AkademieAktuell Z e i t s c h r i f t d e r B ay e r i s c h e n A k a d e m i e d e r Wiss e n s c h a f t e n

Ausgabe 02/2009 ISSN 1436-753X

Jubiläum 250 Jahre Bayerische Akademie der Wissenschaften

1759 bis 2009 AKADEMIE EDITORIAL

E d i t o r i a l I n h a lt. A u s g a b e 0 2 / 2 0 0 9 . h E f t 2 9

g r u s s w o r t e Jahre Bayerische Akademie 4 Grußworte zum Jubiläum der Wissenschaften – das 250 Jubiläumsjahr 2009 hat uns a k t u e l l schon eine Fülle neuer Einsichten vermittelt, ganz 9 Grenzen überschreiten generell, aber auch spezifisch über unsere eigene

r c h i v l e b e n Vergangenheit: vom Darwin-Tag, der uns bereits A im Februar ein immenses Publikumsinteresse be- 1 2 Kleider für Gelehrte scherte, über das Ausstellungsprojekt „Wissenswelten“, das noch bis Ende 1 5 Tendit ad aequum Juni an 13 Orten in München Akademie- und Wissenschaftsgeschichte in 1 8 Aus der Gelehrtengemeinschaft Bayern sichtbar macht, bis zur aktuellen Gesprächsreihe „Wissenschaft im 2 1 Ein Plädoyer für die Kugelung Spiegel der Literatur“ in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Zum großen Festakt am 27. Juni liegt nun die neueste G eisteswissenschaften Ausgabe von „Akademie Aktuell“ vor. 2 4 Inspirierte Wortklauberey 2 7 Sprache und Literatur im Blick der Forschung 250 Jahre lassen sich schwerlich in eine Ausgabe unseres Periodikums 3 0 Große Denker und Gelehrte zwängen. Dennoch wollen wir den Versuch unternehmen, unseren Lesern 3 4 Rückgrat der historischen Forschung zu diesem besonderen Anlass in kompakter Form einige Eindrücke von 3 6 Erforschung der bayerischen Geschichte der Vergangenheit, aber auch von Gegenwart und Zukunft der Bayerischen 3 9 Arbeit für die Schatzhäuser des Geistes Akademie der Wissenschaften zu verschaffen und zugleich Antworten auf 4 2 Erforschung der älteren Musikgeschichte häufig gestellte Fragen zu geben. Wie wird man Akademiemitglied und 4 4 Antike Lebenswelten am Mittelmeer welche Rechte und Pflichten zieht die Wahl nach sich? Was hat es mit Kugelung und Talar auf sich? Was bedeutet die Akademiedevise, die bereits naturwissenschaften auf das Gründungsjahr 1759 zurückgeht? Auch die sichtbaren Spuren der 4 7 Von Walther Meißner zum Quanten-Bit Akademie im Münchner Stadtbild oder die Traditionen der öffentlichen 5 0 Stürmische Entwicklung Präsidentenrede und der Medaillenvergabe werden näher erläutert. 5 2 Technikwissenschaften 5 4 Unsere Umwelt im Blick Im zweiten Teil kommen die Forschungsvorhaben der Kommissionen zu 5 8 Geographische Finsternisse vertreiben Wort: Welche Forschungsbereiche sind heute typisch für die Akademie, wie hat sich die Struktur des Hauses seit 1759 verändert und entwickelt? Was kommissionen bedeutet es, Wörterbücher, Lexika, Gesamtausgaben und andere geistes- 6 2 Forschung einst und jetzt wissenschaftliche Großprojekte zu erstellen? Im Bereich der Naturwissen- schaften ist die stürmische Entwicklung des Leibniz-Rechenzentrums seit o r t e den 1960er Jahren ebenso Thema wie Umwelt- und Geowissenschaften an 6 4 Von der Muffatstraße zum Kennedy-Brünnlein der Akademie. Die Beiträge schlagen, soweit sinnvoll, einen Bogen von der 6 8 Ein Haus für die Akademie Vergangenheit zur Gegenwart, auch unsere Kooperationen – in der Gegen- wart immer wichtiger – mit Universitäten und anderen Forschungseinrich- g e s c h i c h t e tungen kommen angemessen zur Sprache. 7 2 „Helle Köpfe“ und große Namen 7 6 Dem Verdienste seine Kronen Ich danke allen Autorinnen und Autoren, die an dieser besonders umfang- 8 0 Die Gunst der Stifter reichen Jubiläums-Ausgabe mitgewirkt haben, und wünsche Ihnen eine 8 4 Kaleidoskop der Münchner Wissenschafts- interessante, aufschlussreiche Lektüre. geschichte 8 7 Die Aufgabe der Akademie ist die Erforschung des Grundes der Dinge

n a c h w u c h s 9 1 Wissenschaftliche Karrieren

Prof. Dr. Dietmar Willoweit publikationen Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 9 2 die Akademie im Buch

T e r m i n e 9 3 Ende Juni bis Oktober 2009

I n f o 9 4 die Akademie im Überblick AKADEMIE G r u s s w o r t E

H o r s t s E E H o f e r 250 Jahre Bayerische Akademie der Wissenschaften

ie Bayerische Akademie der Wissenschaften ist eine der ältesten und größten gelehrten Gesellschaften in Europa. Sie wurde 1759 von Dweitsichtigen Persönlichkeiten initiiert, die sich von ihr einen wis- senschaftlichen Aufschwung in Bayern erhofften und damit dem Wohl des Landes dienen wollten. Der Staat in Gestalt des Kurfürsten Max III. Joseph hat durch die Stiftung der Akademie dieses Ziel nachdrücklich bekräftigt. Seitdem hat sie namhafte Forscher vereinigt, deren Liste wie eine Ruhmes- halle der Wissenschaft wirkt. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften kann mit Stolz auf eine große Tradition zurückblicken.

Sie nimmt auch heute eine herausragende Position in der wissenschaftlichen Welt ein. Es sind vor allem Projekte im Bereich der Grundlagenforschung, die einen höheren Aufwand und einen entsprechend langen Atem benötigen, in denen sie sich auszeichnet. Dazu gehören genuin bayerische Projekte wie das Bayerische Wörterbuch, aber auch Vorhaben von besonderer internatio- naler Bedeutung wie der „Thesaurus linguae Latinae“, an dem Forscher aus mehr als 30 Ländern mitwirken. Aus der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Klasse will ich als Beispiele nur die Glaziologie, die Erdvermessung oder die Tieftempe- raturforschung hervorheben. Mit dem Leibniz-Rechenzentrum betreibt die Akademie zudem einen der drei leistungsfähigsten Großcomputer in Deutschland.

Trotz ihres ehrwürdigen Alters – die Bayerische Akademie der Wissenschaften ist jung und dynamisch geblieben. Sie verkörpert als „Gelehrtenrepublik“ beispielhaftes wissenschaftliches Ethos und öffnet sich gerade deshalb auch bereitwillig neuesten Fragestellungen und Methoden. Sie trägt dem Gedanken Rechnung, dass große Forschungsprojekte nur in einem fruchtbaren Gedankenaustausch und in enger Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zum Erfolg geführt werden können.

Der Freistaat Bayern verdankt nicht zuletzt der Arbeit der in unserem Land wirkenden Forscher seinen wirtschaftlichen Aufstieg in eine europäische Spitzenposition. Die Wissenschaft wird auch in Zukunft eine der zentralen Stützen unseres Erfolges bleiben. Die Bayerische Staats- regierung bekennt sich deshalb zu der Tradition, die von Kurfürst Max III. Joseph vor 250 Jah- ren begründet wurde, und wird die Arbeit der Akademie auch weiterhin nach Kräften fördern. Dabei begleiten alle Beteiligten meine besten Wünsche.

Horst Seehofer Bayerischer Ministerpräsident

 A k a demie Aktuell 02/2009 AKADEMIE G r u s s w o r t E

W o l f ga n g H e u bi s c h Grundlagenforschung und interdisziplinäre Vernetzung

A l s ei n e de r ä l t e s t e n u n d g r ö s s t e n de u t s c he n w I s s e n s c ha f t s - akademie n f eie r t die B ay e r i s c he A kademie de r w I s s e n s c ha f t e n ih r 2 5 0 - j ä h r ige s B e s t ehe n . I h r e G e s c hi c h t e w a r u n d i s t s t e t s e n g s t e n s ve r b u n de n mi t de r E n t w i c k l u n g de r w I s s e n s c ha f t e n i n B ay e r n .

ie herausragende Bedeutung der Akademie beruht auf ihrer Sonder- stellung: Sie ist nicht nur eine traditionelle Gelehrtengesellschaft, Dsondern zugleich eine wissenschaftliche Einrichtung von inter- nationaler Bedeutung. Mit ihrem Schwerpunkt auf langfristigen, größeren Forschungsvorhaben betreibt sie vorwiegend Grundlagenforschung – so- wohl im geistes- als auch im naturwissenschaftlichen Fächerspektrum: Die erhobenen Daten und Messreihen, kritischen Editionen, wissenschaftlichen Wörterbücher, Lexika und Verzeichnisse bilden die Basis für weitergehende Forschungen und Auswertungen. Gesellschaft und Wissenschaft profitieren so von der Erfassung, Erschließung und Nutzbarmachung des Kulturguts sowie der Dokumentation unseres Lebensraums.

Unschätzbar ist auch die Rolle der Akademie für die Pflege des interdiszip- linären Erfahrungsaustauschs und der Vernetzung zwischen herausragenden Gelehrten aus den Natur- und Geisteswissenschaften. Wissenschaftliche Veranstaltungen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses – vor allem durch Verleihung von Preisen – und die Pflege von Kontakten zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen des In- und Auslands sind ein weiteres Aufgabenfeld der Akademie. Die Verbindung der Akademie zu einer Vielzahl bayerischer Forschungseinrich- tungen und Sammlungen spiegelt sich im seit Ende März und noch bis Ende Juni laufenden „Attribute-Ausstellungsprojekt“ anlässlich des Jubiläums trefflich wider: 14 Institutionen veranstalten parallel Ausstellungen, welche die vielfältigen Aspekte der Akademie-Geschichte sowie der Forschungs- und Sammlungstätigkeit in Bayern seit 1759 präsentieren. Das doku- mentiert eindrucksvoll den Beitrag der Akademie für die Entwicklung der Wissenschaft sowie die Erhaltung des kulturellen Erbes in Bayern von ihrer Gründung bis heute. Zugleich gibt das Ausstellungsprojekt Zeugnis von der Leistungsfähigkeit der bayerischen Forschung in ihrer schon damals beachtlichen Bandbreite.

Der Freistaat Bayern hat „seiner“ Akademie viel zu verdanken. Dieser Dank gebührt zuvorderst der Reihe bedeutender Präsidenten und Mitglieder – genauso wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Freunden und Förderern. Auf die weitere zukunftsgerichtete Zusammenarbeit zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in Bayern freue ich mich und gratuliere der Akade- mie herzlichst zu ihrem 250-jährigen Bestehen!

Dr. Wolfgang Heubisch Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst

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c H r i s t ia n u D E Glänzendes Aushängeschild der Wissen- schaftsstadt München

ie ist in jeder Hinsicht einzigartig, die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Die Ahnengalerie ihrer Mitglieder gleicht einem SWho‘s who der bayerischen und deutschen Wissenschafts- und Kul- turgeschichte. Sie hat ihren Sitz seit nunmehr 50 Jahren in der Münchner Residenz, ihre Spuren im Münchner Stadtbild aber sind nahezu allgegen- wärtig. Da sind die Straßennamen sowie die Denk- und Grabmäler, die an ihre Mitglieder erinnern, an Persönlichkeiten wie Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Justus von Liebig, Max von Pettenkofer, Joseph von Fraunhofer, Franz von Kobell, Wilhelm Conrad Röntgen oder Max Weber (dem die Stadt auf Initiative von Prof. Dr. Ulrich Beck die zwar späte, aber einmalige Ehre erwies, den Max-Weber-Platz in Max-Weber-Platz umzubenennen: nicht mehr nur nach dem Münchner Magistratsrat gleichen Namens, sondern eben auch nach dem Gründervater der deutschen Sozio- logie). Und da ist schließlich die stattliche Reihe Münchner Museen, die aus den einstigen Sammlungen der Bayerischen Akademie der Wissen- schaften hervorgegangen sind.

Schon das, erst recht aber auch ihre fortwährende umfangreiche Grundlagenforschung unter- streicht eindrucksvoll den Rang der Akademie als eine der ältesten und bedeutendsten Einrich- tungen ihrer Art in Deutschland. Und was die öffentliche Wahrnehmung betrifft, die lange Zeit ja eher verhalten ausfiel: Auch da ist die Akademie inzwischen auf einem guten Weg. Das hat die Vortrags- und Sendereihe „München leuchtet für die Wissenschaft“ gezeigt, die auch die Stadt als Kooperationspartner gern unterstützt hat. Oder der Beitrag zum Altstadtringfest im Rahmen des 850. Münchner Stadtgeburtstags im vergangenen Jahr, für den ich mich auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanke. Hinzu kommt die regelmäßige Beteiligung etwa an den Münchner Wissenschaftstagen und nun auch die Ausstellungsreihe „Wissens- welten“ zum 250-jährigen Bestehen der Akademie.

Zu diesem stolzen Jubiläum gratuliere ich sehr herzlich, und damit verbinde ich meine besten Wünsche für eine noch stärkere Breitenwirkung der Akademie. Damit noch deutlicher wird, was wir alle an ihr haben: ein glänzendes Aushängeschild des Wissenschaftsstandorts Deutschland und besonders auch der Wissenschaftsstadt München.

Christian Ude Oberbürgermeister der Stadt München

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K a r l - D ie t e r G r ü s ke Unverzichtbarer Baustein der Wissenschaftslandschaft Bayerns

D ie B ay e r i s c he A kademie de r w I s s e n s c ha f t e n w i r d 2 5 0 J ah r e a l t ! D a z u g r at u l ie r e i c h im n A M E n a l l e r e l f bay e r i s c he n U n ive r s i t ä t e n ga n z he r z l i c h !

urfürst Max III. Joseph hat mit der Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften seiner Vision einer gelehrten K Gesellschaft einen institutionellen Rahmen gegeben. Gegründet zu dem Zweck, die besten Forscher ihrer Zeit zum Wohle von Wissenschaft und Gesellschaft miteinander in engen Kontakt zu bringen, hat sich die Bayerische Akademie der Wissenschaften zu einer der größten und ältesten Wissenschaftsakademien von internationalem Renommee entwickelt. Und auch heute – 250 Jahre nach der Gründung – ist der Ansatz der Vernetzung der besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fächern hochmodern, ihre Forschungen von herausragendem Rang.

Die bayerischen Universitäten sind der Bayerischen Akademie der Wissen- schaften zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Zurückgehend auf eine Initiative aus dem Jahr 1962 hat die Akademie z. B. das Leibniz-Rechen- zentrum gegründet. Mit ihm wird heute mehr als 100.000 Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftlern in Bayern ein Höchstleistungsrechner bereitgestellt, ohne den die moderne Forschung und Lehre an bayerischen Universitäten nicht mehr denkbar wäre. Ein ebenso herauszuhebendes Glanzlicht der Akademie stellt das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung dar, um dessen Konzeption und Forschung Bayern weltweit beneidet wird. Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Bayerische Akademie der Wissenschaften auch im 21. Jahrhundert unverzichtbarer Baustein der Wissen- schaftslandschaft Bayern ist.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam in guter wissenschaftlicher Tradition zum Wohle unserer bayerischen Heimat auch in der Zukunft wirken!

Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske Vorsitzender der Universität Bayern e. V.

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G ü n t e r S t o c k Sicherung des kulturellen Erbes

it 250 Jahren ist die Bayerische Akademie der Wissenschaften nicht nur eine der drei ältesten, sondern auch eine der bedeutendsten Akademien in Deutsch- Mland – und arbeitet seit mehr als 115 Jahren mit den anderen Akademien eng zusammen. Bereits im Jahr 1893 trat die Bayerische Akademie dem so genannten „Kartell“ bei, einem Vorläufer der jetzigen Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Bis heute treffen sich am Vorabend der Jahrfeier Anfang Dezember die Präsidenten der acht in der Union zusammengeschlossenen Akademien in München. Der festliche Einzug der Präsidenten zusammen mit den Mitgliedern der Bayerischen Akademie in den Herkules- saal der Residenz gehört zu den Höhepunkten des akademischen Jahres. Nur in diesem Jahr wird diese Tradition unterbrochen, denn aufgrund des Jubiläums wurde die feierliche Jahressitzung der Bayerischen Akademie auf den Juni vorverlegt.

Die deutschen Akademien der Wissenschaften sind nicht nur traditionsreiche Gelehrten- gesellschaften, sondern auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Mit dem „Akade- mienprogramm“ sind sie ein wichtiger Träger langfristig angelegter Grundlagenforschung: Koordiniert von ihrer Dachorganisation – der Union der deutschen Akademien der Wissen- schaften – betreiben die deutschen Akademien der Wissenschaften eines der größten und bedeutendsten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme Deutschlands. Aufgrund ihrer auf Kontinuität angelegten Mitgliederstruktur sind die Akademien in der Lage, Forschungsprojekte mit großer Materialfülle kostengünstig und auf hohem wissenschaftlichem Niveau kontinuierlich zu bearbeiten.

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften beteiligt sich an diesem Forschungsprogramm mit derzeit 22 zumeist geisteswissenschaftlichen Langzeitprojekten mit 25 Arbeitsstellen. Insgesamt 6,2 Millionen Euro wenden der Bund und das Land Bayern hierfür pro Jahr auf und helfen somit, unser kulturelles Erbe zu si- chern: Der Thesaurus linguae Latinae wird im Akademienprogramm gefördert, aber auch das Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie oder die Max Weber-Gesamtausgabe. Jüngstes Beispiel ist die Edition frühneuzeitlicher Ärztebriefe, die 2008 ins Akademienprogramm aufgenommen wurde. In einer Zeit, in der es noch keine Fachzeitschriften gab, verbreiteten sich neue Theorien und Entdeckungen unter anderem entlang der Reiserouten von Ärzten und über ihre Briefnetzwerke. Viele Briefe aus der frühen Neuzeit sind uns überliefert, doch bisher schlummerten diese wichtigen Quellen in den Archiven. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, neue Erkenntnisse über den beruflichen und privaten Alltag von Ärzten und ihren Patienten zu geben. Mit diesem Blick in Heilkunde und Alltagsgeschichte vor etwa 500 Jahren soll ein wichtiges Kapitel der Wissenschaftsgeschichte der frühen Neuzeit erschlossen werden.

Mit dem Akademienprogramm leisten die deutschen Akademien Grundlagenforschung, die in dieser Dimension und Intensität an anderen Forschungseinrichtungen nicht möglich wäre. Die Forschungsarbeit an den Akademien ist von hoher wissenschaftlicher und kultureller Bedeutung. Die deutschen Akademien der Wissenschaften in , Göttingen, , Heidelberg, Mainz, Düsseldorf und gratulieren ihrer Schwesterakademie in München sehr herzlich zum Jubiläum. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften wird auch in der Zukunft ein zentraler Ort wissenschaftlicher Forschung und des interdisziplinären Diskurses sein. Wir alle freuen uns auf die weitere enge Zusammenarbeit mit der traditionsreichen Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieser Jubiläumsausgabe.

