media perspektiven 1/98 x46 ...... haben, bei demdie Zuschauer die auf demBild- schirmpräsentierten Gefühle nachvollziehen, sich auf die Geschichten einlassen, mit den Figu- U Funktionen von Soap operas ren mitleiden etc. Solche Funktionen hängen allerdings in hohemMaße von den individuel- für die Zuschauer len Motiven und Aktivitäten der Zuschauer ab, ARD-Forschungsdienst* die die Wirkungen von Soap operas beeinflussen (vgl. die Studie von Kimund Rubin). Soap operas können offensichtlich auf die Der Begriff der (Seifenoper) geht auf Wahrnehmung und Beurteilung sozialer Realität Bartergeschäfte in den 50er Jahren zurück, als einwirken (vgl. Shrum1996) und erfüllen damit große amerikanische Waschmittelhersteller Fort- für einen Teil der Zuschauer soziale Orientie- setzungsgeschichten für das Fernsehen produ- rungsfunktionen. Wahrscheinlich orientieren zieren ließen und ihnen imGegenzug dafür von sich die Zuschauer in gewissemMaß an den dar- den Programmveranstaltern kostenlose Werbe- gestellten Lebensentwürfen, den Charakteren, zeit zur Verfügung gestellt wurde. Wie so häufig deren Handlungen und Problemlösungen, wobei wurde dieses, in den USA erfundene Format von die eigene Lebenszufriedenheit sowie spezifi- deutschen Programmanbietern übernommen, sche Persönlichkeitsmerkmale wichtige Voraus- zunächst als synchronisierte Fassungen amerika- setzungen sind. Angesichts der Ergebnisse nischer Serien, alsbald jedoch produzierte man inhaltsanalytischer Studien (vgl. z. B. Wünsch auch eigene Seifenopern. Inzwischen haben sich und andere) ist es jedoch sehr fraglich, ob die in eine ganze Reihe von wöchentlich oder täglich den Soap operas präsentierten Werte und Nor- ausgestrahlten Serien etabliert, die unterschied- men, Lebensentwürfe und Problemlösungen den liche (Alters-)Zielgruppen ansprechen und mit Anforderungen des wirklichen Lebens angemes- zudenbeliebtestenProgrammangebotendessen sind und damit Modellcharakter haben Fernsehens zählen (z. B. „Marienhof“, „Gute Zei- können. ten, schlechte Zeiten“, „Unter uns“, „Verbotene Liebe“, „Lindenstraße“). Was macht den Erfolg ie hoch ist die Bindung des Publikums an Zubayr, Camille von Soap operas aus, warumschauen sich die W unterschiedliche Programme? Welche Fak- Der treue Zuschauer? Zuschauer diese Serien an? Welche Funktion(en) toren beeinflussen die Programmbindung? Zur Zur Programmbindung erfüllen sie und wie wirken sie auf das Publi- Untersuchung der Konstanz des Fernsehverhal- im deutschen Fern- kum? Wie sind Soap operas im Hinblick auf ihre tens bei periodisch wiederkehrenden Angeboten sehen. Angewandte Inhalte zu beurteilen? Welche Werte und Nor- wurden für den Zeitraumeines Monats (Februar Medienforschung. men vermitteln sie? bis März 1994) die Daten der GfK-Zuschauerfor- In: Schriftenreihe des Die Studie von Zubayr zeigt zumBeispiel, schung sekundäranalysiert und errechnet, wie- Medien Instituts Lud- daß gerade bei fiktionalen Serien, insbesondere viel Prozent der Zuschauer, die eine Folge einer wigshafen; Band 3. solchen, die endlose Fortsetzungsgeschichten episodischen Sendung gesehen hatten, auch die München: Reinhard erzählen, und die sich mit den Themen Familie nächste Folge bzw. Episode der Sendung sahen. Fischer 1996. Und: und Beziehung auseinandersetzen, die höchsten Die durchschnittliche Programmbindungs- Bathelt,Thomas Programbindungsraten überhaupt zu finden rate (PBR) aller 164 untersuchten Sendungen Fernsehen im