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Nikola Weiss

Deutsche Daily Soaps

Eine vergleichende Analyse der ARD-Serien "Verbotene Liebe" und "Marienhof"

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Deutsche Daily Soaps

Eine vergleichende Analyse der ARD-Serien "Verbotene Liebe" und "Marienhof"

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Nikola Weiss

Deutsche Daily Soaps Eine vergleichende Analyse der ARD-Serien "Verbotene Liebe" und "Marienhof"

Magisterarbeit Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Fachbereich Neuere Philologien Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Abgabe Januar 2003

ID 7330

ID 7330 Weiss, Nikola: Deutsche Daily Soaps - Eine vergleichende Analyse der ARD-Serien "Verbotene Liebe" und "Marienhof" Hamburg: Diplomica GmbH, 2003 Zugl.: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Universität, Magisterarbeit, 2003

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Inhalt

I. Einleitung 4

II. Die Seifenoper 7 1. Begrifflichkeit 7 2. Definition 8 2.1. „Series“ und „Serials“ 8 2.2. „Daytime Serials“ und „Prime-time Serials“ 9 2.3. Abgrenzung gegenüber anderen Serienformaten 10 2.4. Die Inhalte 11 2.5. Genre Codes 13 2.6. Darstellungsprinzipien 17 2.7. Fazit 18 3. Entstehung und Geschichte 19 3.1. Die im Radio 20 3.2. Die Soap Opera im Fernsehen 22 4. Seifenopern in Deutschland 25 4.1. Die Tradition der Familienserie im deutschen Fernsehen 25 4.2. Die Entwicklung der Daily Soaps in Deutschland 27 4.3. Die deutschen Daily Soaps im Überblick 30

III. Analyse der ARD-Soaps 34 1. Verbotene Liebe 38 1.1. Vorgeschichte: australische Soaps / Sons and Daughters 38 1.2. Entstehungsphase 39 1.3. Produktion 41 1.4. Struktur und Aufbau 43 1.5. Charaktere und Handlungsschauplätze 48 1.6. Themen und Inhalte 57 2. Marienhof 71 2.1. Vorgeschichte: britische Soaps und Lindenstraße 71 2.2. Entstehungsphase 73 2.3. Produktion 74 2.4. Struktur und Aufbau 76 2.5. Charaktere und Handlungsschauplätze 81 2.6. Themen und Inhalte 88 3. Vergleich der Analysen 104 2

IV. Rezeption und Funktionen der ARD-Dailies 113 1. Allgemeine Befunde zur Rezeption von Soap Operas 113 1.1. Wer rezipiert Soaps? 113 1.2. Warum rezipiert jemand Soaps? 115 1.3. Welche Auswirkungen hat die Rezeption von Soaps? 119 1.4. Funktionen der Soap Operas 122 2. Quantitative Nutzungsdaten der ARD-Dailies 126 2.1. Das Publikum der ARD-Dailies 126 2.2. ARD-Soaps: Unterschiede im Publikum 129 2.3. ARD- und RTL-Soaps: Publikumsvergleich 130 3. Motivation der Verbotene Liebe- und Marienhof-Rezipienten 131

V. Schlussbetrachtung 138

VI. Literatur und Quellen 141 1. Literatur 141 2. Sonstige Quellen 146

Anhang A 147 Interview mit Peter Eidenberger, Line Producer Marienhof

Anhang B 151 Handlung und Erzählstränge der untersuchten Folgen Verbotene Liebe 151 Marienhof 155

Anhang C 158 Szenenverlauf nach Handlungssträngen Verbotene Liebe 158 Marienhof 160

