Polyphone Ästhetik Der Vielheiten Und Differenzen
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Eine polyphone Ästhetik der Vielheiten und Differenzen. Ein anti-universalistisches Unterfangen der Verkomplizierung und Kompliz*innenschaft. Ein being concerned. Polyphone Ästhetik Eine kritische Situierung Sofia Bempeza, Christoph Brunner, Katharina Hausladen, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger transversal.at Polyphone Ästhetik POLYPHONE ÄSTHETIK Sofia Bempeza, Christoph Brunner, Katharina Hausladen, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger POLYPHONE ÄSTHETIK Eine kritische Situierung transversal texts transversal.at ISBN der Printausgabe: 978-3-903046-24-5 transversal texts transversal texts ist Textmaschine und abstrakte Maschine zugleich, Territorium und Strom der Veröffentlichung, Produktionsort und Plattform - die Mitte eines Werdens, das niemals zum Verlag werden will. transversal texts unterstützt ausdrücklich Copyleft-Praxen. Alle Inhalte, sowohl Originaltexte als auch Übersetzungen, unterliegen dem Copyright ihrer AutorInnen und ÜbersetzerInnen, ihre Vervielfältigung und Repro- duktion mit allen Mitteln steht aber jeder Art von nicht-kommerzieller und nicht-institutioneller Verwendung und Verbreitung, ob privat oder öffentlich, offen. Dieses Buch ist gedruckt, als EPUB und als PDF erhältlich. Download: transversal.at Umschlaggestaltung und Basisdesign: Pascale Osterwalder transversal texts, 2019 eipcp Wien, Linz, Berlin, London, Málaga, Zürich ZVR: 985567206 A-1060 Wien, Gumpendorferstraße 63b A-4040 Linz, Harruckerstraße 7 [email protected] eipcp.net ¦ transversal.at Die Buchproduktion wurde vom Institute for Cultural Studies in the Arts der Zürcher Hochschule der Künste und vom Institut für Kunst und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien unterstützt. Das eipcp wird von der Kulturabteilung der Stadt Wien gefördert. Z hdk Zürcher Hochschule der Künste Institute for Cultural Studies in the Arts Inhalt Polyphone Ästhetik. Ein Anfang Sofia Bempeza, Christoph Brunner, Katharina Hausladen, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger 7 Am Küchentisch. Ein Streitgespräch mit der Ästhetik Sofia Bempeza, Christoph Brunner, Katharina Hausladen, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger 15 Politik des Bezeichnens. Formen der Aneignung in der Popmusik Katharina Hausladen 39 Elemente einer postkolonialen Genealogie der westlichen Ästhetik Ruth Sonderegger 53 Vom Sensus Communis zu den Dirty Aesthetics. Für eine entgrenztere Theoriepraxis Ines Kleesattel 71 Die Eule der Minerva de-rationalisieren oder: den postkolonialen Ansatz der documenta 14 situieren Sofia Bempeza 87 Affekt und dekoloniale Aisthesis als anderes Wissen Christoph Brunner 103 Earthly Relational Aesthetics. Eine post-koloniale Differenzierung mit Glissant Christoph Brunner, Ines Kleesattel 125 Es war einmal eine Ästhetik (die hatte sich selbst sehr lieb) Sofia Bempeza, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger 149 Bibliografie 165 Polyphone Ästhetik. Ein Anfang Wie ließe sich eine polyphone Ästhetik erzeugen, be- greifen, ausrufen? Eine Ästhetik von Vielheiten und Differenzen, die sich verschiedener Praktiken, Situati- onen und Rhythmen annimmt. Ein anti-universalisti- sches Unterfangen der differenzierenden Verkomplizie- rung und Kompliz*innenschaft. Einbeing concerned, das das Wir, als welches wir hier schreiben, auch aufgrund seiner konstitutiven Widersprüchlichkeit unruhig blei- ben lässt; das den Austausch mit weniger hegemonialen Perspektiven und Problematisierungen sucht; und das schreibend mit den Verstrickungen in die inner- und außerakademische Welt mit ihren Machtbeziehungen agiert. Wenn wir hier von Ästhetik sprechen, beschäftigen wir uns sowohl mit der gleichnamigen philosophischen Disziplin als auch mit heterogenen ästhetischen Prak- tiken, mit auf diese Praktiken bezogenen Theoriebil- dungen sowie mit dem Begriff der Ästhetik und seiner Geschichte. Diesen Begriff beschränken wir dezidiert nicht auf eine als high art verstandene Kunst oder auf das Schöne. Vielmehr verstehen wir ihn als aisthesis, das heißt in Verbindung mit je spezifischen Bedingungen, Möglichkeiten und Effekten von Wahrnehmung und Vernehmbarkeit, Sinnlichem und Sinnhaftem. Es geht uns weniger darum, die bereits vorhandenen Großdefi- nitionen der philosophischen Ästhetik durch eine wei- tere, inklusivere zu ergänzen, die eine Anerkennung des jeweils Ausgeschlossenen gerade dadurch negiert, dass allein sie zu dieser Anerkennung legitimiert. Stattdessen bemühen wir uns um ein anderes politisches Sprechen, 7 das sich in seiner Positionierung ebenso angreifbar macht, wie es in seiner ästhetischen Ambivalenz radikal unabgeschlossen bleibt. Eine polyphone Ästhetik erwächst aus der Freiheit, der Dringlichkeit und der Freude, mit verschiedenen Stimmen zu arbeiten und durch andere Positionen zu denken, ohne die Differenzen, die der Polyphonie im- manent sind, durch Inklusion zu neutralisieren. Der Dialog, in den wir hier miteinander und mit Ideen und Praktiken aus unterschiedlichen ästhetischen, theo- retischen, geopolitischen und historischen Kontexten treten, hat u. a. das Ziel eines differenzsensiblen Ge- schichtenerzählens im Sinne Donna Haraways, mit der wir die Überzeugung teilen: „[I]t matters which ideas we think other ideas with.