Abonne- sind. Serien verfügen imVergleich zu fast allen (einbezogenwurdendieARD,ZDF,RTL, ment. anderen Programmgenres über das größte SAT.1 und PRO SIEBEN) betrug 31 Prozent bei In: Tele Images, Stammpublikum und sind somit insbesondere einemMinimumvon9,7 Prozent („ZDF-Sportre- 2/1995, S. 20-23. auch für die Werbeplaner von großemInteresse portage“) und einemMaximumvon 61,3 Pro- (vgl. Studie von Bathelt). Für das Publikum zent („California Clan“). Dies bedeutet, daß etwa erfüllen Soap operas spezifische Funktionen. ein Drittel der Zuschauer einer Sendung auch Kepplinger und Weißbecker konnten in ihrer die nächste Ausgabe dieser Sendung sahen. Untersuchung zeigen, daß sie über den Prozeß Frauen wiesen imallgemeinen höhere Pro- der Identifikation mit positiven und erfolgrei- grammbindungsraten auf als Männer, ebenso chen Figuren durchaus zur zeitweiligen Flucht ältere imVergleich zu jüngeren Zuschauern. aus eigenen, nicht zufriedenstellenden Lebens- Gameshows (35,6 %) und fiktionale Unterhal- umständen dienen können. Nicht selten werden tung (u.a. Serien; 32,6 %) hatten von allen sogar emotionale Bindungen mit Serienfiguren Genres die höchsten durchschnittlichen Pro- aufgebaut, die zumindest zum Teil auch Ersatz grammbindungsraten. Außerdem zeigte sich, für (defizitäre) interpersonale Beziehungen sein daß bei Serien mit den Themen Familie und können (vgl. Vorderer/Knobloch 1996). Dies mag Beziehung mit fast 42 Prozent die höchsten PBR mit einem primär emotionalen und personen- festzustellen waren, deutlich vor Serien mit den zentrierten Zugang zu Soap operas zu tun Themen Krimi/Verbrechen (33 %), Action/Aben- teuer (28 %) und Situationskomik (25 %). Diffe- renziert nach verschiedenen Formen des Fortset- zungscharakters zeigte sich die folgende Reihen- ...... folge: Endlose Geschichten hatten die höch- * Autor: Uli Gleich, Institut für Kommunikationspsychologie/ sten PBR (z. B. „Lindenstraße“, „Gute Zeiten, Medienpädagogik der Universität Koblenz/Landau. Adresse: ARD-Forschungsdienst, Postfach 1144, 76801 Landau, Fax schlechte Zeiten“; 46,5 %), gefolgt von abge- 06341/921712. schlossenen Geschichten mit fortgesetztem all- Funktionen von Soap operas für die Zuschauer ...... x47 media perspektiven 1/98 gemeinem Handlungsstrang (z. B. „Roseanne“, von 227 Frauen überprüft. Sie wurden unter „Beverly Hills 90120“; 31,7 %) sowie Serien mit anderemnach ihremFernsehkonsumund nach voneinander unabhängigen Episoden (z. B. Sendungspräferenzen (speziell für die Sendun- „Kojak“, „Magnum“; 28,8 %). Im Vergleich der gen „Lindenstraße“ und „Der Alte“) sowie nach Ausstrahlungshäufigkeit erreichten Sendungen, dem Ausmaß der Identifikation mit bestimmten die zweimal (42 %) oder fünfmal pro Woche Protagonisten befragt. (34 %) ausgestrahlt wurden, die höchsten Pro- Was die Häufigkeit des Fernsehkonsums grammbindungsraten, differenziert nach der sowie die Präferenzen für Unterhaltungsange- Sendezeit diejenigen Angebote, die zwischen bote imallgemeinen anbelangte, so zeigten sich 16.00 und 19.00 Uhr plaziert waren (34,7%). keine Unterschiede zwischen den Frauen, die Familienserien und solche, die Beziehungs- mit ihrem Leben zufrieden waren und den themen behandeln, scheinen die Bindung des Frauen, die in dieser Hinsicht eine Diskrepanz Publikums an ein Programm am stärksten zu zwischen Wunsch und Wirklichkeit konstatier- unterstützen. Vor allembei endlos fortlaufenden ten. Die unzufriedenen Frauen