Prof. Dr. Günter Stock Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

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a u s b l i c k Grenzen überschreiten die akademie i s t ei n e a u s s e r u n i v e r s i t ä r e F o r s c h u n g s ei n r i c h t u n g , z u g l ei c h a b e r a u c h ei n f o r u m , da s ü b e r f ä c h e r g r e n z e n h i n w eg da s w i s s e n s c h af t l i c h e ge s p r ä c h e r m ö g l i c h t.

v o n dung der Historischen Kommission, dietmar willoweit der Bayerischen Kommission für die internationale Erdmessung er interdisziplinäre Gedan- und bald weiterer Kommissionen kenaustausch der Ge- dauerhafte Forschungsstrukturen Dlehrtengemeinschaft und geschaffen; die Wissenschaft der die Betreuung wissenschaftlicher jungen Bundesrepublik hat sich Langzeitprojekte verkörpern die nicht nur mit anspruchsvollen geis- täglichen Aufgaben der Akademie, teswissenschaftlichen Projekten der für die sie arbeitet, von denen sie besten europäischen Traditionen lebt, durch die sie sich legitimiert. vergewissert, sondern 1962 mit Entstanden ist die Bayerische der Gründung der Kommission für Akademie der Wissenschaften Informatik auch gänzlich unbe- aber mit der epochalen Bewegung kanntes Neuland betreten. Nicht der europäischen Aufklärung, als nur dauerhafte Zuverlässigkeit auf der Mensch vor allem anderen höchstem Niveau charakterisiert die seiner Vernunft und der Erfahrung Wissenschaftsgeschichte der baye- vertrauen wollte, um diese Welt zu rischen Akademie, sondern auch die verstehen. Der Aufbruch zu neuen Fähigkeit, immer wieder zu neuen Ufern gehört daher zu den besten Ufern aufzubrechen. Traditionen der Akademie. Mit demselben Elan hat sie die Profes- Wissenschaft im Dialog sionalisierung der Wissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- Ein russischer Student fragte kürz- hunderts gefördert und wenige lich Kyrill, den Patriarchen von Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Moskau und ganz Russland, als den wirtschaftlichen Aufschwung dieser eine Universität besuchte, Tat zur kognitiven Grundausstat- Erfahrungsebenen unseres zur Begründung zahlreicher neuer was er denn vom Streit zwischen tung des modernen Menschen – Lebens: die Poesie, hier mit Forschungsvorhaben genutzt. Wissenschaft und Religion halte. jedenfalls des 20. Jahrhunderts. Lyra und Plettro, ... Der Patriarch antwortete, einen Charles Percy Snow, der das be- Hinwendung zur realen Welt solchen Streit könne es nicht geben, ziehungslose Nebeneinander von im 18. Jahrhundert ebenso wenig wie es Streit zwi- naturwissenschaftlicher Forschung schen Wissenschaft und Politik oder und literarischen Ausdrucksformen Allen diesen Impulsen lag die zwischen Wissenschaft und Malerei auf die Formel von den zwei Kul- Überzeugung zu Grunde, der bis geben könne. Er hätte hinzufügen turen brachte, kann als ein Kron- dahin gesicherte Wissensstand können: Es kann auch keinen Streit zeuge dieser Beobachtung dienen. reiche nicht aus, um die Welt mit zwischen Wissenschaft und Litera- den der Vernunft zur Verfügung tur geben, keinen Streit zwischen Ob die getrennten Kulturen so wie stehenden Mitteln zu erschließen. Wissenschaft und Theater. Die ge- bisher auch im 21. Jahrhundert ihr Mit der Gründung der Akademien dankliche Trennung und ungestörte scheinbar ungestörtes Eigenleben überwand die Forschung die noch Wahrnehmung so unterschiedlicher führen können, scheint freilich vorherrschende Orientierung an den Erfahrungsebenen unseres Lebens zweifelhaft. Es ist ja nicht so, dass antiken und mittelalterlichen Auto- wie Wissenschaft einerseits, Reli- sich Naturwissenschaft und Reli- ritäten; in der Zeit König Max‘ II. gion, Politik, Kunst, Literatur, gion gar keine Fragen zu stellen und danach wurden mit der Grün- Theater andererseits gehört in der hätten oder Wissenschaft und

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schungen über jene Wirklichkeiten, aus wissenschaftlicher Perspektive denen sich die Akademiegründer in ihrer Eigenart ein besonderes im 18. Jahrhundert zuzuwenden Instrument der Beobachtung und begannen. Wissenschaftlichen Er- Erkenntnis, das durch kein anderes kenntnissen auf diesen Forschungs- Medium zu ersetzen ist – auch ganz feldern kann sich niemand entzie- abgesehen von ihren Leistungen hen. Insofern leben wir in einem für ein humanes Verständnis des Zeitalter der Wissenschaft, das An- Menschen. passungen anderer Lebens- und Erfahrungsbereiche erzwingt, wie Grenzen überschreiten sich an Beispielen leicht zeigen lässt. Die Religionen müssen sich Grenzen zu überschreiten ist aber nicht nur mit dem Weltbild der nicht nur eine Zukunftsvision über Naturwissenschaften, sondern auch die Begegnung von Kultur im mit dem soziologischen Faktum der engeren Sinne und Wissenschaft, Religionsvielfalt auseinanderset- sondern schon innerhalb der Wis- zen. Politische Entscheidungen auf senschaften eine Aufgabe der jetzt Grund demokratischer Mehrheiten lebenden Generation. So eintönig können mit dem Wahrheitsanspruch der Ruf nach mehr Interdisziplina- der Wissenschaft kollidieren und rität oder gar „trans“-disziplinärer daher einer fundierten Beratung Kommunikation geworden ist, nicht entbehren. Literaten sollten, so gewiss ist im Rückblick auf wenn sie Themen der Wissen- die seit dem letzten Akademie- schaften behandeln, deren Grund- jubiläum vergangenen fünfzig lagen kennen und ihr Selbstver- Jahre festzustellen, dass sich nicht ständnis ernst nehmen. wenige Wissenschaftsgebiete längst ... die Kunst mit Pinsel und Politik einander einfach ignorieren Fragestellungen und Methoden von Meißel in der Rechten ... könnten. Im diesjährigen Jubiläums- Erkenntnismöglichkeiten durch Nachbardisziplinen geöffnet und programm unserer Akademie ist einen Wechsel der Perspektive diese zum Teil auch integriert ha- nicht ohne Grund eine Tagung über ben. Juristen verstehen ihre Fächer eben dieses Thema – Wissenschaft Andererseits ist die Kompetenz der nicht mehr nur als logisch stimmige und Politik – vorgesehen. Und auch Wissenschaften, Sinn und Ziele des Systematik, sondern richten ihren unsere Gesprächsreihe dieser Som- Lebens zu definieren, sehr begrenzt. Blick auch auf die Interessen der merwochen, die den Beziehungen Und ebenso wenig vermag sie aus Teilnehmer am Rechtsverkehr. Lite- zwischen einzelnen Wissenschaften wissenschaftlichen Erkenntnissen raturwissenschaftler begreifen sich und der Literatur gewidmet ist, darf unmittelbar politische Normen nicht nur als Philologen, sondern als ein Versuch verstanden werden, und Handlungsanweisungen abzu- ebenso als Literaturhistoriker. His- in dem die Partner des Dialoges die leiten, also aus dem Sein ein Sollen toriker haben ihrerseits zunehmend Aussagekraft der jeweils anderen zu folgern. Man muss sich sogar wirtschaftsgeschichtliche und poli- „Kultur“ für ihren eigenen Arbeits- fragen, ob und in welchem Maße tikwissenschaftliche Aspekte in ihre bereich zu erkunden versuchen. die Wahrnehmungen jener außer- Forschungen einbezogen. Es dürfte wissenschaftlichen Kulturphäno- nur wenige geisteswissenschaftliche Zeitalter der Wissenschaft mene in den Wissenschaften zu Fächer geben, deren Erkenntnis- berücksichtigen sind. So geht die interessen und Methoden jenen der Die Frage nach der Bedeutung der schöne und auch manchmal weniger frühen Jahre der Bundesrepublik Wissenschaften für Religion, Po- schöne Literatur ja aus Erfahrungen genau gleichen. Die fächerüber- litik, Kunst, Literatur, Theater und hervor, die sich mit den Vorstellun- greifende Zusammenarbeit in den andere menschliche Handlungsebe- gen der Autoren, ihren Deutungen, Naturwissenschaften aber ist so nen kultureller Art meint natürlich Anliegen und Problemen zu einem selbstverständlich geworden, dass Wissenschaften empirischen Cha- jeweils einzigartigen Zeitzeugnis sie besonderer Erwähnung kaum rakters, also Naturwissenschaften, verdichten. Literarische Texte ver- bedarf. aber auch – unter Berücksichtigung mitteln also spezifische Einsichten ihrer besonderen Methoden – psy- höchst subtiler Art, wie sie die Diese Entwicklungsprozesse chologische, soziologische, histo- Wissenschaften nicht zu entdecken der modernen Wissenschaften rische Fragestellungen – eben For- vermögen. Literatur ist daher auch sind keineswegs abgeschlos-

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sen. Zunehmend wird die Frage terhin in ihren Langzeitprojekten nach möglichen Beziehungen unentbehrliche Grundlagen unseres und notwendigen Kooperationen Wissens erarbeiten und der For- zwischen Naturwissenschaften und schung bereitstellen. Aber sie ist ein Geisteswissenschaften gestellt und weithin sichtbares Symbol der Wis- gerade auch an unsere Akademie senschaft und hat daher auch die herangetragen. Das ist kein Zufall. Verpflichtung, auf dem sich rasch Die Wissenschaftsakademien verei- verändernden Wissenschaftsszena- nigen seit jeher die Vertreter beider rium der Bundesrepublik wie auch Wissenschaftsbereiche und bieten der internationalen scientific com- nicht nur in den Klassen, sondern munity aktuelle Grenzfragen der auch in den Gesamtsitzungen aller Forschung aufzugreifen und intern Akademiemitglieder dem Gespräch wie auch öffentlich zu erörtern. über die Fächergrenzen hinweg ein Forum. Veranstaltungen über die Kontakt- zonen von Naturwissenschaften Darin liegen Möglichkeiten, die und Geisteswissenschaften sind in keineswegs ausgeschöpft sind: Es Vorbereitung. Das Verhältnis von gibt nicht wenige Forschungsfelder, Ökonomie und Ordnungspolitik die sowohl von Naturwissen- will nicht nur von Wirtschafts- schaftlern wie von Geisteswissen- wissenschaftlern, sondern auch schaftlern bearbeitet werden. Die von Philosophen, Soziologen und Verständigung zwischen ihnen ist Juristen neu überdacht sein. Das indessen immer noch sehr schwie- Problem solcher interdisziplinärer rig, wenn man sich gegenseitig Veranstaltungen zu bestimmten überhaupt zur Kenntnis nimmt. Der Sachfragen liegt darin, dass die aktuelle Streit um die Willensfrei- einzelnen Fachwissenschaften an zur Fortsetzung solcher Gespräche, ... und die Wissenschaft, heit hat bisher nicht zu einer breit ihre jeweiligen Gesetzmäßigkeiten, die nicht zuletzt auch dem Zuhörer hier mit Spiegel sowie einer akzeptierten Verständigung geführt, Methoden und wissenschaftlichen neue Dimensionen des Wissens zu Kugel, auf der ein Dreieck Gehirn und Geist scheinen weiter- Ziele gebunden sind. Daher bietet eröffnen vermögen. Im 19. Jahrhun- platziert ist. Während der hin unterschiedliche Eindrücke von sich für Veranstaltungen dieser Art dert hat die Bayerische Akademie Spiegel für die Erkenntnis der Persönlichkeit des Menschen – neben dem Symposion – weniger der Wissenschaften Expeditionen des Wesens der Dinge durch zu vermitteln. Der Dialog zwischen der Vortrag als das Gespräch an, in fremde Erdteile organisiert. Das den Verstand steht, zeigt die Physikern und Philosophen ange- um den notwendigen Gedanken- vor uns liegende saeculum erwartet Kugel, „dass die Wissenschaft sichts der durch Einblicke in die austausch zu organisieren und von uns Forschungsreisen in noch keine Widersprüche in den Quantenwelt und in den Kosmos adäquat zu vermitteln. Ein Vortrag unbekannte Welten im Universum Meinungen kennt, so wie der evozierten Fragen scheint zum als „interdisziplinär“ angelegter des Wissens. Erdball keine widersprüch- Erliegen gekommen. Die Heraus- Monolog – so wünschenswert er ge-       liche Bewegung hat“. Alle forderungen der Evolutionsbiologie legentlich sein mag – ist eigentlich Abbildungen stammen aus sind wohl erst in Ansätzen erkannt ein Widerspruch in sich und mit der Der Autor ist seit 2006 Präsident der „Iconologia von Cesare und werden von manchen Diszipli- Gefahr eines gewissen Dilettan- der Bayerischen Akademie der Ripa“ (1603). nen, zum Beispiel von vielen Histo- tismus behaftet, weil ein fremdes Wissenschaften. Bis 2004 hatte rikern, noch weitgehend ignoriert. Wissenschaftsgebiet einbezogen er den Lehrstuhl für Deutsche Und vielleicht sollten sich sogar werden muss. Rechtsgeschichte, Bürgerliches die Ökonomen darum bemühen, Recht und Kirchenrecht an der die natürlichen Voraussetzungen In der Gesprächsreihe über Wissen- Universität Würzburg inne. Er hat menschlichen Verhaltens in ihren schaft und Literatur, an der jeweils zahlreiche Publikationen zur deut- Modellen zu integrieren. ein Autor oder doch verständiger schen Rechtsgeschichte vorgelegt, Interpret literarischen Schaffens u. a. eine „Deutsche Verfassungs- Ausblick: die Akademie einerseits und ein Fachwissen- geschichte“ (5. Auflage 2005). im Gespräch schaftler der jeweils zu behandeln- den Disziplin andererseits beteiligt Es gibt ein Leben nach dem Jubi- ist, erprobt die Akademie derzeit läum. Die Bayerische Akademie der den Dialog als Veranstaltungsform. Wissenschaften wird auch wei- Die ersten Erfahrungen ermutigen

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t r adi t i o n Kleider für Gelehrte

D ie K leide r o r dn u ng de r A kademie im L a u f de r Z ei t: v o n de r u N I f o r m de s s t aat s beam t en z u den t ala r en de s 2 0 . J a h r h u nde r t s .

Von Monika stoer m e r werden. Das geschah durch Verord- mit dem gekrönten Löwen. Weste nung vom 19. Juni 1807. „Um den und Beinkleider waren von weißem ie vor 250 Jahren gegrün- Mitgliedern Unserer neu errichteten Tuch, hinzu kamen ein Degenge- dete „Alte Akademie“, die Akademie der Wissenschaften eine hänge mit dem in Silber und blauer Deine freie Gelehrtenverei- ihren Graden entsprechende, ehren- Seide gestickten Namenszug des nigung mit freiem Wahlrecht war, volle Auszeichnung zu gewähren, Königs sowie ein Hut mit goldener kannte keine Kleiderordnung. Das haben wir beschlossen, denselben Schlinge und einer weiß-blauen änderte sich jedoch, als Anfang des eine eigene Uniform zu bewilligen Kokarde. 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss und hierüber folgende Bestimmun- Frankreichs in Bayern, wie auch in gen zu treffen“. In der Verordnung Die Mitglieder der Académie Fran- Österreich und in anderen Ländern, wurden die Staatskleidung, die çaise tragen noch heute ähnliche fast alle zivilen und höfischen Be- Kleine Uniform und der Frack Uniformen. Dort ist es üblich, dass Uniform und Talar aus den amten mit Uniformen ausgestattet – also drei verschiedene die Freunde dem Neugewählten Akademiebeständen, gezeigt wurden, die durch ihre Dekoration Kleidungsstücke für un- den Degen schenken. Die in der Ausstellung „Helle den Rang und die Funktion des terschiedliche Anlässe (wenigen) Damen erhal- Köpfe. Die Geschichte der Trägers deutlich machen sollten. – für den Präsidenten ten ein passendes Hand- Bayerischen Akademie der Graf Stadion, der österreichische und den Generalse- täschchen. Wissenschaften 1759 bis Gesandte am Münchener Hof, be- kretär sowie Gala-Uniform 2009“ im Bayerischen Haupt- richtete 1807 amüsiert nach Wien, und Frack für die Ungeliebte Kleider- staatsarchiv. die Baronin Montgelas, die Frau Klassensekretäre ordnung des Ministers, kümmere sich jetzt und die übrigen um die Beamtenuniformen „qui ordentlichen Mit- Die Akademie-Uni- sont en tel nombre, tellement bril- glieder minutiös formen waren von lants et variés que le gouvernement beschrieben. Die Anfang an unbe- en est émaillé, comme un parterre Röcke waren aus liebt, sie waren des fleurs“; 1815 spottete der Wahl- dunkelblauem sehr teuer und schweizer Heinrich Zschocke über Tuch mit weiß- mussten von „halbvergoldete Uniformen“. seidenem Unter- den Mitgliedern futter und hatten selbst bezahlt Uniformen für Gelehrte einen stehenden werden. Schon Kragen aus karmoi- 1821/22 schlug Auch vor der Königlich Bayeri- sinrotem Samt. Die Generalsekretär schen Akademie der Wissen- Reichhaltigkeit der von Schlich- schaften, die 1807 neu konstituiert Goldstickerei von tegroll vor, und zu einer wissenschaftlichen ineinander geschlun- die Uniformen Zentralanstalt umgestaltet worden genem Eichenlaub abzuschaffen: war, machte die Uniformierung und Lorbeerzweigen „Ebenso wichtig nicht Halt, zumal ihre ordentlichen variierte je nach Rang ist der geringfügig Mitglieder nunmehr hauptamtlich und Funktion des scheinende Punkt der tätig sein mussten, vom König Trägers und nach Be- Uniform. Sie ist eine berufen wurden und Beamtenstatus deutung des Gewands. Last für die Akademi- hatten. Nach Art. XXII der neuen Die Kollegialsekretäre ker u. wird nie gehörig Statuten vom 1. Mai 1807 sollten und die Kanzlisten eingeführt werden für das gesamte Personal der Aka- erhielten einfachere können. Man lasse sie demie und der mit ihr verbundenen Uniformen. Alle Röcke absterben. Wer unt.[er] Anstalten Uniformen eingeführt hatten vergoldete Knöpfe den jetzigen Mitgliedern

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eine Uniform hat, mag sie vollends buchs Johann Andreas Schmeller habe grundsätzlich keinerlei Rechte auftragen, außer der Akad.[emie]. schildert in seinem Tagebuch, wie aufgegeben, weder das auf Amts- Als feyerliche Kleidung werde er am 16. August 1837 die beiden tracht noch das auf Präsenzgelder. aber die schwarze festgesetzt, mit letzten Teile seines Werks dem 1923 erhielt die Akademie durch einem Zeichen mit der Chiffre des König persönlich überreichte: „Um Verordnung des Gesamtministeri- Königs und auf der anderen Seite, 12 ¼ kam der Hoflakei auf die Bibli- ums des Freistaats Bayern eine neue dem Spruch der Akademie Rerum othek. Se.M. wolle mich heute um Satzung, in deren § 12 das Recht auf cognoscere causas. Diese Einfüh- 1 ¼ empfangen. Also eine Stunde Amtstracht festgelegt wurde. Auch rung würde, wenn sie für die ordent- blos, nach Hause zu laufen, mich alle späteren Statuten enthalten eine lichen und außerordentlichen, für in die neu angeschaffte Uniform zu derartige Bestimmung. die Ehrenmitglieder, selbst für die zwängen und im Schloß zu seyn. Es auswärtigen und korrespondieren- gelang. Die Frau hatte glücklicher- In den zwanziger Jahren beschloss den bestimmt werden sollte, nach weise noch Degen und Quasten für die Akademie, Talare anzuschaf- meiner besten Überzeugung, von der 19 fl. aufgetrieben, so dass ich, bis fen. Der Bildhauer Fritz Behn vorteilhaftesten Wirkung sein. Es auf Stölzls Hut [den hatte er sich (1878–1970), der vor allem für seine würde die Ehrenmitglieder, die sich von seinem Freund geliehen] mich Tierplastiken bekannt ist, legte eine jetzt zum Teil aus dieser Ehre nichts in eigenen Staatsüberzug stecken Reihe von Entwürfen vor, nach machen, an die Akademie knüp- konnte. (...) Der Spaß hat mich zwar denen ein Modell angefertigt wurde. fen...“ Schlichtegroll fügte seiner (für Uniform) 87 fl. nebst Hut 104 fl. Im Februar 1926 empfahl der Vor- Stellungnahme eine feine Zeichnung gekostet. Aber ich habe getan, stand, nach dem vorgelegten Muster dieses Akademiezeichens bei, und was ich, wollt ich nicht den 40 oder 50 Amtstrachten anfertigen es ist wirklich schade, dass er Schein eines Undankbaren zu lassen und den Mitgliedern zu sich mit seinen Vorschlägen haben, nicht unterlassen Verfügung zu stellen. Diesen solle nicht hat durchsetzen können. konnte. (...) Und um es es freigestellt bleiben, die Tracht übergeben zu können, durfte anzulegen oder nicht. Das unterblieb Die Uniformen blieben bis zum auch dieses ökonomische dann aber, denn im Januar 1927 war Ende der Monarchie mehr oder Opfer, von dessen Bedeu- die Angelegenheit immer noch im weniger in Gebrauch. tung für Unsereins Gange. Es war nun die Rede von Es existiert ein Porträt Er wol keine Idee kleineren Änderungen am Modell des Präsidenten Karl hat, nicht ge- (hellerer Pelzbesatz, versteiftes Ba- Theodor Ritter von scheut werden.“ rett). Der Vorschlag des Präsidenten Heigel in Uni- Schmellers Max von Gruber, nur eine Kette form, der 1887 o. Jahresgehalt zu beschaffen und auf die Tracht Mitglied und 1904 betrug damals einstweilen zu verzichten, wurde Präsident wurde, 1.200 fl., abgelehnt. Schließlich berichtete der und die einzige er zahlte Präsident in der Vorstandssitzung Nie realisiert: der Entwurf bis heute vorhan- jährlich 115 fl. vom 11. Mai 1927, dass er die neue Schlichtegrolls für ein Akade- dene Uniform Miete. Amtstracht der Akademie (also wohl miezeichen, um 1821/22. aus dem Bestand das Modell) bei der Lord Lister- der Akademie Die Talare: Feier in eingeweiht habe. gehörte dem Planungen Sie habe dort allgemein großen Ägyptologen während Beifall gefunden. Georg Ebers, der der sie nach seiner Weimarer Zur Beschaffung einer größeren Wahl im Jahr 1895 Republik Anzahl dieser Talare ist es dann angeschafft haben aber wohl nicht gekommen. Karl muss. Nach dem Ende von Frisch, Akademiemitglied der Monarchie seit 1926, den ich 1978 nach der Die ersten drei legte die Akade- Amtstracht dieser Zeit befragt habe, bayerischen mie großen Wert sagte mir, die Mitglieder hätten kei- Könige legten auf ihr Recht auf ne Talare getragen. Allerdings fand größten Wert auf Amtstracht. Im sich im Nachlass des Klassensekre- die Uniformen. Vorstandsproto- tärs Georg Leidinger ein Schreiben a Der Verfasser des koll vom 19. Ok- des Syndikus von Frauenholz y h s t a b Bayerischen Wörter- tober 1919 heißt es, man vom 18. Februar 1939, mit dem

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Talare, zu denen man eine weiße Fliege und weiße Handschuhe trägt, werden in erster Linie bei der Jahresfeier getragen, aber auch bei offiziellen Anlässen wie auslän- dischen Ehrenpromotionen oder zur Fronleichnamsprozession, früher auch manchmal zu Beerdigungen.