“ 1 Im Gegensatz zu den uni- versalistischen Implikationen des kosmopolitischen Anspruchs eines sensus communis oder der wohlmeinen- den, aber nicht minder kolonialen Geste eines Reinho- lens ‚fremder‘ Personen und Positionen üben wir uns im Situieren von Partialität. Unser Anliegen ist, die Verheißung von sozialen, politischen und kulturellen Praktiken im Bereich der Ästhetik offenzulegen, und zwar nicht aus einer distanzierten Perspektive, die über andere Subjekte als Objekte spricht, sondern aus der Involvierung im Sinne eines „speaking nearby“ 2. Da- bei fragen wir uns ausgehend von unseren eigenen Si- tuiertheiten, wie wir mit vielfältigen und dabei stets 1 Donna Haraway, Staying with the Trouble, 2016, S. 14 f. 2 Als „speaking nearby“ bezeichnet Trinh Thi Minh-hà den post- kolonialen Dokumentarfilm-Ansatz, der ihrem Film Reassemblage (1982) zugrunde liegt. Wenn Minh Hà dort erklärt, „I do not intend to speak about. Just speak nearby“, so bezieht sie sich auf eine Situ- ation, in der es schwierig bis unmöglich ist, in direkte Kommunika- tion mit anderen zu treten. 8 bestimmten ästhetischen Praktiken und Milieus poly- phon in Resonanz treten können. Wie dieses Buch situiert ist Wer ist dieses Wir, von dem wir hier immer wieder de- zidiert schreiben? Zunächst einmal meinen wir damit nicht mehr als die fünf Autor*innen dieses Buches. Ein partiales Wir, das aufgrund unserer je eigenen Inte- ressen, sozialen Rollen und Subjektivierungsweisen als Wissenschaftler*innen, Lehrende, Künstler*innen und Theoretiker*innen in sich heterogen ist. Dies umso mehr, als wir uns mit unseren unterschiedlichen und unterschiedlich errungenen Privilegiertheiten verschie- den zur gemeinsamen Theorieproduktion verhalten. Auf der anderen Seite bleibt unser Wir als akademisches und europäisch-weißes immer noch ziemlich homogen. Anlass zu diesem Buch gab unsere Teilnahme am X. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhe- tik (DGÄ), der im Februar 2018 unter dem Titel Das ist Ästhetik! an der HfG Offenbach stattfand und nach Geschichte und Gegenwart der philosophischen Ästhe- tik fragte. In unterschiedlichen Konstellationen – teils mit Einzelvorträgen, teils mit dem Panel Vorschläge zur Situierung und Provinzialisierung der westlichen philoso- phischen Ästhetik 3 – formulierten wir dort in verschie- denen Bezugsrahmen das gemeinsame theoriepolitische Anliegen, den Anspruch der Cultural und Postcolonial Studies, westlich-europäische Selbst- und Fremdbilder und die „über Jahrhunderte entwickelte[n] Vorstellungen 3 Neben Sofia Bempeza, Ines Kleesattel und Ruth Sonderegger war auch Eva Kernbauer Teil dieses Panels. Bei ihr wollen wir uns an dieser Stelle für die gemeinsamen Auseinandersetzungen bedanken. 9 von kultureller Überlegenheit und Unterlegenheit“ 4 aufzubrechen, in die philosophisch-ästhetische Diszi- plin hineinzutragen. So verwarfen wir einerseits einen von kolonialen und anderen Ausschlüssen abstrahieren- den Ästhetikbegriff mit der Behauptung „Das ist nicht die ganze Ästhetik!“. Andererseits öffneten wir einen auf Kunst verkürzten Begriff des Ästhetischen mit der Forderung „Das ist auch Ästhetik!“ für alternative Be- stimmungen. Unsere Vorschläge finden sich in diesem Buch in Form von fünf Einzelbeiträgen, die mehr oder weniger identisch mit unseren in Offenbach gehaltenen Vorträgen sind; in der Gestalt eines transkribierten Ge- sprächs, das wir an zwei Tagen im August 2018 in Wien führten, um unsere Vorträge zu reflektieren und zu er- gänzen; eines ko-autorschaftlichen Aufsatzes, der den Topos der Relationalen Ästhetik mit Édouard Glissant und Donna Haraway einer postkolonial differenzieren- den Revision unterzieht; sowie in Form eines Pharma- kons aus der Hexenküche ästhetischer Fabulation, das zum Schluss des Buches den Versuch eines kollektiv ge- gendisziplinären Theoretisierens unternimmt. Matters of Concern Die Beiträge dieses Buches möchten den selbstgerechten Autoritätsanspruch der westlichen Theoriepraxis unter- wandern und produktiv verunsichern. Somit ist dieser Band unser erster Versuch einer Situierung, ein Begeh- ren nach Formen des gemeinsamen und kollektiven Ar- beitens, Denkens, aber eben auch Empfindens und Le- bens. Dabei befassen wir uns mit so unterschiedlichen ästhetischen Dimensionen wie der Problematisierung 4 Christian Kravagna, „Postcolonial Studies“, 2016, S. 68. 10 des postkolonialen Unterfangens der documenta 14 in Athen, den rassistischen Implikationen