sahen jedoch Geschichten ist dies der Fall. Dafür sind wahr- deutlich häufiger solche Sendungen, in denen scheinlich mehrere Gründe ausschlaggebend. Alltagsthemen präsentiert wurden (hier: „Lin- Einerseits entwickeln die Zuschauer ein Inter- denstraße“) als Sendungen, bei denen ein All- esse amFortgang der Geschichte und unter tagsbezug schwieriger herzustellen war (hier: Umständen auch eine Form der emotionalen „Der Alte“). Darüber hinaus ging Unzufrieden- Bindung an die Protagonisten. Andererseits wird heit einher mit einem ausgeprägteren Interesse dieses Interesse bzw. die Neugier auf den Fort- an sympathischen Darstellern sowie stärkerer gang der Geschichte durch inhaltliche und for- Identifikation mit Charakteren, die positive male Gestaltungsmittel unterstützt. Sie lassen Eigenschaften, wie zumBeispiel Durchsetzungs- die Zuschauer mit einer offenen Frage, einem vermögen, soziale Kompetenz und Lebenszufrie- ungelösten Problem, der Ankündigung eines denheit, repräsentierten. Konflikts, das heißt unter Spannung zurück. Die Ergebnisse zeigen nach Ansicht der Auto- Dadurch wird für die Zuschauer ein hoher ren, daß alltagsnahe Darstellungen in Soap ope- Anreiz geschaffen, den weiteren Fortgang der ras (wie z. B. der „Lindenstraße“) unter Umstän- Geschichte zu erfahren. den eskapistische Funktionen haben und dazu Die hohe Bindung an Serien konnte auch in dienen können, demeigenen, als weniger positiv der Studie von Bathelt belegt werden. Vor dem empfundenen Alltag zumindest zeitweise zu ent- Hintergrund von Überlegungen zur Optimie- fliehen. Von großer Bedeutung dürfte dabei das rung von Mediaplänen und zur effektiven Identifikationspotential sein, das die Sendung Streuung von Werbekampagnen untersuchte der demZuschauer entweder imHinblick auf Perso- Autor die Bindungswirkung von täglich und nen oder hinsichtlich Situationen (imSinne von wöchentlich wiederkehrenden Programmange- vergleichbaren oder wünschenswerten Lebens- boten. Dabei wurden unter anderemtägliche umständen) bieten kann. Welche kurz- oder län- Talkshows und Serien (z. B. „Meiser“, „Gute Zei- gerfristigen Effekte sich aus der eskapistischen ten, schlechte Zeiten“), wöchentliche Serien (z. B. Nutzung von Soap operas ergeben, wurde in der „Beverly Hills 90120“) sowie regelmäßige Spiel- vorliegenden Studie nicht untersucht. Möglich filmplätze (z. B. bei PRO SIEBEN, samstags um sind etwa kurzfristiges Abschalten von eigenen 20.15 Uhr) einbezogen. Mit Hilfe eines Instru- Problemen, das lediglich solange dauert, wie die ments zur Kampagnenkontrolle wurde über- Sendung läuft, bis hin zu einempermanenten prüft, wie häufig die Zuschauer – bei identischen Eintauchen in eine Scheinwelt, die für den Zu- Kontaktchancen über einen bestimmten Zeit- schauer auch nach demEnde der Sendung noch raum– von einer Kampagnein den unterschied- existiert und relevant ist. lichen Programmen erreicht wurden. Dabei zeigte sich, daß die Serien (insbesondere be- aß Zuschauer aktiv mit dem Fernsehen Kim,Jungkee/Alan M. liebte Soap operas wie z. B. „Gute Zeiten, D umgehen, ist inzwischen unbestritten. Wel- Rubin schlechte Zeiten“, „Beverly Hills 90120“) imVer- che Auswirkungen unterschiedliche Formen und The variable influence gleich zu allen anderen Programmen, inklusive Ausprägungen von Rezipientenaktivitäten auf of audience activity on den frequentiertesten Spielfilmplätzen, das die nachfolgenden Effekte des Fernsehkonsums media effects. größte