Die Amtskette des Präsidenten

Vor 1919 hat es keine Amtskette gegeben, zur Uniform hätte sie auch nicht gepasst. Nach 1927 ist eine Kette, wohl aus Messing, ange- fertigt worden, die als Anhänger vermutlich die gleiche Medaille wie die heutige Amtskette hatte. Die alte Kette, allerdings ohne Medail- rchiv timpe

a le, ist bis heute erhalten geblieben.

b s b , f1956 o t o hielt der Vorstand die Be- schaffung einer neuen Amtskette Erstmals in neuer Amtstracht: die Klassensekretäre aufgefordert wurde die Firma Lodenfrey um die für wünschenswert, und zwar einer die Mitglieder der Akademie wurden, sich vor der öffentlichen Bestellung des Stoffs gebeten. Am solchen aus echtem Gold. Es dauer- im Talar bei der Grundstein- Sitzung im Präsidialzimmer zum 12. August 1959 trafen 30 Pakete te aber noch bis zum Jubiläumsjahr legung des Kronprinz-Rupp- Anlegen der Talare einfinden zu Gewebe, insgesamt 260 kg schwer, 1959, und der Wunsch nach echtem recht-Brunnen am Marstall- wollen. Möglicherweise hat damals von der Samt- und Plüschweberei Gold ließ sich auch nicht verwirkli- platz, 20. November 1959; nur der Vorstand Talare getragen, A. Weyermann Söhne in Dülken chen. Laut Rechnung des Juweliers links vorne (mit Amtskette) wie das heute noch bei der Österrei- bei Krefeld in München ein, und im Rothmüller ist die jetzige Kette der Geowissenschaftler chischen Akademie üblich ist. Für Oktober hatten die Kleiderfabrik aus 935 Silber, doppelt vergoldet. Rudolf Geiger, rechts dahinter diese Annahme spricht auch, dass Karl Wismuth in München die Ta- Bei der anhängenden Goldmedaille Prinz Franz von Bayern, der die Akademie sechs Talare besitzt, lare und die Firma Hut Breiter die handelt es sich um eine Verdienst- Archivar Otto Kolshorn – Ver- die sich in der Form geringfügig, Barette fertig gestellt und geliefert. medaille der Akademie von 1763, fasser der ersten Rupprecht- in der Farbe aber deutlich von den die auf der Vorderseite das Bildnis Biographie und Gründer des anderen Talaren unterscheiden, ei- Bei der 200-Jahrfeier wurde die ihres Gründers Max III. Joseph „Vereins zur Errichtung eines nen Pelzbesatz haben sie allerdings neue Amtstracht eingeweiht. Die zeigt mit der Umschrift: D.G. MA- Kronprinz-Rupprecht-Brunnen nicht. Fotos von Sitzungen dieser XIMILIANUS JOSEPHUS ELEC- e. V.“ – und Otto Meitinger, Jahre oder die Behnschen Entwürfe TOR. BAVARIAE und auf der Vorstand des Residenzbau- sind leider nicht mehr vorhanden. Rückseite einen Lorbeerkranz und amtes München. die Worte: BENE MERENTIBUS Einführung der Talare ACADEMIA BOICA MDCCLXIII. zum 200-jährigen Bestehen Die Amtskette trägt der Präsident bei offiziellen Veranstaltungen, und Im Jubiläumsjahr 1959 kam es dann zwar sowohl zum dunklen Anzug zur Beschaffung der heute noch wie auch zum Talar. im Gebrauch stehenden Talare aus       dunkelrotem Samt mit schwarzem Samtbesatz. Man hielt sich wohl an Die Autorin war von 1971 bis das frühere Modell, von neuen Ent- 2001 Syndika bzw. General- würfen ist nirgends die Rede. Alles sekretärin der Bayerischen ging ungewöhnlich schnell: Im Juni Akademie der Wissenschaften. Die Amtskette des Akademie- wurde beschlossen, die Gesellschaft Sie hat eine Reihe von Aufsätzen präsidenten mit anhängender der Freunde der Akademie um die zur Geschichte der Akademie d w a

Goldmedaille. Kostenübernahme zu bitten. Im Juli b veröffentlicht.

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S i n n s p r u c h Tendit ad aequum

g e s c h i c h t e und bedeu t ung der akademiedevi s e .

v o n wird er über „das Angemessene“, cher war, die Auskunft zuteil wurde, stephan deutinger „das Gerechte“ oder einen ähn- dass „die Worte: tendit ad aequum lichen anderen hehren Wert belehrt, dißen Verstand haben sollen: daß eder Brief, der die Akademie nach dem im Hause gestrebt werde. gleichwie die Wecken des bajer- verlässt, zeigt es, Jahrbücher, Anders formuliert: Es herrscht schen Wappen auf die mit Dupfen JEinladungen und Faltblätter weitgehende Ratlosigkeit über eines angezeigte Quadratur sich senken, tragen es in alle Welt, und in der der zentralen Traditionselemente also auch nun mehro Bajern auf vorliegenden Hauszeitschrift bildet der Akademie. das jenige ihre Absichten zu richten es ein immer wiederkehrendes anfange, was löblich und billig ist, Gestaltungselement: Ihr histo- Diese Ratlosigkeit ist allerdings in nemlich ad scientias excolendas, risches Siegel aus dem Gründungs- keiner Hinsicht ehrenrührig. Schon quod profecto aequum et salutare jahr 1759 ist das entscheidende in der Anfangszeit gehörten die est“. Gottsched dankte artig für die Erkennungszeichen der Bayerischen Devise und ihre Bedeutung offenbar Antwort, „ohne vollkommen darüber Akademie der Wissenschaften. nicht zum notwendigen Wissens- aufgekläret zu seyn.“ Es leistet damit seit langem in horizont selbst der Akademiemit- bewährter Weise, was andernorts Die Rätselhaftigkeit der Devise war zunehmend modischen „Logos“ sicher mitentscheidend dafür, dass überantwortet wird. sie in der alten, kurfürstlichen Akademie kaum je verwendet Rätselhafter Sinnspruch und nicht einmal in die Publikationen gesetzt Da das Siegel im We- wurde. Ein beschei- sentlichen das baye- denes Dasein fristete rische Rautenwappen sie lediglich auf der wiedergibt, das auch 1759 geprägten andere Institutio- Gedenkmedail- nen führen, stellt le, deren Erhalt sein eigentliches auch Gottsched Charakteristikum der zu seiner Rück- Herzschild dar. Er frage veranlasst enthält die aus Bild hatte. Schon 1784 und Text bestehende, erkannte der erste ihr gleichfalls bei der Geschichtsschreiber Gründung mitgegebene der Akademie, der sonst Devise der Akademie: über so wortreiche Lorenz einer liegenden silbernen von Westenrieder, in der Die Gedenkmedaille in Gold, Raute die Worte TENDIT AD Darstellung nur mehr „eine geprägt zur Gründung der

staatl.AEQUUM. münzsammlung Wer nun als Besucher trigonometrische Figur, und um Akademie im Jahr 1759. oder neuer Mitarbeiter in Erfah- selbe die Worte befindlich: Tendit rung zu bringen sucht, was es mit glieder. So fragte 1763 der bereits ad aequum“. Bei der Neuorganisa- diesem für das Selbstverständnis im Gründungsjahr zum Auswärtigen tion der Akademie 1807 wurde die der Akademie doch wohl nicht Mitglied berufene Johann Christoph Gründungsdevise schließlich ganz unwichtigen Sinnspruch auf sich Gottsched bei der Akademie an, wie aufgegeben und bildlos durch das hat, muss nicht lange ohne Antwort sich die Devise „zu der ganzen Ab- eingängigere vergilische „rerum bleiben. Aus soliden Kenntnissen sicht der Akademie schicke“. Worauf cognoscere causas“ ersetzt, das aber des Schullateins gespeist, dem alle ihm durch Johann Caspar Lippert, außerhalb des Dienstsiegels eben- drei fraglichen Wörter zugehören, der sich freilich selber nicht ganz si- falls nur wenig in Erscheinung trat.

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Wiederbelebung nach dem Zweiten Weltkrieg

Erst in der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 150-jähriger Unterbrechung also, kam das TENDIT AD AEQUUM wieder ans Licht. Die zunehmende Konsolidierung der Akademie wollte deren Vorstand auch in einer gestalterischen Aufwertung des Auch die Titelseite der Aka- bis dahin unscheinbaren Akade- demieabhandlungen des 18. miejahrbuches ausdrücken. Dass Jahrhunderts schmückte die man dabei ausgerechnet auf das Minerva mit dem Rauten- untergegangene Siegel der kur- schild, nun allerdings schon fürstlichen Akademie zurückgriff, in veränderter Gestaltung. war sicher kein Zufall. Vielmehr Hier Band 2 der Abhand- bemühte sich die Akademie damals

lungen von 1764. nach den Erfahrungen mit dem b a d w NS-Regime intensiv, ihre Eigen- schaft als aller politischen Ein- Berlin als Vorbild? hierzu veranlasset habe.“ Die im Sie- flussnahme ausgelieferte Staatsan- gel der Berliner Akademie enthal- stalt abzustreifen und wieder eine Um so eindringlicher stellt sich die tene Devise vom Jahr 1700 besteht autonome Körperschaft zu werden, nach wie vor nicht befriedigend be- nun aus einem Adler, der sich zum wie sie es zuletzt eben in der antwortete Frage: Was bedeutet nun gleichnamigen Sternbild empor- kurfürstlichen Zeit gewesen war. eigentlich TENDIT AD AEQUUM? schwingt, mit der an eine berühmte Erstmals 1950 prangte auf dem Wer sich mit den drei lateinischen Stelle in Ovids Metamorphosen Jahrbuch das von dem bekannten Allerweltswörtern abmüht und etwa angelehnten Erläuterung: „Cognata Heraldiker Emil Werz adaptierte ein Klassikerzitat zu identifizieren ad sidera tendit“. In der erhaltenen Siegel; einige Jahre später fand es versucht, wird nicht weit kommen. authentischen Auslegung dieser sich auch auf dem Briefpapier der Den entscheidenden Hinweis für die Devise enthüllt ihr Urheber Leibniz Akademie. Von dort ausgehend, Entschlüsselung liefert vielmehr der den Adler als Anspielung auf das verschaffte die Intensivierung genannte Briefwechsel von 1763, in brandenburgische Wappentier. Die der Öffentlichkeitsarbeit seit den dem Lippert Gottsched das wahr- Berliner Akademie stellte sich damit 1990er Jahren dem historischen scheinliche Vorbild der Münchener unter das Symbol des zuständigen Siegel und damit auch der alten Akademiedevise benennt: „Ich ver- Landesherrn, mit dessen Wohlwollen Devise eine bis dahin ungekannte muthe, daß den Erfünder das Devise der Erfolg der gelehrten Gesellschaft Omnipräsenz. der Königl. Preussischen Akademie stand oder fiel.

Die Wittelsbacher Raute

Von der gleichen Überlegung muss man 1758/59 in München ausge- gangen sein. Das zentrale Anliegen der Akademiegründer um Johann „Rerum cognoscere causas“ Georg Lori war es, die kurfürstliche – zwei Beispiele für die Protektion zu erlangen. Für das Verwendung des Spruches Akademiesiegel wurde deshalb, nach 1807: links ein Blick an wohl von Lori in Zusammenarbeit die Decke des Akademie-Fest- mit dem renommierten Medailleur saales im sog. Wilhelminum, und Siegelschneider Franz Andreas rechts der Bibliotheksstempel Schega, eine Devise konzipiert, in der zweiten Auflage von die die wittelsbachische Raute in Schmellers Bayerischem Wör- den Mittelpunkt stellte. Diese Figur

terbuch (1877). b a d w in Beziehung zu einer Akademie-

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gründung zu setzen, war freilich ungleich schwieriger als beim Adler, der schon seit der Antike herausragende geistige Eigen- Die Berliner Akademie setzte schaften versinnbildlichte, da die ihre Devise deutlich sichtbar Raute an sich nur den bayerischen auf ihre Veröffentlichungen. Fürsten, sein Haus und bestenfalls Hier aus dem Jahrgang 1772 noch sein Land zu symbolisieren der „Nouveaux mémoires de imstande war. l‘académie royale des sciences et belles-lettres“. Von der Raute zum Quadrat Begriff des „aequum“ eingefangen. Aufklärung an. Der Charme seiner Man behalf sich daher mit einem In ihm konnten sich aber nicht nur Vielschichtigkeit besteht nicht Kunstgriff: Das Wesensmerkmal die Mathematiker, sondern auch die zuletzt darin, dass es einen Prozess der Raute als geometrische Figur Juristen wiederfinden, die gemein- beschreibt. Die Raute wird zum ist, dass sie aus vier gleichlangen, sam den engen Gründungszirkel Quadrat, das heißt auch: Bayern paarweise parallel zueinander der Münchener Akademie bildeten. wird vernünftig! (indem es eine liegenden Seiten besteht. Lässt Für einen ehemaligen Rechtspro- Akademie gründet und unterhält). man ihre vier Winkel einheitlich fessor wie Lori klang im „aequum“ Da wir diesen Prozess getrost als Literaturhinweis gegen 90 Grad streben, wird aus zweifellos das alte naturrechtliche nicht abgeschlossen betrachten einer Raute ein Quadrat. Exakt „aequum et bonum“ an, mithin dürfen, hat die alte Devise nichts Eine ausführliche Fassung dieser Vorgang der Verwandlung dasjenige, „was in keinem geschrie- an Aktualität eingebüßt. Als selbst- dieses Beitrags mit Nach- der Raute in ein Quadrat ist der benen Gesetz begriffen, sondern bewusste Aussage der Akademie weisen findet sich in dem Kern der Akademiedevise, die in allein auf die gesunde Vernunft ge- an das sie tragende Land möge sie der Akademiegeschichte ge- ihrer ursprünglichen Gestalt nur gründet ist“ (Zedler, 1732). ihr noch lange erhalten bleiben! widmeten Themenheft der mehr auf der Gedenkmedaille von       Zeitschrift für bayerische 1759 erhalten ist. Bei richtiger Schlüsselbegriff der Landesgeschichte: „250 Jah- Beleuchtung erkennt man auf Aufklärung Der Autor ist Akademischer re Bayerische Akademie der dieser die von Lippert erwähnte, Oberrat an der Kommission für Wissenschaften. Studien zu „mit Dupfen angezeigte Quadra- In Bild und Wort spielt das TEN- bayerische Landesgeschichte bei ihrer Geschichte“ (Jahrgang tur“. Anstelle der wenig ergiebigen DIT AD AEQUUM mit der Raute der Bayerischen Akademie der 72, 2009, Heft 2). Raute erschloss man sich auf diese so auf den Schlüsselbegriff der Wissenschaften. Weise die vielschichtige Symbolik des Quadrats (s. Abb. S. 15).

Und die hat es in sich: Als eines der Ursymbole der Menschheit steht das Quadrat zunächst für die ganze irdische Welt mit ihren vier Him- melsrichtungen, vier Jahreszeiten, vier Elementen usw. Das klingt recht allgemein, doch verbirgt sich dahinter nichts Geringeres als das Programm der Akademie: sich mit allem zu beschäftigen, nur nicht mit „Glaubenssachen“, deren Zeichen eben das Dreieck als Symbol Gottes wäre! Dann repräsentiert das Qua- Schon vor dem Umzug in drat auch Vernunft und Maß: „Denn die Residenz verwendete Figuren oder Flächen ausmessen ist der Akademiepräsident eben so viel als ihre Verhältniß zu einen farbigen Briefkopf einem gegebenen Quadrate suchen“ mit dem Siegel von 1759. (Zedler, 1741). Seine geometrische Hier ein Rundschreiben Ebenmäßigkeit wurde im wört- Friedrich Baethgens vom

lichen Sinne zeitgenössisch gern im b a d w 3. Dezember 1956.

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mi t g liede r Aus der Gelehrten- gemeinschaft

V o r l ä u f i g e A n t w o r t en a u f o f t g e s t ell t e F r a g en .

V o n zueinander gewichtet waren – dies Dennoch ist festzustellen, dass sich dietmar willoweit alles sind Fragen, die wir bis heute das durchschnittliche Zuwahlalter nur bruchstückhaft beantworten seit dem 19. Jahrhundert deutlich ründlich lässt sich das Pro- können. Akademiegeschichte er- erhöht hat. Es lag bis zur Wende fil der Gelehrtengemein- weist sich bei näherem Hinsehen als zum 20. Jahrhundert etwa in der G schaft in den 250 Jahren ein besonders schwieriges Kapitel Mitte des fünften Lebensjahrzehnts, ihres Bestehens heute noch nicht der Wissenschaftsgeschichte, weil im 20. Jahrhundert aber rund zehn abhandeln. Es ist ein Forschungs- darin so gut wie alle Disziplinen Jahre später.1 Die Gründe dafür sind thema. Die wissenschaftliche Arbeit vorkommen müssen und die aka- freilich kaum akademiespezifischer und das Bild der Akademie in der demieinternen Vorgänge in unserem Natur, da im 19. Jahrhundert die Öffentlichkeit prägen seit jeher Archiv und im Bayerischen Haupt- wissenschaftlichen Karrieren des nicht nur herausragende Persönlich- staatsarchiv eine aufwändige Quel- Nachwuchses an den Universitäten keiten, also einzelne Genies, zahl- lenlektüre jeweils über längere erheblich früher begannen als in der reiche Nobelpreisträger und die Zeiträume der Akademiegeschichte Gegenwart. Die heutige Alterstruk- mehr oder weniger bekannten erfordern. Die Öffentlichkeit jedoch tur aller Mitglieder wird außerdem Präsidenten. Viele hundert Wissen- interessiert sich gerade auch für durch die Regelung beeinflusst, schaftler, die als Mitglieder Arbeit das Innenleben der Akademie, und dass die über Siebzigjährigen zwar und Leben der Akademie seit ihrer weil darüber wenig bekannt ist, von der Pflicht zur Teilnahme an Gründung mitbestimmten, sind heu- machen Mutmaßungen die Runde: den Sitzungen entbunden sind, nicht te leider nur noch den Fachkollegen Es handele sich wohl um eine Ver- jedoch ihre Rechte verlieren und bekannt. Welchen Rang sie unter sammlung alter Herren, die Frauen daher weiterhin an den Sitzungen Bekannte und unbekanntere ihren Zeitgenossen einnahmen, nur ausnahmsweise zulasse, ein wie auch an der Arbeit der Kom- Namen der Wissenschaftsge- welchen Beitrag sie mit Publika- undurchschaubares Wahlverfahren missionen teilnehmen können. Das schichte: der Optiker Joseph tionen oder organisatorisch zum praktiziere usw. Fast jeder Journa- ist eine in gewisser Hinsicht weise von Fraunhofer, der im Alter Gedeihen der Akademie tatsächlich list stellt diese Fragen. Daher seien und geradezu moderne Praxis, wenn von 30 Jahren korrespondie- leisteten, welche Fächer in der ma- die notwendigsten Antworten in man bedenkt, dass unsere Ministeri- rendes Akademiemitglied thematisch-naturwissenschaftlichen wenigen Sätzen zusammengefasst. en und Universitäten erst in jüngster wurde, und der erste Archä- und philosophisch-historischen Zeit emeritierten Professoren die ologe an der Akademie, Klasse im Laufe ihrer Geschichte Die Altersstruktur Fortsetzung ihrer Forschungen Heinrich von Brunn (v. l. n. r.). vertreten und wie sie im Verhältnis ermöglicht haben, um sie von der Da die Akademie mit ihrer durch Abwanderung an amerikanische die Satzung begrenzten Zahl von Institute abzuhalten. Das Alter ist 45 ordentlichen, d. h. in Bayern zwar eine Last, für Wissenschaftler wohnhaften Mitgliedern unter 70 aber nicht selten auch ein Segen. Jahren je Klasse auf eine sorgfältige Aus der Erfahrung eines langen Auswahl großen Wert zu legen hat, Forscherlebens sind viele bedeu- die in Betracht zu ziehenden Kan- tende Werke hervorgegangen. Und didaten also genügend Gelegenheit daher profitieren die Akademiesit- gehabt haben müssen, sich wissen- zungen auch von den Vorträgen und schaftlich zu profilieren, kommt Diskussionsbeiträgen der Älteren. die Zuwahl unter dem vierzigsten Wer freilich nur auf das Durch- Lebensjahr sehr selten vor, nach schnittsalter starrt, dem sei die der Vollendung des fünfzigsten erfreuliche Zunahme der Lebenser-

b a d w Lebensjahres aber recht häufig. wartung in Erinnerung gerufen. Ein

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hochbetagtes Akademiemitglied, Zugehörigkeit zum regierenden dem wir vor wenigen Monaten zur Herrscherhaus, sondern wegen ihrer fünfzigjährigen Akademiezugehö- wissenschaftlichen Verdienste als rigkeit gratulieren konnten, stellte Forschungsreisende und Autorin trocken fest: „Als ich vor fünfzig einschlägiger Werke.2 Die Eigen- Jahren in die Akademie aufgenom- schaft, eine Frau zu sein, war bei men wurde, habe ich dazu beige- der Wahl Prinzessin Thereses noch tragen, den Altersdurchschnitt zu ein so erhebliches Hindernis, dass senken. Heute trage ich dazu bei, es mit Hilfe eines Rechtsgutachtens ihn zu erhöhen. Ich gedenke nicht, überwunden werden musste. diesen Zustand zu ändern.“ Das Wahlverfahren

Weibliche Akademiemitglieder b a d w Die Zuwahl der Mitglieder erfolgt Dass die Akademie nur wenige heute in einem vorsichtigen, erst Mitglieder werben. Sie freuten Karl Krumbacher, der Be- Frauen unter ihren Mitgliedern vertraulichen Verfahren. Jedes sich über jeden aufgeklärten Zeitge- gründer der Byzantinistik, zählt, ist richtig – aber auch nur ordentliche Mitglied ist vorschlags- nossen gleich welcher Konfession, wurde 1890 zugewählt, die Spiegelbild der an den Universi- berechtigt. In einer ersten Klas- der zur Arbeit der Akademie etwas klassische Philologin Medea täten vorherrschenden und sich nur sensitzung werden nur die Namen Sinnvolles beitragen konnte und Norsa von der Universität allmählich ändernden Verhältnisse. und Fächer der vorzuschlagenden willens war, sich zu beteiligen. Florenz als erstes weibliches Man sehe nur nach, seit wann wie Kandidaten genannt. Jedes Klassen- Den zeitlichen Abstand zwischen korrespondierendes Mitglied viele Frauen den Fakultäten ange- mitglied hat nun die Möglichkeit, einem Aufnahmevorschlag und der im Jahr 1936. hören. Erst in den letzten zwanzig sich selbst nähere Informationen zu Abstimmung sowie das Kugelungs- Jahren hat sich dort ein langsamer beschaffen. In der nächsten, meh- verfahren hat die Akademie aber Wandel angebahnt. Solange es aber rere Wochen später stattfindenden schon 1786 eingeführt. Die lange nur relativ wenige Professorinnen Sitzung trägt der Vorschlagende für ausreichend erachtete einfache gab und gibt, können angesichts der eine wissenschaftliche Würdigung Mehrheit für die Zuwahl eines Wahrscheinlichkeit, dass die Leis- des Kandidaten vor, an die sich neuen Mitglieds ersetzte erst die tungsfähigkeit von Männern und möglicherweise eine ausführliche Geschäftsordnung von 1866 durch Frauen gleich ist, nach dem Krite- Diskussion anschließt. In einem das Erfordernis der Dreiviertel- rium der Qualität auch nicht sehr dritten Sitzungstermin der Klasse mehrheit. In dieser Zeit einer sich viele Frauen zu dem kleinen Kreis wird eine erste Abstimmung, die rasch intensivierenden Professio- der Akademiemitglieder gehören. Vorwahl, durchgeführt. Erreicht nalisierung der Wissenschaften, Als mit Johanna Narten 1995 erst- der Kandidat hier die erforderliche denen nun die Funktion einer mals eine Frau als ordentliches Mit- Dreiviertelmehrheit, entscheidet in gesellschaftlichen Leitkultur von glied in die Akademie aufgenom- einem weiteren Termin das Plenum hohem Prestige zukam, verstanden men wurde, folgte die Akademie beider Klassen über die Aufnahme sich die Akademien aufgrund ihrer damit keineswegs ungewöhnlich in die Akademie, wiederum mit Tradition zunehmend als Symbol spät der allgemeinen Entwicklung Dreiviertelmehrheit. Die Vertrau- und Garant wissenschaftlich exakter in der Wissenschaft. Heute zählt lichkeit der Stimmabgabe gewähr- Methoden. Die Entscheidung über die Akademie sechs weibliche leistet die „Kugelung“, ein Verfah- die Mitgliedschaft in der Akademie ordentliche Mitglieder, vier in der ren, das Stimmzettel nicht kennt, sollte daher nicht mehr zufälligen Philosophisch-historischen und sondern den Stimmberechtigten Mehrheiten überlassen bleiben. zwei in der Mathematisch-naturwis- weiße und schwarze Kugeln in die Dieser hohe Anspruch hat seinen senschaftlichen Klasse. Hand gibt, die von ihnen in eine Preis. Schnell können zufällige herumgetragene Urne eingeworfen Sperrminoritäten aus unterschied- Eine ähnliche Entwicklung ist bei werden. Das kann so geschehen, lichen Motiven entstehen oder den korrespondierenden Mitglie- dass niemand die positive oder ne- sogar organisiert werden. Es ist dern zu beobachten. Besonders gative Entscheidung des einzelnen leicht, nicht zum Akademiemitglied stolz ist die Akademie aber darauf, Mitglieds beobachten kann. gewählt zu werden. dass sie schon 1892 mit Prinzes- sin Therese von Bayern eine Frau So kompliziert ist die Aufnahme in Die Wahlkriterien aufgenommen hatte, ihrem Stande die Akademie nicht immer gewesen. gemäß zwar als Ehrenmitglied, In ihrer Gründungsphase mussten Nicht nur die wissenschaftliche aber nicht in Hinblick auf ihre die Initiatoren begreiflicherweise Qualität ist ein Kriterium der

