anti-Atom-Wi- derstands hin. Der große Bereich der Trainingsarbeit zu gewaltfreier Aktion und gewaltfreier Konfl iktbearbeitung wird über einen Kompass signalisiert und das internationale Engagement durch Freiwilligen- und Friedens- dienste durch eine Weltkugel.

Zum Gelingen einer Chronik

Eine Chronik ist eigentlich von vorn herein zum Scheitern verurteilt: Es können einfach nicht alle Beteiligten gerecht und ihrem Engagement ent- sprechend wiedergegeben werden. Geschichtliche Entwicklungsprozes- se werden zwangsläufi g bei einem Zeitüberblick von mehr als dreißig Jahren verkürzt dargestellt. So ha- ben wir mit unserer KURVE Chronik keinen Anspruch auf Vollständig- keit, jedoch hoffen wir, mit ihr einen mosaikartigen Überblick geben zu können, der sich mit den Erinnerun- gen und Erfahrungen der LeserInnen

Ahrens • A.J. Muste Memorial Institute • Aktion Mensch • Aktion Sühnezeichen Friedensdienste • Aktionsgemeinschaft Friedenswoche Minden • DAN-

7 Umzug in der Kirchstraße. Ca. 1930. Hinten Hotel und Restaurant Schulz, im Volksmund "Kurve" genannt. Foto: Museumsverein Wustrow e.V.

Postkarte „Gruss aus Wustrow“. Ohne Jahreszahl. Archiv: Hans-Jörg Schmidt.

Die von Teilnehmenden eines Work- camps neu restaurierte Fassade der KURVE Wustrow zum 30-jährigen Jubiläum.

KE • Arbeitsgemeinschaft Frieden, Trier • Arbeitsstelle Frieden der Evang. Landeskirche in Baden • Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen

8 Der Gewaltfreiheit ein Haus Die Gründungsphase der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion 1979 bis 1981

Von Peter Steudtner

„Ich habe noch ein Bild im Kopf von Kriegsdienst- bzw. Totalverweigerern in Wustrow zu ziehen und dort mit ex- einer der ersten Vorstandsversamm- auf dem Gelände eingerichtet wurde, trem viel Handarbeit und Elan – neben lungen bei uns im Pfarrhaus mit den das die Armee für die Erweiterung der Erwerbsarbeit – die Bildungs- und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der des Truppenübungsplatzes vorgese- Begegnungsstätte aufzubauen (siehe KURVE und den Gründungsmitglie- hen hatte. Die MitarbeiterInnen von hierzu S. 12 –13). dern Theo Ebert, Reiner Steinweg und Le Cun waren Teil des Widerstandes, Harmen Storck sowie Hans Ekkehard nachdem sich die Landwirte auf die Erste Seminare noch Bahr als Gast, verbunden mit dem Strategie der Gewaltfreiheit und des außer Haus Gefühl von Hoffnung: hier entsteht Zivilen Ungehorsams geeinigt hatten. ein wichtiges Projekt für den Land- Die ersten Seminare fanden unter kreis“, erinnert sich Heike Mahlke, die Am 6. Januar 1980 fand die Grün- anderem in Trebel, Pisselberg, Kalle- von da an einige der Mitwirkenden dungsversammlung der Bildungs- tal und Bückeburg statt. Thematisch der Bildungs- und Begegnungsstätte und Begegnungsstätte für gewalt- gab es außer den Einführungen in für gewaltfreie Aktion im Hintergrund freie Aktion in Hannover statt, bei gewaltfreier Aktion, sozialer Verteidi- begleiten sollte. der Theodor Ebert, Christa Grote, gung und zivilem Ungehorsam, die Wolfgang Hertle, Gottfried Mahlke, auch später zum Standardrepertoire Von der Idee zum Harmen Storck und Manuel Walther gehörten, Seminare über die Verbin- Gründungsaufruf in den Vorstand gewählt wurden. Im dung von Ökologie und Frieden, zur März wurde der Verein im Vereins- Nachrüstung, zum Larzac und Trup- Die Idee der Bildungs- und Begeg- register Hannover eingetragen und penübungsplätzen in Deutschland, nungsstätte wurde im Sommer 1979 erhielt im April die Gemeinnützigkeit am Beispiel Großengstingen. während eines gemeinsamen Urlaubs zugesprochen, die bis heute trotz der Familien Ebert, Hertle, Storck zu- mehrfacher Anfechtungen behalten sammen mit Christa Grote in Däne- werden konnte. mark konkretisiert. Dem folgte der Gründungsaufruf mit Unterzeichne- Suche nach MitarbeiterInnen rInnen aus dem gesamten Spektrum der gewaltfreien Szene (vgl. hierzu Die Anfangsphase war nicht nur stark die Dokumentation auf den Seiten mit dem Aufbau des Vereins beschäf- 10 –11). Die Hauptziele waren erkannt tigt, sondern auch mit der Suche und benannt worden: die Förderung nach einem Haus und nach Mitarbei- von Theorie und Praxis gewaltfreier terInnen. Im März 1981 wurde auf der Aktion, die Zusammenarbeit gewalt- Mitgliederversammlung entschieden freier Gruppen und die Stärkung des „daß wir uns am Standort Gorleben gewaltfreien Widerstandes, insbe- ansiedeln und von dort aus einen ge- sonderegegen die geplanten Atom- wissen Modellfall des gewaltfreien anlagen in Gorleben. Die Gründungs- Widerstandes vor Ort mitgestalten und Konzeptionsdiskussion fiel also sollten. Die Tagungsstätte sollte in in die Zeit zwischen dem Hannover- absehbarer Zeit nur in dem im Bericht Treck im März 1979, der Besetzung erwähnten kleinen Rahmen (8-10 der Bohrstelle 1004 (Republik Frei- Schlafplätze mit Tagungsraum für in- es Wendland) im Mai 1980 und der terne Sitzungen und kleine Seminare, Neuorientierung der Friedensbewe- ohne den Druck, immer ausgebucht gung nach dem NATO-Doppelbe- sein zu müssen) bestehen.“ (dem schluss zur Raketenstationierung am Protokoll der Mitgliederversamm- 12.12.1979 (siehe hierzu den Artikel lung entnommen)) Ausschlaggebend von Theodor Ebert auf den Seiten war die Motivation der GründerInnen 14 –16). und der zukünftigen MitarbeiterInnen Margrit Albers und Wolfgang Hertle Vorbild Larzac mit ihren PartnerInnen Udo Emse und Doris Hertle, sich in der Region zu Ein wichtiges Vorbild war das Zen- engagieren und damit in das im Juli trum Le Cun du Larzac, das von 1981 erworbene „Haus in der Kurve“

Kirche der Pfalz • DANKE • Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe AGEH • Arbeitsstelle kokon der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern • Anna

9 Albers • DANKE • Margrit Albers • Elektro Albrecht • DANKE • Martin Albrecht • Caro von Alemann • Marianne von Alemann • DANKE • Sabrina Apitz •

10 Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden AGDF • ArGe ZFDiD • Arbeitsgruppe für friedenspolitische Bildungsarbeit AfpB • Katharina Arndt • Neslihan

11 Motivation und Traum Von Wolfgang Hertle

Seit 1967 beschäftige ich mich mit dort fehlten mir eigentlich die Praxis Leute eben halbtags arbeiten gehen gewaltfreier Aktion und habe für mich und auch die politischen Ziele, die ich oder man zusammen irgendwie dann selber die Schwierigkeiten festge- bei den jüngeren Gruppen gefunden noch etwas Handwerkliches oder ei- stellt, daß ich immer wieder von vor- habe. Jedenfalls ein wesentlicher Ge- nen Möbeltransport macht oder eine ne anfangen musste, dass es bei den sichtspunkt für mich, dieses Projekt Kneipe oder einen Buchladen usw. gewaltfreien Aktionsgruppen, die sich aufzuziehen, war, nach Wegen zu Aber das ist natürlich wahnsinnig im Laufe der Jahre entwickelt haben, suchen, wie Erfahrungen weitergege- schwer zu erreichen. das Phänomen gab, dass immer wie- ben werden können, Erfahrungen in der neue Leute dazugekommen sind, der Bundesrepublik, etwa des Wider- Zitiert nach: Wolfgang Beer (1983): wenige dageblieben sind und die Er- standes gegen die Remilitarisierung Frieden, Ökologie, Gerechtigkeit. fahrungen, die gesammelt wurden, der sechziger und siebziger Jahre, Selbstorganisierte Lernprojekte in eigentlich sehr mühsam nur weiterge- aber auch Erfahrungen aus dem Aus- der Friedens- und Ökologiebewe- geben werden konnten. Irgendwann land. Dies kann nicht schriftlich oder gung. Opladen. hatte ich das Gefühl, der Traum, in Gruppengesprächen geschehen, dass diese Bewegung jetzt von der sondern muss eben auch methodisch Wolfgang Hertle ist einer der Gründer Jugendbewegung in die Erwach- mit Seminaren und Kursen gezielt an- der KURVE Wustrow und lebte und senenbewegung hineinwächst, der gegangen werden. arbeitete dort von 1981 bis 1989. Als verwirklicht sich offensichtlich nicht. (…) Politologe arbeitet(e) er aus ver- Ich werde immer älter, die Bewegung Zusammengefasst war also mein schiedenen Perspektiven zu gewalt- bleibt gleich alt. Gleichzeitig habe Traum, mit Gleichgesinnten in einem freien Bewegungen, heute im Archiv ich mit verschiedenen Gruppen, wie Projekt zusammenzuarbeiten, das „Protest, Utopie und Widerstand“ im dem Versöhnungsbund, in dem eben sich auch ökonomisch weitgehend Hamburger Institut für Sozialforsc- doch eine ganze Menge älterer Leute selber tragen kann, indem da eben hung. drin sind, zusammengearbeitet. Aber auch andere Bereiche mit dabei sind: Solidarisier Dich – komm rüber! Von Doris Hertle

Meine Motivation war, den gewaltfrei- es eine gefühlsmäßige Entscheidung: en Gedanken in die Bevölkerung zu Du springst jetzt über den Graben, bringen, an einem Ort, wo sich die setzt dich mit auf den Platz, und zentrale Auseinandersetzung um die wenn es dich deinen Beamtensta- Atomkraft abspielt. Dazu gehörte für tus kostet, dann ist das der Preis für mich eine sehr prägende Erfahrung: deine Überzeugung, dass Atomkraft Bei der ersten Platzbesetzung in nicht zu verantworten ist. Und es war Brokdorf gegen das geplante Atom- so eine Befreiung, da rüber zu sprin- kraftwerk, da war es ja nur eine um- gen und da zu sitzen und zu sagen, zäunte Wiese und alle aus unserer so den Preis bin ich bereit zu zahlen, kirchlichen Initiative in Hamburg wa- das sind so Erlebnisse, die werde ich ren auf dem Platz, nur ich war davor nie vergessen. durch einen kleinen Graben getrennt. Dazwischen Beamte, Polizei, Was- Doris Hertle ist Lehrerin und lebt serwerfer, Tränengas, und dann sa- bis heute in Wustrow. Sie zog mit ßen die alle auf dem Platz und san- ihrer Familie 1981 in das Haus in der gen: „Solidarisier dich, komm rüber!“ Kirchstraße 14 und baute die KURVE Und ich stand da und dachte, wenn Wustrow mit auf, wobei sie mit ihrer du jetzt da raufgehst... Damals gab Lehrtätigkeit den finanziellen Rück- es noch Berufsverbote, das war nicht halt mitbrachte. wie heute. Viele Leute, die ich damals kannte, hatten Berufsverbot und wur- den nicht eingestellt. Und dann war

Arslan • Mark Aserian • DANKE • Christine Auerbach • .ausgestrahlt • Alexander Austin • DANKE • Auswärtiges Amt / zivik-Programm • Baburaj • Bä-

12 Warum ich von Anfang an dabei war Von Harmen Storck

Im Versöhnungsbund hatten Ewis einsetzen. Diese Vision und die Ent- sondern mit pragmatischen Hilfen für und ich - vor allem junge - Menschen schiedenheit, mit der sich junge Men- Wege zur konkreten Realisierung des kennengelernt, die von einem völlig schen dafür engagierten, haben uns Vorhabens. Unsere Verständigung anderen Lebensstil und einer Gesell- beeindruckt und wir wollten diese war nicht immer einfach, kam aber schaft träumten, die nicht nur Krie- Vorstellungen unterstützen. Dafür bo- schließlich zum Ziel der Vereinsgrün- ge abschaffen, sondern überhaupt ten sich Überlegungen zur Gründung dung. Ich habe damals viel gelernt, Konflikte nicht mehr mit Macht und einer Bildungs- und Begegnungsstät- auch in der ersten schwierigen Auf- Gewalt entscheiden. Mit veränderter te für Gewaltfreie Aktion an. Ich brach- bauphase. Harmen Storck Lebensweise und gewaltfreien Mit- te mich mit meinen Fähigkeiten ein, teln wollten sie sich glaubhaft dafür nämlich nicht mit weiteren Visionen, Warum ich mich für die „Kurve“ engagiert habe Von Reiner Steinweg

Es war nicht so einfach: ich hatte eine ten), Programme und zu erfüllende tionen, wo und aus welchem Anlass Familie, mit einer (1980) fünfjährigen Standards mitzuentwickeln, sich um auch immer, hineingehen und nicht Tochter, zwei Halbtagsjobs, die beide die vielen Schmerzpunkte der Beleg- „einfach so“. Die „BuBgA“ war nicht in Wirklichkeit eher Dreiviertel-Jobs schaft im Miteinander zu kümmern. meine Idee, aber die Idee entsprach waren — als Redakteur der „Friedens- Warum ich das trotz meiner Belas- in hohem Maße meinen Vorstellun- analysen“ in der edition suhrkamp tungen und zum Leidwesen meiner gen und politischen Wünschen. Und und als Leiter eines frisch begonne- Familie getan habe? weil ich seit schließlich wollte ich meine prakti- nen anspruchsvollen Forschungspro- 1973 ebenso entschieden gegen die schen Erfahrungen und meine aus jekts „Jugend und Gewalt“ — und Atomkraft eintrat wie gegen die ato- der sozialpsychologischen Friedens- ich wohnte bei Frankfurt/M, also fast mare Aufrüstung und die Atombom- wissenschaft erwachsenden Einsich- eine Tagesreise vom Wendland ent- benversuche; weil alles, was ich über ten gern zur Verfügung stellen. fernt. Verrückt, sich unter solchen das geplante Endlager in Gorleben in Umständen für ein fast hoffnungslo- Erfahrung bringen konnte, dagegen Vorstandstätigkeiten der Anfangsjahre ses Unternehmen, eine aus privaten sprach, dass diese Stätte geeignet Mitteln zu finanzierende Bildungs- war, den hochgefährlichen Müll über stätte zu engagieren: erst als Beirats- mehr als 100,000 Jahre sicher zu ver- mitglied die vielen Gründungssitzun- wahren, und weil mir als Historiker gen, dann als zweiter Vorsitzender die Unberechenbarkeit menschlicher die noch häufigeren Vorstandssit- Geschichte und menschlicher Siche- zungen zu besuchen, die zu meiner rungsfähigkeit nur allzu bewusst war; Erleichterung jedoch meistens in der weil ich mich seit 1961 (Teilnahme am Wohnung von Harmen Storck in Han- San Francisco-Moskau Marsch für nover stattfanden, und bei Verwand- einseitige Abrüstungsschritte) der ge- ten, Freunden und Bekannten für die waltfreien Bewegung zugehörig fühl- „BuBgA“ zu schnorren (die geniale te und mich die Idee überzeugte, eine Idee, dieses Abkürzungsmonstrum Trainingseinrichtung für gewaltfreie durch die Lagebeschreibung des Aktion in unmittelbarer Nähe eines Or- erworbenen Bildungshauses zu er- tes zu schaffen, der solche Aktionen setzen, hatte erst der Hannoveraner zwingend notwendig machte; und , Philosoph , den wir nach einiger Zeit weil ich gern etwas dazu beitragen zum Leiter des Hauses gekürt hat- wollte, dass Menschen in solche Ak- ckerei Plette, Wustrow • Karin Backhaus • Hans-Eckehard Bahr • Elif Balta • Alexandra Baltatu • David Baltzer • Shereen Barakat • Steffi Barisch •

13 Die Gründungsphase der Bildungs- und Begegnungs- stätte für gewaltfreie Aktion Von Theodor Ebert

Die Aktivitäten der Außerparlamen- auf die neu erkannten Grenzen der des Wachstums“, von H. Gruhl „Ein tarischen Opposition waren zum industriellen Expansion und die Not- Planet wird geplündert“ und von R. Ende der 60er und zum Beginn der wendigkeit der ökologischen Einpas- Jungk „Der Atomstaat“. 70er Jahre noch geprägt von der sung unserer Lebensweise. Vorstellung, dass die Alternative zu Mit diesem Paradigmenwechsel ging Kapitalismus und Imperialismus ein Die Brutstätte neuer, alternativer ge- auch ein Aufschwung für die gewalt- demokratischer Sozialismus sei. Das sellschaftlicher Konzepte waren die freien Methoden der Konfliktaustra- Problem beim Sozialismus war, dass „neuen sozialen Bewegungen“ mit gung einher. Der BBU bekannte sich er als demokratischer noch nirgends ihren Untergliederungen, den Bür- unter dem Einfluss von Wolfgang flächendeckend realisiert worden gerinitiativen. Eine größere Zahl hatte Sternstein, Roland Vogt und Petra war. Nur wenige empfanden den „real sich im Bundesverband Bürgeriniti- Kelly zur gewaltfreien Aktion als aus- existierenden“ Sozialismus in den ativen Umweltschutz (BBU) zusam- schließlicher Methode der Bürgeriniti- Staaten des Warschauer Paktes und mengeschlossen. Der Widerstand ativen. Das war die deutliche Antwort in China als vorbildlich. Wenn man gegen das AKW in Wyhl und die auf den Schaden, den die Aktionen einmal davon absah – und davon Wiederaufbereitungsanlage in Gor- der Roten Armee Fraktion angerich- konnte man eigentlich nicht abse- leben hatte den Paradigmenwechsel tet hatten. hen – , dass es sich bei diesen Staa- sichtbar gemacht. Von nun an stand ten um die Menschenrechte missach- die ökologische Einpassung der Le- Bei der neuen Ökologiebewegung tende Diktaturen handelte, dann war bensweise auf der Tagesordnung der mischten sich Erfolge und Niederla- darüber hinaus offenbar, dass diese linken und einiger wertkonservativer gen. Nicht alle geplanten Atomkraft- Staaten ähnlich wie die Staaten mit Gruppen, die sich merkwürdig misch- werke konnten verhindert werden. kapitalistischer Wirtschaftsordnung ten. Die tonangebenden Schriften Brokdorf und Grohnde signalisierten, keine befriedigende Antwort hatten waren von D. Meadows „Die Grenzen dass auch die gewaltfreien Wider- standsmethoden weiter entwickelt Auf Suche nach einem Ort für die Bildungs- und Begegnungsstätte werden müssten. Auch der Umstand, dass im Kalten Krieg die Regierun- gen nach wie vor auf die atomare Abschreckung setzten, bildete eine Herausforderung für die Ökologiebe- wegung, in der viele Kriegsdienstver- weigerer aktiv waren. Diese sahen die Alternative zur militärischen Abschre- ckung in der Sozialen Verteidigung, welche die Einübung in den gewalt- freien Widerstand als Mittel der Ver- teidigungspolitik vorsieht.

Ende der 70er Jahre fing man in der Ökologie- und Friedensbewegung an zu überlegen, wie die Verwen- dung gewaltfreier Methoden der Konfliktaustragung institutionalisiert werden könnte, auf dass Know-how und ausgebildete Leute bei Bedarf abrufbar bereit stünden. So wie Re- gierungen ihre Thinktanks und ihre Fortbildungseinrichtungen hatten, brauchte auch die Ökologie- und Friedensbewegung Einrichtungen, die ihre MitarbeiterInnen über das ad

DANKE • Katrin Bartusseck • Jeannette Barwasser • Britta Baumgarten • Maguy Béchetoille • Karin Becker • Karin Beckhaus • Petra Beckmann •

14 hoc und vor Ort Gelernte hinaus fort- bilden würden. Die Erfahrung lehrte: Wenn man sich nur auf ehrenamtliche SpontanaktivistInnen verlässt, kommt es leicht zu Überforderungen und zu Ausfällen. So war Hans-Helmut Wüs- tenhagen, der charismatische Spre- cher des BBU, dem Stress der vielfäl- tigen öffentlichen Auftritte nicht mehr gewachsen gewesen und über Nacht von der Bildfläche verschwunden.

Unter dem Nachwuchs der ehren- amtlichen PazifistInnen mit univer- sitärer Ausbildung gab es mehrere, die in gewaltfreien Widerstandsbe- wegungen Erfahrungen gesammelt hatten. Sie dachten an ein Leben in einem Geflecht von gewaltfreien Be- zugsgruppen. Sie sprachen von einer Graswurzelrevolution und sie hofften darauf, dass die gewaltfreie Aktion deren ProtagonistInnen mitsamt Fa- milie ernähren könnte, sie also die gewaltfreie Aktion zum Beruf machen könnten.

Diese auf Realisierung drängenden Träume lassen sich zurückverfolgen bis in die Zeit der APO. Sie sind in pragmatischer Weise immer wieder dokumentiert worden in der 1969 gegründeten Zeitschrift „Gewaltfreie Aktion. Vierteljahreshefte für Frieden und Gerechtigkeit“, die auch dem deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes als Verbands- zeitschrift diente. Ähnliches findet sich in der kurz danach gegründeten Monatszeitschrift „Graswurzelrevolu- tion“, die sich anders als die christli- Ziel: Unterstützung des gewaltfreien Widerstands im Wendland che orientierte „Gewaltfreie Aktion“ in der Tradition eines gewaltfreien Anar- unterstützen sollten. Das hatte sich Dass die Wahl auf den Landkreis chismus sah. in Berlin beim Einsatz des Diplom- Lüchow- fiel, ist damit politologen Wolfgang Beer bewährt. zu erklären, dass in diesem Zipfel Es bedurfte einer zehnjährigen Inku- Er hatte den Widerstand gegen ein Niedersachsens, der in die DDR hi- bationszeit, bis dann im Sommer des Großkraftwerk im Spandauer Forst neinragte, zunächst ein „nukleares Jahres 1979 in „Gewaltfreie Aktion“ unterstützt und dabei auf seine Erfah- Entsorgungszentrum“ mit einer Wie- im Heft 39/40 der Aufruf zur „Grün- rungen in der Volkshochschule Wyh- deraufbereitungsanlage für atomare dung einer Bildungs- und Begeg- ler Wald zurückgreifen können. Brennelemente und einer Urananrei- nungsstätte für gewaltfreie Aktion“ cherungsanlage entstehen sollte und erschien. Nach diesem Modell der Finanzie- später das Endlager für den strah- rung von hauptamtlichen gewaltfrei- lenden Müll. In dem dünn besiedel- Zu diesem Zeitpunkt war der Traum en Akteuren und TrainerInnen durch ten Landkreis hatte die Landesre- schon ziemlich konkret. Im Umfeld Freundeskreise, deren Mitglieder gierung gehofft, auf keinen starken der Friedensforscher am Otto-Suhr- bürgerliche Berufe ausübten und sich einheimischen Widerstand zu treffen. Institut der Freien Universität hatte nur gelegentlich an gewaltfreien, di- Tatsächlich haben sich die Einheimi- sich ein Freundeskreis gebildet, der rekten Aktionen beteiligen konnten, schen mit den HamburgerInnen und damit experimentierte, hauptamtliche sollte nun in einem Brennpunkt der BerlinerInnen verbündet, die sich im BasisarbeiterInnen zu finanzieren, die Ökologiebewegung eine Bildungs- Landkreis Zweitwohnsitze geschaf- den Widerstand der ökologischen und Begegnungsstätte für gewaltfreie fen hatten oder die den Landkreis von und pazifistischen Bürgerinitiativen Aktion aufgebaut werden. Ferien auf dem Lande kannten und

DANKE • Anne-Doerthe Beer • Wolfgang Beer • Ruth Behrendt • Julia Beier • Annika Beins • Christine Benecke • Berghof Conflict Research • Amrita

15 schätzten. So verbrachte auch meine „Stätte“, also der Immobilie, stand, Familie dreimal die Sommerferien in Die Entscheidung für den Land- sondern das bewegte, das wandern- , im reedgedeckten Sommer- kreis Lüchow-Dannenberg war dem de Unternehmen und das Reifen eines haus des dortigen Pfarrerehepaares Verein schwer gefallen. Es gab ge- Programms, das sich sehen lassen Heike und Gottfried Mahlke. Diese wichtige Einwände von erfahrenen konnte und Menschen mit durch- gewachsenen Verbindungen waren Leuten, die vor der Abgeschieden- schnittlichen Einkommen bewegte, dann die Voraussetzung dafür, dass heit und entsprechend schlechten im Wendland Arbeitszeit und erheb- man es wagen konnte, in einer abge- Verkehrsanbindung des Landkreises liche Summen (meist als zinsloses schiedenen Ecke der Bundesrepublik Lüchow-Dannenberg warnten. Erst Darlehen) für eine Tagungsstätte und ein Widerstandsnest zu schaffen. in der Mitgliederversammlung vom deren Renovierung zu investieren. 7. März 1981 fiel die Entscheidung Der Kauf des Gasthofes „Die Kurve“ für Lüchow-Dannenberg. In dem Be- Natürlich war es wichtig, dass im in Wustrow stand nicht am Anfang. schluss hieß es: „Voraussichtlich im Sommer 1981 dann auch der Schritt Der Trägerverein der Bildungs- und Raum Lüchow soll eine klein dimen- getan werden konnte, die Gaststätte Begegnungsstätte wurde gegründet, sionierte Tagungsstätte mit Büro, 10- „Kurve“ zu erwerben. In meinem Ta- als diese noch keinen Standort, kei- 15 Betten, Küche und Tagungsraum gebuch habe ich die triumphierende ne „Stätte“ hatte und die Veranstal- entstehen. Um die Ungunst der Ver- Notiz gefunden: „Pisselberg. Sams- tungen in wechselnden Quartieren kehrslage auszugleichen, werden die tag, 5. September 1981. Die BUBGA stattfanden. In Pisselberg stellten ein Mitarbeiter einen Teil der Veranstal- kann jetzt richtig loslegen. Wir haben Berliner Pastor und seine ökologisch tungen in allen Teilen der Bundesre- mit dem ehemaligen Gasthof Wend- gärtnernde Frau uns ihren Bauernhof publik gemeinsam mit befreundeten land in Wustrow ein sehr geeignetes für Seminare zur Verfügung. Ich be- Institutionen anbieten.“ Haus für relativ wenig Geld bekom- trieb dort systematisch die RedneIn- men. DM 200.000. Hinzu kommen nenrschulung der PropagandistInnen Zu diesen Wanderveranstaltungen ist noch ca. DM 50.000 für die Renovie- der Sozialen Verteidigung. es auch gekommen. Torsten Schramm rung. Mit Margrit Albers und Wolfgang berichtet in „Gewaltfreie Aktion“ (Heft Hertle haben wir zwei qualifizierte Das Programm der Bildungs- und 47/48) ausführlich über einen solchen Trainer. Zu unserer Vorstandssitzung Trainingsstätte wurde entwickelt und Kurs „Stand und Perspektiven des sind auch unsere freien Mitarbeiter erprobt, und das MitarbeiterInnen- Widerstandes gegen die Atomener- gekommen: Ricarda, Viola und Eva.“ team gebildet, bevor der Sitz der giepolitik“. 24 Personen hatten sich Bildungs- und Begegnungsstätte für das Wochenende vom 10.–13. Das klingt nach dem Happy End einer gefunden worden war. In Heft 47/48 April 1981 in den Trebeler Bauernstu- Gründungsphase und das ist es auch, von „Gewaltfreie Aktion“ erschien im ben, „der Keimzelle des regionalen wenn man aus Erfahrung weiß, dass Sommer 1981 ein umfangreicher Auf- und auswärtigen Widerstands“ ein- die Begeisterung für das gemein- ruf zur Unterstützung der Bildungs- gefunden. Der Kurs führte zielstrebig same Programm das eine Moment und Begegnungsstätte. Als Aufgaben zur Teilnahme an einem „Blockade- ist, das andere aber die unterirdisch wurden genannt: Picknick“ am AKW Brokdorf. dräuenden Beziehungsprobleme – Unterstützung gewaltfreier der MitarbeiterInnen einer solchen, Aktionen Torsten Schramm, der bei der Vor- noch nicht gefestigten Institution. – Vermittlung von Theorie und Praxis bereitung der Vereinsgründung eine Viele Projekte sind an internen Kon- gewaltfreier Aktion durch Seminar, wichtige Rolle gespielt und (bei ge- flikten gescheitert. Auch der KURVE Trainings und Informationstreffen ringem Lohn) auch als Basisarbei- Wustrow ist in dieser Hinsicht wenig – Weiterentwicklung theoretischer ter eines Berliner Freundeskreises erspart geblieben. Rückblickend ist Grundlagen und didaktischer um Ossip Flechtheim im Landkreis das Tröstliche: Alle Beteiligten hatten Konzeptionen. tätig gewesen war, schließt seinen die Lehren der gewaltfreien Aktion Bericht mit dem ironischen Lob der zumindest soweit verinnerlicht, dass Die MitarbeiterInnen Margrit Albers Beteiligten für die Veranstalter: „Die es nie zur Katastrophe kam, sondern und Wolfgang Hertle stellten sich (Brokdorfer) Wasserwerfer verschon- alle Schwierigkeiten wenn nicht zu ei- mit ihren Lebensläufen vor und dann ten auch einige aus unserer Gruppe ner Lösung, dann doch einem modus folgte ein „Fahrplan“, der den Aufbau nicht. Auf die Frage der Teamer, ob es vivendi gelenkt werden konnten und des Unternehmens operationalisier- kalt sei, kam nur die lakonische Ant- der Vereinszweck allen internen Kon- te. Dass diese organisatorische und wort: Ihr seid Schuld daran, dass wir flikten zum Trotz sich behauptete. Die finanzielle Planung so überzeugend nass sind, denn nur die gute Atmo- internen Konflikte zu beschreiben, ausfiel, war in erster Linie das Ver- sphäre in dem Seminar hat uns nach böte genügend Stoff für mehrere Ro- dienst des Vorsitzenden Professor Brokdorf gebracht.“ mane, doch diese zu schreiben will Harmen Storck, der an der Univer- ich anderen überlassen. sität Hannover die ökonomischen Wenn man die Gründungsgeschichte Grundlagen des Gartenbaus lehrte. der Bildungs- und Begegnungsstätte Theodor Ebert, Friedensforscher und Und was gut war für die GärtnerIn- für gewaltfreie Aktion“, die heute auf Professor Emeritus für Politische nen, war auch gut für die GandhistIn- den Namen „KURVE Wustrow“ hört, Wissenschaft, ist Gründungs- und nen, die von einer Art Tolstoi-Farm im zurückverfolgt, ist das Lehrreiche, langjähriges Vorstands- und Bei- Wendland träumten. dass am Anfang nicht der Erwerb der ratsmitglied der KURVE Wustrow.

Berndt • Arpana Berndt • DANKE • Hagen Berndt • Yunus Berndt • Christiane Beyer • Sebastian Beyer • Catinel Sabine Biana • DANKE • BI Umwelt-

16 Leben und Arbeiten unter einem Dach Die 80er Jahre in der KURVE Wustrow

Mit dem Kauf des Hauses in Wustrow aller gesellschaftlichen Gruppen“, und Begegnungsstätte für gewaltfreie waren 1981 auch große Anstrengun- „Ständige und offensive Angebote Aktion“, als auch die häßliche Abkür- gen verbunden, die finanziellen Be- für Bevölkerung, Gruppen und Ur- zung im Alltagsgebrauch [BuBgA] lastungen für die Vereinsmitglieder lauber“. Luftwurzel deshalb, weil es umgehen zu können, und suchen da- in Grenzen zu halten. Hans-Jürgen keine gewachsenen Wurzeln gab, die her noch einen kurzen aussagekräfti- Oppelland spielte innerhalb des Vor- die Bildungs- und Begegnungsstätte gen Namen. „Tankstelle“ ist der bisher stands eine tragende Rolle bei der in Landkreis und Widerstand verwur- einzige Vorschlag. ALLE MACHT DER Akquise und Umsetzung der Darle- zelt hätten (vgl. hierzu die Dokumen- FANTASIE!!!!!“ 1984 kann endlich auf hen. Sie waren notwendig, um Haus tation auf Seite 26). Veränderungen der Mitgliederversammlung folgender und Renovierung zu finanzieren. Trotz kamen Ende der 80er Jahre mit der Vorschlag beschlossen werden: „Un- stabiler Finanzierung für das Haus, Mitarbeiterin Katja Tempel und ihrer ser Vorschlag schließt die Änderung waren in den 80er Jahren mehrere aktionsorientierteren persönlichen des Vereinsnamens aus und knüpft Notspendenaufrufe notwendig, um Beteiligung an den Protesten des 1. an eine im Wendland seit Jahr- die Bildungsarbeit mit ihren Semina- Anti-Atomwiderstands. zehnten gebräuchliche Bezeichnung ren und Personalkosten finanzieren für unser Haus und 2. an die Tat- zu können. Mit dem zunehmenden Engagement sache, daß in der Bundesrepublik der Bildungs- und Begegnungsstätte von uns inzwischen fast nur als von Vor allem drei Themen beschäftigten im Landkreis nahm auch die wahrge- „Wustrow“ gesprochen wird: „Die Vorstand, MitarbeiterInnen und auch nommene Bedrohung von außen zu, Kurve Wustrow“. Dem folgt 1985 die den Beirat neben dem Ankommen die sich durch die 30jährige KURVE- Entwicklung des ersten Logos durch der beiden MitarbeiterInnenfamilien Geschichte zieht. So lesen wir im Klaus Christiansen, welches bis heu- Hertle und Albers-Emse (vgl. hierzu Jahresbericht von 1988: „In kurzen te die Außendarstellung der KURVE die Seiten 13-14): Die Verwurzelung Abständen hintereinander wurde in Wustrow prägt. im Landkreis und die angemesse- unser Büro eingebrochen; der Scha- ne Partizipation und Unterstützung den ist nicht unerheblich (schon HIER LOGO EINFÜGEN für den Anti-Atom-Widerstand, die früher wurden Fahrräder vom Hof Sicherheit im Haus und des Vereins gestohlen). Die damit verbundenen 1986 bekommt die KURVE Wustrow und zum Dritten die Außenwirkung Probleme (Anzeigen, Mißtrauen etc.) einen Gandhi-Brief im Original gelie- (vgl. hierzu die Seiten 27-28). belasten uns sehr.“ Dabei war dies hen, der in den Räumen in Wustrow nur die eine Seite der Bedrohung: ausgestellt wird. Leider wird dieser Das Ankommen im Landkreis und Die Bildungs- und Begegnungsstätte bei einem der beiden Hausbrände in das Unterstützen der Anti-Atom-Akti- taucht 1986 erstmals im niedersäch- diesem Jahr vernichtet. onen gestalteten sich recht mühsam, sischen Verfassungsschutzbericht auch wenn die Bildungs- und Begeg- auf und muss 1988 um den Erhalt Prägend für die ersten drei Jahre der nungsstätte mit Wolfgang Hertle bei der Gemeinnützigkeit kämpfen, was Bildungs- und Begegnungsstätte vielen Treffen präsent war. Trotzdem nur durch eine Satzungsänderung er- wird der Konflikt zwischen den Fa- gehörten sie nicht zum „gewach- reicht werden kann. milien Hertle und Albers-Emse, der senen“ Widerstandsstrukturen des 1983 zum Auszug beider Familien Landkreises, wenn auch Wolfgang Nach außen hin präsentiert sich die führt und zur Beendigung von Margrit Hertle einige Jahre im Vorstand der Bildungs- und Begegnungsstätte mit Albers‘ Arbeit in der KURVE Wustrow. Bürigerinitiative war und diese auch ihrem vielfältigen Seminarangebot, Auch für die beiden Vorstandsvorsit- innerhalb des Bundesverbands Bür- welches ab 1982 zunehmend im aus- zenden Theodor Ebert und Harmen gerinitiativen Umweltschutz vertrat. gebauten und renovierten Haus in Storck resultiert dies 1983 in ihrem Um dieses Thema verstärkt anzuge- Wustrow stattfindet (vgl. hierzu die Rücktritt vom Vorstand, da sie sich zu hen, entwickelte Konrad Tempel die Seiten 18-19). Bei der Werbung und weit weg fühlten, um eine gewaltfreie „Luftwurzelstrategie“, die die bishe- im Reden über die Bildungs- und Be- Konfliktaustragung zu unterstützen rigen Tätigkeiten in vier Bereichen gegnungsstätte für gewaltfreie Aktion (vgl. zu den Konflikten in der KURVE- akzentuiert und zusammenfasst: ist der lange Name oft hinderlich, so Anfangszeit die Artikel auf den Seiten „Ständige Präsenz im öffentlichen wird ab 1981 nach einer Namenser- 22-25). Bewußtsein“, „Ständig zu leistende gänzung oder einem neuen Namen Dienste für Alternativgruppen und für gesucht, wie hier im Rundbrief von 1987 öffnet sich die KURVE Wustrow Bevölkerung und Stadt Wustrow“, 1981: „Kreativix: Uns wäre es lieb, so- stärker nach außen: durch internatio- „Ständiger Austausch mit Sprechern wohl das überlange Wort „Bildungs- nale Besuche in Wustrow, unter an- schutz Lüchow-Dannenberg e. V. • Benjamin Blänkner • Anne Jasmin Bobka • Brigitta Böckmann • Christine Böckmann • Natalie Boensch • Daniel

17 1. Programm der KURVE-Wustrow

Böhm • DANKE • Matthias Böhm • Detlef Boick • Anika Bökenhauer • Sarah Bolbucke • Karin Böllmann • Karoline Borleis • Gertie Brammer • Brethren Programmatisches 1981–1989 Von Wolfgang Hertle

Die Bildungs- und Begegnungsstätte Die spezifische politische Bildung der der KURVE Wustrow waren u.a. Öf- für gewaltfreie Aktion sollte der Stär- KURVE Wustrow erfolgte über die fentlichkeitsarbeit für Aktionsgrup- kung der gewaltfreien Bewegung all- Darstellung erfolgreicher und lehrrei- pen, Erfahrungsaustausch zwischen gemein und konkret in einem vermut- cher Beispiele gewaltfreien Wider- Friedensläden und zwischen Aktiven lich lang anhaltenden, gesellschaftlich standes der Vergangenheit oder aus von Greenpeace, Robin Wood und wichtigen Konflikt dienen. Durch die dem Ausland. Neben den „Klassi- Gewaltfreien Aktionsgruppen. Begegnung von Aktiven verschie- kern“ wie der indischen Befreiungs- denen Alters und weltanschaulicher bewegung (Gandhi) und der US-ame- 1984 war eine Podiumsdiskussion Herkunft wurden im Gorleben-Wi- rikanischen Bürgerrechtsbewegung über den „Umgang mit dem politi- derstand gewaltfreie Impulse gesetzt (M. L. King) ging es in Seminaren um schen Gegner“ Teil der Mitglieder- und in der Region ein umfassendes aktuelle Konflikte, um praktische So- versammlung. Im Oktober führte die Bildungsangebot angeboten. lidarität und gegenseitige Unterstüt- Polizei den ersten Lastwagenkonvoi zung. Dabei wurde auf die inhaltli- mit schwach- und mittelradioaktiven Die ersten Seminare fanden in Pis- chen Zusammenhänge zwischen den Atommüll direkt an der KURVE in selberg, Kalletal und Bückeburg Konfliktthemen hingewiesen. Wustrow vorbei. statt. Das Haus in Wustrow war das erste Jahr nach dem Kauf eine Bau- Ein wichtiges Vorbild war das Zen- Nach der zweiten Abwehr einer WAA stelle und konnte erst ab 1982 als trum Le Cun du Larzac in Südfrank- gab es 1985 ein Strategiewochen- Tagungshaus genutzt werden. In 16 reich, dessen MitarbeiterInnen im ende „Neuer Anlauf des gewaltfreien Halbjahresprogrammen von Febru- Widerstand gegen die Erweiterung Widerstands in Gorleben“. Großen ar 1981 bis Mai 1989 fanden insge- eines Truppenübungsplatzes mit- Anklang fanden Themen wie „Um- samt über 160 Seminare statt. Die wirkten. Die dortige Bevölkerung hat- weltzerstörung in der DDR“ oder der Gründungs- und Konzeptionsdis- te sich auf Gewaltfreiheit und Zivilen „Gang des Schweigens“ von Mutlan- kussion fiel in die Zeit zwischen dem Ungehorsam geeinigt. Über die Kurse gen nach Gorleben, der am Hiroshi- Hannover-Treck 1979, der Besetzung von Le Cun kamen viele Menschen ma-Tag an der Elbe endete. der Bohrstelle 1004 (Republik Freies auf die abgelegene Hochebene, die Wendland) 1980 und der Neuorien- Erfahrungen aus ihrer politischen Ar- Hildegard Goss-Mayr berichtete tierung der Friedensbewegung nach beit mitbrachten. 1986 vom gewaltfreien Widerstand dem NATO-Doppelbeschluss zur gegen die Marcos-Diktatur auf den Raketenstationierung. Während in Einige Beispiele aus der Programm- Philippinen. In einer Denkwerkstatt den ersten Jahren der Bildungsstätte arbeit: Neben den Einführungen in über militärische Aspekte im Wend- das Thema Abrüstung überregional Gewaltfreie Aktion, Soziale Verteidi- land brachte Gertrud Schilling (MdB) wichtiger wurde, gab es bis zur Grün- gung und Zivilen Ungehorsam, die Erfahrungen aus der militärplanerisch dung der Gruppe „Hiroshima ’84“ im zum Standardrepertoire der KURVE wichtigen Grenzregion „Fulda Gap“ Wendland keine Friedensgruppe. Im Wustrow gehörten, gab es 1981 u. ein. Weitere Themen waren u.a.: Ak- Verein gab es zeitweise Zweifel, ob a. Seminare über die Verbindung von tionstraining für SeniorInnen, Krieg- das Thema Atomkraft attraktiv ge- Ökologie und Frieden, zur Nachrüs- sangst bei Kindern, Apartheid in Süd- nug sei, um Menschen in eine abge- tung, Großengstingen und eine Rei- afrika, Militarisierung im Pazifik. Der legene Region zu locken. Friedens-, se mit Zivildienstleistenden auf den israelisch-palästinensische Konflikt Ökologie-, Kirchen- und Gewerk- Larzac. wurde bearbeitet, ebenso die Lage schaftsgruppen, die aus dem ganzen im Iran nach dem Krieg mit Irak, die Bundesgebiet zu anderen Seminar- 1982 führte ein Training für die Aktion gewaltfreien Bewegungen in Indien Themen nach Wustrow kamen, soll- „Tanz auf dem Vulkan“ an der Zwi- nach Gandhi, die Friedensbewegung ten dabei auch stets vor Ort etwas schenlagerbaustelle zum Verlust der in der DDR und religiös motivierte ge- vom Gorleben-Konflikt kennenlernen, Förderung eines deutsch-französi- waltfrei aktive Lebens- und Aktions- der in den überregionalen Medien in schen Seminars, da ein Polizeispitzel gemeinschaften. den Hintergrund getreten war. Der falsche Nachrichten nach Bonn wei- Anspruch, den Gorleben-Widerstand terleitete. So könnten noch viele Themen und mit zündenden Ideen und Initiativen Aktivitäten aufgezählt werden, dane- für aktive Gewaltfreiheit zu gewinnen, 1983 kamen TeilnehmerInnen aus ben kriegte die KURVE Wustrow trotz musste jedoch gegen die alltäglichen dem Larzac, die besonders motiviert mancher politischer, finanzieller und Mühen der Ebene ankämpfen. Statt im Wendland- Seminar mitwirkten. gruppendynamischer Schwierigkei- charismatischer Allround-Animateure Der erneute Vorstoß zum Bau einer ten immer wieder die Kurve. waren in den örtlichen Gruppen ge- Wiederaufarbeitungsanlage (WAA), duldige Zuhörer und verlässlich Mit- diesmal in Dragahn, brachte den wirkende gefragt. Widerstand zu neuer Blüte. Themen

Service • Eva Breuer • DANKE • Eva Mira Bröckelmann • Brot für die Welt • Gert Brüning • Gerd Bück • Aneta Bulkiewicz • Bund für Soziale Verteidigung

19 Leben und Arbeiten in der „Kurve“ Von Margrit Albers

… Ich erinnere mich an unser sehr len. Das war sehr schön! nach Trebel. Dort saßen nach been- ganzheitliches Konzept von Leben detem Gebärstreik unter anderem und Arbeiten. Wolfgang Hertle und … Ich erinnere mich, wie ich in Villigst/ mehrere schwangere Frauen und ich als erste MitarbeiterInnen der Schwerte an der Ruhr ein Seminar wir planten eine unserer vielen kre- „Bildungs- und Begegnungsstät- zur Gewaltfreien Aktion gab – ich war ativen Aktionen. Als ich nach Hause te für gewaltfreie Aktion“ wohnten oft unterwegs, um so Geld für die Bi kam, war der ganze Fußboden grau, mit unserem/r Partner/in und je ei- und Be einzutreiben – und ich Angst der Mörtel gut verteilt eingetrocknet. ner Tochter unter einem Dach mit hatte, nicht ‚rechtzeitig’ vor Ausbruch Schade. Wir haben‘s aber noch ge- gemeinsamer Küche und Büro. Die des dritten(!) Weltkrieges nach Hause richtet bekommen. Wohn- und Schlafräume waren zwar zu kommen. Mein Kopf war voller Ka- getrennt aber auf gleichem Flur. tastrophenwissen über den Nachrüs- … Ich erinnere mich, dass ich bei tungsbeschluss, Pershing-Raketen Treffen von WiderständlerInnen im Wir wollten die „entfremdete Arbeit“ und ähnliche Bedrohungs-Szenarien. Landkreis oft skeptisch bis ableh- abschaffen und strebten an, das Ide- Ich fürchtete mich. nend beäugt wurde – als Gewalt- al der Integration von Arbeiten und vermeiderin tituliert. Zum Glück gibt Leben zu verwirklichen. Und es hat … Ich erinnere mich, wie meine Toch- es heute im Landkreis und all over mir sehr gut gefallen, das zu versu- ter Anna (3) – wenn viele Leute im sehr viel mehr Wissen und chen! Haus waren, die dann auch unsere Zustimmung zur gewaltfreien Wider- Sitzecke in der Küche mit bevölker- standsstrategie und ihrem beherzten … Ich erinnere mich in diesem Zu- ten – sich nach langem Gucken und Eintreten gegen Unrecht. sammenhang daran, wie freudvoll Beobachten zu einer Person auf den und befriedigend es war, mich auf Schoß setzte und nur noch mit dieser … Ich erinnere mich an (herz-)zerrei- die Trainings und Seminare im Haus Kontakt behielt. Alle anderen wurden ßende Gespräche mit gut gemeinter nicht nur inhaltlich vorzubereiten und ignoriert. Das war ihre Art, mit Men- Unterstützung von vielen Personen, Wandzeitungen und Paper zu erstel- schen-Überflutung umzugehen. die aus verschiedenen Orten der len, sondern auch die Zimmer sauber Republik angereist kamen und ver- zu machen, die Betten zu beziehen … Ich erinnere mich daran, dass ich suchten, unser konfliktgeladenes und Blümchen auf die Tische zu stel- als Reiterin in den Wustrower Reit- Innenverhältnis zu kitten. Umsonst! verein eintreten wollte. Der Vorsit- Wir gingen verletzt und im Streit aus- Margrit Albers 2010 an ihrem Lieblingsort in der zende bat mich inständig in einem einander. Träume waren gestorben, KURVE Wustrow Privatgespräch, den Aufnahmean- Ideale angekratzt, zweifelnde Fragen trag doch bitte zurückzunehmen, tauchten auf. denn sonst würde ich sein ‚Lebens- werk’ zerstören; man wisse ja, dass Wie ist das mit der eigenen Gewalt- die Atomkraftgegner jetzt die Vereine tätigkeit unter dem hochgehaltenen im Landkreis unterwandern wollten. Schild der politischen Gewaltfrei- Aufgrund der Intervention eines Reit- heit? hallenbesitzers auf den der Verein Warum ist es so schwer, nach den ei- angewiesen war, konnte ich dennoch genen Ansprüchen zu leben? Mitglied werden. Heute bin ich innerlich beruhigt und Man kann es sich heute gar nicht freue mich zu sehen, dass es die Kur- mehr so recht vorstellen, wieviel ve gibt und wohin sie sich entwickelt Ängste wir durch unsere Zuwande- hat, bestaune ihre Vielfalt. rung ausgelöst haben. Nur, dass sie keine Senioren-Pro- … Ich erinnere mich, wie Udo Emse gramme auflegt, ist echt ’ne Sauerei! (mein Ehepartner) und ich unser Bad Da wäre ich doch glatt dabei! – wo jetzt die super Damen-Toiletten sind – mit schönen Terracotta - Flie- Margrit Albers war die erste päda- sen beklebt hatten. Ich hatte den gogische Mitarbeiterin und zog 1981 Fugenmörtel eingeschlemmt, fuhr zu mit ihrer Familie in das neu gekaufte einem Treffen der Gorleben-Frauen Haus.