Stammpublikum, das heißt den größten haben, wurde jedoch bislang noch kaumunter- In: Communication Anteil an regelmäßigen Sehern aufwiesen. sucht. Die Autoren führten daher eine Studie Research 24, 2/1997, durch, in der die Auswirkungen des Konsums S. 107-135. Kepplinger, Hans n der vorliegenden Studie wurde untersucht, von Soap operas in Abhängigkeit von unter- Mathias/Helga Weiß- I inwieweit die Unzufriedenheit mit der eige- becker nen Lebenswirklichkeit und die Präferenz für Geborgte Erfahrungen. spezifische Fernsehangebote zusammenhängen. Der Einfluß enttäusch- Wer mit seinem Leben weniger zufrieden ist – so ter Lebensentwürfe auf die Annahme der Autoren – wendet sich eher die Nutzung von Fern- fiktionalen Unterhaltungsangeboten zu, und sehunterhaltung. zwar insbesondere solchen, die einen Bezug zur In: Medienpsycholo- eigenen Lebenswirklichkeit ermöglichen. Diese gie 9, 1/1997,S. 57-74. Annahme wurde im Rahmen einer Befragung ARD-Forschungsdienst media perspektiven 1/98 x48 ...... Und: schiedlichen Rezipientenmotiven und -aktivitä- sive Gefühle einzulassen und diese vor dem Hepp, Andreas ten analysiert wurden. 633 Studierende wurden Fernsehgerät nachzuvollziehen. Durch die Ereig- Das ist spitze ne, dann nach ihren Motiven zur Nutzung von Soap ope- nisse auf demBildschirmwurden bei den ist der Schildknecht tot! ras, Präferenzen für Soap operas imVergleich zu Zuschauern entsprechende Emotionen ausgelöst, Die Rolle von Emotio- anderen Programmen, Aufmerksamkeit wäh- die in ihremVerhalten und in ihren Äußerungen nen bei der Aneignung rend des Sehens, Involvement, Desinteresse an tatsächlich auch erkennbar waren (z. B. Mitge- von Fernsehtexten. In: Soap operas, Nebenbeschäftigungen während fühl, Trauer). 2) Spielerisch: Hier stand das Jurga, Martin (Hrsg.) des Sehens sowie allgemeiner Skepsis gegen- gemeinsame Spaßhaben mit den dargebotenen Lindenstraße. über demMediumFernsehen (z. B. in der Beur- Inhalten imVordergrund. 3) Analytisch: Hier lie- Produktion und Rezep- teilung des Realitätsgehalts von Darstellungen) ßensichdieRezipientenkaumaufdiedargebo- tion einer Erfolgsserie. befragt. Welchen Einfluß diese Variablen auf die tenen Emotionen ein, im Vordergrund stand Opladen: Zufriedenheit mit Soap operas, auf parasoziale eher ein ironisch-distanziertes Erleben der Sen- Westdeutscher Verlag Interaktion sowie auf Kultivierungseffekte hat- dung (sich darüber lustig machen). 4) Marginal: 1995, S. 211-230. ten, wurde pfadanalytisch ermittelt. Die Rezeption erfolgte eher beiläufig, während Je stärker bei den Zuschauern das Motiv die Zuschauer andere Tätigkeiten ausübten. nach anregender Unterhaltung ausgeprägt war und je aufmerksamer das Programm verfolgt or demHintergrund von Überlegungen zur Harwood, Jake wurde, desto zufriedener waren sie mit den V Bildung von sozialer Identität (Social Iden- Viewing age: Lifespan gesehenen Soap operas. Desinteresse und Skep- tity Theory) untersuchte der Autor den Zusam- identity and television sis gegenüber demFernsehen imallgemeinen menhang zwischen dem Alter von Fernsehzu- viewing choices. waren dagegen die entscheidenden Variablen für schauern und Präferenzen für Programme, in In: Journal of Broad- ausgeprägte Unzufriedenheit mit Soap operas. denen Protagonisten unterschiedlichen Alters casting & Electronic Das Ausmaß an parasozialer Interaktion (d.h. eine Rolle spielen. Anhand von Nielsen-Ratings Media 41, 2/1997, die emotionale Bindung