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Zuwahl. Es soll in den beiden und historischen Grundlagen seiner lebenden Kollegen große Bedeutung Klassen möglichst auch ein breites Disziplin zugewandt. zu. Dies war der unmittelbarste Fächerspektrum vertreten sein, Weg, um Kenntnis von neuen Ent- wodurch auch die Zahl der Hoch- Schwieriger lässt sich nach heuti- deckungen zu gewinnen. Daher hat qualifizierten aus einzelnen Fächern gem Forschungsstand der Weg der nicht nur die bayerische Akademie notwendigerweise begrenzt wird. anderen Fächer durch die Aka- seit ihrer Gründung auch Wissen- Hinzu kommt als ein dritter Aspekt demiegeschichte verfolgen. Er- schaftler aus anderen deutschen die Notwendigkeit, geeignete staunlich ist die Vielfalt der akade- Staaten und aus dem europäischen Wissenschaftler für die Leitung der mischen Wissenschaften schon im Ausland, später weltweit, zu korres- Langzeitprojekte und ihrer Kom- 18. Jahrhundert. Damals sind in der pondierenden Mitgliedern gewählt. missionen zu gewinnen. Nicht im- Akademie Fächer wie Astronomie, Solche Zuwahlen sind bald als eine mer lassen sich die verschiedenen Botanik, Geodäsie, Geologie, Ma- ehrenvolle Auszeichnung angesehen Gesichtspunkte problemlos mit- thematik, Mineralogie und Physik und auch aus diesem Grunde in einander vereinbaren. Aus diesen vertreten, während die Geistes- großem Umfang getätigt worden, Gründen kann die Akademie die in wissenschaften mit Geschichte, besonders im 19. Jahrhundert. Aber Bayern vertretenen Wissenschaften Philologie, Numismatik und Philo- aus diesem Netz grenzüberschreiten- nicht mathematisch genau abbilden. sophie noch weniger differenziert der wissenschaftlicher Beziehungen Die einzelnen Fächer haben nicht erscheinen. Im 19. Jahrhundert sind auch internationale Forschungs- gleichmäßig eine Heimat auch in treten nicht nur Anatomen, Physio- projekte hervorgegangen, an unserer der Akademie gefunden. logen und Zoologen, sondern auch Akademie und anderswo. Die kor- erste Techniker hinzu, während sich respondierende Mitgliedschaft ist Theologie und Jurisprudenz, also zu den Historikern die Archäologen daher – obwohl „Korrespondenzen“ die im 18. Jahrhundert an den Uni- gesellen und die Entfaltung der nur noch eine geringe Bedeutung versitäten dominierenden Buchwis- verschiedenen Philologien beginnt. haben – kein Zopf, sondern eher ein senschaften traditioneller Autori- Diese Prozesse setzen sich in der Instrument, dessen Potenzial wieder täten, wollten die Gründer von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu entdecken ist. Denn dass auch die Akademie überhaupt fernhalten, verstärkt fort. Neue Fächer betreten Akademien über ihre Stimme im um deren Forschungsenergien auf die Bühne, wie Bakteriologie und europäischen und globalen Konzert die neu entdeckte Wirklichkeit der Pharmakologie in der einen, Byzan- der Wissenschaften neu nachdenken Welt, Natur und Geschichte, zu tinistik und Wirtschaftswissenschaft müssen, scheint mir nicht zweifelhaft. lenken. Theologen und Juristen in der anderen Klasse. Nach dem       haben der Akademie allerdings von Zweiten Weltkrieg gewinnen die Anbeginn in großer Zahl ange- Ingenieurwissenschaften größeres Anmerkungen: hört, doch nicht als Vertreter ihrer Gewicht, schon 1968 ist auch die 1 Stichproben ergaben folgende eigentlichen Fächer, sondern als Informatik in der Akademie vertre- Statistik (jeweils das Durchschnitts- Naturforscher und Historiker. So ten. Die Philosophisch-historische alter der Zugewählten im Stichjahr): Der Physiker Werner Heisen- blieb es lange Zeit und bis heute be- Klasse öffnet sich der Sozial- und 1759: 41,6 1900: 55,0 berg und der Zoologe Karl steht die Erwartung, ein zur Zuwahl Wirtschaftsgeschichte und bereits 1800: 41,0 1920: 55,4 Ritter von Frisch sind zwei der vorgeschlagener Theologe oder seit den 1950er Jahren den Sozial- 1807: 48,3 1940: 56,6 14 ordentlichen Mitglieder, Jurist solle nicht nur Dogmatiker wissenschaften. 1817: 49,4 1980: 53,9 die den Nobelpreis erhielten. sein, sondern den philosophischen 1820: 47,7 2000: 59,8 Weltweite Verbindungen 1860: 45,3 2009: 52,6 1880: 47,0 Wissenschaftliche Forschung als eine intellektuelle, alle nationalen 2 Sylvia Krauss, Prinzessin Therese Grenzen überspringende Unterneh- von Bayern (1850–1925), in: D. mung verlangt nach internationa- Willoweit (Hrsg.), Denker, Forscher len Kontakten. Besonders in den und Entdecker. Eine Geschichte der Anfängen der modernen Wissen- Bayerischen Akademie der Wissen- schaften, als die Möglichkeiten der schaften in historischen Portraits, Kommunikation wenig entwickelt München 2009, S. 189 ff. und selbst fachwissenschaftliche Publikationsorgane noch kaum Der Autor ist Präsident der vorhanden waren, kam dem brief- Bayerischen Akademie der

deutscheslichen museum Kontakt mit nicht in Bayern Wissenschaften.

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mi t g liede r Ein Plädoyer für die Kugelung s ei t 1 7 8 6 w ä h l t die bay e r i s c h e akademie de r w i s s en s c h a f t en i h r e mi t g liede r mi t w ei s s en u nd s c h w a r z en k u g eln .

V o n e va regenscheidt-spies

ie 1759 gegründete Bayerische Akademie der DWissenschaften wählt ein- mal jährlich ihre neuen Mitglieder durch Kugelung. Der Kugelung oder Ballotage haftet der Ruf des Altertümlichen, wenigstens aber der Traditionsverbundenheit, teilweise sogar des Exotischen, Geheimnis- vollen, an. Wie funktioniert dieses Wahlverfahren? Die Kugelung ist eine geheime Abstimmung mit wei- ßen und schwarzen Kugeln durch die anwesenden Stimmberechtigten in der Wahlsitzung, wobei mit der weißen Kugel eine Ja- und mit der schwarzen Kugel eine Neinstimme abgegeben wird.

Zwei deutsche Landesakademien können auf ein noch früheres Gründungsdatum zurückblicken: die Berlin-Brandenburgische Aka- demie, die, obwohl als solche erst

1992 durch Staatsvertrag dieser bei- b a d w den Länder neu konstituiert, stolz darauf verweist, 1700 von Leibniz Die Tradition der Kugelung in die Akademie Vorgeschlagenen Geheime Wahl, schnelle als Kurfürstlich-Brandenburgische an der Bayerischen Akademie mündlich abgestimmt worden. Auszählung: Wahlurne mit Sozietät der Wissenschaften be- Gegen dieses mündliche Abstim- Trichter, Kugeln und Schalen gründet worden zu sein, und die An der damals noch kurbayerischen mungsverfahren hatte sich zuneh- aus dem Besitz der Bayeri- Akademie der Wissenschaften Akademie wurde die Kugelung mend Widerstand geregt. Lorenz schen Akademie der Wissen- zu Göttingen, die im Jahre 1751 1786 eingeführt. In den in einer Westenrieder merkt hierzu im schaften. von König Georg II. von Großbri- Versammlung am 21. März 1786 Band 2 seiner „Geschichte der kö- tannien, Kurfürst von Hannover, einstimmig beschlossenen Statuten niglich baierischen Akademie der gestiftet wurde. Als einzige der wurde damals u. a. Folgendes ver- Wissenschaften“ an: „Seit geraumer inzwischen acht wissenschaftlichen fügt: „(3) Wenigstens drei Wochen Zeit schlich sich die Sonderbarkeit Landesakademien wählt jedoch die vor dem Wahltage sollen die Namen ein, dass ein neues Mitglied von Bayerische Akademie der Wissen- derer, die zur Wahl in Vorschlag einem anwesenden, ohne alles Vor- schaften ihre Mitglieder noch heute gebracht sind, an einer besonderen wissen der Abwesenden, ohne alle durch dieses Wahlverfahren. Le- Tafel in dem akademischen Ver- Vorbereitung und ohne Rücksicht, diglich ihren Präsidenten wählt die sammlungsort aufgeheftet werden, ob viele oder wenige Mitglieder Berlin-Brandenburgische Akademie und bis nach der Wahl verbleiben.“ anwesend waren, in Vorschlag ge- durch Kugelung. Vorher war über die zur Aufnahme bracht, und dass darüber sogleich

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mündlich abgestimmet, und die bestätigte in einer Gesamtsitzung ne, wenn man sie ausbreitet, leicht Aufnahme beschlossen wurde; am 15. August 1945 alle seit 1940 zählbar sind, sowohl die durch- daher wurde itzt festgesetzt: auf andere Weise erfolgten Wahlen bohrten als auch die massiven. Die (4) Alle Wahlen sollen durch durch Kugelung. Dabei wurden für die Stimmsteine Ausgelosten schwarze und weiße Kügelchen, zwei Mitglieder ausgeschlossen. zählen sie auf dem Brett aus (...); wovon diese die bejahenden, jene und der Herold verkündet die Anzahl die verneinenden sind, vorgenom- Blick in die Geschichte der Stimmsteine, für den Kläger men werden.“ die durchbohrten, für den Beklag- Die Ursprünge des Kugelwahl- ten die massiven. Wer die meisten In § 14 der Wahlordnung vom systems werden dem antiken Stimmen auf sich vereint, gewinnt; 9. Juli 1809, die aufgrund der der Griechenland zugeschrieben. In bei Stimmengleichheit gewinnt der Neuorganisation der Akademie als den athenischen Volksversamm- Beklagte“ (zit. nach der Übersetzung staatliche Zentralanstalt dienenden lungen verwendete man weiße oder von Martin Dreher, Reclam). königlichen Konstitutionsurkunde schwarze Bohnen oder Steinchen vom 1. Mai 1807 erlassen wurde, oder durchbohrte und undurch- Im frühen Mittelalter waren es die ist dann von weißen und schwarzen bohrte Erzkügelchen. Aristoteles Benediktiner, die die Kugelung Kugeln die Rede, weiß für ja und beschreibt in seiner Schrift über den zur Wahl des Abtes einführten. Das schwarz für nein. Staat der Athener (Kap. 68,2–69,1) Verfahren bot sich an, denn die das Abstimmungsverfahren bei Ge- Seit 1786 werden die neuen Mit- richt: „Es sind bronzene Stimmstei- glieder der Akademie mit Ausnah- ne vorhanden, die in der Mitte ein me einer kurzen Unterbrechung Röhrchen aufweisen; die eine Hälfte in der Zeit von 1940 bis 1944 der Stimmsteine ist durchbohrt, die durch Kugelung gewählt. Monika andere massiv. Nachdem die Reden Stoermer hat das Wahlgeschehen [von Ankläger und Angeklagtem] dieser Zeit in ihrer Untersuchung gehalten sind, händigen die für „Die Bayerische Akademie der die Verteilung der Stimmsteine Wissenschaften im Dritten Reich“, Ausgelosten jedem der Richter [je die 1995 in den Acta historica nach Verfahrenstyp 501, 1000, Leopoldina erschienen ist, näher 1500 Richter] zwei Stimmsteine beschrieben: 1940 wurde en bloc aus, einen durchbohrten und abgestimmt, 1941 fanden nur einen massiven; das tun sie Vorwahlen statt. Bei den Wahlen offen vor den Augen der von 1942 bis 1944 verfuhr man Prozeßgegner, damit kein auf Anordnung des Bayerischen Richter zwei durchbohrte Staatsministeriums nach einem nie oder zwei massive erhält. genehmigten Entwurf einer neuen (...) Zwei Amphoren sind Geschäftsordnung, die eine Abstim- im Gericht aufgestellt, die mung durch Zettel vorsah. Damit eine aus Bronze, die andere versuchte man Einfluss auf die Zu- aus Holz (...). In diese wahl neuer linientreuer Mitglieder Amphoren werfen die zu nehmen, nachdem Gaudozen- Richter ihre Stimmstei- tenbundführer Dr. Otto Hörner in ne; die bronzene zählt, einer Stellungnahme vom 18. März die hölzerne nicht. 1940 über eine Aussprache mit dem (...) [69,1] Nachdem damaligen vom Reichsminister er- alle abgestimmt haben, nannten Präsidenten und NSDAP- nehmen die Gehilfen Mitglied Karl Alexander von die gültige [= bronzene] Die Abgeordneten der Zwei- Müller Folgendes berichtet hatte: Amphore und entleeren ten Kammer der bayerischen „Das A und O der Akademie ist ihr sie auf ein Brett, welches Ständeversammlung warfen international geheiligtes geheimes so viele Bohrungen hat zur Abstimmung weiße und Kugelwahlsystem, gegen das auch wie Stimmsteine da sind; schwarze Kugeln in Ballotier- der Akademiepräsident machtlos die Bohrungen sind gefäße (frühes 19. Jahrhun- ist.“ Nach dem Krieg kehrte man angebracht, damit die dert, Bayerischer Landtag). zum Kugelwahlsystem zurück und gültigen Stimmstei-

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Wahl sollte geheim durchgeführt list of candidates is confirmed by und das Öffnen der Umschläge. Die werden. Im Mittelalter etablierte Council at its April meeting, and Auszählung der Kugeln in zwei Far- sich die Ballotage als das gängige then is circulated in the form of ben lässt sich rasch und übersicht- System für geheime Abstimmun- a ballot sheet to all fellows. (…) lich bewerkstelligen. So können gen und Wahlen. Mittels weißer Fellows attending the Annual Mee- in einer Wahlsitzung innerhalb und schwarzer Bohnen stimmte ting for the Election of Fellows an kurzer Zeit je nach der Zahl der die gesetzgebende Versammlung Foreign Members in May vote by Wahlvorschläge 15 oder auch mehr des jüdischen Ghettos in Rom seit secret ballot.“ Wahlgänge durchgeführt werden. Mitte des 16. Jahrhunderts geheim Heute ist das Kugelwahlsystem Schneller wäre nur noch eine über Annahme und Ablehnung insbesondere noch bei den Logen elektronische Abstimmung. Die von Anträgen ab. Im Konvent der und z. T. auch bei Vereinen üblich, elektronischen Wahlverfahren sind Universität Bologna wurde ebenfalls wenn über die Aufnahme neuer jedoch in der Regel sowohl hin- mit schwarzen und weißen Bohnen Mitglieder abgestimmt wird. sichtlich der Abgabe der Stimme als abgestimmt, und auch bei der Wahl auch hinsichtlich der Auszählung der venezianischen Dogen wurden Vorzüge des Kugelwahlsystems nicht nachvollziehbar. Erst kürzlich Kugeln eingesetzt – den Knaben, der hat das Bundesverfassungsgericht die Kugeln aus der Wahlurne nahm, Die Kugelung erlaubt vor allem dieses Verfahren in seinem Urteil nannte man Ballotin. eine geheime Wahl. Jedes in den vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07 Vorwahlsitzungen in den Klassen und 2 BvC 4/07 – beanstandet. Der Im 18. und 19. Jahrhundert wurden und dann auch in der Wahlsitzung Einsatz elektronischer Wahlgeräte die Kugeln mehr und mehr durch im Plenum anwesende ordentliche setze voraus, dass die wesentlichen Stimmzettel ersetzt. Die Begriffe Akademiemitglied nimmt aus Schritte der Wahlhandlung und der „ballotieren“ und „Ballotage“ waren einer der auf den Sitzungstischen Ergebnisermittlung zuverlässig zu dieser Zeit allerdings schon so stehenden Schalen einige weiße und ohne besondere Sachkenntnis etabliert, dass sie sich danach als und schwarze Kugeln und wirft überprüft werden können. Dies Synonym für „geheim abstimmen“ eine davon – verdeckt durch seine ergebe sich aus dem Grundsatz der bzw. „geheime Abstimmung“ erhal- Hand – in den kleinen Trichter auf Öffentlichkeit der Wahl. ten haben. So schreibt etwa Johann der Öffnung in der Wahlurne. Ein Heinrich Zedler im dritten Band Mitglied der Akademieverwaltung Das durch Kugelung erzielte seines Großen Universallexikons trägt die Wahlurne von Mitglied zu Wahlergebnis kann von allen Wahl- aller Wissenschaften und Künste aus Mitglied. Haben alle Anwesenden berechtigten bei Bedarf sogleich dem Jahr 1733: „Wenn der Papst ihre Stimme abgegeben, wird die nachvollzogen werden. Bis auf erwählt wird, geschieht es auch Urne geöffnet und das Ergebnis die einmalige Anschaffung der durch Ballotiren, welches aber nicht ausgezählt. Ein Rückschluss auf Holzkugeln, der Schalen und der durch Kugeln, sondern durch versie- den Wähler, wie bei einer Wahl mit Urnen – Letztere werden aber bei gelte Zeddel verrichtet wird.“ Die Stimmzetteln im vertrauten Mit- anderen Wahlverfahren ebenfalls Abgeordneten der Zweiten Kammer gliederkreis aus der Schrift oder der benötigt – fallen bei der Kugelung der mit der Bayerischen Verfassung Art, das Kreuz zu machen, ist beim schließlich keinerlei Kosten und von 1818 eingerichteten Ständever- „Kugeln“ nicht möglich. kein zusätzlicher Aufwand an. Alle sammlung stimmten indessen noch anderen Wahlverfahren, insbeson- mit weißen und schwarzen Kugeln Die Durchführung des einzelnen dere die elektronischen oder die ab und benützten dabei zwei „Ballo- Wahlgangs einschließlich Auszäh- Briefwahl, sind wesentlich kosten- tiergefäße“ als Zählhilfe. lung benötigt ferner wesentlich und arbeitsintensiver. weniger Zeit als eine Wahl mittels Im angloamerikanischen Sprach- Stimmzetteln: Es müssen keine Ich danke Prof. Dr. Martin Hose . 2 2 6 S raum bedeutet „ballot“ oder „ballot Stimmzettel hergestellt, keine für die Beschreibung des Abstim- vote“ „Abstimmung“ oder „ge- Wahlkabinen aufgestellt und keine mungsverfahrens in der Schrift t “ , 1 9 9 6 , h heime Abstimmung“. In England Stimmzettel entfaltet und nach von Aristoteles und Dr. Stephan wurde die geheime – im Gegensatz Ja- und Nein-Stimmen sortiert Deutinger für den Literaturhinweis zu der früher öffentlichen – Ab- werden. Erst recht entfallen der bei auf die Ballotiergefäße. stimmung für die Parlaments- und einer Briefwahl – wie sie die Nord-      

G „bayernKommunalwahlen entste 1872 durch den rhein-Westfälische Akademie der d b „Ballot Act“ eingeführt. Und das Wissenschaften bei der Wahl neuer Die Autorin ist seit 2001 Gene- Wahlverfahren der Royal Society Mitglieder praktiziert – notwendige ralsekretärin der Bayerischen

ausst. siehtkat. H Folgendes vor: „The final Versand von Briefwahlunterlagen Akademie der Wissenschaften.

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Wörterbücher zwischenzeitlich die Freistellung Schmellers erreicht und Gutach- ter eingesetzt hatte, denen er in Inspierierte regelmäßigem Abstand berichten musste: nicht immer zu seiner Freu- de; denn zuweilen trug die Rap- Wortklauberey portpflicht trotz Lob und Zuspruch eher zu einer „Vermehrung meiner D i e L e x i k o g r a p h i schen vorhaben d e r Schwulitäten“ (Tagebucheintrag A k a d e m i e tragen zur s I c h e r u n g u n s e r e s vom 5. Oktober 1819) bei. K u l t u r e ll e n E r b e s b e i . Lebendige Dialekte

Lange Tradition: An diese gleichwohl noch ver- Der „Schmeller“ (Erstauf- gleichsweise lose Form der Betreu- lage 1827 ff.) und sein ung knüpfte 1911 die Gründung der Nachfolger, das Bayerische Kommission für die Erarbeitung Wörterbuch (1995 ff.). der bayerisch-österreichischen Mundarten an: der direkten Vor- fahrin der heutigen Kommission für Mundartforschung, deren Aufgabe in der systematischen Erschließung des bayerischen und ostfränkischen Wortschatzes besteht.

