Tendenzen Im Zuschauerverhalten 111 | Media Perspektiven 3/2015
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Media Perspektiven 3/2015 | 110 (2) soll nachfolgend über das Fernsehnutzungsver- Fernsehgewohnheiten und halten des vergangenen Jahres berichtet werden. Fernsehreichweiten im Jahr 2014 Wie gewohnt stehen dabei Informationen über den Zeitaufwand für das Fernsehen und die Sender- sowie die Sendungspräferenzen des Publikums im Tendenzen im Zentrum. Im Unterschied zu früheren Jahren bliebe der Jahresrückblick auf die Fernsehgewohnheiten Zuschauerverhalten jedoch unvollständig, wenn nicht auch die genann- Von Camille Zubayr* und Heinz Gerhard** ten neuen nonlinearen Angebotsformen Berücksich- tigung fänden. Der Fernsehmarkt 2014 zeichnete sich durch zwei So umfänglich die neuen nonlinearen Angebote aus- Nutzung von übergreifende Entwicklungen aus: Zum einen dräng- fallen, so lückenhaft ist allerdings auch die Infor- Streamingangeboten ten zunehmend Fernsehangebote über nonlineare mationslage über ihre bevölkerungsweite Nutzung. noch kein Verbreitungsformen, wie Video-on-Demand und Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zunächst wird Massenphänomen Streaming, in den Markt. Zum anderen setzte sich diese vom linearen Fernsehen vollkommen losge- die seit einigen Jahren beobachtbare Fragmentie- löste Form der Bewegtbildnutzung von der Mess- rung fort, kleinere Programme erzielen Marktanteils- technologie der AGF noch nicht erfasst. Vorausset- zuwächse bei der Fernsehnutzung. Diese Fragmen- zung hierfür ist eine gewisse Marktrelevanz, um tierung ist allerdings zum Teil auch eine Binnen- auch den finanziellen Aufwand für die Messung zu fragmentierung: Die vier großen Sendergruppen rechtfertigen. Die Betreiber selbst bekunden für ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 konnten in den ihre Dienste eine jeweils sehr hohe Marktrelevanz, letzten Jahren mit digitalen Zusatzprogrammen unterlassen aber bislang die Veröffentlichung kon- Marktanteilsrückgänge in den jeweiligen Haupt- kreter Kunden- bzw. Nutzerzahlen. Eine erste empi- programmen ausgleichen – oder sogar Zugewinne rische Annäherung bietet eine Umfrage, deren Feld- erzielen. Die Strategien der Sender waren dabei zeit im November 2014 stattfand. (3) Dieser ist zu unterschiedlich erfolgreich. entnehmen, dass der weiteste Nutzerkreis solcher Im Jahr 2014 wurde die Fragmentierung durch kostenpflichtigen Streamingdienste rund 4 Prozent die stärker gewordene Marktposition der beiden der Bevölkerung umfasst – so viele gaben jeden- öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme von ARD und falls an, zumindest einmal gegen Entgelt einen Film ZDF etwas verdeckt. Der Marktanteilszuwachs wurde oder eine Serie bei einem dieser Portale angeschaut überwiegend von den beiden großen Sportereig- zu haben. Daher spricht vieles dafür, dass die neuen nissen 2014 bestimmt, den Olympischen Winter- kommerziellen Streamingdienste das Bewegtbild- spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft. angebot durchaus erweitert haben, ihre Nutzung im Jahr 2014 aber noch nicht auf ein Massenphä- Streamingdienste als Neue Angebote wie Video-on-Demand und Strea- nomen hinweist. neue Konkurrenz mingdienste konkurrieren mit dem Fernsehen um des Fernsehens Aufmerksamkeit. Im Verlauf des Jahres 2014 hat Entscheidend für die Nutzung solcher Dienste – Besitzer eine Reihe neuer Anbieter seine Dienste gestartet. auch der kostenfreien – auf dem Fernsehgerät ist internetfähiger Besondere Aufmerksamkeit erzielte vor allem Netflix, die Verbindung zum Internet. Diese Ausstattung ist Fernseher haben ein ehemaliges DVD-Verleihunternehmen aus den in Deutschlands Haushalten aber nur selten anzu- Gerät oft nicht USA, das seit Ende September 2014 seinen Strea- treffen. Dies geht ebenfalls aus Repräsentivbe- angeschlossen mingservice auch in Deutschland für eine monat- fragungen hervor, wie zum Beispiel dem TNS Con- liche Gebühr von 7,99 Euro anbietet – in direkter vergence Monitor, bei dem im Frühjahr 2014 19 Konkurrenz zu den bereits bestehenden Angebo- Prozent angegeben haben, über ein Fernsehgerät ten wie Maxdome, Watchever oder Snap. Allen die- zu verfügen, das mit dem Internet verbunden wer- sen Diensten gemein ist ein jederzeit abrufbares den kann. Allerdings machen nur 10 Prozent ins- Kontingent von zumeist fiktionalen Produktionen, gesamt von dieser Möglichkeit Gebrauch, haben transportiert über das Internet auf den heimischen also die Verbindung hergestellt und auch (mal) Computer oder Fernseher. (1) Zudem werden im genutzt. Handel Streaming-Sticks oder Streaming-Boxen Wie lässt sich diese Zurückhaltung, insbeson- von Amazon und Google verkauft, die als Schalt- dere in Haushalten mit hinreichender technischer stelle zwischen dem HDMI-Eingang des Fernse- Infrastruktur, erklären? Eine