Schön Deutsch Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Schön deutsch Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Im Buchhandel erhältlich oder direkt beim Verlag. Bestelladresse: TransMIT-Zentrum für Literaturvermittlung in den Medien Kerkrader Straße 3 D-35394 Gießen [email protected] http://www.literaturwissenschaft.de © Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg (in der TransMIT-GmbH, Gießen) 2021 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten. Druckvorlage: Verlag LiteraturWissenschaft.de Umschlag: Y2design, Wolfenbüttel Vorlage für Umschlagbild: © iStock Druck und Bindung: Schaltungsdienst Lange, Berlin ISBN 978-3-936134-79-7 Dirk Kaesler Stefanie von Wietersheim Schön deutsch Eine Entdeckungsreise Verlag LiteraturWissenschaft.de Unseren Kindern, die in diese Welt voller Schönheit gehen Für Freda & Otto und Antonia & Leopold Inhalt Einleitung Ein Mann und eine Frau auf der Suche nach Schönheit in ihrem Land 7 Deutsche Männermode Auf Tuchfühlung mit dem inneren Wandersmann 23 Siezen und Duzen Gesprächsbotox in virtuellen Zeiten 41 Hamburg Was ist heute noch Ehre? 57 Das deutsche Essen Plunderteilchen im Tortensarg 75 Achselhaare bei Frauen Die letzten Reservate eines bedrohten Schmucks 91 Das deutsche Schloss Von der Liebe zu echten und falschen Palästen 107 Helene Fischer Deutsche Madonna oder Quäkmadame? 123 Der deutsche Duft Speick-Seife, Badedas und die Brühwürstchen 137 Der deutsche Handkuss Ein wahrer Herr tanzt ihn 151 München Metamorphosen in Stoff und Stein 165 Die deutsche Fotografie Voyeure und Reporterinnen 183 Das deutsche Frühstück Festgeklebt in der Brötchenfalle 201 Die deutsche Kirchenmusik Luther, Bach und Händel 213 Potsdam Monopoly und die Russen 229 German Beauty Sie ist stolz und geheimnisvoll 249 Das deutsche Porzellan Schildkrötentassen für Ingwer-Shots 267 Beate Uhse Fliegende Feministin oder Pornoqueen? 283 Hiddensee Das Anti-Sylt 301 Ein Mann und eine Frau auf der Suche nach Schönheit in ihrem Land EINLEITUNG Ein Mann und eine Frau auf der Suche nach Schönheit in ihrem Land 7 Einleitung 8 Ein Mann und eine Frau auf der Suche nach Schönheit in ihrem Land Wie riecht Deutschland? Nach dem großmutterhaften Kölner Duftwasser 4711 aus dem heute so trendig türkisen Flakon? Nach neu-altem Filterkaffee? Oder gar dem deutschen Wald und Ba- dedas? Warum – um Gottes Willen! – brauchen die Deutschen unbedingt ein spezielles Sägemesser, mit dem sie ihre heiligen Frühstücksbrötchen aufschneiden? Wo gibt es ihn noch, den be- rühmten Handkuss, bei dem die Hacken angedeutet militärisch zusammengeschlagen werden? Ist die Musik von Johann Sebastian Bach deutscher als die von Helene Fischer? Sylt oder Hiddensee? Schließlich: Was sieht „typisch deutsch“ aus, wenn kaum je- mand weiß, was „typisch deutsch“ eigentlich sein soll. Gibt es so etwas wie eine deutsche Alltagsästhetik, eine besondere Vorstellung von Schönheit, die es nur hier und nirgendwo sonst auf der Welt gibt? Manche sagen, dass schon die Worte „Schönheit“ und „Hei- mat“ ebenso verbraucht, abgenutzt seien wie das Wort „Liebe“, so dass man sie gar nicht mehr in den Mund nehmen mag. Noch viel grundsätzlicher: Was heißt es heute, „eine Deutsche“, „ein Deutscher“ zu sein? Mehr denn je sind das Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind. Waren sie das je? Deutschland scheint ein recht selbstbewusstes und zugleich nach- denkliches Land geworden zu sein. In einer Zeit, in der dieses heu- tige Deutschland in der Mitte Europas als erstrebenswertes Ziel zum Leben und Arbeiten für Millionen Menschen aus der ganzen Welt gilt und in dem leidenschaftlich über deutsche Identität und Integration diskutiert wird, haben wir uns über zwei Jahre immer wieder gemeinsam die Frage gestellt, ob sich „Deutschsein“ – was auch immer das ist – in speziellen Objekten, Ritualen und Abson- derlichkeiten manifestiert. Und worin deren Schönheit liegt. Entstanden ist ein Astonishment Report: Essays zu unseren ganz persönlichen deutschen Fundstücken. Denn beim Sammeln un- serer Beobachtungen erschien uns das Land zunehmend mehr als Wunderkammer voller Trouvaillen, die manchmal mehr als wun- 9 Einleitung derlich sind. Wie muss es da erst Ausländern gehen, die das alles entdecken? Wie wir darauf kamen, in Zeiten von Corona über Schönheit zu schreiben Im März 2019 beschlossen wir, zusammen ein Buch darüber zu schreiben, was uns beiden als schön in und an Deutschland auf- fällt. Ein ganzes Jahr hatten wir schon daran gearbeitet, getrennt und gemeinsam, da rollte die Corona-Pandemie des Covid-19 über den Globus. Auch über Deutschland. Wir fragten uns: Sollen wir überhaupt noch weiterschreiben? Jetzt, über Schönheit? Über Bröt- chenmesser, eine