BSV • DANKE • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / ENTIMON-Programm & KJP • Bundesministerium für wirtschaftliche

20 Zwischen Familie, Wohn- gemeinschaft und Schule die Kurve kriegen Im Gespräch mit Doris Hertle über ihre Zeit in der Bildungs- und Begegnungsstätte

Also ich bin total froh, dass ich die- dass jede Familie eine Woche lang ging der Kontakt zwischen den Fa- ses Leben so hatte, wie es war, ist zuständig sei. Ich habe zugestimmt, milien über die Kinder weiter, auch Doris Hertles Fazit über ihre Zeit als ohne mir klar zu machen, was es be- wenn das „Aufeinanderzugehen“ der Mitbewohnerin und Mitwirkende der deutet. Bei Albers war Udo der Koch. Erwachsenen seine Zeit brauchte: Es Bildungs- und Begegnungsstätte für Ich war damals selbstverständlich hat auch lange Jahre gedauert, bis gewaltfreie Aktion. Gemeinsam mit davon ausgegangen, es würde Mar- Margrit, Udo und wir uns wieder ver- ihrem Mann, Wolfgang Hertle, ihrer grit sein. Und da mein Ex-Mann söhnt haben, das war so tief zerstrit- Tochter Maria und der Familie Marg- überhaupt nicht kochen konnte, war ten, weil das einfach alles zu viel war, rit Albers und Udo Emse gehörte sie ich es bei uns. Und das dann neben und wir überhaupt noch keine Verfah- zu den Aktiven innerhalb des neuge- dem Vollzeit-Schuldienst und zwei ren hatten, anders damit umzugehen. gründeten Vereins der Bildungs- und kleinen Kindern. Total hart, und ich Wenn ich mit dem Stand von heute Begegnungsstätte. 1981 wurde ihr hab mich lange, lange nicht getraut, unser Verhalten damals ansehe, kann Sohn Christoph als erstes „KURVE- zu sagen, das läuft so nicht, das geht ich nur sagen, „um Gottes Willen,“ Kind“ geboren. So machten sie sich so nicht. Irgendwann habe ich dann aber wir waren unfähig, das zu lösen auf, um den gewaltfreien Gedanken mal geweint und gesagt: „Ihr könntet und miteinander zu sprechen. Und in die Bevölkerung bringen, an ei- mir doch auch mal helfen beim Ab- dann haben wir uns ganz lange über- nem Ort, wo sich die zentrale Aus- waschen.“ Da hat Margrit gesagt: „Ja haupt nicht gekannt. Bis dann Anna einandersetzung um die Atomkraft wenn du was willst, dann sag doch 18 wurde: da haben Margrit und Udo abspielt. Damals war ja noch ein gan- was, du hast doch gar nichts gesagt“ die Kinder und mich eingeladen zu zer ‚Entsorgungspark‘ hier geplant, Damals war ich verzweifelt, traurig, ihrem 18. Geburtstag. Und das war mit Atomkraftwerk, Wiederaufarbei- böse usw., aber aus ihrer Sicht kann ganz ergreifend, da haben wir gesagt, tungsanlage, Endlager und Pilotkon- ich das heute verstehen, denn ich „mensch, jetzt waren wir so lange so ditionierungsanlage. war wirklich ein Schaf. So gab es zerstritten, aber eigentlich haben wir viele Konflikte, die wir aufgrund der ja viel miteinander erlebt.“ Dabei hat- Dann sind wir auf die Suche nach unterschiedlichen Erfahrungen und ten wir die Streitigkeiten nie auf die einem Haus gegangen. Wolfgang, Bedürfnisse nicht klären konnten. Wir Kinder übertragen. Wir haben wie der nie im Dorf gelebt hatte, wollte haben es versucht, Heike und Gott- geschiedene Leute die Kinder vorm unbedingt in einen Rundling ziehen, fried Mahlke kamen zur Beratung, Haus der anderen abgesetzt. Die ha- und ich, die ich aus einem klitzeklei- aber es waren einfach, zwar nicht ver- ben den Kontakt immer behalten, die nen Dorf stammte, stellte zusammen schiedene Welten, aber unterschied- haben zusammen gespielt, und um mit Margrit die Bedingung, dass es liche Sprachen, bzw. ein Umgang mit den Kindern nicht zu schaden, haben einen Kindergarten, Arzt, Apotheke Konflikten, den ich damals noch gar wir das aufrechterhalten. und Schule geben sollte, wir wollten nicht konnte. nicht die Kinder unablässig fahren Im Nachhinein bin ich dankbar, dass müssen. 1983 hieß es, dass aus Platzgrün- ich das alles so erlebt habe. Es hat den eine Familie ausziehen muss, mein Leben total bereichert und auch Als das Haus in der Kirchstraße 14 weil mehr Platz für die Seminare ge- durch die vielen Konflikte habe ich gefunden und bewohnbar gemacht braucht wurde. Da wollten merkwür- viel gelernt. Mit dem heutigen Wis- worden war, lebten die beiden Famili- digerweise beide Familien nicht aus- sens- und Erfahrungsstand hätte ich en mit ihren drei Kindern Anna, Chris- ziehen, aber es hieß dann, es könnten auf vieles ganz anders reagiert, und toph und Maria in den kleinen Räu- ja nur wir ausziehen. Wir haben dann vieles wäre viel einfacher gewesen. men, die sie selbst ausgebaut hatten. für drei Jahre ein Haus am Altmarkring Und andererseits wäre vielleicht, Das Familien-Gemeinschaftsleben gemietet, dort war ich dann wirklich wenn wir nicht so naiv gewesen wä- gestaltete sich nicht einfach für Doris von allem abgeschnitten, Wolfgang ren, auch keiner auf die Idee gekom- Hertle: Damals war ich durch meine arbeitete in der ‚Kurve‘ weiter und men, da mit zwei Familien und einem Erziehung noch gar nicht in der Lage, war immer außerhalb unterwegs. Säugling in so ein Zimmer zu ziehen. meine Bedürfnisse zu äußern. Udo Und solche Erlebnisse zur persönli- und Margrit hatten schon Wohnge- Diese KURVE-Phase war mit dem chen Menschwerdung hätte ich ohne meinschaftserfahrung. So gab es Auszug für Doris Hertle erst einmal diese Zeit nicht gehabt. den Vorschlag zur Küchenregelung, abgeschlossen gewesen. Jedoch

Zusammenarbeit und Entwicklung • DANKE • Thimna Bunte • Ulrike Bürger • Laura Busch • Gaby Buschmann • Günther Buschmann • Christian Büttner

21 KonfliktKURVEn Von der Herausforderung, dem Anspruch der Gewaltfreiheit auch intern gerecht zu werden

Von Peter Steudtner

Die Geschichte der KURVE Wust- blematik unserer pädagogischen und zwischen Überstunden und Engage- row ist auch eine Geschichte interner politischen Arbeit und die damit ver- ment unterschieden werden kann: Konflikte und gegenseitiger Verlet- bundenen überhöhten Erwartungen „Es mag sehr befriedigend sein, mein zungen. Der eigene Anspruch, auch aneinander ein Faktor der Schwie- soziales Engagement zum Beruf ma- intern Konflikte gewaltfrei zu bear- rigkeiten gewesen sein könnten; wir chen zu können. Aber wie kann ich beiten, konnte manches Mal nicht haben erkannt, daß u.a. zu viele ver- Feierabend machen, wenn es noch erfüllt werden. An zwei Beispielen schiedene Aufgaben auf den einzel- so viel zu tun, zu verändern gibt?“ wird deutlich, dass vor allem die nen Schultern lagen.“ strukturellen Rahmenbedingungen Der Erwartungsdruck, in diesem Feld einige MitarbeiterInnen und auch Reiner Steinweg, der zu dieser Zeit der Gewaltfreiheit aktiv zu sein, ist in Vorstandsmitglieder an ihre Grenzen im Vorstand war, schrieb: „Die Wust- zweierlei Hinsicht extrem hoch: Zum stoßen ließen. Hinzu kommt, dass rower Alltagsprobleme der vergan- einen wird erwartet, sich für dieses diese Bedingungen auch die in ihnen genen Jahre hatten nach unserer wichtige Thema auch über die ge- lebenden und arbeitenden Menschen übereinstimmenden Meinung nicht plante und bezahlte Zeit hinaus zu verändert und geprägt haben, sodass zuletzt ihre Ursache darin, daß das engagieren und damit tendenziell im Zusammenspiel mit den zum Teil Mitarbeiterteam in Wustrow, jeden- selbst auszubeuten und zu überfor- sehr ausgeprägten Charakteren der falls für diese Anfangsphase, einfach dern. Zum anderen wird erwartet, KURVE MitarbeiterInnen – im positi- zu klein war. Wenn zu viele und zu die Konflikte intern gewaltfrei lösen ven wie im negativen Wirken – Kon- verschiedene Aufgaben auf einmal zu zu können – und hier Vorbild zu sein, flikte mit tiefen Verletzungen einher- bewältigen sind von zu wenig Perso- statt nach außen zeigen zu können, gingen. nen, hat das meist auch unvermeidli- wenn dem nicht so ist. Hier ist klare che Folgen für die ‚Psychodynamik’. (Selbst-)Abgrenzung gefragt, die so- Konflikte der Anfangsphase In Wustrow fehlte deutlich die Mög- wohl der Institution KURVE Wustrow lichkeit der Teambildung, die Entlas- als auch den einzelnen MitarbeiterIn- Schon die Anfangsphase der Bil- tung, die der einzelne in der Gruppe nen oft schwer fiel und immer wieder dungs- und Begegnungsstätte für dadurch erfahren kann, daß andere fällt. gewaltfreie Aktion mit den beiden Fa- ihm beispringen, seine Intentionen milien Albers/Emse und Hertle brach- ‚verdolmetschen’, mögliche Miss- Finanzierungsdruck und te große Schwierigkeiten für das verständnisse rechtzeitig aufklären, innere Konflikte Miteinanderleben unter einem Dach. Überlastungen und Probleme erken- Zum einen belasteten die hohen Er- nen oder erstarrte Wahrnehmungen Die konstant schwierige Finanzie- wartungen an sie, beziehungsweise auflösen helfen, auch einmal vorü- rungssituation erhöhte den Druck an die Entwicklung der Bildungs- und bergehend Rückzug und Besinnung zusätzlich, insbesondere weil die Begegnungsstätte und den Aufbau erlauben, ohne daß gleich alles zu- Personaldecke der KURVE Wustrow von Haus und Gemeinschaft das sammenbricht, usw. Wir wissen zum immer zu dünn war. Von Beginn an gemeinsame Wirken. Zum anderen gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht, war das Geld, das durch Spenden, wurden die Konflikte durch die un- ob die Konzeption, ein so anspruchs- Darlehen und Förderungen zur Ver- terschiedlichen Lebenserfahrungen volles Projekt mit zwei Mitarbeitern fügung stand, nicht ausreichend, um und Arbeitsstile, insbesondere von zu beginnen (beide mit familiären alle Aktivitäten der KURVE Wustrow Margrit Albers und Wolfgang Hertle, Verpflichtungen), grundsätzlich illu- zu finanzieren – insbesondere nicht verstärkt. sionär war, oder ob wir nur gewisse das Engagement im Anti-Atom-Wi- Anfangsschwierigkeiten durchstehen derstand. Dies wurde noch verstärkt So steht im Jahresbericht von 1984: müssen.“ durch fehlende Finanz- und Buch- „Während der letzten Monate haben haltungskenntnisse, sodass fast re- Kollegium und Vorstand – und in einer Arbeitsüberlastung gelmäßig – in Fünf-Jahres-Abstän- gesonderten Sitzung auch der Beirat als Konfliktherd den – sogenannte Brandbriefe als – intensiv darüber nachgedacht, wo Spendenaufrufe verschickt wurden, die Ursachen dieses Konflikts lagen Die Arbeitsüberlastung war leider um die KURVE Wustrow vor dem fi- und weshalb gerade wir – die wir uns nicht nur in der Anfangsphase ein nanziellen Aus zu bewahren. Anfang der gewaltfreien Konfliktaustragung großer Konfliktherd. Bis heute ziehen 2006 machte die verbesserte Buch- verpflichtet fühlen – in so wenig ide- sich stressbedingte Konfliktreaktio- führung ein strukturelles Defizit von aler Weise mit dem Konflikt umgehen nen durch die KURVE-Geschichte. fast 170.000 Euro sichtbar, während konnten. Dabei sind wir darauf ge- Dabei ist ein großer Faktor der Über- die Aktivitäten (Freiwilligendiens- stoßen, daß auch die inhaltliche Pro- lastung darin zu sehen, dass nicht klar te, Trainingsprogramme, Friedens-

• DANKE • Café Klecks, Wustrow • Sandra Campe • Centre for Balkan Cooperation LOJA (Mazedonien) • DANKE • Centre for Nonviolent Action CNA

22 fachkräfte) und das Finanzvolumen dünne Personaldecke die KURVE- ren und äußeren Erwartungen zu fin- enorm zugenommen hatten (zu Fi- Probleme zu spüren (vgl. hierzu S. den und ausreichend Mittel einzuwer- nanzen siehe auch die Seiten 80-82). 68-69). ben. Im Bereich der Projekte konnte Dieser Finanzdruck, zusammen mit viel erreicht werden: Bei Anträgen dem schwierigen Leitungsverhalten KURVE braucht Bewegung wird immer auch ein Verwaltungsan- des Geschäftsführers Harald Förster teil veranschlagt, um die Planungs- (geborener Müller) – der sich selbst Den gewaltfrei eskalierenden Um- und Betreuungsarbeit der Geschäfts- unter dem Druck fühlte, die KURVE bruch dieser Konfliktphase brach- stelle zu finanzieren. Schwieriger ist Wustrow vor der drohenden Insol- te 2004 der Aufruf „KURVE braucht es nach wie vor, ausreichend Mittel venz mit harter Hand betriebswirt- Bewegung – Bewegung braucht für das Engagement in den sozialen schaftlich retten zu müssen – führte KURVE!“, der auf den Seiten 74-75 Bewegungen zu finden – sei es in der zu massiven Konflikten innerhalb der dokumentiert ist. In monatelangem Anti-Atom-Bewegung oder die Teil- MitarbeiterInnenschaft und vor allem Ringen konnte durch den KURVE-Rat nahme an Kampagnen der Friedens- auch mit dem Trainingskollektiv. Die und die Mitgliederversammlung eine bewegung. Hier fehlt nach wie vor ein Frustration und Fluktuation der Mit- Spaltung der Mitwirkenden verhindert ausreichendes Spendenaufkommen. arbeiterInnen war aufgrund des von werden. Der ebenfalls auf den Seiten Derzeit ist die KURVE Wustrow je- oben ausgeübten – und gleichzeitig 74-75 dokumentierte Beschluss der doch auf einem guten Weg. Die in von allen gemeinsam wahrgenom- Mitgliederversammlung steuerte als den letzten Jahren erarbeiteten Ins- menen – Drucks extrem hoch. Durch Auftrag an den neu gewählten Vor- trumente und Strukturen der Team- die zunehmende Hierarchisierung, stand dann wieder in Richtung grö- bildung, Entscheidungsfindung und einschneidende Sparentscheidungen ßerer Beteiligungsmöglichkeiten und Konfliktbearbeitung wie Konsensori- und Kontrollmechanismen der Ge- Einbeziehung der ehrenamtlich Enga- entierung, Supervision, Klausurtage, schäftsführung kam es zu vielen Ver- gierten sowie einer inklusiveren und Betriebsrat oder Teamplenum als Ver- letzungen. Gleichzeitig fühlten sich basisorientierteren Entscheidungsfin- knüpfung von MitarbeiterInnen und auf Grund der zunehmenden Profes- dung (zu den Auswirkungen im Vor- Vorstand (vgl. hierzu die Artikel über sionalisierung der Arbeit und nicht stand siehe S. 78-79). Dies läutete die Organisationsentwicklungspro- ausreichender Kommunikations- und eine neue Phase in der Entwicklung zesse auf den Seiten 83-85) ermögli- Informationswege viele ehrenamtli- und der Konfliktaustragung innerhalb chen es, Probleme und Herausforde- che KURVE-Engagierte von aktuel- der KURVE Wustrow ein – die ent- rungen rechtzeitig, gemeinsam und len und politischen Entscheidungen standenen Verletzungen sind jedoch konstruktiv anzugehen. Die Energien abgehängt. Und auch die Friedens- nicht zu vergessen. werden so für die eigene Entwicklung fachkräfte bekamen durch die hohe positiv genutzt. Fluktuation der entsprechenden Pro- So bleibt den MitarbeiterInnen bis jektreferentInnen und unzureichende heute, immer wieder neu die Balance Betreuung durch die insgesamt zu zwischen Arbeitsbelastung und inne-

(ehemaliges Jugoslawien) • Centro Studi Difesa Civile CSDC • Mariusz Chowanski • Christian Peacemaker Team Hebron (Palästina) • Klaus Christiansen

23 Verstimmungen haben auch ihr Gutes Aus den ersten Jahren der „Kurve Wustrow“

Von Reiner Steinweg und Konrad Tempel

1979 machten Wolfgang Hertle und Ungewollte Verletzung ich war von meinem mir wichtigsten Theodor Ebert den Vorschlag, in un- Von Reiner Steinweg Lehrer in der Schule gewohnt, dass mittelbarer Nähe einer der am hef- offenherzig geäußerter Widerspruch tigsten umstrittenen Atomanlagen Harmen Storck aus Hannover hatte in der Sache gerade im Verhältnis zu – der geplanten Endlagerstätte für den Gründungsvorsitz des Träger- einem Überlegenen als Anerkennung radioaktiven Atom“müll“ in Gorleben vereins der geplanten Bildungsstätte gewertet wurde, als Zeichen der Frei- im Wendland – eine „Bildungs- und übernommen, ich ging in den Beirat. heit, die der andere einem gewährt. Begegnungsstätte für gewaltfreie Nach einigen Jahren gab Harmen („Wer in einem Aufsatz eine andere Aktion“ („Bubga“) zu gründen. Dies den Vorsitz an Konrad Tempel weiter Position bezieht als ich, schneidet in geschah mit großer Beteiligung von und ich wurde zu seinem Stellvertre- der Bewertung um einen Punkt bes- jungen Aktiven und von „gestan- ter gewählt, voller Freue, nach zwei ser ab.“ Siehe meinen Aufsatz über denen“ Praktikern der gewaltfreien Jahrzehnten wieder etwas gemein- meinen ersten Lehrer der Gewaltfrei- Szene sowie von Wissenschaftlern, sam mit ihm tun zu können. Konrad heit, Heinz Schultz.) Daher war ich die sich grundlegend mit den ent- bereitete alle Sitzungen, und erst über Konrads Rückmeldung zuerst sprechenden Fragen befassten. recht die Jahresversammlung des völlig verdutzt, ja, verwirrt. Wie konn- Wustrow im Wendland wurde zu ei- Vereins, mit großer Sorgfalt vor und te er meine Einsprüche als Konkur- nem der vielen Orte, an denen Öko- besprach alle Punkte vorher mit mir. renz empfinden? logie- und Friedensbewegung sich verschränkten. Aber das war gar nicht so einfach, Erst allmählich begriff ich, was ich da ich in Frankfurt/M. arbeitete und getan hatte, und dass es vielleicht Zwar war die gemeinsame Schnitt- er in Hamburg wohnte – die leichte doch einen Unterschied macht, ob menge von Vision und politischer Weise der Kommunikation über e- man im kleinen Kreis oder öffentlich Energie groß genug, um eine sol- mail oder fax gab es noch nicht, und und sozusagen unentwegt Wider- che „Institutionalisierung“ unmittel- ich war immer in Zeitnot. Die erste spruch äußert ohne zu bedenken, bar an der damaligen Zonengrenze, von uns beiden geleitete Jahresver- was für ein Bild von unserem Ver- also „am Ende der Welt“, zu wagen sammlung, ich glaube, 1983, fand hältnis und der Vorstandsarbeit wohl und darauf zu vertrauen, dass In- bei schönstem Wetter und in bester die anderen, die uns kaum kannten, teressierte aus ganz Deutschland Laune statt, was mich betraf. Konrad erhalten mochten, und ob wirklich zu Kursen zu uns kommen würden, und ich saßen nebeneinander, vor jeder Einspruch um der Sache wil- aber es gab latente untergründige uns die erwartungsvollen Vereins- len nötig war. Konrad nahm es nicht Spannung, die sich aus den unter- mitglieder. Die Versammlung war gut übel, und nach der Pause nahm ich schiedlichen Lebenserfahrungen der besucht. eine andere, für ihn erkennbar konst- Beteiligten ergab und erst allmählich ruktive Haltung an. auflöste: Manche der zum Handeln Konrad machte einen Vorschlag (ich drängenden Jüngeren bewunder- weiß nicht mehr, welchen Inhalts), Suche nach ten einerseits die Wissenschaftler ich widersprach. Er machte einen guten Lösungen in ihrer Vorreiter-Rolle, belächelten zweiten und ich widersprach wie- Von Konrad Tempel sie aber andererseits wegen ihrer der, fand, man müsse das sorgfältig deutlichen Reflexions- und Lern- hin- und herwenden. Und so ging es Im Rahmen der dritten oder vierten Ansprüche. Da demgegenüber im fort bis zur Pause. Ich fühlte mich äu- Vorstandssitzung ist es zu einem Gründungszusammenhang von ei- ßerst wohl in meiner Rolle – und fiel anderen uns jeweils schmerzenden nem Universitätslehrer flapsig, wenn aus allen Wolken, als Konrad mich in Konflikt zwischen uns gekommen, auch vermutlich nicht zu unrecht von der Pause erregt beiseite nahm und der mir selbst im Augenblick der Be- der Notwendigkeit gesprochen wur- mich fragte: „Warum konkurrierst du ratungen gar nicht bewusst gewor- de, die Jüngeren zu „liften“, entstand unentwegt mit mir?“ Er fand die Situ- den war und den wir erst auf der ge- verständlicherweise erhebliche Ab- ation unerträglich. meinsamen Autofahrt nach Hamburg wehr und knisterte es eine Weile un- – als wir die Sitzung durchsprachen – ter der Oberfläche, bis die Jüngeren Konkurrenz? Unter Freunden? Ich gemeinsam bedacht haben. Ich hat- vor Ort so viel Sicherheit gewonnen empfand große Zuneigung, fast Ver- te mich tatsächlich mehrfach über hatten, dass sie damit souverän um- ehrung für den Älteren, den Initiator Reiners Starrköpfigkeit – und wie ich gehen konnten. der Ostermarschbewegung. Und meinte, Harthörigkeit gegenüber den

• Church and Peace • DANKE • Jarek Cichon • Stephan Clauss • Collective Campaign for Peace COCAP (Nepal) • Veronika Däges • Damien Dauchet •

24 Argumenten anderer – zuerst gewun- In unserem Nachdenken darüber durch unvollkommene, noch dert und später, was mir immer wie- wurde uns klar, dass mein Bemühen vieles offen lassende Vorlagen der geschieht, geärgert. um Konsens – das was Quäker „Sen- fördern kann, ein großer Gewinn, an se of the meeting“ nennen – Reiner den ich zeitlebens in ähnlichen Situa- Die Beratungen gingen um einen als verkrampfte Suche nach der ver- tionen immer wieder gedacht habe. Entwurf irgendeiner Planung (de- wässernden Schnittmenge erschien, ren Inhalt mir entfallen ist), Reiner und dass andererseits mir nicht Die „Bubga“, wie wir manchmal hatte vereinbarungsgemäß eine vorstellbar war, dass sein Behar- spöttisch abkürzend sagten, bis wir schriftliche, sorgfältig ausgearbeite- ren mit seiner beruflichen Erfahrung uns für den neuen – einprägsame- te Tischvorlage mitgebracht, die wir und seinem Selbstbild zu tun hatte. ren – Namen „Kurve Wustrow“ ent- jetzt zum ersten Mal lasen und ent- Er musste üblicherweise im Institut schieden, hat diese und viele ande- sprechend unvorbereitet kontrovers für Konfliktforschung Vorlagen so re noch wesentlich heftigere innere diskutierten. Aus einer Konsens-Tra- gründlich von allen Seiten durchden- Stürme überlebt, bis heute. Sie hat dition kommend, ging es nicht dar- ken, dass sie – wenn vor die große eine wesentliche Rolle bei der Aus- um, Reiners Konzept zu akzeptieren, Runde der Mitarbeiter gebracht – al- bildung von Fähigkeiten und der Er- sondern eine gemeinsame Lösung ler Kritik standhalten konnten. Gra- möglichung von Erfahrungen in ge- zu suchen, in die Bedenken und Ver- vierende Einwände bedeuteten dann waltfreier Konfliktaustragung in der besserung aller Anwesenden – gleich logischerweise vorherige Denkdefizi- Bundesrepublik gespielt und auch ob Vorstandsmitglieder oder nicht te auf seiner Seite, die es um jeden darüber hinaus, zum Beispiel mit der – einfließen. Trotz all unserer und Preis zu vermeiden galt. Kein Wunder Gründung des „Centre for Nonvio- meiner Bemühungen hatte Reiner also, dass Reiner uns gegenüber so lent Aktion“ / CNA in Sarajewo und es sehr schwer, irgendwo nachzuge- unbeweglich schien. Belgrad, das wesentliche Impulse für ben; nach jedem negativ-kritischen die Bearbeitung von Konflikten im Argument konnte er weitere Gründe Ich (K.T.) habe mir damals vorgenom- ehemaligen Jugoslawien gegeben für seine Überlegungen anführen, men, stärker auf die Befindlichkeit hat und gibt. so dass wir uns fast zwangsläufig und unausgesprochenen Prämissen immer wieder festbissen. Wir beide in Gruppen-Beratungen zu achten. Zitiert nach: Andreas Buro (Hrsg.) und sicher auch die anderen waren Und für mich (R.St.) war dieses Ge- (2005): „Geschichten aus der Frie- nicht glücklich, als wir schließlich die spräch und die Einsicht, dass man densbewegung“, Köln, S. 88–91. Beratung vertagt hatten. Kreativität in der Gruppe am besten

Konrad Tempel auf der Jubiläumstagung 2010

DANKE • Frauke Deerberg • Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung DEAE • DANKE • Deutscher Entwicklungsdienst •

25 Landkreis: Luftwurzelstrategie

Diakonisches Werk • Die Schwelle • Doreen Dierke • Carla Dietzel • Marie Dinkgrefe • Heribert Distelrath • DANKE • Angelika Doerne • Dokumentati-

26 Blick in meine Tagebücher Von Martin Humburg

Einen Blick in die Tagebücher aus den von Hannes und Eike Eckeberg; der ten Bereich zu den schwierigsten He- Jahren habe ich getan, von 1986 bis buddhistische Mönch, der uns mit rausforderungen. In der gewaltfreien 1989 wäre da viel Positives, schließ- seiner Vorbereitung der Lichterakti- Bewegung ist ja zumindest der An- lich auch Melancholisches, insge- on tagelang in Bann nahm und dann spruch entstanden, in diesem Punkt samt aber Frohes über die KURVE zu am Ufer der Elbe damit beglückte; besondere Sensibilität zu entwickeln. finden, aber die Zeit … unvergessen auch eine Jugendgrup- Deswegen kann das Scheitern auf pe des Alpenvereins, die im Som- diesem Gebiet auch so grandios, aus Also schicke ich Euch nur den ersten mer 1989 bei Blütlingen in der Nähe der Ferne betrachtet auch manchmal Eintrag, den ich gefunden habe, als des Gedenksteins ein Lager auf der kurios, ausfallen. kleine Zeitreise, geschrieben an mei- anderen Seite, also im Sperrgebiet, nem 24. Geburtstag, damals in Gie- aufschlug, weniger von Alpenglühen Unter den Namen, die zu erinnern ßen, noch ganz unter dem Eindruck begleitet, dafür vom Glühen der Te- sind, sind in ganz großer erster Linie meiner Zeit mit Aktion Sühnezeichen lefonleitungen der DDR-Grenzer, die zu nennen: Harmen Storck, den ru- beim französischen Mouvement pour Anweisungen von Oberen einholten. higen Promoter aus Hannover, der une alternative non-violente (MAN, In jener Zeit beehrte uns auch Jo- ohne eigene Prätentionen das Gefühl Montargis): anna Macy aus Kalifornien und ich vermittelte, dass die Sache im Vor- erinnere mich an einen faszinierend dergrund stand. Und der uns sogar 11.1.1980 meditativ gestimmten Abend in der in seiner Zeit als Professor in Äthiopi- Am letzten Wochenende hoben wir in Heide bei Trebel, von wo wir auf die en nicht vergaß und bei einem seiner Hannover den Verein aus der Taufe, raumschiffartig anmutende Szenerie wenigen Deutschlandbesuche aus- der sich um die deutsche Version von von Gorleben bei Nacht blickten. Ein gerechnet uns in der KURVE Wustrow Le Cun kümmern soll – in der Gegend Highlight für Joanna war, als sie den besuchte, weil ihm dieses „Kind“ am von Gorleben. Kurz: Es kann gut sein, Wendland-Pass überreicht bekam – Herzen lag. Und er saß ganz einfach dass ich mich zwischen Februar und als grenzüberschreitendes Dokument dabei in unserer Runde, als wir Pros- April im Landkreis Lüchow-Dannen- hat sie ihn mit nach Kalifornien ge- pekte eintüteten, half mit, und dann berg herumtreibe.“ nommen. lud er uns – damals Katja Tempel und mich – zum Essen ein. Ein Jahr später begann dann, mit der Dazu sind es wesentliche Strukturver- „Nachrüstungsdebatte“ und der so änderungen im Verhältnis Mitarbeite- Und Wolfgang Hertle, der natürlich überaus wirkmächtigen Sommerak- rInnen – Vorstand in jener Zeit (die der Gründer und erste Inspirator die- tion 1982 in Großengstingen auf der wohl heute nur noch vereinshistorisch ses Projektes war und über Jahre – Schwäbischen Alb die große Zeit der von Interesse sind); etliche Renovie- über das ganze Bundesgebiet im 2. rungen im Hause mit tatkräftiger Un- Martin Humburg auf der KURVE-Jubiläumstagung Halbjahr sich ausbreitenden Trainings terstützung der Workcamps. Beginn 2010 in gewaltfreier Aktion. des Ausbaus des Dachbodens, da- mals wesentlich vorangetrieben unter Mit zwei „Stegreif-Theater“ Freun- Anleitung von Dieter Schaarschmidt; den konnte ich Anfang 1983 (28.– Einrichtung einer Bibliothek; und 30.1.1983) eines der ersten offiziellen nicht zu unterschätzen: etwas Tau- Seminare der „BuBGA“ (ja, so hieß die wetter in den Beziehungen am Ort, „Bildungs- und Begegnungsstätte für auch über Dissensgräben hinweg: ich Gewaltfreie Aktion“ damals) durch- erinnere mich an heftige Konflikte mit führen, das aufgrund einiger (harmlo- dem Wustrower Magnaten Meiners, ser, I assure) Körper- und Massage- mit dem es nach dem Kampf um die übungen als das „Schmuseseminar“ Territorialrechte (dürfen Baumstäm- in die Vereinsgeschichte einging, da- me für die Sitzgruppe im Garten vo- mals waren wir noch Gäste im Haus rübergehend auf seinem Grund und von Carnaps in Pisselberg. Boden lagern?) nach Wahrnehmung und Anerkennung der wechselseiti- Ab 1986 wurden daraus dann drei gen Bedürfnisse und Rechte sogar hauptamtliche Jahre. Wenn ich an einen Händedruck gab – der Balkan Prägendes zurückdenke: natürlich ist überall, und die Aufgabe, die je- die vielen Seminare und Kontakte, weils andere Seite zu sehen, gerade die Entdeckung der Bedeutung von dann, wenn die Emotionen hochko- Küche und Ernährung, hier gab es chen, gehört eben nicht nur weltweit, einen Schub durch die Kochkünste sondern gerade im nahen und nächs- onsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit (Antikriegshaus) Sievershausen • Fynn Drafehn • Erika Drees • Ima Drolshagen • Lykke Dubbs

27 ausgehend von der französischen von 1986–1989 Geschäftsführer der Le Cun Erfahrung – die KURVE vor KURVE Wustrow. Seit 1993 etwas Ort auf die Beine stellte und auf sei- überbeschäftigt in psychologischer ne Art auch bei seinen Mitmenschen und pädagogischer Berufstätigkeit viel Sympathie und Anerkennung ein- in Ostwestfalen. warb. Konflikte gab es dann auch, klar; es nicht zu verschweigen, gehört zur Vollständigkeit. Martin Humburg mit seinen Tagebüchern auf der KURVE-Jubiläumstagung 2010

Ich glaube, dass ein großes Pfund der späteren Stabilität und Attraktivi- tät der KURVE Wustrow die Vielzahl der Menschen ist, die vor Ort Verant- wortung übernehmen. Auch die un- terschiedlichen Mentalitäten schaffen Reibung. Aber, wenn Ihr gut seid, die Arbeit mit den jeweiligen klaren Zuständigkeiten verseht, und wenn es ganz gut geht, ein gewisser Geist der Kooperation und der Freude am großen Ganzen dazukommt, dann ist das ein Schatz, von dem die KUR- VE Wustrow in guten und schwieri- gen Zeiten zehren kann, und der die wunderbare Eigenschaft hat, größer zu werden, wenn Ihr ihn mit anderen teilt.

Dr. Martin Humburg, Studium Ger- manistik /Geschichte und Psycholo- gie, 1976/77 im Rahmen der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste in Frankreich beim „Mouvement pour une Alternative Non-violente“; seit Ende der 70er Jahre in Kontakt mit dem Gründungskreis der KURVE;

Hin zum globalen Engagement Eintreten der KURVE Wustrow für Gewaltfreiheit im nationalen und internationalen Kontext in den 90er Jahren

Kennzeichnend für die 90er Jah- und den globalen Frieden gerecht zu So reichten die KURVE-Reaktionen re sind für die KURVE Wustrow ein werden. Beide waren bedroht durch von der gewaltfreien antimilitaristi- wachsendes Engagement in den die Pogrome gegen MigrantInnen schen Einmischung und Störung bei Bereichen Freiwilligendienst und und durch die faktische Abschaf- den Schlachtengedenkfeiern Anfang Trainingsarbeit, verbunden mit den fung des Asylrechts einerseits und der 90er in der Göhrde über die Vor- ersten Erfahrungen mit Friedens- durch die Balkankriege sowie die bereitung und Entsendung von Frie- fachdiensten. Dabei versuchte die NATO-Interventionen im Irak und die densfreiwilligen in Flüchtlingslager im KURVE Wustrow in den Jahren nach deutsche Beteiligung an der militäri- ehemaligen Jugoslawien bis zu Ge- der deutschen „Wiedervereinigung“, schen Intervention in Somalia ande- meinwesen- und Schularbeit für mehr der Verantwortung für den inneren rerseits. Demokratie und gegen Rassismus.

• Moiken Duhme • Anna Dziubka • DANKE • Bernd Ebeling • Miriam Ebert • Theodor Ebert • Hannes Eckeberg • Merle Marie Eckhard • Lukas Eibl •

28 Nicht zuletzt begann sich die KURVE erleichtern dem Staat den Zugriff auf te – wurde später eine eigen- Wustrow mit eigenen Friedensfach- das „Instrument ZFD“. Es besteht die ständige Organisation) und in diensten in der Türkei, in Kenia und in Gefahr, dass der Staat den ZFD als Sarajevo (mit Nenad Vukosavljević Ost-Timor zu engagieren. Rechtfertigung oder Unterstützung für Trainings- und Friedensarbeit, aus für militärische Interventionen nutzt. der bald das Center for Nonviolent In der Freiwilligenarbeit arbeitete die Die Diskussionen um den ZFD und Action hervorging). KURVE Wustrow aktiv am Entstehen die Perspektive der staatlichen An- professioneller Begleitungsstruktu- bindung verhindern, dass der ZFD Um diese ganzen neu entstehenden ren mit und baute ihr Freiwilligenpro- ein Instrument einer herrschafts- und Bereiche auch inhaltlich begleiten zu gramm aus (vgl. S. 50-54). Gleich- staatskritischen Denkweise sein kann, können, wird 1991 der KURVE-Rat zeitig waren die Diskussionen um der die strukturellen Gewaltausübun- gegründet. Der vor allem in den 80er die unterschiedlichen Konzepte des gen der kapitalistischen Staatenwelt Jahren für die KURVE Wustrow wich- Zivilen Friedensdienstes (ZFD) ab in Frage stellt. tige KURVE Beirat wird 1994 abge- Mitte der 90er Jahre prägend. Es gab schafft. einen „Grundkonsens“ der beteiligten Bis heute lassen sich viele dieser Organisationen, wie angesichts des grundsätzlichen Kritikpunkte am ZFD Doch auch das (Tagungs-)Haus deutschen militärischen Eingreifens aufrecht erhalten und machen ihn selbst verändert sich: Neben Umbau- in weltweiten Konfliktgebieten die für die KURVE Wustrow zu einem ten gründet die KURVE Wustrow den Wirksamkeit ziviler nichtmilitärischer schwierigen aber gleichzeitig doch Tagungshausverbund im Wendland Friedensinterventionen zu entwickeln finanziell starken Bereich (vgl. S. 60- mit, um sich gegenseitig zu informie- und zu belegen seien. Die Positionen 72). ren und auszutauschen, aber auch gingen jedoch bei der Frage der Um- um Finanzkrisen zu überwinden und setzung stark auseinander. Zusätzlich zum Engagement inner- um die Einbindung in der Region wei- halb des ZFD begann die KURVE ter zu stärken. Und mit der Redaktion Die Diskussion spiegelte sich auch Wustrow Ende der 90er Aktivitäten, der Graswurzelrevolution 1992 (vgl. innerhalb der KURVE Wustrow wider die die Kritikpunkte am ZFD-Konzept S. 32) und der AGDF-Außenstelle und fand ihren Ausdruck in der ak- aufgriffen: So wurde 1998 ein Ko- (vgl. S. 48-49) kommen neue Nutze- tiven KURVE-Beteiligung sowohl in operationsprojekt als „Friedensfach- rInnen hinzu. der öffentlichen Diskussion als auch dienst im Inland“ zur Beobachtung in der – von KURVE-Seite mit schwe- und Dokumentation der Menschen- Dabei engagierte sich die KURVE ren Bedenken verbundenen – Betei- rechtssituation von Flüchtlingen an Wustrow mit der Mit-Initiierung, Ent- ligung am „Modellvorhaben in Ziviler den EU-Außengrenzen mit Polen und wicklung und Koordination der bei- Konfliktbearbeitung“ in Nordrhein- Tschechien gestartet. Gleichzeitig den Aktionen „Gorleben bebt“ (1990 Westfalen und in den entsprechenden wurde 1997 mit dem Gorleben Inter- – Blockadeaktion) und „Ausrangiert“ ZFD-Gremien sowie in der Gründung national Peace Team (vgl. S. 58-59) (1995, vgl. hierzu die Seiten 36-37) der „Arbeitsstelle Friedensfragen“. eine internationale Menschenrechts- weiter im Anti-Atom-Widerstand, beobachtung und -präsenz zu den was 1996 auch zu einer polizeilichen Die größten Kritikpunkte am Konzept Protesten gegen die Castortranspor- Hausdurchsuchung in der KURVE des ZFD, wie er vom Bund für soziale te geschaffen. Wustrow führte. In der zweiten Hälfte Verteidigung, später vom forumZFD der 90er Jahre war dann eine Abnah- und noch später von der Bundesre- Ein großer Themenschwerpunkt ent- me des institutionellen Engagements gierung vertreten wurde, waren (und wickelte sich mit der gewaltfreien innerhalb des Anti-Atom-Widerstands sind zum Teil bis heute): Innerhalb Trainingsarbeit: das erste KURVE- zu bedauern (ein Blick auf 30 Jahre des ZFD wird das „militärische Pen- Trainingskollektiv fand sich zusam- KURVE-Engagement im Anti-Atom- dant“ des Militärdienstes und auch men, die Trainingsarbeit weitete sich widerstand findet sich auf den Seiten die Existenz und Aktivitäten der Bun- nach Ostdeutschland aus (vgl. S. 33-35). deswehr nicht (mehr) in Frage gestellt. 42-43) und mit Tanya Spencer auch Die antimilitaristische Perspektive international aus und das bis heute vieler Graswurzelorganisationen und stattfindende „International Training -bewegungen fällt damit weg und on Nonviolence in the Context of War wird überdeckt. Das Angewiesensein and Armed Conflict“ (vgl. S. 38-46) des ZFD auf staatliche Förderungen ging in seine erste Runde. macht es zu einem „beliebig“ ein- setzbaren Instrument staatlicher Inte- Hinzu kamen mit verschiedenen Auf- ressen. Die „zentralistischen“ Vertre- gaben KURVE-Außenstellen in New tungsgedanken (beim forumZFD) und York (mit Jill Sternberg zur Außenver- ebensolchen Organisationsgedanken tretung und Finanzakquise), in Ham- (beim DED) waren zu Beginn des ZFD burg (mit Jörg Rohwedder und Katja hinderlich und verdrängten kleine- Wilken zur Trainingskoordination und re Organisationen. Bis heute hat der Projektbetreuung), in Wroclaw (mit DED die zentrale Rolle der Mittelver- Malgorzata Kopka zur Entwicklung gabe inne. Diese zentralen Strukturen und Betreuung der Freiwilligendiens-

Christina Einbock • DANKE • EIRENE internationaler christlicher Friedensdienst • Elbe-Jeetzel-Zeitung • Udo Emse • Steffi Engelken • Christin Engel-

29 Außenwahrnehmungen: 10 Jahre KURVE

Ausschnitte aus einem Artikel von Rolf Meyer im Wustrower Stadtanzeiger von 1990

Jahrelang war das Thema KURVE für in Wustrow so eine Sammelstelle, so weiterarbeiten zu können.“ Denkan- Verwaltung und Rat der Stadt Wust- ein Nest entwickle, wo etwas zusam- stöße, wie sie die KURVE vorbringe, row tabu, die Existenz der Bildungs- mengebraut würde. seien für eine Demokratie von großer und Begegnungsstätte wurde igno- Wichtigkeit! riert, einzelne Vorstöße aus dem Raat Unschuldig sei die KURVE an die- zur „Aufnahme“ und Verbesserung sem negativen Image nicht gewesen; Um ein passendes Geschenk für die der Beziehung wurden abgeblockt, es läge an jedem Verein ein bißchen 10-Jahres-Feier zu finden, habe er die KURVE fand weder in der „Chro- selber, wie er sich gäbe und wie mit lange nachgedacht. Blumen verwelk- nik“ der Stadt Wustrow (1985) auch wem er Kontakt pflege und suche. ten schnell, ein Baum sei etwas dau- noch 1990 (!) im Faltblatt der Stadt Meiner wörtlich mit Bezug auf Gor- erhaftes. Aber welches Bäumchen? keine Erwähnung. Selbstkritisch muß leben-Demonstrationen früherer Zeit: Linde oder Ahorn? Oder sich etwa angemerkt werden, daß selbst der „Aber Sie haben sicher gelernt, daß gar für die knallharte deutsche Eiche Wustrower Stadtanzeiger seit seinem das nichts bringt, mit dem Knüppel entscheiden? Aber die würde ja auch Bestehen nie über die KURVE berich- gegen genehmigte Transporte vorzu- nicht von allen so angesehen, als tet hatte. Ersparen wir uns hier weite- gehen“. ob sie das Symbol der Freizügigkeit re Einzelheiten. Nun hat Bürgermeis- wäre, erklärte er schmunzelnd. Als ter Werner Meiner den „gordischen „Gegen eine gewaltlose Demonst- er dann mit der Mitteilung rüberkam, Knoten“ durch seine Teilname und ration hat ja gar keiner was, und ich bei seine Geschenk handele es sich Ansprache am „Tag der offenen Tür“ am allerwenigsten“, führte er weiter doch um eine Eiche, und zwar um der KURVE durchschlagen – allein, aus und berichtete, daß er schon als eine ROT-Eiche nordamerikanischen denn weder waren zum offiziellen Teil junger Mensch das Wirken von Gan- Typus“, hatte Werner Meiner alle An- weitere Ratsvertreter oder Angehöri- dhi und den Mann selbst, bewundert wesenden lachend auf seiner Seite. ge der Verwaltung noch Kandidaten hätte. Er hoffe, daß diese Roteiche gut an- oder Kandidatinnen für den Stadtrat wüchse und späteren Generationen zugegen. (…) Angetan ist Werner Meiner von den sowie Leuten, die hier in Frieden und internationalen Begegnungen, die Freude leben und sich schulen lassen Werner Meiner bezog sich in der die KURVE durchführt. Im März 1991 wollten, dann an heißen Tagen Schat- Schilderung seiner Beziehungen zur habe er eine Delegation des sowjeti- ten spende. Für Ziele, Weg und Arbeit „Bildungs- und Begegnungsstätte“ schen Friedenskomitees, im August wünschte er der KURVE im Namen auf einen Bericht in der Elbe-Jeetzel- die Teilnehmer eines internationalen der Stadt Wustrow sein bekanntes Zeitung: Workcamps begrüßt und sich beiden „Glück auf!“ (…) „Die Arbeit der ‚KURVE‘ war von Gruppen mit viel Zeit gewidmet. Anbeginn an innen wie auch außen Rolf Meyer ist Mitbegründer und nicht leicht. Die ersten Mitarbeiter Auf die Geschichte des Kurvenhau- engagiertes Vorstandsmitglied des hatten mit dem Umbau des Hauses, ses, einer ehemaligen Gaststätte Museum Wustrow. Lange Jahre war der Einrichtung der Bildungsstätte eingehend, sagte Meiner, daß die- er Pressesprecher für die Deutsche zu kämpfen, dabei blieb wenig Zeit se, insbesondere zur Blütezeit der Gesellschaft zum Bau und Betrieb für notwendige Kontakte mit den Schreyahner Schachtanlagen und von Endlagern für Abfallstoffe (DBE). Nachbarn. So galt das Haus bald als der nebenan gelegenen, längst still- 1990 war er Redaktionsmitglied des ‚Kommmunistenschmiede‘; in den gelegten Mühle, immer ein „Haus der Wustrower Stadtanzeigers. politischen heißen Jahren zu Beginn Begegnungen“ gewesen sei. der 80er wurde politisch unliebsames auf das Haus, seine städtischen Be- Der Name „KURVE“, der von dem Vom Museum Wustrow gestaltete Ausstellungstafel wohner und Gäste projeziert.“ Handwerksmeister-Gestirn Hermann zum KURVE-Sommerfest 2010 Schmidt (†), Günter Schlegel und Werner Meiner deutete diese Zeit so: dem „Kurvenschuster“ Alfred Fried- Als Bürgermeister habe er das Gefühl rich stamme, sei ein sinnvoller Name gehabt, daß die KURVE während der für das Haus. Meiner wünschte den „Geburtswehen“, wie er die zehn Jah- Mitarbeitern und den anderen Verant- re bezeichnete, in eine gewisse Rich- wortlichen der „KURVE“ zum Schluss tung abgedriftet sei, die nicht für alle seiner Betrachtungen, „daß Sie die Bürger annehmbar gewesen wäre. richtige Kurve kriegen, um dann auf Ein Empfinden damals, daß sich hier einem geraden und richtigen Weg mann • Leo Ensel • Karin Etzien • Evangelischer Entwicklungsdienst • DANKE • Christin Evers • Cheryl Feldmann • DANKE • Friederike Feuchte •

30 „Das geht dann mit

Händen und Füßen!”

Interview mit Sandra und Margarethe Plette von der Nachbar-Bäckerei Plette

Von Peter Steudtner

Die Bäckerei Plette, in direkter Nach- chungen oder Treffen auch in der Kaf- Gemeinsam berichten sie von Irritati- barschaft der KURVE gelegen, ist seit feestube stattfinden, zum Beispiel bei onen: „1989 waren wir dabei, unsere 1848 im Familienbesitz. Seit 1998 leckerem Plette-typischen Bienen- Dächer neu zu decken. Alle saßen wir wird sie von der jungen Bäckermeis- stich, dessen Rezept, wie viele ande- oben auf dem Dach und haben gear- terin Sandra Plette, ihrer Mutter Mar- re in der Familienbäckerei noch aus beitet. Im KURVE-Garten aber unter garethe Plette und der Großmutter der Hand des Urgroßvaters stammt. uns standen ein Dutzend Menschen Anna Seehofer geführt. im Kreis, alle auf einem Bein, die Arme „Mit wem wir uns angefreundet ha- nach oben und dann kam ein ‚Om‘ „Aus der Anfangszeit der KURVE ben, war Sepalika,“ erzählt Sandra und sie haben ihre Entspannungs- habe ich gar nicht viel mitbekommen, Plette, „Sie kam oft rüber: ‚He, ich übung gemacht. Das war einfach nur das ging eher so still und heimlich: habe wieder eine Gruppe, macht mal lustig anzusehen: zweibeinige Krea- Eingezogen. Fertig. Wir sind da,“ er- ein paar Brötchen mehr!‘ Oder halt turen so einbeinig in der Landschaft; zählt Margarete Plette, während wir in Weißbrote – denn oft kannten die nichts Negatives. Die Bilder passten der Kaffeestube der Bäckerei sitzen, Gruppen ja überhaupt kein Misch- nur einfach nicht zusammen. Es war die linker Hand direkt an die KURVE brot. Mit Sepalika war das sehr ange- herrlich! Ist ja auch nichts ungewöhn- grenzt. Schon seit 1848 gibt es die nehm …“ Margarethe Plette ergänzt: liches. Tut ja auch gut. War nur der Familienbäckerei und mit der Krank- „Mit den anderen auch, aber Sepalika Kontrast: Wir waren am Arbeiten und heit des Bäckermeisters Friedel Plette brachte halt etwas Familiäres ein. Sie die haben sich entspannt. Und Dach- Ende der 90er Jahre übernahm San- kam auch oft und brachte die Gäste decken ist ja auch nicht gerade lei- dra Plette, seine Enkelin, mit damals der KURVE mit. Insbesondere, wenn se. Aber die haben sich da gar nicht 19 Jahren als zu der Zeit jüngste Bä- es spannende Teilnehmende in Semi- stören lassen. Das war schon bewun- ckermeisterin Deutschlands die Bä- naren gab, war sie mit ihnen hier und dernswert.“ ckerei; die fünfte BäckerInnengene- hat erklärt, wo sie herkommen und ration in Folge. Sie wuchs neben der was sie machen. War richtig interes- „Ein bisschen schwierig ist das KURVE auf und spielte oft mit Anna, sant, zu hören und zu wissen, woher manchmal mit den Sprachen,“ er- der Tochter der KURVE-Gründerfami- die Leute alle kamen … Nur Sepalikas zählt Sandra Plette, „Unsere Oma lie Margrit Albers und Udo Emse. Bongos: die fand ich nachts um eins Anna ist jetzt 80 geworden und steht nicht ganz so glücklich. Dabei konn- oft im Laden. Da ist das mit dem Eng- „Nachher wurde es dann ziemlich te sie gar nichts dafür. Teilnehmende lisch nicht so einfach. Aber das geht grün um die KURVE“, bezieht sich hatten sie ihr ‚entführt‘ und dann un- dann immer mit Händen und Füßen. Sandra auf die diversen Pflanzaktio- ten im Garten gespielt. Da steht Sand- Das passt dann schon. Und die aus nen, die KURVE-MitarbeiterInnen und ra dann ja fast schon wieder auf. Aber der KURVE sind da auch sehr locker: Angehörige sowie die Freiwilligen in dieses Jahr im Sommer die KURVE- Wir grinsen uns dann an oder lachen unregelmäßigen Abständen im Gar- Vuvuzela, die fiel gar nicht auf.“ auch einmal – da geht alles.“ ten durchführten. Dabei wurde viel experimentiert, sodass „im Einver- Drei Generationen Nachbarschaft: Sandra und Margarethe Plette, Anna Seehofer (vlnr) nehmen beider Seiten“ bald auch ein Zaun gezogen und begrünt wurde.

„Wer am meisten mit den KURVE- Leuten zu tun hatte, war unser Vater,“ berichtet Margarethe Plette. „Er war sehr offen zu allen und immer für ein Gespräch zu haben.“ Später fanden dann auch zeitweise Backseminare in Kooperation zwischen der KURVE und der Bäckerei statt. Doch auch bei den Räumlichkeiten kam die Bä- ckerei der KURVE entgegen: Waren alle KURVE-Seminarräume belegt, konnten und können KURVE-Bespre-

Krysztof Fibingier • First Children‘s Embassy in the World – Megjashi (Mazedonien) • Birga Fischer • Ossip K. Flechtheim • Kai Fliedner • Anna Flocke •

31 1992 –1995: Graswurzel- revolution in der Kurve Von Jochen Stay

Die Graswurzelrevolution (GWR) er- im Haus oder Garten entstanden. Da- Meine persönliche enge Beziehung scheint seit 1972 als Monatszeitung mals war die Kurve wichtiger Motor zur Kurve ging noch ein paar Jahre für eine gewaltfreie und herrschafts- des gewaltfreien Widerstandes im weiter, unter anderem haben wir bei lose Gesellschaft. Einer der Gründer Wendland. Gleichzeitig waren Gorle- Treffen in der Kurve und mit Beteili- war damals Wolfgang Hertle, der ben, der Widerstand gegen den ers- gung von Kurve-Mitarbeitern 1996 dann ja später auch beim Aufbau der ten Castor-Transport 1995 und einige auch die Kampagne X-tausendmal Kurve mitmischte. andere wendländische Geschichten quer entwickelt, um große gewaltfreie in dieser Zeit wichtige Themen der Sitzblockaden gegen die Castor- Die Redaktion der GWR zog alle paar Graswurzelrevolution. Transporte zu organisieren. Jahre in eine andere Stadt, je nach- dem, wo sich genügend Leute fan- Im Dezember 1995 kam meine zweite Doch je mehr sich die Kurve in den den, diese weitgehend ehrenamtlich Tochter Clara zur Welt. Für mich der Folgejahren aus dem Gorleben-Wi- getragene Zeitung zu machen. Seit Grund, die stressige Zeitungsarbeit zu derstand zurückgezogen hat, umso 1988 war Heidelberg Redaktions- beenden. Der HerausgeberInnenkreis geringer wurden die Berührungs- sitz. Dort begann ich, in der Redak- der GWR beschloss, den Sitz der punkte. Erst in den letzten Jahren tion mitzuarbeiten und war ab 1990 Zeitung nach Oldenburg zu verlegen, ändert sich dies wieder in kleinen hauptamtlicher Koordinationsredak- wo Andreas Speck meine Nachfolge Schritten. teur. Neben der Zeitungsarbeit war antrat. Inzwischen wird die GWR üb- ich aktiv in der Anti-Atom-Bewegung rigens schon viele Jahre in Münster Jochen Stay war von 1992 bis 1995 und fuhr deshalb auch immer wieder gemacht. Koordinationsredakteur ist leitender Redakteur der Graswurzel- zu Aktionen nach Gorleben. Irgend- Bernd Drücke. redaktion. Er ist Bewegungsarbeiter wann habe ich mich dabei in eine unter anderem mit ausgestrahlt. und Frau verliebt und beschlossen, ins ist Mitbegründer von X-tausendmal Wendland zu ziehen. quer.

Wir wollten ein Gemeinschaftsprojekt aufziehen, in dem auch die Zeitungs- redaktion ihren Platz hat. Bis die Ge- meinschaft startet, so unsere Idee, sollte die GWR in der Kurve unter- kommen. Aus dem Projekt ist nichts geworden und so wurde aus der In- terimslösung in der Kurve ein Dauer- Gastspiel von mehr als drei Jahren.