Anhang D 162 Sinus-Milieus Verbotene Liebe und Marienhof

3 I. Einleitung

„Fernsehserien wollen, nein, sie müssen den Massen gefallen. Da- für sind sie gemacht. Manchen Serien gelingt das besonders gut. In ihnen erkennt das Volk sich selber, seine Wünsche, seine Ängs- te. Wenn wir uns diese Serien anschauen, dann schauen wir in den Spiegel. Und weil wir uns selber ändern, ändern sich auch die Serien, denen wir verfallen.“1 Schließt man sich dieser Aussage von Harald Martenstein an, so „verfallen“ seit nunmehr über zehn Jahren Teile des deutschen Volkes einer neuen Form von Fernseh- serie: der deutschen Daily Soap. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Genre ist hierzulande noch nicht besonders ausgereift. Auch in den USA, wo die „Soap Opera“ ihre Wurzeln hat, war die Seifenoper gerade wegen ihrer Trivialität und Massen-Tauglichkeit im wissenschaftlichen Diskurs lange Zeit wenig ge- und beachtet. Nach anfänglichen Studien zur vermeintlich schädlichen Wirkung von Radio-Seifenopern in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts begannen erst in den siebzi- ger Jahren wieder Untersuchungen zum Soap Opera-Text. Vor al- lem die feministische Forschung interessierte sich für das Frauen- Genre, und so setzte Mitte der achtziger Jahre wieder vermehrt die Zuschauerforschung zu den Seifenopern ein. In Deutschland er- schienen zu dieser Zeit erste Studien zu wöchentlichen Soaps wie Dallas oder Lindenstraße. In den neunziger Jahren schließlich wurden auch die amerikanischen Daily Soaps im deutschen Fern- sehen zum Gegenstand des Interesses. Die eigenproduzierten deutschen Daily Soaps hingegen spielen in der Forschung bis dato eher eine untergeordnete Rolle. Neben ei- nigen Diplomarbeiten zu diesem Thema beschäftigt sich nur ein langfristig angelegtes Projekt an der Universität Duisburg mit der Produktion, den Inhalten, den Rezipienten und vor allem mit der Vermarktung von deutschen „Dailies“.

1 Martenstein 1996, S.11f.

4 An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. Sie beschäftigt sich mit der besonderen Situation der öffentlich-rechtlichen Daily Soaps Verbotene Liebe (kurz: VL) und Marienhof: Beide Seifen- opern werden direkt nacheinander im Vorabendprogramm der ARD ausgestrahlt, und obwohl anzunehmen ist, dass damit einige Be- sonderheiten verbunden sind, hat sich bisher noch keine Studie ex- plizit mit dem Vergleich dieser beiden Soaps beschäftigt. Mich inte- ressiert vor allem die Frage, inwieweit sich die beiden Sendungen ähneln, sich aber auch voneinander abgrenzen müssen und ob sich diese Unterschiede in der Publikumsstruktur oder in der Rezepti- ons-Motivation der Zuschauer niederschlagen. Da in der einschlägigen Literatur die Definitionen von Seifenopern weit auseinander gehen, soll in Kapitel II zunächst eine begriffliche Klärung geleistet werden. Dem schließt sich ein Überblick über die Entstehung und Geschichte der Soap Opera in den USA an, bevor der Blick auf die Tradition der Familienserie und die Entwicklung der Seifenopern in Deutschland gerichtet wird. Kapitel III beinhaltet die Analyse der beiden Daily Soaps der ARD. In einer Einzelanalyse soll zunächst Verbotene Liebe, danach Ma- rienhof in Hinblick auf die Geschichte, den Produktionsprozess, die Struktur und die Inhalte untersucht werden. Es erscheint sinnvoll, all diese Kategorien in die Analyse mit einzubeziehen, da dies ein vollständigeres Bild der jeweiligen Seifenoper vermittelt, als dies durch eine bloße Inhaltsanalyse möglich wäre. An Hand der gefun- denen Ergebnisse sollen in der daran anschließenden vergleichen- den Analyse die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen beiden Soap Operas herausgestellt und reflektiert werden. Kapitel IV beschäftigt sich abschließend mit den Zuschauern. Nach einem Überblick über die Forschung zur Soap Opera-Rezeption soll das Publikum der ARD-Soaps sowohl nach quantitativen als auch nach qualitativen Merkmalen (letztere an Hand von Fan-Aussagen) untersucht werden und, soweit möglich, die vorher aufgeführten wissenschaftlichen Ergebnisse zur Motivation von Seifenopern- Rezipienten überprüft werden. Dabei stellt sich die Frage, ob sich

5 die Zuschauer von Verbotene Liebe in ihren demographischen Merkmalen (hier werden zum Vergleich auch die Zuschauer der RTL-Soaps herangezogen) und/oder in ihren Gründen, warum sie Seifenopern schauen, von den Marienhof-Zuschauern unterschei- den. Gleichzeitig soll reflektiert werden, inwiefern hier Beziehungen zu den Ergebnissen der vergleichenden Analyse der Serien herge- stellt werden können. Dieser Arbeit liegt ein persönliches Interesse nicht nur an medien- wissenschaftlichen und soziologischen Fragestellungen, sondern auch an den untersuchten Soap Operas zu Grunde. Dieser Um- stand hat vor allem in Hinblick auf die Analyse eine gewisse Rele- vanz, die auf Grund mangelnder Studien zu dem Thema auf diese Art und Weise nur vor dem Hintergrund einer gewissen Kenntnis beider Serien geleistet werden konnte. Da, so der Anthropologe Georges Devereux, jede Forschung „eine Form der Autobiogra- phie“2 ist, muss diese Untersuchung also auch als nicht gänzlich frei von Subjektivität gesehen und vor diesem Hintergrund verstanden werden.