Sexshop-Unternehmerin, Achselhaare und teures Porzellangeschirr? In Zeiten, in denen Menschen in Angst und Sorge sind? Ja, natürlich! Jetzt erst recht! Wenn nicht jetzt, wann dann? Was uns auf den folgenden Seiten beschäftigt, gilt immer. In Zeiten von Mundschutz ebenso wie in Zeiten der weißen Blusen und nackten Arme in überfüllten Straßencafés. In guten wie in schlechten Ta- gen. Wir – ein 76-jähriger Soziologe und eine 50-jährige Journalistin – sind zwei Menschen, die seit Schulzeiten ihr ganzes Leben lang geschrieben haben. Die gar nicht anders können, als zu schreiben. Über alles, was ihnen begegnet. Zwei Menschen, die Schreibfreu- de, Schreiblust und Schreibfrust gut kennen. Zwei Deutsche. Er versteht sich als Münchner Protestanten, der nach Jahrzehnten des Umherziehens seit 2014 in Potsdam lebt. Sie versteht sich als böhmisch-norddeutsch-französische Katholikin, die froh ist, nach Jahrzehnten des Umherziehens seit 2009 in Niedersachsen ihre flachen Wurzeln in den Boden gesenkt zu haben. Er träumt sich manchmal nach England und Schottland, sie sich ständig nach Frankreich. 10 Ein Mann und eine Frau auf der Suche nach Schönheit in ihrem Land Der Blick der kulturwissenschaftlichen Journalistin und sein soziologischer Blick sahen sehr oft das Gleiche, wenn auch nicht dasselbe. Und das Kriegskind und die Enkelin Heimatvertriebener fingen an, darüber zu reden, was ihnen an Deutschland auffällt. Gefällt und missfällt. Manchmal einander widersprechend. Oft die ähnliche Leidenschaft für Schönes sich gegenseitig zeigend. Wie staunende Kinder schleppten wir immer wieder Neues an: „Schau- en Sie mal, was ich hier gefunden habe!“ Und häufig passierte es, dass derjenige, dem schon wieder eine Trouvaille vor die Füße oder die Augen gelegt wurde, sagte: „Oh, das kenn ich, da muss ich Ih- nen eine Geschichte dazu erzählen…“ Beim Schreiben standen wir bei manchen Themen vor gro ßen Herausforderungen, denn wir mussten Essen beschreiben ohne den unmittelbaren Geschmack der Gerichte auf der Zunge, Fotos ohne Abbildungen, Musik ohne Hören. Und nun können Sie unsere Erzählungen zu 18 Themen nach- lesen, die wir getrennt voneinander geschrieben haben, jeder in seinem eigenen Ton. Die aber zusammengehören und indirekt miteinander kommunizieren. Und Sie können sich oder anderen Ihre eigenen Geschichten über Deutschland erzählen. Denn jeder Mensch hat eigene Erinnerungen, Gefühle und Geschichten, wenn es um Gerüche, Musik und Städte geht. Vielleicht ähnliche wie wir. Vielleicht ganz andere. Was ist das überhaupt, Schönheit? Google bietet an: Schönheitsoperationen, Schönheitsreparaturen, Schönheitspflege, Schönheitsmomente und so weiter. Bei unserem Buch half uns weder die Philosophie weiter – von Platon bis Hegel haben ihre Vertreter intensiv über Schönheit nachgedacht – noch jene wissenschaftliche Disziplin, die sich Ästhetik nennt. Klar, die Gegenkonstruktion ist immer schön gegen hässlich. Aber wer be- stimmt, was das eine ist, was das andere? 11 Einleitung Irgendwann fanden Abertausende Frauen auf der ganzen Welt das „Arschgeweih“ schön, jene längliche, meist symmetrische Tä- towierung, und ließen sie sich auf die Partie knapp oberhalb des Steißbeins in die Haut stechen. Dieselben Studios, die es in den späten 1990er Jahren den Frauen für gutes Geld stachen, verdie- nen gegenwärtig erneut viel Geld, indem sie versuchen, das florale Kunstwerk mit Lasern zu entfernen. Das Schönheitsideal blätterte, je mehr Menschen meinten, es sei nicht wirklich schön, sondern eher ein „tramp stamp“, ein Schlampenstempel. Die deutsche Sän- gerin Ina Müller verabschiedete sich von dem ihren mit dem Lied „Bye Bye Arschgeweih“. Weg vom Arsch, rauf ins Hirn: Etwas als schön zu empfinden, beinhaltet eine Wertung. Die wiederum ist abhängig von Wertvor- stellungen. Die ihrerseits sind geprägt von Konventionen in Fami- lie, Bekanntenkreis, Berufswirklichkeit, Region, Land, Generati- on und Zeit. Die einen finden den Schauspieler George Clooney schön, die anderen den Komiker Martin Schneider, den „Maddin“. Die einen lieben argentinischen Tango, die anderen das Raven in Wackersdorf. Die einen lieben Mozart, die anderen eben Ina Mül- ler, Fußball oder Spitzentanz. Und wechselseitig lauern dann die Verdammungsurteile „ganz nett“, „hübsch“ und „kitschig“. Gefährlich wird es erst, wenn „ge- schmacklos“ als Etikett verteilt wird. Die semantischen Killer sind dann „hässlich“ und „ekelhaft“. Aber auch da hängt es davon ab, wer das von wem oder wovon und zu wem sagt. Richtig verwirrend wird es, wenn einem Menschen begegnen, die Musik von Heinrich Schütz und Louis Couperin und Rebekka Bakken gleichzeitig lie- ben. Oder von den Amuse-Bouches im Pariser Sternelokal ebenso schwärmen wie von Currywurst auf die Hand. Es