an Soap opera-Charak- wurden die jeweils vier beliebtesten fiktionalen S. 203-213. tere) wurde begünstigt durch das Bedürfnis nach Serien für vier Altersgruppen (Kinder, 18- bis anregender Unterhaltung, das Verlangen nach 29jährige, 35- bis 54jährige und über 60jährige) sozial nützlicher Information und Voyeurismus, identifiziert. Anschließend wurde mittels einer ferner durch hohe Aufmerksamkeit gegenüber Inhaltsanalyse die Verteilung des Alters der in demProgrammsowie hohes Involvement. Ein diesen Serien auftretenden Figuren bzw. Charak- geringes Ausmaß an parasozialer Bindung zeig- tere analysiert. In einemanschließenden Experi- ten demgegenüber Versuchsteilnehmer, die dem ment mit 109 Studierenden wurden Kurzbe- Fernsehen eher skeptisch gegenüberstanden schreibungen von Serien vorgelegt, in denen das und wenig Interesse an Soap operas äußerten. Alter der Hauptdarsteller manipuliert wurde. Kultivierungseffekte (d.h. die Beeinflussung der Die Versuchsteilnehmer sollten angeben, wie Urteile über die soziale Realität durch das Fern- hoch ihr Interesse an der jeweiligen Sendung ist. sehen) waren bei Zuschauern amausgeprägte- Die Inhaltsanalyse ergab einen deutlichen sten, die hohe Soap opera-Präferenzen (gegen- Zusammenhang zwischen dem Alter der über anderen Programmen) äußerten und Zuschauer und demAlter der Protagonisten in gleichzeitig beimAnschauen sehr involviert den von der jeweiligen Altersgruppe präferier- waren. ten Serien. Die Zuschauer bevorzugten jeweils Wie Soap operas auf die Zuschauer wirken, Serien, in denen Darsteller aus ihrer eigenen hängtinhohemMaßevondenMotivender Altersgruppe die Hauptrolle spielten. Dieses Zuschauer sowie von damit zusammenhängen- Ergebnis konnte durch das Experiment bestätigt den Aktivitäten im Sinne von Aufmerksamkeit werden. Auch hier wählten die Teilnehmer eher und Involvement ab. Nicht allein das bloße Programme aus, bei denen die Protagonisten Anschauen von Soap operas führt zu Effekten, aus der gleichen Altersgruppe stammten. es sind vielmehr die spezifischen Erwartungen Ein wichtiger Faktor für die Herausbildung und Aktivitäten der Zuschauer, die die Wirkun- sozialer Identität ist die Orientierung an Perso- gen von Soap operas beeinflussen. Kritisches nen derjenigen Gruppe, der man sich selbst Nachdenken über den Wahrheitsgehalt des Fern- zugehörig fühlt. Soap operas, in denen Men- sehens behindert dagegen die Wirkung von schen agieren, die derselben Altergruppe wie Soap operas. Motive und Aktivitäten führen ihre Rezipienten angehören, können somit eine somit zu unterschiedlichen Mustern der Soap- Reihe von Informationen bieten (z. B. über opera-Rezeption. Aus der Analyse von Gesprä- Beziehungsverhalten, Lebensstile, Werte und chen und nonverbalen Äußerungen der Zu- Normen), die unter bestimmten Voraussetzun- schauer während der Rezeption der „Linden- gen zur sozialen Identitätsbildung beitragen. straße“ ließen sich in der Studie von Hepp bei- Dies entspricht früheren Befunden, nach denen spielsweise folgende Rezeptionsmuster erken- ein wichtiges Motiv für den Konsumvon Soap nen: 1) Erlebniszentriert: Hier zeigten die Zu- operas die soziale Nützlichkeit der dargebotenen schauer eine hohe Bereitschaft, sich auf inten- Inhalte ist. Insbesondere Jugendliche, bei denen Identitätsbildung entwicklungsbedingt ein wich- tiges Thema ist, gehören daher zum Publikum von Soap operas. Funktionen von Soap operas für die Zuschauer ...... x49 