Im Obergeschoss neben dem Saal habe ich eine Menge Nächte durch- gearbeitet, wenn der Drucktermin sich unerbittlich näherte und mal wieder noch nicht alle Artikel fertig waren. Bildungs- und Begegnungs- stätte für gewaltfreie Aktion und die Zeitung der Bewegung unter einem Dach brachte eine Menge gegensei- tige Befruchtung mit sich: Interviews mit und Artikel von spannenden Gäs- ten der Kurve aus aller Welt erschie- nen in der Zeitung. Zu den damaligen Beschäftigten in der Kurve gab es ein sehr enges und kollegiales Verhält- nis. Mehr als eine spannende Kam- pagne oder Aktionsidee in Sachen Gorleben ist aus Pausengesprächen

Flugbörse Charlottenburg • Katharina Follert • DANKE • Förderkreis Sozialer Friedensdienst zur Völkerverständigung mit Osteuropa • Jean Forget •

32 „Hingegangen, um als KURVE den Widerstand zu stärken“ Refl exionen über das unterschiedliche Engagement der KURVE Wustrow im Anti-Atom-Widerstand

Von Peter Steudtner mit Gedanken und Erfahrungen von Katja Tempel

Jahre eine Phase des starken Enga- bald angefragt und genutzt wurden gements, aus dem heraus mehrere als auch an Auswärtige, die so dem konkrete gewaltfreie Widerstandsak- Anti-Atom-Widerstand im Wendland tionen in und mit der KURVE Wust- nahegebracht wurden, was auch im row entstanden. Eine kurze Über- Interesse der vor Ort Aktiven war. Zu- gangszeit engagiert sich die Kurve in sätzlich informierte noch der Rund- der internationalen Menschenrechts- brief der Bildungs- und Begegnungs- beobachtung zum Gorleben-Wider- stätte über den Stand des Protestes stand (Gorleben International Peace im Wendland. Auf diese Weise machte Team, GIPT). Dann fi el das konkrete sich die Bildungs- und Begegnungs- Mitwirken innerhalb des Widerstands stätte bald einen Namen – nicht nur völlig weg und es schloss sich die als die „Kurve“, wie sie bald im Volks- Phase der „Internationalisierung“ an. mund genannt wurde. Veränderung Seit Ende 2009 ist nun wieder ein Er- gab es durch Konrad Tempels Vor- starken des konkreten gewaltfreien schlag einer „Luftwurzel-Strategie“, Engagements der KURVE Wustrow um noch besser im Landkreis anzu- im Anti-Atom-Widerstand zu spüren. kommen, denn den Mitwirkenden der Bildungs- und Begegnungsstät- Im Protokoll der Mitgliederversamm- te schlug auch viel Misstrauen und Mit der Entscheidung im März 1981, lung vom März 1981 fi ndet sich das Abgrenzung aufgrund ihrer als „wis- dass sich die Bildungs- und Begeg- Fazit zur Wendland-Entscheidung: nungsstätte für gewaltfreie Aktion „daß wir uns am Standort Gorleben Protestmarsch auf den Gleisen bei Dannenberg 2001 e.V. im Wendland ansiedeln würde, ansiedeln und von dort aus einen ge- war direkt das Ziel verknüpft, den wissen Modellfall des gewaltfreien Widerstand gegen den geplanten Widerstandes vor Ort mitgestalten Atom-Komplex in Gorleben zu unter- sollten“. Wie dieses „Mitgestalten“ stützen. Während der nun 30 Jahre allerdings aussehen könnte, wurde engagierten sich die MitarbeiterInnen dem zuerst zweiköpfi gen Team mit und Vorstandsmitglieder in sehr un- Vorstand und Beirat überlassen. So terschiedlicher Weise innerhalb des waren die ersten Jahre hauptsächlich Anti-Atom-Widerstandes. Dieses En- von gegenseitigem Kennenlernen gagement von außen und vor allem zwischen der Anti-Atom-Szene im das zwischenzeitlich sich weniger Wendland und der KURVE-Aktiven engagieren führte immer wieder zu geprägt. Das bedeutete einerseits die Irritationen innerhalb der kontinuier- Teilnahme von hauptsächlich Wolf- lich im Anti-Atom-Widerstand tätigen gang Hertle an Sitzungen, Treffen Gruppen im Wendland. und Aktionen der schon vorhande- nen Widerstandsgruppen, wie zum Rückblickend lassen sich grob vier Beispiel der Bürgerinitiative Lüchow Phasen erkennen, die sich vom ak- Dannenberg und andererseits die Bil- tuelle Engagement unterscheiden: dungs- und Seminararbeit zum The- Die Gründungsphase, in der sich vor ma „Anti-Atom-Widerstand, die vor allem Wolfgang Hertle und Margrit allem von Margrit Albers organisiert Albers als fest angestellte Mitarbeite- wurde. Letztere richtete sich sowohl rInnen innerhalb der Bewegung ein- an die Widerständigen im Wendland, brachten. Anschließend ab Ende der um Räume für Refl exion und Stra- 80er Jahre bis Mitte-Ende der 90er tegieentwicklung zu schaffen, die

DANKE • Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft FEST • Anny Förster • Harald Förster (geborener Müller) • forumZFD • Claudia

33 senschaftlich“ wahrgenommenen rufen und habe sie dann auch weiter es abends Vorbereitungsrunden gab. Heran gehensweise und des Zugezo- begleitet, das heißt, ich habe mir The- Montag morgens um 6 Uhr fuhren wir genseins entgegen (siehe hierzu auch men überlegt, die Leute zusammen dann zum Zwischenlager, blockierten die Dokumentation der Luftwurzel- gerufen und wir haben auch schon dort möglichst kreativ und nach der Strategie auf Seite 26). kleine Trainings gemacht. So waren Auswertung am Montag Nachmittag wir als „Bezugsgruppe“ bei der Orga- in der KURVE Wustrow reisten die Katja Tempel, die sich von 1985 bis nisation der Besetzung der Pilotkon- Gruppen dann wieder ab. Das waren 1989 im Vorstand engagiert, bevor ditionierungsanlage 1990 mit dabei. sehr kurze und schöne Begegnungen sie von 1989 bis 1992 als pädago- Für die Pilotkonditionierungsanlage und Aktionen. Für den Widerstand gische Mitarbeiterin in der KURVE war auf der großen Baustelle das Ro- ging es dabei auch darum, nicht im- Wustrow tätig war – und von 1992 bis den eines Waldbereiches vorgesehen mer nur zu reagieren, wenn politische 1997 als Kassenprüferin die KURVE- und wir haben dann mehrere Monate Entscheidungen der Regierung oder Aktivitäten weiter begleitete – sieht daran gearbeitet, dass wir schließlich der Atomwirtschaft anstanden, son- diese erste Zeit sehr positiv: Diese diesen Wald mit anderen besetzt ha- dern für uns die Termine festzulegen, Anfangsphase, in der die KURVE- ben. an denen wir aktiv agieren wollen. Leute kamen, um den Widerstand zu Einerseits unsere eigenen Aktionster- unterstützen und gleichzeitig sagten: Neben diesen Aktionen unterstützte mine festzusetzen und andererseits „Wir wollen von euch lernen,“ ist für Katja Tempel auch das Gorlebener ganz andere Bevölkerungsgruppen mich kein Widerspruch. Das passte in Gebet. So brachte sie regelmäßig die zu erreichen, die dann aktiv wurden, die Zeit in den 80ern. Es passte auch Seminargruppen, die das Tagungs- war für die Widerständigen vor Ort zu der Republik Freies Wendland: haus in Wustrow nutzten, in die seit sehr wichtig. Einfaches Leben, Widerstand leisten 1989 stattfindende Andacht mit Blick und Kinder kriegen. Denn das war ja auf die Bergwerkstürme des geplan- Auch wenn diese Aktion und die fol- die Idee der Bildungs- und Begeg- ten Endlagers. genden den Anti-Atom-Widerstand nungsstätte: Als Wohngemeinschaft im Wendland mit prägten, nutzten zweier junger Paare mit zwei Babys, Neu war für den Widerstand im die Widerstandsgruppen vor Ort die das Haus zu kaufen mit einem Verein Wendland auch die von Katja Tempel KURVE Wustrow nur, wenn engagier- im Hintergrund, dieses auszubauen und Frauke Mangels, einer aktiven te MitarbeiteInnen Treffen und Semi- und gleichzeitig den Widerstand zu Honorarmitarbeiterin und engagier- nare aktiv hier stattfinden ließen. Das begleiten und zu stärken. Sicherlich ten Mitbewohnerin von ihr, initiierte lag zum einen daran, dass die Grup- waren das viel zu hohe Ansprüche, und koordinierte Kampagne „Gorle- pen aus einem anderen politisch- alles gleichzeitig zu wollen, aber das ben bebt“: gesellschaftlichen Spektrum kamen, kann man sich ja immer erst hinterher Von April bis September 1990 haben wie zum Beispiel zu den Treffen in angucken. Frauke Mangels und ich dann die der Gemeinschaft in Meuchefitz, aber Blockadekampagne aufgebaut. Dem auch daran, dass sich schon ande- Der Wechsel kam mit dem Übergang Konzept der eskalierenden Blockade re Strukturen gebildet hatten, wie von Wolfgang Hertle als Mitarbeiter folgend, blockierten jeden Montag zum Beispiel das Gorlebener Gebet, hin zu Katja Tempel. Aus der jüngeren unterschiedliche Gruppen das Zwi- welches keinen eigenen Ort wie die Generation kommend – die Famili- schenlager. Die Idee war, dass nicht KURVE Wustrow benötigte. enphase noch vor sich habend (ihre nur die schon widerständigen Men- erste Tochter Johanna sollte 1991 als schen im Landkreis die Blockaden Eine weiterer großer KURVE-Beitrag Hausgeburt in der KURVE Wustrow tragen müssten, sondern die Men- zum Anti-Atom-Widerstand war die zur Welt kommen) – brachte sie sich vor allem mitmachend statt beglei- Beim Gorlebener gebet 1995 Foto: Evelyn Hendel tend in den Widerstand ein: Ich war wirklich mit Haut und Haar schen bundesweit zu motivieren, die 1995 von Harald Müller (jetzt Förster) im Widerstand. Nachdem mich Wolf- bislang nicht direkt im Widerstand ak- mit initiierte und organisierte Aktion gang Hertle bei allen wichtigen Prot- tiv waren, aber meinten, man müsse „Ausrangiert!“ Ziel war es, an einem agonistInnen eingeführt hatte, merkte was tun. Und diese haben wir dann Sonntag Vormittag im März 1995 den ich, dass er und die KURVE Wustrow erfolgreich versucht anzusprechen. nicht für den öffentlichen Verkehr trotz aller Zweifel und allen Misstrau- Ähnlich wie in Mutlangen haben wir genutzten Schienenstrang zwischen ens ein gutes „Standing“ hatte. Die verschiedene Berufsgruppen, Dritte- dem Bahnhof und dem Verladekran Leute wussten, wer Wolfgang Hert- Welt-Gruppen, Gewerkschaftsgrup- der Castoren in Dannenberg so zu le und was die KURVE Wustrow ist. pen oder Chöre, also Leute, die einen zersägen und zu demontieren, dass Meine Arbeit sah ganz konkret so anderen Zusammenhang haben, der kein CASTOR-Zug mehr passieren aus, dass ich bei vielen Gruppen- sie zusammenhält, aufmerksam ge- kann (siehe hierzu auch den Artikel treffen dabei war und daraus sind macht und sie direkt gefragt: „Wollt von Harald Förster auf Seite 36). Ein dann auch konkrete Aktivitäten in der Ihr nicht mal kommen und hier bei Großteil der Vorbereitungstreffen fan- KURVE Wustrow entstanden: 1989 uns blockieren?“ den in der KURVE Wustrow statt und gründeten wir dort die „Gewaltfreie so wurde auch die KURVE Wustrow Aktionsgruppe Wendland“. Diese Ak- Wir organisierten das so, dass die selbst immer mehr mit dem Anti- tionsgruppe hatte ich ins Leben ge- Gruppen am Sonntag anreisten, wo Atom-Widerstand identifiziert. Auch

Frank • Fränkisches Bildungswerk für Friedensarbeit • DANKE • Freiwillige Feuerwehr Wustrow • Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in

34 die richtige Richtung. So ist die Vermittlung und Koordination der Aktionstrainings für die Castor- Proteste im November gut und sehr wichtig für den gewaltfreien Wider- stand. Auch die Mobilisierung für die große Anti-Atom-Menschenkette im April durch einen Freiwilligen der Kur- ve war richtig gut.

Meiner Einschätzung nach könnte die KURVE-Beteilligung an den An- Der Castor gut bewacht bei Wendisch Evern 2001 ti-Atom-Protesten jedoch noch viel kräftiger sein. Zum Beispiel durch bei der ersten großen X-tausendmal bener Gebet, aber der aktive Wider- die aktive Mitarbeit in den gewalt- quer-Blockade 1997 waren noch stand „fi el hinten runter“. Versuche, freien Aktionsgruppen – sei es bei KURVE-MitarbeiterInnen aktiv dabei. dies durch die Vermittlung von KUR- X-tausendmal quer oder Widersetzen VE-Freiwilligen zur Unterstützung der –, wobei das konkret auch heißt, sich Gleichzeitig hatte der damalige päda- Widerstandsorganisationen anzuge- personell zu beteiligen! gogische Leiter der KURVE Wustrow, hen, schlugen auf Grund der Unan- Hagen Berndt, über seine internatio- gemessenheit des Einsatzes – die Wie im Jahr 1981 brauchen wir die nalen Kontakte das Gorleben Interna- Widerstandsinitiativen hätten eher Kurve Wustrow immer noch: Zur Stär- tional Peace Team initiiert (siehe zum aktive und erfahrene MitstreiterInnen kung des gewaltfreien Widerstands GIPT auch Seite 58). Die Stoßrichtung benötigt, als zwar zumeist engagier- im Wendland. Gewaltfreie Aktionen dieses beobachtenden Ansatzes war te aber unerfahrene und in anderen brauchen eine stetige Weiterentwick- für mich in zweierlei Hinsicht kritisch: Lebensphasen steckende Freiwillige lung und Veränderung – genauso wie Zum Einen ging es ganz stark dar- – jedoch fehl und führten zu Verstim- die Kurve! um, zu sagen „Es gibt nicht nur Men- mungen: Das KURVE-Engagement schenrechtsverletzungen in anderen erweckte für uns im Landkreis den Katja Tempel war von 1985 bis 1989 Ländern, sondern das gibt es hier Eindruck, dass die KURVE Wustrow im KURVE-Vorstand, machte 1987 auch vor der Haustür. Also macht es eigentlich nicht mehr tut, was den ihr sozialpädagogisches Anerken- auch Sinn, dass Menschen aus ande- Widerstand hier stärker macht, aber nungsjahr in der KURVE Wustrow ren Ländern diese dokumentieren.“ nach außen trotzdem noch mit dem und war von 1989 bis 1992 pädago- Für mich sind unsere Konfl ikte hier Widerstand wirbt. gische Mitarbeiterin und von 1992 jedoch nicht mit Menschenrechtsver- bis 1997 Kassenprüferin. Sie ist aktiv letzungen direkt zu verbinden; gerade Erst in diesem Jahr scheint sich aus bei X-tausendmal quer, der Lebens- auch im Vergleich zu massiven Men- Katja Tempels Blickwinkel das KUR- laute, bei Anti-Gentechnik-Aktionen schenrechtsverletzungen in anderen VE-Engagement im Anti-Atom-Wi- und als Hebamme im Wendland tä- Ländern. Zum Anderen hätte ich es derstand wieder etwas zum Positiven tig. Ihre erste Tochter Johanna wurde viel lieber gesehen, wenn die KUR- zu entwickeln: im Mai 1991 in der KURVE Wustrow VE Wustrow Menschen aus anderen geboren. Ländern organisiert, die sich mit auf Es gibt jetzt wieder kleine Schritte in die Straße setzen, statt zu beobach- ten. Für uns erschien es so, als wenn Ben Kinross vom GIPT 2001 im Gespräch mit der Polizei die KURVE Wustrow nicht mehr teil- nimmt, sondern nur noch beobach- tet.

Mit dem Gorleben International Peace Team und der parallel in der KURVE Wustrow einhergehenden stärkeren Ausrichtung auf interna- tionale Freiwilligendienste und die Entsendung von Friedensfachkräften und entsprechenden internationalen Projekten gab es wesentlich weniger aktives Engagement im Anti-Atom- Widerstand. Zwar gehörte es nach wie vor zu jedem KURVE-Seminar dazu, dass es Einführungen in den Gorleben-Widerstand gab, sowie die Teilnahme von Gruppen am Gorle-

Deutschland • Friedensbibliothek / Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg • Friedensbildungswerk Köln e.V. • Friedens-

35 Ziviler Ungehorsam gegen den Atomstaat Von Harald Müller

„Wo Recht zu Unrecht wird, wird hinter uns.“ Die sorgfältige und infor- und verbietet ausdrücklich die De- Ausrangiert zur Pflicht!“ schrieben mative Vorarbeit – dem ersten Aufruf montage von Schienen. Der Schutz Schüler und Schülerinnen aus einer folgten ergänzende Info-Blätter zu „wichtiger Gemeinschaftsgüter“, mit Jugendumweltgruppe auf ihr Trans- „Recht“ und „Ziviler Ungehorsam“ – denen der einzig dem CASTOR vor- parent, mit dem sie sich am Sonntag, schaffte das notwendige Vertrauen, behaltene Schienenstrang gemeint den 12. März 1995 an der Schie- diesen nächsten Schritt zu gehen. sein musste, wird als Begründung nendemontage vor dem CASTOR- Kaum einen Monat später waren die angeführt. Ordentlich zitiert der Land- Verladekran in Dannenberg beteilig- angestrebten Unterschriften beisam- kreis dann mehrere „Ausrangiert!“- ten. Mehr als 1.000 Menschen ka- men und in zwei großen Anzeigen in Flugblätter, die bislang aus rechtli- men zu einer lange angekündigten der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ wurden chen Gründen nicht in der Zeitung und vom Landkreis Lüchow-Dannen- über 400 Personen und Organisatio- abgedruckt werden durften. Selbst berg verbotenen gewaltfreien Aktion nen veröffentlicht. das Tagesprogramm für Ausrangiert Zivilen Ungehorsams. An einem son- wurde darin bekannt gemacht. We- nigen Vormittag, bunt und vielfältig, Mehr als skeptisch wurde von einer sentlicher Effekt blieb das gesteiger- wie es vom Wendland erwartet wird, Reihe altgedienter Gorlebenaktivis- te Interesse der Medien, denen kurz wurde die Aktion „Ausrangiert“ ein tInnen das Ansinnen kommentiert, vor Aktionsbeginn ein willkommener voller Erfolg. im Vorhinein den eigenen Namen in Anlass zur Berichterstattung gelie- der Zeitung zu veröffentlichen: „So fert wurde. Das Wendland reagier- Im Vorfeld: etwas gab es hier noch nie.“ „Ich te allenfalls mit einem Schmunzeln Begeisterung und Skepsis mache doch der Polizei nicht frei- auf das Verbot aus dem Kreishaus: willig die Arbeit leichter!“ war von so offensichtlich unverhältnismäßig Anfang Januar des Jahres 1995 wur- Erstaunten zu hören. Ernsthafte Dis- war dieser Schritt, stand doch im de der Aufruf „Ausrangiert! Schienen- kussionen in den CASTOR-Gruppen Demonstrationsverbot wörtlich ge- demontage am CASTOR-Kran Dan- und in beteiligten Familien, ob dieser schrieben: „Es ist tatsächlich auch nenberg im Wendland“ weit gestreut begrenzte Gesetzesverstoß für den ein umfangreiches, gewaltfreies Rah- in der Republik verteilt und in zahl- Schutz höherstehender Güter (Recht menprogramm vorgesehen, wie Früh- reichen Zeitschriften (vgl. auch im auf Leben, Schutz zukünftiger Gene- stücksbuffet, Gottesdienst im Freien FriedensForum 1/95) dokumentiert. rationen, Freiräume im Atomstaat) im und kulturelle Beiträge. Es bestehen Dieser erste Aufruf zielte darauf ab, Rahmen von „Ausrangiert“ vertretbar darüber hinaus keine Anhaltspunkte mindestens 300 Menschen für einen sei und ob für die Folgen offen ein- dafür, dass es zu Gewalttätigkeiten gemeinsamen Aufruf als Zeitungsan- gestanden werden muss, waren die gegen Personen kommt.“ Eine bes- zeige zu gewinnen. Dadurch sollten Folge: ein kollektiver Lernprozess sere Einladung an die Bevölkerung sich Auswärtige aktiv beteiligen kön- in Sachen Ziviler Ungehorsam setz- des Wendlandes war kaum denkbar. nen und durch ihre Solidarität das te ein. Ein Großteil der Aufrufenden strafrechtliche Risiko für Einzelne kam von außerhalb Lüchow-Dannen- Gut vorbereitet und vermindern helfen. Denn bereits der bergs, was einerseits eine große So- gestärkt zur Tat Aufruf zur Schienendemontage war lidarität für den Gorlebenwiderstand strafbar. Auf die juristischen Folgen ausdrückt, andererseits vermuten „Was ist Gewalt, was bedeutet für der gesamten Aktion wurde von den lässt, dass die politische Strategie mich Gewaltfreiheit? Wo liegen mei- InitiatorInnen von Beginn an hinge- des Zivilen Ungehorsams in manch ne Grenzen, wie weit kann ich ge- wiesen. anderer Region bereits stärker veran- hen?“ Am gleichen Tag ließen sich ca. kert ist als hier. 70 Teilnehmende mit 7 TrainerIn- Spontane Zustimmung und Begeis- nen der KURVE Wustrow in einem terung waren die ersten Reaktionen. Versammlungsverbot: gewaltfreien Training auf diese Der Ansatz des Zivilen Ungehorsams Demontieren nur mit grundlegenden Fragen und auf eine hatte eine Stimmung getroffen, die Bahnsteigkarte? Auseinandersetzung mit ihren eige- nach dem überwältigenden Aufbe- nen Ängsten und ihrer Wut ein und gehren gegen den CASTOR im letzten Am Samstag, den 11. März, gut konnten ihr eigenes Handeln bei der Sommer und November vorherrsch- 24 Stunden vor Aktionsbeginn, veröf- Schienendemontage vorab reflektie- te: „Wir wollen einen Schritt weiter fentlicht der Landkreis in der Lokal- ren. Beim Plenum am Samstag infor- gehen, offen und selbstbewusst. Wir zeitung eine eineinhalbseitige Allge- mierten sich ca. 250 Menschen über brauchen uns nicht zu verbergen, wir meinverfügung. Darin untersagt er die Details des Aktionsrahmens und tra- wissen die Mehrheit der Bevölkerung Demonstration auf den Gleisanlagen fen letzte Absprachen. kreis Halle • Friedenswerkstatt Mutlangen • DANKE • Friedenszentrum Martin-Niemöller-Haus, Berlin • FRIENT • Marc-Philipp Fürst • Nadja Galwas •

36 der Menge zu ziehen, brach- ten viel Unruhe, Gerangel und 20 vorübergehende Festnahmen. Eini- ge DemonstrantInnen wurden bei der Anreise durchsucht und Werkzeuge, vor allem Eisensägen und 19mm Maulschlüssel, während der Aktion beschlagnahmt. Laut Pressemeldun- gen sollen fünf Strafverfahren einge- leitet werden.

In einer am 23. März veröffentlichten Auswertung der Polizei stellte deren Leiter für Lüchow-Dannenberg fest, dass ihre Probleme offensichtlich aus dem neuartigen Verhalten der DemonstrantInnen – Ziviler Ungehor- sam – resultierte. Ein „Drittelmix“ aus Der Kreis schützt die “sägenden”: Ausrangiert 1995 Foto: Archiv Harald Förster „friedlichen Demonstranten“, „solche, die sie begünstigten, etwa indem sie Um trotz des Versammlungsverbotes, Gemenge und um einen Ziehharmo- diese durch Blockaden gegen Poli- das ab Sonntag 8 Uhr galt, ungestört nika-Spieler wurde zu Volksliedern zeibeamte abgeriegelt haben,“ hät- den „Tag Z“ beginnen zu können, wa- auf den Gleisen getanzt. Wer glaub- ten in den Köpfen der Einsatzkräfte ren schon 100 Menschen vor diesem te vor Wochen schon daran, dass es eine Blockade ausgelöst. Zeitpunkt am Bahnhof Ost in Dan- wirklich zum Demontieren käme? Ge- nenberg mit dem Aufbau des Früh- nau dort, wo es der Landkreis verbo- Fazit: Die Taktik von Polizei und BGS stücksbuffets beschäftigt. Gleichzei- ten hatte, wurden nun Dutzende von war insgesamt unkoordiniert, unent- tig fuhren die Hundertschaften der Schrauben herausgedreht und vier schlossen und nicht wirksam, die Polizei am Ort des Geschehens auf, Schwellen ausgebaut, an vielen Stel- Motivation der Truppe durch das Ver- der nur 500 Meter von CASTOR-Kran len der Gleiskörper freigelegt oder mit halten der DemonstrantInnen ausge- entfernt lag. umliegendem Geröll überhäuft. Nach höhlt. Der Einsatz bewegte sich im getaner Arbeit nahmen die Teilneh- legitimatorischen Dilemma zwischen Gut im Zeitplan und bei schönstem menden, trotz vordrängender Polizei, Deeskalation und konsequenter Ver- Frühlingswetter frühstückten meh- die gesamte Breite der Gleisanlagen hinderung der Demontage. Kosten- rere hundert DemonstrantInnen ge- für einen dreifachen Energiekreis mit berechnung der Polizei: Schaden am meinsam von einer 18 m langen Ta- vielen hundert Menschen ein. Gleis DM 11.000,–, Kosten für den fel Müsli und belegte Brote – meist Polizeieinsatz DM 500.000,–. von den widerständigen Biobauern Reaktionen der Polizei und Biobäuerinnen gestiftet – und streckten die Beine von Strohballen Insgesamt waren bei „Ausrangiert“ Dieser redaktionell gekürzte Artikel ins Schotterbett. Der Kompromiss über 600 BGS- und PolizeibeamtIn- erschien 1995 in der Zeitschrift Frie- zu dieser Stunde: Frühstück, Gottes- nen im Einsatz – zu wenige, um diese densForum. dienst und Kundgebung konnten in al- Aktion Zivilen Ungehorsams in den ler Ruhe auch zehn Meter neben dem Griff zu bekommen, zu viele, um die Harald Förster (geborener Müller) CASTOR-Gleis stattfi nden. „Derwei- Aktion friedlich verlaufen zu lassen. war von 1990 bis 1995 und von 2002 len soll die Polizei doch das Gleis vor Ständige Versuche einiger BGS- bis 2006 Geschäftsführer der KURVE Abtrag schützen!“ In allen Predigten Greiftrupps in Ganzkörperpanzer, Wustrow sowie 2000 bis 2001 in und Reden blieb jedoch kein Zweifel, SägerInnen und SchrauberInnen aus ihrem Vorstand. Von 1995 bis 1997 dass es zum Höhepunkt des Tages war er in der AGDF-Außenstelle in noch kommen sollte: Alles zu seiner der KURVE Wustrow tätig. Zeit. Um 12.30 Uhr war es dann so- weit, 1000?? Menschen schritten zur Tat: Von links, von rechts, von vorne kommend war durch die Polizei kein Halten mehr.

Kamerateams und Dutzenden von FotoreporterInnen boten sich nun neue, ungewohnte Motive: Jung und Alt buddelten zwischen irritiert schau- enden Polizeitrupps, eine Tromm- lerInnengruppe pumpte Puls in das

Konny Ganßauge • DANKE • General Union of Palestinian Teachers GUPT • Elena Gerwing • Hanna Geschewski • Cara Gibney • Dorothea Giesche •

37 Praxis als Lernerfahrung in und für Konfliktarbeit – Internationale Trainings für Gewaltfreiheit der KURVE Seit 1994 bietet die KURVE Internationale Trainings für Gewaltfreiheit in Krieg und bewaff- neten Konflikten an. Seit dem ersten Internationalen Training haben sich sowohl die er- reichten Zielgruppen als auch die Konzeption des Trainings verändert. Hagen Berndt be- richtet vom „IT“ 1997 und dem damals aktuellen KURVE-Ansatz und Peter Steudtner stellt die Entwicklungen der aktuellen Trainings dar.

Es ist der erste Tag eines zweiwö- und wird am Vormittag auch jenseits keit. Es unterscheidet sich von einer chigen Gewaltfreiheitstrainings. Die der Polizeilinien Verhöre beobachten, Ausbildung, der es nur um „zivile Teilnehmenden haben sich erst am Übergriffe von Polizeihunden doku- Deeskalation“ geht: Gewaltfreiheit Vorabend kennengelernt und festge- mentieren und den Ablauf der Aktion schließt in der Praxis auch immer stellt, dass sie aus vielen verschiede- wie auch des Polizei-Einsatzes be- die Möglichkeit der Eskalation eines nen Ländern und einer Reihe recht schreiben. Sie sind damit eine von Konflikts ein, zum Beispiel durch ge- unterschiedlicher Projekte kommen drei Gruppen, die von unabhängiger waltfreie Aktion, die für die Macht- - später werden sie das genauer wis- Seite die Lage der Menschen- und haberInnen erst die Notwendigkeit sen: die 20 Menschen im Alter von 21 BürgerInnenrechte in Gorleben beur- schafft, den Konflikt anzugehen. Wir Jahren bis knapp an die 50 kommen teilen. Nach der Rückkehr am späten haben diese Art zu arbeiten, die auch aus 14 Ländern in Europa, Asien, Af- Nachmittag setzt sich die Gruppe zu den Erfahrungen von Teilnehmenden rika und beiden Amerikas. Obwohl einer Auswertung zusammen, die erst unserer Trainings, die aus südlichen sie noch von der Reise müde sind, spät in der Nacht beendet wird: die Ländern stammen, nahe kommt, in stehen sie um sechs Uhr morgens zu Praxis ist gleichzeitig Lernerfahrung. Gesprächen mit AktivistInnen aus einem schnellen Frühstück auf, um Seit Ende 1994 arbeiteten wir in der Lateinamerika und Südasien gelernt. dann mit der Vorbereitung ihrer Ak- KURVE Wustrow an der Entwicklung Auch dort findet gewaltfreie Bildungs- tion zu beginnen. Am Vormittag soll eines Trainingsmodells, das die Teil- arbeit vorwiegend in Widerstandssi- am Castor-Gleis im wendländischen nehmenden in ihren analytischen und tuationen statt, etwa in Brasilien bei Dannenberg eine Aktion zivilen Un- emotionalen Fähigkeiten, mit Arbeits- Landbesetzungen durch Landlose. gehorsams stattfinden. Unter dem situationen in einem stark von be- So haben wir uns dazu entschie- Namen „Ausrangiert II“ wird der er- waffneter Gewaltanwendung gepräg- den, nahe an den Bedürfnissen und neute Versuch gemacht werden, an- ten Konflikt stärken soll. Im einzelnen Kenntnissen der Teilnehmenden zu gekündigt und öffentlich ein Stück baut die Gestaltung des Programms arbeiten. Daher gibt es keinen fertig aus dem letzten Gleisabschnitt vor auf folgenden Überlegungen auf: ausgearbeiteten Trainingsplan. Das dem Castor-Kran zu entfernen. Rückgriff auf die umfangreichen Er- Erstaunen war den Gesichtern der fahrungen in Peace Teams in mög- Teilnehmenden anzusehen, als wir Die internationale Gruppe ist als „In- lichst vielen Zusammenhängen; Ver- ihnen zusammen mit Erläuterungen ternational Observers“ bei Demonst- ankerung von gewaltfreiem Handeln zu unserem Konzept einen Tagesplan rantInnen wie bei Polizei angemeldet als befreiender Kraft in der Arbeit aushändigten, auf dem die meis- von Peace Teams; Förderung von ten Felder weiß waren. Doch nach Konsens oder Kompromiss? Finden einer gemeinsa- Kreativität im Umgang mit neuen Si- wenigen Tagen, in denen wir nach men Definition für Gewaltfreiheit beim IT2009 tuationen im Einsatz. Gorleben als Abschluss jeweils eines inhaltlichen Konfliktfeld, in dem wir selber leben Schwerpunktthemas zusammen den und arbeiten - gewöhnlich nicht als für sie daraus folgenden Schritt ent- BeobachterInnen sondern als Teil schieden, konnten sie mit dem Sys- des Widerstands - ist dabei der re- tem umgehen und begannen, für ihre ale Hintergrund. Das unterscheidet eigenen Lernprozesse Verantwortung uns von anderen ähnlichen Ausbil- zu übernehmen. dungsprojekten: Gewaltfreiheit ist nicht Theorie, sondern immer wieder Wir hoffen, dass diese Lernerfahrung Ausgangspunkt für und Ergebnis von auch über das Ende des Trainings hi- Auseinandersetzungen mit einer be- nausreicht. Denn aus unseren Erfah- drohlichen und repressiven Wirklich- rungen mit gewaltfreier Konfliktarbeit

Nina Julia Gießmann • Jan Gildemeister • Ulrike Glatzle • DANKE • Konstantin Göhring • Isabell Göbl • Kerstin Gollembiewski • Jens Gottschau • Soti-

38 Sanoon Abdul Salam, Teilnehmer des IT 2009, bei einer Protestfahrt zur Unterstützung des autofreien Sonntags

in Kriegs- und Krisengebieten sowie aus Organisationen, die in gewaltfrei- Menschenrechtsarbeit oder die Dis- aus der Auswertung von Berichten em Widerstand gegen Umweltzer- kussion um ein (inter-)kulturelles Ver- von Fachkräften und Freiwilligen aus störung, soziale oder politische Re- ständnis von Menschenrechten. einer großen Anzahl von Teams hat- pression für Befreiung tätig sind. Wir Vom Trainings-Team selber wurden ten wir eine Liste von neun mögli- haben versucht, die Trainingsgruppe drei Themenbereiche offensiv einge- chen inhaltlichen Schwerpunkten zu- in Bezug auf Herkunft, Art des Pro- bracht: Leben und Arbeiten in einer sammengestellt - alles Themen, die jekts und Geschlecht der Teilneh- - internationalen - Gruppe, persönli- bedeutende Aspekte dieser Arbeit menden ausgewogen zusammenzu- che Motivation für diese Arbeit und ansprechen. Schließlich konnten wir stellen. das Verfassen von brauchbaren Be- nur sechs dieser Inhalte bearbeiten, richten über beobachtete Konflikte, dafür jedoch mit hinreichender Aus- Inhaltlich zeigt sich, dass großes In- Menschenrechtsverletzungen oder führlichkeit. teresse an Themen wie Konfliktver- den eigenen Einsatz. Insbesondere ständnis und Konfliktbearbeitung, das erste Thema, Leben und Arbei- Die Internationalen Trainings der Umgang mit Trauer und posttrauma- ten in der Gruppe, erscheint uns sehr KURVE richten sich an folgende Ziel- tischem Stress, Versöhnungsarbeit, bedeutsam, da Freiwillige aus den gruppen: AktivistInnen, die in bewaff- Aspekten von Konfliktintervention Projekten immer wieder berichten, neten Auseinandersetzungen Frie- wie Parteilichkeit / Nichtparteilichkeit wie ein schlecht funktionierendes dens- und Menschenrechtsarbeit auf / Allparteilichkeit oder interkultureller Team eine der wichtigsten Ursachen nationaler oder lokaler Ebene durch- Konfliktarbeit, politische Analyse von von ineffektiver Arbeit und Quelle führen; Freiwillige und Friedensfach- gewaltfreier Aktion und Menschen- von politischen Fehlentscheidungen kräfte, die in Konfliktgebieten mit rechten besteht. Das Thema Men- in stressreichen Situationen ist. Der gewaltfreien Mitteln als Dritte Partei schenrechte in der Kürze der uns zur Umgang mit direkter Bedrohung und eingreifen; Menschen, die sich in der Verfügung stehenden Zeit befriedi- Gewalt sowie damit zusammenhän- Betreuung von Flüchtlingen und vom gend zu behandeln, hat sich als nur genden Ängsten, Philosophie und Krieg betroffener Bevölkerung enga- schwer möglich erwiesen. In den Geschichte der Gewaltfreiheit und gieren; MitarbeiterInnen in Projekten, Trainings haben wir uns daher vor- die Geschichte der Peace-Team- die mit pädagogischen Ansätzen in wiegend auf einzelne Gesichtspunkte Bewegung waren weitere Themen. bewaffnet ausgetragenen Konflikten konzentriert, z. B. die Möglichkeiten Dabei wurden immer wieder auch ex- tätig sind. von Organisationen, die auf Gras- terne ReferentInnen und TrainerInnen wurzelebene tätig sind, im Umgang eingeladen, die dann für einige Tage Ein Teil der Gruppe kam auch immer mit internationalen Instrumenten der das Trainingsteam erweiterten. ria Goula • Katrin Gradel • Gabriele Graf • DANKE • Luisa Grasnick • Melanie Groeneveld • Tischlerei Grönmeyer • Christa Grote • Karin Grunau •

39 Trainings war, kamen sehr interes- sante Gruppen zustande. Wir ermu- tigten die Teilnehmenden, ihre eigene Sachkenntnis und ihre Projektarbeit zum Thema einer inhaltlichen Einheit zu machen.

Höhepunkte der Trainings sind die Rollenspiele. In diesem Jahr (1997) entschied sich die Gruppe für die Durchführung der Simulation einer Delegationsreise in den Kosovo/a. In dem Rollenspiel, das an einem Abend begann und bis in die Mitte des fol- genden Tages andauerte, mussten eine Reihe von Entscheidungen unter stressreichen Arbeitsbedingungen Tanya Spencer, ehemalige KURVE-Friedensfachkraft in Ostafrika, beim Sicherheitsseminar während des getroffen werden. So konnten einige International Training. der Themen, die in den Wochen zuvor diskutiert worden waren, noch einmal Aktionsgruppen in Lateinamerika bleme ausführlicher analysiert und in den Zusammenhang einer realisti- oder Südasien empfinden die Ge- diskutiert, eventuell geübt. Sinn und schen - wenn auch dieses Mal nicht waltfreie Trainingsarbeit in Europa Folgen einer Entscheidung, zum Bei- realen - Erfahrung gestellt werden. und Nordamerika oft als losgelöst spiel für eine neutrale und gegen eine Und es traten neue Fragen auf, als von drängenden Fragen der politi- parteiliche Beobachtungstätigkeit, Anregung zur Weiterarbeit zu Hause. schen Realität. In Situationen, in de- sollen auf diese Weise nachvollzieh- Das KURVE-Trainingsprojekt, das sich nen die Bedrohung gewaltfreier Ak- bar werden. Im dritten Schritt fin- auch als ein Modell für eine graswur- tivistInnen ungleich größer ist als in det erneute eine Synthese statt. Die zelbezogene Form von Ausbildung den industrialisierten Gesellschaften Trainingsgruppe bildet immer wieder für Freiwillige und Friedensfachkräfte des Nordens, trainieren sie Hand- einen Erfahrungshintergrund für the- versteht, wurde 1997 von vier Perso- lungsansätze, die das ungerechte oretische Erläuterungen. Die interna- nen geleitet: Jill Sternberg aus New System stärker in Frage stellen. Ihre tionale Zusammensetzung der Grup- York/USA, Zoughbi Zoughbi aus Bet- Gewaltfreiheitstrainings finden oft pe sorgt dafür, dass interkulturelle lehem/Palästina, Stella Tamang aus nicht in geschützten Räumen, son- Konflikte vorkommen und themati- Kathmandu/Nepal und Hagen Berndt dern direkt in der Widerstandsrealität, siert werden und dass die Gruppe aus Wustrow. wie bei Landbesetzungen in Brasili- mit kulturellen Sensibilitäten umge- en, statt. Dieser Form der Bildungs- hen muss. Eine Fähigkeit, die in der Die „International arbeit kommt der oben beschriebene Arbeit von Peace Teams eine große Trainings“ heute Ansatz, mit der Trainingsgruppe auch Rolle spielt. hier in die politische Realität zu ge- Seitdem sind 13 Jahre vergangen. hen, nahe. Um den Teilnehmenden Raum zum Die Internationalen Trainings wer- Rückzug und Gelegenheit für einen den weiter von der KURVE angebo- Gleichzeitig ist dies der erste Teil ei- persönlicheren Austausch geben zu ten und stoßen auf großes Interesse. nes didaktischen Dreischritts, der können, treffen sich täglich Bezugs- 2010 gab es über 100 Bewerbungen sich in vielen Trainingssituationen gruppen von vier bis fünf Personen. auf die 20 möglichen Plätze. Erreicht als sinnvoll erwiesen hat. Ein Rollen- Sie stellen ein emotionales Zuhause werden sollen mit den Trainings spiel oder eine Übung thematisiert dar, dessen vertrauliche Reflexionen weiterhin in Konfliktregionen tätige das Problem, in diesem Fall Fragen, dafür sorgen, dass latent vorhande- Menschenrechts- und Friedensak- die mit der Beobachtung und Doku- ne Konflikte in der größeren Gruppe tivistInnen, Menschen aus sozialen mentation von Menschen- und Bür- überhaupt zur Sprache kommen. Sie gerInnenrechten zusammenhängen: helfen den Teilnehmenden aber auch, IT im Gespräch: Arig Kheir und Zandile Nhlengetwa welches Mandat haben wir? Wie die Inhalte der Kurse auf die eigene (IT-Teilnehmerinnen 2009) machen wir uns kenntlich? Wie eta- Arbeit und Person zu beziehen, unter blieren wir uns als unabhängig bei Umständen auch die persönliche Eig- den Konfliktparteien? Wie organisie- nung für die geplante Projektarbeit ren wir uns intern? Welche Kommu- kritisch zu hinterfragen. nikationsstrukturen sind notwendig? Worauf werden wir vorrangig achten Da neben englischen Sprachkennt- und warum? Worauf kommt es beim nissen persönliche Erfahrung in ge- Verfassen eines Berichts an? waltfreier Aktion oder der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten Voraus- Im zweiten Schritt werden Einzelpro- setzung für die Teilnahme an den

Grundtvig Programm der Europäischen Kommission • DANKE • Karin Gutzeit • Gundula Haage • Silke Hackenberg • Cornelie Hader • Dörte Hahn •

40 und Umweltbewegungen, sowie sollte. Durchgesetzt hat sich bisher Aktion veröffentlichte: Hagen Freiwillige und (Friedens-)Fachkräfte. jedoch immer der Anspruch, dass Berndt: Ausbildung internationa- Weniger richten sich die Trainings an diese Art von internationalem Training ler Friedensfachkräfte für gewaltfreie Mitwirkende, die in der Flüchtlingsar- in Gewaltfreiheit gerade durch das Einsätze in Konfliktgebieten, Ge- beit aktiv sind oder Kriegsflüchtlinge „Nicht-Standardisiert-Sein“ Räume waltfreie Aktion Heft 111/112, 1997; betreuen. Während bis ca. 2007 zu- schafft, die ein bedürfnis- und erfah- 179-187 nehmend (Friedens-)Fachkräfte und rungsbezogenes Empowerment der vor allem VertreterInnen von formalen Teilnehmenden ermöglicht und somit Hagen Berndt war von 1992–2000 Organisationen teilnahmen, ist seit konkret und praktisch zur Verbreitung pädagogischer Leiter und von 2000– zwei Jahren spürbar, dass sich wie- aktiver Gewaltfreiheit beiträgt. 2002 Geschäftsführer der KURVE der stärker BewegungsaktivistInnen Wustrow. In dieser Zeit lebte er mit aus dem Friedens- und Menschen- Anmerkung: Der Artikelteil von seiner Frau K.A.C. Sepalika und ihren rechtsbereich angesprochen fühlen. Hagen Berndt basiert auf einem drei Kindern in der KURVE Wustrow. Die TrainerInnenteams haben über die Text, den er 1997 in der Gewaltfreien Jahre gewechselt (TrainerInnen wa- ren und sind unter anderem: Winnie Arig Kheir in der Diskussion mit andere TeilnehmerInnen des IT2009 Romeril, Peter LeBlanc, Jochen Neu- mann, Spino Fante, Peter Steudtner). Eine Konstante der Internationalen Trainings ist Stella Tamang, die seit 1997 fast ununterbrochen die Trai- nings mit geleitet hat.

Inhaltlich sind die Trainings ähnlich ausgerichtet und balancieren zwi- schen dem pädagogisch themen- offenen Ansatz und einem Kerncur- riculum, welches immer öfter von Teilnehmenden der letzten Jahre eingefordert wurde - gleichzeitig be- stimmt jede Gruppe selbst, welche Themen im Trainingsfahrplan vor- kommen und in welcher Intensität. Wichtige Neuerungen über die letz- ten Jahren waren das Einbeziehen von Themen wie Safety & Security- Trainings (meist durch Tanya Spencer durchgeführt, die eine lange gemein- same Geschichte mit der KURVE hat und selbst Teilnehmerin im ersten IT gewesen war), sowie der Bereich des Do No Harm Ansatzes, der in der von der KURVE verwendeten Form die AktivistInnen unterstützt, schon in der Planung von Interventionen der Gewaltfreiheit einen großen Wichtig- keit zu geben.

Ergänzt werden die International Trai- nings durch Fachseminare und Ver- tiefungstrainings zu Themen, die von den Teilnehmenden der Internationa- len Trainings vorgeschlagen werden und sich auch in der Ausgestaltung an ihren Bedürfnissen orientieren.

Immer wieder wurde in der KURVE überlegt, ob sich das International Training nicht auch in der standardi- sierten Ausbildung von Friedensfach- kräften beteiligen und damit auch inhaltlich strikter angepasst werden

Doris Härms • Leonie Harsch • Lothar Hartmann • Lisa Heine • Rosalie Heinen • DANKE • Dieter Hemminger • Martin Hennig • Zarah Henschen •

41 „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin …?“ Das erste KURVE-Trainingskollektiv und die Trainingsarbeit in Ostdeutschland nach der Wende

Von Eva-Maria Willkomm

Meine allererste Begegnung mit der sere Welt sehr ge- und verstärkt wird. Einkaufen – mit den Fahrrädern -, Ko- KURVE war 1983 - ein Seminar über So geht es, so können wir in Frieden chen, Übungen ausprobieren und so Gandhi mit Wolfgang Hertle. Hier ein miteinander leben. Es ist natürlich an- weiter. Dann kam die Wende und das Auszug aus meinem Tagebuch von strengender und erfordert viel Selbst- Wendland war plötzlich nicht mehr damals: disziplin. Es dauert auch alles viel das „Ende der Welt“ an der Elbe, „Die Leute hier beim Seminar sind länger, als wenn einfach abgestimmt sondern die Welt wurde größer, ging Menschen meiner Art. Wie wir mit- oder bestimmt wird. Aber so ist es noch weiter – und wir konnten sogar einander umgehen und zusammen möglich, auf jede/n Einzelnen einzu- da hinkommen! leben, finde ich faszinierend. Jede/r gehen und alle zufrieden zu stellen. wird akzeptiert mit seinen Macken, Natürlich ist das eine Form, die in Die erste Anfrage für ein Training mit Schwächen und Bedenken. Schwie- unserer Leistungsgesellschaft keinen Jugendlichen kam aus einer Kirchen- rigkeiten, Sorgen und Probleme wer- Platz hat. Wo käme man denn da hin, gemeinde in Nischwitz von einem den besprochen. Nichts wird getan, wenn man erst Meinungsbilder mach- Pfarrer-Ehepaar. Hagen Berndt und wenn irgendjemand noch dagegen te oder gemeinsame Entscheidungen ich führten es in einem Gemeinde- ist und nicht mitmachen will. Dann treffen wollte? Wo bleibt denn da die haus unter einfachen und ungewohn- wird eben diskutiert und geplant – so Leistung, der Profit?“ ten Bedingungen durch – und es war lange, bis alle überzeugt sind oder ein ein Erfolg, die Jugendlichen waren anderer Weg gefunden wurde. Diese Nachdem ich mit meiner Friedens- sehr begeistert! Die Frau des Pfarrers, Form des Umgangs ist so überzeu- gruppe zu einem Training zur Vor- Gabi Damm, arbeitete in der Sucht- gend, dass mein Glaube an eine bes- bereitung der Blockade des Kreis- beratung. Überraschend kam dahin wehrersatzamts in Hannover in der viel Geld aus dem Westen für Fortbil- Eva-Maria WIllkomm mit Yunus Berndt KURVE Wustrow gewesen war, kam dungen: Projekte zur Gewaltpräventi- Foto: Archiv Eva-Maria Willkomm ich erst Anfang der 90er Jahre wie- on. Was lag da näher als gewaltfreie der: Ich nahm an der KURVE-Traine- Trainings anzubieten? rInnen-Ausbildung teil, um zu lernen, wie ich die Werte und Umgangswei- Wir bekamen ein völlig neues „Kli- sen, die ich bei früheren Seminaren entel“: überwiegend Frauen, die im in der KURVE Wustrow kennen und Suchtbereich arbeiteten. Weil es in schätzen gelernt hatte, weitergeben den kleinen Orten in Thüringen keine könnte. Diese Ausbildung ergänzte Seminarhäuser gab, tagten wir in neu sich gut mit meinem damaligen Pä- gebauten Hotels. Da gab es Doppel- dagogik-Studium, bei dem ich das zimmer mit Fernseher und Minibar „Theater der Unterdrückten“ ganz in- (was tun gewaltfreie Trainer/innen tensiv erlernen konnte (Augusto Boal damit?). Die Schankstube im Hotel selbst lernte ich erst 20 Jahre später musste leer geräumt werden für die in einem Workshop in Stuttgart ken- Rollenspiele, “denn morgens kommt nen). hier sowieso niemand her“ – alles ein völlig neues Ambiente für uns. Und Aus der Trainingsausbildung ent- es passierte nicht nur einmal, dass stand ein „Trainingskollektiv“, das Menschen wie angewurzelt stehen sich aber nicht so nannte, sondern blieben, wenn sie uns in gestellten das aus TrainerInnen bestand, die mit Gewaltsituationen sahen: „Wo sind der KURVE Wustrow zusammen ar- wir denn bloß hingekommen?“ beiteten und die sich fachlichen Aus- Die uns bekannten Formen der Trai- tausch wünschten. Sie trafen sich in nings wurden adaptiert: früh und der KURVE Wustrow und verbrach- pünktlich anfangen – das kannten wir ten dort Zeit mit viel Diskussionen, nicht so; teilnehmerInnen- und pro-

Christoph Hertle • DANKE • Doris Hertle • Maria Hertle • Wolfgang Hertle • Lisa Heuermann • Kirsten Hochmuth • Julia Hoffer • Jörg Hoffheinz • Almut

42 Rollenspiele als Grundlage des erfahrungsorientierten Lernens in den verschiedenen KURVE-Trainings Foto: Archiv Eva-Maria Willkomm

zessorientiert zu arbeiten war dort am letzten Ende sind die Schwächs- Das klingt etwas nach Größenwahn, nicht so bekannt und gewollt; Reden ten, eben auch die Behinderten. aber es ist auch Hoffnung darin, über Konflikte war schwer und dann Eine Anfrage aus der Nähe von denn: auch noch so was spielen...! Greifswald beschäftigte die Trainer/ „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, Die gegenseitigen Vorurteile wurden innen dann Ende der 90er Jahre sehr wo kämen wir hin und keiner ginge, in nächtelangen Gesprächen abge- intensiv: dort sollten gewaltbereite um zu sehen, wohin wir kämen, wenn baut. Noch nie vorher hatte ich so viel rechtsextreme Jugendliche trainiert wir gingen.“ Kurt Marti über das Leben in der DDR gehört werden. „Können wir das? Ist das und war total beeindruckt von dem, nicht eine Überforderung? Die kom- Mein persönlicher Weg führte mich was diese Menschen erlebt hatten. men doch nicht freiwillig und das ist nach der freiberuflichen Trainings- Leider wurde der Geldhahn bald zu- unser Prinzip! Wir qualifizieren Multi- arbeit und meinem ehrenamtlichen gedreht, wir leiteten noch einige selbst plikatorInnen,“ waren unsere Fragen. Engagement für die KURVE Wustrow organisierte Trainings unter ganz ein- Heiße Diskussionen folgten, Spaltung 1996 zum Oekumenischen Dienst fachen Bedingungen, aber bald ge- in zwei Lager, die einen, die meinten, Schalomdiakonat, einem Verein, der hörten dann solche Namen wie Jüch- wir können das nicht, und die ande- Menschen in gewaltfreier Konfliktbe- sen, Sommerda, Wittstock, Zingst ren, die fragten: „wer soll es denn arbeitung qualifiziert und sich auf spi- und ähnliche zur Vergangenheit. Das sonst machen, wenn nicht wir? Das rituelle Quellen und Wurzeln beruft. letzte, was ich in Ostdeutschland ist dringende Basisarbeit, da können Die Erfahrungen, die ich in der KUR- Ende 1995 machte, war ein Training wir nicht ‚kneifen‘!“. Ein Testballon VE Wustrow bei den vielen Trainings, im Johannes-Stift in Arnstadt, in dem ging dann leider ziemlich daneben in der Vorstandsarbeit, im KURVE- ein Bewohner sein Zimmer angezün- und wir entschieden, solche Arbeit RAT und bei vielen anderen Zusam- det hatte und das Pflegepersonal ler- von Fachleuten in diesem Bereich menkünften und Aktionen im Wend- nen sollte, mit solcher Art von Gewalt machen zu lassen. land gemacht habe, begleiten mich in umzugehen. Damals war „Gewalt in meiner Arbeit als Bildungsreferentin der Pflege“ noch kein gesellschaftli- Die große Frage bleibt: Wo sind die – wohin ich auch komme. ches Thema und die Mitarbeitenden Grenzen dieser Trainingsarbeit? Was hatten vielen Unsicherheiten und bringt sie ein? Eva-Maria Willkomm gründete in Ängste. Wir stellten gemeinsam fest, Eine Freundin von mir zitiert mich gern den 90er Jahren das KURVE-Train- dass die Gewalt des Bewohners nur mit einem Ausspruch, der mir mal so ingskollektiv mit und war von 1994 ein Symptom für die Gewalt in der raus gerutscht ist: „Jetzt mache ich -1997 im KURVE-Vorstand. Gesellschaft ist. Diese Gewalt zieht schon fast 30 Jahre Friedensarbeit sich von oben nach unten durch und und es gibt immer noch Krieg!“.

Hoffmann • DANKE • Anna-Lena Hoffmann • Karin Höltig • Hilde Hopmann • Frauke Hoss • Boris Hoye • Uschi Huber • Sabine Hübner • Martin Humburg

43 KURVE … meine Suche nach Gewaltfreiheit Von Stella Tamang

Meine Erfahrungen während des ers- Über das INEB lernte ich wiederum USA und Zoughbi Zoughbi aus Pa- ten Jana Andolan (übergreifende De- den Internationalen Versöhnungs- lästina bestand. mokratiebewegung in Nepal, 1989- bund (IFOR) kennen und über die 1990) hatten große Auswirkungen beiden Quäker Lillian und George Das Training bedeutet für mich Teilen, auf mein Leben in Beziehung zu so- Willoughby wurde ich zu einem Inter- Lernen, Vertiefen und Entdecken des zialen Bewegungen. Zwar waren wir nationalen Training zu Gewaltfreiheit unterschiedlichen Verständnisses für mit unserem Ziel, Nepal als säkularen nach Amersfort in den Niederlanden Gewaltfreiheit vom internationalen Staat in der Verfassung festzuschrei- ben, nicht erfolgreich, da auch in der neuen Verfassung Nepal als hindu- istischer Staat erklärt wurde, jedoch gab uns die Bewegung das Gefühl der Einheit und für die Macht der Ge- waltfreiheit.

Zur gleichen Zeit lernte ich die Or- ganisation „Socially Engaged Bud- dhists in Thailand“ mit ihrem Leiter Sulak Sivaraska kennen. Ich bin froh, dass ich sie traf, denn obwohl ich in einer Lama-Familie geboren und auf- gewachsen war – mein Vater war ein Lama, der nicht in einem Kloster leb- te – verstand ich wenig vom Buddhis- mus. Ich hatte viele kritische Fragen zu allen Gebeten und Ritualen, die es zu Hause gab, da mir deren Bedeu- Stella Tamang (obere Reihe, 3. von links) mit den Teilnehmenden des IT2010 am Zwischenlager Gorleben tung und ihre Verbindung zu meinem eigenen Leben sehr wichtig waren. eingeladen. Dort lernte ich stärker die Team, wie aber auch von den exter- Bedeutung der Gewaltfreiheit als In- nen ReferentInnen und den Teilneh- Über diese Verbindung zu engagier- strument für Konfliktbearbeitung und menden, die aus verschiedenen Tei- ten BuddhistInnen kam ich auch zum für soziale Transformation kennen. len der Welt kommen. „International Network of Engaged Mein Durst nach mehr gewaltfreien Buddhists“, die einen herausforder- Erfahrungen und mein Glaube in die Die Teilnehmenden sind nicht passive ten, die einfachen Lehren Buddhas Gewaltfreiheit wuchs und meine Rei- EmpfängerInnen, sondern aktiv wäh- für Selbsttransformation und soziale se für Gewaltfreiheit ging weiter … rend des Trainings. Das Internationa- Veränderungen zu praktizieren und le Training wird gemeinsam gestaltet. anzuwenden. Ich erinnere mich an den Tag, als ich Das, was ich am meisten am Interna- Hagen Berndt das erste Mal traf. Es tionalen Training mag, sind die Rol- Verlernen als Teil des Lernens während der ITs war während eines „Training of Non- lenspiele, denn ich glaube stark an violent Practitioners“ im israelischen das chinesische Sprichwort: Sage es Neve Shalom. Wir nahmen beide mir, und ich vergesse es; zeige es mir, an einem Rollenspiel zu gewaltfrei- und ich erinnere mich; lass es mich er Kommunikation teil und Hagen tun, und ich behalte es. erzählte mir vom „International Trai- ning on Nonviolence“ in der KURVE Rollenspiele sind eine gute Gelegen- Wustrow. Gleichzeitig fragte er mich, heit für diejenigen, die in Konfliktge- ob ich nicht Teil des Trainingsteams bieten arbeiten, zu verstehen, wie sie sein wolle. Erst 1997, ein Jahr spä- sich in konkreten Situationen gleich- ter, konnte ich zum Team hinzustoßen zeitig schützen können, nicht in den – es war das 3. „IT“ in der KURVE -, Konflikt hineingezogen werden und das außer mir aus Nepal noch aus noch in der Lage sind, ihre Arbeit zu Hagen Berndt, Jill Sternberg aus den tun. Die Gruppe ist dabei eine der

• Bastian Hummel • Veronika Hüning • Florian Huss • Kerstin Huven • DANKE • Lisa Ibscher • ICJA Freiwilligenaustausch weltweit • DANKE • Nicolaus

44 wichtigsten Ressourcen für jeden einzelnen.

