U Funktionen Von Soap Operas Für Die Zuschauer
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media perspektiven 1/98 x46 ............................................................................................................................................................... haben, bei demdie Zuschauer die auf demBild- schirmpräsentierten Gefühle nachvollziehen, sich auf die Geschichten einlassen, mit den Figu- U Funktionen von Soap operas ren mitleiden etc. Solche Funktionen hängen allerdings in hohemMaße von den individuel- für die Zuschauer len Motiven und Aktivitäten der Zuschauer ab, ARD-Forschungsdienst* die die Wirkungen von Soap operas beeinflussen (vgl. die Studie von Kimund Rubin). Soap operas können offensichtlich auf die Der Begriff der Soap opera (Seifenoper) geht auf Wahrnehmung und Beurteilung sozialer Realität Bartergeschäfte in den 50er Jahren zurück, als einwirken (vgl. Shrum1996) und erfüllen damit große amerikanische Waschmittelhersteller Fort- für einen Teil der Zuschauer soziale Orientie- setzungsgeschichten für das Fernsehen produ- rungsfunktionen. Wahrscheinlich orientieren zieren ließen und ihnen imGegenzug dafür von sich die Zuschauer in gewissemMaß an den dar- den Programmveranstaltern kostenlose Werbe- gestellten Lebensentwürfen, den Charakteren, zeit zur Verfügung gestellt wurde. Wie so häufig deren Handlungen und Problemlösungen, wobei wurde dieses, in den USA erfundene Format von die eigene Lebenszufriedenheit sowie spezifi- deutschen Programmanbietern übernommen, sche Persönlichkeitsmerkmale wichtige Voraus- zunächst als synchronisierte Fassungen amerika- setzungen sind. Angesichts der Ergebnisse nischer Serien, alsbald jedoch produzierte man inhaltsanalytischer Studien (vgl. z. B. Wünsch auch eigene Seifenopern. Inzwischen haben sich und andere) ist es jedoch sehr fraglich, ob die in eine ganze Reihe von wöchentlich oder täglich den Soap operas präsentierten Werte und Nor- ausgestrahlten Serien etabliert, die unterschied- men, Lebensentwürfe und Problemlösungen den liche (Alters-)Zielgruppen ansprechen und mit Anforderungen des wirklichen Lebens angemes- zudenbeliebtestenProgrammangebotendessen sind und damit Modellcharakter haben Fernsehens zählen (z. B. „Marienhof“, „Gute Zei- können. ten, schlechte Zeiten“, „Unter uns“, „Verbotene Liebe“, „Lindenstraße“). Was macht den Erfolg ie hoch ist die Bindung des Publikums an Zubayr, Camille von Soap operas aus, warumschauen sich die W unterschiedliche Programme? Welche Fak- Der treue Zuschauer? Zuschauer diese Serien an? Welche Funktion(en) toren beeinflussen die Programmbindung? Zur Zur Programmbindung erfüllen sie und wie wirken sie auf das Publi- Untersuchung der Konstanz des Fernsehverhal- im deutschen Fern- kum? Wie sind Soap operas im Hinblick auf ihre tens bei periodisch wiederkehrenden Angeboten sehen. Angewandte Inhalte zu beurteilen? Welche Werte und Nor- wurden für den Zeitraumeines Monats (Februar Medienforschung. men vermitteln sie? bis März 1994) die Daten der GfK-Zuschauerfor- In: Schriftenreihe des Die Studie von Zubayr zeigt zumBeispiel, schung sekundäranalysiert und errechnet, wie- Medien Instituts Lud- daß gerade bei fiktionalen Serien, insbesondere viel Prozent der Zuschauer, die eine Folge einer wigshafen; Band 3. solchen, die endlose Fortsetzungsgeschichten episodischen Sendung gesehen hatten, auch die München: Reinhard erzählen, und die sich mit den Themen Familie nächste Folge bzw. Episode der Sendung sahen. Fischer 1996. Und: und Beziehung auseinandersetzen, die höchsten Die durchschnittliche Programmbindungs- Bathelt,Thomas Programbindungsraten überhaupt zu finden rate (PBR) aller 164 untersuchten Sendungen Fernsehen im Abonne- sind. Serien verfügen imVergleich zu fast allen (einbezogenwurdendieARD,ZDF,RTL, ment. anderen Programmgenres über das größte SAT.1 und PRO SIEBEN) betrug 31 Prozent bei In: Tele Images, Stammpublikum und sind somit insbesondere einemMinimumvon9,7 Prozent („ZDF-Sportre- 2/1995, S. 20-23. auch für die Werbeplaner von großemInteresse portage“) und einemMaximumvon 61,3 Pro- (vgl. Studie von Bathelt). Für das Publikum zent („California Clan“). Dies bedeutet, daß etwa erfüllen Soap operas spezifische Funktionen. ein Drittel der Zuschauer einer Sendung auch Kepplinger und Weißbecker konnten in ihrer die nächste Ausgabe dieser Sendung sahen. Untersuchung zeigen, daß sie über den Prozeß Frauen wiesen imallgemeinen höhere Pro- der Identifikation mit positiven und erfolgrei- grammbindungsraten auf als Männer, ebenso chen Figuren durchaus zur zeitweiligen Flucht ältere imVergleich zu jüngeren Zuschauern. aus eigenen, nicht zufriedenstellenden Lebens- Gameshows (35,6 %) und fiktionale Unterhal- umständen dienen können. Nicht selten werden tung (u.a. Serien; 32,6 %) hatten von allen sogar emotionale Bindungen mit Serienfiguren Genres die höchsten durchschnittlichen Pro- aufgebaut, die zumindest zum Teil auch Ersatz grammbindungsraten. Außerdem zeigte sich, für (defizitäre) interpersonale Beziehungen sein daß bei Serien mit den Themen Familie und können (vgl. Vorderer/Knobloch 1996). Dies mag Beziehung mit fast 42 Prozent die höchsten PBR mit einem primär emotionalen und personen- festzustellen waren, deutlich vor Serien mit den zentrierten Zugang zu Soap operas zu tun Themen Krimi/Verbrechen (33 %), Action/Aben- teuer (28 %) und Situationskomik (25 %). Diffe- renziert nach verschiedenen Formen des Fortset- zungscharakters zeigte sich die folgende Reihen- ................................................................................ folge: Endlose Geschichten hatten die höch- * Autor: Uli Gleich, Institut für Kommunikationspsychologie/ sten PBR (z. B. „Lindenstraße“, „Gute Zeiten, Medienpädagogik der Universität Koblenz/Landau. Adresse: ARD-Forschungsdienst, Postfach 1144, 76801 Landau, Fax schlechte Zeiten“; 46,5 %), gefolgt von abge- 06341/921712. schlossenen Geschichten mit fortgesetztem all- Funktionen von Soap operas für die Zuschauer ............................................................................................................................................................... x47 media perspektiven 1/98 gemeinem Handlungsstrang (z. B. „Roseanne“, von 227 Frauen überprüft. Sie wurden unter „Beverly Hills 90120“; 31,7 %) sowie Serien mit anderemnach ihremFernsehkonsumund nach voneinander unabhängigen Episoden (z. B. Sendungspräferenzen (speziell für die Sendun- „Kojak“, „Magnum“; 28,8 %). Im Vergleich der gen „Lindenstraße“ und „Der Alte“) sowie nach Ausstrahlungshäufigkeit erreichten Sendungen, dem Ausmaß der Identifikation mit bestimmten die zweimal (42 %) oder fünfmal pro Woche Protagonisten befragt. (34 %) ausgestrahlt wurden, die höchsten Pro- Was die Häufigkeit des Fernsehkonsums grammbindungsraten, differenziert nach der sowie die Präferenzen für Unterhaltungsange- Sendezeit diejenigen Angebote, die zwischen bote imallgemeinen anbelangte, so zeigten sich 16.00 und 19.00 Uhr plaziert waren (34,7%). keine Unterschiede zwischen den Frauen, die Familienserien und solche, die Beziehungs- mit ihrem Leben zufrieden waren und den themen behandeln, scheinen die Bindung des Frauen, die in dieser Hinsicht eine Diskrepanz Publikums an ein Programm am stärksten zu zwischen Wunsch und Wirklichkeit konstatier- unterstützen. Vor allembei endlos fortlaufenden ten. Die unzufriedenen Frauen sahen jedoch Geschichten ist dies der Fall. Dafür sind wahr- deutlich häufiger solche Sendungen, in denen scheinlich mehrere Gründe ausschlaggebend. Alltagsthemen präsentiert wurden (hier: „Lin- Einerseits entwickeln die Zuschauer ein Inter- denstraße“) als Sendungen, bei denen ein All- esse amFortgang der Geschichte und unter tagsbezug schwieriger herzustellen war (hier: Umständen auch eine Form der emotionalen „Der Alte“). Darüber hinaus ging Unzufrieden- Bindung an die Protagonisten. Andererseits wird heit einher mit einem ausgeprägteren Interesse dieses Interesse bzw. die Neugier auf den Fort- an sympathischen Darstellern sowie stärkerer gang der Geschichte durch inhaltliche und for- Identifikation mit Charakteren, die positive male Gestaltungsmittel unterstützt. Sie lassen Eigenschaften, wie zumBeispiel Durchsetzungs- die Zuschauer mit einer offenen Frage, einem vermögen, soziale Kompetenz und Lebenszufrie- ungelösten Problem, der Ankündigung eines denheit, repräsentierten. Konflikts, das heißt unter Spannung zurück. Die Ergebnisse zeigen nach Ansicht der Auto- Dadurch wird für die Zuschauer ein hoher ren, daß alltagsnahe Darstellungen in Soap ope- Anreiz geschaffen, den weiteren Fortgang der ras (wie z. B. der „Lindenstraße“) unter Umstän- Geschichte zu erfahren. den eskapistische Funktionen haben und dazu Die hohe Bindung an Serien konnte auch in dienen können, demeigenen, als weniger positiv der Studie von Bathelt belegt werden. Vor dem empfundenen Alltag zumindest zeitweise zu ent- Hintergrund von Überlegungen zur Optimie- fliehen. Von großer Bedeutung dürfte dabei das rung von Mediaplänen und zur effektiven Identifikationspotential sein, das die Sendung Streuung von Werbekampagnen untersuchte der demZuschauer entweder imHinblick auf Perso- Autor die Bindungswirkung von täglich und nen oder hinsichtlich Situationen (imSinne von wöchentlich wiederkehrenden Programmange- vergleichbaren oder wünschenswerten Lebens- boten. Dabei wurden unter anderemtägliche umständen) bieten kann. Welche kurz- oder län- Talkshows und Serien (z. B. „Meiser“, „Gute Zei- gerfristigen Effekte sich aus der eskapistischen ten, schlechte Zeiten“), wöchentliche Serien (z. B. Nutzung von Soap operas ergeben, wurde in der „Beverly Hills 90120“) sowie regelmäßige Spiel- vorliegenden Studie nicht untersucht. Möglich filmplätze