media perspektiven 1/98 Wünsch, Marianne/ elche Realitätsentwürfe werden in deut- Weitere Literatur: Jan-Oliver Decker/ W schen und amerikanischen Familienserien Hans Krah entwickelt? Welche Normen- und Wertesysteme Allen, Robert C. (Hrsg.): To be continued . . . Das Wertesystem der werden präsentiert bzw. propagiert? Wünsch Soap operas around the world. London: Rout- Familienserien im Fern- und andere untersuchten dazu jeweils zehn ledge 1995. sehen (Themen, deutsche und zehn amerikanische Familiense- Boll, Uwe: Das Serien-Geschäft. Zur wirt- Thesen,Theorien, rien (u.a. „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“; „Lin- schaftlichen und ideologischen Bedeutung von Bd. 9). Kiel: Unabhän- denstraße“, „Verbotene Liebe“, „Melrose Place“, Fernsehserien. In: Medium2/1995, S. 18-22. gige Landesanstalt für „Springfield Story“), wobei mindestens 40 Fol- Bruns, Thomas: Fernseh-Serien als Indikator das Rundfunkwesen gen der jeweiligen Serien auf der Grundlage medialen und sozialen Wandels. Eine Analyse (ULR) 1996. Und: semiotischer Textanalysen begutachtet wurden. der Veränderungen von Werten und sozialen Douglas,William Zentrale Themen in den untersuchten Serien Strukturen imfiktionalen Programmdes Fern- The fall from grace? sind einerseits die Familie und andererseits die sehens. In: Schatz, Heribert (Hrsg.): Fernsehen The modern family on individuelle Sinnsuche der beteiligten Charak- als Objekt und Moment des sozialen Wandels. television. tere. Dabei wird nach Ansicht der Autoren zwar Faktoren und Folgen der aktuellen Veränderun- In: Communication oberflächlich eine Welt der Toleranz propagiert gen des Fernsehens. Opladen: Westdeutscher Research 23,6/1996, und die individuelle Verwirklichung der Haupt- Verlag 1996, S. 203-254. S. 675-702. personen befürwortet. Genauer betrachtet zeigte Crotty, Mark: Murphy would probably also sich jedoch, daß in den dargestellten Interaktio- win the election – the effect of television as rela- nen nur ganz spezielle Werte für die Handelnden ted to the portrayal of the family in situation als sinnvoll erachtet werden. Die Charaktere comedies. In: Journal of Popular Culture 29, verhielten sich nur dann angemessen, wenn sie 3/1995, S. 1-17. traditionelle, konservative Rollenbilder befolg- Decker, Jan-Oliver/Hans Krah/Marianne ten (d.h. Frauen ihre soziale Rolle innerhalb der Wünsch: Gesellschaftliche Probleme werden Familie wahrnahmen, Männer aktives Handeln ideologisch reguliert. Anmerkungen zum Genre zeigten). Dies kaminsbesondere dann zumVor- der TV-Familienserien. In: Medien und Erzie- schein, wenn die Individuen aus demhohlen hung 2/1997, S. 81-94. Bauch – also rein emotional begründet – agier- Douglas, William/Beth M. Olson: Subversion ten, und sich vernunftorientierte Begründungen of the American family? An examination of chil- des Handelns als falsch erwiesen. In den mei- dren and parents in television families. In: Com- sten Familienserien wird nach Ansicht der Auto- munication Research 23, 1/1996, S. 73-99. ren auf paradoxe Art und Weise eine Realitäts- Douglas, William: The fall from grace? The flucht begangen, indem bestimmte Ausschnitte modern family on television. In: Communication der Realität (z. B. gesellschaftliche Probleme wie Research 23, 6/1996, S. 675-702. Arbeitslosigkeit, Diskriminierung, Emanzipation Göttlich, Udo: Traditionalismus als Leitidee. von Frauen etc.) ausgeklammert werden und Werte und Wertestruktur