Die einfachen Lebensbedingungen mit einfachem aber gesundem Es- sen, Gemeinschaftsleben, der ge- samte Prozess der Gestaltung der Kursinhalte, intuitive und spannende Seminareinheiten, intensive Besuche an Plätzen wie dem atomaren Zwi- schenlager in Gorleben mit Teilnahme am Gorleben-Gebet, Besteigen eines Windrades, der Berlinbesuch mit Zeit an der Berliner Mauer, einen Moment der Stille am Holocaust-Mahnmal, das Abendessen in Meuchefitz und die Geschichte des Gewaltfreien Wi- derstands im Wendland machen die KURVE zu einem wundervollen Platz für das „International Training on Nonviolence“. Es sorgt für wunder- volle Möglichkeiten, Gewaltfreiheit als einen Lebensweg und als Mög- lichkeit für Konfliktaustragung und soziale Transformation zu praktizie- ren und zu üben. Das TrainerInnen- team und die externen ReferentInnen mit ihrem starken Glauben in die Kraft der Gewaltfreiheit, mit ihrem eigenen Engagement im Bereich der gewalt- freien sozialen Konflikttransformati- on und ihrem Schatz an Kenntnissen und Wissen machen das Training so speziell. In einem wahren Sinne ist es nicht nur ein Training, sondern ein Gewaltfrei Streitbar: Stella Tamang „Retreat“, eine Vipasa, eine innere Erforschung, um die Samen und die damit verbundenen Herausforderun- und sein können. Gewaltfreiheit ist Kraft der Gewaltfreiheit zu entde- gen durch Neudefinition und Interpre- nicht nur ein Werkzeug, sondern eine cken, die in jedem von uns stecken. tation von Gewaltfreiheit seitens der Kunst des Lebens … welche noch Es ist eine Pilgerreise, eine spirituelle jüngeren Generationen erkennen. immer entdeckt und Ihre Kraft und Reise. Die Herausforderung für die KURVE Schönheit verstanden werden will. Es Wustrow liegt in der kontinuierlichen ist eine lange Reise … Jede Pflanze braucht zum Wach- Suche nach Wegen, die verwurzelt sen gutes Saatgut, guten Boden mit sind in den Kenntnissen und dem Stella Tamang ist Leiterin der Wasser und Sonnenschein, um wirk- Wissen der Vergangenheit, entlang KURVE-Partnerorganisation Bikalpa lich als Baum zu wachsen. Die KUR- den Prinzipien und Werten der Ge- in Nepal und leitet seit 1997 fast VE Wustrow ist nun so ein Baum, waltfreiheit, wie sie von unseren Äl- ununterbrochen das International der Früchte und Schatten gibt. Der testen und Leitenden vorgegeben Training. Baum ist gewachsen und reicht nun werden. Gleichzeitig soll ihre Arbeit in viele Länder in der Welt. Wir sehen, verbunden sein mit aktuellen Be- Internationaler Austausch: Grundlage und Qualität wie jedeR TeilnehmerIn den Samen dürfnissen und Realitäten, so dass der ITs mitgenommen und in ihren Ländern weiterhin ein bedeutungsvolles und gepflanzt hat oder wie sie die Pflan- höchst kraftvolles Werkzeug zur Ver- ze der Gewaltfreiheit, die es in ihren fügung steht für die jüngeren und Ländern schon gibt, pflegen. Gewalt- zukünftigen Generationen, um eine freiheit wächst. Veränderung des Selbst und einen sozialen Wandel zu erreichen, nach Ich kann das organische Wachstum dem jedes menschliche Wesen, ein- der KURVE Wustrow in der Gegen- schließlich aller Pflanzen und ande- wart im Zusammenhang mit zuneh- rer Lebewesen und Nichtlebewesen mendem Konsumdenken, Materialis- auf der Erde und in diesem Univer- mus und der Globalisierung und den sum mit Respekt und Würde leben

Ilgner • Informationsstelle Militarisierung • INKOTA-netzwerk e.V. • International Fellowship of Reconciliation IFOR • Internationaler Diakonischer Ju-

45 Gemeinschaftsleben & Bringing Peace to the Stomache Rahmenbedingungen der internationalen Trainings in der KURVE Wustrow

„So einfach und so viel Gemeinschaft, sie „den Mägen Frieden bringt“, wäh- wie wir hier im Training in der KURVE rend sich die Teilnehmenden darauf Wustrow leben, ist es schon ein gutes konzentrieren können und sollen, Stück Widerstand gegen den Semi- Frieden in ihren Regionen zu tragen. nar-Mainstream.“ Mit diesen Worten fi ng ein Teilnehmer des International Trainings on Nonviolence eine Aus- wertungsrunde an. Das Konzept der Rahmenbedingungen wirkt auf zwei Ebenen: Auf der ersten Ebene geht es um das Leben auf engem, einfachen Raum. Nur wenn wir es schaffen, an den eigenen selbst erlebten Konfl ikten gewaltfrei zu arbeiten und das „An- ders-Leben“ zu akzeptieren, werden wir authentisch gewaltfrei nach außen und miteinander agieren können. Hier ist das multikulturelle Leben auf en- gem Raum ein geschütztes Übungs- und Refl exionsfeld. Die zweite Ebene ist das „füreinander Sorgen“, welches durch die gemeinsame Küchenarbeit eingeübt wird (und nebenbei noch Geschlechterstereotypen und ent- sprechendes Verhalten durchbricht).

Wesentlich trägt zum Erfolg dieses „Community Living“-Ansatzes auch die KURVE-Küche bei, welche wäh- rend der Seminare und Trainings hauptsächlich von K.A.C. Sepali- ka oder Eike Eckeberg betreut wird. Möglichst biologische und vegeta- rische Mahlzeiten bieten das Entde- cken unterschiedlicher regionaler Ge- schmacksrichtungen, die die beiden Köchinnen lecker zu Tisch bringen. Dabei gehen sie sensibel mit regiona- len Essgewohnheiten ein und werden damit selbst zu einem essentiellen Teil des Trainings, bei dem es immer wieder um das gemeinsame Aushan- deln von Geschmack und Gewohn- heiten geht.

K.A.C. Sepalika, die mit Hagen Berndt und ihren drei Kindern Amrita, Arpana und Yunus mehr als zehn Jahre in der KURVE Wustrow lebte und arbeitete, spricht in Seminaren oft davon, dass gendeinsatz der Ev.-Method. Kirche • Internationales Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund • DANKE • Lisa Katharina Ipfelkofer • Nele Isermaier •

46 Elbe-Jeetzel-Zeitung: 15 Jahre KURVE Wustrow – Ein Blick von außen

Birgit Janitz • Thomas Janssen • DANKE • Beate Jaschik • Eberhard Jennerjahn • Erika Jennerjahn-Meyer • Linda John • Eva-Maria Jongen • Julie

47 Die KURVE Wustrow aus Sicht der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden Von Jan Gildemeister

36 Jahre gemeinsames Wirken und prägten, so war es auch umgekehrt. AGDF begann, wurde auch von der gegenseitige Impulse prägen sowohl Als die neu gewählte rot-grüne Bun- KURVE Wustrow nachdrücklich dar- die KURVE Wustrow als auch die Akti- desregierung Finanzmittel für den auf hingewiesen, dass ihr Profil kein onsgemeinschaft Dienst für den Frie- Aufbau des Instrumentes Ziviler Frie- christliches ist. Wie passt das Spek- den (AGDF). Nach einer Selbstdar- densdienst bereit stellte, gab es eine trum von in ihrer Arbeit vorrangig an stellung von 1988 in einer Broschüre heftige Debatte, ob Nichtregierungsor- Menschenrechten orientierten Mit- zu 20 Jahre AGDF will die KURVE ganisationen Staatsknete annehmen gliedern mit den christlich-biblischen Wustrow durch ihre Bildungsarbeit sollten und damit einerseits sinnvolle Wurzeln zusammen? Am Ende des dazu beitragen, dass „Betroffenheit Projekte von Partnerorganisationen in Diskussionsprozesses wurde festge- über kriegerische Bedrohung, ökolo- Krisenländern unterstützen und Zivi- stellt, dass beide Ansätze durch die gische Zerstörung und soziale Unge- le Konfliktbearbeitung „politikfähig“ Auseinandersetzung voneinander rechtigkeit in überlegtes gewaltfreies machen konnten, andererseits sich profitieren und beide ihre Heimat in Handeln umgesetzt wird. Gewaltfreie auch in gewisse finanzielle und poli- der AGDF haben (können). Aktion öffnet Perspektiven für eine tische Abhängigkeit begaben. Diese humane Gesellschaft.“ wichtige Diskussion wurde u.a. von Die Entwicklung ist also geprägt von der KURVE Wustrow in die AGDF hi- gegenseitigen Impulsen und Anfra- Die KURVE war und ist als Bildungs- neingetragen. Letztlich beteiligte sich gen sowie von einer vielfältigen Zu- träger in der AGDF gut aufgehoben, nicht nur die AGDF am Zivilen Frie- sammenarbeit – zuletzt beispielswei- da unter den 35 Mitgliedern viele in densdienst (ZFD), auch die KURVE se durch die Mitarbeit von Jochen der friedenspolitischen Bildungsar- Wustrow stieg ein und machte dabei Neumann im Vorstand der AGDF beit aktiv sind. In den 1990er Jah- einen großen Schritt in Richtung Pro- und von anderen Mitarbeitenden der ren bildete sich mit der „Aus- und fessionalisierung. Einige Jahre später KURVE Wustrow in Fachbereichen Fortbildung für den Fachdienst in stellte sich für die KURVE Wustrow der AGDF. ziviler Konfliktbearbeitung“ ein neu- wie die AGDF die Herausforderung, er Arbeitsschwerpunkt heraus, der die gewaltfreie Konfliktbearbeitung Die KURVE Wustrow zeichnet aus, wesentlich von Akteuren der KURVE nicht nur durch Projekte im Ausland, dass sie Verschiedenes miteinander Wustrow geprägt wurde. So erstellte sondern (wieder) auch im Inland vereint: Basisbezug, Partizipation Harald Müller, damals Mitarbeiter der auszubauen. Mitarbeiter der KURVE und Professionalität, Engagement AGDF in ihrem Außenbüro in Wustrow, Wustrow vertraten in dem Kontext in der Anti-AKW-Bewegung vor Ort eine Studie zum Bedarf für Friedens- (auch) die AGDF in der Arbeitsge- und Zusammenarbeit mit PartnerIn- fachkräfte bei der AGDF und Hagen meinschaft Ziviler Friedensdienst in nen im Ausland, und dass sie dies Berndt, damals pädagogischer Leiter Deutschland. Schließlich fand 2005 mit verschiedenen Formen der Bil- der KURVE, verfasste „Module für ein die AGDF Mitgliederversammlung im dungs- und Qualifizierungsarbeit ver- fortgeschriebenes Curriculum“. Ent- Wendland statt und verabschiedete – bindet. Dieses Spektrum sowie die sprechende Beiträge wurden 1998 in oh Wunder – eine Resolution gegen Finanzknappheit führten zu Krisen einer AGDF Broschüre veröffentlicht. die Nutzung der Nuklearenergie. Und und Konflikten, die aber letztlich alle Die KURVE Wustrow gehörte zu den vielleicht ist es auch kein Zufall, dass konstruktiv bearbeitet wurden und zu AGDF Mitgliedern, die die Qualifizie- die KURVE Wustrow heute alle we- einer produktiven Weiterentwicklung rungskurse in Ziviler Konfliktbearbei- sentlichen Arbeitsfelder abdeckt, die führten. tung (ZKB) mit auf den Weg brachten, sich in den Fachbereichen der AGDF die zunächst vom Land NRW, später widerspiegeln: ZKB-Projekte im In- Ich bin dankbar, dass es die KURVE vom BMZ gefördert wurden und aus und Ausland, Qualifizierung in ZKB, Wustrow gibt, ihre ehren- und haupt- denen schließlich – nach Rückzug Friedensarbeit vor Ort und internati- amtliche MitarbeiterInnen eine wich- der AGDF und ihrer Mitglieder – die onale Freiwilligendienste. tige Arbeit leisten und immer wieder Akademie des Forum Ziviler Frie- wichtige Impulse geben – auch in die densdienst hervorging. Von ihren Inhalten und Programmen AGDF hinein. passt die KURVE also hervorragend So wie die KURVE Wustrow bezie- in die AGDF, aber wie ist es mit dem Jan Gildemeister ist Geschäftsführer hungsweise Aktive der KURVE Wust- „Christlichen“? Als vor zehn Jahren der Arbeitsgemeinschaft Dienst für row die Entwicklung der AGDF mit der sogenannte Leitbildprozess der den Frieden.

Jouberjean • Jugend für Europa • Wolfgang Kabera • DANKE • Wolfgang Kaczmarek • Annika Kaehlert • Vera Kahlenberg • Anne Kahlisch • Sonja Kal-

48 KURVE-Aktivitäten finden sich in allen Arbeitsbereichen wieder, die die AGDF abdeckt: ZKB-Projekt im In- und Ausland, Qualifizierung in ZKB, Friedensarbeit vor Ort und internationale Freiwilligendienste. Die AGDF in der KURVE Wustrow

Von Oktober 1995 bis Ende 1997 diesem Wege wurden auch AGDF- war der ehemalige Geschäftsführer Mitglieder wie zum Beispiel der Frie- der KURVE Wustrow, Harald Förster denskreis Halle oder die Friedensbib- (ehemals Müller), bei der Arbeitsge- liothek Berlin gewonnen. meinschaft Dienst für den Frieden als Programmkoordinator für die „Aus- An diesen Aufgabenbereich schloss und Weiterbildung Haupt- und Ehren- sich später ein weiterer AGDF-Auf- amtlicher in den Freiwilligendiensten“, trag für Harald Förster an: Gemein- einem Sonderprogramm für die neu- sam mit Hagen Berndt veröffentlichte en Bundesländer des Kinder- und Ju- er die Studie: „Der Bedarf von Frie- gendplanes des Bundes mit Dienst- densfachkräften in der AGDF.“ sitz in Wustrow beschäftigt. Von Mitte 2004 bis Anfang 2006 war Über diese Finanzierungslinie – die Harald Förster als Geschäftsführer unter anderem über die AGDF ver- der KURVE Wustrow Sprecher für geben wurde – wurden Seminare der die AGDF in der Arbeitsgemeinschaft Freiwilligendienste (auch der KURVE Ziviler Friedensdienst in Deutschland Wustrow) finanziert. Ziel des Sonder- neben Henning Niederhoff (Land Nie- programms der AGDF war es, in Ost- dersachsen) und Bernhard Müller deutschland neue Friedensdienst- (forumZFD). Organisationen zu gewinnen. Auf lendrusch • Annette Kappes • DANKE • Daniela Kasche • Norbert Kather • Ulrike Kauber • Lena Kaufmann • Martin Kaul • Astrid Kause • Meike Kehbein

49 Wie hat sich der Freiwilligen- dienst der KURVE Wustrow entwickelt? Von Sarah Schumacher

Freiwilligendienst mit der KURVE und zusätzlichen Aktivitäten zur Aus- Freiwilligen funktioniert“ (Petra Titze, Wustrow bedeutet „In einer Orga- gestaltung von Freiwilligendiensten im Leitungsteam und Öffentlichkeits- nisation, die sich für Frieden und wirkte die KURVE Wustrow aktiv mit, arbeiterin der KURVE Wustrow von Gerechtigkeit einsetzt, für mehrere als sich Anfang der Neunziger Jahre 1997– 2002). Monate in einem anderen Land mit- Freiwilligendienste als Arbeitsfeld neu machen und dabei jede Menge ler- etablierten. Bis heute macht die KUR- Das Leitbild von 2002 beschreibt den nen.“ Das schrieb Marja Moritz, eine VE Wustrow sowohl Entsendung, als Freiwilligendienst der KURVE Wust- Freiwillige der KURVE Wustrow 2001 auch Aufnahme und führt Begleitse- row als: in einem gandhianischen Mädchen- minare und zusätzliche Maßnahmen a Bildungs- und Begegnungsarbeit internat am Fuße des Himalayas. Die druch. b Beitrag zum Aufbau von zivilgesell- Partnerschaft mit der politisch akti- schaftlichem Engagement ven Schule Lakshmi Ashram hat sehr Welche Bedeutung hat der c Möglichkeit, neue Zielgruppen (vor unterschiedliche Phasen der Freiwil- Freiwilligendienst für die allem junge Menschen) zu errei- ligenarbeit der KURVE Wustrow mit- KURVE Wustrow? chen erlebt. d Grundlage für Einflußnahme auf Seit die KURVE Wustrow 1980 ge- die öffentliche Diskussion um die Seit Anfang der 90er Jahre hat die gründet wurde, spielt internationale zukünftige Rolle von Zwangsdiens- KURVE Wustrow junge Freiwillige in und regionale Freiwilligenarbeit eine ten (Wehrpflicht, Zivildienst) und europäische Länder und nach Über- Rolle sowohl in der alltäglichen Ar- Freiwilligendienst in der Gesell- see entsandt. Freiwillige unterstützten beit als auch in der konzeptionellen schaft von Anfang an die Geschäftsstelle. Auseinandersetzung und seit Anfang e Möglichkeit zur internationalen Phasenweise vermittelte die KURVE der 90er Jahre auch als Arbeitsfeld: Vernetzung und zum Erfahrungs- Wustrow darüber hinaus internati- „Wir waren davon überzeugt, dass austausch zwischen bewegungs- onale Freiwillige an Organisationen eine Arbeit an gewaltfreiem Gesell- nahen Projekten und Initiativen in der Region. Mit Begleitseminaren schaftswandel nur mit Ehrenamt und f Möglichkeit, engagierte junge Menschen in Bewegungen und die Alltag teilen - Küchenarbeit während einer Youth Power-Begegnung in der KURVE Wustrow 2007 Arbeit der KURVE Wustrow einzu- binden“

Soweit die Absichten, die im Kern bis heute gelten. Was hat die KURVE Wustrow in den Bereichen Aufnah- me, Begleitseminare und Entsendung Freiwilliger gemacht und wie haben sich die Arbeitsbereiche und das Pro- fil entwickelt?

Phasen des Freiwilligen- dienstes der KURVE Wustrow Aufnahme von Freiwilligen

„Als erstes fällt mir Baburaj ein. Er kam 1993 aus Sampoorna Kranti Vi- dyalaya und hat drei Monate in der KURVE zur Internationalisierung der indischen Anti-Atom Bewegung ge- arbeitet.“ (Hagen Berndt, pädagogi- scher Leiter der KURVE Wustrow von

• Petra Kelly • DANKE • Birgit Kellner • Anne- Cornelia Kenneweg • Michael Kern • Wilfried Kerntke • Jürgen Ketels • Michael Kimmig • Christiane

50 1992 bis 2000 und Geschäftsführer von 2000 bis 2002).

Anfang der 90er Jahre gab es einzel- ne Freiwillige in der KURVE Wustrow aus Europäischen Ländern wie Spa- nien, Holland, Tschechien oder Po- len, die zum Beispiel an Schulen im Landkreis zu gewaltfreier Aktion ar- beiteten, das Internationale Training unterstützten oder zu den geplanten Atomanlagen in Gorleben arbeiteten. Als Einsatzstelle des Europäischen Freiwilligendienstes lernte das Team auch Freiwillige einzubinden und mit Aufgaben zu versorgen, die nicht aus gewaltfreien Bewegungen kamen, und von sich aus große Motivation und Eigeninitiative mitbrachten. Bewegende Vor- und Nachbereitung gehört für die KURVE Wustrow zu den Freiwilligendiensten Petra Titze erinnert sich an Anfang der Nuller Jahre: „Zeitweise hatten ein internationales Workcamp organi- nienkrieg begann, wollten Entsende- wir zehn Freiwillige in der KURVE. sierten. Die Zimmer im Tagungshaus organisationen und einzelne Aktivis- Das war toll! Es war auch anstren- trugen noch viele Jahre die bunten tInnen mit Freiwilligendiensten vor gend und nicht immer ohne Konflikte Pastelltöne, die die Gruppe ihnen Ort vornehmlich in Flüchtlingslagern und interkulturelle Schwierigkeiten. verlieh.“ (Katharina Arndt, KURVE- aktiv werden. Hier konnte die KUR- Die Betreuung vernünftig hinzukrie- Mitarbeiterin) Die Freiwilligen arbei- VE Wustrow vorhandenes Knowhow gen neben der normalen Überbelas- teten in der Vermittlung von Freiwil- in Form von Vorbereitungsseminaren tung der MitarbeiterInnen war oft eine ligen, organisierten das Gorleben einbringen. Zusammen mit Sunco- Herausforderung. Aber mit so einem International Peace Team (GIPT), kret (Sonnenblume), Service Civil In- Haufen engagierter junger Leute, die unterstützten die lokale Trainingsver- ternational (SCI), Pax Christi, Peace die Gesellschaft verändern wollen, mittlung, schmissen nachmittags das Brigades International (PBI), Eirene, täglich zusammen zu arbeiten, war Sekretariat, machten eine Studie zur Friedenskreis Halle, IJGD und an- spannend. Sie brachten ihre Kreativi- Einbindung ehemaliger Freiwilliger,… deren, führte die KURVE Wustrow tät, neue Impulse und kritische Fra- und nicht zuletzt betreuten sie das Vorbereitungs- und Rückkehrsemi- gen ein. Besonders spannend war es Tagungshaus der KURVE Wustrow nare durch. In Zusammenarbeit mit auch, Menschen kennen zu lernen, zeitweise selbstorganisiert. Marei- der Aktionsgemeinschaft Dienst für die aus den damals noch Nicht –EU ke Korte, Marja Moritz und Hendrik den Frieden (AGDF) koordinierte die Ländern kamen, wie Ungarn, Polen, Musché übernahmen nach einem KURVE Wustrow regelmäßige Tref- Tschechien.“ FÖJ beziehungsweise einem Freiwil- fen der Entsendeorganisationen und ligendienst im Ausland, KURVE-Vor- Organisationen in der Aufnahmeregi- Die Freiwilligen kamen finanziert über standsverantwortung. Zeitweise fun- on; zunächst auf dem Balkan, später ein Programm der Robert Bosch gierte die KURVE Wustrow auch als auch für Sri Lanka und europaweit. Stiftung, den Europäischen Freiwil- Koordinierungsstelle für die Betreu- Die KURVE Wustrow sah ihre Aufga- ung und Vermittlung von Freiwilligen be darin, inhaltliche Akzente in der in Einrichtungen im Landkreis. Debatte zu setzen. Sie vertrat, aus gewaltfreien sozialen Bewegungen Seit 2003 bis heute gibt es durchge- kommend, den Anspruch konflikt- hend einen bis zwei FÖJ-Plätze im sensibler Arbeit und brachte eine Freiwilligendienstreferat und einen bewegungsnahe Perspektive ge- EFD-Platz in der Arbeitsstelle Frie- waltfreier Konfliktbearbeitung in der densfragen. Die Freiwilligen wohnen, Landschaft eher humanitär geprägter teilweise mit neuen MitarbeiterInnen Entsendeorganisationen ein. Geschenk eines Freiwilligenkurses an der Tür des und PraktikantInnen, in der Dach- Freiwilligendienstreferats Wohnung im Haus der KURVE Wust- „Unser Schwerpunkt war die Bil- row. dungsarbeit und die Weiterentwick- ligendienst (EFD), über das Freiwil- lung der Freiwilligendienste.“ (Hagen lige Ökologische Jahr (FÖJ) oder Begleitseminare für Berndt) selbstorganisiert. Viele wohnten in Freiwilligendienste den Anfangsjahren in einer Wohnge- In der Entstehungsphase des meinschaft in Wustrow. „Ich erinnere Als in den 90er Jahren in Kroatien Deutsch-Polnischen Jugendwerks mich, wie zwei polnische Freiwillige der Krieg zu Ende ging und der Bos- (DPJW) war die KURVE Wustrow in-

Kimmler-Sohr • DANKE • Peter Benjamin Kinross • Kirchengemeinde Wustrow • Sebastian Kiss • Martin Klein • Simone Klein • Ulfried Kleinert • Teresa

51 volviert und kooperierte vor allem in der Trainingsarbeit. 1995/96 kam Malgorzata Kopka aus Polen, die als Freiwillige in der KURVE Wustrow ak- tiv den Bereich Freiwilligendienst mit aufbaute, später Mitglied des KUR- VE-Vorstands wurde und eine KUR- VE-Zweigstelle in Wroclaw initiierte, die vor allem Freiwillige der KURVE Wustrow in Polen begleitete.

Als das Programm des Europäischen Freiwilligendienstes (EFD) 1997 in die Pilotphase ging, wurde die KURVE Wustrow einer von drei Bildungs- trägern, die Begleitseminare für die deutsche Nationalagentur machten. Für die KURVE Wustrow war das eine Möglichkeit, Themen sozialer Bewe- Sich gegenseitig stützen - Youth Power Begegnungstreffen 2008 gungen und der gewaltfreien Konflikt- bearbeitung in das neu entstehende TrainerInnen und MitarbeiterInnen Aufgabengebiet verstand, gab es hier Arbeitsfeld einzubringen. Außerdem von Freiwilligendiensten angeboten noch größere Bedenken, als gegen- bot der EFD eine Möglichkeit, ange- hat. Über das evangelische Forum über der Funktion als Bildungsträger messenere Honorare für TrainerInnen entwicklungspolitischer Freiwilligen- im breit angelegten Programm des zu zahlen. dienste (eFeF) beteiligt sich die KUR- EFD einzusteigen. VE Wustrow bei einer Qualifizierung Jörg Rohwedder, Mitarbeiter der für RückkehrerInnen zu Multiplikato- Eine Schwierigkeit sei gewesen, dass KURVE von 1998 bis 2001, erinnert rInnen für globales Lernen. Jährlich Jugendliche, die sich bei der KURVE sich an Diskussionen darum, ob die besuchen gut 300 TeilnehmerInnen für einen Europäischen Freiwilligen- KURVE Wustrow sich an einem so die rund 20 Begleitseminare, Fort- dienst bewarben, Interesse an einer breit aufgestellten Programm wie bildungen und Qualifizierungen, die Entsendung hatten, aber mehrheit- dem Europäischen Freiwilligendienst durch das Freiwilligendienstreferat lich nicht unbedingt eine Politisierung beteiligen solle. Der Tenor sei gewe- organisiert werden. Der Bereich von wollten. Das Team der KURVE Wust- sen „Wir können das im Prinzip, ha- Bildung für und mit RückkehrerInnen row diskutierte kritisch, ob die Ziele ben Erfahrung in der Vorbereitung von soll mit ökologischem Schwerpunkt zu gewaltfreiem Gesellschaftswandel Freiwilligen, und es ist im EFD-Pro- ausgebaut werden. beizutragen und junge Menschen gramm bislang kein Themenbereich an Themen heranzuführen, erreicht zu Frieden oder gewaltfreier Konflikt- Entsendung von Freiwilligen werden könnten und der Erfolg mit bearbeitung vorgesehen. Über die dem hohen personellen Aufwand Trainings können wir versuchen diese Durch die Trainings zur Vorbereitung bei geringen Fördermitteln im ange- Akzente reinzubringen.“ Bedenken Freiwilliger anderer Organisationen, messenen Verhältnis stehe, erinnert waren, ob die KURVE Wustrow sich die vornehmlich in Flüchtlingslager Jörg Rohwedder, der selbst später von ihren Wurzeln in sozialen Bewe- auf den Balkan gingen, kamen An- als Friedensfachkraft für die KUR- gungen entfernen würde. fang der Neunziger Jahre einzelne VE Wustrow in die Türkei entsendet AktivistInnen auf die KURVE Wustrow wurde und Mitglied des KURVE-Trai- 2008 diskutierten die MitarbeiterIn- zu, mit dem Interesse, einen Freiwilli- ningskollektivs war- nen der KURVE Wustrow, ob sie in gendienst mit stärker politischer Aus- das neu entstehende weltwärts-Pro- richtung zu machen. So wurden erste „Die KURVE Wustrow sah es als ihre gramm des Bundesministeriums für Erfahrungen als Entsendeorganisati- Aufgabe, innovative Akzente zu set- wirtschaftliche Zusammenarbeit und on gesammelt. Weitere ungeregelte, zen, arbeitete daran, Aufnahmen von Entwicklung (BMZ) trotz inhaltlicher selbstorganisierte Freiwilligendiens- Freiwilligen in Gang zu bringen und und abwicklungstechnischer Beden- te koordinierte die KURVE Wustrow bemühte sich verstärkt um Entsen- ken einsteigen wollten. Die Testphase auch in Ländern wie Palästina, Indi- dung in Nicht-EU Länder.“ (Hagen läuft nun seit zwei Jahren, in denen en, Sri Lanka, Südafrika, Kamerun Berndt). die KURVE Wustrow sowohl eigene und Nepal. Freiwillige nach Indien, Nepal und Seit 1997 entsandte die KURVE im Mazedonien entsendet hat, als auch Noch in der Pilotphase des Euro- Rahmen des Europäischen Freiwil- Begleitseminare für eigene Freiwillige päischen Freiwilligendienstes (EFD) ligendienstes in verschiedene Pro- und die Freiwilligen anderer Organisa- entschloss sich die KURVE Wustrow grammländer West-, Ost-, Nord- und tionen durchführt und zusätzlich über auch als Entsendeorganisation zu Südeuropas und insbesondere in die Konferenz evangelischer Freiwil- fungieren. Da die KURVE Wustrow „Drittländer“ des europäischen Frei- ligendienste (KeF) Fortbildungen für traditionell eher Trainingsarbeit als ihr willigendienstes wie z.B. Mazedonien

Kleinschmidt • Tanja Kleinsteuber • DANKE • Magda Klemp • Anja Klob • Marita Klumpe • Anno Kluß • Judith Knoche • Andreas Knoth • Franziska Kny

52 und Bosnien-Herzegowina. begutachten die Infozentrale des organisierte das Gorleben In- Bundesamts für Strahlenschutz auf ternational Peace Team (GIPT), 2006 stellte die KURVE sowohl die dem Gelände des Erkundungsberg- das aus internationalen Gästen zur Entsendung über den Europäischen werks. Mit dem Aktivist und Ingeni- Beobachtung von Menschenrechts- Freiwilligendienst, als auch die selb- eur für regenerative Energien Dieter verletzungen beim Castortransport storganisierten Übersee-Entsendun- Schaarschmidt auf ein Windrad zu bestand. Im April 2010 organisierte ein gen aus finanziellen Gründen ein. klettern, ist ein besonderes Highlight. FÖJler die Anti-Atom-Menschenkette Seit 2008 stellt das BMZ mit dem Auf vielen Begleitseminaren werden mit. Im November 2010 wollen viele weltwärts-Programm Mittel für die Exkursionen und inhaltliche Einheiten der frisch zurückgekehrten Freiwilli- Entsendung von Freiwilligen zur Ver- zum Thema angeboten; oft verbun- gen zum CASTOR-Protest kommen fügung. Trotz Kritik an „weltwärts“ den mit der Frage von gewaltfreiem und die FÖJlerin leitet Aktionstraings entschied sich die KURVE Wustrow gesellschaftlichem Wandel. Immer für die gewaltfreie Sitzblockade der dafür, mit dem neuen Programm wieder kam es vor, dass Teilneh- Initiative X-tausendmal quer. des BMZ die Freiwilligenentsendung merInnen nach den Seminaren zu wieder aufzunehmen. Seitdem ent- den CASTOR-Protesten kamen oder Ausblick sendet sie 7–15 Freiwillige pro Jahr in ihren Ländern zum Thema recher- nach Indien, Nepal und Mazedonien. chierten. Freiwillige aus Polen und Die KURVE Wustrow strebt an, die Unter den Partnerorganisationen sind dem Wendland, waren innerhalb ih- RückkehrerInnenarbeit zu stärken und sowohl alte Partner wie Sampoorna res Freiwilligendienstes sowohl in der an einer Form des Rückaustausches Kranti Vidyalaya oder Lakshmi Ash- Bürgerinitiative als auch in der KURVE mit Menschen aus den Partnerorga- ram, als auch neue Kontakte, die Wustrow beschäftigt. Viele Partneror- nisationen im Süden zu arbeiten. MitarbeiterInnen im Rahmen von Be- ganisationen haben Interesse oder Begonnen haben wir bereits letztes gleitmaßnahmen knüpfen konnten. Solidarität für das Thema, aber bisher Jahr mit einer gelungenen Qualifizie- Perspektivisch ist geplant, wenn die arbeitet nur unsere langjährige Part- rung für RückkehrerInnen mit dem politische Situation es zulässt, auch nerorganisation Sampoorna Kranti evangelischen Forum entwicklungs- wieder nach Sri Lanka und Palästina Vidyalaya (Schule für totale Revoluti- politische Freiwilligendienste (eFeF), zu entsenden, da dort interessierte on) selbst im Anti-Atom Widerstand. die weiter geführt werden soll. Außer- Partnerporganisationen sind und die Sie entsandte auch einen der ersten dem will die KURVE Wustrow ein Pro- KURVE Wustrow durch Friedensfach- Freiwilligen in die KURVE Wustrow, jekt mit ökologischem Schwerpunkt kräfte in der Region aktiv ist. er arbeitete zur Internationalisierung mit ehemaligen Freiwilligen durchfüh- der indischen Anti-Atom-Bewegung. ren. Für einen Rückaustausch stehen Seit 2005 ist die Entsendung der Freiwillige kommen häufig zum ersten ehemalige Freiwillige und Mitarbeite- KURVE Wustrow mit dem quifd Gü- Mal in der KURVE Wustrow mit dem rinnen in den Startlöchern – um ihn tesiegel für Qualität in Freiwilligen- Thema in Berührung und sind privat eventuell auch ohne finanzielle Unter- diensten zertifiziert. von MitarbeiterInnen auf Blockaden stützung des „weltwärts-Programms“ mitgenommen worden. In zwei Jah- umzusetzen. Besonderheit: gewaltfreie ren gab es bei X-tausendmal quer Konfliktbearbeitung und eine Bezugsgruppe von ehemaligen Bis dahin engagieren sich ehemalige Anti-Atom-Widerstand KURVE-Freiwilligen. Ein Freiwilliger Freiwillige, wie z.B. Marja Moritz, vor

Gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Arina Theel, KURVE-Freiwillige im Laxmi Ashram, Indien, bei der alltäglichen Gartenarbeit die Nähe zum Anti-Atom-Wider- stand machen das besondere Profil des Freiwilligendienstes der KURVE Wustrow aus. Gewaltfreie Konflikt- bearbeitung ist ein wichtiges Thema in den Begleitseminaren und bei der Wahl der Partnerorganisationen in der Entsendung spielt die Frage nach dem gemeinsamen Ziel eines gewalt- freien Gesellschaftswandels und die Stärkung von Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle.

Mit internationalen oder deutschen Freiwilligen in der Mittagspause auf eine Anti-Atom-Demo zu gehen, ist für TrainerInnen der KURVE nicht ungewöhnlich. Regelmäßig tauchen die Gruppen vor dem Zwischenla- ger in Gorleben auf und treffen Per- sönlichkeiten des Widerstandes oder

• Nora Koall • Reinhard Kober • Hermann Koch • DANKE • Susan Koch • Eva Johanna Kohl • Arne Kohls • Thomas Kohls • Sarah Kölzer • Dennis König

53 allem beim Leiten von Begleitsemina- und günstige Flüge für uns im Nor- Spannungsfeld zwischen Treue zu ren,. Nach dem Leiten eines Ausrei- den kürzer geworden. Die Lebens- den Wurzeln in gewaltfreien Bewe- sekurses 2009 reflektierte sie: „Nicht welten und Chancen sind aber sehr gungen, pragmatischem Nutzen von nur das Programm der KURVE Wust- verschieden geblieben.“ Im Lakshmi finanziellen Möglichkeiten und dem row hat sich weiter entwickelt. Auch Ashram sieht der Alltag immer noch Mitgestalten von Entwicklungen im die gesellschaftliche Bedeutung hat sehr ähnlich aus wie vor acht Jahren, Arbeitsfeld Freiwilligendienste. sich verändert. Wir haben uns 2002 aber auch am Fuße des Himalayas noch wie Pioniere gefühlt. Jetzt ist macht sich die Leiterin des gandhia- Sarah Schumacher arbeitet seit 2002 es normaler geworden, einen Frei- nischen Internats Gedanken, wie sie als Referentin für Freiwilligendienste willigendienst zu machen und um die ihren Mädchen gleichzeitig den Wert für die KURVE Wustrow. Mit wech- ganze Welt zu reisen. Die Freiwilligen des einfachen ländlichen Lebens selnden Schwerpunkten ist sie für werden auch in Übersee von ihren El- und des gewaltfreien Widerstands die Leitung von Seminaren, Koordi- tern und FreundInnen besucht oder vermitteln und Anschluss an die glo- nation und Betreuung in der Entsen- fliegen hinterher mal eben in den Se- balen Entwicklungen ermöglichen dung und für begleitende Maßnah- mesterferien in ihr Aufnahmeprojekt. kann. Auch der Freiwilligendienst der men als pädagogische Mitarbeiterin Die Distanzen sind durch Internet KURVE Wustrow entwickelt sich im zuständig. Stimmen aus dem Süden und im Süden Suren Garendakar, Stella Tamang und Freiwillige im Einsatz

„Freiwillige bringen eine andere Dy- namik, andere Erfahrungen, andere Perspektiven mit, die uns helfen, die- se Art von Vielfalt zu haben. Manch- mal denken Leute: Das sind nur Ab- iturientInnen, was können die schon beitragen? Wir lernen von ihnen und sie lernen von uns. Aber wir brau- chen eine gute Begleitung. Ich hatte Gäste, die beim Anblick dieser Armut geschockt waren und krank gewor- Surendra Gadekar im Gespräch mit der KURVE- den sind. Deshalb kümmere ich mich Freiwilligen Paula Stürzel darum, wenn Freiwillige hier her kom- „In den letzten 20–30 Jahren hat Glo- men, dass sie vorbereitet und über balisierung bedeutet, die Bewegung die Hintergründe aufgeklärt werden.” von Geld zu erleichtern und mehr Stella Tamang, Leiterin von Bikalpa Begrenzungen für die Bewegung von Stella Tamang Menschen aus der ‚Dritten‘ in die ‚Ers- te‘ Welt zu errichten. Wenn ich höre, „Dazu zu gehören kommt eigentlich mehr im Kontakt gewinne.“ „Ich be- dass die deutsche Regierung, die die- von alleine, indem klar wird, dass man komme hier so viel von den Mädchen, se globale Entwicklung mit betreibt, das gleiche macht wie die Mädchen. wenn ich zurück in Deutschland bin, so ein Freiwilligenförderprogramm Man sitzt abends, wie alle anderen, kann ich gar nicht anders, als mich initiiert, frage ich mich: Sollen Men- todmüde bei der Versamm-lung, weil weiter zu engagieren und wenigstens schen für eine globalisierte Wirtschaft man am Tag im Feld gearbeitet hat, einen kleinen Teil dessen weiter zu trainiert werden, die die Entwicklung man sich in der Schulzeit vielleicht geben.“ von Ungleichheit weiter vorantreibt?“ hinter sein Hindibuch verkrochen hat Arina Theel, KURVE-Freiwillige „100,– Euro Taschengeld, das die oder Unterricht gegeben hat.“ „Hier Freiwilligen über das staatliche För- zu leben, ist wie ‚arm spielen‘. Wenn Arina Theel derprogramm ‚weltwärts‘ erhalten, ist ich das nicht mache, sondern mei- etwa drei mal so viel, wie einE nor- nen materiellen Reichtum zur Schau maleR ArbeiterIn hier verdient. Sol- stelle, baue ich eine Barriere zu den che Unterschiede können Probleme Mädchen auf. Ich möchte aber einen schaffen. Es erfordert persönliche direkten Kontakt, durch den ich viel Reife, damit verantwortungsvoll um- mehr für sie machen kann und viel zugehen.“ Surendra Gadekar

• Marc Königer • Konsortium ZFD • DANKE • Beate Kopka • Malgorzata Kopka • Mareike Korte • Manja Köstel • Manuela Kraft • Martin Kraft • Anna

54 Vorwärts zu den Wurzeln! Entwicklung der KURVE Wustrow in den Jahren 2000 – 2010

Zu Beginn der 2000er Jahre wurde Trainingskollektiv nicht einverstanden es neben gutem Willen vor allem gute um die Klärung vieler existenzieller und ging in Auseinandersetzung mit Strukturen. Diese wurden geschaf- Fragen gerungen. Später kam es zu dem Vorstand und der Geschäftsfüh- fen bzw. fortentwickelt mit Hilfe von einer Stabilisierung, die es ermöglich- rung. Der Streit um die Ausrichtung Organisationsentwicklungsprozes- te, inhaltliche und menschliche Brü- der KURVE Wustrow mündete 2004 sen (S. 83–85) und mit der Gründung cken zurück zu den Wurzeln und zu in ihren Aufruf: „KURVE braucht Be- des Betriebsrates (S. 85). Die Mühe den GründerInnen zu schlagen. wegung - Bewegung braucht KUR- lohnte sich, die Arbeit wurde auf qua- VE!“ (S. 74-75) und in die Gründung litativ hohem Niveau fortgeführt und Oft in Reaktion auf politische Ent- des eigenständigen Trainingskollek- ausgebaut. Zur Sicherung des Hau- wicklungen und Diskussionen der tivs Windrose (S. 76-77). ses und als neues Instrument der Mit- Friedensbewegung erarbeiteten die teleinwerbung wurde die KURVE Frie- ehren- und hauptamtlich Engagier- Mit den Fragen nach der wirtschaftli- densstiftung gegründet (S. 88–90). Im ten in diesen Jahren mit großem Elan chen Existenz des Vereins, nach sei- Jubiläumsjahr 2010 ist die Stimmung eine Vielfalt an Aktivitäten, die teil- ner Vereinsstruktur und inhaltlichen bei den MitarbeiterInnen, im Verein weise auf den folgenden Seiten be- Ausrichtung, nach seinen Zielen, und im Vorstand wieder zuversicht- schrieben werden. Dabei behielten Werten und Idealen und nach den lich und positiv. So besteht die Chan- sie immer das Ziel im Auge, der Visi- geeigneten Kommunikations- und ce, dass auch die noch ungelösten on und dem Ideal einer gewaltfreien Entscheidungsstrukturen waren teil- Fragen in den nächsten Jahren gut Welt näherzukommen. weise schmerzhafte Auseinanderset- angegangen und bearbeitet werden zungen und Veränderungsprozesse können. Die Bildungs- und Begegnungsstät- verbunden. te für gewaltfreie Aktion entwickel- Jubiläum: 30 Jahre te sich zu einem Haus, in dem zum Letztlich war es die schmerzliche, aber einen die Bildungsarbeit im Rahmen folgerichtige Entwicklung von einem Das Jahrzehnt endet mit dem dreißig- von Seminaren fortgesetzt wurde und Verein, in dem wenige Hauptamtliche jährigen Jubiläum der Bildungs- und zum anderen eine wachsende Ge- die Arbeit der Ehrenamtlichen unter- Begegnungsstätte für gewaltfreie schäftsstelle umfangreiche, teilweise stützten, hin zu einer Geschäftsstelle, Aktion. Ein Anlass, Bilanz zu ziehen staatlich finanzierte, Projekte im In- die mit 15 hauptberuflichen Mitarbei- und Brücken zu schlagen zwischen und Ausland koordinierte. terInnen sowie weiteren Freiwilligen, dem Erreichten und den Wurzeln, PraktikantInnen und Fachkräften im zwischen den GründerInnen und den Schwierige Finanzen Ausland agiert. heute Aktiven. Die festliche Jubilä- ums-Jahrestagung mit neuen und al- Dies führte zu einem größer werden- Damit sich in diesem veränderten ten Mitgliedern, Freunden und vielen den Finanzhaushalt, der von 100 000 Rahmen eine finanzielle Stabilität ausländischen PartnerInnen disku- DM im Jahr 1995 auf über eine Milli- entwickeln und das Team in der Ge- tierte die Frage: „Wieviel Bewegung on Euro Anfang der 2000er Jahre an- schäftsstelle wieder gut arbeiten braucht die zivile gewaltfreie Konflikt- stieg. Mangelnder Überblick, fehlen- konnte, waren einige Aufgaben zu bearbeitung?“ (S. 96-98). der Sachverstand in der Buchhaltung lösen. Eine gute Kommunikation in- und Antragstellung und daraus resul- nerhalb der Geschäftsstelle und mit tierende Finanzierungslücken ließen anderen Teilen und PartnerInnen der den Vorstand wiederholt an Insolvenz KURVE Wustrow sollte entstehen. denken (vgl. S. 74–75). Neue MitarbeiterInnen sollten regel- mäßig mit den Zielen und Werten des Parallel dazu braute sich ein internes Vereins vertraut gemacht werden. Konfliktfeld zusammen: Das Enga- Desweiteren stellte sich die Frage gement der KURVE Wustrow für so- nach einer geeigneten Leitung und ziale Bewegungen in Deutschland, Steuerung der Geschäftsstelle. Maß- besonders gegen die Atomanlagen in stab dabei blieb der Anspruch, Ge- Gorleben, geriet immer mehr in den waltfreiheit nicht nur nach außen zu Hintergrund. Projekte, deren Schwer- propagieren, sondern auch selbst zu punkte eher international ausge- praktizieren. richtet waren, nahmen dagegen die MitarbeiterInnen voll in Anspruch. Organisationsentwicklung Mit dieser Entwicklung und der zu- und Betriebsrat nehmend hierarchischen Struktur in der Geschäftsstelle war das KURVE- Zur Lösung dieser Aufgaben brauchte

Kramer • Cornelia Krause • Merle Kreibaum • Christina Kremer • DANKE • Oriana Kreutzfeld • Ann-Kristin Kröger • Rahel Krückels • Stefanie Krug-

55 Wachet und Betet: Dem Terror nicht das letzte Wort

Aufruf zur deutschen Beteiligung am NATO-Einsatz in Maze...

Die Anschläge in den USA dürfen nicht zum Anlass für Krieg oder weitere Zerstörung werden! Dem Terror nicht das letzte Wort!

lin und allen anderen Städten Deutschlands Wir rufen zum gemeinsamen Fasten und zu Mahnwachen in Ber mmen. Wir rufen auf zum Innehalten, zur auf, um in dieser Form gegen Gewalt und Krieg zusammen zu ko us. Auseinandersetzung für mehr Klarheit und gegen blinden Aktionism en Angehörigen - Opfern einer Gewalt, die Unsere Gedanken sind bei den Toten und Verletzten sowie bei ihr nicht erst am 11. September 2001 begann.

rständlich und eindeutig - gleichzeitig Wir verurteilen diese Anschläge ohne Einschränkungen unmissve nn. sehen wir, dass Gewalt geschehenes Unrecht nicht beseitigen ka tsetzen über die Brutalität und Kaltblütigkeit, Trauer um die Opfer des Terroraktes des 11. September 2001, En , zu Rache oder Vergeltung führen. mit der die Täter vorgegangen sind, dürfen nicht zu neuem Hass

r Berichterstattung und eine Rückkehr zu Wir fordern und unterstützen die Abkehr von emotionalisierende en wir schon lange stehen, die uns jedoch einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Problemen, vor den gerade wieder auf schreckliche Weise vor Augen geführt werden. rchsetzung weltpolitischer und Der Tod der Opfer dieser Verbrechen darf in keinem Fall für die Du innenpolitischer Ziele missbraucht werden.

eie Methoden der Konfliktbearbeitung Uns sind die Besinnung auf gewaltfreies Handeln und gewaltfr Gewalt hervorgerufene Krisen zu wichtiger denn je. Gewaltfreies Handeln ist ein Weg, durch politische des Eintreten für Gewaltfreiheit ist überwinden und Ursachen der Gewalt zu beseitigen. Überzeugen n. notwendig, um die sich drehende Gewaltspirale zu durchbreche

er oder technischer Mittel der Kontrolle Sicherheit wird sich nicht allein durch die Einführung neuer rechtlich ensysteme herstellen lassen. Sicherheit und Überwachung, und schon gar nicht durch schlagfähigere Waff r wachsen, wenn wir uns um gerechte wird auch nicht durch Krieg hergestellt werden. Sicherheit kann nu wirtschaftlichen Bereich zwischen Nord Lösungen für Konflikte bemühen. Dies schließt einen Ausgleich im t mit militärischen und paramilitärischen und Süd und eine vollständige Beendigung der Zusammenarbei Gruppierungen sowie ein Ende der Aufrüstung ein.

e Werte und Menschenrechte zu ihrer Der Terrorismus droht das letzte Wort zu behalten, wenn freiheitlich angeblichen Verteidigung eingeschränkt werden. vor warnen, Terroranschläge mit einem Wir wissen, daß auch in den USA viele Stimmen lauter werden, die da i uns eine Öffentlichkeit geben. Krieg zu beantworten. Diese wollen wir unterstützen und ihnen be

Weltreligionen ihre Wurzeln haben. Wir Unsere Fasten-Aktionen berufen sich auf Traditionen, die in allen setzung, weil wir Raum schaffen wollen für wählen bewußt nicht den Hungerstreik als Form der Auseinander Verständigung, Klarheit und Entscheidungsfindung. nere Formen des Widerstands gegen Dieser Raum ist dringend nötig zum Nachdenken über angemesse pfer der Anschläge. Das soll mit dazu Terrorismus und Kriegsvorbereitung und zum Gedenken an die O ptember 2001 zu überwinden. beitragen, unsere Ohnmacht angesichts der Ereignisse vom 11. Se

, die anderer Menschen, mit denen wir in Wir sind in Sorge um unsere Zukunft, die unserer Gesellschaften enrechte und des Friedens, denen wir uns ihrer Menschlichkeit verbunden sind, sowie der Ideale der Mensch verpflichtet fühlen.

Krieg, gegen die Folgen der Militarisierung Wir fasten, um uns zu stärken für entschiedenes Eintreten gegen n Ereignisse hervorgerufen wurde. Wir und gegen die innergesellschaftliche Spaltung, die durch die jüngste enschen zu konkreten Schritten auffordern fasten, weil wir die überall gespürte Ohnmacht überwinden und M http://www.kurvewustrow.org/aktuell/fasten.html

2010-11-13 21:42 wollen. Wir fasten im Gedenken an die O pfer und zur Mahnung für die Urheber, Mitläufer und Täter von Gewawaltlt.

Ort des gemeinsamen Fastens: Ort: Ge thsemane - Kirche, Berlin - Prenzlauer Berg, Gethsemanestr. 03 Kontakt: während der Aktion 0160 - 693 11 04 Daue r: Alle Teilnehmenden fasten in einem selbstgewählten Zeitraum. Die gesamte Aktio n wird auf unbestimmte Zeit möglichst in allen Bundesländern fortgesetzt. Täglich: Treffpunkt von 15.00 bis 21.00 Uhr Wir rufen dazu auf, a n anderen Orten gleichzeitig ähnliche Aktionen durchzuführen! Diese Aktion wird g emeinsam getragen von der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V. KUR VE Wustrow, INKOTA - netzwerk und aktiven Einzelpersonen. V.i.S.d.P.: Hagen Bern dt, Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktionen e.V. KURVE Wustrow, Kirch straße 14, 29462 Wustrow Telefon: 05843 - 98710, Fax: 987111 Spendenkonto: Nr: 55 66 33-309 Postbank Hannover BLZ 250 100 30

Rohn • Heike Krüger • Isabel Kruse • Anne Kukuczka • Julia Külß • DANKE • Zorana Kummer • Angelika Küppers • Ruben Kurschat • Julia Küthe •

56 Die KURVE Wustrow aus der Sicht der Polizei … Auch die Polizei hat ihre Sichtweise auf die KURVE Wustrow. Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Auszug aus dem Artikel: Unter dem Deckmantel der Gewaltfreiheit von Wolf- gang Rösemann und Jesko Bock aus der Zeitschrift „Deutsche Polizei“ der Gewerkschaft der Polizei.