Während man jedoch bei den bai- rischen Dialekten an einer umfas- senden Publikation in regelmäßig

b a d w erscheinenden Faszikeln (derzeit wird an Heft 15 gearbeitet) fest- v o n t h o m a s o . Reihe und Glied gestellt, und so hielt, entschied man sich beim Ost- H ö l l m a n n nehme ich jeden Tag eine andere fränkischen – neben der Digitalisie- Sprache vor.“ rung des Belegmaterials – für die ir ward menschlicher Herausgabe eines deutlich knapper Besitztümer keines, nicht Allerdings sollten „Brod und gehaltenen Handwörterbuchs. Wie MAhnen, nicht Gold, nicht Ehre“ – Letztere zuerst – auf den groß die Nachfrage ist, zeigt alleine Äcker – nur die Sprache. Die Worte Sprachforscher, der das Lyzeum der Umstand, dass die Erstauflage sind mein Grund und Boden, die ohne Abschluss verlassen und keine 2007 innerhalb von zwei Wochen mir Brod, vielleicht gar Ehre ertra- akademische Ausbildung genos- vergriffen war. Dies mag ein Beleg gen soll.“ Diese Zeilen vertraute sen hatte, dann doch nicht mehr dafür sein, dass die in Bayern Johann Andreas Schmeller, der Ver- lange auf sich warten lassen. 1823 gebräuchlichen Dialekte trotz eines fasser des berühmten „Bayerischen wurde er zum außerordentlichen kontinuierlichen Anpassungspro- Wörterbuchs“ am 21. September Mitglied und 1829, dem Jahr seiner zesses bis heute lebendig sind. 1812 seinem Tagebuch an. Neun Anstellung als Custos der Hof- und Jahre später, am 6. August 1821, Staatsbibliothek, zum ordentlichen Die Sprache der Troubadours war sein Eintrag schon deutlich Mitglied der Bayerischen Akademie weniger optimistisch: „Seit meiner der Wissenschaften gewählt; von Ganz anders ist die Situation beim Wiederkunft aus Augsburg habe 1848 bis 1852 wirkte er überdies als Altokzitanischen, das gegenwärtig ich so ganz und gar alle Lust an der Secretär der Philosophisch-philolo- kaum mehr Verwendung findet. Im Wortklauberey verloren, daß ich gischen Klasse. Mittelalter war diese weit über Süd- mich durchaus nicht mehr dazubrin- frankreich ausstrahlende Sprache, gen kann, etwas für das Wörterbuch Das Wörterbuch erschien in vier für die sich zwischenzeitlich die zu thun. Um vor langer Weile und Teilen zwischen 1827 und 1837. Bezeichnung „Provenzalisch“ einge- Lebens-Überdruß nicht zu vergehen Maßgeblich unterstützt wurde das bürgert hatte, hingegen von großer habe ich meine Grammatiken in Vorhaben durch die Akademie, die Bedeutung. Davon künden nicht nur

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In Ergänzung zum gedruckten Altokzitanischen Wörterbuch sind sämtliche Belegkontexte, also der unmittelbare Text- zusammenhang aller im Wör- terbuch angeführten Wort- belege, online zugänglich: www.dom.badw-muenchen.de

die Lieder der Troubadours, deren Gründung, doch sollten mehr als kalische Varianten werden ebenso Dichtung die Liebeslyrik in weiten zwei Jahrzehnte vergehen, bis die berücksichtigt wie der Bedeutungs- Teilen Europas beeinflusst hatte, dafür nötigen Planstellen geschaffen wandel, an dem sich – zumindest sondern auch zahlreiche Urkun- wurden. Ziel des weltweit einzig- indirekt – auch historische Pro- dentexte, die in einem deutlich artigen Werks ist es, die aufgenom- zesse ablesen lassen. Oder soziale prosaischeren Kommunikationskon- menen Worte mit Textstellen zu Zusammenhänge: etwa, wenn einige text standen. belegen, die in ihrer Gesamtheit das Bezeichnungen für „überragende weite Spektrum der verschiedenen Gelehrte und Schüler großer Meis- Das von der Akademie seit 1996 Epochen und Literaturgattungen ter“ auf Begriffe zurückgehen, die betreute „Dictionnaire de l’occitan repräsentieren. Dabei wird natürlich ursprünglich für Stützpfeiler verwen- médiéval“ wird mit Hilfe einer lexi- ganz wesentlich auf die Aufzeich- det wurden, die für die Statik eines kographischen Datenbank erstellt. nungen buddhistischer Mönche Gebäudes verantwortlich waren. In dieser werden die durch weitere zurückgegriffen, die ihre Einsichten Informationen – unter anderem von Generation zu Generation Langer Atem Aus der tibetischen Chronik Parallelformen, etymologische Kom- weitervermittelten. Die Wiedergabe des Nel-pa Pandita (13. Jh.): mentare, Datierungsansätze und bib- erfolgt dabei im tibetischen Original In den deutschen Akademien „Die vier Stützpfeiler (ka ba liographische Hinweise – ergänzten und in einer deutschen Übersetzung; werden nicht zuletzt Forschungs- bzhi ni) sind: rDog, rNa-nam, Wortbelege zunächst zu einzelnen orthographische und grammati- felder gefördert, die mehr als die Klan und Grum-mer“. Artikeln und dann zu einer Textdatei zusammengefügt, die die Grundlage für die in französischer Sprache erscheinenden Faszikel bildet.

Gelehrte als Stützen der Gesellschaft

Mit dem „Wörterbuch der tibe- tischen Schriftsprache“ beschäf- tigte sich die 1954 eingesetzte Kommission für Zentralasiatische

Studien zwar bereits kurz nach ihrer a r c h i v

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Wörterbuchs“ stammt aus der nord- englischen Grafschaft Yorkshire. Auch hat am Ende jeweils mehr als nur eine der Abfolge des Alphabets gehorchende Auflistung einzelner Stichwörter vorzuliegen. Vielmehr soll ein Werk geschaffen werden, das einen wissenschaftlich begründeten Zugang zu der durch die Begriffe e r w a n g e r

Schatzhaus des antiken B repräsentierten Kultur vermittelt. Latein: das Zettelarchiv des i c h a e l

Thesaurus linguae Latinae. M Wie sieht es nun heute – um ab- schließend nochmals auf Johann Schaffenskraft einer Generation zur Bereicherung der gesamten Andreas Schmeller zurückzu- erfordern. Allerdings handelt es Altertumsforschung. Derzeit sind kommen – mit „Brod und Ehre“ sich dabei ausschließlich um ältere weltweit mehr als 30 Akademien aus? Wohl kaum besser als im 19. Projekte; denn ein Vorhaben, das und gelehrte Gesellschaften am Jahrhundert. Beruflicher Sicher- einen Arbeitsaufwand von mehr als Fortgang des Thesaurus beteiligt, heit stehen nämlich wie damals über 25 Jahren vorsieht – und damit der die Latinität von den frühesten Arbeitsverträge entgegen, die die von den großen Wissenschafts- Zeugnissen bis zum 6. Jahrhundert mehrheitlich befristet sind. Zudem organisationen definierte Obergren- n. Chr. berücksichtigt. ist die Bindung an ein Vorhaben, ze dessen, was als langfristig gelten bei dem der individuelle Beitrag im kann, übersteigt – ist heute nicht Wörterbuch als Inspiration allgemeinen hinter der Kollektiv- mehr genehmigungsfähig. leistung zurücksteht, jenseits des Die Zeit danach wird hingegen auf Akademienhorizonts nicht immer Die Gründung des „Thesaurus der Grundlage gedruckter Texte karriereförderlich. linguae Latinae“ geht auf das Jahr im Rahmen des seit 1939 in Arbeit 1893 zurück. Das Werk hat also befindlichen „Mittellateinischen Im Übrigen kann auch nicht über- bislang zwei Weltkriege, mehrere Wörterbuchs“ behandelt. Auch sehen werden, dass wissenschaft- Währungsreformen und zahlreiche dies geschieht im Verbund mit lich fundierte Wörterbücher nur Neukonzeptionen der Wissen- Forschungseinrichtungen mehrerer sehr begrenzt mit den geltenden schaftspolitik überdauert. Zwar kam Länder unter dem Dach der Union Förderrichtlinien in Einklang zu es aufgrund finanzieller Engpässe Académique Internationale. Die am bringen sind, die rigide Zeitpläne immer wieder zu Verzögerungen, Projekt beteiligten Lexikographen und eine Zerlegung in Module doch wurde das Großprojekt trotz erfreuen sich indes nicht nur bei vorsehen. Dies mag bei anderen aller Unbilden nie prinzipiell in der organisatorischen Feinabstim- Projekten ein sinnvoller Weg sein, Frage gestellt. mung eines intensiven Gedanken- bei einer üblicherweise an der Ab- austausches, sondern auch bei der folge des Alphabets ausgerichteten Als Kernstück des Thesaurus Diskussion über inhaltliche Fragen, Strukturierung ist diese Vorgabe („Schatzhaus“) dient ein Archiv, das die beim kritischen Umgang mit indes kaum nachvollziehbar. Bleibt mittlerweile auf mehr als zehn Mil- den weit gestreuten Quellen auf- schließlich die Freude an der Inspi- lionen Zettel angewachsen ist und treten. Zuweilen geschieht dies im ration – wenn auch vermutlich nicht im Prinzip alle überlieferten Texte Rahmen von Tagungen, von denen als Dauerzustand. berücksichtigt: ältere Schriften eine – 2006 in Prag – einen so       Wort für Wort, jüngere zumindest wunderbaren Titel wie „Wörterbuch auszugsweise. Seit einiger Zeit wer- als Inspiration“ trug. Der Autor ist Sekretar der Phi- den zudem die Möglichkeiten der losophisch-historischen Klasse elektronischen Datenverarbeitung Sprache und Kultur der Bayerischen Akademie der intensiv genutzt, und unter anderem Wissenschaften und Vorsitzender gibt es nunmehr neben der gedruck- Alle Vorhaben sind ohnehin inter- der Kommission für zentral- und ten Version auch eine Ausgabe im national vernetzt: einschließlich der ostasiatische Studien. Er hat den CD-Format. Alle Informationen die- vielleicht am ehesten vom Odium Lehrstuhl für Sinologie (ein- nen indes nicht nur zur Erschließung naiver Bodenständigkeit bedroh- schließlich chinesischer Kunst und der lateinischen Sprache, sondern – ten Mundartforschung; der Leiter Archäologie) sowie für Völkerkun- wie zahllose Anfragen bestätigen – der Redaktion des „Bayerischen de an der LMU München inne.

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E d i t i o n e n Sprache und Literatur im Blick der Forschung

D i e p h i l o l o g i e h at a n d e r a k a d e m i e e i n e l a n g e tradition, doch e r s t im 20. Jahrhund e r t w u r d e d a r a u s e i n z e n t r a les a r be i t sfel d .

von jan-dirk müller Philologische Vorhaben erschien ein Band zu den Diözesen Konstanz und Chur, doch schon die ditionen gehören zum „Edition“ muss dabei weit gefasst Fertigstellung und Publikation des Arbeitsgebiet zahlreicher werden: Es geht nicht nur um die zweiten (Mainz, Erfurt) verzögerte EKommissionen der Baye- die Bereitstellung gesicherter Texte. sich wegen Papierknappheit und rischen Akademie der Wissen- Eine historisch-kritische Ausgabe Finanzierungsengpässen auf Grund schaften, die Quellenpublikationen setzt die Recensio der überlieferten von Wirtschaftskrise und Inflation der Historischen Kommission Textzeugen voraus. Ihr müssen bis 1925 bzw. 1928, und dann kam (Urkunden, Rechtstexte, Chroniken umfangreiche Untersuchungen zur das Unternehmen immer mehr ins und Reichstagsakten usw.), die Text- und Überlieferungsgeschichte Stocken. Obwohl man den Editions- von einer eigenen Kommission be- vorangehen. Dokumente der Ver- plan auf bayerische Bistümer ein- treuten byzantinischen Urkunden, breitung belegen die Wirkungs- schränkte, zogen sich die Arbeiten aber auch die großen Ausgaben geschichte; Wortindices und Kom- am dritten bzw. vierten Band bis philosophischer und soziologischer mentare erschließen den Text. Inso- 1962 bzw. 1976/79 hin. Erst 2003 Klassiker. fern müssen in der folgenden Über- kam man mit dem (extern vorberei- sicht über die wichtigsten Projekte teten) Band zum Erzbistum Köln Ein zentrales Arbeitsfeld im Bereich der Philologie auch auf den ursprünglichen nationalen der Akademie Repertorien zur Überlieferung, Vor- Erhebungsrahmen zurück. arbeiten für eine kritische Edition, Einige Projekte gehen noch auf Katalogisierung handschriftlicher Inzwischen hatten sich die wissen- das 19. Jahrhundert zurück, etwa Bestände und Bibliothekskataloge schaftlichen Standards verändert. die historischen Quelleneditionen berücksichtigt werden. In vielen Die bibliographischen Grundlagen und die mittelalterlichen Biblio- Fällen wird die Editionsarbeit waren erneut zu überprüfen. Seit thekskataloge. Seit Anfang der außerdem von wissenschaftlichen 1974 wurde deshalb an einem 1930er Jahre wurde an einem Kolloquien mit internationaler dreibändigen Verzeichnis des Apparatus criticus zum Koran Beteiligung begleitet. „Handschriftenerbes des deut- gearbeitet. Die 1948 eingerichtete schen Mittelalters“ gearbeitet, das Kommission für Keilschriftfor- Mittelalterliche 1989/1990 erschien. Die Neube- schung gab bis in die 1970er Bibliothekskataloge arbeitung des Verzeichnisses der Jahre ausgewählte sumerische und Kataloge neuzeitlicher Handschrif- babylonische Rechtstexte in Ur- Die Herausgabe der mittelalter- tensammlungen von Paul Oskar schrift und Übersetzung heraus, lichen Bibliothekskataloge Deutsch- Kristeller („Latin Manuscript bevor sie sich hauptsächlich lands und der Schweiz, ein Akade- Books before 1660“), diejenige anderen Aufgaben (zunächst Gra- mieprojekt seit 1906, war seit 1897 von Theodor Gottliebs Verzeichnis bungen, ab 1986 das Reallexikon zunächst als Gemeinschaftsunter- der mittelalterlichen Bibliotheks- für Assyriologie und Vorderasia- nehmen der deutschsprachigen Län- kataloge („Über mittelalterliche tische Archäologie) widmete. der geplant worden. Die einzelnen Bibliotheken“, 1890) und die drei- Seit den 1960er Jahren kommen Bände sollten, ausgehend von den bändige Edition des „Katalogs der zahlreiche Editionsprojekte hinzu. mittelalterlichen Bistümern, neben festländischen Handschriften des 9. Bei der Neustrukturierung des Bibliothekskatalogen i. e. S. auch Jahrhunderts“ auf Grund nachgelas- Akademienprogramms (1979/80) Inventare, Vermächtnisse, Aus- sener Arbeiten Bernhard Bischoffs wurden Editionen als ein zentrales leihregister u. ä. bis 1500 erfassen. schlossen sich an. Auf diese Arbeitsfeld festgelegt. Noch im Ersten Weltkrieg (1917) Weise wurden Bestandssicherung,

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Bestandserweiterung und metho- Frage der Autorschaft konnte geklärt zu erschließen, und zwar in einer dologisch-theoretische Neuorien- werden. 2006 erschien der zweite Gemeinschaftsarbeit, an der viele, tierung verknüpft. Trotzdem gerät Teilband, 2009 der erste. meist jüngere Vertreter der germanis- eine solch lange Editionsgeschichte tischen Mediävistik unter Aufsicht in der gegenwärtigen Planung von Die Literatur und Betreuung der Kommission Akademieprojekten zunehmend des Mittelalters mitwirkten. Als Erstes erschienen in unter Druck. den „Münchner Texten und Unter- Die Kommission für Deutsche suchungen“ die Reimpaarsprüche Ungedruckte Texte Literatur des Mittelalters wurde von Hans Folz (hrsg. v. Hanns des Mittelalters 1960 u. a. gegründet, um unbekann- Fischer, 1961). Es folgten Ausgaben te überwiegend volkssprachliche, des Franziskanischen Schrifttums In den Grenzbereich zwischen Philo- doch auch lateinische Texte des im deutschen Mittelalter (Kurt Ruh, sophie/Theologie und Philologie fällt deutschen Mittelalters editorisch 1965), Meister Johann Liechten- die Herausgabe ungedruckter Texte Melusines Ehemann des Mittelalters; die zuständige entdeckt ihr Wesen als Kommission besteht seit 1962. Sie Meerfee. Der Bildschmuck wurde mit den „Quodlibetica“ des dieses Codex von 1468 im Thomas Sutton eröffnet. Es folgte Germanischen National- nach einigen abgebrochenen Vorar- museum Nürnberg wird beiten zu anderen Autoren die Edi- im Projekt „Katalog der tion des Sentenzenkommentars von deutschsprachigen illus- Robert Kilwardby und die Arbeit an trierten Handschriften des drei weiteren bedeutenden Kommen- Mittelalters“ erfasst. taren zu den Sentenzen des Petrus Lombardus von Wilhelm de la Mare (abgeschlossen), Robert Fishacre (in internationaler Kooperation, in großen Teilen abgeschlossen) und Robert Cowton (in Bearbeitung).

Die Werke des Johannes von Damaskus

In der Münchner Arbeitsstelle der Patristik-Kommission der Deutschen Akademien der Wissenschaften (seit 1961) entstand eine Ausgabe des Meletios, dann konzentrierte sich die Kommissionsarbeit auf Johannes Damascenus (675–750), das Lexikon und die Edition des ihm zugeschriebenen „Barlaam und Joasaph“-Romans. In der Vorberei- tung der Edition wurden seine Vorla- gen und seine Verflechtung mit dem spätantiken und frühmittelalterlichen griechischen Schrifttum sichtbar ge- macht und seine Wirkungsgeschichte bearbeitet. Die schon früh neben- einander existierenden Textgruppen werden in mehreren Apparaten dokumentiert und die angesichts der reichen Überlieferung komplizierten stemmatologischen Verhältnisse

durchleuchtet. Auch die schwierige g n m

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auers Kunst des Fechtens (Martin eine in Harvard erarbeitete Über- und Kommentar) sind geplant. in Wierschin, 1965), die Deutsche sicht über die weltlichen Spiele tritt Bearbeitung ist auch eine Ausgabe Märendichtung des 15. Jahrhunderts (Eckhard Simon, 2003). Zu dieser der Briefe von und an Stifter, deren (Hanns Fischer, 1966). Bis 1979 Erschließungsarbeit tragen vor Veröffentlichung in acht Teilbänden schlossen sich nicht weniger als 21 allem die von den hauptamtlichen geplant ist. Ausgaben an, überwiegend zum Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geistlichen Schrifttum des späten der Kommission betriebenen Studi- Gegenüber anderen Projekten his- Mittelalters. Als bei der Überleitung en zur deutschen und lateinischen torisch-kritischer Ausgaben seit in das Akademienprogramm die Liedüberlieferung des späten Mit- den 1960er Jahren, etwa der Werke Kommissionsaufgabe als „Projekt“ telalters (Gisela Kornrumpf) und Hofmannsthals oder Brentanos, ist definiert werden musste, wurde sie der Katalog der deutschsprachigen die Stifter-Ausgabe nicht auf eine entsprechend der Kategorie „Edi- illustrierten Handschriften, der die Dokumentation alles Überlieferten tionen“ (zusammen mit Wörterbü- Illustrationsprogramme deutscher ausgerichtet, sondern wählt das für chern und Lexika) zugeordnet. Handschriften darstellt (Norbert das Verständnis der Werke notwen- Ott, Ulrike Bodemann, Peter dige Material aus. Trotzdem dürften Das Editionsprogramm umfasst Schmidt, bisher 24 Lieferungen Ausgaben dieser Dimension mit bis heute viele Inedita, schafft oft zu 37 Stoffgruppen) bei. Damit insgesamt 49 Teilbänden künftig erstmals eine tragfähige wissen- wird eine Dimension jenseits der kaum noch finanzierbar sein. schaftliche Grundlage, etwa bei textuellen Erschließung erfasst, die den „Weltlichen Liedern des im Rahmen mediengeschichtlicher Ausblick Mönchs von Salzburg“ (Christoph Forschungen immer wichtiger wird. März, 1999), ergänzt gelegentlich Die Philosophisch-historische ältere Ausgaben durch neue Texte Die Werke Adalbert Stifters Klasse der Akademie hat als (Epistola presbiteri Johannis, hrsg. Folgeprojekt die Übernahme einer v. Bettina Wagner, 2000), macht Die Kommission für Neuere deut- neuen Jean-Paul-Ausgabe beschlos- lateinische Vorlagen volkssprachiger sche Literatur betreut die Werke sen, die, anders als die Ausgabe Texte zugänglich (Liber Alexander Adalbert Stifters, zusammen mit von Eduard Berend, nicht von den Magni, hrsg. v. Rüdiger Schnell, österreichischen Institutionen, Fassungen letzter Hand, sondern 1989). Manchmal muss man sich insbesondere dem Adalbert-Stifter- von den Erstfassungen Jean Pauls auf Prolegomena beschränken (Die Archiv Linz. Der Standort Mün- ausgehen soll. Doch ist dieses Spruchdichtungen Muskatbluts, Eva chen liegt wegen der Bestände der Projekt für die nächsten Jahre durch Kiepe-Willms 1976). Hinzu treten Bayerischen Staatsbibliothek nahe. andere Geldgeber gesichert, so dass überlieferungsgeschichtliche Doku- Die Arbeit an der Edition wird es vorläufig nicht ins Akademien- mentationen und Untersuchungen, durch regelmäßige jährliche Kollo- programm aufgenommen wird. die bei sehr umfangreichen Werken quien gefördert. erst Voraussetzungen künftiger kri- Auf die Dauer werden solche Groß- tischer Editionen schaffen (z. B. Falk Seit 1978 sind bereits 28 Teilbände projekte am ehesten weiterhin im Eisermanns Arbeit zum Stimulus erschienen. Zu den dichterischen Rahmen der langfristig angelegten amoris, 2001). Einige Editionen wer- Werken in den unterschiedlichen Akademieforschung durchführbar den durch Übersetzungen und Kom- Fassungen, von denen noch sieben sein. Allerdings wird der Stolz auf mentare erschlossen (Sonja Glauch, Bände ausstehen, treten Schriften das in den letzten Jahrzehnten Ge- Die Martianus-Capella-Bearbeitung zu Literatur und Theater, Politik leistete getrübt durch die Ungewiss- Notkers des Deutschen, 2000). und Bildung und zur bildenden heit über eine Zukunft, in der Geld- Kunst. Hinzukommen sollen auto- geber für editorische Großprojekte Zu diesen überwiegend extern biographische Aufzeichnungen und immer schwerer zu finden sind. erarbeiteten Schriften treten direkt Dokumente zu Leben und Werk.       von der Kommission initiierte For- Der Band „Wien und die Wiener in schungen. So wurde die Überlie- Bildern aus dem Leben“ ist schon Jan-Dirk Müller ist seit 1998 ferungsgeschichte Jakob Twingers publiziert, Apparat und Kommentar Vorsitzender der Kommission für von Königshoven durch ausführ- dazu in Vorbereitung. Seit 2007 Deutsche Literatur des Mittelal- liche Handschriftenbeschreibungen sind die ersten beiden Bände der ters der Bayerischen Akademie erschlossen (noch unveröffent- „Amtlichen Schriften zu Schule der Wissenschaften. Er hat den licht). Ein „Katalog der Geistli- und Universität“, Stifters berufliche Lehrstuhl für Deutsche Sprache chen Spiele“ wurde erarbeitet (Rolf Tätigkeit betreffend, erschienen; und Literatur des Mittelalters an Bergmann, 1987), zu der ergänzend drei weitere (u. a. mit Apparat der LMU München inne.