amerikanischer Serien. statt dessen eine traditionelle, heile Welt vorge- In: Schneider, Irmela (Hrsg.): Serien-Welten. führt wird. Familienserien dienten somit nicht Strukturen US-amerikanischer Serien aus vier dazu, die Rezipienten mit den gegenwärtigen Jahrzehnten. Opladen: Westdeutscher Verlag realen gesellschaftlichen Problemen zu konfron- 1995, S. 102-137. tieren, sondern führten durch den Rückzug auf Göttlich, Udo/Jörg-Uwe Nieland: Politischer den privaten, primär emotional strukturierten Diskurs als Unterhaltung? Präsentationslogiken Bereich der Familie Problemlösungen vor, die von Daily Soaps als Wegweiser. In: Schatz, Heri- der realen Situation unangemessen sind (vgl. bert/Otfried Jarren/Bettina Knaup (Hrsg.): auch Weiss und Wilson 1996). Machtkonzentration in der Multimediagesell- Befragt man allerdings die Zuschauer, so schaft? Beiträge zu einer Neubestimmung des scheinen sie gerade Serien zu präferieren, die Verhältnisses von politischer und medialer ihnen eine traditionelle, heile Welt vorführen. Macht. Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, Douglas befragte 240 Erwachsene imAlter zwi- S. 188-202. schen 19 und 48 Jahren zu verschiedenen Serien Götz, Maya: Mädchenserien/Jungenserien. (u.a. „Cosby Show“, „Roseanne“, „Who’s the Diskussionsbeitrag zu den Serienvorlieben der Boss?“), wie sehr sie die Serie mögen, inwieweit 14- bis 19jährigen. In: Medien Praktisch 4, 1997, die dargestellte Fernsehfamilie ihrer eigenen S. 27-30. Familie ähnlich sei und inwieweit sie ein wün- Greenberg, Bradley S./Rick W. Busselle: Soap schenswertes Modell darstelle. Während harmo- operas and sexual activity: a decade later. In: nische Familien, wie zum Beispiel die in der Journal of Communication 46, 4/1996, S. 153- „Cosby Show“ präsentierte Familie (die Huxtab- 160. les), von den Befragten eher gemocht wurden, Haderer, Christian/Wolfgang Bachschwöll: ähnlicher zu realen Familien eingeschätzt und Kultserien imFernsehen. Heyne Filmbibliothek, als wünschenswertes Familienmodell erachtet Nr. 32/233. München: Heyne Verlag 1996. wurden, bewerteten die Befragten die Dar- stellungen von eher nicht-traditionellen fami- lialen Rollenmustern, wie beispielsweise in „Roseanne“ oder „Full House“, eher negativ. ARD-Forschungsdienst media perspektiven 1/98 x50 ...... Frey-Vor, Gerlinde: Langzeitserien imdeut- Moritz, Peter: Seife fürs Gehirn. Fernsehen schen und britischen Fernsehen. Lindenstraße imSerienalltag. Münster: LIT-Verlag 1996. und EastEnders iminterkulturellen Vergleich. Shrum, L.J.: Psychological processes under- Berlin: Wissenschaftsverlag Volker Spiess 1996. lying cultivation effects. Further tests of con- Keller, Harald: Kultserien und ihre Stars. Edi- struct accessibility. In: Human Communication tion Splitscreen, 4. Berlin: Dieter Bertz Verlag Research 22, 4/1996, S. 482-509. 1996. Vorderer, Peter/Sylvia Knobloch: Parasoziale Livingstone, Sonia/Tamara Liebes: Where Beziehungen zu Serienfiguren: Ergänzung oder have all the mothers gone? Soap opera’s replay- Ersatz? In: Medienpsychologie 8, 3/1996, S. 201- ing of the oedipal story. In: Critical Studies in 216. Mass Communication 12, 2/1995, S. 155-175. Weiss, Audrey J./Barbara J. Wilson: Emotional Lotze, Wolfram: Das amtliche Lindenstraßen- portrayals in family television series that are

buch. Frankfurt/Main: Eichborn 1996. popular among children. In: Journal of Broad- casting and Electronic Media 40, 1/1996, S. 1-29. U