(…) Die „Kurve Wustrow“ ist eine Un- Mitglieder des Vereins Gewalt gegen diskreditiert. (…) Die Polizei werde terorganisation der „Bildungs- und Sachen. zudem von ihrem Auftrag her auch Begegnungsstätte für gewaltfreie Ak- gegen gewaltfreien Widerstand die tionen e. V.“ und ist dem Spektrum In einer Selbstdarstellung der „Kurve ihr zur Verfügung stehenden Gewalt- der „gewaltfreien“ Anarchisten zuzu- Wustrow“ im Internet beschreibt der mittel einsetzen.“ ordnen. Sie engagiert sich im Protest Verfasser zu dem Begriff „Gewaltfreie gegen Nukleartransporte und Gen- Aktion“: „Gewaltfreiheit als hand- Im selben Zusammenhang äußert technik und führt Trainingsprogramme lungsbezogener Grundsatz geht von sich Jochen Stay in der Elbe-Jeetzel über „gewaltfreien Widerstand“ und positiven Visionen einer gerechten Zeitung am 1. März 2001 zu den Ver- „gewaltfreie Aktion“ durch. In einem Gesellschaft aus. Bei gewaltfreier Ak- letzungen von Polizeibeamten anläss- Aufruf in der Elbe-Jeetzel-Zeitung am tion bestimmt das Ziel die Mittel.“ lich der Atommülltransporte 1996: 28. Februar 2001 zur Teilnahme an „… eine einzige Journalistin habe der „Nacht im Gleisbett“ vom 3. auf In einem Artikel der Elbe-Jeetzel damals recherchiert, wie die Verlet- den 4. März 2001 bietet die „Kurve Zeitung am 23. Februar 2001 agi- zungen der Polizeibeamten zustande Wustrow“ an, am 3. Januar 2001 im tiert die Kurve Wustrow gegen das kamen. Drei Beamte wurden von Po- Tagungshaus Carnap in Pisselberg Konzept der Polizei, anlässlich der lizeihunden gebissen, andere stolper- „sich schon vor der eigentlichen Akti- Nukleartransporte Konfl iktmanager ten beim Aussteigen aus dem Auto, andere erlitten Schwächeanfälle we- gen Übermüdung. Niemand wurde durch das Einwirken von Demonst- ranten verletzt.“

Die Aussagen verdeutlichen die ne- gative Grundeinstellung gegenüber dem Polizeieinsatz. Idealtypisch für Extremisten ist in diesem Zusammen- hang, ein für die politische Agitation notwendiges Feindbild (hier: „Polizei als Büttel der Atommafi a“) aufrecht zu erhalten. Mit ihrer Argumentation scheint die Kurve Wustrow bereits im Vorfeld die Verantwortung für mögli- che gewalttätige Auseinandersetzun- gen auf die Polizei verlagern zu wol- len, indem immer wieder betont wird, dass die Anti-Atom-Bewegung ledig- lich gewaltfreien Widerstand leisten werde, die Polizei hingegen Gewalt- Polizei 1984 vor der KURVE Wustrow Foto: Archiv Wolfgang Hertle mittel einsetze.

on (ab 13.00 Uhr) an einem Training in einzusetzen. Das Konzept „… sol- Für den unbefangenen Leser des gewaltfreier Aktion“ zu beteiligen. le nur im Vorfeld sicherstellen, dass Artikels ist nicht erkennbar, dass mit ein durch hässliche Gewaltszenen dem Begriff Gewaltfreiheit im Zusam- Wiederholt rief die „Kurve Wustrow“ angeschlagenes Bild der Polizei in menhang mit den Protestaktionen zu Straftaten im Rahmen der Anti- der Öffentlichkeit in ein akzeptables militante Aktionsformen volle Akzep- AKW-Kampagne, insbesondere zum Licht gerückt werde. (…) Die Polizei tanz fi nden. Widerstand gegen Castor-Transporte sei nur zum Anschein an einer gütli- in das Zwischenlager Gorleben auf. chen Regelung des Konfl iktes bereit, (aus DEUTSCHE POLIZEI 5/2001: Trotz des verbalen Bekenntnisses der gewaltfreie Widerstand der Anti- http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/ zur Gewaltfreiheit rechtfertigen die Atom- Bewegung werde dann doch dp0501/$fi le/0105_02.pdf)

Fenna Mathilde La Gro • Katarzyna Langner • Cord Lappe • Ulrike Laubenthal • DANKE • Peter LeBlanc • Julie-Marthe Lehmann • Christine Lehnemann

57 Gorleben ist überall Das Gorleben International Peace Team 2001

Mitglieder des GIPT waren in ver- nen und DemonstrantInnen frustriert schiedener Form während der CAS- waren über das Versagen des größ- TOR-Transporte in den Jahren 1996, tenteils gewaltfreien Protests, die 1997, 1998 und 2001 anwesend. Das vorhergehenden CASTORen am An- erste komplette Team wurde 1997 kommen in Gorleben zu hindern, und als ein Erkundungsteam gebildet, um über den Mangel an Presseaufmerk- herauszufinden, ob es Bedarf für ein samkeit für die gewaltfreien Demons- internationales Beobachtungsteam trationen. Einige der Protestierenden gibt. Das Team wurde gut ange- hatten angefangen, Gewalt als den nommen und sein Ergebnisbericht einzigen Weg zu sehen, Aufmerk- in drei Sprachen veröffentlicht. Alle samkeit auf die Situation zu lenken folgenden Teams übernahmen den und die Transporte aufzuhalten. Ein 2. Die Atomindustrie ist internatio- internationalen Charakter des Erkun- internationales Beobachtungsteam, nal: Das Problem mit dem Atommüll dungsteams. welches versuchen sollte, einen ge- breitet sich weltweit aus und die ein- nauen Bericht über die Demonstrati- zige umfassende Lösung des Prob- Das Konzept des GIPT onen und die Widerstandsbewegung lems ist, die gesamte Atomindustrie zu geben, war eine Strategie, um langsam auslaufen zu lassen. Die Die Idee der Einladung eines Interna- Aufmerksamkeit auf die gewaltfreien Transporte vom Eintreffen in Gorle- tionalen Teams ins Wendland, um die Proteste zu lenken. Zusätzlich konnte ben abzuhalten und diese Einrich- Menschenrechtssituation während das GIPT-Netzwerk, bestehend aus tung zu schließen, würde nur dazu der Anti-CASTOR-Demonstrationen interessierten und unterstützenden führen, dass der Atommüll woanders zu beobachten und zu dokumentie- internationalen Menschenrechtsorga- hin transportiert wird, höchstwahr- ren, wurde während der vergangenen nisationen, genutzt werden, stärkere scheinlich in einen anderen Staat, acht Jahre durch die Bildungs- und globale Aufmerksamkeit für Gorleben dessen Regierung verzweifelt auf der Begegnungsstätte für Gewaltfreie und die Gefahren der Atomenergie Suche nach Geld ist. Deshalb war Aktion KURVE Wustrow entwickelt. zu erreichen. Zusätzlich wurde ange- es wichtig, auf internationaler Ebene Für die KURVE Wustrow gab es drei merkt, dass ein internationales Team sowohl Aufmerksamkeit zu wecken Hauptgründe, ein internationales eine andere Perspektive auf bürgerli- als auch die Zusammenarbeit zu ver- Team in die Gegend zu bringen: che Freiheiten haben kann als lokale stärken. Ein Internationales Frieden- AktivistInnen, von denen einige ihr steam (IPTC) im Wendland stellte für 1. Die Situation im Wendland: Die gesamtes Leben in der politischen Gruppen, die international und in ver- Situation im Wendland wurde zuneh- Atmosphäre des Wendlandes ver- schiedenen Ländern gegen die Ato- mend angespannter, da AktivistIn- bracht haben. mindustrie arbeiten, einen Weg dar, Verbindungen zu knüpfen und mitei- Fotos aus dem GIPT-Bericht 2001 nander zu netzwerken.

3. Eine „südliche“ Perspektive in Friedens- und Menschenrechts- organisationen: Die meisten inter- nationalen Friedensteams bestehen aus Freiwilligen aus Ländern des Nordens, die unterwegs sind, um Ländern der südlichen Hemisphäre oder den Ländern des konfliktreichen Osteuropas „zu helfen“. Dies führt zu zwei Missverständnissen (wenn auch nicht absichtlich von den Friedens- diensten herbeigeführt): Länder in Afrika, Asien, Südamerika und Ost- europa haben alle Menschenrechts- probleme und benötigen scheinbar Hilfe von den „freien Demokratien“ Nordamerikas oder Westeuropas; diese „freien Demokratien“ Euro- pas und Nordamerikas haben selbst scheinbar keine Menschenrechts-

• Sonja Lennemann • Wilma Lerch • Dana Levin • Charlotte Lietzau • DANKE • Katharina Lindenblatt • Katharina Lindholm • Therese Lippold • Kons-

58 probleme, die schwerwiegend genug wären, um von internationalen Frie- densorganisationen angesprochen zu werden. Deshalb versuchte das Gorleben International Peace Team, diese Missverständnisse zu bekämp- fen, indem es AktivistInnen aus allen Teilen der Welt – Süd, Nord, Ost und West – nach Deutschland brachte, ei- ner globalen Macht mit einer gut ein- geführten Demokratie, um sich eines dort bestehenden Menschenrechts- problems anzunehmen.

Aus dem offenen Brief des GIPT 2001 an Kanzler Gerhard Schröder Otto Schily, Innenminister Siegmar Gabriel, Ministerpräsident von Nie- dersachsen Heiner Bartling, Innen- minister von Niedersachsen Hans Reime, Leiter des Polizeieinsatzes beim CASTOR-Transport

• Die Polizei führte willkürliche Kontrollen, Durchsuchungen und Verhaftungen von AutofahrerInnen, RadfahrerInnen und FußgängerIn- nen durch. • Sanitäter beobachteten, wie die Polizei ihre medizinische Ausrüs- tung beschädigte. • Schlagstöcke wurden gegen voll- ständig gewaltfreie DemonstrantIn- nen eingesetzt. • Viele Protestierende wurden von Polizeihunden gebissen. • Hunderte von Menschen wurden von Polizeihunden gejagt und im Wald nahe Laase [nördlich von Gorleben] inhaftiert, nachdem die Polizei das ganze Gebiet abgerie- gelt hatte. • Polizeihunde und -pferde übten Gewalt gegen gewaltfreie Blo- ckiererInnen in Splietau [östlich von Dannenberg]. Einige Bauern und Bäuerinnen wurden aus ihren Traktoren geholt und für lange Zeit inhaftiert. und Festnahme. Ben Kinross, Großbritannien Wir bitten Sie dringend, den Bericht Marija Belic, Serbien & Montenegro Um die Rechte der Menschen in über Menschenrechts- und Bürger- Julio Bosque, Costa Rica Deutschland zu beschützen und zu rechtsverletzungen, welcher von Teil- Gabriela Bulisova, Slovakei verteidigen, fühlen wir uns verpfl ich- nehmenden des GIPT erstellt wurde, Kevin Kamps, USA tet, Sie daran zu erinnern, dass das kritisch zu prüfen und Verhinderung John LaForge, USA Grundgesetz die folgenden Rechte der darin dokumentierten Rechtsver- Bill Mills, USA garantiert: Das Recht auf menschliche letzungen sicherzustellen. Umut Pulat, Türkei Würde sogar in Haft, das Recht auf Jürgen Schütz, Deutschland freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, Mit freundlichen Grüßen das Recht auf freie Meinungsäuße- Dieser Text basiert auf übersetzten rung, das Recht auf Versammlungs- GORLEBEN INTERNATIONAL PEACE Auszügen aus dem GIPT-Bericht freiheit und das Recht auf Freiheit TEAM, November 2001 „Gorleben is Everywhere“ vom von unberechtigter Durchsuchung Oktober 2001. tantin Locher • Dorothea Löhr • Birgit Lorberg • David Lorenz • Christina Loseries • Holger Löwa • DANKE • Fynn Lüdtke • Katharina Lührig • Herbert

59 Von Informations- und Kam- pagnenarbeit zur Entsendung von Friedensfachkräften Die Arbeitsstelle Friedensfragen in der KURVE Wustrow

Von Anja Petz

Die Arbeitsstelle Friedensfragen (AFF) elle Abwicklung der ZFD-Projekte. Streitschlichtungsprogramme an ih- und die Projekte des Zivilen Friedens- Seit 2008 wird sie durch Kornelia ren jeweiligen Schulen aufzubauen. dienstes sind der jüngste der drei in- Ganssauge als Beraterin für die Ver- … in Nepal ein landesweites Netzwerk haltlichen Arbeitsbereiche der KUR- besserung der Finanzadministra- von kleinen Friedensorganisationen VE Wustrow. tion unterstützt. Für die inhaltliche bei dem Aufbau eines Trainerpools Koordination ist seit 2009 Benjamin zur Weiterbildung seiner Mitglieder im Die Arbeitsstelle hatte bei ihrer Grün- Blaenkner verantwortlich. Über eine Bereich Konflikttransformation und dung 1999 – als Nachfolge der im gesonderte Finanzierung konnte der Projektentwicklung zu unterstützen. gleichen Jahre zuvor begonnenen inhaltliche Arbeitsbereich in der Ar- … im ehemaligen Jugoslawien Do- „Informationsstelle Krieg auf dem beitsstelle ebenfalls aufgestockt wer- kumentarfilme und Begegnungspro- Balkan“ – vor allem das Ziel, der deut- den. Seit 2010 unterstützt Anja Petz jekte zwischen verschiedenen Vete- schen Öffentlichkeit Informationen (2005 –2009 inhaltliche Koordination) ranengruppen durchzuführen. über Konflikte im Ausland zur Verfü- als „Beraterin auf Zeit“ die Fachkräfte gung zu stellen und sich an Kampag- und Partnerorganisationen mit Be- Und was kommt nen zur Friedenspolitik zu beteiligen. ratung und Konzeptentwicklung im dabei heraus? Heute widmet sie sich ausschließlich Bereich Projektmanagement und Si- Kooperationsprojekten mit Partneror- cherheitsmanagement. … in Osttimor liest das Parlament ein ganisationen im Ausland und der Ent- Mediationsgesetz. Das heißt Mediati- sendung von Friedensfachkräften. Zehn Friedensfachkräfte arbeiten bei on, bis 1999 weitgehend unbekannt neun Partnerorganisationen in Süd- in Osttimor, wird voraussichtlich als Friedensfachkräfte leisten einen asien (Nepal und Sri Lanka), auf dem vorgerichtliches Schlichtungsverfah- mehrjährigen Fachdienst bei unseren Balkan (Mazedonien, Serbien und ren legalisiert. Die Mediationskomi- Partnern und arbeiten eng im Team Bosnien Herzegowina) und in Paläs- tees arbeiten mit einem Ansatz, der mit lokalen Fachkräften. Anders als tina, weitere zwei bereiten sich im an die lokalen Bedürfnisse angepasst Freiwillige in Lerndiensten verfügen Herbst 2010 auf ihre Ausreise nach ist und traditionelle Verfahren der sie über dem jeweiligen Projekt und Mazedonien und Palästina vor. Konfliktbearbeitung mit einbezieht. Partner entsprechende professionel- … ein Kurs zu interethnischer Ko- le Qualifikationen im Bereich der ge- Was tun unsere Friedens- operation kann an der South Eastern waltfreien Konflikttransformation und fachkräfte eigentlich? University in Tetovo (Mazedonien) werden für ihren Einsatz nach dem als Wahlkurs belegt werden. Dieser Entwicklungshelfergesetz vergütet. Sie arbeiten daran, … Kurs wird gemeinsam von DozentIn- Sie setzen gemeinsam mit unseren … in Osttimor MediatorInnen aus- nen der Universität und TrainerInnen Partnern Kooperationsprojekte um zubilden und Mediationskomitees unserer Partnerorganisation LOJA und unterstützen diese zum Beispiel aufzubauen, die mit den jeweiligen durchgeführt. bei der Ausbildung von Multiplikato- kommunalen Verwaltungen und den … das Palästinensische Frauennetz- rInnen oder TrainerInnen in gewalt- Dorfältesten zusammen arbeiten. werk UPWC verfügt über einen Pool freier Konflikttransformation. … mit albanischen und mazedoni- von Trainerinnen, die regelmäßig An- schen StudentInnen an der Univer- gebote für Frauen in ländlichen Re- Insgesamt sind seit 2001 bereits 20 sität in Tetovo das Zusammenleben gionen im Westjordanland machen, Friedensfachkräfte für die KURVE der beiden Bevölkerungsgruppen in ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auch Wustrow zu 13 Partnerorganisationen Mazedonien zu thematisieren. Mit in andere Arbeitsbereiche des Netz- in acht Länder ausgereist. Trainingsmethoden werden die jun- werkes einbringen und von anderen gen Leute dafür sensibilisiert, sich für Organisationen angefragt werden. Heute arbeitet in der KURVE Wust- eine gemeinsame Zukunft der beiden … seit 2008 haben in elf Städten im row ein Team von vier Personen Gruppen in Mazedonien einzusetzen. ehemaligen Jugoslawien Ex-Kombat- daran, ZFD Projekte zu entwickeln … im palästinensischen Westjordan- tanten verschiedener Seiten gemein- und zu begleiten. Kirsten Hochmuth land LehrerInnen in Peer Mediation sam ein öffentliches Zeichen für Ver- betreut bereits seit 2002 die finanzi- auszubilden und diese zu befähigen söhnung gesetzt.

Maass • Cay-Robert Malchartzeck • Claudia Malchartzeck • Anja Magiera • DANKE • Gottfried Mahlke • Heike Mahlke • Frauke Mangels • Rimonda

60 seit Gründung der Organisa- tion im Jahr 1999. Seit 2002 ist ein Standbein dieser Kooperation der Zivile Friedensdienst mit Nenad Vukosavljević als Friedensfachkraft. Ebenfalls im ehemaligen Jugoslawien unterstützte Nora Tönnies das Centre for Balkan Cooperation (LOJA) dabei, Jugendliche unterschiedlicher eth- nischer Gruppen in Trainingskursen und zu kulturellen Aktivitäten zusam- men zu bringen (2002– 2005).

Im Jahr 2004 kam ein weiteres Ko- operationsprojekt in Palästina hinzu sowie eine bereits bestehende Ko- operation mit der Peace and Demo- Biljana Alampioska, Mitarbeiterin der KURVE-Partnerorganisation LOJA in Mazedonien bei einem cracy Foundation (PDF) in Osttimor multiethnischen Medienprojekt wurde zu einem Projekt des Zivilen Friedensdienstes ausgebaut. … über die Jahre zwei Schwerpunkten der Arbeitsstel- le Friedensfragen ausmachen sollte. Projekte und Partnerschaften entstan- In einem Profilpapier aus dem Jahr den zu Beginn oft über die internati- 2002 liest sich Auftrag und Arbeits- So wurden im Rahmen der AFF 1998 onalen Trainingsprojekte der KURVE bereich der Arbeitsstelle Friedensfra- ein unabhängig finanzierter Fach- Wustrow oder auch aus persönli- gen so: „Die AFF ist zuständig für den dienst in der Türkei zur Unterstüt- chen Kontakten der MitarbeiterInnen. fachlichen Erfahrungsaustausch im zung von Kriegsdienstverweigerern Ebenso war jedoch die Bildung von Bereich gewaltfreier Trainings- und umgesetzt, sowie ein internationales regionalen Schwerpunkten für die Bildungsarbeit mit dem politischen BeobachterInnenteam initiiert, das ZFD-Arbeit der KURVE Wustrow von Schwerpunkt „Krieg und Frieden“ polizeiliche Übergriffe bei den CAS- Anfang an ein wichtiges Anliegen. und einer antimilitaristischen Per- TOR-Transporten dokumentieren spektive. Dies geschieht einerseits bzw. durch Präsenz verhindern sollte Da Fokussierung zwangsläufig auch durch die Kooperation insbesondere (Gorleben International Peace Team, mit Entscheidung gegen Projektide- mit Partnern in Krisengebieten, die GIPT). en, Partner oder Regionen einherge- interessiert sind, Trainingsstrukturen hen muss, brauchte dieser Prozess für Maßnahmen zu gewaltfreier Kon- Nachdem die Entscheidung gefallen Zeit. fliktbearbeitung und gewaltfreier Ak- war, sich am Zivilien Friedensdienst tion aufzubauen (Projektbereich), an- (ZFD) zu beteiligen, begann Ste- Zunächst wurden der Balkan und dererseits durch die Zusammenarbeit phanie Krug-Rohn im Jahr 2001 als Palästina sowie die Region der gro- mit Partnern im Inland, die politisch erste über den ZFD finanzierte Frie- ßen Seen in Afrika als Schwerpunkte mit Methoden gewaltfreier Aktion ge- densfachkraft der KURVE Wustrow. angedacht. Mit „zusätzlich eventu- gen Krieg und Militarismus aktiv sind Sie unterstützte bis 2004 das Peace, ell Osttimor“ (Zitat aus MV-Protokoll (Aktionsbereich).“ Healing and Reconciliation Commit- 2002) war die AFF bei vier Schwer- tee (PHARP) in Kenia bei dem Aufbau punkten angelangt – nicht eben we- Eine Beteiligung am neu aufgeleg- eines Netzwerkes von Flüchtlingsor- nig für eine damals mit zwei Perso- ten Programm Ziviler Friedensdienst ganisationen. nen besetzte Arbeitsstelle. (ZFD), finanziert durch das Bun- desministerium für wirtschaftliche Hinzu kamen zunächst Ulli Ramlow, Mehrsprachigkeit als Grundlage für gegenseitigen Zusammenarbeit und Entwicklung die nach Palästina ausreiste, um für Respekt in Jugendprojekten bei LOJA in Mazedonien (BMZ) wurde durchaus kritisch ge- die Union of Palestinian Women’s sehen (trotz Beteiligung der KURVE Committees (UPWC) TrainerInnen in Wustrow an der Entwicklung des gewaltfreier Konfiktbearbeitung aus- Konzeptes und der Ausbildung der zubilden (2003 –2008) und Stephan ersten Friedensfachkräfte). Befürch- Clauss, der gemeinsam mit Middle tungen waren z.B. eine wachsende East Nonviolence and Democracy Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln (MEND) SchulsozialarbeiterInnen und somit möglicherweise eine Ein- in Konflikttransformation trainierte schränkung der Freiheit in inhaltlichen (2001– 2006). und politischen Entscheidungen. Ebenso ein übermäßiges Wachstum Die Verbindung mit dem Centre for dieses Arbeitsbereiches, der anfangs, Nonviolent Action (CNA) in Saraje- wie oben beschrieben nur einen von vo und später auch Belgrad gab es

Mansour • DANKE • Stella Manzar • Anna Marisch • Eva Berta Martin • Anne E. May • Agostino Mazziotta • Luise Meinecke • Katja Meirzwa • Julia

61 Nachdem in Kenia aufgrund einer Entscheidung des BMZ vorerst kei- ne Finanzierung von ZFD-Maßnah- men möglich war, fiel die durchaus schmerzhafte Entscheidung, auf die Suche nach Partnern in anderen afri- kanischen Ländern zu verzichten.

Stattdessen entschied die Mitglieder- versammlung 2006, einen Schwer- punkt in Sri Lanka zu legen. Gerade war das erste (bis heute leider einzi- ge) ZFD-Projekt in Partnerschaft mit SEED in Vavuniya im Norden Sri Lan- kas bewilligt worden und Kontakte zu weiteren interessierten Partnern wa- ren vorhanden. Im Laufe des Jahres Gespielte Debatten bringen die Jugendlichen unterschiedlicher Gruppen einander näher, LOJA - Mazedonien 2006 eskalierte jedoch der Konflikt in Sri Lanka erneut und der Waffen- Abzuwägen waren immer wieder zu den laufenden Kosten der Partner- stillstand existierte zunehmend nur der Wunsch nach Wachstum, auch organisation wird ebenfalls gezahlt. noch auf dem Papier. Ein politisch um den Arbeitsbereich auf finanzi- motivierter genereller Förderstop so- ell sichere Beine zu stellen und die Unsere Friedensfachkräfte sitzen in wie starke Bedenken bezüglich der Anzahl der MitarbeiterInnen in der der Regel mit im Büro der Partner- Sicherheit für deutsche Fachkräfte Geschäftsstelle erhöhen zu können, organisation. Gemeinsam mit einem/ in Sri Lanka seitens des Auswärtigen gegen die real vorhandenen Möglich- einer lokalen KollegIn sind sie als Amtes machten eine Ausweitung der keiten zur Initiierung von neuen Pro- Projektteam in die Struktur der Part- Arbeit in Sri Lanka bis auf weiteres jekten und Weiterbegleitung der Vor- nerorganisation eingebunden und unmöglich. Diese Situation führte handenen. Ebenso zur Debatte stand für die Umsetzung des Projektes ge- uns die Nachteile der staatlichen Fi- die Wunschgröße des ZFD-Bereiches meinsam verantwortlich. So wollen nanzierung in Form der Abhängigkeit im Verhältnis zu anderen Arbeitsbe- wir sicher stellen, dass Wissen und von politischen Entscheidungen vor reichen bzw. dem gesamten Haushalt Fähigkeit, um Aktivitäten nach Ende Augen sowie das Risiko einer Be- der KURVE Wustrow. Im Jahr 2009 des ZFD-Projektes weiter zu führen, schränkung auf Projekte und Partner machten die Mittel aus dem Zivilen in der Partnerorganisation vorhanden in nur wenigen Ländern. Friedensdienst 75 % des Gesamtum- sind und begonnene Prozesse nicht satzes der KURVE Wustrow aus. abgebrochen werden. Ab 2007 entstanden aus langjährigen Kontakten nach Nepal zwei ZFD- Was ist das besondere Ziel unserer ZFD Arbeit ist neben der Projekte in Kathmandu. Gemeinsam an den ZFD-Projekten der Erfahrbarmachung von gewaltfrei- mit einem Netzwerk von Friedensor- KURVE Wustrow? er Konflikttransformation als aktive, ganisationen (Collective Campaign machtvolle Alternative in Konflikten for Peace, COCAP) und einer Men- Wer ZFD-Projekte unterschiedlicher auch die Stärkung unserer Partner- schenrechtsorganisation (Advocacy Träger kennt, hat möglicherweise organisationen, und deren Unterstüt- Forum Nepal, AF) soll der Friedens- festgestellt, dass sich die Ansätze zung dabei, eine konstruktive Rolle prozess nach dem Ende des jah- teilweise deutlich unterscheiden. Der im Konflikt zu spielen. relangen Bürgerkrieges unterstützt Zivile Friedensdienst bietet einen werden. Rahmen innerhalb dessen unter- Unsere Partner sind Nichtregierungs- schiedliche Herangehensweise ent- organisationen, die zentrale Werte mit Eine der größten Herausforderungen sprechend der Geschichte und des der KURVE Wustrow teilen, wie Ge- der AFF war immer wieder die Per- Ansatzes der jeweiligen Organisation waltfreiheit, Gerechtigkeit (Gleichbe- sonaldecke in Wustrow. Nicht immer praktiziert werden. rechtigung), Demokratie und Vertei- konnten die MitarbeiterInnen in der digung der Menschenrechte. Oft sind Geschäftsstelle den Wünschen und Unsere ZFD-Projekte verstehen wir es Organisationen, die selbst ihren Bedürfnissen der im Ausland arbei- als Kooperationsprojekte mit lokalen Schwerpunkt im Bereich Friedens- tenden Friedensfachkräfte nach Be- Partnern im Ausland. Projektideen arbeit/Konflikttransformation haben. gleitung, Anbindung und Feedback werden gemeinsam entwickelt, die Es können aber auch Organisationen gerecht werden. Vielfältigste Aufga- Initiative kommt jedoch grundsätz- sein, die ihre Arbeit um die Kompo- ben in Verbindung mit der Entsen- lich von der Partnerorganisation und nente „Konflikttransformation“ erwei- dung und Begleitung der Fachkräf- die Projekte passen sich in deren tern möchten. Tendenziell sind die te und im Kontakt mit den Partnern Gesamtprofil ein. Im Rahmen eines Beziehungen zu unseren Partnern waren zu bewältigen und das in ganz ZFD-Projektes gibt es Finanzierung langfristig und Folgeprojekte bauen unterschiedlichen Ländern und Kon- für Projektaktivitäten sowie Projekt- auf bereits geleistete Arbeit auf. So ist texten. mitarbeiterInnen vor Ort. Ein Beitrag etwa CBC LOJA in Mazedonien ZFD-

Melchers • Mennonite Voluntary Service Christliche Dienste, Bammental • DANKE • Sonja Mensing • Daniela Merten • Rolf Meyer • Elke Meyer-Hoos •

62 Partner seit dem Jahr 2001. In einem entwickeln. ersten Projekt wurde Trainingsarbeit mit Jugendlichen durchgeführt, die Die Ausrichtung unserer ZFD-Projek- dann – eine Neuheit – in ethnisch ge- te in Palästina z.B. wirft immer wieder mischten Theater- oder Tanzgruppen Fragen auf: Ist es denn sinnvoll, nur gemeinsam ihre Freizeit verbrachten. in Palästina zu arbeiten? Arbeiten wir Nach Abschluss dieser Arbeit haben eigentlich am Israel-Palästina Kon- wir in einem zweiten Projekt begon- flikt? Was bedeutet Allparteilichkeit in nen, diese auf der Graswurzel-Ebene diesem Konflikt? geleistete Arbeit strukturell zu veran- kern und gemeinsam mit Universitä- Über die Jahre haben wir uns im ten ähnliche Inhalte im Rahmen der Westjordanland einen Schwerpunkt Ausbildung von LehrerInnen und So- im Bildungsbereich erarbeitet und zialarbeiterInnen umzusetzen. an jeweils alte Vorhaben anknüpfen können. So sind etwa Schulen, an Ebenso beschränken sich unsere denen von Stephan Clauss und Judy Biljana Alampioska, Mitarbeiterin des KURVE-ZFD- Partnerschaften nicht auf die Koope- Zahrour SchulsozialarbeiterInnen Partners LOJA in Mazedonien ration im zivilen Friedensdienst. Oft ausgebildet wurden, nun auch Part- gibt es auch Verbindungen zu ande- ner im Peer-Mediationsprojekt in Zu- der israelischen Besatzungspolitik. ren Arbeitsbereichen, wie etwa dem sammenarbeit mit der General Union Bildungsreferat oder der Freiwilligen- of Palestinian Teachers (GUPT). Innerhalb der KURVE Wustrow und Entsendung. Bei CBC-LOJA haben auch mit Friedensfachkräften kam so schon mehrfach von der KURVE Im Zuge der Trainingsarbeit mit den immer wieder die Diskussion darum Wustrow entsendete junge Menschen Frauen aus dem Netzwerk der UPWC auf, ob nicht auch eine Arbeit mit di- einen Lerndienst absolviert und im zeigte sich immer wieder wie groß die rekterem Bezug zum Israel/Palästina EU-finanzierten Projekt „Youth Pow- Skepsis gegenüber westlichen Ver- Konflikt möglich wäre. Anknüpfungs- er“ war LOJA ebenfalls eine von vier suchen der gewaltfreien Konfliktbe- punkte dafür fanden wir bei unserem Partnerorganisationen, die sich an arbeitung ist und dass diese oft auch langjährigen Partner Wi’am in Beth- TrainerInnen- und Jugendaustausch als „Bremse“ bzw. Delegitimierung lehem. Wie die KURVE Wustrow hat beteiligte. des palästinensischen Widerstandes das Palestinian Conflict Resoluation gesehen werden. Erfolgreich war die Centre Wi’am Gewaltfreiheit als sei- Inhaltliche Trainingsarbeit darin, den Frauen ein nen Ansatz gewählt. In einer früheren Auseinandersetzungen neues positives Konfliktverständnis Kooperation im Rahmen des ZFD bil- zu vermitteln und ihnen Handlungs- dete Eva Kohl als Friedensfachkraft Im Kontakt mit Partnerorganisationen möglichkeiten in ihrem direkten Um- der KURVE Wustrow gemeinsam mit und bei der Planung und Konzepti- feld aufzuzeigen. Die Frage, ob ein KollegInnen von Wi’am StudentInnen on von ZFD-Projekten stehen immer solches Verständnis auch auf den aus dem Umfeld der Organisation in wieder inhaltliche Diskussionen an. Konflikt mit Israel angewendet wer- gewaltfreier Konflikttransformation Es geht darum, Profil und Idee der den kann wurde erst gegen Ende aus. Nun haben wir gemeinsam das KURVE Wustrow mit denen der Part- des Projektes diskutierbar, denn hier Projekt „Öffentlichkeit für Gewaltfrei- ner abzugleichen und dem jeweiligen sehen sich viele PalästinenserInnen heit“ entwickelt. An verschiedenen Konflikt angemessene Aktivitäten zu statt als Konfliktpartei eher als Opfer Orten im Westjordanland werden sich Gruppen junger Menschen mit SchülerInnen-Demonstration in Skopje für gleiche Bildungschancen für alle, mitorganisiert von Biljana Alampioska Gewaltfreiheit als politischer Option auseinandersetzen und Öffentlich- keitsarbeit zu diesem Thema ma- chen, Lobbygespräche durchführen sowie Materialien erstellen.

Weiterhin suchen wir zur Zeit aktiv nach Anknüpfungspunkten in Israel, um auch dort gewaltfreie Akteure un- terstützen zu können, die sich für ein Ende der Besatzung und eine fried- liche Lösung des Konfliktes einset- zen.

Anja Petz ist seit 2005 als Referentin in der Arbeitsstelle Friedensfragen. Zur Zeit als Beraterin auf Zeit für den Bereich Ziviler Friedensdienst.

Mareike Michaelis • Sarah Michalski • DANKE • Middle East Nonviolence and Democracy MEND (Palästina) • Emilia Miguez • Eva Mihalik • Misereor •

63 FFK Projektübersicht

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1 | Serbien 4 | Palästina Fachkraft: Narasingham Ponnampalam 2002–2008: CNA – Centre for 2003–2008: Union of Palestinian Wom- Nonviolent Action en’s Committees (UPWC) 6 | Nepal Ausbildung von MultiplikatorInnen in Stärkung von Frauenorganisationen, 2008–2010: Advocacy Forum Nepal gewaltfreier Konfliktbearbeitung Ausbildung von Trainerinnen in gewaltfreier Empowerment von Gewaltüberlebenden Fachkraft: Nenad Vukosavljević Konfliktbearbeitung Fachkräfte: Lisa Ibscher (2008), Tina Sanio Fachkraft: Ulrike Ramlow (2009–10) 2 | Serbien und Bosnien Herzegowina 2010–2012: Union of Palestinian Wom- 2008–2011: Collective Campaign for 2009–2012: CNA – Centre for Nonviolent en’s Committees (UPWC) Peace (COCAP) Action Konflikttransformation im Kindergarten Stärkung von Menschenrechtsnetzwerken Förderung der konstruktiven Vergangen- Fachkraft: Kerstin Gollembiewski Fachkräfte: Chiara Muzzi (2008), heitsbewältigung 2001–2006: Middle East Nonviolence and Julia Odumuyiwa (seit 2009) durch Training, Öffentlichkeits- und Lob- Democracy (MEND) byarbeit Ausbildung von SchulsozialarbeiterInnen in 7 | Kenia Fachkräft: Nenad Vukosavljević, gewaltfreier Konfliktbearbeitung 1999–2001: Vumilia u.a. Jessica Zic Fachkraft: Stephan Clauss Trainingsarbeit für Flüchtlingsinitiativen 2002–2004: Palestinian Conflict Resolu- Fachkraft: Tanya Spencer 3 | Mazedonien tion Center Wi’am 2001–2006: Peace, Healing and 2002–2005: Centre for Balcan Ausbildung von MultiplikatorInnen in Meth- Reconciliation Programme Cooperation „LOJA“ oden gewaltfreier Konfliktbearbeitung (PHARP) Beratung interethnischer Jugendarbeit Fachkraft: Eva Johanna Kohl Aufbau und Qualifizierung eines Flüchtling- Fachkraft: Nora Tönnies 2011–2013: Öffentlichkeit für Gewalt- snetzwerkes 2008–2010: Centre for Balcan Coopera- freiheit Fachkräfte: Stephanie Krug Rohn tion „LOJA“ Fackräfte: In Auswahl (2001– 04), Wolfgang Kabera (2004– 05), Universitäres Curriculum für multiethnische 2009–2011: General Union of Palestinian Birgit Lorberg (2005–06) Jugendarbeit Teachers (GUPT) Fachkraft: Katharina Schneider Aufbau eines Peer Mediations Programmes 8 | Osttimor 2010–2012: Peace Action Macedonia an Schulen im Westjordanland 2004–2009: Peace and Democracy Aufarbeitung der Vergangenheit Fachkräfte: Fetlework Seifu, Almut Hoff- Foundation (PDF) Fachkraft: Thomas Kohls mann Zivile Akteure in gewaltfreier Konflikt- 2011–2012: First Children’s Embassy in bearbeitung the World – Megjashi 5 | Sri Lanka Fachkraft: Eva Maria Jongen Erstellung eines Programms für Friedens- 2007–2010: Social, Economical and erziehung Environmental Developpers Fachkräfte: In Auswahl (SEED) Zivile Konfliktbearbeitung mit Flüchtlingen

Thomas Molitor • Kornelia Möller • Marja Moritz • Verena Mosen • Marta Mosoyc • DANKE • Antje Müller • Thomas Anselm Müller • Wolfgang Müller •

64 65 Jahre der erfolgreichen Zusammenarbeit Die Union of Palestinian Women’s Committees (UPWC) und die KURVE Wustrow

Von Khitam Saafin

Befreiung, Freiheit, Gleichheit, Un- serem Fall die soziale Bewegung der wir weiterhin als soziale Bewegung abhängigkeit und Demokratie waren palästinensischen Frauen, die gleiche arbeiten. Andere beäugten diese Art die grundsätzlichen Werte, welche Rechte einfordern. von Kooperation mit Misstrauen, aber unseren Kampf in der UPWC als ei- die Ergebnisse gaben diesen miss- ner progressiven Basisorganisation in Aber die Kooperation war auch eine trauischen FreundInnen die Antwort: Palästina geleitet haben. Bezogen auf große Herausforderung für die bei- „Soziale Graswurzelbewegungen diese Werte ist die UPWC Teil des pa- den Organisationen: Sie bedeutete können dann aktiv sein, wenn sie gut lästinensischen nationalen Kampfes sehr harte Arbeit, einen hohen Ein- organisiert sind und sie die benötig- für nationale Rechte und eine der satz, zum Beispiel viele Debatten ten professionellen Verbindungen zur wichtigsten Frauenorganisationen in und tiefgehende Diskussionen wäh- Verfügung haben.“ Palästina. rend des partizipativen Planens und der Umsetzung des ersten Koope- Für uns als UPWC war und ist unse- Zwei große Herausforderungen be- rationsprojekts 2003. Allerdings mit re Erfahrung mit der KURVE Wustrow gleiteten die Arbeit der UPWC in den sehr guten Ergebnissen: Ein Teil der sehr wertvoll und wir sehen es als letzten 30 Jahren: Die erste war die UPWC-Mitglieder wurde gestärkt erfolgreichen Teil der 30jährigen Ge- Balance zwischen dem nationalen und weitergebildet, sie traten aktiver schichte der UPWC an – zur Zeit füh- und dem sozialen Kampf für die pa- für ihre Rechte ein und waren bereit, ren wir diese Partnerschaft mit einem lästinensischen Frauen. Die zweite noch mehr Aktivitäten für volle ge- neuen gemeinsamen Projekt weiter. war die Balance zwischen der Arbeit sellschaftliche Gleichberechtigung als breite soziale Bewegung und der umzusetzen. Einige von ihnen waren Khitam Saafin ist die Vorsitzende der Notwendigkeit eines professionellen sogar in der Lage, Führungsrollen in KURVE-Partnerorganisation Union Organisationssystem. Für uns als größeren Zusammenhängen, wie den of Palestinian Women’s Commit- UPWC sind diese beiden Heraus- Regionalverwaltungen oder der Ge- tees (UPWC). Zeit ihres Lebens war forderungen noch immer die Haupt- werkschaftsbewegung zu überneh- die Tochter einer palästinensischen kennzeichen unserer Identität in Pa- men. Diese Frauen wurden selbstbe- Flüchtlingsfamilie politisch aktiv lästina. wusstere Sozialarbeiterinnen mit dem und ist unter anderem Mitglied des klaren Ziel der sozialen Veränderung. Palästinensischen Nationalrats des Zurückschauend sind wir glücklich Auch brachte uns die Erfahrung mit Generalsekretariats der General sagen zu können, dass uns die Fehl- der KURVE Wustrow mehr organi- Union of Palestinian Women. schläge und Erfolge während der letz- satorische Professionalität, während ten 30 Jahre niemals zum Aufgeben einer dieser zwei Herausforderungen Khitam Saafin von der UPWC bei der KURVE-Jubiläumstagung 2010 geführt haben – eher haben wir ver- sucht, unsere Schwächen durch un- sere starken Seiten auszugleichen, ohne jedoch etwas aufzugeben. Die internationale Zusammenarbeit der UPWC basiert auf unserem Glauben an die Menschenrechte als grund- legende und universelle Werte, was von großer Wichtigkeit ist für die Ver- netzung mit sozialen Bewegungen und Organisationen weltweit, die die gleichen Ziele haben.

Die Kooperation zwischen der UPWC und der KURVE Wustrow war in die- ser Hinsicht eine sehr gute Erfahrung für uns. Sie beruhte auf dem gemein- samen Glauben an die Wichtigkeit, Graswurzelarbeit zu stärken, in un-

Sandra Munz • Hendrick Musché • Elske Musfeldt • DANKE • Martina Muth • Chiara Muzzi • Annett Naumann • NETZ Partnerschaft für Entwicklung und

65 Mittendrin weit weg Als Friedensfachkraft für die KURVE Wustrow in Palästina

Von Ulli Ramlow und Peter Steudtner

Das Projekt mit der KURVE Wustrow in Palästina begann für mich 1999, als ich über die Begleitung einer paläs- tinensisch-israelischen KURVE-Dele- gation mit Hagen Berndt ins Gespräch kam. Zu der Zeit wurde gerade in der KURVE Wustrow der Entsendungs- bereich vom Zivilen Friedensdienst aufgebaut und Palästina sollte ein Ko- operationsland der KURVE Wustrow werden, erzählt Ulli Ramlow, die von 2003 bis 2008 als KURVE-Friedens- fachkraft in der Union of Palestinian Women‘s Committees in Ramallah, Palästina tätig war.

Auf Hagen Berndts Anfrage hin erar- beitete Ulli Ramlow drei ZFD-Anträge Aufbau von Trainingsarbeit: ZFD-Projekt in Palästina mit palästinensischen Partnerorga- nisationen, zu denen sie durch ihre war für mich besonders und dadurch wechselt, was auch damit einherging, vorherigen freiberuflichen Tätigkei- auch für die KURVE Wustrow insge- dass die Organisation dies zunächst ten Kontakte hatte, von denen zwei samt leichter. als Assistenz aufgefasst hat. D.h. bewilligt wurden. So konnte Stephan Counterparts mussten sehr stark be- Clauß 2001 zur palästinensischen Or- Meine Arbeit im Projekt fand auf min- gleitet werden und hatten gar nicht so ganisation Middle East Nonviolence destens zwei Ebenen statt: Zum einen sehr das Potenzial oder den Willen, and Democracy (MEND) als Frie- den Büroalltag mit der gesamten Pro- sich noch stärker in den Trainings- densfachkraft ausreisen. Ulli Ramlow jektsteuerung und zum anderen die bereich einzuarbeiten. Als es an die musste aufgrund eines notwendig konkrete Trainingsarbeit, die den in- Übergabe des Projektes ging, wurde gewordenen Partnerwechsels und haltlichen Schwerpunkt des Projekts dann auch eine qualifiziertere Koor- Verzögerungen noch bis Anfang 2003 bildete. Zu letzterem gehörte nicht dinatorin eingestellt. Im Trainingsbe- warten, bis sie mit ihrem Mann und nur die Ausbildung der Trainerinnen, reich hingegen hat die Kooperation zwei Kindern ausreisen konnte. sondern auch ihre Begleitung. mit der palästinensischen Trainerin, Rimonda Mansour, von Beginn an Für mich war das Besondere daran, Ich habe die Arbeit als sehr vielseitig hervorragend geklappt. mit der KURVE Wustrow auszureisen, empfunden, das Wechseln zwischen dass ich selber Aktivitäten mit gestal- normalen Bürozeiten, in denen Buch- Im Gegensatz hierzu stand zum Teil ten konnte. So war es mir lieber, in haltung, Berichte oder das Durchse- die Begleitung durch die Mitarbeite- einem Projekt zu arbeiten, von wel- hen von Trainingsdokumentationen rInnen der KURVE Wustrow. Durch chem ich die Hintergründe und die anstand, und das mit den Frauen di- häufigen Personalwechsel hatte Ulli Entstehungsgeschichte der Koope- rekt im Training arbeiten oder ihre Trai- Ramlow insgesamt fünf für sie zu- ration kannte. Und diese Verbunden- nings begleiten. Etwas später kamen ständige ProjektreferentInnen hinter- heit hat sich letztendlich auch für das dann verstärkt Zeiten und Gesprä- einander, sodass keine Kontinuität Projekt und mich bezahlt gemacht. Es che hinzu, in denen geklärt werden aufkommen konnte. musste, wie die geschaffenen Trai- Palästinensischer Alltag: Die Mauer ningskapazitäten dann auch in den Ich weiß, dass es auch anderen Frie- Strukturen der Partnerorganisationen densfachkräften der KURVE Wustrow verankert werden können. Und ganz in der Zeit so ging, dass die inhaltli- am Schluss gab es natürlich viele Dis- che Betreuung nicht ausreichte. Es kussionen mit den Führungsebenen, gab keine Feedbacks, kein Debrie- wie die Arbeit der Trainingsgruppe fing. Es war wohl so, dass die KURVE allgemein fortgeführt und verankert Wustrow das zu der Zeit nicht inner- werden kann. halb ihrer Struktur mit anbot. Das war nicht nur für uns schwierig, sondern Mein Counterpart hat relativ oft ge- war ja auch für die Organisation scha-

Gerechtigkeit, Wetzlar • DANKE • Antje Neumann • Gabi Neumann (Post) • Jochen Neumann • Niedersächsische Lottostiftung • Esther Nieft • Edda

66 de, dass sie diese Lernchancen ver- Frau, die an einem Seminar teilge- auch zu ihren Vorstellungen passt. nommen hatte, erzählte, dass sie das für eine Einstaatenlösung. Das letzte Mal vom Training in einem der sind starke Portraits, die ganz direkt Es gab schon Momente, wo ich mir Sammeltaxis nach Hause gefahren mit meiner Arbeit zu tun hatten, in- ernsthaft überlegt habe, ob ich unter war. Da ist es fast immer so, dass dem sie zeigten, dass „Alles politisch den Bedingungen weiter arbeiten will. Männer in den Sammeltaxis nicht ne- ist“, wie Nitza Aminov in einer Film- Da war es schwierig mit der KURVE ben Frauen sitzen. Es stieg dann ein sequenz sagt. Dies war für mich ein Wustrow und dann war es schwierig Mann ein und da war der Platz ne- sehr schöner und auch persönlicher mit der Union und da dachte ich: Bin ben ihr noch frei; sie hätte sich zwar Projektabschluss, der es mir auch er- ich bescheuert? Ich mache das so noch nach hinten quetschen können laubte, mehr Einblicke in die ‚andere nicht weiter. zu den anderen Frauen. Aber sie hat- Seite’ zu erhalten, als mir dies vor- te einfach keinen Bock, ist halt sit- her im Rahmen der Projektaktivitäten Und meistens veränderte sich aber zen geblieben und hat so ihren Platz möglich war. auch was in der UPWC, wenn ich behauptet. Sie merkte dann richtig deutlich machte, dass ich wirklich ge- deutlich die Irritation, als der Mann Im Anschluss an das Projekt entstand hen würde. Mit KURVE habe ich das sich neben sie setzen musste. nicht nur der Film, sondern auch die mit dem Verändern irgendwann auf- Dokumentation „Kritisches Hinter- gegeben. An diesen Dingen merke ich, da pas- fragen alltäglicher Gewohnheiten. siert etwas... da gibt es neue Denk- Training als Mittel für Veränderungs- Gerade für uns ZFD-Leute spielte da prozesse. Der Raum, den wir dafür zur prozesse. Erkenntnisse aus dem Pro- mit rein, dass du zwischen allen bist: Verfügung stellen, der bewirkt etwas.. jekt des Zivilen Friedensdienstes in Du bist in der Partnerorganisation an- Oder auch in Übungen, wo du erst Palästina“. Doch auch vor Ort geht gebunden, gehörst aber eigentlich zum Schluss merkst: die refl ektieren die Arbeit weiter: Das Trainingsrefe- nicht wirklich dazu – was auch seine ganz anders, z.B. auch über die Rol- rat der UPWC koordiniert weiter die positiven Seiten hat. Bei der KURVE le der Religion – sie wird hinterfragt: ausgebildeten TrainerInnen, wenn Wustrow fühlst du dich angebunden, Wo kommen bestimmte Verhaltens- diese jetzt auch verstärkt im Bereich wirst aber nie eingebunden, weil du weisen her? Wie wird das legitimiert? der Gesundheitsbildung oder inner- einfach viel zu weit weg bist. Diese Wie nehme ich das wahr? halb der Rechtsberatung zusammen Anbindung war bei der KURVE Wust- Zum Abschluss haben wir dann auch mit AnwältInnen tätig sind. Gemein- row nicht tiefgehend strukturell oder den Film „How far I can go“ gemacht: sam mit der KURVE Wustrow hat organisationskulturell verankert. Ein Portrait dreier politisch aktiver die UPWC 2010 ein Projekt des Zivi- Frauen. Maha Nassar, eine Palästi- len Friedensdienstes im Bereich der Dagegen stehen dann die konkreten nenserin aus Ramallah, Nitza Aminov, Konfl itkttransformation in Kindergär- Erfolge vor Ort, sodass mir die Arbeit eine Israelin aus Jerusalem und Af- ten gestartet. auch wieder Spaß machte. Es waren nann Eghbaria, eine Palästinenserin gar nicht so die großen Schlüsseler- aus Haifa. Die Frauen haben mit gro- Ulli Ramlow war von 2003 bis 2008 lebnisse, sondern eher so die schein- ßer Offenheit von ihren persönlichen Friedensfachkraft der KURVE Wus- bar kleinen Veränderungen: Für mich Erfahrungen und politischen Über- trow in Palästina bei der Union of ganz persönlich war es das Feedback zeugungen erzählt. Sie refl ektieren zu Palestinian Women‘s Committees in den Trainings, das wir bekommen Fragen von Identitäten, Grenzen, Fa- (UPWC). haben. Ein Beispiel war, dass eine milie, Zeit, Leben und Sterben, aber

In Palästina sind Hotels selten gebucht von Geschäfts- oder Urlaubsreisenden, sondern oft belegt von Workshops und Trainings. Trainings sind ein Produkt, das die internationale Zusammenarbeit gern verkauft. Sehr wahrscheinlich sind sie das nicht-materielle Produkt, welches am meisten umgesetzt wird. +RITISCHES (INTERFRAGEN Massenware eben. TEN ALLTÛGLICHER 'EWOHNHEI Der im vorliegenden Erfahrungsbericht refl ektierte und dokumentierterai- T UNGSPROZESSE 4RAINING ALS -IT TEL F ÓR 6ERÛNDER ningsprozess unterscheidet sich wohltuend von diesen Konzepten von der %RKENNTNISSE AU S EIN EM 0ROJEKT 0ALÛSTINA DES : IVILEN &RIEDENSDIENSTES IN Stange. Er ist reine Manufakturarbeit, Maßarbeit. Das macht ihn so beson- ders. Wie ein wirksamer Trainingsprozess aufgebaut werden kann, woran zu den- ken ist, wo Grenzen liegen und viele weitere Fragen kommen in diesem Erfah- rungsbericht zur Sprache. Das dokumentierte Vorhaben hatte die Arbeit mit

 Frauen im ländlichen Raum in Palästina im Fokus. Die gemachten Erfahrungen





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. sind jedoch auch für viele andere Zusammenhänge von wertvoller Bedeutung,

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NT durchaus auch über die Grenzen Palästinas hinaus. Zumindest all denen, die

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$ im Rahmen des BMZ-Instrumentes „Ziviler Friedensdienst“ mit Trainingspro-

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26 5 + zessen arbeiten, sei eine Lektüre sehr ans Herz gelegt.