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Werkausgaben Große Denker und Gelehrte

kaum lesbare han d schriften, komplexe ge d a n k e n g e b ä u d e – D i e A r b e i t a n w e r k - u n d G esamtausgaben erfor d e r t f a c h k e n n t n i s s e , g e d u l d , sorgfalt un d eine sichere finanzierungsbasis: fünf B e i s p i e l e .

von Edith hank e , J ö r g Bände projektiert. Die Einzel- in München unterzogen, erst dann J a n t z e n , E r i c h F u c h s , bände werden von Spezialisten, erfolgt die Publikation durch den J ü r g e n W e y e n s c h o p s z. B. Musikwissenschaftlern oder Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). u n d S t ef a n Pa u t l e r Theologen, zusammen mit wis- senschaftlichen Mitarbeiterinnen Ein fertiger Band vereint nach ax Weber (1864–1920) und Mitarbeitern entsprechend den einem mehrjährigen Entstehungs- gilt heute als Klassiker Regeln der MWG erstellt, derzeit prozess daher die vielfache Kom- Mder Sozial- und Kul- an den Arbeitsstellen Düsseldorf, petenz der beteiligten Personen und turwissenschaften. Dass er bei (Oder), Heidelberg und Institutionen. Er beruht nicht zuletzt Akademikern und Intellektuellen München. Die einzelnen Teams auf der jahrzehntelangen Sammlung weltweit diese Bedeutung hat, übernehmen die Entzifferung, und systematischen Bestandser- liegt an seiner tiefschürfenden und Prüfung und Anordnung der Edi- fassung, die jeder Editionsarbeit immer noch aktuellen Analyse tionstexte sowie deren sachliche vorausgehen muss und die in der moderner Gesellschaften sowie Kommentierung und Erschließung. Max Weber-Forschungsbibliothek an seiner Methodologie, die das Der Bandherausgeber informiert in der Akademie greifbar ist. individuelle Handeln in den Mittel- in der Bandeinleitung über die punkt stellt. Dass Max Weber zum werkbiographischen und wissen- Werkausgaben großer Denker Klassiker werden konnte und als schaftshistorischen Hintergründe. solcher in der wissenschaftlichen Ist die Editionsarbeit geleistet, wird Die Schriften der großen nachkan- Diskussion lebendig bleibt, ist auch das Bandmanuskript einer internen tischen Denker – Fichte, Schelling, ein Verdienst der Max Weber-Ge- Kontrolle durch das Herausgeber- Hegel, Schleiermacher – lagen samtausgabe (MWG). gremium und die Generalredaktion schon bald nach ihrem Tod in Form

Bände der Abteilung I Max Weber-Gesamtausgabe „Schriften und Reden“ der Max Weber-Gesamtausgabe. Die Max Weber-Gesamtausgabe wird seit 1976 im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirt- schaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften von anerkannten deutschen Soziologen und Historikern herausgegeben. Sie stellt die wissenschaftlichen, poli- tischen und privaten Äußerungen Max Webers möglichst vollständig und nach den Maßgaben der his- torisch-kritischen Methode für ein akademisches Fachpublikum bereit. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei große Abtei- lungen: I. Schriften und Reden, II. Briefe und III. Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften. Seit dem Erscheinen der ersten Bände 1984

ist ihr Gesamtumfang nun auf 46 mohr siebeck/rompel

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von „sämtlichen Werken“ vor; und der Nachkriegszeit erwies sich die Werke von 1797 bis 1800, die generell ist höchst bemerkenswert, Sicherung bzw. Gewinnung der Text- die Abfassung eines zusätzlichen wie schnell man sich im 19. Jahr- basis als unumgänglich. 1957 wurde Bandes zur Wissenschaftsgeschich- hundert editorisch der gerade ver- bei der Bayerischen Akademie die te erforderlich sein ließen. Acht gangenen, mit Lessing begonnenen J. G. Fichte-Gesamtausgabe begrün- weitere Bände sind geplant für die Epoche annahm. Aber obgleich die det, im selben Jahr kam es, von der Edition von Schellings Veröffent- Ausgaben auf Nichtveröffentlichtes, DFG gefördert und später von der lichungen von 1802 bis zu seinem d. h. auf den jeweiligen Nachlass, Nordrhein-Westfälischen Akademie Tod 1854. Der Briefwechsel bis zurückgriffen, waren sie doch übernommen, zur Gründung der 1802 ist in zwei Bänden erschie- nicht eigentlich „aus den Papieren“ Gesamtausgabe der Werke G. W. F. nen bzw. gegenwärtig im Druck. gearbeitet, um eine Formel von W. Hegels. 1972 kam, wieder von der Angesichts begrenzter Ressourcen Dilthey zu gebrauchen. Neben dem DFG angestoßen (seit der Wende wird sich die weitere Arbeit auf Auftrag zur Vollständigkeit gab 1989 bei der Berlin-Brandenbur- die Erstellung eines (soweit wie er damit der historisch-kritischen gischen Akademie angesiedelt), die möglich) vollständigen Katalogs Edition die Aufgabe, Genese und F. D. E. Schleiermacher. Kritische mit den wichtigsten Daten und Entwicklung des Gedankens darzu- Gesamtausgabe hinzu. mit Transkriptionen beschränken; stellen – eben „aus den Papieren“, der Katalog soll Interessierten d. h. aus Entwürfen, Notizen, Über- Die Schelling-Gesamtausgabe elektronisch zur Verfügung stehen. arbeitungen, nicht oder nicht mehr Auch die Nachschriften-Reihe wird veröffentlichten Handschriften; Auch die Historisch-kritische Aus- zunächst eingeschränkt werden und die Aufgabe erweiterte sich gabe der Werke F. W. J. Schellings müssen auf Katalog- und Archivie- sogleich um die Hinzunahme von (1775–1854), von 1827–1841 rungsarbeiten. Aber die Verhältnisse Briefwechseln und (Vorlesungs-) Präsident der Bayerischen Aka- liegen hier insofern komplexer, als Nachschriften von fremder Hand. demie, wurde anfänglich von der es der Nachschriften bedarf, um DFG gefördert; 1968 wurde die jene Textbestände zu ergänzen bzw. Die frühen Ausgaben kamen entsprechende Kommission bei der auch neu zu fassen und zu struk- rasch in die Kritik; G. Lasson gab Bayerische Akademie gegründet, turieren, die Schellings Sohn aus ab 1905 eine kritisch angelegte 1976 erschien der erste Band der dem Nachlass in den „Sämtlichen Hegel-Ausgabe heraus, die freilich Werke-Reihe. Die Begründer der Werken“ (SW) veröffentlichte. Das unvollendet blieb. 1927 plante man Ausgabe – hier sind vor allem zu betrifft vor allem Schellings Vorle- (auf Initiative von H. Mulert) eine nennen H. Fuhrmans, W. G. Jacobs, sungen. Die Problematik ist dabei kritische Schleiermacher-Gesamt- H. Krings, X. Tilliette, H. Zeltner umso größer ist, als uns Schellings ausgabe bei der Preußischen Akade- – zielten auf Vollständigkeit: Sämt- spätere und späte Philosophie mie der Wissenschaften, die sich liche Veröffentlichungen Schellings, (etwa die Auseinandersetzung mit insbesondere des in der Akademie die von ihm nicht veröffentlichten Hegel) nur auf diese Weise, d.h. in archivierten Nachlasses annehmen Manuskripte, Aufzeichnungen der Konstruktion und Wiedergabe sollte. Und M. Schröter veranstalte- usw., Briefe von und an Schelling, durch den Sohn, überliefert ist. te ab 1927 eine Faksimile-Ausgabe endlich Nachschriften seiner Vor- der „Sämtlichen Werke“ Schellings, lesungen durch Hörer sollten in Schwierige Rekonstruktion die der Sohn besorgt hatte. vier Reihen ediert werden (Werke, Nachlass, Briefe, Nachschriften). Zusätzlich schwieriger wird die Zu wirklichen Neuausgaben im Sinn Edition dieser Texte, da die Vorla- historisch-kritischen Edierens kam In der Werke-Reihe sind inzwischen gen, die der Sohn für die Druck- es erst nach 1945. Die philoso- zehn Bände mit den Schriften von legung benutzte, durch Kriegsein- phische Wissenschaft wandte sich 1790 bis 1801 erschienen; hervor- wirkung verlorengegangen sind. neu und in gewisser Weise vertieft zuheben ist neben der ungewöhnlich Erhalten sind dagegen für die Zeit dem Problem einer Grundlegung breiten Textbasis vor allem die ex- seit Schellings Erlanger Vorle- des idealistischen Denkens zu, um tensive Texterschließung durch sungen Aufzeichnungen, Notizen, zugleich – der alten Formel „Von erklärende Anmerkungen, die ihren Konvolute, Manuskripte usw., die Kant bis Hegel“ (R. Kroner) gegen- Grund nicht zuletzt in Schellings neben dem Text in SW und den (so- über kritisch – die Ausformungen eigenem ständigen Rekurs auf frü- weit vorhanden) Nachschriften von des Idealismus zumal bei Fichte und here und die Literatur seiner Zeit fremder Hand zur Rekonstruktion Schelling in ein eigenes fundamen- hat. Dies gilt zumal für die in ihrer des „ursprünglichen“ Schelling- tales Recht zu setzen. In diesem Art einzigartigen naturphiloso- schen Vorlesungstextes eingesetzt durchaus auch politischen Kontext phischen bzw. -wissenschaftlichen werden müssen.

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immer auf der Transkription des vor allem für die Spätzeit (1810–1814) besonders wichtigen Nachlasses. An erstmals publizierten Texten seien die „Eignen Meditationen“ (1793), die „Wissenschaftslehre“ von 1811, die „Transzendentale Logik I“ (1812) und die „Diarien“ von 1813/14 hervorgehoben.

Abschluss der Redaktionsarbeit

Die neue Akademieausgabe er- schien ab 1962 in vier parallel lau- fenden Reihen (Werke – Nachlass – Briefe – Kollegnachschriften), von denen jede einzelne für sich einen unersetzlichen Teil des Ge- samtwerks bildet und deren Texte sich wechselseitig erhellen. Im Laufe der Forschungsarbeiten ge- Titelseite der Handschrift langen auch wertvolle, das œuvre des Diariums I von Johann Fichtes ergänzende Textfunde im

Gottlieb Fichte, Frühjahr 1813; r c h i v Bereich der Korrespondenz und der a Fichte-Nachlass, Staatsbiblio- Kollegnachschriften. Wesentliche thek zu Berlin – Preußischer Voraussetzung für das Erreichen

Kulturbesitz. kommissionsdes Gesamtzieles innerhalb von 50 Jahren war neben dem Engagement Die Kommission arbeitet zur Zeit lichem Ethos und gesellschaftlichen des Editionsteams der Verzicht auf mit drei Schwerpunkten: (1) Der Einrichtungen wurde ein langfris- eine hypertrophe Kommentierung, Nachlassband sechs wird den Text tiges Unternehmen gesichert, das der bewusst die Beschränkung auf der Vorlesungen zur Philosophie der so schließlich innerhalb eines noch knappe philologische und sachliche Kunst mit einer Reihe von Nach- überschaubaren Zeitraums zu einem Angaben entgegengesetzt wurde. schriften vereinen. (2) Exemplarisch erfolgreichen Abschluss geführt So konnte die Kommission im wird die Edition von Schellings werden konnte. Frühjahr 2009 den Abschluss der Erlanger Vorlesungen den Text der redaktionellen Arbeiten für die SW, zweier Nachschriften sowie der Wissenschaftliches Desiderat 41 Bände der Fichte-Ausgabe mit handschriftlichen Vorlage enthal- einem Symposium festlich begehen. ten und synoptisch darstellen (die Der philosophischen Forschung und Drucklegung ist für 2010 vorgese- Lehre über Johann Gottlieb Fichte Der Briefwechsel von hen). (3) Die Akademie-Ausgabe (1762–1814) (vornehmlich durch R. Friedrich Heinrich Jacobi wird die Jugendschriften aus Schel- Lauth) erschien Anfang der 1950er lings Schul- und Tübinger Studien- Jahre die Sichtung und Herausgabe Friedrich Heinrich Jacobi zeit in fünf Bänden veröffentlichen. des Nachlasses von J. G. Fichte als (1743–1819), erster Präsident der wissenschaftliches Desiderat, um Bayerischen Akademie der Wissen- J. G. Fichte-Gesamtausgabe bedeutende, bisher nur handschrift- schaften nach ihrer Reorganisation lich vorliegende Texte des Philoso- von 1807, war nach einem häufig Die J. G. Fichte-Gesamtausgabe phen zugänglich zu machen. Ande- zitierten Urteil Hegels nicht nur entstand auf Initiative von Reinhard rerseits waren die existierenden ein „Wendepunkt in der geistigen Lauth und Hans Jacob, die im Jahr Druckausgaben („Sämtliche Wer- Bildung der Zeit sowie der Indi- 1957 als fördernde Institutionen die ke“, hrsg. von I. H. Fichte, und viduen“, sondern mehr noch einer Deutsche Forschungsgemeinschaft Auswahlausgabe von F. Medicus) derjenigen, „die für die Welt, in der und unsere Akademie gewannen. auf die editorischen Standards des wir uns unsere Existenz vorstellen, Durch dieses Zusammenwirken 20. Jahrhunderts zu bringen. Der einer der festen Halte waren“. von individuellem wissenschaft- Editionsschwerpunkt lag aber Was aber lässt sich über einen Zeit-

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genossen Aufschlussreicheres und so genannten Langzeitunternehmen, schaft legen, die aus der Analyse Großartigeres sagen, als dass er ei- die dem klassischen Aufgabenfeld der modernen Gesellschaft norma- nen stabilen Orientierungspunkt in der wissenschaftlichen Akademien tive Orientierungen für das aktuelle der und eine Grundlage für die Welt zuzurechnen sind. Noch unter der Handeln gewinnen sollte. Diese bilde, die man als die eigene ver- Federführung Siegfried Sudhofs ethische Grundlagenforschung steht und anerkennt? Zumal dann, begannen die Arbeiten an der Jacobi- erwuchs aus den Problemen einer wenn man – wie Hegel – nicht in Briefwechselausgabe, von 1986 an modernen historisch-kritischen Verdacht steht, blinder und vorur- wurden sie als Unternehmen der Theologie. Eine solche Theologie, teilsbehafteter Parteigänger des Deutschen Forschungsgemeinschaft die die historische Denkrevolu- solchermaßen Ausgezeichneten zu fortgeführt. Die Kommission der tion ernstnahm, musste christliche sein. Auch andere Zeitgenossen wie Bayerischen Akademie konstitutierte Geltungsansprüche neu begründen. etwa Johann Gottlieb Fichte und sich 1987, ehe die Ausgabe 1990 Troeltsch wollte die christliche Friedrich Wilhelm Joseph Schelling vollends in die Obhut der Akademie Überlieferung ohne jede dogma- fanden trotz tiefgreifender Diffe- übernommen wurde. Die Förderung tische Eingrenzung dem kritischen renzen im Denken, die sie in harte, durch das Akademienprogramm lief geschichtlichen Blick freigeben, polemische Auseinandersetzungen jedoch bereits 2005 aus. Obgleich gleichzeitig aber die wechselseitige mit Jacobi führten, immer auch die Edition des Briefwechsels nicht Entwicklung von moderner Welt bewundernde und anerkennende einmal bis zum Jahr 1794, also dem und Christentum herausarbeiten. Worte über dessen prägende Rolle Ende jener Phase fortgschreiten in den Debatten der Zeit. konnte, in der Jacobis Einfluss auf Troeltschs Texte seine Zeitgenossen am wirkungs- als orientierende Kraft Zeugnisse einer Zeit mächtigsten und am deutlichsten des radikalen Umbruchs greifbar wurde, ist es nicht gelungen, Die wissenschaftliche Wahrneh- eine breitere Unterstützung für die mung des Werkes von Ernst Will man die Debatten jener Zeit nötige Fortführung der Ausgabe zu Troeltsch litt lange Zeit darunter, erschließen, die eine Zeit des gewinnen. Zurzeit werden zwei Bän- dass dessen literarische Präsenz radikalen Umbruchs der politi- de vorbereitet, mit deren Erscheinen kaum seiner zunehmend erkannten schen, gesellschaftlichen und 2010 die Akademieausgabe vorerst Bedeutung entsprach. Eine Gesamt- ökonomischen Realitäten ebenso eingestellt werden wird. ausgabe der weit verstreut publi- wie eine des Wandels im Denken, zierten Texte ist seit den 1960er im Fühlen und in der Sprache war, Ernst Troeltsch-Gesamtausgabe Jahren immer wieder gefordert wor- will man sich also dieser Epoche den. Die Kritische Gesamtausgabe der „Sattelzeit“ nähern, dann wird Ernst Troeltsch (1865–1923) ist ein der Werke Ernst Troeltschs, die seit es sich nicht vermeiden lassen, die klassischer Diagnostiker der moder- 1998 erscheint, findet daher jenseits Edith Hanke ist General- schriftlichen Zeugnisse und nicht nen Kultur. Sein weit gespanntes der deutschsprachigen Grenzen vor redaktorin der Max Weber- zuletzt die Briefe derer anzusehen, Werk hat in unterschiedlichen dis- allem in Japan und den USA viel- Gesamtausgabe an der die von den Zeitgenossen selbst ziplinären Diskussionszusammen- fältige Beachtung. Sie enthält alle Kommission für Sozial- und über allen Meinungsstreit hinaus als hängen eine breite Wirkung entfal- von Troeltsch veröffentlichten Texte Wirtschaftsgeschichte. Jörg ihre bedeutendsten Repräsentanten tet. Der protestantische Theologe einschließlich der vorliegenden Jantzen ist wissenschaftlicher angesehen wurden. Mit Jacobis war in mehreren Wissenschaftsdis- handschriftlichen Korrekturen und Sekretär der Kommission zur Korrespondenz liegt einer der um- ziplinen präsent: Er war systema- Ergänzungen. Zudem werden einige Herausgabe der Schriften von fassendsten Briefwechsel vor, die tischer Theologe, Philosoph und bisher unveröffentlichte Texte Schelling. Erich Fuchs ist uns aus dieser Zeit überliefert sind. Historiker, er hat Religionswissen- Troeltschs zugänglich gemacht: wissenschaftlicher Sekretär Er spiegelt in beachtlicher Breite schaften und Soziologie entschei- Vorlesungsdiktate, Parlamenta- der Kommission für die und Tiefe die Bewegungen und dend mitgeprägt, und er gilt als rische Reden und Debattenvoten Herausgabe des Fichte-Nach- Tendenzen, die in dieser Epoche politischer Theoretiker und Gelehr- sowie Briefe Troeltschs, Gutachten lasses. Jürgen Weyenschops wirkungsmächtig wurden. tenrepublikaner, der in der Grün- und gelehrtenpolitische Aufrufe. ist wissenschaftlicher Mit- dungsphase der Weimarer Republik Die Gesamtausgabe macht Texte arbeiter der Kommission Diese Zeugnisse philologisch akurat an entscheidender Stelle politische des späten 19. und frühen 20. Jahr- für die Herausgabe des und mit kommentierenden Erläu- Verantwortung übernahm. hunderts neu zugänglich, von denen Briefwechsels von Friedrich terungen versehen zu erschließen, auch in den intellektuellen Selbst- Heinrich Jacobi. Stefan ist das Ziel historisch-kritischer Historisch-kritische Theologie verständigungsdebatten des frühen Pautler ist wissenschaftlicher Werk- und Briefausgaben. Auf- 21. Jahrhunderts eine orientierende Mitarbeiter der Kommission grund der an sie gestellten hohen Troeltsch wollte die Fundamente Kraft ausgehen kann. für Theologiegeschichts- Anforderungen gehören sie zu den einer historischen Kulturwissen-       forschung.

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quelleneditionen Rückgrat der historischen Forschung

d i e h i s t o r ische kommission, geg r ündet 1858 und de r intention nach eine „akademie f ü r deutsche geschichte“, i s t k e i n e A kademie-kommission, p f l e g t a b e r s e i t i h r e r g R ündung besonde r e B eziehungen zu r A k a d e m i e .