vollständige Erklärung hers und dem Internet fungieren, so wie es seit ist nur schwer möglich, aber andere Umfragen wei- vielen Jahren bereits auch von Apple angeboten sen zum einen auf eine gewisse Scheu vor dem wird. Wie in früheren Beiträgen in dieser Zeitschrift technischen Aufwand hin. Vor allem aber sehen die meisten Nutzer keinen Vorteil darin, das Fernseh- gerät ans Internet anzuschließen, und geben an, das Internet viel lieber mit dem Computer, Tablet oder Smartphone zu nutzen. Im größten Teil der Bevölkerung wird also zwischen dem Internet und * Medienforschung Erstes Deutsches Fernsehen/ARD. dem Fernsehen nach wie vor sehr deutlich funktio- ** ZDF-Medienforschung. nell differenziert. Das Fernsehgerät wird auf seine Tendenzen im Zuschauerverhalten 111 | Media Perspektiven 3/2015 Abb. 1 Anzahl in Deutschland verkaufter Geräte pro Jahr in Mio 25 24,13 Smartphones 22,37 20 Fernsehgeräte 18,38 Desktop-/Laptop-PC 15 Tablet-PC 14,55 9,69 9,40 9,46 10 8,64 7,82 8,12 7,47 7,70 5,95 5,99 5,76 8,56 7,03 7,85 8,24 6,64 5 6,95 5,55 5,78 2,95 6,28 4,42 3,33 3,61 3,73 1,35 1,01 1,43 0 0,44 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: Consumer Eletronics Marktindex Deutschland (CEMIX) der gfu. Abb. 2 Anteil der Haushalte mit digitalem Fernsehempfang in % 82 77 72 57 47 41 34 30 25 21 16 10 6 7 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, Fernsehpanel (D+EU), Stichtag jeweils 31. Dezember. Funktion als Ausgabemedium für lineare Bewegt- Gestiegen ist auch die Zahl der Haushalte mit digi- 82 % der Haushalte bildinhalte beschränkt, und Computer, Tablets und taler Empfangstechnik – auf nunmehr 82 Prozent haben digitalen Smartphones sind Universalgeräte für eine Vielzahl (vgl. Abbildung 2). Auch wenn Deutschland im Ver- Empfang von Funktionen – offenbar auch für nonlineares gleich zu den meisten anderen Staaten in Westeu- Fernsehen. ropa wie Großbritannien, Frankreich oder Italien mit diesem Durchdringungsgrad noch immer zurück- 2014 wieder mehr Diese funktionell zugeschriebene Beschränktheit des liegt, ist der weitaus größte Teil der bereits 15 Jahre TV-Geräte verkauft Fernsehers rührt jedoch nicht an seiner Popula ri- andauernden Digitalisierung bewältigt. Die rest- tät: Nach vielen Jahren steigender Verkaufszahlen lichen analogen Haushalte sind ausschließlich Ka- wurde 2013 ein deutlicher Rückgang verzeichnet, belhaushalte. Und wie die Entwicklung des letzten daraus ist aber kein Trend erwachsen, denn im ver- Jahres aufzeigt, erfolgt die Digitalisierung dieser gangenen Jahr stieg die Zahl der verkauften Fern- Haushalte nicht durch einen Wechsel des Empfangs- sehgeräte wieder über die Acht-Millionen-Marke wegs beispielsweise zu einer Satellitenschüssel (vgl. Abbildung 1). Ein veritabler und längerer Trend betrifft dagegen die Größe der Bildschirme. Inzwi- schen steht in fast jedem dritten Wohnzimmer ein Fernsehgerät mit einer Bildschirmdiagonale von über einem Meter. Camille Zubayr/Heinz Gerhard Media Perspektiven 3/2015 | 112 Abb. 3 Verteilung der Haushalte nach ihrer hauptsächlichen Empfangstechnik in % 57 56 55 56 56 55 54 53 51 50 49 47 45 45 46 46 47 47 44 45 42 42 39 40 36 37 37 Kabel 33 Satellit terrestrisch IPTV 10 9 7 6 5 5 4 4 5 5 4 444 4 3 4 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, Fernsehpanel (D+EU), Stichtag jeweils 31. Dezember. oder IP-TV, sondern durch den Wechsel zu einem windowsbasierten Rechnern und können noch digitalen Kabelpaket (vgl. Abbildung 3). nicht die Tablet- und Smartphone-Abrufe berück- sichtigen, geben aber schon ein erstes, vorläufiges Starker Zuwachs bei Mit Blick auf die Fernseh- oder – etwas offener for- Bild über den nonlinearen Fernsehgeschmack seit Smartphone- und muliert – Bewegtbildnutzung hat sich die technische Anfang September 2014, dem Zeitpunkt, zu dem Tabletverkäufen Ausstattung der Haushalte bei anderen Geräten alle vier großen Hauptprogramme die entspre- wesentlich dynamischer entwickelt: So hat sich chenden Abrufdaten liefern konnten. die Zahl der verkauften Tabletcomputer 2014 auf fast sieben Millionen erhöht und erreicht damit fast In Tabelle 1 sind die jeweils fünf meistabgerufenen Zuschauerstarke das Volumen der verkauften Desktop- oder Laptop- Sendungen pro Sender von September bis Dezem- TV-Sendungen nicht computer. Noch viel stärker fiel das Interesse an ber 2014 aufgelistet. Für jede Sendung wurden zwangsläufig in Smartphones aus, von denen 24 Millionen erwor- dabei die Abrufe vom Erstnutzungstag, der in der Mediatheken am ben wurden (vgl. Abbildung 1). All diesen Geräten Regel mit dem linearen Sendetag zusammenfällt, stärksten ist gemein, dass sie, je nach Senderangebot, Live- und den dann folgenden sechs Tagen zusammen- nachgefragt TV empfangen oder zeitversetzt Sendungen aufru- gezählt. Ausweislich dieser Listen fällt auf, dass zu- fen können. Dies ist