Nietschke • Till Nisblé • Hans-Peter Nolting • Katharina Nonnenmacher • Julia Odumuyiwa • Bernd Oehlerking • DANKE • Oekumenischer Dienst Scha-

67 Die harten Hippies aus dem Wendland Von Nenad Vukosavljević

Meine Kooperation mit der KUR- Zu der Zeit, als ich entschieden hatte, hatte er Flugangst, so fuhr er nach VE Wustrow begann schon vor der für die Friedensarbeit nach Bosnien Spanien und nahm von dort aus ein Existenz des Center for Nonviolent zu gehen, fand der erste Pilotausbil- Schiff, wobei er mehrere Monat zur Action (CNA), zurück in der Zeit, als dungskurs für den Zivilen Friedens- See und auf der Straße zubrachte. ich in Deutschland lebte und Unter- dienst mit Unterstützung des Landes Ich wette, er hatte die gleiche Hemd- stützungsarbeit für das Balkan Peace Nordrhein-Westfalen statt. Ich nahm tasche voll mit Geldnoten und er hat Team (durch PBI) machte, ähnlich, wie an dem dreimonatigen Kurs teil und sie sicher auch gebraucht. Als ich von es auch die KURVE Wustrow tat. So reiste kurze Zeit später nach Sarajevo der Geschichte hörte, verstand ich kam ich auch 1996 zur Teilnahme am ab, zeitig genug, um meinen 30. Ge- den Sinn der ausgebeulten Hemden- Internationalen Training der KURVE burtstag dort zu feiern. tasche. Sie war nicht dafür gedacht, Wustrow und erlag dem Charme des arme Leute zu beeindrucken, oh nein, Hauses in der Kurve und der Men- Nach meiner Ankunft liefen die Dinge sie war für den Fall, dass man zu ei- schen darinnen. In Wirklichkeit war nicht wie erwartet. Die lokale Part- nem Kongress musste. es nicht so sehr der Charme, sondern nerorganisation, die keiner aus der die Tatsache, dass ich erwartet hatte, KURVE Wustrow vorher hatte treffen In der Zwischenzeit lebte ich in einem in der KURVE eine Schar Hippies zu können, stellte sich als schräg he- gemieteten Zimmer in einer Wohnung, finden mit nichts als ihren Füßen in raus, oder besser gesagt mit einem die direkt an der früheren Frontlinie der Luft, die mich höchstwahrschein- begrenzten Interesse an Friedens- lag, mit Vorhängen, die noch immer lich mit meiner Kein-Woll-Pullover- arbeit und Vernetzung usw. Sie er- die Löcher der Scharfschützen tru- Mann-in-Schwarz-Erscheinung und wartete eher, von den Verbindungen gen, und mit der alten Dame, der die skeptischen Haltung nicht gutheißen zu einer deutschen Organisation zu Wohnung gehörte und deren Ehe- würden. Ich musste mir selbst ein- profitieren, sowie von der kostenlo- mann von einem Scharfschützen um- gestehen, dass es möglicherweise sen Arbeitskraft, die als persönlicher gebracht wurde, während er auf dem effektivere Methoden als Fotogra- Assistent einige nützliche Sprachen Sofa im Wohnzimmer gesessen hat- fieren, Informationsverbreitung und konnte und andere Fähigkeiten hatte. te. Sie erzählte mir alles darüber. Sie Beiträge leisten für Kampagnen und Ich hatte persönlich noch nie viel für erzählte mir mehrfach alles darüber. Kriegsdienstverweigerer gab, um Un- Männer übrig, die ihre neuen Bekannt- Und nochmals. Das Sofa war immer terdrückung und Ungerechtigkeit zu schaften auf der Grundlage von se- noch da, ihr Ehemann war gegangen, bekämpfen. Und, da sich scheinbar xistischen Witzen aufbauten und mit die Angst und der Schmerz waren tief niemand an meiner schwarzen Le- einem herausquellenden Bündel von innen und ich fing etwas davon auf. derjacke, dem Fehlen der John-Len- 100 DM-Scheinen in der Hemdtasche non-typischen Brille und der meiner herumliefen. Ich weiß, dass dies eine Es war vorauszusehen, dass sie fehl- Nicht-Hippie-Orientierung stieß, fühl- Geschmacksfrage ist, aber ich war schlagen würde, diese Idee der engen te ich mich als „anders“ akzeptiert nicht beeindruckt, um es mit Zurück- Kooperation mit einer Organisation, und stellte fest, dass ich genau das haltung auszudrücken. Wenn ich zu die ziemlich genau eine Ein-Mann- gebraucht hatte. Ich begann, mich dieser Zeit schon gewusst hätte, mit Show war (obgleich mit einigen sehr unvorstellbarer Weise mit den irgend- wie vielen Menschen ich zusammen- netten und fürsorglichen Angestell- wie harten Hippies des Wendlands zu treffen würde, die Organisationen, ten), und dass sie nicht mit den de- Hause zu fühlen. Und dafür schäme für die sie eigentlich hätten arbeiten mokratischen Praktiken der KURVE ich mich jetzt, 13 Jahre später, nicht sollen, als ihren persönlichen Besitz Wustrow oder von PBI korrespondie- einmal. betrachteten.... Obwohl die Sache ren würde. Als man von mir verlangte mit den Geldvorräten in der Hemd- , für den Schreibtisch, den ich in die- Die KURVE Wustrow unterstützte tasche ein Fetisch einiger bosnischer sen ersten Tagen benutzte, 400 DM meine Idee, nach Bosnien zu gehen Männer zu sein scheint, traf ich einige Miete zu bezahlen, wusste ich, dass und dort mit Friedensarbeit zu begin- Monaten später noch einen anderen das Geld für ein vollständiges kleines nen, sehr stark. Durch die Hilfe und mit einer hochrangigen Position in Büro reichen würde. Unterstützung der KURVE Wustrow einer großen deutschen politischen wurde alles möglich. Meine Dankbar- Stiftung. Ich traf jedoch niemals den Ich fand dann einen Platz, in dem ich keit geht auch an die Menschen, die Präsidenten einer bosnischen Ge- leben und arbeiten konnte und der damals sehr eng mit mir zusammen werkschaft, der zu einem Kongress in einen großen Raum und ein kleines arbeiteten, insbesondere an Hagen Südafrika fuhr, ohne dass er mehr auf Schlafzimmer hatte (welches ich an Berndt und Jörg Rohwedder. Englisch sagen konnte, als „yes“. Als einen deutschen Freund vermietete, wenn das noch nicht gereicht hätte, da wir nicht genug Geld für die gan- lomdiakonat • Ökumenisches Informationszentrum für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, In- und AusländerInnenarbeit Dresden • Julia

68 ze Wohnung hatten. Ich schlief in ei- tete, eine Herausforderung war. Aber Wustrow in Wirklichkeit arm nem Teil des großen Zimmers, durch es dauerte nur wenige Monate, bis ist und CNA relativ gesehen, „rei- einen Schrank vom größeren Teil, wir als CNA zu wachsen begannen, cher“. Es hat jedoch eine gewisse dem Büro, getrennt. Nach meiner sowohl bezogen auf die verschiede- Logik, denn es ist im Vergleich leich- Ankunft in Sarajevo dauerte es nur nen Aktivitäten als auch auf die Mit- ter, für eine aufregende Arbeit vor Ort einige Wochen, bis Hagen kam, um arbeiterInnen. Wir nahmen uns vor, (an der Frontlinie) Finanzierungen zu mich zu besuchen und um Sachen uns als unabhängige Organisation finden, wohingegen niemand gerne zu besprechen. Wir saßen auf dem aufzubauen und innerhalb eines Jah- für die Verwaltung in Deutschland Boden des Büros, es war November res nach der Gründung war das auch spendet. Jetzt und auch während und drinnen zu kalt, um ohne Hand- weitestgehend der Fall. Nichtsdesto- der letzten 13 Jahre war und ist das schuhe zu sein. Die einzige Heizung trotz waren wir 1998 – 1999 immer Verhältnis zur Kurve Wustrow vor al- war ein merkwürdiges Objekt, das noch auf die Unterstützung durch lem von gegenseitigem Respekt und glühte, wenn man es anstellte, wenn KURVE angewiesen, da noch viele Vertrauen gekennzeichnet. In meiner wir das Glück hatten, Strom zu ha- Verwaltungsbezüge am Leben waren. Wahrnehmung hat sich die KURVE ben. Im Unterschied zum Großteil der Aber zu dieser Zeit wurde der Umfang Wustrow dramatisch verbessert, was Stadt in dieser Zeit, hatte das Haus, größer als die Kapazitäten der KUR- Effizienz, Verlässlichkeit und Funkti- in dem das Büro war, fast den ganzen VE Wustrow, diesen zu händeln und onalität angeht. Vor Jahren erschien Tag fließend Wasser, zumindest bis ir- CNA strebte nach voller „Unabhän- sie zeitweise als chaotischer Haufen gendetwas kaputt ging und wir dann gigkeit“. Während dieser Zeit gab es und, soweit ich es einschätzen kann, gleich für einige Wochen kein Wasser einige schwierige Momente, aber die ist das ein Bild, unter dem die KURVE hatten. Aber die Hingabe an Gewalt- Tatsache, dass wir durch den Glau- Wustrow bis heute leidet. freiheit und Peacebuilding hielt mein ben an die gleichen Werte verbunden Herz warm. Das ist nur ein Witz. Es waren, war stärker, als die Frustrati- Das aktuelle Team, welches die Dinge war schrecklich kalt, insbesondere an onen und Enttäuschungen in unserer in der KURVE Wustrow in den Berei- den Morgenden. Arbeitsbeziehung. chen, mit denen ich zu tun habe, am Laufen hält, ist sehr engagiert, kom- Ganz am Anfang von CNA, als es Obwohl es ja offensichtlich ist, dass petent und verlässlich. Ich mag die 1997 in Sarajevo gegründet wurde, die KURVE Wustrow aus Deutschland Tatsache, dass der Austausch zwi- war es mehr ein KURVE-Projekt, das kommt und deshalb in armen Ländern schen uns stärker geworden ist, so- heißt, dass alle Unterstützung durch als „reich“ wahrgenommen wird, und wohl in der Häufigkeit als auch in der die Kanäle der KURVE in Deutschland wir im CNA auf dem Balkan zu Hause Qualität, und ich glaube, dass das lief, was für beide Seiten, also für die sind, hat dies nie wirklich eine Rolle zum gegenseitigen Nutzen ist. Durch KURVE Wustrow und für mich, der zwischen uns gespielt und das liegt das Kennenlernen der Projektpartner ich damals alleine in Sarajevo arbei- nicht allein daran, dass die KURVE der KURVE Wustrow aus Palästina,

Hagen Berndt bei einem Projektbesuch 2000 mit Nenad Vukosavljević Nepal, Sri Lanka und von anders- dieser unterschiedlichen Ansätze zu Nenad Vukosavljević ist Friedensak- wo, wurde ich persönlich bereichert evaluieren. tivist, Mitarbeiter bei CNA Sarajevo/ durch das Wissen um die Dilemmas Belgrad; ist seit 2002 Friedensfach- und Fragen, welche kontextspezi- An die Zukunft denkend wünsche ich kraft der KURVE Wustrow in Belgrad. fisch sind. Und ich denke, dass wir mir, dass unsere Zusammenarbeit Kriegsdienstverweigerer, Fotograf, unsere Kenntniss(e) als Reflexions- auf dem gleichen Wege weitergeht. Trainer, Filmemacher und Taras Vater flächen nutzten, indem wir die Fra- Ich habe gelernt, meine Erwartungen gen der Anderen an uns selbst und niedrig zu halten (sehr subjektiv, wür- unseren Kontext richteten, sodass den einige sagen), sodass ich erfreut wir die schwachen Punkte, vernach- bin, wenn sie übererfüllt werden. lässigte Themen oder ungewöhnliche Herausforderungen entdeckten. Da ja viel der NGO-Arbeit normalerwei- se in der Öffentlichkeit als unglaub- lich unfehlbar dargestellt wird, sehe ich Sinn darin, geschützte Räume für Austausch und kritisches Denken zu schaffen, da nur dies Motor für Ver- Interethnische Trainingsarbeit 1997 Foto: Claudia Kukla besserung sein kann. Vor einiger Zeit hat sich ein prominenter und sehr produktiver Menschenrechtsaktivist aus Serbien angesichts eines gewalt- vollen nationalistischen Ausbruchs beschwert, dass „wir seit 15 Jahren für Veränderungen in dieser Gesell- schaft kämpfen und wir haben uns noch nicht einen Schritt bewegt.“ Ich hoffe, dass ich nicht in zehn Jah- ren ebenso sein werde, da ich viele kleine Schritte der Veränderung, die gemacht wurden, erkenne. Aber wir müssen immer unsere eigenen Me- thoden reflektieren, um ehrlich un- sere Leistungen zu messen und von unseren Fehlschlägen und falschen Vorstellungen zu sprechen.

Eine Sache, welche ich wirklich her- vorheben möchte und welche aus meiner Sicht entscheidend für Frie- densaufbau ist, ist das Verstehen von Frieden als Prozess, welcher von den Menschen vor Ort gesteu- ert und verantwortet werden muss. Dies spiegelt sich in dem Ansatz der Projektplanung wider, wenn mit aus- ländischen PartnerInnen gearbeitet wird, und der zusätzliche Wert liegt in dem Austausch zwischen den ver- schiedenen Projektpartnern, welchen die KURVE Wustrow ermuntert und strukturiert. Dies ist etwas, welches sich vollständig mit meiner Vision, wie Dinge getan werden sollen, deckt und im Kontrast steht zu ausländi- schen Organisationen, die ungefragt kommen, ihre Büros bauen, die von AusländerInnen geleitet werden, die lokale Kräfte anstellen und denken, dass sie besser wissen, wie sie Frie- den in unseren Leben schaffen kön- nen. Es wäre gut, die Auswirkungen

Oelschläger • Susann Offenmüller • Andrea Ohloff • Ohne Rüstung Leben • Andreas Oldekamp • DANKE • Hans-Jürgen Oppelland • Palestinian Conflict

70 71 Das kenianische Programm für Friedensarbeit, Heilung und Versöhnung und die KURVE Wustrow Von Felicien Nemeyimana

Die Partnerschaft zwischen PHARP und der KURVE Wustrow begann als Freundschaft im Jahr 2000, als sich zwei Kursleiterinnen von PHARP und der KURVE Wustrow durch Zu- fall beim gemeinsamen Moderieren eines Frauenworkshops in Gahini/ Ruanda kennenlernten. Später kam Tanya Spencer ins PHARP-Büro nach Nairobi und traf den PHARP-Direktor. Schnell kamen sie darauf, dass sich die unterschiedlichen Erfahrungen der beiden Organisationen ergänzen könnten, insbesondere in der Trai- ningsarbeit mit Flüchtlingen und in- tern Vertriebenen. Gemeinsam entwi- ckelten sie dann ein Trainingsprojekt, welches nach einiger Finanzierungs- verzögerung im November 2001 als ZFD-Projekt bewilligt wurde. Die Trainings wurden von Januar 2002 bis Ende 2005 mit der Frie- densfachkraft Stephanie Krug-Rohn Trainingsarbeit mit PHARP macht Spaß in den städtischen Flüchtlingslagern Kakuma Camps in Nairobi erfolgreich Auch ein norwegischer Universitäts- nen. Wann immer Flüchtlingskinder durchgeführt: Was vorher Tränen in professor war bei seinen Projektbesu- auf andere trafen, gab es Rangelei- den Augen der Flüchtlinge waren, chen erstaunt, wie positiv die Flücht- en. Dies geschah nur, bis ihre Eltern wurde zu Freude, Rache verwandel- linge und Vertriebenen in den Camps Weiterbildungen in Traumaheilung te sich in Fürsorge und Verzweiflung vom PHARP-Versöhnungsansatz bekamen, die die Situation positiv in Hoffnung, während Unsicherheiten sprachen. Wenn die Flüchtlinge an veränderten, und jetzt besuchen die für viele durch die Workshops zu ei- den Workshops teilnehmen, wächst damals streitenden Jugendlichen ner besseren Zukunft führten. Viele ihr Vertrauen und ihr Selbstbewusst- dieselbe Schule. konnten ihre eigenen Wege ins Aus- sein nimmt so zu, dass sie mit den land oder zurück in ihre Heimatländer Alltagsherausforderungen umgehen Ein weiteres Beispiel: Einige Flücht- gehen, wobei auch einige bis heute und auch im Einvernehmen mit der linge aus Ruanda, dem Kongo und friedlich in Kenia leben. PHARP ist Aufnahmegesellschaft leben kön- Burundi kamen zusammen, um eine der KURVE Wustrow für das gemein- nen. Das hilft ihnen, Jobs zu finden, gemeinsame Gruppe zu gründen. Sie same Engagement in dieser Zeit sehr die ausreichend Geld für die Befrie- gaben ein gutes Vorbild für ein fried- verbunden. digung ihrer Grundbedürfnisse ein- liches Zusammenleben in einer Ge- bringen. Das hilft ihnen, nicht untätig meinschaft ab. Darauf folgend trafen Die Ausgebildeten der PHARP-KUR- zu bleiben. Denn, wie es dort heißt: sich die Frauen und stellten zusam- VE-Workshops sind bekannt für ihre Ein untätiger Geist ist die Werkstatt men Kunsthandwerk her, wobei das enorme Arbeit in ihren Gemeinschaf- des Teufels. Bevor sie ihre Fähigkei- auch der Raum war, um über Prob- ten. Viele bezeugen die positiven Ver- ten in Konflikttransformation durch leme zu sprechen, die sie als Frauen änderungen, die durch die Teilnahme gewaltfreie Methoden erlernten, gab und ihre Nachbarschaft betrafen. Die an den Workshops in ihrem Leben es viele Kämpfe zwischen ihnen und andere Wirkung unserer Trainings und dem ihrer Familien stattfanden. auch Konflikte mit den GastgeberIn- wurde fühlbar, als einige Frauen die

Resolution• Jeannette Center Wi’amBarwasse • Elke • Britta Pardella Baumgarten • Partners • Maguyfor Democratic Béchetoille Change • Petra Slovakia Beckmann PDCS • Anne-Doerthe • Eva Pastalkova Beer • • Aleksa Wolfgangndra Beer Pater • Christine• DANKE Benic • Haelderke •

71 71 Rolle einnahmen, Stimmen für die se zweite Projektphase konzentrierte wurden und so noch viele Spannun- Sprachlosen zu sein. Der Kontakt sich auf die Flüchtlingsarbeit in städ- gen und Bitterkeit vorhanden sind. zwischen der KURVE Wustrow und tischen Flüchtlingslagern mit Flücht- Zudem waren die Erfahrungen und PHARP brach nie vollständig ab. Ge- lingen aus Äthiopien, Eritrea, Somalia das Wissen aus dem Training hilf- genseitige Besuche bringen uns im- und aus dem Kongo. Zurzeit ist es reich in der Arbeit mit Jugendlichen, mer näher. sehr schwierig für uns, denn wir müs- insbesondere während der Zeit des sen viele Anfragen von Flüchtlingen Referendums zur Beendigung der In der Partnerschaft zwischen der nach Unterstützung und Beratung politischen Kämpfe. Vor allem Ju- KURVE Wustrow und PHARP wurde ablehnen, da dieser Projektbereich gendliche waren in der Vergangenheit auch viel Forschungsarbeit mit städti- momentan keine Finanzierung hat. für das gewaltsame Chaos bekannt, schen Flüchtlingen gemacht. Dies re- und ihnen beizubringen, dass sie ihre sultierte 2002 in der Herausgabe des Bis heute stehen wir von PHARP mit Stimme viel effektiver gewaltfrei hör- Buches: „Peace and Conflict for Ur- der KURVE Wustrow in gutem Kon- bar machen können, war sehr unter- ban Refugees – Analysis of Refugee‘s takt, denn ständig entwickeln sich stützend. Denn dieses ermutigte zum Peace Initiatives in Nairobi, Kenya.“ neue Kooperationen daraus: So war Dialog, ohne das Blut von unschuldi- erst im Juni 2010 mit Pelagie Tu- gen Menschen, insbesondere Frau- Bei verschiedenen Gelegenheiten yisenge Gichanga eine junge PHARP- en und Kindern, zu vergießen. Dies konnten PHARP-MitarbeiterInnen die Mitarbeiterin zum Internationalen war dann offensichtlich während des KURVE Wustrow besuchen und am Training in der KURVE Wustrow. Sie Referendums: Es wurde von keinen Internationalen Training für Gewalt- vertiefte ihr Verständnis für Konflikte Ausschreitungen berichtet und alles freiheit oder auch an Fachseminaren und deren Transformation. war friedlich. Die Jugendlichen nutz- teilnehmen und so Erfahrungen und ten ihr kritisches Denken und waren Ansätze mit Teilnehmenden und Trai- Als Pelagie Tuyisenge Gichanga wie- sehr vorsichtig mit ihren Aktionen und nerInnen aus aller Welt austauschen. der nach Kenia zurückkehrte, be- den Auswirkungen. suchte sie im Rahmen ihrer Arbeit Von 2004 bis 2006 entsandte die intern Vertriebene in den verschiede- PHARP ist sehr stolz, eine Partner- KURVE Wustrow erneut mit Wolf- nen Flüchtlingslagern und konnte so organisation der KURVE Wustrow zu gang Kabera eine Friedensfachkraft die Informationen und Erfahrungen sein. zu uns, aber aufgrund von Krankheit weitergeben. Dies ist insbesondere kam es zu einer Projektpause, bis mit wichtig, da die Vertriebenen aus Kon- Felicien Nemeyimana ist Geschäfts- Birgit Lorberg die Arbeit wieder auf- fliktregionen kommen, von der Regie- führender Direktor von PHARP in genommen werden konnte. Auch die- rung noch nicht wieder rückgesiedelt Kenia

Pelagie Tuyisenge Gichanga (2. von links) von PHARP als Teilnehmerin des KURVE International Training 2010 Die Friedens- „Weg karawane – ein von der utopisches Projekt KURVE“ KURVE-Abschiedslied im Jahr 2002 für die langjährigen Mitarbeiter Innen Hagen Von Jan Stehn Berndt und Petra Titze (2002)

Idee und Motor für die ‚Friedenskara- ner UnterstützerInnenkreis fand sich wane‘ war Barbara Uebel, Friedens- zusammen, sogar eine Mini-Hono- (Melodie „Über den Wolken“) aktivistin, die geprägt von Kriegser- rarstelle wurde zur Koordination für lebnissen in ihrer Kindheit seit vielen ein halbes Jahr geschaffen und die Jahren engagiert gegen den nördlich beiden KURVE-Freiwilligen Marta 1. Strophe von Berlin in der Kyritz-Ruppiner Hei- Masoyc und Ima Drolshagen wirkten Kirchstraße 14 Vier Uhr Zehn, man de von der Bundeswehr geplanten tatkräftig mit. hörte keine Motoren Bombenabwurfplatz stritt. (Im letzten Wie ein Pfeil stürzt ins Büro, Ha- Jahr gaben Bundeswehr und Bun- Nach einem halben Jahr mit Treffen, gen mit ‚nem Traum von Sponso- desregierung dieses Vorhaben auf - Trainings und vielen Mails musste ren ein riesiger Erfolg der Bürgerinitiative das Vorhaben aufgegeben werden: Und der Papierstapel bebt, man FREIe HEIDe!). die Größe der Idee und die verfügba- kann Hagen nicht mehr sehen ren Ressourcen klafften weit ausein- Bis er abhebt und er schwebt mit Barbara trat mit der Idee an die KUR- ander. neuen Ideen VE heran, mit einer Friedenskarawa- ne eine Brücke zwischen dem Zivilen Ich finde, als jemand, der an dem Refrain: Friedensdienst (ZFD) in ausländi- Projekt damals beteiligt war, Barba- Weg von der KURVE, muss die schen Konfliktregionen und der Ba- ras Ideen auch heute noch utopisch- Freiheit wohl grenzenlos sein sisfriedensarbeit in der Freien Heide zukunftsweisend und auf Menschen Alle Ängste alle Sorgen, sagt man zu schlagen. Erfahrene Friedensar- wartend, die für den ZFD über ein blieben euch dann verborgen und beiterInnen sollten durch die kleinen staatliches Programm hinaus eine dann Orte der Kyritz-Ruppiner Heide tou- friedensengagierte Basis schaffen Wäre was hier groß und wichtig ren, von ihrer Arbeit berichten, die wollen. erscheint Menschen begeistern und sie für re- Plötzlich nichtig und klein gelmäßige finanzielle Unterstützung Jan Stehn ist Mitglied des Trainings- für den Zivilen Friedensdienst gewin- kollektivs Windrose und der KURVE 2. Strophe nen. So sollte der ZFD sich Schritt für schon seit ihrem Gründungsaufruf Stets ein Ohr für alle Leut‘ und Schritt vom Staat emanzipieren und 1979 verbunden. Er lebt und arbeitet natürlich auch für Hagen sich als internationale Solidaritätsbe- mit seiner Partnerin Marie Dinkgrefe, Lockre Petra im Büro, sie löst alle wegung ankoppeln an die Friedens- mit der er sich auch von 1999 bis Faltblattfragen bewegung und den Widerstand ge- 2001 eine Teilzeitstelle für die KUR- gibt’s Probleme, das ist klar, mö- gen Krieg und Militär. VE-Tagungshausbetreuung teilte, im gen sie noch groß erscheinen Wustrower Nachbardorf Blütlingen. Löst sie Petra wunderbar, im Gro- Die KURVE ließ sich von Barbaras ßen wie im Kleinen utopischem Elan begeistern, ein klei- Refrain: Bildercollage aus dem kurzen Alltag der Vorbereitung der Friedenskarawane Weg von der KURVE, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein Alle Ängste alle Sorgen, sagt man blieben euch dann verborgen und dann Wäre was hier groß und wichtig erscheint Plötzlich nichtig und klein

73 KURVE braucht Bewegung – Bewegung braucht KURVE! Dokumentation des Aufrufs „KURVE braucht Bewegung“, der ausgehend vom KURVE- Trainingskollektiv zum KURVE-Rat im Frühjahr 2004 aufrief und eines direkt darauf result- ierenden Beschlusses der KURVE-Mitgliederversammlung

Liebe Freundinnen und Freunde der ebenfalls kaum das Ganze im Blick Mit diesen Wünschen sehen wir uns KURVE Wustrow, haben. in der Tradition vieler Menschen, die zu verschiedenen Zeiten KURVE ge- seit ihrer Gründung im Jahr 1980 hat Uns als Mitgliedern ist aufgefallen, staltet haben. die KURVE viele verschiedenen Pha- dass es unter diesen Umständen in sen durchlaufen. Immer wieder haben den letzten Jahren nicht immer ein- Wir denken, dass diese Vision Wirk- neue Menschen Verantwortung für fach war, sich mit Ideen, Anregungen lichkeit werden kann, wenn sich eine das Haus in der Kirchstr. 14 in Wust- und dem Angebot von Mitarbeit in die Gruppe zusammenfindet, die diese row und für die Programme, die von KURVE einzubringen. Ziele teilt und bereit ist, gemeinsam dort ausgingen, übernommen. Und in den verschiedenen Gremien des immer wieder sind auch Menschen Auswirkungen auf die KURVE hatten Vereins für die KURVE Verantwortung aus der aktiven Arbeit in und mit der auch die gesellschaftlichen Entwick- zu tragen. Wir selber möchten zu ei- KURVE ausgestiegen, sei es aus per- lungen der letzten Jahre: Was in den ner solchen Gruppe gehören – aber sönlichen Gründen, sei es aus Ent- achziger Jahren von der Friedensbe- wir sind noch nicht genug, um eine täuschung, weil sie ihre Visionen nicht wegung gefordert wurde, findet sich solche Aufgabe anzugehen. verwirklichen konnten. heute vielfach in staatlich geförderten Programmen wieder. Für den 31. Januar 2004 lädt die Als Mitglieder des Vereins “KURVE Programmleitung der KURVE zum Wustrow” haben wir den Eindruck, In dem Maße, wie solche Gedanken nächsten KURVE-Rat ein. Als Mitglie- dass es zur Zeit nur sehr wenige Men- in breite gesellschaftliche Schichten der der KURVE möchten wir euch und schen gibt, die aktiv für den Verein Ver- Einzug halten, besteht aber auch die Sie bitten und ermutigen, zu diesem antwortung zu tragen bereit sind. So Gefahr, dass sie verwässern. Ge- Treffen zu kommen. Wir würden dort war es bei der letzten Mitgliederver- waltfreie Konfliktbearbeitung kann so gern mit euch/Ihnen zusammen prü- sammlung nicht möglich, Nachfolge- zu einem Element der Sozialarbeit, fen, ob und wie wir die KURVE stär- rInnen für die beiden ausscheidenden zu einem Instrument zur Befriedung ken und eine Entwicklung in Richtung Vorstandsmitglieder zu finden. Ande- von Konflikten degenerieren. Damit unserer Vision fördern können. Alle, rerseits leistet das Team der KURVE gewaltfreie Bildungsarbeit weiterhin die sich eine Mitarbeit an der oben eine gute und engagierte Arbeit, und Impulse zur aktiven Überwindung von formulierten Vision vorstellen können, es gibt eine Menge Menschen, denen Unrecht setzt, muss sie eingebunden laden wir zu einem Vortreffen am Frei- eine positive Weiterentwicklung der sein in soziale Bewegungen und de- tag abend ab 18 Uhr, ebenfalls in der KURVE am Herzen liegt. ren Impulse aufnehmen. Lernen findet KURVE, herzlich ein. Wir würden uns nicht nur in Seminaren, sondern auch gern am Vorabend des KURVE-Ra- In den letzten Jahren hat ein Wandel und vor allem in sozialen Bewegun- tes schonmal zusammensetzen, uns stattgefunden von einer Bildungs- gen, im aktiven Tun statt. über unsere Visionen für die KURVE und Begegnungsstätte, einem Ta- austauschen und sehen, welche Res- gungshaus mit Trainingsvermittlung Wir wünschen uns eine KURVE, … sourcen uns zur Verfügung stehen. und eigenen Trainingsangeboten hin … die Teil sozialer Bewegungen ist zu einer Friedensorganisation mit und Impulse aus sozialen Bewegun- Für Rückfragen und Gespräche ste- zahlreichen Projekten im In- und Aus- gen aufnimmt hen wir gerne zur Verfügung. An- land. Dies hat zu einer Konzentration … die ein Beispiel dafür ist, wie sich meldungen für den KURVE-Rat so- von Arbeits – und Entscheidungspro- Menschen basisdemokratisch und hi- wie das Vortreffen am Freitag abend zessen in der Geschäftsstelle geführt, erarchiearm organisieren können nimmt die KURVE entgegen. die es für einzelne Mitglieder nicht … in der Entscheidungen von den Be- einfach macht, KURVE-Arbeit aktiv troffenen an der Basis nach dem Kon- Es grüßen euch und Sie herzlich mitzugestalten. Die KURVE ist zu ei- sensprinzip gefällt werden nem komplexen Geflecht verschie- … die ein Ort gelebter Aktiver Gewalt- Birgit Felleisen, Nicolaus Ilgner, Na- dener Projekte geworden, die für freiheit ist schi Janoschka, Ulrike Laubenthal, ehrenamtlich Engagierte kaum noch … in der haupt- und ehrenamtliche Milana Müller und Jan Stehn zu durchschauen ist. Hauptamtliche MitarbeiterInnen gemeinsam Bil- MitarbeiterInnen sind sehr auf ihre ei- dungsarbeit und Begegnung gestal- gene Arbeit konzentriert und können ten können

•Rodrigues Walther Ahrens Parrin • • Margrit Doris Pattky Albers • •Peace Marianne Action von Macedo Alemannia • Caro• Peace von Action Alema Trainingn • Katharina and Research Arndt • Karin Institute Backhaus of Romania • David PATRIR Baltzer • DANKE• Steffi • BarischPeace Briga-

74 des International• Jeannette PBI Barwasse • Peace •and Britta Democracy Baumgarten Foundatio • Maguyn PDF Béchetoille (Ost Timor) • Pet • raDANKE Beckmann • Peace, • Anne-Doerthe Healing and ReconcilBeer • Wolfgangiation Programme Beer • Christine PHARP Benic (Kenya)ke • •

75 30 Jahre KURVE – 10 Jahre Trainingskollektiv Windrose

Seit zehn Jahren gibt es das Trai- zu anderen TrainerInnen über die Personen, die am Treffen „KURVE ningskollektiv „Windrose – Trainings Ausbildung hinaus halten wollten. Im braucht Bewegung“ teilgenommen für gewaltfreies Handeln“, wenn auch Juni 2001 wurde das „Trainingskol- hatten, in den Vorstand gewählt. anfangs in anderer Struktur. Unsere lektiv der KURVE Wustrow“ mit zehn Zugleich zeigte diese Mitgliederver- Beziehung zur KURVE Wustrow ist Mitgliedern neu gegründet. sammlung aber deutlich, dass un- so alt wie unser Kollektiv selbst. In ser Wunsch, in der KURVE Wustrow den 80er Jahren ist unser Vorläufer KURVE-Konflikte mehr Basisdemokratie und Konsens- entstanden, das erste „Trainingskol- Entscheidungen einzuführen und Hi- lektiv der KURVE Wustrow“. Damals Schon im folgenden Jahr bekamen erarchien abzubauen, auf große Wi- entstanden viele Trainingskollektive wir Gelegenheit, die Sache mit der derstände stieß. Die Entscheidungen (TK) als Teil der „neuen sozialen Be- Konfliktbearbeitung ganz praktisch der Mitgliederversammlung gingen wegungen“. Die meisten TrainerIn- auszuprobieren. Als selbstverwalte- eher in die andere Richtung. nen engagierten sich ehrenamtlich, tes, basisdemokratisches Trainings- Hauptarbeitsfeld war die Vorberei- kollektiv hatten wir die Vorstellung, Gründung TK Windrose tung von Gruppen für gewaltfreie Ak- dass wir mit den anderen Teilen der tionen. KURVE Wustrow in einem gleichbe- Im Mai 2004 entschieden wir deshalb: rechtigten Prozess kommunizieren „Wir beschließen, ein eigenständiges Veränderungen in den 90ern und Entscheidungen treffen würden. Trainingskollektiv zu sein, welches Aber die KURVE Wustrow war da- nicht mehr Teil der KURVE ist. Die- In den 90er Jahren trat eine Verände- mals in einer Phase, in der es sehr se Entscheidung treffen wir, um die rung ein: Zunehmend war das, was starke Hierarchien gab. Wir fanden Blockaden der letzten Zeit aufzuhe- wir in den Trainings machten, auch keinen Raum für die Art von Ent- ben. Wichtig ist uns auch in Zukunft in anderen gesellschaftlichen Berei- scheidungsprozessen und Konflikt- einen respektvollen Umgang zu pfle- chen gefragt. Es gab Zivilcourage- bearbeitung, die wir uns gewünscht gen. Wir streben Kooperationen mit Trainings, Seminare zu Mediation hätten. Wir waren unzufrieden mit der KURVE an.“ Bald darauf gaben und Gewaltfreier Kommunikation, der Art, wie die Geschäftsführung mit wir uns den Namen „Windrose – Trai- Trainings zum Umgang mit Entschei- MitarbeiterInnen umging, und hatten nings für gewaltfreies Handeln“. dungsprozessen und Konflikten in inhaltliche Kritik an einigen Projekten Organisationen, Trainings für Frie- im Bildungsbereich; wir fanden es Tatsächlich hat diese Entscheidung denseinsätze in Konfliktgebieten. Es zunehmend schwieriger, uns in die- sehr schnell zu einer Entspannung waren nicht mehr so viele TrainerIn- sen Fragen konstruktiv in Prozesse der Situation geführt. Wir konnten nen aktiv, aber diejenigen, die dabei einzubringen. Wir verbrachten sehr schon bald eine gute Zusammenar- blieben, wurden zunehmend pro- viel Zeit mit der Diskussion dieser beit etablieren. Zugleich konnten wir fessioneller. Beim Trainingskollek- Dinge untereinander und mit anderen mit Freude beobachten, dass viele tiv der KURVE Wustrow wurde eine Beteiligten. unserer Impulse doch auf Resonanz 10-Stunden-Stelle zur Koordination gestoßen sind und sich die KURVE geschaffen, es gab zweimal jährlich KURVE braucht Bewegung Wustrow im Laufe der Jahre so ent- Treffen und außerdem mehrere aktive wickelt hat, dass wir uns dort wieder Arbeitsgruppen. Ende der 90er Jah- Ende 2003 schließlich beschlossen wohl fühlen. Wir finden jetzt ein offe- re beendete die Koordinatorin ihre wir, einen letzten Versuch zu machen, nes Ohr für unsere Anregungen und Arbeit. Auch bei vielen anderen Trai- Bewegung in die Sache zu bringen. eine gute Kommunikation. nerInnen änderte sich zu der Zeit die Nach unserer Einschätzung gab es Lebenssituation. Das TK löste sich damals in der KURVE Wustrow eine Trainingsvermittlung auf. Art „Verantwortungsvakuum“: Viele MitarbeiterInnen sahen sich nicht in Ein wichtiger Baustein unserer Zu- Wiederbelebung des der Verantwortung für‘s Ganze, die sammenarbeit ist die Trainingsver- KURVE-TK meisten Vorstandsmitglieder waren mittlung. Wenn bei der KURVE Wust- dabei sich zu verabschieden, nur row Anfragen für Trainings eingehen, Im Februar 2001 gab es in Wustrow wenige Mitglieder waren aktiv. Mit werden die vom Bildungsreferat an ein Treffen, um über eine Neugrün- der Initiative „KURVE braucht Bewe- uns weiter geleitet. Wir konnten in dung bzw. Wiederbelebung des TK gung“ luden wir Menschen aus dem den letzten Jahren zahlreiche in die- nachzudenken. Der Impuls dazu kam Umfeld der KURVE ein, gemeinsam ser Art vermittelte Trainings durch- von AbsolventInnen der KURVE-Trai- Verantwortung zu übernehmen. Tat- führen, z.B. mit Schulklassen und mit nerInnen-Ausbildung, die gerne den sächlich wurden auf der Mitglieder- LehrerInnen, mit Aktionsgruppen, mit Kontakt sowohl zur KURVE als auch versammlung im Februar 2004 zwei einem Wohnprojekt.

•Lisa Walther Peschel Ahrens • Anja • Margrit Petz • AlbersGizela •Piechocha Marianne •von Judith Aleman Pietreck • Caro • Plattform von Alema Zivilen • Katharina Konfliktbearbeitung Arndt • Karin • BackhausAnia Podstawska • David • BaltzerDANKE • • Steffi Narasingham Barisch Ponn-

76 77 Außerdem sind TrainerInnen der ber 2010. Eine KURVE-Mitarbeiterin Windrose immer wieder dabei, wenn koordiniert die Trainingskampagne, die KURVE Wustrow Projekte im und Windrosen-TrainerInnen führen Bildungsbereich durchführt. Dazu in der KURVE Wustrow TrainerInnen- gehörten ein regionales Demokratie- Trainings durch, um mehr Menschen Projekt für Schulen, ein palästinen- dazu anzuleiten, selber in der heißen sisch-deutscher Schüleraustausch Phase im Herbst und im Vorfeld Ak- zu Mediation, ein Trainingsprojekt tionstrainings durchzuführen. Über für Gewaltfreiheit in Palästina, das diese Arbeit haben auch unsere neu- „Youth Power“-Programm, sowie das en Mitglieder die KURVE Wustrow jährlich stattfindende Internationale und ihre Arbeit ganz direkt erlebt. Training für Gewaltfreiheit. Selbst- verständlich haben wir auch bei Trai- Wir gratulieren der KURVE herzlich nings, die nicht über die KURVE ver- zum 30. Geburtstag! mittelt wurden, die Arbeit der KURVE Wustrow mit im Blick und können Windrose – Trainings für gewaltfreies z.B. TeilnehmerInnen auf Angebote Handeln der KURVE Wustrow verweisen und entsprechende Materialien auslegen.

Trainingskampagne 2010

Ein junges Feld enger Zusammen- arbeit ist die Trainingskampagne für den Castor-Widerstand im Novem-

„Windrose – Trainings für gewaltfreies Handeln“ ist ein selbstverwalteter Zusammenschluss von Trainerinnen und Trainern für gewaltfreies Handeln. Wir bieten Trainings, Seminare und Beratungen an, z. B.

• zum konstruktiven Umgang mit Konflikten in Schule, Beruf, Familie und Nachbarschaft • zum gewaltfreien Umgang mit Gewalt und Bedrohungssituationen (Zivilcourage-Training, Trainings zum Um- gang mit eskalierten Situationen) • zur Vorbereitung auf gewaltfreie Aktionen, Analyse politischer Konflikte, Strategie- und Kampagnenplanung für erfolgreiches politisches Handeln

Der Leitgedanke der Aktiven Gewaltfreiheit wirkt sich sowohl auf die Inhalte als auch auf die Methodik unserer Trainings aus. Wir möchten Einzelne und Gruppen stärken, sich für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für Men- schenrechte und Selbstbestimmung sowie für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen einzusetzen.

Wir sind zur Zeit sieben aktive Mitglieder und vier Personen mit ruhender Mitgliedschaft. Wir treffen uns zweimal jährlich zu einem zweitägigen Treffen und zusätzlich einmal zu einer etwas längeren, selbstorganisierten Fortbil- dung. Hierzu laden wir auch andere TrainerInnen ein.

Wer mehr über uns und unsere Arbeit wissen möchte, kann uns über die KURVE kontaktieren oder auf unserer Webseite www.tk-windrose.de weiterlesen.

ampalam• Jeannette • Jens Pühn Barwasse • Quifd • /Britta Agentur Baumgarten für Qualität • Maguy in Freiwilligendiensten Béchetoille • Pet ra• KatharinaBeckmann Radmüller • Anne-Doerthe • Ulrike Beer Ramlo • Wolfgangw • Jasmin Beer Redzepovic • Christine •Benic DANKEke • •

77 In den Vorstand gestolpert Von Schulamith Weil

Mit ihrem Aufruf „KURVE braucht Die bei der Mitgliederversammlung Es folgten viele Stunden dauernde Bewegung – Bewegung braucht zur Diskussion stehenden Anträge, Vorstandssitzungen, Jahre des Ler- KURVE!“ lud das damalige KURVE- mit denen der zu wählende Vorstand nens, was die KURVE Wustrow ei- Trainingskollektiv Anfang 2004 nicht verpflichtet werden sollte, bestimm- gentlich ausmacht und der Begleitung nur Vereinsmitglieder, sondern auch te Maßnahmen zur Beilegung des und Unterstützung der Geschäftsstel- SympathisantInnen und Bekannte Konfliktes und zur Schadensbe- le darin, die KURVE Wustrow finan- der KURVE Wustrow ein, sich am grenzung in der Außenwirkung zu ziell, personell und atmosphärisch Diskussionsprozess zu beteiligen ergreifen, unterschieden sich dann wieder in ruhigeres Fahrwasser zu und wohlmöglich mit einer Gruppe auch in Nuancen an dem Punkt „… steuern. von TrainerInnen gemeinsam in den mehr Transparenz, mehr Partizipa- Vorstand zu gehen. tion und mehr Konsensorientierung Die Zusammenarbeit im Vorstand zu verwirklichen…“ (vgl. hierzu die war durchgehend konstruktiv, Mei- Ich zählte wirklich nur zu den entfern- Dokumentation des Aufrufs und des nungsverschiedenheiten waren im- ten Bekannten: für unseren Friedens- Vorstandsbeschlusses S. 74-75 so- mer irgendwie zu klären. In den ritt 1999 zum Thema „Gewaltfreie wie zu dem Konflikt S. 22-23). Basis Vorstandssitzungen im Konsens zu Alternativen – Ziviler Friedensdienst“ der Anträge war ein Vorschlag des entscheiden, wurde schnell verabre- hatte die KURVE Wustrow uns Ulli AGDF-Vorstandes Jan Gildemeister, det und gelang immer. Von anfäng- Laubenthal als Trainerin für Gewalt- der damit die Mitgliedsorganisation lichen Diskussionen über einzelne freiheit vermittelt. Sie ist mit uns in der Lösung ihres Problems unter- „KURVE-öffentliche“ Sitzungen hat geritten und hat Trainings gemacht. stützen wollte. Mir gefiel die deutli- sich die Vorstandsarbeit bis zu regel- Auch Harald Förster (geborener Mül- cher Konsens-orientierte Version des mäßigen öffentlichen Vorstandssit- ler) war später ein paar Mal zu den Antrags zwar besser, ich unterschrieb zungen mit Teamplenum weiterent- Friedensritt-Vorbereitungstreffen aber letztlich auch die andere, denn wickelt. gekommen, wobei er jedoch wegen bei gutem Willen sah ich für den kom- seiner Auslandspläne nie teilnehmen menden Vorstand in beiden Fällen die Das Trainingskollektiv hat sich ent- konnte. Möglichkeit, in die richtige Richtung schieden, ein unabhängiges Trai- zu steuern. ningskollektiv Windrose zu gründen. Neugier im Konflikt Für beide Seiten war aber klar, dass Die Idee des Trainingskollektivs war, dies die Chance für eine neue, gute Aus Neugier der Einladung gefolgt, als Gruppe von TrainerInnen mit Er- Zusammenarbeit darstellt. Und die- versuchte ich, den Konflikt zu ver- gänzung in den Vorstand zu gehen, se ist gelungen (Vgl. S. 76-77). Eine stehen, was mir als Quereinsteigerin nicht aber als Einzelne. Diese Vorstel- wichtige Rolle spielte dabei auch Jan kaum möglich war. Ich war mir nicht lung wurde jedoch von der Mitglie- Stehn, der uns sowohl im Kontakt sicher, ob ich unter diesen Umstän- derversammlung nicht unterstützt. zum Trainingskollektiv unterstützte, den etwas nützen könnte, erklärte Mitglieder und Mitarbeiterinnen emp- als auch in der Bildungs-AG und an- mich aber bereit, zur Mitgliederver- fanden sie als eine Art Umsturzver- deren Gremien als konstruktiv-kriti- sammlung zu kommen und eventuell such. Als das klar war, zogen die Trai- sches KURVE-Mitglied stetig beglei- auch für den Vorstand zu kandidie- nerInnen ihre Kandidatur zurück. tete. ren. Ich hielt die KURVE Wustrow für eine gute und wichtige Einrichtung Im neuen KURVE-Vorstand Ein kritischer Rückblick und wollte ihr, wenn möglich, helfen diesen Konflikt zu überstehen. In den In den Vorstand gewählt wurden Aus heutiger Sicht denke ich, dass Vorgesprächen stellte sich Harald dann Klaus-Heinrich Schmitz (auch die Last der Verantwortung für die Förster, während des Konflikts Ge- ein Friedensreiter, aber mit der KUR- rasant gewachsene Organisation und schäftsführer der KURVE Wustrow, VE Wustrow schon mehr bekannt als ihre äußerst riskante wirtschaftliche als Verfechter einer hierarchischen ich), Carsten Wydora (langjähriges Lage Harald Förster als Geschäfts- Leitung der Geschäftsstelle dar, im KURVE-Mitglied und mit Harald Mül- führer verleitet hat, entgegen seinen Gegensatz zu den Forderungen nach ler befreundet), Gert Brüning (Leiter politischen Überzeugungen im Um- Transparenz und Partizipation eini- des benachbarten und befreundeten gang mit MitarbeiterInnen und Kriti- ger MitarbeiterInnen und der Traine- Tagungshauses Königshorst) und kerInnen auf Macht und Hierarchie zu rInnen. Darüber war ich überrascht, ich. Eine interessante Mischung aus setzen. Ich sehe seinen Beitrag, große hatte mich doch Harald anlässlich ei- quasi ‚Gegenkandidaten‘ zu den Plä- Risiken, nicht nur im Finanzbereich, nes Konfliktes bei einem Friedensritt- nen des TK, quasi Kandidatin des TK, richtig gesehen und zur Professiona- Treffen durch praktische Anwendung letztlich aber einfach vier Leuten, die lisierung von Abläufen, auch in Zu- nachhaltig vom Konsens-Prinzip dachten, „der KURVE müsse doch zu sammenarbeit mit der Finanzreferen- überzeugt. helfen sein…!“ tin, beigetragen zu haben. Der Preis

Referat „Ökumene / Gesellschaftliche Verantwortung“ , Evangelische Kirchen in Mitteldeutschland • Johanna Reichhart • Karin Reindlmeier •

78 dafür war hoch: Angst und Misstrau- wohl vorerst bleiben muss. Uns als 2004 Vorstandsmitglied der en bei den MitarbeiterInnen vor Hier- Vorstand war es jedoch wichtig, die KURVE Wustrow und seit 2005 archien, einschließlich der Rolle des Leistung der MitarbeiterInnen auch Vorstandsmitglied der KURVE Vorstands, aber auch untereinander auf der materiellen Ebene anzuerken- Friedensstiftung. konnten nur in jahrelanger Arbeit ab- nen. gebaut werden. Veränderung der Gemeinsame kooperative Vorstandsarbeit Steuerung Die Vorstandsarbeit in den ersten Mit Hilfe von Supervision (Dank an Jahren nach dem Konflikt war sehr Maike Stöckmann für ihre Beglei- intensiv und zeitaufwendig. Jedes tung), gemeinsamen Klausurtagen Vorstandsmitglied hatte, neben den und mehreren Organisations-Ent- Vorstandssitzungen und anderen wicklungs-Prozessen wurde in enger Gremien, eigene Schwerpunkte und Zusammenarbeit mit dem jetzigen Qualitäten, die KURVE Wustrow in Geschäftsführer und dem Team wie- Hausangelegenheiten, in der Kom- der eine Atmosphäre des Vertrauens munikation, in finanziellen Belangen aufgebaut. Wichtig dafür sind die ent- oder fachlich in der Arbeit zu bera- wickelten Entscheidungs- und Kom- ten und zu unterstützen. Nach dem munikations-Strukturen, um ein so Ausscheiden von Carsten Wydora komplexes Gebilde, wie die KURVE und Gert Brüning ergänzte Erika Jen- Wustrow auf kooperative und doch nerjahn-Meyer den Vorstand, später verantwortliche Weise zu steuern Eva Wucholdt. 2010 schied Klaus- (vgl. S. 83-85). Heinrich Schmitz nach sechs Jahren Mitarbeit aus dem Vorstand aus. Finanzen und Anerkennung Kooperation und Vertrauen Ein schwieriger Aspekt des gewalt- freien Umgangs mit den Mitarbeite- Heute, nach sechs Jahren kann ich rInnen ist bis heute die immer knap- sagen, dass sich die Mühe gelohnt pe finanzielle Ausstattung und das hat. Die Atmosphäre in der KURVE nur teilweise abgebaute strukturelle Wustrow ist wieder von Kooperati- Defizit. Während ehrenamtliche Ver- on und Vertrauen geprägt, es macht einsmitglieder eindeutig von ‚Selbst- Spaß in und für die sie zu arbeiten. ausbeutung‘ sprechen können, hat Inhaltliche und politische Diskus- es etwas von Ausbeutung, haupt- sionen können wieder mehr Raum amtliche MitarbeiterInnen nicht an- einnehmen. Es bleibt natürlich für gemessen bezahlen zu können (auch die Gewaltfreiheit und auch für den wenn diese die Ziele der Organisati- Verein noch jede Menge zu tun. Wer on teilen und deshalb „ehrenamtlich“ jetzt in den Vorstand geht, findet aber mehr Arbeit hineinstecken, als sie eine funktionierende Geschäftsstelle bezahlt bekommen). So wurde das vor, die mit Vorstand und Mitgliedern Weihnachtsgeld abgeschafft, nach- an einem Strang zieht. Eine wichtige dem es einmal schweren Herzens per Aufgabe für die Zukunft könnte darin Vorstandsbeschluss und ein weiteres bestehen, den Verein wieder zu stär- Mal, mit gewachsenem Verständnis ken, neue Mitglieder und Spenden zu des Teams für die Zusammenhänge, werben. als freiwilliger Beitrag der Mitarbei- terInnen nicht ausgezahlt wurde. Es Ich selbst habe es jedenfalls nicht schien nicht mehr sinnvoll, formell bereut, in den Vorstand ‚gestolpert‘ daran festzuhalten. Stattdessen gibt zu sein. Ich habe in den letzten sechs es nun eine komplizierte Formel, die Jahren viel gelernt und trotz Insol- besagt, dass die MitarbeiterInnen venz-Drohung und Konflikten gute unter bestimmten Bedingungen eine Erfahrungen gemacht. Gerne würde Jahresgratifikation erhalten, wenn der ich in der nächsten Zeit den Staffel- vergangene und der zu erwartende stab an jüngere Vorstandsmitglieder Jahresabschluss es möglich machen. übergeben. Eine leichte Anhebung des Grundge- haltes wurde Anfang 2009 vorgenom- Schulamith Weil, geb. 1968 ist Dipl. men. Kleine Schritte, bei denen es bei Sozialpädagogin und seit 2000 Betrachtung der aktuellen Finanzlage im Wendland ansässig. Sie ist seit

Gisela Renneberg • Lena Reuber • DANKE • Ilka Reuter • Nico Richter • Bernd Rieche • Robert-Bosch-Stiftung • Anne Claudia Rocholl • Jürgen

79 Finanz-KURVEn Von Chancen, Zwängen und Entwicklungsphasen

Von Harald Förster und Peter Steudtner

Schon seit Beginn der Bildungs- und bestand aus allen Ein- und Ausgän- schnell von statten, wie in der Puber- Begegnungsstätte für gewaltfreie gen, es gab keine Jahresabgren- tät, wenn man mit 15 Jahren in die Aktion wurde der Finanzbeschaf- zungen und auch keine buchhalte- Länge schießt, so wuchs auch die fung eine große Rolle zugewiesen. rischen Rückstellungen, nicht mal KURVE Wustrow ab der 15-Jahrfeier Bevor 1981 das „Haus in der Kurve“ eine Abschreibung auf das Haus. Als schnell empor. in Wustrow erworben wurde, stell- ich 1995 zu unserem Dachverband te der Gründungsvorstand sicher, AGDF wechselte, war unser Umsatz- In den folgenden Jahren kamen viele dass die Kauf- und Reparatursumme volumen mit rund 160.000 DM nicht neue Finanzierungen über die AGDF durch Spenden und vor allem zinslo- wesentlich größer, aber es waren we- und später dann auch über den Eu- se Darlehen gedeckt werden konnte. sentlich mehr Aktivitäten geworden. ropäischer Freiwilligendienst (EVS). Hierfür übernahm Hans-Jürgen Op- Ab 1996/1997 begannen die ersten pelland über 29 Jahre lang das Amt Die Übergangsphase war immer Friedensdienstprojekte und ab 1999 des Treuhänders, bis 2009 das Haus noch vom „Wir machen alles selbst“ die ersten vollfinanzierten Projek- in den Besitz der KURVE Friedens- gekennzeichnet: Der Vorstand muss- tedes Zivilen Friedensdienstes. Die stiftung überging. In den ersten Jah- te sein „Kind“ noch auf dem Arm tra- Projektvolumina stiegen rasant an ren wurde die gesamte Buchführung gen, so klebte er teilweise selbst Be- und mit Ihnen die Anforderungen der ehrenamtlich vom Vorstand über- lege auf, heftete sie ab und machte Zuschussgeber an Rechnungslegung nommen. Anspruchsvoll im Finanz- die Buchhaltung. und Dokumentation. Das Finanzma- bereich waren jedoch die umfangrei- nagement musste kontinuierlich an chen Baumaßnahmen, die vor allem Von der Übergangs- zur die wachsenden Anforderungen, was in den ersten zehn KURVE-Jahren Jugendphase jedoch nur zum Teil gelang. erhebliche Teile des Haushalts aus- machten. Ziel war dann für die „Jugendpha- 2000: Massive se“, weiter in Richtung Arbeitsteilung Finanzprobleme Lebenszeitkonzept: und Ausdifferenzierung der verschie- Gründungsphase denen Arbeitsbereiche zu kommen: Bis Anfang 2000 hatte es eine Dop- auch eine Professionalisierung in der pelspitze aus wirtschaftlicher Ge- Harald Förster (geborener Müller), Finanzverwaltung, die eine Umstel- schäftsführung und Programmlei- von 1990 bis 1995 und von 2003 lung auf elektronische Buchführung tung gegeben, die dann jedoch aus bis 2006 hauptamtlicher Geschäfts- beinhaltete und die Anlegung eines Kostengründen und wegen vorher- führer, sowie von 2000 bis 2001 eh- gängigen Kontenrahmenplanes. Das gehender Schwierigkeiten mit zwi- renamtlich im Vorstand der KURVE war dann immer noch nicht mit ei- schenzeitlichen Geschäftsführe- Wustrow, bezeichnet diese ersten ner aussagekräftigen Buchhaltung zu rinnen aufgehoben wurde. Hagen zehn Jahre entsprechend dem Le- vergleichen, aber zumindest reichte Berndt übernahm als bisheriger benszeitkonzept von Organisationen es für einen aussagekräftigen Jahres- Programmleiter bis Ende 2002 beide mit der „Kinderheitsphase“: Eine der abschluss, der auch nach Außen hin Leitungsbereiche. In dieser Zeit war Möglichkeiten in dieser Phase ist das nutzbar war. deutlich geworden, dass es ein mas- Vorhandensein einer Gründungsper- sives Finanzproblem gab. Das man- sönlichkeit, auf die die Organisation 1994/1995 hatte die KURVE Wustrow gelhafte Finanzmanagement führte stark zugeschnitten ist. In der KURVE begonnen, die Aktivitäten vor allem zu einem strukturellen Defizit. Durch Wustrow war das Wolfgang Hertle. im Freiwilligenbereich auszuweiten. die zunehmend hohen Projektzu- Diese Phase ging mit seinem Weg- Damit gingen in der Folge auch viel schüsse kam es in dieser Zeit jedoch gang 1988/1989 zu Ende und die höhere Finanzvolumina und höhere trotzdem nie zu akuten Liquiditäts- „Phase der Jugend und Pubertät“ Anforderungen an das Finanzma- problemen. begann. Fragen tauchten neu auf nagement einher. wie: Was sind wir hier: Ein selbst- Im Jahr 2000 wurde Harald Müller verwalteter Betrieb? Ein alternatives Konsolidierungsphase (jetzt Förster) wieder angefragt, ob Lebensprojekt? Oder ist das hier ein er den KURVE-Vorstand für den Fi- Betrieb und sehen wir uns als Arbeit- Aus meiner Perspektive war die ers- nanzbereich beraten könnte. 2001 nehmerInnen und Arbeitgeber? te Hälfte der 90er Jahre eine Phase übernahm er auf Bitten hin auch re- der Konsolidierung, Positionsfin- gulär Verantwortung im Vorstand, In dieser Zeit hatten wir ein ziem- dung und des Vorbereitens auf ein bevor er im August 2003 – nachdem lich kleines Umsatzvolumen von gut noch stärkeres Wachstum. Und das die Stelle fast acht Monate vakant 100.000 DM. Unser Jahreshaushalt Wachstum ging dann ab 1995 ganz gewesen war – als Nachfolger von

Rockahr • Sandra Rockenbach • DANKE • Katrin Rockenbauch • Uwe Röhl / Wendland-Computer • Jannik Roll • Dietrich Römer • Jörg Rohwedder •

80 81 Hagen Berndt wieder die wirtschaft- Gründung einer gemeinnützi- liche Geschäftsführung übernahm. Damit begann die „Phase des Er- gen GmbH als 100 %-Tochterge- wachsenen-Daseins“: In dieser Zeit sellschaft des Verein. Als ich 2000 wieder zur KURVE Wust- mussten wir betriebswirtschaftlich Anfang 2006, als ich die KURVE Wust- row kam, war die „Phase der Puber- neu denken und an einigen Stellen row wieder verließ, hatte der Verein tät“ zum Glück schon fast durchstan- steuernd eingreifen lernen. Einerseits mit seinen ca. 50 Hauptamtlichen und den. In den Jahren 2000 bis 2003 mussten Finanzroutinen eingeführt Friedensfachkräften in gut einem Dut- befanden wir uns als Vorstand im an- werden und andererseits bauten wir zend Länder ein Jahresfinanzvolumen nähernden Blindflug in Sachen Kos- Steuerungsinstrumente auf. Es kam von inzwischen rund 1,4 Mio. Euro. tenentwicklung und zwischenzeitlich nicht in erster Linie darauf an, neue überlegte wir sogar, wegen vermu- Projekte zu initiieren, sondern das Be- Klares Wissen um die Krise teter Überschuldung Insolvenz anzu- stehende zu konsolidieren: Kostenma- melden. Jedoch war dies nach einem nagement, wo es nur geht! Personal Dabei konnte das strukturelle Defizit Gutachten nicht notwendig und die- zurückfahren, wo es nur geht. Exter- leider nicht verringert werden, son- ser bittere Schritt blieb dem Verein er- ne durch interne Mitarbeiter ersetzen. dern stieg im Haushaltsjahr 2005 spart. Vorstand und Geschäftsführung Transparenz über unsere weiterhin nochmals um 50.000 Euro. erarbeiteten dann gemeinsam Schrit- bedrohliche finanzielle Lage schaffen. Was es nach der intensiven Umbau- te, wie durch zusätzliche Einnahmen Dies garantierte aber auch zugleich phase aber gab, war das genaue dieses Defizit wieder abzubauen wäre absehbare neue Konfliktlinien in der Wissen um die Finanzsituation und und vor allem eine weitere Steigerung Geschäftsstelle und im Verein! So die KURVE Friedensstiftung war ge- der Verschuldung zu verhindern sei. wurden 2003 Kennzahlen eingeführt gründet. Ferner waren angemessene für die Bereiche Freiwilligendienst Steuerungsinstrumente installiert und In dieser Zeit gab es dann auch, wie in und Friedensfachkräfte, damit über ein Bewusstsein dafür geschaffen, der Vergangenheit fast regelmäßig alle die Anzahl der Entsendungen auch welche Schritte noch zum Abbau des fünf Jahre, sogenannte „Brandbriefe“, die entstandenen Overhead-Kosten Defizits notwendig und möglich wa- d.h. akute Spendenaufrufe. gegenfinanziert werden konnten. ren. Die erfreuliche Finanzentwicklung Durch die guten und erfolgreichen der KURVE Wustrow in den Jahren Spenden- und Zuschussakquisen Dies bedeutete steigende Anforde- bis 2010 mit einem langsamen aber von Hagen Berndt konnte von 2000 rungen an Qualität und Quantität der stetigen Schuldenabbau scheinen mir bis 2002 verhindert werden, dass die Arbeit, an Termintreue bei Antrag- den eingeschlagenen Weg zu bestä- Schulden wuchsen. Jedoch konnten stellungen und Abrechnungen, freie tigt. diese auch nicht abgebaut werden. Honorarmitarbeiter konnten nicht Dies war die kurze Phase einer „zwei- mehr so mit Aufträgen bedient wer- Harald Förster (geborener Müller) ten Pubertät“, wo das Ziel der Stabi- den wie gewohnt, da Hauptamtliche war von 1990 bis 1995 und von 2002 lisierung klar wurde, aber die Instru- möglichst viele gegenfinanzierte Auf- bis 2006 Geschäftsführer der KURVE mente hierzu noch zu implementieren gaben übernehmen mussten, usw. Wustrow sowie 2000 bis 2001 in waren. Um einen konstruktiven Umgang mit ihrem Vorstand. Von 1995 bis 1997 diesen Konflikten zu ermöglichen, war er in der AGDF-Außenstelle in Liquiditätsplanung führten wir mit externer Moderatori- der KURVE Wustrow tätig. on ein Zielvereinbarungs-System in Ab 2002 wurde die Liquiditätspla- der Geschäftsstelle ein, technische nung verfeinert und nun regelmäßig Möglichkeiten für mehr Transparenz aus den Abteilungen mit aktuellen (Intranet) wurden eingeführt und das Informationen gespeist. 2003 habe Team wurde von der Mitgliederver- ich dann in enger Abstimmung mit sammlung mehrfach ermuntert, einen unserem Wirtschaftsprüfer eine neue Betriebsrat zu wählen. Buchhaltungssoftware eingeführt so- wie erstmals einen Jahresabschluss In diese Phase fallen auch meine Vor- nach Bilanzierungskriterien erstellen schläge an die Mitgliederversammlung lassen, der Rückstellungen für einzel- zur Neugestaltung der juristischen ne Projekte sowie Überträge und Jah- Trägerschaft der KURVE Wustrow: resabgrenzungen und eine ordentliche Da der Verein ohne jedes Eigenkapital Abschreibung für das Haus enthielt. bei hohen Umsatzvolumina dauerhaft So konnte erstmals für die KURVE einem hohen Risiko ausgesetzt sein Wustrow eine realistische Darstellung würde, musste Risikominimierung für des operativen Geschäftsergebnisses Vorstand und Verein sowie Absiche- vorgelegt werden – und das war er- rung gegen Verlust des Hauses er- schreckend negativ: im Vergleich zu reicht werden. Zur Absicherung des den erwirtschafteten operativen Er- „Hauses in der Kurve“ schlug ich die trägen plus Spenden hatten wir viel Überführung in eine KURVE-Stiftung zu hohe Personalkosten. vor, zur Absicherung des Risikos aus Erwachsenenphase dem laufenden Geschäftsbetrieb die

Winnie •Romeril Jeannette • Rosa-Luxemburg-Stiftung Barwasse • Britta Baumgarten • DANKE • Maguy • Janna Béchetoille Röskamp • Pet• DANKEra Beckmann • Grazyna • Anne-Doerthe Anna Roszczyk Beer • Nina• Wolfgang Ruderis Beerch • • Matthias Christine Rühmann Benicke • •

80 81 KURVE-Finanzen für Fortgeschrittene Informationen über die KURVE-Buchführung

Von Gabriele Graf

Bis 2001 wurde die Buchführung sind. Durch diese Abgrenzungen ist Seminare) zur Folge. Ein Umlagever- und die Lohnbuchhaltung der KUR- ein besseres Controlling der Ein- und fahren wurde konzipiert, mit dem die VE Wustrow ehrenamtlich und außer Ausgaben möglich. In den Jahren Betriebs-, Personal- und sonstigen Haus geleistet. Ab dem 1.1.2002 wur- 2002 bis 2005 wurde immer wieder Overheadkosten auf die einzelnen de die Buchhaltung in die Geschäfts- an der Verbesserung der Buchfüh- Referate verteilt werden. stelle Wustrow verlagert. rung gearbeitet. Die Lohnbuchhal- tung wurde bis 2005 ehrenamtlich Die KURVE Wustrow beauftragt Durch Anschaffung eines neuen von Peter Sohr geleistet. Ende 2005 seit dem Jahr 2000 die unabhängi- Buchhaltungsprogrammes war es wurde sie dann an die Geschäftsstel- ge Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dann möglich, die Buchführung von le in Wustrow abgegeben. Jetzt war BDO ERGO aus Bonn. Von ihr wird der Einnahmen-/Ausgabenrechnung es erneut nötig das Buchhaltungs- die gesamte Buchhaltung für jedes auf die Finanzbuchhaltung mit dop- programm umzustellen. Seit diesem Geschäftsjahr auf Einhaltung der pelter Buchführung umzustellen. Die Zeitpunkt wird die Finanz- und Lohn- gesetzlichen Vorschriften und den Konsequenz war, dass die KURVE buchhaltung im KURVE-Büro bear- ergänzenden Bestimmungen der Ver- Wustrow ab sofort die Gliederungs- beitet. einssatzung geprüft. vorschriften des Handelsgesetzbu- ches einhalten musste. Im ersten Mit der neuen Software war ab dem Jahr bedeutete dies einen erhöh- Geschäftsjahr 2006 eine vernünftige Gabriele Graf ist seit 2002 im Finanz- ten Arbeitsaufwand durch die Um- Kostenstellen und Kostenträgerrech- referat der KURVE Wustrow tätig stellung des Kontenrahmenplanes. nung möglich. Dies hatte allerdings undhat am Aufbau des Finanz- Verbindlichkeiten, Forderungen und eine erneute Umstellung des bisheri- administrationssystems maßgeblich Rückstellungen müssen nun in das gen Kontenrahmenplanes, sowie den mitgewirkt. Geschäftsjahr (01.01. bis 31.12.) ein- Aufbau von Kostenstellen (Referate/ gebucht werden, wo sie entstanden Bereiche) und Kostenträger (Projekte/

Die KURVE Wustrow in Zahlen:

Jahr 1982 (in DM) 1990 (in Euro) 2000 (in Euro) 2005 (in Euro) 2009 (in Euro)

Einnahmen inkl. Spenden 98.100,00 77.762,43 634.886,25 1.397.411,85 1.484.879,81

Spenden 78.400,00 43.385,45 198.519,97 74.799,93 59.399,88

Ausgaben 92.200,00 61.062,99 617.914,11 1.445.772,64 1.476.584,15

Ergebnis 5.900,00 16.699,44 16.972,14 -48.360,79 8.295,66

Mareike Rumpf • DANKE • Carolin Ruthig • Fenja Sandfort • Mirco Sandfort • DANKE • Tina Sanio • Sebastian Schaal • Dieter Schaarschmidt •

82 83 OE, oje! OE, naja? OE, juhu! KURVE-Organisationsentwicklungsprozesse seit 2004

Von Jochen Neumann

Als ich im Oktober 2004 bei der KUR- VE Wustrow anfing, nahm ich noch an der letzten Sitzung eines bereits seit eineinhalb Jahren laufenden Or- ganisationsentwicklungsprozesses (OE 1) teil. Wesentliche Ergebnisse des Prozesses waren neue Formulare und Prozeduren für die Formulierung von Zielen – und Tränen der Verlet- zung und Enttäuschung. Es wurde mit einem Team aus drei externen Bera- terInnen an den Instrumenten für den Arbeitsalltag in der Geschäftsstelle gearbeitet. Aus meiner heutigen Sicht lag das Hauptproblem jedoch auf ei- ner ganz anderen Ebene: Es herrschte Misstrauen gegenüber den MitarbeiterInnen, ob sie ihren Job wirklich gut und engagiert ge- nug machten. Gleichzeitig gab es nur wenig Vertrauen in die Geschäftsfüh- rung, dass sie ihre Leitungsaufgabe kollegial und angemessen ausfüllen Juni 2005 eingestellt – es waren nur waren in den bestehenden Strukturen könne. Als Programmleiter war ich Teil wenige Mitglieder und noch weniger nicht einfacher geworden. Schließlich des Leitungsteams geworden, weil MitarbeiterInnen gekommen. waren auch die Haushaltszahlen grö- meine Vorgängerin Erika Jennerjahn- Nach einigen Monaten wurde mir klar, ßer geworden und das Finanzsystem Meyer von der Zusammenarbeit mit dass es zahlreiche Probleme und Her- ebenfalls noch nicht auf höchstem dem Geschäftsführer Harald Förster ausforderungen in der Geschäftsstel- Niveau – wie stehen wir nach 25 Jah- (ehemals Müller) frustriert war und in le und dem Verein KURVE Wustrow ren finanziell überhaupt da? vorgezogene Rente ging. zu bearbeiten galt: Der Grundkonflikt um Hierarchie und Konsens, Leitung Konflikte im Leitungsteam Ausweitung des OE-Prozes- und gemeinsame Entscheidungsfin- ses dung – oder auch: Wie wollen wir bei Zum Jahreswechsel 2005/2006 tra- der Arbeit gewaltfrei miteinander um- ten diese Probleme offen zutage: Im Bereits die Mitgliederversammlung gehen? Darüber hinaus lag es mit der Leitungsteam prallten unsere gegen- im Februar 2004 hatte die Schwä- Beteiligung der Mitglieder des Vereins sätzlichen Verständnisse, wie Leitung chen der OE 1 erkannt und darauf- im Argen – warum kamen nur so we- und kollegialer Umgang miteinander hin beschlossen: „Der OE-Prozess nige zu den Feierlichkeiten zum 25- aussehen sollten, aufeinander. So wird über die Geschäftsstelle und jährigen Jubiläum und den üblichen kam es zur ersten Supervision durch den Vorstand hinaus auf interessier- Vereinsversammlungen? Das inhalt- Maike Stöckmann – zunächst nur für te Mitglieder, ggf. weitere Gremien, liche Profil war zuletzt in einem Leit- das Leitungsteam. Bis heute hat sie Projektgruppen, Trainingskollektiv bild im Jahr 2002 formuliert worden uns bei zahlreichen Supervisionen für und die Friedensfachkräfte ausge- und erschien einerseits nicht mehr das Team und manchmal auch mit dehnt.“ Außerdem wurde eine lange ganz stimmig und bot andererseits Vorstand sowie bei gemeinsamen Liste an Themen aufgeführt, die zu auch nicht genügend Orientierung Klausurwochenenden begleitet. Im bearbeiten sei (vgl. Dokumentation für zukunftsweisende Entscheidun- Dezember 2005 erklärte Harald Mül- S. 57). Für diesen zweiten Organisati- gen – mindestens die Frage nach der ler auf dem ersten Klausurwochenen- onsentwicklungsprozess konnte Win- Arbeit in Deutschland, nach dem Ver- de von Team, Leitung und Vorstand, fried Kerntke, ein alter Wegbegleiter hältnis zur Anti-Atom-Bewegung war dass er die KURVE Wustrow verlas- der KURVE Wustrow und erfahrener nur vage beantwortet. Zudem war die sen werde. Nun lautete die Frage Organisationsberater, gewonnen KURVE Wustrow stark gewachsen konkret: Wie soll die zukünftige Lei- werden. Nach den ersten fünf Tref- und führte viele anspruchsvolle Pro- tungsstruktur aussehen? fen in Hannover, die er ehrenamtlich jekte durch – die Kommunikation mit- moderiert hatte, wurde die OE 2 im einander und das Lernen voneinander Auf der Vorstandssitzung im Novem-

Elke Schäfer• Jeannette • Albrecht Barwasse Schäffer • Britta • DANKE Baumgarten • Dirk Scharme • Maguyr • Béchetoille Anja Schatz • •Pet Karinra Beckmann Schätzle • •Karen Anne-Doerthe Schauppel Beer • Mar • Wolfgangianne Schellhase Beer • Christine • Anke Schemionek Benicke •

83 ber 2005 hatte ich als Programmleiter Ergebnisse waren neue Verabredun- Der erste KURVE-Rat war als Inspi- für jeden der drei inhaltlichen Berei- gen für wöchentliche Teamsitzungen, rationstag gestaltet. Wir ließen uns che eine ganze Liste an offenen Fra- die nicht mehr nur als Zeitverschwen- die Entscheidungsstrukturen von gen und Richtungsentscheidungen dung oder Momente der Kontrolle Peace Brigades International (PBI) formuliert. oder gar Anklage wahrgenommen und dem Weltfriedensdienst (WFD) wurden. Seitdem gibt es zum Beispiel erklären und machten eine intensive Der Jahresabschluss 2005 brachte zu Beginn jeder Teamsitzung eine Übung zum Konsensverfahren an. Es erstmals mehr zum Ausdruck als nur Runde, in der jedeR seine / ihre ei- wurde jedoch schnell klar, dass eini- die Ein- und Ausnahmen eines Ge- genen Momente des Erfolgs oder der ge aus dem Team der MitarbeiterIn- schäftsjahres: das strukturelle Defi- Freude aus der vergangenen Woche nen für eine klare, wenn auch flache, zit der KURVE Wustrow betrug rund berichtet. Die Teamtage mit Beteili- Hierarchie waren. Einige sahen den 170.000 Euro und der Vorstand über- gung aller MitarbeiterInnen und aller Nachteil, dass Konsensentscheidun- legte, Insolvenz anzumelden. Vorstandsmitglieder brachten uns gen viel Zeit brauchen können. Einige auch menschlich einander näher, das sahen sich auch nicht in der Lage, al- Maßnahmenplan gegen gegenseitige Vertrauen wuchs – und les mit entscheiden zu können oder drohende Insolvenz die gemeinsamen Entscheidungen zu wollen – die Verantwortung für wurden tragfähiger. gewisse Entscheidungen wollten sie Bis März 2006 hatte ich einen um- nicht übernehmen. Ihrem eigenen fassenden Maßnahmenplan mit Im Frühjahr 2007 luden wir alle Mit- Anspruch nach hätten sie sich dann kurz- und langfristigen Aufgaben er- glieder und Interessierte zu einem viel mehr einbringen müssen, als sie stellt – darunter auch sehr schwierige weiteren Organisationsentwicklungs- konnten oder wollten. Aber auch ei- Schritte wie die Einstellung der Frei- prozess (OE 4) ein. An zwei Freitagen nige im Vorstand waren für eine Hie- willigenentsendung mit entsprechen- im April und Mai wurden im Rahmen rarchie und legten Wert darauf, dass der betriebsbedingter Kündigung eines KURVE-Rats die folgenden Entscheidungen auch ohne Konsens einer Mitarbeiterin. Allein schon aus Strukturfragen zur Diskussion ge- zu treffen sein müssten. Kostengründen wurde auch die Stel- stellt: „Welche Verantwortung sollen le der Geschäftsführung nicht wieder Mitarbeiter/-innen, geschäftsführen- Konsensorientierter besetzt – nun war ich geschäftsfüh- de Programmleitung und der Vor- Leitungsstil render Programmleiter. stand übernehmen und wie soll diese ausgestaltet werden? Wie sollen Ent- Da ich zuvor über zehn Jahre bei In meiner Zählung startete jetzt die scheidungsstrukturen innerhalb der PBI ehrenamtlich aktiv gewesen war, OE 3. Diesmal lag der Fokus bewusst Geschäftsstelle aussehen? Wie soll/ waren meine Präferenzen klar. Aber auf der internen Kommunikation und kann deren Leitung funktionieren? ich war auch bereit, Verantwortung Zusammenarbeit in der Geschäfts- Wie kann die Kommunikation und zu übernehmen. Mein Anspruch war stelle. Der Prozess bestand aus so- Einbindung der Mitglieder verbessert und blieb, einen konsensorientierten genannten Teamtagen, eintägigen werden?“ Leitungsstil zu pflegen: Ich versuche gemeinsamen Treffen des Teams und die Meinungen und Stimmungen um Vorstands mit Moderation durch Mai- OE im KURVE-Rat mich herum zu ergründen und einzu- ke Stöckmann. Eines der wichtigsten beziehen.

• Reinhard Schemionek • Eike Schirge • Bini Schlamann • Horst-Jürgen Schlegel • DANKE • Hanna Schmerbeck • Katrin Schmid • Urte Schmidt-

84 Leitbild von 2002 erläuterte, bevor an das Klausurwochenende Damit es jedoch nicht am persön- der damalige Bildungsreferent Arne der dort gestartete Organisati- lichen Leitungsstil hängt, wie gut Kohls uns durch die Fragen leitete: onsentwicklungsprozess (OE 6) hohe die Strukturen funktionieren, war es „Was sollten wir tun? Was sollten wir Priorität erforderte: Die satzungsge- wichtig, diese so anzulegen, dass lassen?“ Der Prozess war meines Er- mäße Anzahl an Vorstandsmitglie- eine Konsensorientierung verankert achtens sehr erfolgreich als Selbst- dern war nach dem plötzlichen Aus- ist. Schöne Worte in der Präambel vergewisserung: Wir haben einen ge- scheidens eines langjährig Aktiven der Geschäftsordnung hatten schon meinsamen grundlegenden Konsens nicht mehr gegeben. Der Fokus der früher nicht ausgereicht. So entwi- und wissen, was wir wollen. Dies zu OE 6 sollte die Bindung und Gewin- ckelten wir auf dem zweiten KURVE- Papier zu bringen, scheint schwie- nung von Ehrenamtlichen sein. Zu- Rat, dem Werkstatt-Tag, neue Struk- rig – vielleicht sind die Visionen zu nächst sollten eigentlich die Grund- turen. Wichtigstes Ergebnis war die groß, die Ziele zu hoch, die Schritte lagen gelegt werden: Anfragende für Einführung eines Teamplenums. Dies zu groß? Außerdem setzt jede neue kleine und größere Hilfsarbeiten ein- findet seitdem in der Regel als erster Person, ob Haupt- oder Ehrenamtli- gebunden werden, ehemalige Freiwil- zweistündiger Teil von fast jeder Vor- che, neue Impulse. Ein Stück Papier lige durch weiterführende Angebote standssitzung statt. Wichtige Themen wäre womöglich zu starr. angebunden und schließlich für die werden hier mit allen MitarbeiterIn- dauerhafte ehrenamtliche Mitarbeit nen, der Leitung und dem Vorstand Zuletzt haben wir auf dem Klausur- gewonnen werden. Schon in diesem gemeinsam diskutiert. Der Vorstand wochenende im Februar 2010 be- Jahr konnten wir echte Erfolge feiern: hat das Recht, in der anschließenden schlossen, dass eine Kleingruppe beispielsweise wurde die Aktionstrai- Vorstandssitzung weiter zu beraten aus dem MitarbeiterInnenteam das ningskampagne zur Vorbereitung auf und erst dann zu entscheiden. So ist Mandat erhält, folgende Elemente zu den Castor-Transport im November zumindest gewährleistet, dass alle formulieren: die „Vision“ als Leitsatz, von Cheyenne Schulze über meh- ihre Bedürfnisse und Meinungen äu- ähnlich dem Motto „Gewaltfreiheit rere Monate ehrenamtlich koordi- ßern können und gehört werden. verbreiten“; die zeitlosen und grund- niert (vgl. Artikel S. 88) und auf der sätzlichen „Werte und Prinzipien“ Mitgliederversammlung wurden ein Vom Struktur- und und die „Theorie des Wandels“ der langjähriges Mitglied und eine junge Profilprozess KURVE Wustrow; zuletzt auch unsere ehemalige Freiwillige in den Vorstand „Mission“, also unser Beitrag zum Er- aufgenommen. Dennoch sind die OE Nach einer langen Probephase und reichen der Vision. 5 und 6 nicht abgeschlossen und mehreren Auswertungen und Nach- Profil- und Ehrenamtsfragen werden besserungen schlossen wir die OE 4, Ehrenamtsfragen uns weiter beschäftigen. den sogenannten Struktur-Prozess, im Dezember 2009 mit der Aufnahme Leider sind wir hier noch nicht weiter- Jochen Neumann ist seit 2004 der neuen Strukturen in die KURVE- gekommen. Auch weil im Anschluss Mitarbeiter und seit Anfang 2007 Ge- Geschäftsordnung förmlich ab. Pa- rallel lief und läuft bis heute die OE 5, der sogenannte Profil-Prozess. Jüngster Höhepunkt war die Jahres- tagung zur Frage: „Wieviel Bewegung braucht die zivile, gewaltfreie Kon- fliktbearbeitung?“

Zuvor hatten wir auch in diesem Pro- zess mehrere Inspirationstage mit Fortbildungscharakter, in denen wir mit Jan Stehn zu den Prinzipien der Gewaltfreiheit, mit Jochen Stay zur Praxis der gewaltfreien Aktion und Björn Kunter zu ziviler Konfliktbe- arbeitung gearbeitet haben. Zudem gab es Werkstatttage, an denen wir versuchten, erste Schlussfolgerun- gen zu ziehen. Auf der Jahrestagung im Mai 2008 legte ich beispielsweise neun Kernthesen zur „Theorie des Wandels“ der KURVE Wustrow vor.

Im November 2008 luden wir zu ei- nem weiteren KURVE-Rat ein, auf dem Harmen Storck uns die Grün- dungsidee und Walter Ahrens uns das chen • Zoe Schmitt • Klaus-Heinrich Schmitz • Katharina Schneider • Ulrike Schnurr • Dieter Schöffmann • DANKE • Winfried Scholten • Torsten

85 Die Geschichte der Arbeit- nehmerInnenvertretung in der KURVE Wustrow Von Kirsten Hochhuth

Am 19.06.2002 baten die Mitarbei- terInnen den Vorstand per Brief, eine Teamvertretung an den Vorstandssit- zungen zuzulassen. Dieser Wunsch wurde vom Vorstand begrüßt und am 31.07.2002 beschlossen. Zum dama- ligen Zeitpunkt bedeutete das, dass sich auf der jeweiligen Teamsitzung vor der Vorstandssitzung eine Kol- legIn bereit erklärte, das Kollegium auf der nächsten Vorstandssitzung zu vertreten. So konnten erstmalig Anliegen der Mitarbeiter und Mitar- beiterinnen direkt in die Beratung eingebracht und gemeinsam disku- tiert werden. Auf dieser Basis wurde es dem Team ermöglicht, in die Ent- scheidungsprozesse des Vorstandes und der Geschäftsführung mit einbe- zogen zu sein. So konnte in diesem Zeitraum zum Beispiel eine einheitli- che Urlaubsregelung für alle KollegIn- Gut vertreten: Ein Großteil des KURVE-Teams 2010 nen in Form von 30 Arbeitstagen auf den Weg gebracht werden. Diese Art der Interessenvertretung? Wer darf rInnen. So wurde der Betriebsrat ein der Zusammenarbeit war für beide sich an der Wahl beteiligen? Gibt es fester Bestandteil der Auswahlkom- Seiten sehr fruchtbar. nicht doch noch eine andere Mög- missionen. lichkeit, die ArbeitnehmerInnenrechte Ab Sommer 2005 wurde jedoch deut- wahrzunehmen? In dieser Zeit konnte in Zusammen- lich, dass die Teamvertretung auch arbeit mit dem Vorstand auch eine mit Rechten ausgestattet sein muss, Anfang 2006 traf das Team die Ent- gemeinsame Formulierung für die die es ihr erlauben, in Personalange- scheidung für die Einrichtung eines Auszahlung des Kinderzuschlages an legenheiten mitentscheiden zu kön- Betriebsrates. Das Betriebsverfas- die MitarbeiterInnen erarbeitet und nen. Es stellte sich heraus, dass laut sungsgesetz sieht für die Anzahl der beschlossen werden. Betriebsverfassungsgesetz nur die in KURVE beschäftigten Arbeitneh- Wahl einer Personalvertretung eine merInnen lediglich eine Person vor, Einen besonderen Höhepunkt er- rechtlich fundierte Alternative zur bis- die den Betriebsrat bildet. Im April reichte die Zusammenarbeit mit der herigen Teamvertretung sein kann. Es 2006 wurde Kirsten Hochmuth als Unterzeichnung der Betriebsverein- gab darüber hinaus viele Fragen zu Betriebsratsvorsitzende gewählt. Dies barung am 16.01.2009 (u.a. wurde klären und zu diskutieren, ein über hatte eine Reihe von Neuerungen in die erste Lohnerhöhung für die Ar- Monate währender Diskussionspro- der Zusammenarbeit zur Folge. beitnehmerInnen beschlossen). zess unter den MitarbeiterInnen, der So musste der Vorstand vor jeder Geschäftsleitung und dem Vorstand Kündigung den Betriebsrat anhö- Zu Beginn des Jahres 2010 ging die begann. Fragen wie: Passt ein Be- ren, es gab Fristen und Gesetze zu Wahlperiode des ersten Betriebsra- triebsrat in die Struktur der KURVE beachten. Für beide Seiten, den Be- tes zu Ende. Das Team wählte einen Wustrow? Wollen und brauchen wir triebsrat und den Vorstand, war das neuen Betriebsrat, deren Vorsitzende als kleiner Verein, der aus gewaltfrei- eine große Herausforderung und ein nun Andrea Ohloff ist. en Bewegungen entstanden und mit Lernprozess. Desweiteren hatte das den Ideen von Selbstorganisation und Bestehen des Betriebsrates Auswir- Kirsten Hochhuth ist seit 2002 Mi- Konsensentscheidung verbunden ist, kungen auf die Auswahlverfahren tarbeiterin der KURVE Wustrow und ein gesetzlich reguliertes Instrument bei der Einstellung neuer Mitarbeite- war von 2006 bis 2010 Betriebsrätin.

Schramm • Karen Schubert • Karin Schubert • Irmgard Schuchardt • Sibylle Schüller • Lena Schulte • Christiane Schultz • DANKE • Torsten

86 Sorgenkind Verein? Von Zweifeln an der Rechtsform und der Wichtigkeit, in der politischen Bewegung verwurzelt zu sein

Von Schulamith Weil

Immer mal wieder kam in den vergan- und die Personalbuchhaltung mach- tiven Mitglieder, immer ein wenig da- genen Jahren in der KURVE Wustrow ten, die Finanzen prüften und immer ran erinnerte, sie und ihre Motive, die die Frage auf, ob die Form des Ver- wieder einsprangen, wenn „Not an Wurzeln, die ursprüngliche Idee und eins für die Arbeit dieser professio- der KURVE“ war. All das taten sie aus auch den persönlichen Kontakt und nellen Nicht-Regierungs-Organisati- der politischen Überzeugung von der die Wertschätzung für das, was sie on denn noch angemessen sei. Wenn Wichtigkeit, für und mit Gewaltfreiheit geschaffen haben nicht zu verlieren. Mitgliederversammlungen schlecht zu streiten. Und sie erinnerten immer Daher freue ich mich über den Brü- besucht sind, es an Vorstandskandi- wieder an die Wurzeln der KURVE ckenschlag, der nach meinem Gefühl datInnen fehlt, Spenden nur spärlich Wustrow und ihre ursprünglichen Zie- mit der Jahrestagung gelungen ist. fließen, sind solche Fragen verständ- le und Arbeitsfelder. Die Verbindung Damit dieser Dialog außerhalb solcher lich. Dazu kommt die Schwierigkeit zu diesen Wurzeln wollten wir nicht festlichen Ereignisse und trotz der für einen ehrenamtlichen Vorstand, trennen. weitverzweigten und professionellen die von den hauptamtlichen Mitarbei- Arbeit der Geschäftsstelle wieder re- terInnen koordinierten Projekte in ihrer Wem das vielleicht in den letzten Jah- gelmäßig gelingen kann, müssen die Vielfältigkeit und Komplexität noch zu ren nicht so nachvollziehbar war, der Öffentlichkeitsarbeit und die Kom- durchschauen und zu kontrollieren. hat die Wichtigkeit dieser Wurzeln munikationswege mit Mitgliedern Mitglieder sind auf eine sehr gute Öf- auch für die heutige Arbeit der KUR- und Interessierten nachwachsen. Wir fentlichkeitsarbeit der Geschäftsstelle VE Wustrow vielleicht bei der dies- sind froh, dass wir die Stelle der Öf- angewiesen, um zu verstehen, woran jährigen Jubiläums-Jahrestagung fentlichkeitsarbeit ab 2011 mit Steffi gearbeitet wird, und sich zumindest gespürt. Gründungsmitglieder, alte Barisch wieder unbefristet besetzen an der politischen Diskussion um die WeggefährtInnen, neue Mitglieder, können. Inhalte zu beteiligen. Interessierte und die internationalen PartnerInnen der KURVE Wustrow Es wird noch einiges zu tun sein, da- Und daran haperte es, nicht zuletzt kamen zusammen, um darüber zu mit es wieder einen lebendigeren, aus finanziellen Gründen, war die diskutieren, wo zwischen sozialen aktiven Verein und einen jüngeren Stelle der Öffentlichkeitsarbeit sogar Bewegungen und professioneller zi- Vorstand gibt. Mit einer regelrechten phasenweise unbesetzt. viler Konfliktbearbeitung der Platz Stellenanzeige haben wir bei Freiwil- der KURVE Wustrow wohl zu finden ligen und FreundInnen für das Vor- So gab es Vorschläge, die Geschäfts- sei. Ich glaube, allen Anwesenden ist standsamt geworben. stelle mit all ihren Projekten in eine deutlich geworden, wie inspirierend gGmbH umzuwandeln (vgl. den Arti- es sein kann, wenn die VordenkerIn- Mit Erfolg. Der neue Vorstand: Mari- kel über die KURVE Friedensstiftung nen aus dem Nähkästchen plaudern, na Schulz, ehemalige Freiwillige der S. 89-90). In der Zeit meiner Vor- wenn jetzige PartnerInnen etwas vom KURVE Wustrow; Erika Jennerjahn- standstätigkeit haben wir dennoch Ursprung der ganzen Idee erfahren Meyer eine ‚altgediente‘ ehemalige an der Entscheidung festgehalten, und umgekehrt, Vereinsmitglieder Mitarbeiterin und Vorstandsfrau, die bei der Form des Vereins zu bleiben spüren können, dass da manch Neu- es noch einmal tut, und aus dem und lieber daran zu arbeiten, dass er es gewachsen ist, das auch seine ‚alten‘ Vorstand machen weiter: Eva wieder lebendiger mitwirkt. Berechtigung und seinen Wert hat. Wuchholdt und Schulamith Weil. Eine Die kritische Nachfrage vor allem weitere ehemalige Freiwillige hat Inte- Der Verein hat seit 1980 die Bildungs- politisch motivierter Mitglieder, das resse angemeldet und wird baldmög- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Mitreden derer, die nicht in den Alltag lichst in den Vorstand aufgenommen Aktion gegründet und aufgebaut. Ver- einer Geschäftsstelle verstrickt sind, (kooptiert). einsmitglieder gaben Spenden und sondern nur an ‚die Sache‘ denken, Darlehen zum Kauf des Hauses, zahl- wie sie sie verstehen, ist meiner An- Die Richtung stimmt! ten Mitgliedsbeitrag und sammelten sicht nach unersetzbar für eine Orga- Spenden. Vereinsmitglieder redeten nisation, die den Anspruch hat, die Schulamith Weil, geb. 1968 ist Dipl. sich auf Mitgliederversammlungen Gesellschaft zugunsten von Gewalt- Sozialpädagogin und seit 2000 im und Vorstands- und Beiratssitzungen freiheit und Menschenrechten verän- Wendland ansässig. Sie ist seit 2004 die Köpfe heiß, um den politisch bes- dern zu wollen. Vorstandsmitglied der KURVE Wus- ten Weg für die KURVE Wustrow zu trow und seit 2005 Vorstandsmitglied finden, alle Klippen auf diesem Weg Ich habe meine Aufgabe als Vorstand der KURVE Friedensstiftung. zu überwinden. Sie waren es, die jah- auch so verstanden, dass ich stellver- relang ehrenamtlich die Buchführung tretend für die momentan nicht so ak-

Schultz • Katharina Schulz • Miriam Schulz • Marina Schulz • DANKE • Zeitschriften und Lotto Wolfgang Schulz • DANKE • Cheyenne Schulze •

87 Workcamps in der KURVE Wustrow Gartengestaltung, Innenausbau, Restaurierung der Außenwand: Ohne die zahlreichen Workcamps wären viele Verbesserungen und notwendigen Reparaturarbeiten nicht möglich gewesen. Und die internationalen Begegnungen während der Workcamps belebt- en und beleben die ganze KURVE Wustrow auch von innen

1998

1989 1998

2002

1998 2010

1998 1998 Holger Schulze Telefonanlagen • Hildegard Schumacher • Sarah Schumacher • DANKE • Hannah Schuster • Meike Schuster • Kathrin Schüttler

88 Frieden stiften – Nachhaltigkeit stiften Die KURVE Friedensstiftung

Von Schulamith Weil & Peter Steudtner

politische Arbeit zu entwickeln. Von Flugblätter konnten ohne eine Kata- diesen drei Säulen wurde vom KUR- logisierung nicht gut genutzt werden. VE-Vorstand der Ansatz der KURVE Keine leichte Aufgabe, aber die zu- Friedensstiftung aufgenommen und nächst ehrenamtliche Mitarbeiterin gemeinsam mit den MitarbeiterInnen Cheyenne Schulz steckte viel Ener- umgesetzt. gie und Wissen hinein, sodass jetzt Die am 22. Oktober 2005 feierlich ge- eine vollständig recherchierbare Da- gründete KURVE Friedensstiftung hat tenbank im Bibliothekscomputer zur zum Ziel, die Arbeit der Bildungs- und Verfügung steht. Die nun öffentlich Begegnungsstätte für gewaltfreie Ak- zugängliche Präsenz-Bibliothek wur- tion KURVE Wustrow, zu sichern und de am 22. Mai 2010 offiziell im ersten zu fördern. Dies war und ist vor allem Stock der KURVE Wustrow einge- auch dem Gründungsvorstand mit weiht. Walter Ahrens, Carsten Wydora, Her- mann Koch, Klaus-Heinrich Schmitz Mit der KURVE-Friedensstiftung ver- und Schulamith Weil ein Anliegen. bindet sich auch die Vision, dass die Damit ist das Gebäude, das so viele Bildungsarbeit der KURVE Wustrow Geschichten über Idee, Entstehung auf unabhängigen, eigenständigen Für die Idee der aktiven Gewaltfrei- und Werdegang der KURVE Wust- Beinen stehen kann. Dies soll vor al- heit eine „Stätte“ der Bildung und row erzählen kann, dauerhaft für die lem auf zwei Wegen geschehen: Zum Begegnung zu schaffen, das heißt ei- Friedensarbeit reserviert. Gefahren, einen ist geplant, durch einen Um- nen Raum für Lernen und Austausch, die in der wechselvollen Geschichte und Anbau für das KURVE-Tagungs- für theoretisches Durchdenken und des Vereins immer wieder auftauch- haus die Bildungs- und Seminararbeit praktisches Erfahren, war das erste ten, wie eine eventuelle Insolvenz wieder aus anderen Tagungshäusern Anliegen des Vereins. So stand der oder die Aberkennung der Gemein- zurück in die Kirchstraße 14 zu holen. Kauf eines Hauses am Anfang der nützigkeit aufgrund von politischen So könnte der Grundgedanke des Le- Aktivitäten in den 80er Jahren. Die Aktivitäten, die der Obrigkeit nicht bens, Arbeitens und Bildens an einem darauf folgende inhaltliche Arbeit schmeckten, können nun nicht mehr Ort fortgeführt werden, der durch die hinterließ ihre Spuren im Haus. Unter zum Verlust des Hauses führen. Ein hohen Ansprüche für Bildungssemi- anderem in Form einer stetig wach- wichtiger Schritt. narunterkünfte in den letzten Jahren senden Bibliothek. Das Haus der nur zum Teil bei KURVE-eigenen Se- KURVE Wustrow in der Kirchstraße Dieser war jedoch nicht einfach, da 14, und die KURVE-Bibliothek sind der Kauf des Hauses und auch viele die Kernstücke der 2005 gegründe- Umbauten und Renovierungsmaß- ten und seit 2009 offiziell errichteten nahmen durch Darlehen und Kredite gemeinnützigen KURVE Friedensstif- finanziert waren, die nun rückgezahlt tung. oder in Spenden umgewidmet wer- den mussten, bevor das Haus in den Die Idee einer KURVE-Stiftung gab Stiftungsbesitz übergehen konnte. es schon in verschiedenen Momen- Großer Dank gebührt dabei denje- ten des KURVE-Lebens, wurde aber nigen DarlehensgeberInnen, die ihre von Harald Förster (ehemals Mül- Darlehen in Spenden umwandelten, ler) und Carsten Wydora seit 2001 sodass die KURVE Wustrow sie nicht stark mit befördert und konkretisiert. zurückzahlen musste! Doch eini- Dabei war die Stiftung nur eine von ge der DarlehensgeberInnen waren drei vorgeschlagenen Säulen: Ne- schon verstorben oder der Kontakt ben der Friedensstiftung war vorge- existierte nicht mehr, sodass hier viel sehen, eine gemeinnützige GmbH Arbeit notwendig war, um die Stiftung als Zweckbetrieb für das Tagungs- mit dem Haus gründen zu können. haus, die Bildungsarbeit und die Ge- Die seit Anfang der 80er Jahre ge- schäftsstelle und den Verein für die sammelten Bücher, Zeitschriften und

• Maria Schwabe • Katharina Schwaiger • DANKE • Henriette Schwarz • Sebastian Schweitzer • Juliane Schwesig • Bianca Sczendzina • Melanie See-

89 minaren umgesetzt werden konnte. der an einem Ort zusammenführt, Zur Umsetzung dieser Visionen zu- Hierfür hat der befreundete Architekt ohne dass beide Bereiche um den sammen mit der ganz praktischen Er- Dirk Scharmer – der sich schon in beengten Raum im Haus konkurrie- haltung des bestehenden Gebäudes den 80er und 90er Jahren beim Aus- ren müssten. braucht es Zustiftungen und Spen- bau des Dachgeschosses engagiert den. Insgesamt wurden schon 8000 hatte – einen Entwurf vorgelegt. Mit Zum Zweiten will die KURVE Frie- Euro von verschiedenen Menschen einem direkt an das KURVE-Haus densstiftung der Verbreitung der Ge- zugestiftet, was zeigt, dass auch klei- anschließenden Gebäude aus Holz, waltfreiheit Vorschub leisten, indem ne Zustiftungen willkommen sind. Stroh und Lehm, in Verbindung mit sie perspektivisch Stipendien für die der ökologischen Sanierung des Bildungsarbeit, für Forschungsar- Schulamith Weil ist seit 2004 im Vor- alten Fachwerkhauses könnte ein beiten im Bereich der Friedens- und stand der KURVE Wustrow und seit schönes, zweckmäßiges und gastli- Konfliktforschung oder Pilotprojekte 2005 auch Mitglied des Vorstands ches Ensemble geschaffen werden, der Friedensarbeit unabhängig von der KURVE Friedensstiftung. das, energietechnisch auf neustem staatlicher oder anderweitiger Förde- Stand, Büro- und Seminararbeit wie- rung finanziert.

Visionen: So könnte das Tagungshaus der KURVE Wustrow aussehen, der Entwurf von Dirk Scharmer

dorf • Katrin Seelige • Fetlework Seifu • Jenny Seltmann • K.A.C. Sepalika • DANKE • Scott Shively • Andrea Sievers • Beate Siewert • Annedore Smith

90 Bibliothek der KURVE Wustrow eingeweiht Bücher, Zeitschriften, Film- und Tonmaterial stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung

Von Steffi Barisch

Die „KURVE Friedensbibliothek“ wur- dem Balkan, im Nahen Osten und in Büchern. Wer sonst einschlägige Li- de seit der Gründung der Bildungs- Südasien. Außerdem sind zahlreiche teratur spenden kann, schreibe uns und Begegnungsstätte für gewalt- Zeitschriften und Flugblätter aus der bitte vorher die Titel, damit wir unnö- freie Aktion im Jahr 1980 aufgebaut bundesweiten Anti-Atom- und Frie- tige Einkäufe und das Sammeln von und kontinuierlich ergänzt. Anlässlich densbewegung ab den 70er Jahren Dubletten vermeiden. D A N K E !“ des diesjährigen Jubiläums der Orga- zu finden. Die Auseinandersetzung nisation sind nun sämtliche Titel mit um die Brennpunkte wie z.B. Gorle- Die Nutzung der Bibliothek ist kos- Hilfe eines nutzerfreundlichen Com- ben, Brokdorf, Wyhl, Kalkar und Wa- tenlos. Der Bestand der Bibliothek ist puterprogrammes erfasst und kön- ckersdorf spiegeln sich darin wieder. elektronisch erfasst und kann auf ei- nen schnell und einfach recherchiert Ein weiterer Schwerpunkt ist der um- nem Computer in den Räumlichkeiten werden. fangreiche Bestand an Schriften über der Präsenzbibliothek recherchiert Mahatma Gandhi und die indische werden. Eine Ausleihe ist nur in Aus- Zur Einweihung der „KURVE Frie- Unabhängigkeitsbewegung. nahmefällen möglich, es können je- densbibliothek“ am 22. Mai 2010 doch Fotokopien gegen eine Gebühr stellte Christine Schweitzer, Mitarbei- Schon im Rundbrief Nr. 5 der Bil- angefertigt werden. Die ausführliche terin des Instituts für Friedensarbeit dungs- und Begegnungsstätte für ge- Systematik der „KURVE Friedensbi- und Gewaltfreie Konfliktaustragung waltfreie Aktion – nach einem kurzen bliothek“ und weitere Informationen (IFGK), die größten Schätze der Li- Namen wurde damals noch gesucht können auf der Webseite der KURVE teratursammlung vor und gab einen – von 1981 steht zur Bibliothek: „Die Wustrow eingesehen werden http:// Einblick in die Themenbereiche: Ge- Mitarbeiter der Bildungs- und Begeg- www.kurvewustrow.org/248-0-biblio- waltfreiheit und gewaltfreie Aktion, nungsstätte für gewaltfreie Aktion ha- thek.html Frieden und Krieg, Ökologie und ben begonnen, eine kleine Bibliothek Umweltzerstörung, Zivile Konfliktbe- aufzubauen. Da Finanzen bekanntlich Steffi Barisch ist seit 2008 für die arbeitung, Pädagogik und Trainings- knapp sind, bitten wir die Autoren un- Öffentlichkeitsarbeit der KURVE arbeit sowie Literatur zu den Pro- ter uns um kostenlose oder verbillig- Wustrow zuständig. jektländern der KURVE Wustrow auf te Überlassung von Broschüren und

Die KURVE-Bibliothek in reger Benutzung 2010 – Aktuelles Engagement der KURVE Wustrow im Anti-Atom-Widerstand & Perspektiven Von Jochen Neumann

Noch tropft die Nase und es kratzt im Zurückhaltung und Vorsicht, ob und wegung braucht die zivile, gewaltfreie Hals – die Folgen des letzten Castor- wenn ja, wie sich die KURVE Wust- Konfliktbearbeitung?“ Für uns gehört Transports sind noch körperlich zu row im Widerstand engagieren sollte. die gewaltfreie Aktion unbedingt zum spüren, politisch sowieso. Aber auch Handwerkszeug der zivilen Konflikt- in der Arbeit in der KURVE Wustrow Aufgrund der persönlichen Haltung bearbeitung, ob im In- oder Ausland. überlegen und diskutieren wir weiter, und oft auch des privaten Anti-Atom- Es geht eben nicht nur um Deeska- wie wir uns in den weiterhin virulen- Engagements war diese KURVE-Linie lation und Mediation. In gewissen Si- ten gesellschaftlichen Konflikt um die nur schweren Herzens auszuhalten. tuationen muss ein gesellschaftlicher Atomenergie einbringen können und Es fühlt sich sehr gut an, nun wieder Konflikt erst durch die gewaltfreie sollen. mutiger und aktiver als Verein und Konfrontation mit den „Mächtigen“ Geschäftsstelle mit zu machen! sichtbar gemacht werden. In all den Jahren waren viele der KURVE-MitarbeiterInnen und Vor- Dass wir im Herbst 2009 als Team Trotz zahlreicher Bedenken, ob wir standsmitglieder immer privat im An- und Vorstand entschieden, nicht nur den immer spürbaren, aber nun neu ti-Atom-Widerstand aktiv gewesen. einen Trecker beim Anti-Atom-Treck geweckten Erwartungen der anderen Es war auch immer Anspruch und nach Berlin zu sponsorn, sondern Initiativen aus der Anti-Atom-Bewe- Praxis gewesen, all unseren nationa- auch gemeinsam zur bundesweiten gung gerecht werden können, wag- len oder internationalen Gästen den Demonstration am 4. September ten wir ein „Ja“ zu den an uns heran- Konflikt vor unserer Haustür nahe zu nach Berlin zu fahren, war die Initi- getragenen Ideen. bringen. Aber seit dem aktiven Enga- alzündung. Wir gingen zusammen So übernahmen wir im Frühjahr so- gement, ja der Organisation der Akti- mit 50.000 Menschen auf die Straße, wohl eine Koordinationsrolle für einen on „Ausrangiert!“ im Jahr 1995 (vgl. trugen ein KURVE-Transparent und Streckenabschnitt der großen Anti- den Artikel auf Seite 36) und den fol- spürten, wie sehr uns dieses Thema Atom-Menschenkette im April als genden Repressionen (wie der Haus- verbindet. auch für eine bundesweite Aktions- durchsuchung) und Drohung (mit dem trainingskampagne zur Vorbereitung Entzug der Gemeinnützigkeit) waren Im Jubiläumsjahr nahmen wir uns so der Castor-Blockaden im November Vorstand und MitarbeiterInnen ver- auch für die Jahrestagung 2010 eine 2010. schreckt. Es folgten lange Jahre der wesentliche Frage vor: „Wieviel Be- Am 24. April 2010 kamen zwischen Der von der KURVE Wustrow organisierte Teil der Anti-Atom-Menschenkette im April 2010 den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel rund 120.000 Menschen zusammen, um eine auf einer Strecke von rund 120km geschlossene Anti- Atom-Menschenkette zu bilden. Das Konzept der Initiative .ausgestrahlt sah vor, dass einzelne Streckenab- schnitte bestimmten Organisationen oder Initiativen zugeordnet wurden, die dann dafür verantwortlich wa- ren, die Menschen in ihrer Region zu mobilisieren und an die Strecke zu bringen. Für die Region Lüchow- Dannenberg organisierten wir – vor allem Daniel Böhm und Lisa Heine, unsere Freiwilligen im Ökologischen Jahr – unter anderem wöchentliche Treffen in der KURVE Wustrow, zwei

• Social, Economical and Environmental Developpers SEED (Sri Lanka) • DANKE • Society for Physically Handicapped People in Gaza Strip (Palästina)

92 Mobilisierung für die große Menschenkette: Minikette mit Papp-AKW in Dannenberg

Mini-Menschenketten in Lüchow und Frankreich nach Lubmin bei Greifs- und zu Formen der gewaltfreien Akti- Dannenberg im Vorfeld und schließ- wald geplant. Die AktionstrainerInnen on zusammenzustellen und zugäng- lich die Anreise mit sieben Bussen für sammeln schon wieder ihre Kräfte. lich zu machen, sowie erfolgreiche über 340 DemonstrantInnen zur gro- Was aber soll die Rolle der KURVE Beispiele aufzubereiten, erscheinen ßen Menschenkette. Wustrow sein? Und bräuchte die ebenfalls stimmig. Aber sind wir bzw. Friedensbewegung nicht auch eine sollen wir noch mehr sein? Organisie- Mit dieser und zahlreichen anderen „Renaissance“ – den Krieg in Afgha- ren wir den Protest und gewaltfreien Aktionen sorgten .ausgestrahlt, cam- nistan lehnt auch die Mehrheit der Widerstand selbst oder begleiten und pact, die BI Lüchow-Dannenberg und deutschen Bevölkerung ab…? bereichern wir andere mit gewaltfrei- andere für eine „Renaissance“ der en Methoden? Anders gefragt: Was Anti-Atom-Bewegung. Auch unsere, Was ist der KURVE Wustrow mög- ist der Mehrwert, den die KURVE in Kooperation mit x1000mal quer, lich? Es ist eine Frage der Ressourcen Wustrow in die sozialen Bewegungen ins Leben gerufene Aktionstrainings- – was können wir neben der anderen in Deutschland einbringen kann? kampagne erhielt immer mehr Zulauf. wichtigen Arbeit, für die wir Finanzie- Bis zur großen Sitzblockade vor dem rung fi nden, noch leisten? Oder wie Nicht unwichtig ist auch, welche Rolle Zwischenlager in Gorleben wurden fi nden wir eine Finanzierung für die uns von den anderen Initiativen, den mindestens 69 Aktionstrainings in 42 Arbeit an den gesellschaftlichen Kon- Bewegungen, zugeschrieben wird. Städten und Orten durchgeführt. Ins- fl ikten in Deutschland? Es ist auch Auch wenn all diese Fragen offen gesamt haben ca. 1.200 Menschen eine Frage des KURVE-Profi ls – was bleiben und weiter diskutiert werden, an diesen Aktionstrainings teilgenom- ist unser Mandat und unsere Rolle im eines ist klar: Die KURVE Wustrow men. Außerdem fanden zwei Ausbil- Verhältnis zur Anti-Atom- und Frie- muss die Konfl ikte in der deutschen dungen für AktionstrainerInnen statt, densbewegung? Mit der Koordination Gesellschaft immer im Blick behalten um die hohe Nachfrage zu bedienen. der Aktionstrainingskampagne sind und sich auch hier einbringen! wir dem Ursprung der KURVE Wust- Wie weiter? Der nächste Castor soll row, eine Bildungs- und Begegnungs- Jochen Neumann ist seit 2004 angeblich schon im nächsten Jahr stätte für gewaltfreie Aktion zu sein, Mitarbeiter und seit Anfang 2007 nach Gorleben rollen. Noch im De- sehr nah. Unsere Ideen, die erarbei- Geschäftsführer der KURVE zember 2010 ist ein Transport aus teten Materialien für Aktionstrainings Wustrow.