Von Leopold von Ranke v o n den Rheinbundstaaten“ oder die rationellen Kommunikation“ und stammte nicht nur der Anstoß karl-ulrich gelberg „Akten der Reichskanzlei, Regie- die Biographie von Folker Reichert zu den „Deutschen Reichs- rung Hitler 1933–1945“ für unter- „Gelehrtes Leben. Karl Hampe, das tagsakten“ und der „Allgemei- ie Historische Kommission schiedliche Epochen das Rückgrat Mittelalter und die Geschichte der nen Deutschen Biographie“, bei der Bayerischen Aka- der Forschungen zur deutschen Deutschen“. sondern auch zu der alle Ddemie der Wissenschaften, Geschichte sind. wissenschaftlichen Disziplinen 1858 vom bayerischen König Die Zukunft liegt im Internet umspannenden „Geschich- Maximilian II. auf Anregung Leo- Schriftenreihe te der Wissenschaften in pold von Rankes gegründet, konnte Aus mehreren Gründen bemüht sich Deutschland“. Ihr Ziel war laut 2008 ihr 150-jähriges Bestehen Die Historische Kommission veröf- die Kommission seit einigen Jahren, Vorrede in Band 1, „die gewal- feiern. Eine Festschrift und eine fentlicht auch Monographien. Seit ihre Editionen und lexikalischen tigen Fortschritte, welche der Chronik bieten einen Überblick 1957 sind fast 80 Arbeiten in ihrer Angebote mehr und mehr im deutsche Genius in den beiden über den Ertrag ihrer wissenschaft- „Schriftenreihe“ erschienen, die die Internet anzubieten. Dafür sprechen letzten Jahrhunderten fast auf lichen Arbeit, der in rund 650 Ver- Franz-Schnabel-Stiftung finanziert. – die Kommission ist öffentlich allen Gebieten des Wissens öffentlichungen zum Ausdruck Kurz vor der Veröffentlichung finanziert – der kostenfreie Zugang gemacht hat“, zu dokumen- kommt. In der Mehrzahl handelt es stehen Julia Richters Heidelberger zu ihren Arbeitsergebnissen, die tieren. Von 1864 bis 1913 sich um Quelleneditionen, die wie Dissertation „Fürstentestamente viel größere Zahl von Nutzern erschienen 32 teils mehrbän- die „Deutschen Reichstagsakten“, der Frühen Neuzeit. Politische Pro- sowie die durch das digitale Medi- dige Monographien. die „Quellen zu den Reformen in gramme und Medien der intergene- um mögliche Qualitätssteigerung des Angebots. Ein Beispiel: Viele Verweise in zeitgeschichtlichen Editionen auf Gesetzessammlungen führen in der digitalen Version per Link direkt zum gewünschten Gesetz, Artikel oder Paragraphen. Dies hat zur Folge, dass eine di- gitale Edition von Anfang grund- sätzlich anders zu konzipieren ist. Das Engagement hat aber auch grundsätzliche Bedeutung: Um im 21. Jahrhundert ihr Alleinstellungs- merkmal als Editionsinstitut zu be- wahren, muss die Kommission bei der Entwicklung digitaler Standards „die Nase vorn haben“.

Erste erfolgreiche Projekte auf die- sem Feld sind die digitale Fassung der „Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik“ und „NDB/ W D

BA ADB-online“, die bis Ende 2009

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1958 gratulierte Bundes- kanzler Konrad Adenauer der Historischen Kommis- sion zu ihrem 100-jährigen Bestehen. Das Schreiben ging an die Adresse: Sendlingerstr. 55/III. Stock, denn in diesem Ausweich- quartier befanden sich Geschäftsstelle und NDB- Redaktion bis zum Umzug b mit der Akademie in die

h i k o / n d h i k o 2 1 1 Residenz 1959.

unter www.deutsche-biographie.de auch alle Vorgänger Lothar Galls, die Verleihung des „Preises des eine Volltextversion der 46.300 darunter im 20. Jahrhundert etwa Historischen Kollegs“ durch den Artikel der „Allgemeinen Deut- Franz Schnabel, Theodor Schieder Bundespräsidenten. schen Biographie“ und der „Neuen oder Eberhard Weis. Andererseits       Deutschen Biographie“ bieten wird. haben bis heute sechs Akade- Als erster Schritt zu einem europä- miepräsidenten gleichzeitig der Der Autor ist Geschäftsführer der ischen Biographie-Portal kann ab Historischen Kommission angehört: Historischen Kommission bei der Juli 2009 das Angebot von NDB Ignaz von Döllinger, Karl Theodor Bayerischen Akademie der Wis- und ADB auch gemeinsam mit dem Ritter von Heigel, Karl Alexander senschaften und des Historischen „Österreichischen Biographischen von Müller, Friedrich Baethgen, Kollegs. Lexikon“ und dem „Historischen Horst Fuhrmann und Dietmar Lexikon der Schweiz“ durchsucht Willoweit. Literaturhinweise werden. Auch das über eine gemeinsame Gall, Lothar (Hrsg.), „…für deut- Verbindung mit der Akademie Stiftung mit der Historischen sche Geschichts- und Quellenfor- und dem Historischen Kolleg Kommission eng verbundene schung“. 150 Jahre Historische „Historische Kolleg“ mit Sitz in der Kommission bei der Bayerischen Die Kommission ist satzungsmäßig Kaulbach-Villa ist mit der Baye- Akademie der Wissenschaften. mit der Bayerischen Akademie der rischen Akademie „verschwägert“. München: Oldenbourg Wissen- Wissenschaften verbunden. Ihre Der Präsident der Akademie ist laut schaftsverlag 2008, 382 S. Geschäftsstelle und die Redaktion Statut geborenes Mitglied seines der „Neuen Deutschen Biographie“ Kuratoriums, das die Stipendien Neuhaus, Helmut, 150 Jahre befinden sich seit 1959 unter einem vergibt und die Träger des alle drei Historische Kommission bei Dach mit der Akademie in der Jahre vergebenen Preises des Histo- der Bayerischen Akademie der Münchner Residenz. Ihr Präsident rischen Kollegs auswählt. Seit 1983 Wissenschaften. Eine Chronik. – seit 1997 Lothar Gall – muss Mit- bietet der Plenarsaal der Akademie München: Historische Kommis- glied der Bayerischen Akademie der in der Münchner Residenz alle drei sion 2008, 200 S. Wissenschaften sein. Dies waren Jahre den glanzvollen Rahmen für

02/2009 Ak a demie Aktuell 3 5 AKADEMIE g ei s t e s w i s s e n s c h a f t e n

b ay e r n Erforschung der bayerischen Geschichte

die b ay e r i s c h e g e s c h i c h t e h at ei n e l a n g e t r adi t i o n a n de r A kademie : die f r ü h e s t e n p r o j ek t e g e h e n a u f die g r ü n d u n g s z ei t z u r ü c k . s E I t 1 9 2 7 b e t r e u t die k o mmi s s i o n f ü r b ay e r i s c h e l a n de s - g e s c h i c h t e ei n e v ie l z a hl von proj ek t e n .

Die Monumenta Boica, erstes Forschungsvorhaben der Akademie, erschienen ab 1763. 1927 übernahm die Kommission für bayerische Landesgeschichte die Her-

ausgabe der Quellenedition. b a d w

von alois schmid Wegweisende Publikation Deutschland mit der Weiterentwick- der „Monumenta Boica“ lung der Methodik entscheidend ine der Hauptaufgaben der vorangetrieben. Vor allem durch ihre 1759 gegründeten Chur- Wichtigstes Ergebnis dieser Bemü- Preisfragen und ihre Publikationen Efürstlichen Akademie der hungen war die wegweisende Publi- erreichten sie eine bemerkenswerte Wissenschaften war die gezielte kation des urkundlichen Quellen- Breitenwirkung, die im Deutschland Beförderung „brauchbarer Wissen- materials in den „Monumenta Boica“ der Aufklärung Anerkennung fand. schaften“. In diesem Rahmen wur- seit 1763. Auf diesem Wege wurde de in der kurfürstlichen Anfangszeit die Erforschung der bayerischen Das hohe Niveau der kurfürstlichen der Geschichte eine bevorzugte Geschichte im späteren 18. Jahr- Zeit konnte nach der Neuorgani- Stellung zuerkannt; sie war das hundert geradezu sprunghaft voran- sation des Forschungsbetriebes Hauptarbeitsgebiet der Historischen getrieben. Die akademischen Ge- 1807 in der frühen königlichen Klasse. Dabei konzentrierte man schichtsforscher haben, angeführt Zeit nicht gehalten werden. Da den Forschungshorizont nahe- von P. Roman Zirngibl aus St. Em- die Mönchsgelehrten, welche den zu ausschließlich auf das eigene meram in Regensburg, die Verwis- bisherigen Wissenschaftsdiskurs Territorium. senschaftlichung der Geschichte in entscheidend mitgetragen hatten,

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nach der Säkularisation wegfielen, durch ministerielle Verordnung eine lose zur Abwicklung ihres Haus- reduzierte sich der Kreis der aktiven derartige Forschungseinrichtung haltes angeschlossene Kommis- Mitarbeiter im Wesentlichen auf die gegründet wurde. Die im Vergleich sion wurde dieser in den Jahren Universitätsprofessoren, die damals zu anderen Bundesstaaten spät 1961/63 enger angegliedert. Die deutlich im Schatten der norddeut- errichtete Kommission sollte durch Tätigkeit der Vorstandschaft und schen Gelehrten blieben. Dazu trug die intensivierte wissenschaftliche der rund 60 Mitglieder, bei denen auch ihre betonte Ausrichtung an der Beschäftigung mit der Geschichte es sich überwiegend um die an die bayerischen Nation bei, die vor allem Bayerns den föderalen Gedanken bayerischen Landesuniversitäten die Person und das Werk des „Vaters stärken. Dieses Grundziel geriet berufenen Professoren sowie um an der bayerischen Landesgeschichte“, jedoch nach 1933 rasch in Wider- den wichtigsten wissenschaftlichen Johannes Aventinus, in den Mittel- spruch zur nationalsozialistischen Einrichtungen tätige Historiker punkt der akademischen Forschungs- Ideologie. Deswegen wurden die handelt, erfolgt ehrenamtlich. Seit aktivitäten rückte. Die Edition seiner Forschungsaktivitäten der Kommis- 1951 verfügt die Kommission auch „Sämmtlichen Werke“ (6 Bände, sion, die nicht der Reichsschrifttums- über – derzeit sechs – fest ange- 1881–1908) setzte jedoch als erste kammer zugeführt wurde, einge- stellte wissenschaftliche Mitarbei- Kritische Edition der Schriften eines schränkt, mehrere Mitglieder wurden terinnen und Mitarbeiter. Neben der deutschen Humanisten wissen- in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit eigenen Forschungstätigkeit leiten schaftsgeschichtliche Maßstäbe. behindert oder gar verfolgt. Andere sie insbesondere die zahlreichen gehörten durchaus zu den Aktivisten freien Mitarbeiter an den einzel- Die Historische Kommission der Bewegung. Insgesamt konnte die nen Projekten an und betreuen die Kommission unter der Leitung von Publikationen redaktionell. Seit Im Übrigen betreute die 1858 ge- Georg Leidinger (1870–1945) ihren 1962 ist der Kommission das 1938 gründete Historische Kommission, wissenschaftlichen Standard wahren. als „Landesstelle für Volkskunde“ in der die von auswärts berufenen gegründete Institut für Volkskunde „Nordlichter“ das Sagen hatten, Die Nachkriegszeit prägte zunächst mit derzeit drei wissenschaftlichen die bayerische Landesgeschichte Max Spindler (1894–1986), wel- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weithin mit. In ihrer Zuständigkeit cher, bestärkt von Ministerpräsident angegliedert. Der Gesellschaft wurden im späteren 19. Jahrhun- Wilhelm Hoegner, die staatspoli- für fränkische Geschichte und dert die entscheidenden Editionen tische Bedeutung der bayerischen der Schwäbischen Forschungsge- und Untersuchungen auf den Weg Landesgeschichte betonte und vor meinschaft ist die Kommission in gebracht, die auch der bayerischen allem die zwei Großprojekte des freundschaftlicher Kooperation Landesforschung allmählich wieder „Historischen Atlas von Bayern“ und verbunden. Anschluss an die deutsche Ent- des „Historischen Ortsnamenbuches wicklung verschafften. Sie erlebte von Bayern“ begründete. Förderung der bayerischen einen frühen Höhepunkt in Sigmund Geschichte aller Epochen Riezler als erstem Inhaber eines Unter der Vorstandschaft von Karl landesgeschichtlichen Lehrstuhls Bosl (1908–1993) öffnete sich die Hauptaufgabe der Kommission ist in Deutschland überhaupt, dessen Kommission seit 1960 zunehmend gemäß ihrer Satzung „die Förde- epochale „Geschichte Baierns“ den Fragestellungen der Gesell- rung und Zusammenführung der allerdings höchstens am Rande der schaftsgeschichte. Die folgenden Vor- planmäßigen Erforschung und Be- Akademie entstand. sitzenden seit Andreas Kraus (geb. arbeitung der bayerischen Landes- 1922) sahen ihre Hauptaufgabe darin, geschichte“. Das gilt für alle Epo- Die Kommission für die wichtigsten Unternehmungen chen von der Vor- und Frühzeit bis bayerische Landesgeschichte unter Einbeziehung der aktuellen For- in die Gegenwart. Die Kommission schungsimpulse weiterzuentwickeln. betreibt dazu Grundlagenforschung Gerade wegen der Einbettung der Dem Aufschwung der Geschichtswis- in meist langfristig angelegten Landesforschung in die Historische senschaften in Deutschland entspre- Großprojekten, deren Ergebnisse Kommission schien es lange Zeit chend weitete die Kommission ihre sie in anspruchsvollen Publikatio- nicht besonders dringlich, eine eige- Publikationstätigkeit in den jüngsten nen zur Veröffentlichung bringt. ne landesgeschichtliche Kommission Jahrzehnten stark aus. Die zentralen Unternehmungen sind zu gründen. So dauerte es bis 1927, bis in die Gegenwart unverändert ehe auf Initiative von Michael Doe- Organisation der „Historische Atlas von Bayern“ berl, dem zweiten Inhaber des Mün- (1950 ff.) und das „Historische chener Lehrstuhls für Bayerische Die zunächst der Bayerischen Aka- Ortsnamenbuch von Bayern“ Geschichte, auch im Freistaat Bayern demie der Wissenschaften nur (1951 ff.). Dazu arbeitet die Kom-

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mission eng mit den Lehrstühlen und bayerischen Geschichte“ zunächst „Bayerischen Vorgeschichtsblätter“ Professuren für bayerische Landes- ins Mittelalter setzte. Seit den (1921 ff.) und das „Bayerische Jahr- geschichte an den Universitäten 1990er Jahren wird das Editions- buch für Volkskunde“ (1950 ff.). Die des Freistaates, vor allem dem ihr programm aber auch in die Neuzeit wesentlichen Ergebnisse der baye- besonders verbundenen Institut für ausgeweitet. Mit den „Protokollen rischen Landesgeschichtsforschung Bayerische Geschichte an der Uni- des Bayerischen Ministerrates inner- und außerhalb der Universi- versität München, zusammen. In den 1919–1945“ wird ferner die Zeit- täten veröffentlicht die Kommission Abteilungen Altbayern, Franken und geschichte erfasst. Die „Dokumen- in ihren insgesamt 15 Buchreihen, Schwaben streben diese Hauptunter- te zur Geschichte von Staat und deren wichtigste die „Schriftenreihe nehmungen eine flächendeckende Gesellschaft in Bayern“ stellen die zur bayerischen Landesgeschichte“ Beschreitung des staatsbayerischen wichtigsten Quellen aller Epochen (1929 ff., derzeit 160 Bände) ist. Gebietes unter historischen, landes- in kommentierten handlichen Aus- In jüngster Zeit beteiligt sich die kundlichen und namengeschicht- gaben zur Verfügung. Zur Beförde- Kommission auch an EDV-gestütz- lichen Gesichtspunkten an. rung des Wissenschaftsdiskurses gibt ten Projekten wie dem „Historischen die Kommission drei Zeitschriften Lexikon Bayerns“. Zudem betätigt sich die Kommission heraus, die zu den führenden Or- auf dem Gebiet der Quellenedi- ganen der jeweiligen Teilfächer ge- Pflege des tion, wobei sie die Akzente mit den hören: die „Zeitschrift für bayerische Geschichtsbewusstseins „Quellen und Erörterungen zur Landesgeschichte“ (1928 ff.), die Die Kommission für bayerische Landesgeschichte betreibt Groß- und Langzeitforschung in ihrem Zuständigkeitsbereich, wie sie an den Universitäten des Freistaates wegen deren anders gearteter Auf- gabenstellung nicht möglich ist. Ihre großdimensionierten Forschungs- projekte und ihre sehr rege Publika- tionstätigkeit machen sie zu einer der wichtigsten landesgeschicht- lichen Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie leistet einen bedeutenden Bei- trag zur Pflege des Geschichtsbe- wusstseins als wesentlichem Pfeiler des Staatsbewusstseins in Bayern und erfüllt damit einen wichtigen staatspolitischen Auftrag, der auch in Zeiten verschlechterter Rahmen- bedingungen nichts an Bedeutung eingebüßt hat und deswegen unbeirrt weitergeführt werden muss. 

Der Autor ist seit 1999 1. Vor- sitzender der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er hat den Lehr- stuhl für Bayerische Geschichte und vergleichende Landesge- Verordnung über die Errich- schichte mit besonderer Berück- tung einer Kommission für sichtigung des Mittelalters an der bayerische Landesgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität

31. Mai 1927 (hier S. 1). b a y h s t a München inne.

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e d i t i o n e n Arbeit für die Schatzhäuser des Geistes

Quelleneditionen zum mittel a lter und zur frühen neuzeit s t e l l e n d as m at e r i a l f ü r g e i s t e s w i ss e n s c h a ftliche for s c h u n g e n b e r e i t.

von martin hose der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bezeichnet werden. ie Arbeit der Geisteswis- Zur Erforschung des über 1.000 senschaften ist auf den Jahre währenden byzantinischen DZugriff auf ihr spezifisches Kaiserreichs und seiner immer noch Material, auf Texte, Bilder oder nicht ausgeschöpften kulturellen Filme, auf Artefakte und das reiche Hinterlassenschaften tragen mehre- Feld dessen, das man materielle re Unternehmungen bei: Neben der Kultur nennen kann, gegründet. kritischen Edition der griechischen Diese Arbeit wird umso fruchtbarer, Prosa-Schriften des Theologen Jo- je umfangreicher ein derartiger Zu- hannes von Damaskus sind dies die griff erfolgen kann. Hierin liegt die Projekte „Corpus der griechischen Begründung für eine geisteswissen- Urkunden“ und „Acta conciliorum schaftliche Grundlagenforschung, oecumenicorum, 2. Serie“, die deren Ziel es ist, das Material für ihrerseits bereits auf eine lange die weitere Arbeit überhaupt erst Geschichte unter dem Dach der bereitzustellen. Akademie zurückblicken können.

Dieser Aufgabe dienen sieben Pro- Griechische Kaiserurkunden jekte der Bayerischen Akademie, die Texte, die bislang entweder Das Corpus der griechischen Ur- überhaupt nicht oder nur in unzu- kunden wurde von Karl Krumba- reichender Form der Forschung cher, dem Begründer der Byzanti- verfügbar waren, nach allen Regeln nistik, konzipiert und erschließt mit philologisch-historischer Kunst den Urkunden der byzantinischen edieren. Mit diesen Projekten Kaiser, die es in Form von Regesten werden, um ein Bild zu gebrauchen, vorlegt, eine der wichtigsten Quel- neue Kostbarkeiten aus verschie- len für die Innen- und Außenpolitik denen Bereichen des Mittelalters des Reichs von Konstantinopel. und der Frühen Neuzeit in die Die Regesten füllen fünf stattliche Schatzhäuser des Geistes geborgen Bände. Das Gesamtwerk steht vor

und zukünftiger Forschung zur seinem Abschluss, da auch der erste kommissionsarchiv Verfügung gestellt, ja teilweise und früheste Band in Kürze zur bereits zugleich ausgewertet. Sie Gänze in stark erweiterter zweiter Ökumenische Konzilsakten Aus dem Lichtbildarchiv der bereichern die Theologie und Phi- Auflage vorliegen wird. Es darf Kommission für das Corpus losophie, Byzantinistik und Medi- als ein Eckstein der Mittelalterfor- Die „Acta conciliorum oecu- der griechischen Urkunden: ävistik, Medizingeschichte sowie schung gelten. Die Kommission menicorum, 2. Serie“ setzen ein Privilegienurkunde des Geistes- und Mentalitätsgeschichte. ist darüber hinaus im Besitz eines Vorhaben des Philologen Eduard byzantinischen Kaisers einzigartigen Lichtbildarchivs, das Schwartz fort, der sich die Auf- Ioannes V. Palaiologos für Schwerpunkt Byzanz neben Kaiserurkunden auch eine gabe gesteckt hatte, die Akten der das Athoskloster Vatopedi Vielzahl von Diplomen weltlicher ökumenischen Konzilien von 431 vom 8. September 1356. „Byzanz“ kann als ein Schwer- und geistlicher Würdenträger bis bis zum 9. Jahrhundert erstmals punkt der wissenschaftlichen Arbeit hin zu Privaturkunden enthält. in wissenschaftlich verlässlichen

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Ausgaben zu edieren, um damit der Barbarossa-Urkunden-Ausgabe, Teil des kulturellen Gedächtnisses die Protokolle und Dokumente die von der Österreichischen Aka- vor dem vollständigen Verlust derjenigen Konzilien der theo- demie betreut wird. bewahrt werden. Denn gerade die logisch-historischen Forschung mittelalterlichen und frühneuzeit- bereitzustellen, deren dogmatische Erschließung der lichen Inschriften dokumentieren Entscheidungen von West- wie von Inschriften Bayerns Geschichte und Kultur ihrer Zeit Ostkirche als verbindlich aner- in einzigartiger Weise und sind kannt wurden. Schwartz hatte bis Selbständig und Teil eines größe- zugleich durch Umwelteinflüsse zu seinem Tod die Arbeit bis zum ren Vorhabens zugleich ist auch und Baumaßnahmen beständig zweiten Konzil von Konstantinopel die Arbeit an einer Ausgabe der bedroht. Die Akademie hat die Auf- (553) vorangetrieben; 1969 wurde nachantiken Inschriften Bayerns gabe übernommen, die Inschriften des Projekt in der Obhut einer bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, im Gebiet Bayerns aufzunehmen, Akademiekommission wiederauf- die in den Kontext des interaka- sie fotografisch zu dokumentie- genommen, und seither konnten die demischen Unternehmens „Die ren, einzuordnen und zu edieren umfangreichen Akten des Late- Deutschen Inschriften“ gehört. Mit – eine herkulische Aufgabe für die rankonzils (649) und des dritten diesem Projekt soll ein wichtiger 1950 gegründete „Kommission Konzils von Konstantinopel (680/1) Epitaph für den ediert werden. Die Bearbeitung und Domdekan Christoph Gail Herausgabe der Dokumente des für (1584), Freising, Dom- den Bilderstreit bedeutungsvollen kreuzgang, Ostflügel – Konzils von Nikaia (787) steht vor künftig publiziert in dem Abschluss. „Die Deutschen Inschriften 69“, Kat.-Nr. 316 (Foto). Kaiserurkunden Friedrichs II.