2 vgl. Ang 1986, S.21

6 II. Die Seifenoper

1. Begrifflichkeit

Der Begriff „Soap Opera“ tauchte schon 1939 in der amerikani- schen Zeitschrift Newsweek auf. Er bezeichnete eine täglich lau- fende Radioserie, die in der Alltagssprache auch als „washboard weeper“3 bekannt war. Die „Seife“ im Namen „Soap Opera“ erklärt sich aus der Geschichte des Genres, das von großen Waschmittel- konzernen erfunden und gesponsert wurde.4 Über die Bedeutung der Bezeichnung „Oper“ gibt es hingegen unterschiedliche Auffas- sungen. So sehen Süß und Kosack Ähnlichkeiten zwischen der Soap Opera und ihrem Namensgeber, der Oper: „Nun, es muss in jedem Fall ähnlich hochdramatisch und emotional zugehen wie in einer Oper, wo die beiden Hauptdarsteller in der Regel unglücklich ineinander verliebt sind und sich erst ganz am Schluss [...] kriegen dürfen – oder auch nicht. [...] Die Zuschauer sind gerührt und schluchzen in ihre Taschentücher. Genau diesen Effekt wollten die Erfinder der Soap Opera auch. Und das am liebsten jeden Tag in neuen Variationen“5. Allen hingegen meint den Begriff „Soap Ope- ra“ durch eine ironische Distanzierung zur Oper erklären zu können. „‘Opera‘ acquires meaning only through its ironic, double inappro- priateness. Linked with the adjective ‚soap‘, opera, the most elite of all narrative artforms, becomes a vehicle for selling the most hum- ble of commodities.“6 Zusätzlich drücke der Begriff die Kluft zwi- schen dem elitären Publikum der Oper auf der einen Seite und den Hausfrauen, für die die „Soap Operas“ produziert wurden, auf der anderen Seite aus. Von dieser besonderen Namensgebung schließt Allen weiter auf eine Eigenheit in der bisherigen Beschäfti- gung mit dem Genre: „Since the 1930s the soap opera has been

3 zu deutsch: „Waschbrettschnulze“, vgl. Allen 1985, S.8 4 zur Geschichte der Seifenoper vgl. Kap. II.3. 5 Süß/Kosack 2000, S.49 6 Allen 1985, S.8-9

7 defined by what it pretends to be but is not, by what it lacks rather than what it is.“7

2. Definition

„What is soap opera? Ask a silly question and you get a lengthy answer. Everyone knows what a soap opera is. We watch it all the time, don´t we? Yes, but try defining it.“8 In der Tat ist es nicht ganz einfach, in der wissenschaftlichen Literatur eine allgemeingül- tige Definition zu finden, was eine Seifenoper eigentlich sei. Die Meinungen über die Grenzen des Genres sind so unterschiedlich wie die Namen, die ihm gegeben werden: „Daily Soap“, „Soap Ope- ra“, „Seifenoper“ und „Daytime serial“ sind dabei die häufigsten und werden weitgehend synonym verwendet. Dennoch bezeichnen diese Begriffe heute im Großen und Ganzen das Gleiche, nämlich eine ganz spezielle Art von Fernsehserie9, die durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet ist. Diese Merkmale sollen im Folgen- den auch in Abgrenzung gegenüber anderen Serienformen darge- stellt werden.

2.1. „Series“ und „Serials“

Eine wichtige Hilfe bei der begrifflichen Definition der Seifenoper stellt die im englischsprachigen Raum übliche Unterscheidung zwi- schen „Series“ und „Serials“ dar, für die es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Es handelt sich dabei um eine Unterscheidung in der Erzählstruktur einer Serie. Die meisten Serien fallen unter die Kategorie der „Series“. Sie ha- ben einen festen Stab an Charakteren, die in jeder Folge an den selben Handlungsorten eine neue Geschichte erleben. Dabei wird

7 ebd., S.9 8 Kingsley 1989, S.1 9 Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf Seifenopern im Fernsehen, da es heute keine Radio-Soaps mehr gibt. Zu diesen vgl. Kapitel II.3.

8 am Ende jeder Episode die Erzähleinheit abgeschlossen, das heißt es gibt kein offenes Ende. Zu dieser Serienform zählen alle Krimi- serien, z.B. Ein Fall für Zwei.10 Die Seifenoper gehört hingegen zu den „Serials“. „Serials“ zeich- nen sich durch mehrere ineinander verschachtelte Handlungssträn- ge aus, die sich über mehrere Folgen fortsetzen und unabhängig voneinander begonnen und beendet werden. Der Produzent der Lindenstraße Geißendörfer erklärt diese Struktur folgendermaßen: „Am besten vergleicht man dieses ‚In-oder-Miteinander-Verwoben- Sein‘ der drei Stränge mit einem Zopf, der aus drei Haarsträngen oder aus drei unabhängig voneinander bereitliegenden Seilen ge- flochten wird. Am Ende des Zopfes wird eine Schleife gebunden, die alles zusammenhält. Diese Schleife ist der Cliff.“11 Diese sehr offene Erzählstruktur zielt auf Fortsetzung und damit noch stärker als die „Series“ auf Publikumsbindung. Neben diesen beiden Reinformen gibt es auch immer mehr Serien, die Elemente der „Series“ und der „Serials“ miteinander vermi- schen. So wird beispielsweise ein Handlungsstrang innerhalb einer Folge abgeschlossen, während ein anderer über mehrere Episoden hinweg fortgesetzt wird.12

2.2. „Daytime Serials“ und „Prime-time Serials“

Eine weitere Differenzierung der „Serials“ ergibt sich aus deren Platzierung im amerikanischen Fernsehprogramm. So wird unter- schieden zwischen den „Daytime Serials“ auf der einen und den „Prime-time Serials“ auf der anderen Seite.13 Die Daytime Serials laufen für gewöhnlich fünf mal die Woche, von Montag bis Freitag, am frühen Nachmittag. Laut der Definition von Cantor und Pingree handelt es sich nur bei den Daytime Serials um Seifenopern: „Soap

10 vgl. Wiegard 1999, S.10 11 Geißendörfer 1995, S.14; zum Begriff des Cliffhangers vgl. Kap.II.2.5. 12 vgl. Wiegard 1999., S.10-11 13 vgl. Kampfmann 1999, S.72

9 operas are a form of serialized dramatic television broadcast daily over the three commercial television networks [...], usually during the afternoon.“14 Sie grenzen die Seifenopern ganz deutlich ge- genüber den Prime-time Serials wie z.B. Dallas ab, die einmal wö- chentlich abends gesendet werden. Andere Autoren hingegen se- hen die Prime-time Serial als Sub-Genre der Seifenoper und nen- nen sie deshalb auch „Weekly Soap“ oder „Prime-time Soap Ope- ra“, „welche[ ] die etablierten Formen der ‚Daytime Soap Opera‘ in besonderer Form anwendet und eine Weiterentwicklung [der] Genrekonventionen darstellt.“15

2.3. Abgrenzung gegenüber anderen Serienformaten

Die Besonderheit der Seifenoper liegt in ihrer narrativen Unendlich- keit: Sie steigt irgendwo mitten in einer Geschichte ein und kann theoretisch endlos weitererzählt werden, sie hat also weder einen Anfang noch ein Ende. Hierin liegt der Unterschied zu den Episo- denserien, bei denen meist nur eine von vornherein begrenzte An- zahl an Folgen in Staffeln gedreht und gesendet wird. In dem Krite- rium der Unendlichkeit grenzt sich die Soap Opera auch gegenüber anderen „Serials“ ab. So zählen nach der Definition von Cantor und Pingree die südamerikanischen „Telenovelas“ nicht zu den Seifen- opern, sondern zu den sogenannten „Miniserien“: „Such serials consist of a finite number of episodes which tell a story from the be- ginning to end. Some, such as Roots, last for just five to ten hours of programming. Others, such as South American telenovelas, last for eight or nine months.“16 Die Grenze zu der Prime-time Serial hingegen ist nicht so leicht zu ziehen, da sie mit Ausnahme des Sendeplatzes und der einmal wöchentlichen Ausstrahlung viel mit der Soap Opera gemein hat. Dennoch unterscheidet sie sich von dieser laut Cantor und Pingree in drei wichtigen Punkten:

14 Cantor/Pingree 1983, S.19 15 Wiegard 1999, S.14-15

10 • der Produktion: Seifenopern sind billige Fließbandproduktionen, die von Werbeagenturen oder Sponsoren produziert werden, während Prime-time Serials ähnlich wie Spielfilme von den Sen- dern selber produziert werden und über einen bis zu fünfmal höheren Etat verfügen.17 • der Anzahl der produzierten Episoden: Jedes Jahr werden un- gefähr 250 Folgen pro Seifenoper produziert, die Zahl für Prime- time Serials liegt hingegen bei gerade einmal 22.18 • dem Inhalt: in Seifenopern wird eine andere Moral vermittelt als in den Serien am Abend. Die Geschichten beinhalten weniger Actionelemente und Außenaufnahmen, werden langsamer er- zählt und spielen eher im familiären Umfeld als in der Ge- schäftswelt und der High Society. Sie zielen mehr als die Pri- me-time Serials auf ein weibliches Publikum und behandeln deswegen mehr Frauen-spezifische Themen.19 Eine weitere Abgrenzung der Soap Opera muss gegenüber der seit den neunziger Jahren weit verbreiteten Doku-Soap erfolgen. Auch diese wird für gewöhnlich nicht täglich und nicht potenziell unend- lich gesendet, bedient sich aber der selben Stilmittel wie die Sei- fenoper. Der größte Unterschied liegt jedoch darin, dass für Doku- Soaps dokumentarisches Material z.B. einer Kreuzfahrt oder einer Schwangerschaft verarbeitet wird, während die „klassische“ Seifen- oper schon immer rein fiktiv war.

2.4. Die Inhalte

Schon 1944 stellte Rudolf Arnheim fest: „The world of the serials is quite clearly a ‚private‘ world in which the interests of the community

16 Cantor/Pingree 1983, S.25 17 vgl. ebd., S.26 und Wiegard 1999, S.15 18 Cantor/Pingree 1983, S.26 19 vgl. ebd., S.26-27 und Wiegard 1999, S.15-16

11 fade into insignificance.“20 Diese Aussage ist auch noch knapp 60 Jahre später für die Seifenopern im Fernsehen zutreffend. Seifenopern beschäftigen sich – grob gesagt – inhaltlich mit den privaten Problemen der Charaktere. Daraus resultiert, dass es in diesem Genre nur selten lustig zugeht: „Soap operas are serious, not satires, comedies or parodies.“21 Verschiedene Studien, die sich mit den Inhalten der Soap Operas beschäftigen22, kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach sind die wichtigsten Kategorien, aus denen Soap-Autoren ihre Themen beziehen: • soziale Beziehungen: annähernd jede Seifenoper behandelt ausführlich interpersonale Themen und Konflikte. Die größte Rolle spielen dabei Liebe und Romantik, eine Thematik, die für das weibliche Publikum besonders wichtig ist.23 Gesellschaftli- che Themen tauchen in den Soaps hingegen so gut wie gar nicht auf, außer sie berühren direkt das Privatleben der Charak- tere. Auch die Arbeitswelt fungiert für gewöhnlich nur als Hin- tergrund oder als Anlass für die Krisen im Privatleben. • Krankheiten: Verletzungen, Unfälle und Krankheiten sind ein fester Bestandteil der Seifenopern und werden in einigen Sen- dungen sehr häufig eingesetzt. Ein Anzeichen für die Wichtig- keit medizinischer Themen ist die Tatsache, dass in fast jeder Soap ein Arzt oder eine Krankenschwester mitspielt.24 Krankhei- ten werden so dargestellt, dass sie für den Zuschauer nicht ge- fährlich erscheinen: „Many characters may develop serious ill- nesses, but few die from them. In all, 65 percent of the deaths on the soaps studied were due to accidents and violence, while disease caused 21 percent. In addition, Soares [...] notes that characters in soaps usually die of rare diseases that will proba-

20 Arnheim, Rudolf: „The world of the daytime serial.“ In: Lazarsfeld, P. / Stan- ton, F. (Hrsg.): Radio Research, 1942-1943. New York, 1944, S.47. Zitiert nach: Cantor/Pingree 1983, S.82 21 Cantor/Pingree 1983, S.27 22 vgl. die zusammenfassende Analyse unterschiedlicher Studien bezüglich des Inhalts bei Cantor/Pingree 1983 und die Studie von Luchting 1995 23 vgl. Cantor/Pingree 1983, S.80 und Luchting 1995, S.157

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