• Peter Sohr • Angela Sottong • Nicole Sowade • Sozialer Friedensdienst Göppingen • DANKE • Sparkasse Wustrow • Andreas Speck • Tanya Spencer

93 Grußwort des Bürgermeisters von Wustrow – Ralf Ristau

Liebe Leserinnen und Leser, Auch den nationalen Dauerbrenn- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter punktthemen der Atom- (CASTOR-) nebst Vorstand in der KURVE Wust- im Jahre 1981 wurde in unserer Stadt transporte ins Zwischenlager nach row e.V. Sowohl hauptamtliche als Wustrow (Wendland) im Stadtzen- Gorleben und der Suche nach einem auch ehrenamtliche Beschäftigte set- trum, die KURVE Wustrow e. V. als Endlager für hochradioaktive Stoffe zen sich tatkräftig und zielstrebig zur Bildungs- und Begegnungsstätte für sowie der Problematik der Aussaat Erreichung eines formulierten Leitbil- gewaltfreie Aktion bezogen. In diesem von genmanipulierten Pflanzen, u. des ein, um ihren Beitrag für Gewalt- Jahr konnte mit einem Sommerfest a. Genmais, widmet sich die Arbeit freiheit und Frieden zu leisten. das 30-jährige Bestehen des Vereins in der Begegnungsstätte der KUR- gefeiert werden, der 1980 gegründet VE und setzt sich damit kritisch und Für Ihre Arbeit möchte ich Ihnen dan- worden war. Zu diesem besonderen fachkundig auseinander. ken und Sie ermutigen, weiter für die Anlass gratuliere ich Ihnen in meiner Sache couragiert zu agieren. Ich war Eigenschaft als Bürgermeister der Bereichernd für die Stadt Wustrow sehr überrascht über die Vielzahl Ihrer Stadt ganz herzlich. und den Landkreis ist die diesjährige Aktivitäten in unserer kleinen Stadt. Einweihung der „KURVE-Friedensbi- Wie fruchtbar Ihre Arbeit ist, lässt sich Aus einem ehemaligen Gasthof, wel- bliothek“. Der kostenlose Zugang zu unter anderem daraus ableiten, dass cher 1981 angekauft wurde, ist in ei- den verschiedenen Büchern und Me- sogar neben Kommunalpolitikern, nem etwa 200 Jahre alten Fachwerk- dien steht der ganzen Bevölkerung Europaabgeordnete und Bundesmi- haus ein Tagungshaus im Wendland zur Verfügung und ich empfehle allen nister Ihre Einrichtung besuchten, um mit internationalen Kontakten und einen Besuch dort. sich vor Ort selbst ein Bild von Ihrer Beziehungen entstanden. Zentral in Tätigkeit zu machen. der Bildungsarbeit wird das Hand- Die oben erwähnten Aktivitäten zei- lungskonzept der „Gewaltfreien Akti- gen eine sehr intensive Arbeit der Ich wünsche Ihnen weiterhin Alles on“ aufgezeigt und eingeübt, um ge- Gute und viele gute Gespräche/Ver- waltvollen Auseinandersetzungen zu anstaltungen im Sinne einer friedvol- begegnen und entgegen zu wirken. len, ökologisch ausgeglichenen und Neben den thematischen Schwer- gerechten Welt, von der wir alle als punkten „Zivilcourage“ und „Handeln Individuen profitieren dürften. gegen Rassismus“ belebt die KURVE Herzliche Grüße Wustrow seit diesem Jahr mit ihrer ei- genen Theatergruppe und dem The- Ihr Ralf Ristau aterstück „Annikas (Alp-)Traum“ zum Bürgermeister Wustrow (Wendland), Klimaschutz den Landkreis. im September 2010 Bürgermeister Ralf Ristau mit Jochen Neumann Es ist Krieg in Afghanistan und die Bundeswehr geht hin Von Steffi Barisch

er Krieg in Afghanistan tobte bereits ins Wendland holten. Erzählt wird die tagsbrunch zur europäischen Frie- im achten Jahr, als sich im März 2009 jüngste Geschichte Afghanistans aus denspolitik statt. Mit diesem Enga- die Organisationen Kinder KINDER dem Blickwinkel einer Familie aus gement knüpfte die KURVE Wustrow e.V., das Netzwerk Friedenssteuer Kabul. Deren privates Schicksal wird 2009 an ihr Anti-Kriegs-Engagement e.V. und die KURVE Wustrow aus dem dabei mit den abstrakten Überlegun- zu Afghanistan von 2001 an. Wendland für eine kritische Nahauf- gen der Mächtigen konfrontiert. nahme zusammenschlossen und die Steffi Barisch ist seit 2008 für die Berliner Compagnie mit ihrem Afgha- Über 300 ZuschauerInnen, kamen in Öffentlichkeitsarbeit der KURVE nistan-Theaterstück „Die Verteidi- das Gymnasium Dannenberg. Vier Wustrow zuständig. gung Deutschlands am Hindukusch“ Tage später fand ein politischer Sonn-

• Dirk Sprenger • Stephan Stach • Gerhard Stamer • DANKE • Jochen Stay • Jan Stehn • Ricarda Steinbrecher • Anna Steinkamp • Sally Steinke • Rei-

94 „Ja, ich bin von der KURVE“ Hida Sula, die seit über 20 Jahren für Sauberkeit, Sofas und KURVE-Sympathien in Wustrow sorgt

Hida Sula kam 1987 erstmals in die sind so faul. Die machen gar nichts. borenen Kindern Arpana und Amrita KURVE Wustrow. Ihr Sohn hatte auf Was machen die, die gehen demons- ihre KURVE-Familie. dem Schulweg im KURVE-Fenster trieren da in Gorleben … und es ist einen Zettel gesehen, dass eine Ba- dreckig da. Wie sieht das denn schon Mit Händen und Füßen bysitterin gesucht wurde. Im Jahr aus?‘ Da hab ich gesagt: ‚Du gehst geht es immer zuvor war sie mit ihrer Familie aus mir zu weit. Von außen siehst Du dem Kosovo nach Wustrow gezogen. nichts. Geh mal rein und dann siehst „Für mich ist es wichtig, dass hier Kein einfacher Wechsel, zumal sich du, wie schön es da ist und wie nett viele Menschen aus anderen Län- ihre Suche nach Arbeit sehr schwie- die Leute da sind.‘ Aber viele Leute dern sind. Ich bin einfach froh, wenn rig gestaltete. So fing sie bei Katja waren auch anders und haben gerne Ausländer hierher kommen, weil ich Tempel als Babysitterin für Semina- Sofas für die KURVE gegeben. Wo- selber auch Ausländerin bin. Wenn re und später auch für deren Tochter bei, viele sind auch wirklich gegen die ganz viele hier in die KURVE kom- Johanna an. Einige Zeit später wur- KURVE.“ men, dann sagen die Leute draußen de sie auch angefragt, ob sie nicht in oft: ‚Ganz Wustrow ist voller Auslän- der KURVE Wustrow auch als Reini- Immer offene Türen der!‘ Dann sag ich nur: ‚Ja, sie sind gungskraft anfangen könnte, was sie Ausländer. Aber sie sind auch Men- gerne annahm. Obwohl sie immer das Gefühl hatte, schen.‘ Dann kommt immer: ‚Ach dass sie auf offene Ohren und Türen Hida, ich meine das ja nicht so, wie Seit nunmehr 23 Jahren erlebt sie die in der KURVE Wustrow traf, wurde für Du das jetzt denkst.‘ Aber ich sage KURVE Wustrow von innen heraus sie das Arbeiten familiärer, als Sepali- ihnen dann auch, dass bei mir genau und ist dabei selbst mehr oder we- ka und Hagen Berndt 1992 mit ihrem dieser Eindruck entsteht. Und dann niger sichtbar. So ist sie bislang mit ersten Sohn Yunus ins Haus zogen. erzähle ich ihnen, dass die Teilneh- allen Teams und Teilnehmenden gut Dadurch war kontinuierlich jemand als mer in der KURVE ja dort arbeiten … ausgekommen, was sicherlich auch AnsprechpartnerIn für sie und auch Und wenn die dann fragen: ‚Was ar- an ihrer eigenen sehr verbindlichen für Seminarteilnehmende vorhanden, beiten die denn schon?‘ da kann ich Art liegt, sich selbst zurück zu neh- was Hida sehr wichtig ist. Für Hida ihnen auch nur sagen: ‚Guck mal, das men und gleichzeitig dafür zu sorgen, waren Sepalika und Hagen mit Yunus Büro ist dort: Klopf mal an und frag dass es nicht nur sauber zugeht, son- und den noch in der KURVE-Zeit ge- selber!‘“ dern dass sie auch an allen anderen Stellen mit anpackt, wo es nötig ist. Sorgt für KURVE-Sympathien in Wustrow: Hida Sula

Sei es beim gemeinsamen Kochen mit den TeilnehmerInnen des KURVE In- ternational Trainings on Nonviolence oder indem sie für die Innenausstat- tung der KURVE Wustrow sorgt: „Ich habe auch viel für die KURVE von al- ten Leuten mitgebracht. Den Teppich im Treppenhaus habe ich geholt. Da habe ich gearbeitet und dann einfach gefragt, ob ich den für die KURVE haben kann. Aber auch die Couch im Saal oder Geschirr.“ Dabei waren die Erfahrungen sehr gemischt: „Eine Frau fragt mich, ob ich die Kaffee- maschine für mich will. Als ich sagte, dass sie für die KURVE ist, antwortete sie: ‚Ne, die KURVE kriegt die nicht.‘ ‚Aber Du willst die doch wegschmei- ßen.‘ ‚Ja.‘ ‚Na gut,‘ sagte ich, ‚dann kann ich sie auch für mich nehmen.‘ Stimmte natürlich nicht, ich habe sie sofort hierher in die KURVE gebracht. Ich wollte dann wissen, warum sie so reagiert hatte. Sie antwortete: ‚Die ner Steinweg • Annett Stenzel • Doreen Stenzel • WEGgaben zum 30. Geburtstag Ein Blick auf die Jubiläumsjahrestagung

Von Steffi Barisch

Nehmen wir den 30 Jahre alten Baum dienste, mehr neutrale Vermittlung, namens KURVE Wustrow und neh- mehr Politikberatung? Brauchen wir men wir etliche hundert Baumpflege- gut ausgebildete Fachkräfte oder en- rInnen, die sich dem Gewächs seither gagierte und prinzipienfeste Aktivis- gewidmet haben. Wohl wissend um tInnen? Wie hängt das eine mit dem all die verschiedenen Pflegekünste anderen zusammen? Wo und wann schauen wir auf die braunen verdorr- geht beides, wann aber müssen wir ten Blätter und auf die saftig grünen. uns entscheiden? Und gehen ins Jahr 2010 und wol- len wissen, wie der KURVE Baum Ehemalige Vertraute sahen sich wie- heute aussieht. Ort: Europäisches der, neue Gesichter machten sich Bildungs- und Tagungshaus in Bad miteinander bekannt, ungeahnte Ge- Bevensen, Datum: 15.-17. Oktober meinsamkeiten tauchten auf und ein Arbeitsgruppe zur Arbeit in Palästina auf der 2010. Wir wollen herausfinden, wie näheres Kennenlernen entstand. Der Jubiläumstagung 2010 es sich macht, das Pflänzchen, was Versuch, Antworten zu finden, warf schen, die die BaumpflegerInnen ih- seine PflegerInnen sagen und ob viele neue Fragen auf. Es ging um rem Gewächs mit auf den Weg gaben neue Triebe zu erwarten sind und die den Austausch und nicht um fertige – die Weggaben. Diese zeigen, wie obersten Zweige noch an den Boden Lösungen. Wir legten eine weitere bunt die Blätter sind und wie sehr und bis zu den Wurzeln reichen. Wegstrecke in unseren Profil- und sich die Krone mittlerweile ausgebrei- Strukturprozess zurück. Es lohnt sich tet hat. Der Tagungsinhalt ist kurz erzählt: in die KURVE Dokumentation Nr. 6 Im Zentrum der Jubiläumsjahres- zu schauen, hier sind alle Diskussi- Anliegen, Ideen und Wünsche für tagung stand die Frage nach den onsverläufe und Ergebnisse aus den die Zukunft der KURVE Wustrow aus Bezugspunkten zwischen sozialer Workshops und den Arbeitsgruppen Sicht der … Bewegung und ziviler Konfliktbear- niedergeschrieben. Der Meinungs- beitung. Wie erreichen wir den sozia- austausch wird weitergeführt im … PartnerInnen len Wandel, auf den wir hinarbeiten? Team in Wustrow, im Austausch mit aus Palästina Brauchen wir mehr Bewegung, mehr dem Vorstand und auf den Mitglie- gewaltfreie Aktion, mehr „Druck von derversammlungen. Weiterführung der Unterstützung in der Straße“? Oder brauchen wir mehr Konfliktregionen | Die KURVE verfügt professionalisierte Friedensfach- Zitieren möchte ich aus den Wün- über eine hohe Professionalisierung in ihrer Arbeit; konzentriert euch auch Schulamith Weil (MItte) bei der Begrüßung zum KURVE-Gartenfest 2010 auf die Wurzeln eurer Identität in der sozialen Bewegung | Eine Blume aus Palästina als Teil einer globalen so- zialen Bewegung | Ich wünsche mir weitere Trainings, Artikel und Gedich- te und das Verwandeln des „Ärgers“ in Blumen der Leidenschaft |

… Freiwilligen, die ins Asien und auf dem Balkan ihren Freiwilligendienst gemacht haben

Wir wünschen uns … Offenheit für Neueinsteigerinnen und -einsteiger, um eine vielfältige KURVE-Gemein- schaft zu ermöglichen | … Transpa- renz zu und in den Inhalten der KURVE und Möglichkeiten, uns zu beteiligen |

Jill Sternberg • Evelyn Steudel • DANKE • Peter Steudtner • Anja Stiel • Stiftung Umverteilen • Stiftung Umwelt und Leben • Maike Stöckmann • Ewis

96 „Schmeißt nicht noch mehr Sofas raus, macht kein schickes Center draus“

… PartnerInnen aus Nepal und Sri Lanka

Versucht eine gute Balance zwischen Theorie und Praxis zu finden | Be- wahrt euch den Weitblick für Frieden und Gewaltfreiheit | Schaut nach ei- ner passenden Neudefinition von Gewaltfreiheit für den aktuellen Kon- text und die jetzige Situation, ohne eure Wurzeln zu verlieren | Ich blicke mit viel Zuversicht auf den Fortgang der internationalen Zusammenarbeit nach dieser Tagung | Bewahrt und pflegt die Wurzeln des „Baumes“, zu dem die KURVE inzwischen herange- wachsen ist Der „rote Faden“ der KURVE-Geschichte zieht sich durch die Sitzreihen bei Festakt der Jubiläumsfeier 2010 … PartnerInnen vom Balkan Menschen in der KURVE; ihre Arbeit Bewahrt euch die Haltung, die ihr ist für mich sehr wertvoll und erfolg- … aktiven Vereinsmitglieder habt; ihr leistet eine großartige Arbeit reich | Bewahrt euch eurer instituti- und der weiteren und dies auf eine sehr angemessene onelles Gedächtnis und teilt es mit UnterstützerInnen Art und Weise | Führt die Arbeit der euren Partnerorganisationen | Falls Friedensfachkräfte weiterhin fort und euch irgendjemand kritisieren sollte, Vielleicht wäre es gut, eine Kopie von bittet auch eure Partnerinnen und zeigt ihm einen besseren Weg auf: Gandhis Brief aufzuhängen | Vor- Partner um Unterstützung, denn das ihr geht in die richtige Richtung. Ich wärts zu den Wurzeln | Pflegt den habt ihr redlich verdient | Ihr könntet hoffe, ihr könnt eure Ausrichtung und Kontakt zur lokalen Bevölkerung | eure Verantwortung mit euren Part- eure Arbeit in der Konfliktbearbeitung Nehmt euch die Freiheit, auch für die nereinrichtungen teilen; die nächste und der sozialen Bewegung auch Gewaltfreiheit im eigenen Haus eure Konferenz in Palästina durchzufüh- weiterhin so aufrecht erhalten | Ich Ressourcen zu nutzen | Ihr und Eure ren, wäre eine wunderbare Idee | wünsche mir eine gefestigte Zusam- Arbeit haben mich verändert | „Wo Ich schätze die Offenheit, die Flexi- menarbeit mit nachhaltig arbeitenden Kurve krumm ist, sei sie Spiegel des bilität, die Kompetenz, die Fähigkei- NGOs im Ausland; die Stärkung der Lebens. Beschleunigt langsam!“ ten und die Einsatzbereitschaft der Friedensbewegung … Friedensfachkräfte Generationsübergreifende Diskussionen bei der KURVE-Jubiläumstagung Klarheit in den Strukturen und offene Augen und Ohren für den Kontakt mit uns | Bitte bleibt so flexibel und offen, wie ihr seid | Ich wünsche mir eine gute Balance zwischen unabhängigem und angeleitetem Handeln für uns Frie- densfachkräfte | Wenn Wurzeln und Geist sozialer Bewegungen eine sol- che Bedeutung für die zivile Konflikt- bearbeitung haben, sollte man auch über die Wurzeln des Friedensfach- dienstes nachdenken – denn nicht alle Friedensfachkräfte verfügen über ei- nen KURVE-spezifischen Hintergrund | Jedes Projekt hat seine Eigenheiten und Unterschiedlichkeiten – bewahrt euch diese Vielfalt und findet eine gute Balance zwischen klarer Struktur und flexiblem Handeln | Ich wünsche mir eine Ausweitung des Friedensfach- kräfteeinsatzes und weitere Trainings sowie weiteren Austausch untereinan-

Storck • Harmen Storck • Juliane Streich • DANKE • Michael Strowik • Joana Stümpfig • Mareike Stürenburg • Paula-Sophie Stürzel • Peter Südhoff •

97 rufliche Team in der Geschäftsstelle in Wustrow mit Begleitung des klei- nen ehrenamtlichen Vorstandes, die nach bestem Gewissen versuchen, sich der Zukunft zu stellen, dem Tun ein Profil zu geben, an den Strukturen zu arbeiten, das Große und Ganze immer wieder im Blick zu behalten. Um dann zu Anlässen wie der Jahres- tagung mit den anderen Baumpflege- rInnen zusammenzusitzen, sei es aus den internationalen Partnerorganisa- tionen oder aus dem deutschen Eh- renamt. Und je nachdem, wer etwas kundtut und beiträgt, meint damit im- mer seine ureigene Auffassung von Wolfgang Hertle, Mitgründer der KURVE Wustrow (Mitte) berichtet aus seinem (kurven)reichen Erfahrungsschatz Baumpflege und wie sich die KURVE Wustrow entwickeln soll. Die Band- der | Für mich stehen die Menschen Ist es ETWAS oder ist es JEMAND? breite der Weggaben macht es deut- im Mittelpunkt und: Wurzeln und Flü- Ist es der Baum, also all das, was lich. Ihr schickt uns nach oben und gel sind gleichermaßen wichtig entstanden ist in den dreißig Jahren unten gleichzeitig, voran und zurück. oder sind es die Menschen, die sich Vorwärts zu den Wurzeln. … Vorstandsmitglieder engagieren im Beruf oder im Ehren- amt? Mal sind wir es, die wir zurzeit Doch es gibt einen gemeinsamen Macht mal Pause! | Für mich ist wich- hier hauptberuflich arbeiten, begleitet Nenner, den wir 2009 in einen so- tig, den vollständigen Namen der vom ehrenamtlichen Vorstand und genannten Slogan gegossen haben. KURVE mit Leben zu füllen | Von mir mal ist es das mehrjährige Gewächs Unter diesem Dach können alle ste- gibt es viel Sonnenschein für die gute mit zahlreichen Widmungen in der hen. Mit diesem Motto ist uns die Zusammenarbeit und kreative Ausei- alten Rinde, in deren tiefen Furchen Synthese aller Engagierten und aller nandersetzung | Auch Grenzen könn- man bis in die Seele schauen kann. Themen gelungen, fest verankert auf ten ein Geschenk sein | Es gilt, eine der Basis der gewaltfreien Aktion, der gute Synthese zu finden zwischen Doch wer oder was ist die KURVE Versöhnungsarbeit und Gütekraft, ziviler Konfliktbearbeitung und sozi- Wustrow wirklich? Schauen wir noch wie es Gandhi nannte aler Bewegung, zwischen Wurzeln mal auf die Jahrestagung. Wer mel- und Blüten, neue Blüten zu treiben, dete sich zu Wort, wer sind die Baum- Gewaltfreiheit verbreiten – Spreading die die Kraft aus den Wurzeln ziehen pflegerInnen? Wer möchte mitreden, nonviolence - Wurzel und Vision in ei- | Mein Wunsch ist, zu einem Zentrum in welche Richtung der Baum wächst, nem! für gewaltfreie Bewegung heranzu- und welche Bereiche Nährstoffe und wachsen Wasser bekommen? Wenn ich einen Steffi Barisch ist seit 2008 für die ehrlichen Draufblick versuche, dann Öffentlichkeitsarbeit in der KURVE … aktuellen MitarbeiterInnen sehe ich ganz weit vorn das hauptbe- Wustrow zuständig.

Raum schaffen für viele aktive Mit- WEGgaben der ehemaligen Freiwilligen an die KURVE Wustrow glieder, für ehrenamtliches und hauptamtliches Engagement, für in- dividuelles Handeln und die Kraft der Gemeinschaft | Den eigenen Weg fin- den und dabei Maß halten | Ich wün- sche mir, dass die Beziehung zu den Partnerorganisationen auch weiterhin gestärkt wird | Wichtig ist, unseren Weg auch weiterhin gemeinsam, be- wusst und mit angemessenem Tempo zu beschreiten | Ich wünsche mir ei- nen fruchtbaren Austausch zwischen GründerInnen und aktuell Aktiven, eine gute Balance zwischen sozialer Bewegung und professionellem Han- deln

Ich frage mich spätestens hier, wer ist diese KURVE Wustrow überhaupt?

Jonas-Khalil Sufiar • Hidajet Sula • Malgorzata Szcepanska • DANKE • Tagungshausverbund Wendland • Stella Tamang • Helga Tempel • Konrad Tem-

98 Wünsche und Visionen

Margrit Albers Heute bin ich innerlich beruhigt und freue mich zu sehen, dass es die KURVE gibt und wohin sie sich entwickelt hat, bestaune ihre Vielfalt. Nur, dass sie keine Senioren-Programme aufl egt, ist echt ´ne Sauerei! Da wäre ich doch glatt dabei!

฀฀

„… die Zukunft vor Atomkraft zu bewahren.“ Gewinnerpostkarte des KURVE- Harmen Storck Fotowettbewerbs 2010 Foto: Peter Steudtner / panphotos.org Gedanken zur Zukunft der KURVE Wustrow Der KURVE Wustrow wünsche ich, dass sie den Spagat zwischen Konsolidierung und ständigem Aufbruch schafft. Es ist euch gelungen, unser „Projekt“ nach vielen instabilen und schwierigen Jahren zu stabilisieren, eine gute Arbeitsat- mosphäre zu schaffen und anerkannte Arbeit zu leisten. Dabei tritt die Ablehnung der derzeitigen Lebensbedingungen und Machtverhältnisse, die unsere Frühphase kennzeichneten, zwangsläufi g zurück. Das langfristige Ziel der KURVE Wustrow, die Vision eines grundsätzlichem Wandels von Politik und Gesellschaft in Richtung Gewaltfreiheit zu beför- dern, fordert aber auch dazu heraus, immer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen und die gegebene Ordnung in Frage zu stellen.

Eva-Maria Willkomm „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.“ (Kurt Marti) Ich gratuliere der KURVE Wustrow zum 30-Jährigen und wünsche ihr, dass sie an Orte kommt, wo sonst niemand hinkommt. Außerdem wünsche ich der KURVE Wustrow, dass sie zu ihrem 50. Jubiläum eine weltweit aner- kannte Friedens-Organisation ist, die eine dauerhaft gesicherte Finanzierung hat, weil die meis- ten Menschen eingesehen haben, wie nötig diese Arbeit ist und dass Gewaltfreiheit die einzige Möglichkeit für dauerhaften Frieden ist

Hagen Berndt Für die Zukunft wünsche ich der KURVE Wustrow, dass sie ihre politische und inhaltliche Unabhängigkeit erhalten kann und dass Mitwirkende den Gerechtigkeits- und Überlebensfragen ihrer Zeit angemessene Visionen entgegen stellen. Ich wünsche uns allen, dass organisierte zivilgesellschaftliche Stimmen eine wirksame Rolle in der Transfor- mation gesellschaftlicher und politischer Konfl ikte spielen und ihre Strukturen mehr als nur Ersatz staatlichen Handelns sein werden. Die Demokratisierung des Atomstaats, die Eingrenzung des Klimawandels und die Ächtung des Kriegs des Nordens gegen den Süden werden hoffentlich mit Hilfe der Arbeit von Friedensdiensten wie der KURVE Wustrow möglich erscheinen.

Reiner Steinweg Ich fi nde es erstaunlich und bin hoch erfreut darüber, dass die „KURVE“ angesichts der enor- men Anfangsschwierigkeiten noch immer produktiv ist und wünsche aus dem fernen Österreich, wohin ich vor 25 Jahren gegangen bin, ihr und allen, die sich heute und in Zukunft dort engagie- ren, dass die bewiesene Zähigkeit im Verfolgen des Ziels auch im Miteinander-Ringen um den richtigen Weg, um die angemessenen Strukturen und die Festlegung der jeweils nächsten Etap- penziele im Geist der Gewaltfreiheit, mit gegenseitigem Respekt für unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen und mit der immer neu aufzubringenden Empathie und Geduld vonstatten gehen möge.

pel • Katja Tempel • Arina Theel • Carina Thönnes • DANKE • Petra Titze • Svantje Tobiassen • Nora Tönnies • Trainingskollektiv Windrose • Christian

99 Felicien Nemeyimana Wir von PHARP haben eine Vision mit der KURVE Wustrow: Gemeinsame Friedenstrainings in Kenia, die der Mittel- punkt für Teilnehmende wären, die aus verwundeten Gemeinschaften in verschiedenen Ländern kommen, um sich zu treffen und Ideen im afrikanischen und westlichen Kontext auszutauschen. Das würde den TeilnehmerInnen er- möglichen, voneinander zu lernen, wie sich Friedensaktivitäten so ergänzen können, dass unsere Umwelt, die voller Bitterkeit und Zorn ist, ein besserer Lebensort wird. Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam so zusammen zu wirken, dass unsere Umwelt vom Negativen zum Positiven verändert wird, damit der Friede überwiegt.

Khitam Saafi n Zur Gelegenheit des 30. Geburtstages der KURVE Wustrow hoffen wir, dass diese Organisation eine noch breitere soziale Bewegung wird, die fähig ist, mehr Menschen für wirklichen Frieden, der auf dem Recht aller Menschen be- ruht, in einer Welt frei von allen Formen von Aggression und Diskriminierung zu leben, zu mobilisieren.

Stella Tamang Macht die jetzige Arbeit so weiter! Die KURVE Wustrow mit ihrer Geschichte der Gewaltfreiheit hat die Verantwortung, in der gewaltfreien Konfl iktlösung verwurzelt zu bleiben und sich auszustrecken nach anderen und mit diesen gemein- sam weltweit loszugehen, um sich an der Beendigung von gewaltvollen Konfl ikten und letztlich der Vorbeugung von Kriegen zu beteiligen. Mit ihrer gewachsenen Erfahrung in der Arbeit und der Interaktion mit gewaltfreien AktivistInnen muss die KURVE Wustrow durch überregionale Weiterbildungen vor Ort tätige Menschen erreichen. Die KURVE Wust- row sollte bei der Mobilisierung von Individuen und Organisationen für den Anti-Atom-Widerstand weiter vorangehen. Zukünftig sollte die KURVE Wustrow auch zu Männlichkeit arbeiten, da dies direkt mit Konfl ikt und Krieg verbunden ist.

Martin Humburg Ich wünsche Euch allen in der KURVE Wustrow die richtige Energie in der für sich und andere zuträglichen Dosierung und auch den angemessenen Abstand zu dem eigentümlichen Biotop „KURVE“, der immer mal wieder genommen werden muss, um mit der richtigen, nachhaltigen Kraft wieder darin zu wirken.

Gabriele Graf Mein Wunsch für die Zukunft der KURVE ist in Anlehnung an die Karte, die mein Sohn gestaltet hat (Gewaltfreiheit ist ein Meer von Widerständen zu überwinden). Ich wünsche der KURVE, dass sie das Meer, die Flut und den Strom von sämtlichen Widerständen und Ereignissen in allen Situ- ationen meistert und überwindet!

Erika Jennerjahn-Meyer Für die Zukunft wünsche ich der KURVE, dass sie fest auf zwei Beinen steht. Damit meine ich, dass die KURVE zum einen mit gewaltfreien Aktionen und Trainings sich wieder verstärkt im Wendland einmischt, dass sie zum ande- ren im Rahmen der Zivilen Konfl iktbearbeitung mit ihren Partnerorganisati- onen an Friedens- und Versöhnungsprozessen arbeitet und global wie lokal das Prinzip der Gewaltfreiheit verbreitet. Dem Team wünsche ich auch für die Zukunft viel positive Energie für diese Aufgabe.

Eva Wuchold Nach vielen Jahren der gesellschaftlichen Stagnation in hiesigen Landen nehme ich so etwas wie Aufbruchstimmung war. Das hat nicht zuletzt die überwältigende Beteiligung an den Atomprotesten dieses Jahr gezeigt. Ich wünsche der KURVE, dass ihr auch in den nächsten 30 Jahren der Schwung nie ausgeht, dass sie gesellschaftliche Bewegungen aufnimmt und die Gesellschaft durch ihr Tun bewegt, im Wendland und an vielen anderen Orten dieser Welt. ฀฀ „… über den Horizont zu blicken.“ Gewinnerpostkarte des KURVE-Foto- wettbewerbs 2010 Foto: Mareike Michaelis

Tripke • Marcella Trümper • Josefi ne Uhl • Frank Uhlig • DANKE • Inge Uhlig • Friederike Ulisch • Union of Palestinian Women’s Committees UPWC •

100 „… ein Meer von Widerständen zu überwinden.“ Gewinnerpostkarte des KURVE-Fotowettbewerbs 2010 Foto: Marvin Graf ฀฀

Sarah Schumacher Alle Menschen sollen das Haus und die Aktivitäten der KURVE mit mehr Frieden im Herzen verlassen, als sie gekommen sind.

Katharina Arndt Ich wünsche der KURVE Wustrow für ihre Zukunft eine stärkere, allgemeine Wahrnehmung hier im Wendland und im Besonderen, dass sie auch als Teil des gewaltfreien Widerstandes gegen jegliche Art von Atomanlagen verstanden werden kann.

Marina Schulz Die KURVE Wustrow war Entsendeorganisation für meinen Freiwilligendienst in Mazedonien. Ich hatte die Chance, einmalige Erfahrungen zu machen und Menschen zu treffen, die sich für Frieden und Dialog engagieren, die etwas verändern wollen, die an sich glauben. Ich wünsche mir, dass auch in zwan- zig Jahren die KURVE jungen Menschen noch solche Erfahrungen ermög- licht, in Freiwilligendiensten oder vor Ort.

Schulamith Weil Meine Wünsche für die materialisierte KURVE Wustrow: Die Vision der Stiftung verwirklichen, ein schönes, ökologi- sches Tagungshaus mit Platz für Vieles, angebaut an das alte KURVE-Haus mit der Geschäftsstelle, welches auch frisch isoliert und saniert für die nächsten 3 Jahrzehnte fi t ist. Für den Verein: Ein paar neue, engagierte Vereinsmit- glieder, die mit reden, mitwirken, mit Beitrag zahlen, mit Spenden sammeln… und die gerne alle mal für ein paar Jahre in den Vorstand gehen. Für die Stiftung: Eine fette Zustiftung, die uns der Vision näher bringt, ein paar fl eißige, lustvolle Leute im Stiftungs-Vorstand, die sie bekannt machen und voran bringen. Und, last but not least für die In- halte: Neuen Schwung für die Inlands- und Bewegungs-Arbeit. Ein neues/altes Referat, das Menschen, die sich jetzt gerade überall in der Republik vielleicht erstmalig oder auch wieder diversen Bewegungen anschließen, bildet und informiert zum Thema ‚Gewaltfreiheit‘, das trainiert und Mut macht – und eine starke Vernetzung zwischen dieser Aufgabe und den ausländischen Kontakten! Im Sinne von: Gewaltfreiheit globalisieren! – Kurz: Die Weltrevolution. Mehr nicht.

Jochen Neumann Die KURVE Wustrow spielt in Zukunft eine wichtige Rolle als Dienstleisterin für soziale Bewegungen, weil sie von ihnen dafür kontinuierlich und ver- trauensvoll angefragt wird. Die KURVE Wustrow ‚empowert‘ soziale Be- wegungen und andere zivilgesellschaftliche Akteure, indem wir Räume für Begegnungen und Austausch, Trainings in ziviler, gewaltfreier Konfl ikttrans- formation und gewaltfreier Aktion, unsere Organisationskapazitäten sowie Advocacy auf politischer Ebene anbieten.

Steffi Barisch Ich wünsche mir für die KURVE Wustrow junge Ehrenamtliche, die mit ihrer Energie und neuen Ideen die KURVE Wustrow vorantragen.

Sarah Unrat • Sarah Unrau • Lisa Van Holt • DANKE • David Leon Vega • Verband niedersächsischer Bildungseinrichtungen VNB • Verein der Kriegsgeg-

101 Jahr Vorstandsmitglieder

Gründungsvorstand Theodor Ebert, Christa Grote, Wolfgang Hertle, Gottfried Mahlke, Harmen Storck, Manuel Walther

1980–1981 Theodor Ebert, Christa Grote, Wolfgang Hertle, Gottfried Mahlke, Hans-Jürgen Oppelland, Harmen Storck, Manuel Walther

1981–1982 Theodor Ebert, Christa Grote, Wolfgang Hertle, Gottfried Mahlke, Harmen Storck, Manuel Walther

1982–1983 Eva Breuer, Theodor Ebert, Christa Grote, Wolfgang Hertle, Gottfried Mahlke, Harmen Storck

1983–1984 Wolfgang Beer, Eva Breuer, Ricarda Steinbrecher, Reiner Steinweg, Harmen Storck, Konrad Tempel

1984–1985 Wolfgang Beer, Ricarda Steinbrecher, Reiner Steinweg, Harmen Storck, Konrad Tempel

1985–1986 Wolfgang Beer, Leo Ensel, Christa Grote, Karin Grunau, Karin Höltig, Martin Humburg, Marita Klumpe, Jürgen Rockahr, Harmen Storck, Konrad Tempel, Katja Tempel, Matthias Wesslowski

1986–1987 Wolfgang Beer, Leo Ensel, Karin Höltig, Martin Humburg, Marita Klumpe, Jürgen Rockahr, Harmen Storck, Konrad Tempel, Katja Tempel, Matthias Wesslowski

1987–1988 Wolfgang Beer, Leo Ensel, Silke Hackenberg, Karin Höltig, Marita Klumpe, Jürgen Rockahr, Harmen Storck, Konrad Tempel, Katja Tempel, Matthias Wesslowski

1988–1989 Wolfgang Beer, Leo Ensel, Silke Hackenberg, Karin Höltig, Marita Klumpe, Jürgen Rockahr, Harmen Storck, Konrad Tempel, Katja Tempel, Matthias Wesslowski

1989–1990 Wolfgang Beer, Marita Klumpe, Jürgen Rockahr, Dieter Schaarschmidt, Konrad Tempel, Matthias Wesslowski

1990–1991 Wolfgang Beer, Heribert Distelrath, Dieter Schaar- schmidt, Christiane Schultz, Peter Südhoff, Konrad Tempel, Matthias Wesslowski

1991–1992 Wolfgang Beer, Heribert Distelrath, Dieter Schaar- schmidt, Christiane Schultz, Peter Südhoff, Konrad Tempel, Matthias Wesslowski

1992–1993 Christa Grote, Wolfgang Hertle, Cord Lappe, Matthias Wesslowski, Carsten Wydora

1993–1994 Christa Grote, Wolfgang Hertle, Cord Lappe, Matthias Wesslowski, Carsten Wydora

1994–1995 Christian Büttner, Eva-Maria Willkomm, Carsten Wydora

1995–1996 Christian Büttner, Eva-Maria Willkomm, Carsten Wydora 1996–1997 Christian Büttner, Eva-Maria Willkomm, Carsten Wydora (David Baltzer, kooptiert)

1997–1998 Christian Büttner, Dorothea Giesche, Carsten Wydora

1998–1999 Dorothea Giesche, Cornelia Krause, Peter Sohr

1999–2000 Dorothea Giesche, Cornelia Krause, Peter Sohr

2000–2001 Harald Förster (geb. Müller), Martin Hennig, Malgorzata Kopka, Cornelia Krause, Peter Sohr

2001–2002 Harald Förster (geb. Müller), Martin Hennig, Malgorzata Kopka, Cornelia Krause, Christina Kremer, Peter Sohr

2002–2003 Malgorzata Kopka, Mareike Korte, Maja Moritz, Hendrick Musché

2003–2004 Walther Ahrens, Malgorzata Kopka, Mareike Korte, Marja Moritz, Hendrick Musché

2004–2005 Gert Brüning, Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil, Carsten Wydora

2005–2006 Gert Brüning, Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil, Carsten Wydora

2006–2007 Gert Brüning, Erika Jennerjahn-Meyer, Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil

2007–2008 Erika Jennerjahn-Meyer, Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil

2008–2009 Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil, Eva Wucholdt

2009–2010 Klaus-Heinrich Schmitz, Schulamith Weil, Eva Wucholdt

2010 - Erika Jennerjahn-Meyer, Marina Schulz, Schulamith Weil, Eva Wucholdt

Beiratsmitglieder (Zwischen 1980 und 1994)

Marianne von Alemann, Hans-Eckehardt Bahr, Wolfgang Behr, Gerd Bück, Theodor Ebert, Ossip K. Flechtheim, Christa Grote, Veronica Hüning, Petra Kelly, Ulfried Kleinert, Hans-Peter Nolting, Berndt Oehlerking, Dietrich Römer, Peter Schöffmann, Torsten Schramm, Irmgard Schuchardt, Ricarda Steinbrecher, Reiner Steinweg, Evelyn Steudel, Harmen Storck, Konrad Tempel März: Mitgliederversammlung KURVE beteiligt sich an der entscheidet, dass die „BuBgA“ Gründung des Bundes für ihren Standort im Landkreis Soziale Verteidigung (BSV) Lüchow-Dannenberg haben soll Oktober: Das Haus wird als Kulturdenkmal eingetragen Juli: Kauf des Hauses Margrit Albers geht, Ausscheiden von Wolfgang Kirchstraße 14 Familie Hertle zieht aus. Hertle aus der KURVE- Erster Aufruf zur Gründung einer Arbeit Bildungs- und Begegnungsstätte für Gewaltfreie Aktion Gründung Gewaltfreie Aktion Wendland (Gewaltfreie Aktions- Erstes Jahresprogramm, gruppe, die sich in der KURVE unter anderem ein Grundkurs Wustrow traf) in Sozialer Verteidigung Neues Logo der Kurve (bis heute gültig) Januar: Gründung des März: Grundbucheintragung Trägervereins in Hannover – EigentümerInnen: Udo Juni: MV beschließt die Bildungs- Emse-Albers, Familie Hertle, und Begenungsstätte ab sofort Juni: erste Mitglieder- Trägerverein je 1/3 kürzer „KURVE Wustrow“ zu nennen versammlung Oktober: Das Haus wird als Kulturdenkmal eingetragen Workcamp des Sozialen Friedens- dienstes unter Leitung von Dieter Januar: Der Trägerverein Schaarschmidt ist alleiniger Besitzer des Hauses in der Kirchstraße 5-Jahres-Feier 1979 Zwei technisch bedingte Brände im Haus 1980 KURVE Wustrow wird im Verfassungsschutzbericht 1981 erwähnt Viele Trainings in den 1982 „neuen Bundesländern“ Blockadekampagne Gründung des 1983 „Gorleben bebt“ ersten KURVE wird von Katja Tem- Trainings-Kollektivs 1984 pel aus der KURVE heraus initiiert und KURVE Wustrow be- koordiniert ginnt Anti-Rassismus 1985 Programm: Demokra- September: tie von unten Blockadebeginn Mutlangen Erste Trainings für 1986 Peace Brigades Inter- national (PBI) in der KURVE Wustrow 1987

Gorleben-Treck nach Hannover 1988 Redaktion der Gras- Nato-Doppelbe- Dezember: Reagan und wurzelrevolution in schluss zur Rake- der KURVE Wustrow tenstationierung in Gorbatschow 1989 Europa unter zeichnen Grüne erstmalig den INF- Vertrag im Bundestag über den Abzug Oktober: 108 km Men- der atomaren 1990 schenkette für Frieden Mittelstrecken- und Abrüstung raketen 1991

Oktober Erster Atommüll- 1992 transport nach Gorleben gegen starken Wider- stand. Erste Trecker- blockaden 1993 Mai: Republik freies Wendland November: Errichtung eines 1994 Widerstands-Hüttendorfes an Fall der der geplanten Startbahn West Berliner Mauer des Flughafens Frankfurt (M) August: Irakische Invasion in November: Rühe erlässt die ver- Kuwait – die UN spricht sich teidigungspolitischen Richtlinien: für Gewalt gegen Irak aus „Zugang zu Rohstoffen als vitales Sicherheitsinteresse Deutsch- September bis Dezember: lands“ Gründung „Initiative Frieden Oktober: Friedensdemo mit Tod von Petra Kelly (KURVE-Beirat) rund 300.000 TeilnehmerInnen am Golf“, Friedenspräsenz im April: Reaktorexplosion Irak, Gulf Peace Camp in Bonn in Tschernobyl Ausweitung des Krieges im ehemaligen Jugoslawien Oktober: „Blutiger Sonntag“ an November: Mutlangen Mai: „Pfingstbürgerkrieg“ in ist atomwaffenfrei, die der geplanten Startbahn West: Wackersdorf, 400 Verletzte die Polizei setzt Schlagstöcke letzte Pershing-Rakete ist ein, u. a. gegen Kinder und alte September – Oktober: Blockade- abgezogen Menschen. Es gibt mehrere herbst in Mutlangen, Großblockade Mai: Abschaffung des Asylrechts- hundert Verletzte in Hasselbach Bundestagsbelagerung aus Protest November: 2 Polizisten werden an April bis September: Massive Proteste der Startbahn West erschossen und Blockaden am AKW Grundremmin- gen vor Atomtransporten in Wiederauf- bereitungsanlagen Juli: „Rainbow Warrior“ in Australien versenkt Januar: Beginn des 1. Golfkrieges, dagegen Dezember bis Januar 1986 Hütten- Großdemonstration in Bonn Bundesverfassungsgerichts- dorf in Wackersdorf (WAA-Bauplatz urteil rechtfertigt „out- besetzt) Kriegsbeginn of-area“ Aktionen der Juni: Kongress Soziale im (ehemaligen) Bundeswehr Jugoslawien Verteidigung, Minden Beginn der Konflikte und des Genozids September: Beginn der in der Region der großen Seen (Burundi/ Rassistische Rwanda) Abrüstung der Pershing II – Pogrome in Raketen Hoyerswerda Tag des Flüchtlings: Entzäunungsaktion am Wormser Abschiebegefängnis 10-Jahres-Feier: Bürgermeis- Training für gewaltfreie ter von Wustrow besucht Neugründung des Rundbrief: Gewaltfrei- erstmalig die KURVE Wustrow Konfliktbearbeitung KURVE-Trainingskol- es Handeln nach dem für Flüchtlinge mit Einführung des KURVE-Rates Gemeinsam mit Oekumenischem lektivs nach TrainerIn- 11.9. und Postkarten- Gewalterfahrungen in Dienst im Konziliaren Prozeß und nenausbildung aktion: „Im Gleich- Zusammenarbeit mit Beginn der Arbeit zu KDV, Arbeits- Freiwilligem Friedensdienst der schritt geradeaus? der IPPNW, 1. KURVE und Aktionsgruppe für eine „Kriegs- Kirchenprovinz Sachsen wird ein Jetzt abbiegen!“ Dokumention dienstfreie Republik Wendland“, berufsbegleitendes Qualifizierungs- Störaktionen bei Schlachtennachstel- programm für Friedensfachkräfte Wachet und Betet: Anti- lung in der Göhrde (bis 2001) angeboten Kriegs-Mahnwachen mit dem INKOTA-netzwerk Freiwilligenentsendung Austritt aus dem BSV – und der Gethsemanekirche aus finanziellen Grün- Gestaltung des Reaktion auf unter- in Berlin den eingestellt Themenbereichs schiedliche Standpunk- „Gewaltfreiheit und AGDF-Außenstelle wird te zum ZFD Youth Power Projekt als Konfliktbearbei- eingerichtet alternative Möglichkeit tung“ beim Deut- Verleihung Friedens- Hausdurchsuchung im der internationalen Ju- schen Sozialforum preis „Sievershäuser gendarbeit entwickelt in Zusammenhang mit der Ermutigung“ „Ausrangiert“-Aktion Namensänderung Freiwilligendienste: Beginn des Vereinsnamens Aufnahme FÖJ und Entsendung in „KURVE Wustrow über EVS Abschied von Hagen Bildungs- und Be- Berndt nach zehn gegnungsstätte für Beginn der Friedens- Jahren Mitarbeit gewaltfreie Aktion“ arbeit in Palästina Friedensfachkräfte in September MV Erstes Gorleben Inter- Mazedonien und Kenia beschließt die national Peace Team zur Gründung einer AG Menschenrechtsbeob- KURVE-Friedenska- Ökologie, die u.a. Balkan-Workcamp achtung während der rawane scheitert: Ver- einen Ausgleich für Castor-Transporte such einer Verknüp- die verursachten Das buddhistische Friedenspro- fung zwischen ZFD Flugreisen prüfen jekt „Bodhiraja Foundation“ in Aufnahme von Freiwilligen und Bombodrom-Wi- soll Sri Lanka wird als Unterstüt- des EVS auf und wird derstand herzustellen zungsprojekt angenommen Vorbereitungs organisation für EVS-Freiwillige in KURVE-Beirat wird Deutschland Organisation des wendlän- abgeschafft dischen Abschnitt der Anti- Gründung KURVE- Atom-Menschenkette von Außenstellen in Große Finanzkrise Krümmel bis Geesthacht Sarajevo (später CNA), Hamburg & Schließung KURVE- 30-jähriges Jubiläum wird New York Büro Hamburg Gründung der mit Sommerfest und Ta- KURVE Frie- gung mit Mitgliedern und densstiftung ausländischen PartnerIn- 15-Jahre-Feier 1. Betriebsrat nen gefeiert Erstes „International Koordination von Training for Nonviolence Aktionstrainings in the Context of War gegen die Castor- and Armed Conflict“ Transporte in Zusammenarbeit KURVE Wustrow mit X-tausendmal organisiert „ausran- Gründung der quer giert“ mit: Öffentliche polnischen Au- Schienendemontage am ßenstelle „Zakret Castor-Gleis Wroclaw“ (KURVE Wiederaufnahme der Freiwilligen- auf Polnisch); wird Konflikt, Initiative und 2001 unabhängig entsendung im Diskussion: „KURVE Rahmen des braucht Bewegung“ Gründung der weltwärts- Arbeitsstelle Gründung TK- Programmes Friedensfragen Windrose aus KURVE-Trainings- 2010 Erste Friedensfach- kollektiv kraft in der Türkei und Osttimor noch ohne Finanzierung 2009 des BMZ Beginn einer Serie von Organisati- onsentwicklungs- prozessen 2008 April: Anti-Atom-Men- schenkette zwischen 2007 Krümmel und Bruns- büttel mit mehr 120.000 Teilnehmenden 2006 September: Anti- Atom-Demo in Berlin 2005 mit 100.000 Teilneh- 1995 menden 2004 Kampagne „Vorrang für Zivil“ wird November: Massive mit KURVE-Beteiligung gestartet 1996 2003 Castor-Proteste im 1997 2002 Feuer in der KURVE, ein Büro Wendland 1998 1999 2000 2001 brennt vollständig aus, erst 1 Jahr später teilt die Polizei mit, dass es wahrscheinlich Brandstiftung war Beginn des November Castor-Transport Kosovo-Serbien- La Hague-Gorleben Konflikts April: Bundeswehr verzichtet auf die militärische Nutzung der Kyritz- Ruppiner Heide als Bombodrom: Juni: BMZ legt Rahmenkonzept für „Die Freie Heide ist frei“ die Durchführung des ZFD: „Ziviler Friedensdienst – Ein neues Element Beginn Irakkrieg Europäischer der Entwicklungszusammenarbeit“ Freiwilligendienst vor (EVS) wird gegründet NATO - Angriff auf Serbien mit deutscher Beteiligung Sébastien Briat, ein französischer Demonstrant stirbt am X-tausendmal quer organisiert im 7.11. beim Castor-Transport, als er auf dem französischen Frühjahr große Sitzblockade gegen Teil der Bahnstrecke vom Castor-Zug erfasst wird. den Castor - Vorbereitungen finden überwiegend in der KURVE statt Gründung der „Sicherlschmiede“, Vertrag v. Dayton: Ende Forum ZFD führt Ausbildung Israel-Palästina- Werkstatt für Friedensarbeit in der des Bosnienkrieges für Friedensfachkräfte ein Konflikt: Beginn der Kyritz-Ruppiner Heide” (NRW-Modellvorhaben - 2. Intifada 1. Castor-Transport Ausbildung in ziviler Konflikt- Deutscher Militäreinsatz in Mazedonien nach Gorleben bearbeitung) mit Beteiligung Erster Castor seit Transport- Anschlag auf das World Trade Center, NATO ruft erstmalig der KURVE Mai: Gewaltfreie Aktions- stopp angekündigt (Philipps- Bündnisfall aus, NATO-Militärintervention unter der Leitung gruppe für das Recht auf burg – Frankreich), wird in der USA: Luftangriffe in Afghanistan Asyl macht ein Go-In am letzter Minute nach Protesten abgesagt März & November: Castor-Transport La Hague – Gorleben, X-tausendmal Abschiebegefängnis in quer findet die Fünf-Finger-Taktik zum Durchfließen von Polizeiketten Offenbach FriedensstifterInnen gesucht!

STIFTEN – FÜR UNSERE VISION VOM HAUSAUSBAU UND VON DER STIPENDIEN- VERGABE FÜR DIE FRIEDENS- UND KONFLIKTFORSCHUNG

Wer will mitdenken? Wer möchte im Stiftungsvorstand mitarbeiten und die Stiftung stark machen? Wer will mit bauen und das Haus vergrößern für die Bildungs- und Seminararbeit? Unser Aufruf geht an alle bekannten Wegge- fährtInnen und neuen Engagierten der KURVE Wustrow: bitte prüft Eure Kasse und auch die Ideenkiste, ob Ihr der frischgebackenen KURVE Friedensstiftung so großzügig und mutig auf die Sprünge helfen könnt, wie es die Gründe- rInnen der KURVE Wustrow vor 30 Jahren taten. Auch wer nicht über eigenes Vermögen für eine kleine oder größere Zustiftung verfügt, wie wäre es mit einer Party oder einem Benefizkonzert zugunsten der Stiftung?

Das Haus der KURVE Wustrow in der Kirchstraße 14: Seit 30 Jahren ein Zuhause und Ausgangspunkt für all die Aktivitäten der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion. Das Gebäude in Wustrow, an der scharfen Kurve der Kirch- str.14 könnte so viele Geschichten erzählen über Idee, Entstehung und Werde- gang der KURVE. Es beherbergt bis heute die Büros von 15 MitarbeiterInnen und einen Teil des Seminarbetriebes. Nun ist das Haus durch die Stiftung dauerhaft für die Friedensarbeit reserviert. So lange es den Verein gibt, muss die Stiftung das Haus für die Arbeit der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion zur Verfügung stellen. Alle nachfolgenden Aktivitäten in der Kirchstraße 14 sind an die gleichen Ziele gebunden.

Sie können ieden Fr Stiften!

Die „KURVE Friedensbibliothek“ wurde im Jubiläumsjahr 2010 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Bücher, Zeitschriften, Flugblätter und Schriften erzählen von der Idee und Geschichte der Gewaltfreiheit, von Gandhi, der Anti-AKW-Be- wegung bis zu den zahlreichen internationalen Beziehungen, die sich im Lauf der Jahre zwischen der KURVE und ihren Partnerinnen in Asien und Afrika entwickelt haben.

Zustiftungen in den Kapitalstock sind ab 200,– EUR möglich. Sie sind über die steuerlichen Höchstbeträge für Zu- wendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) hinaus zusätzlich als Sonderausgaben bis zu maximal 1.000.000 Euro innerhalb von 10 Jahren abzugsfähig.

Spenden sind jederzeit in jeder Höhe möglich.

Wir sind erreichbar: [email protected] KURVE Friedensstiftung, Kirchstr.14, 29462 Wustrow, Tel.: 05843/9871–0

KURVE Friedensstiftung Sparkasse Ue Lüchow-Dannenberg, BLZ 258 501 10, Kto-Nr. 480 028 10 Aufruf zum Einmischen:

Ehrenamtliche Mitarbeit in der KuRVE Wustrow gesucht!

WER suCHt? Hinter der KURVE Wustrow steht ein Verein, mit einem gewählten Vorstand, der kontinuierlich und verantwortungsvoll unsere Organisation lenkt und leitet. Die Geschäftsstelle der KURVE Wustrow ist mit ihren Aufgaben gewachsen. Aus einem Verein mit viel ehrenamtlichem Engagement und wenigen Haupt- amtlichen ist eine Organisation geworden, in der eine Menge Dinge professio- nell erledigt werden.

Mit Hilfe eines Geschäftsführers und 15 MitarbeiterInnen, die sich und ihr Engagement über die reine Erwerbsarbeit hinaus einbringen und mit Hilfe von Vereinsmitgliedern, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, sind wir ein gut eingespieltes Team aus Vorstand und Hauptamtlichen.

WAs tun WIR? Die MitarbeiterInnen in der Geschäftsstelle in Wustrow entsenden jugendliche Freiwillige, führen Trainings durch, entwerfen und gestalten Projekte des Zivilen Friedensdienstes, unterstützen Kampagnen und Aktivitäten für den Frieden und gegen Atomenergie, bauen das strukturelle Defizit der letzten Jahre mit jedem Jahresabschluss ein weiteres Stück ab und versuchen, nicht nur Gutes zu tun, sondern in der Öffentlichkeit darüber zu reden!

Auch wenn er im Arbeitsalltag nicht immer im Vordergrund steht: Der VEREIN ist Rahmen und Basis all dieser Aktivitäten! Die Energie, die Ziele und Grundsätze der GründerInnen der KURVE Wustrow und all derer, die ihr so viele Jahre die Treue hielten und immer wieder in Notzeiten aus der Patsche halfen, sind Antrieb und auch Kontroll instanz für alles, was hier un- ternommen wird.

GEsuCHt: Und der Verein braucht dringend Mitdenkende und Menschen, die Anregung, Kritik und auch Mitgliedsbeiträge und Spenden geben. Deine Mitarbeit wird gebraucht und ist wichtig! Wir bitten Dich, bei der Werbung neuer Mitglieder zu helfen oder selbst aktiv zu werden! Vielleicht sogar als Vorstand?

Der Vorstand soll unsere Politik maßgeblich mitgestalten, Repräsentant des Vereins, stetige Unterstützung und auch Korrektiv im Alltagsgeschäft sein. Das klingt anspruchsvoll, heißt aber eigentlich nur: Mir ist die Sache der KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion wichtig, mich interessieren die Wurzeln des Ver- eins und die Richtung, in die es in Zukunft gehen kann und ich bin bereit, mit zu gestalten und etwas Verantwortung dafür zu übernehmen. unsERE BIttE: Prüfe, ob ein solches Engagement für Dich für eine gewisse Zeit eine Bereicherung sein könnte! Oder ob es in Deinem Bekanntenkreis jemand Geeigneten gibt.

MElDE DICH BEI uns! Das Team und der Vorstand der KURVE Wustrow

KuRVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V. Kirchstr. 14, 29462 Wustrow (Wendland), Telefon 05843 9871–0, Fax –11 [email protected] www.kurvewustrow.org

Spendenkonto 556 633 309, BLZ 250 100 30, Postbank Hannover