Vier weitere Projekte gelten dem westlichen Mittelalter mit seiner lateinischen Tradition und haben ihr Zentrum im Heiligen römischen Reich deutscher Nation. Auch hier betreibt die Bayerische Akademie das Vorhaben einer Edition von Kaiserurkunden: Betreut von einer 1990 gegründeten Kommission wird unter der Federführung von Walter Koch daran gearbeitet, die etwa 2.600 entweder im Original oder in Kopie tradierten Urkun- den des Staufer-Kaisers Friedrich II. (gest. 1250) zu edieren. Als erste Ergebnisse dieses für die Rechts- und Verfassungsgeschichte des Hochmittelalters wichtigen Unternehmens konnten 2002 und 2007 zwei Bände vorgelegt werden, die die Urkunden aus den Jah- ren 1198–1212 bzw. 1217–1217 erstmals vollständig und von einem gelehrten Apparat begleitet zur o w i e j a Verfügung stellen. Dieses Projekt S ist zugleich ein wichtiger Baustein in der Arbeit an den Monumenta Germaniae Historica und korres- pondiert mit anderen Urkunden- nschriftenkommission/ Editionen deutscher Kaiser, so etwa I

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für die Herausgabe der Deutschen Noch immer ist ein beträchtlicher der Umwelt auf neue Methoden Inschriften des Mittelalters und der Teil der Literatur des Mittelalters und Theorien erkennbar sind und frühen Neuzeit“ , da geschichts- nicht ediert und kann nur in den zugleich aus ihrer Perspektive mächtige Orte wie Regensburg oder alten Original-Handschriften repräsentative Einblicke in Arbeits- Bamberg, große alte Friedhöfe wie eingesehen werdeln. Hier setzt die und Lebenswelt des Arztes genom- in Nürnberg, darüber hinaus zahl- Arbeit der „Kommission für die men werden können. Das Projekt lose kleinere Adelssitze wahrlich Herausgabe ungedruckter Texte aus steht vor der Aufgabe, zunächst zahllose Inschriften aufweisen, die der mittelalterlichen Geisteswelt“ das in Bibliotheken und Archiven zudem von Neufunden, etwa bei an. Sie hat seit ihrer Gründung vorhandene Briefmaterial ausfindig Baumaßnahmen, ständig ergänzt 1962 in bislang 24 Bänden eine zu machen, es zu sichten und – in werden. So konnten zwar bislang Reihe von bedeutsamen Texten Regestform – in einer Datenbank zwölf stattliche Bände publiziert theologisch-philosophischer Denker aufzunehmen sowie Digitalisate der werden, doch sie enthalten nur ediert, wobei sich als Schwerpunkt Originalbriefe anzufertigen. einen kleinen Teil der Orte und an der letzten Jahrzehnte die mittelal- den großen geschichtsträchtigen terliche Kommentierung der vier Komplexe Projekte Stätten Regensburg, Nürnberg Bücher Sentenzen des Petrus Lom- oder Würzburg selbst nur Teile der bardus (gest. 1160) herausgebildet Von den byzantinischen Kaisern Inschriftenmassen. Auch in Zukunft hat. Diese Sentenzen dürfen als ein bis zu Ärzten im 16. Jahrhundert steht daher dieses Projekt in einem zentrales Werk der mittelalterlichen erstrecken sich also die Vorhaben Wettlauf mit der Zeit und dem Theologie gelten, in dem die christ- der BAdW zur Quellenedition. Es durch sie unvermeidlichen Verlust liche Dogmatik in paradigmatischer sind sieben Projekte einer nach- der Überlieferungsträger und damit Weise scholastisch interpretiert haltigen geisteswissenschaftlichen des Kulturguts. wird. Die Wirkungsgeschichte der Grundlagenforschung, Projekte, Sentenzen lässt sich am deut- die aufgrund ihrer Materialfülle Mittelalterliche Geschichts- lichsten in ihren Kommentaren und Komplexität jeweils Kontinu- quellen und Literatur nachzeichnen. Daher sind unter ität erfordern, die eine Akademie der Ägide der Kommission die bis garantieren kann. Dass der Bestand, Weniger dramatisch, doch gleich- dahin nicht edierten Kommentare den die hier vorgestellten Editionen falls unverzichtbar als Teil der des Guillelmus de la Mare, Robert von Texten und Inschriften über geisteswissenschaftlichen Grund- Kilwardby und Richard Fishacre Tagesinteressen und Moden hinaus lagenforschung gestaltet sich (gest. 1248) herausgegeben worden, haben werden, die Dauer der Arbeit die Arbeit der 1957 gegründeten die Edition des Kommentars von an ihnen rechtfertigt, ist gewiss un- Kommission für das Repertorium Robert Cowton (frühes 14. Jhdt.) ist bestritten. Dass er auch die Mühsal „Geschichtsquellen des deutschen in Vorbereitung. der Projektmitarbeiterinnen und Mittelalters“. Sie ist Bestandteil -mitarbeiter rechtfertigt, die immer eines internationalen Großprojekts, Ärztebriefe: hoher Quellenwert aufs Neue mit schwer entzifferbaren das unter der Ägide des Istituto Handschriften oder fast unlesbar storico italiano per il Medio Evo Eines der jüngsten Projekt der gewordenen Überlieferungsträgern, steht; in seinem Rahmen entstand Bayerischen Akademie der Wis- seien es durch Wasserschaden ver- in internationaler Zusammenarbeit senschaften wird von der 2008 dorbene Bücher oder ausgebleichte zwischen 1954 und 2007 ein insge- gegründeten Kommission für Wis- und halbzerstörte Inschriften, zu samt elfbändiges Verzeichnis aller senschaftsgeschichte betreut. Unter ringen haben: dies ist wenigstens zu bekannten Quellenschriften zum der Leitung des Würzburger Me- hoffen. Mittelalter, das die wesentlichen dizinhistorikers Michael Stolberg       Daten zu deren Überlieferung, An- begann Anfang 2009 die Arbeit an gaben zu modernen Ausgaben und der systematischen Erfassung und Der Autor ist o. Professor für zur Forschungsliteratur enthält. Mit Auswertung von Ärztebriefen aus Klassische Philologie (Schwer- dem Abdruck der Druckfassung hat der Frühen Neuzeit. Diese Briefe punkt Gräzistik) an der Ludwig- sich die Aufgabe der Kommission haben einen hohen Quellenwert Maximilians-Universität Mün- grundlegend verändert: Sie aktu- für die Wissenschafts-, Kultur- und chen und stellv. Vorsitzender der alisiert und ergänzt jetzt nur noch Mentalitätsgeschichte ihrer Zeit, da Kommissionen für die Herausgabe die im Bereich des mittelalterlichen angesichts des Fehlens von Fach- einer zweiten Serie der Acta deutschen Reiches entstandenen zeitschriften „neues“ medizinischen conciliorum oecumenicorum und Quellen und macht dies seit 2006 Wissen durch sie verbreitet wurde, für die Herausgabe der Werke des auf ihrer Website zugänglich. die Reaktionen der Patienten bzw. Johannes von Damaskus.

0 2 / 2 0 0 9 A k a d e m i e A k t u e l l 4 1 a k a D e m i e geisteswissenschaften

musikwissenschaft Erforschung der älteren Musikgeschichte

D i e M usikwissenschaft wur d e im 20. Jahrhun d e r t z u m F o r s c h u n g s - g e g e n s t a n d a n d er Bayerischen A k a d e m i e .

rischen Kommission gehört. Die 1949 von dem Münchner Ordina- rius für Musikwissenschaft Rudolf von Ficker, Akademiemitglied seit 1948, gegründete Kommission machte sich „die Herausgabe wichtiger musikalischer Quellen- schriften allgemeiner Art und kri- tischer Editionen von Kunstwerken, welche speziell für die musikalische Landeskunde von Wichtigkeit sind“ zur Aufgabe. Für Orlando di Lasso Beginn des Bassus von von theodor göllner saal oder Oper erklingenden und hatte schon 1894 Adolf Sandberger Lassos Motette Sancta Maria, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahr- (o. Akademiemitglied seit 1912) omnes Sancti Dei in einem ie Musikhistorische hunderts andauernden Aufführungs- zusammen mit dem Regensburger zeitgenössischen Druck Kommission betreut zwei tradition. Kirchenmusik-Historiker Franz (Bayerische Staatsbibliothek, Dselbständige Projekte. Xaver Haberl dieses Editionsprojekt 4 Mus.pr. 133/3). Darin unterscheidet sie sich von Die Werke Orlando di Lassos begonnen und es bis 1927 auf 21 vielen anderen Kommissionen, die Bände gebracht. Danach ruhte das in der Regel ein spezielles Vorha- Dagegen gibt es die Musik von ohne Beteiligung der Akademie ben zum Gegenstand haben. Ge- Orlando di Lasso, dem großen durchgeführte Unternehmen, und meinsam ist beiden Projekten die Münchner Hofkomponisten in der auch die mehr als zwanzig Jahre Ausrichtung auf die ältere Musik- zweiten Hälfte des 16. Jahrhun- später entstandene Musikhistorische geschichte, deren Erforschung derts, nur in Handschriften und Kommission konnte diese Aufgabe Musikwissenschaftler im das Fach Musikwissenschaft als Drucken, deren wissenschaftliche während v. Fickers Lebenszeit, der Dienste der Akademie: historische Disziplin überhaupt Erschließung in einer vielbändigen 1954 starb, nicht übernehmen. Adolf Sandberger, Rudolf begründet hat. Dabei ging es um Gesamtausgabe einschließlich eines von Ficker und Thrasybulos schriftlich überlieferte Zeugnisse umfassenden Werkverzeichnisses Die Akademie G. Georgiades (v. l. n. r.). jenseits der aktuellen, in Konzert- zu den Aufgaben der Musikhisto- übernimmt die Werkausgabe

Eine entscheidende Wende trat mit der Berufung von Thrasybulos G. Georgiades auf den Münchner Lehrstuhl für Musikwissenschaft (1956) ein, der im Folgejahr in die Akademie gewählt wurde und den Vorsitz der Musikhistorischen Kommission übernahm. Die unvoll- endete Lasso-Ausgabe wurde durch yern 25 (1982), 10 a eine „Neue Reihe“ ergänzt, die vor allem die Messen und Magnificats enthält und mit dem Erscheinen d w ( 2 ) ba Aus: Musik in B des 26. Bandes (Lassos berühmten

4 2 A k a d e m ie Aktuell 02/2009 a k a D e m i e geisteswissenschaften

„Bußpsalmen“) 1995 abgeschlossen Lochkartensystem entwickelte, wurde. Etwa gleichzeitig ging man das den Weg zur Computer-Lexi- daran, die Bände der sog. „Alten kographie eröffnete. Als Michael Reihe“ aufgrund einer wesentlich Bernhard 1976 nach dem frühen erweiterten Quellenlage neu zu Tode Waeltners im Jahr zuvor die edieren, eine Arbeit, die wissen- redaktionelle Leitung des Lexikons schaftlich unumgänglich ist und im übernahm, konnte er die Computer- Jahr 2020 abgeschlossen sein wird. methode weiter ausbauen, sodass sie anderen lexikographischen Die editorische Aufgabe lag seit Projekten in und außerhalb der 1958 in den Händen von Horst Akademie zum Vorbild diente. Das Leuchtmann, dessen weitgespannte Lexicon musicum Latinum verfügt Interessen auf Orlando di Lasso über zwei hauptamtliche Stellen, zentriert waren und dem wir auch die unterschiedlich aufgeteilt wer- zu einem guten Teil das dreibändige den und eine weitere Teilzeitkraft Werkverzeichnis verdanken. Letzte- ermöglichen. Das Engagement von

res führte sein Nachfolger Bernhold Michael Bernhard verdient höchste V.Q.81 fol. 251r I w

Schmid mit erstaunlicher Sach- Anerkennung. Nachdrücklich a

kenntnis zu Ende. An ihn ging nach betont werden muss aber auch die r o c ł W B der Pensionierung Leuchtmanns langjährige, unentgeltliche Tätigkeit U (1995) neben der Fortsetzung der von Calvin M. Bower (Medieval Lasso-Edition auch die Geschäfts- Institute, University of Notre Dame, der jahrzehntelang die Geschäfte Beginn eines der ältesten führung der Kommission über, zwei USA), der seit dem Erscheinen der Kommission leitete und vor Texte mit der Lehre des Aufgaben, denen er mit organisa- des ersten Faszikels im Jahr 1991 allem für die „Neue Reihe“ der Johannes Hollandrinus in torischem Geschick und persön- die deutschen Interpretamente ins Lasso-Edition tätig war. einer Handschrift aus lichem Engagement nachkommt. Englische übersetzt und damit dem der Universitätsbibliothek LmL eine weltweite Verbreitung Ein aktuelles Unternehmen ist die Wrocław. Die lateinische Musik- ermöglicht. Als Anerkennung und von Michael Bernhard und Elżbieta terminologie des Mittelalters Dank der Akademie wurde ihm Witkowska-Zaremba in Koopera- 2007 die Medaille Bene merenti tion mit der Polnischen Akademie Das „Lexicon musicum Latinum in Silber verliehen. Das Projekt ist der Wissenschaften durchgeführte medii aevi“, das die musikalische nach einer mühevollen Anlaufzeit Edition von 21 Traktatfassungen, Terminologie vom 9. bis zum Ende bis zum Buchstaben L vorgedrun- die Johannes Hollandrinus zu- des 15. Jahrhunderts behandelt, war gen und konnte 2006 acht Faszikel geschrieben werden und dessen ursprünglich als Gemeinschaftspro- in Band I zusammenfassen. Es soll Identität zur Diskussion steht jekt der Heidelberger und der aller Voraussicht nach 2015 abge- (siehe auch M. Bernhard, Wer war Bayerischen Akademie der Wissen- schlossen sein. Johannes Hollandrinus?, in: „Aka- schaften geplant. Die Notwendig- demie Aktuell“ 01/2003, S. 25). Die keit eines Lexikons zur Erforschung Ergänzende Publikationen dritte Konferenz des internationalen der lateinischen Musikterminologie Herausgeber-Gremiums findet 2009 des Mittelalters hatte Thrasybulos Unter den Veröffentlichungen der wie bisher in Schloss Nieborów Georgiades schon in den ersten Jah- Musikhistorischen Kommission, (Radziwil) unweit Warschaus statt. ren seiner Heidelberger Lehrtätig- die 1977 mit einer Arbeit von E. L. keit (seit 1948 ) erkannt und dafür Waeltner „Zur Musikanschauung Die internationale Ausstrahlung der seinen Kollegen, den Mittellateiner des Johannes Scottus (Eriugena)“ beiden Kommissionsprojekte zeigt Walther Bulst gewonnen. Unter begannen und inzwischen 18 Bände sich nicht zuletzt in den von der den Georgiades-Schülern war es umfassen, wurden die meisten Bän- Akademie veranstalteten Tagungen, besonders Ernst Ludwig Waeltner, de von Michael Bernhard verfasst deren Ergebnisse in den Veröffent- der sich der Vorbereitung dieses oder herausgegeben. Dazu gehören lichungen der Musikhistorischen Projekts annahm. Er war es auch, auch die gemeinsam mit Calvin M. Kommission (Bd. 15, 2001) und Der Autor ist em. o. Professor der in der Musikhistorischen Kom- Bower in vier Bänden (1993 ff.) in den Abhandlungen der Philoso- für Musikwissenschaft an der mission der Bayerischen Akademie edierten Boethius-Glossen. Einen phisch-historischen Klasse (Heft LMU München und Vorsit- der Wissenschaften die Idee des ersten Markstein setzte in Band 3 111, 1996; Heft 128, 2006) heraus- zender der Musikhistorischen Lexicon musicum Latinum (LmL) (1981) die Edition der „Musica en- gegeben wurden. Kommission der Bayerischen in die Tat umsetzte und dabei ein chiriadis“ (9. Jh.) von Hans Schmid,       Akademie der Wissenschaften.

02/2009 Ak a d e m ie Aktuell 4 3 A K a d e M i e g e i s t e s w issenschaften

archäologie Antike Lebenswelten am Mittelmeer

Z u r G eschichte der Klassischen A r c h ä o l o g i e a n d e r Bayerischen a K a d e m ie der Wissenschaften.

ria werden von hier aus betreut, und Als erster Fachvertreter wurde Hein- vor allem wird hier der deutsche rich von Brunn an die Akademie be- Beitrag zu dem internationalen rufen, nachdem 1865 ein Lehrstuhl Großprojekt der Dokumentation für Klassische Archäologie an der antiker Keramik in Museen und Münchner Universität eingerichtet Sammlungen (Corpus Vasorum worden war. Sein Profil als Forscher Antiquorum) koordiniert. Diese war für das 19. Jahrhundert – einer wichtige Position in der klassisch Zeit, in der auch die Archäologie archäologischen Forschungsland- oft vom positivistischen Sammeln schaft wurzelt tief in der Geschichte und Deuten geprägt war – eher der Akademie. Ausschlaggebend für ungewöhnlich. Selbst ein durchaus die Richtung und Intensität archäo- ambitionierter Maler, standen für logischer Forschung an der Akade- ihn die antiken Kunstwerke und mie waren dabei immer wieder die Künstler immer im Mittelpunkt sei- Forschungsinteressen der einzelnen ner Forschungen. In den Münchner Klassischen Archäologen unter den Akademieschriften finden sich zahl- Akademiemitgliedern. reiche Vorträge und Aufsätze von ihm, in denen er viele der antiken Klassische Archäologen Monumente behandelte, die bis heu- als Akademiemitglieder te das Zentrum der antiken Kunst- geschichte bilden. Die Bildwerke Spätestens seit der Neustrukturie- des Parthenon und des Theseion in rung im Jahr 1807 gehörten die Athen analysierte er ebenso wie die Altertumswissenschaften zum wichtigsten Neufunde seiner Zeit: Forschungskanon der Akademie. die Skulpturen von Olympia, den ( 1 9 0 6 ) a Die Klassische Archäologie, die in Fries des Mausoleum von Halikar- dieser Zeit gerade erst anfing, sich nass oder die etruskische Nekropole von der Philologie zu emanzipieren, unter dem Friedhof der Certosa von hatte damals zwar unter den festen Bologna. An der Akademie war er Mitgliedern in München keinen zudem seit 1885 Vorsitzender der

Aus: furtwängler,Vertreter; Aegin es wurden jedoch seit Kommission für die Erforschung der 1808 die renommiertesten Erfor- Urgeschichte Bayerns. Die erste archäologische v o n pa u l z a n k e r u n d scher der materiellen Hinterlassen- Ausgrabung der Akademie stefan schmidt schaften der Antike als auswärtige Archäologische Forschungen in Griechenland: Adolf Akademiemitglieder gewählt. Die unter Adolf Furtwängler Furtwänglers Untersuchung ie archäologische For- Liste bekannter Namen reicht von des Aphaiatempels auf schung zur antiken Kultur Karl August Böttiger und Ennio Die archäologische Feldforschung Ägina 1901. Dund Kunst der Griechen Quirino Visconti über Aloys Hirt, im Mittelmeerraum wurde erst und Römer im Mittelmeerraum Karl Otfried Müller, Eduard unter seinem Schüler und Nachfol- hat an der Bayerischen Akademie Gerhard und Friedrich Gottlieb ger Adolf Furtwängler ab 1895 zu der Wissenschaften ihren festen Welcker bis zu Alexander Conze einem Arbeitsbereich der Akademie. Platz. Ausgrabungsprojekte in und Heinrich Schliemann, um nur Furtwängler war eine der herausra- Ostia, Pompeji oder auch Alexand- einige zu nennen. genden Gestalten in der deutschen

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und internationalen Archäologie. Dieser hoffnungsvolle Beginn neuer werden. Als Sitz für die Koordi- Seine Arbeiten, Ideen und Projekte Projekte kam jedoch durch Furt- nation des Projekts kam entweder auf vielen unterschiedlichen Gebie- wänglers Tod, den Ersten Weltkrieg die Akademie in Berlin oder aber ten wirkten weit über seinen frühen und schließlich den vollständigen die Münchner in Frage, da nur Tod 1907 hinaus. Einerseits war Verlust der Stiftungsmittel während dort die enge Verbindung zu den auch er Kunsthistoriker, der sich vor der Inflation von 1923 zum Erliegen. beiden umfangreichsten deutschen allem der Erschließung griechischer Doch Furtwänglers Erbe wirkte wei- Vasensammlungen gegeben war. Kunstwerke aus der Überlieferung ter. 1924 konnten die Grabungen in Den Ausschlag für München, wo der römischen Kaiserzeit heraus Ägina-Kolonna mit Hilfe des Deut- seit 1937 die Bände des Corpus widmete (Kopienforschung), davon schen Archäologischen Instituts und herausgegeben werden, gab die zeugen nicht zuletzt einige seiner der Notgemeinschaft der deutschen Person Buschors, der ein ausgewie- zahlreichen Akademieschriften. Wissenschaft, der Vorgängerorgani- sener Vasenspezialist war. Unter Andererseits beschäftigte er sich sation der Deutschen Forschungsge- seiner Leitung begann das seitdem besonders mit der Archäologie der meinschaft, wieder aufgenommen kontinuierlich betriebene Projekt, in griechischen Frühzeit, die seit werden. Zur weiteren Durchführung dem bis heute bereits 85 deutsche Schliemanns Expeditionen auf den und zur Publikation der Ergebnisse Bände erschienen sind, mehr als in Spuren Homers nach Troja, Mykene, wurde 1928 die Aegina-Kommis- jedem anderen beteiligten Land. Tiryns und Orchomeos besondere sion an der Akademie gegründet. