Arzt Und Dichter Hans Carossa
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Arzt und Dichter Hans Carossa Medizingeschichte: Mit Stolz kann Bay- 1941 heiratete er im Jahre 1943 zum zweiten ern in diesem Jahr seines wohl berühm- Mal. Seine zweite Ehefrau starb kurz vor ihm, testen Arzt-Dichters gedenken. Der in während er selbst am 12. September 1956 in Bad Tölz geborene und überwiegend Rittsteig bei Passau gestorben ist. in Niederbayern lebende Hans Caros- sa ist vor 50 Jahren – am 12. Septem- ber 1956 – gestorben. Er steht in einer Literarisches Reihe mit drei weiteren bekannt gewor- denen Dichter-Ärzten, die in derselben Bereits im Gymnasium war Carossa fasziniert Hans Carossa Epoche lebten: Gottfried Benn (1886 bis von Goethe, den er lebenslang als großes Vor- 1956), Alfred Döblin (1878 bis 1957) und bild sah. Bald wurde der damals sehr bekannte Arthur Schnitzler (1862 bis 1931). Diese Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal auf ihn vier namhaften Schriftsteller haben ge- aufmerksam und mit seiner Unterstützung er- Viele Gemeinsamkeiten mit meinsam, dass sie alle den ärztlichen Be- schien bereits im Jahre 1910 im Inselverlag der Gottfried Benn ruf längere Zeit ausübten und quasi ein Band „Gesammelte Gedichte“. Es folgten dann „zweites Leben“ als Dichter führten. überwiegend autobiographische Romane. Ins- In Deutschland gab es im 20. Jahrhundert nur gesamt gilt unter Literaturwissenschaftlern drei große Dichterärzte, die in ihrer Doppel- Carossa als einer der Pioniere des autobiogra- existenz ärztlich tätig waren und als Schrift- Biographische Daten phischen Romans. Er schrieb vier Autobiogra- steller berühmt wurden: Hans Carossa, Gott- phien: „Eine Kindheit“ (1922), „Verwandlungen fried Benn und Alfred Döblin. Benn hat mit Hans Carossa wurde am 15. Dezember 1878 als einer Jugend“ (1928), „Das Jahr der schönen Carossa sehr viele bedeutsame Gemeinsam- Sohn des Medizinstudenten Karl Carossa und Täuschungen“ (1941) und „Tagebuch eines jun- keiten. Beide lebten in derselben Epoche, bei- seiner Partnerin, einer Lehrerin, geboren. Er gen Arztes“ (1955). Sehr bekannt wurde der de waren im Ersten Weltkrieg als Militärärzte kam als uneheliches Kind zur Welt. Seine Eltern erste Roman mit dem Titel „Doktor Bürgers tätig, sie starben im selben Jahr (1956) und sie durften erst fünf Jahre später heiraten und er Ende“, der im Jahre 1913 erschien. Dieser han- teilten die hohe Ambivalenz in der Zeit des NS- war zeitweise bei Pflegeeltern untergebracht. delt von Doktor Bürger, der sich in eine seiner Regimes. Benn und Carossa zählten zu den we- Er war noch nicht einmal zehn Jahre alt, als er Patientinnen verliebt. Als diese an Tuberkulose nigen renommierten Dichtern, die in dieser Zeit in das Internat des Königlich-Bayerischen Hu- stirbt, begeht der Arzt Selbstmord. Bei diesem in Deutschland geblieben sind und sich deshalb manistischen Gymnasiums Landshut eintrat, bekannt gewordenen Roman ließ sich Hans mit den Diktatoren des Dritten Reiches arran- das heute nach ihm als „Hans-Carossa-Gym- Carossa sicherlich von Johann Wolfgang von gieren mussten. Dies bedeutete für beide eine nasium“ benannt ist. In diesem Gymnasium Goethe inspirieren, der mit seinen „Die Leiden existenzielle Gratwanderung und vitale Bedro- absolvierte er das Abitur und studierte dann des jungen Werther“ das Selbstmord-Thema hung. Anfeindungen von emigrierten Dichtern an den Universitäten München, Leipzig und einführte. Auch im zweiten Arztroman „Der sind durchaus verständlich. Jedoch muss be- Würzburg Medizin. 1903 bestand er die me- Arzt Gion“, der im Jahre 1931 erschien, ging es rücksichtigt werden, dass sich Carossa trotz der dizinischen Approbationsprüfungen. Bereits um tragische Verstrickung von Liebe und Tod. Gefährdung der eigenen Person sehr für ver- mit 26 Jahren übernahm er die Praxis seines folgte Schriftsteller und Künstler einsetzte und Vaters als Hausarzt. 1914 ließ er sich in Mün- am Schluss selbst verfolgt und bedroht war. chen als Arzt nieder, im Ersten Weltkrieg war Anerkennung und Ruhm 1951 erschien das Buch „Ungleiche Welten“ er zwischen 1916 und 1918 als Bataillonsarzt von Carossa, das eine sehr selbstkritische Bi- in verschiedenen Frontabschnitten tätig und Im Jahre 1928 erhielt der mittlerweile 50 Jahre lanz seiner Haltung zum NS-Regime darstellt, wurde gegen Kriegsende in Frankreich schwer alte Carossa seinen ersten Literaturpreis, den für das er großes Lob und Anerkennung von verwundet. Im Jahre 1929 gab er seine Arzt- Dichterpreis der Stadt München. Im Jahre 1931 Thomas Mann und von Alfred Andersch er- praxis auf, um sich ganz seiner Dichterexistenz wurde ihm der Gottfried-Keller-Preis und im hielt. Die Würdigung dieser Aufarbeitung for- Varia zu widmen. Während des NS-Regimes blieb er Jahre 1938 der Goethe-Preis der Stadt Frank- mulierte Andersch mit den Worten: „Wer hätte in Deutschland. Dies brachte ihm manche Kri- furt verliehen. Mit dem Goethe-Preis, einem gedacht, dass ausgerechnet Hans Carossa uns tik der emigrierten Schriftsteller ein. Carossa der renommiertesten Literaturpreise Deutsch- die ruhigste, klarste und gerade deshalb scho- versuchte eine schwierige Gratwanderung, die lands, erlebte Carossa als 60-Jähriger den Hö- nungsloseste Analyse des Nationalsozialismus durchaus für ihn selbst riskant war. Mehre- hepunkt seines dichterischen Ruhmes. Er steht liefern würde.“ re Male setzte er sich schriftlich für verfolgte damit in einer Reihe mit Albert Schweitzer, Sig- Schriftstellerkollegen bei Nazigrößen ein. Im mund Freud, Max Planck, Hermann Hesse, Karl Anschrift des Verfassers: April 1945 plädierte er für eine verteidigungs- Jaspers oder Thomas Mann, die alle ebenfalls Professor Dr. Herbert Csef, lose Übergabe der Stadt Passau und wurde den Goethe-Preis erhielten. 1956 wurde ihm Leiter des Arbeitsbereiches Psycho- deshalb in Abwesenheit zum Tode verurteilt. die Paracelsus-Medaille, die höchste Auszeich- somatische Medizin und Psychotherapie Nur der schnelle Einmarsch der Amerikaner hat nung der deutschen Ärzteschaft, verliehen. der Universität Würzburg, ihn vermutlich vor einer Hinrichtung bewahrt. Klinikstraße 8, 97070 Würzburg, Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Jahre E- Mail: [email protected] Bayerisches Ärzteblatt 9/2006 455.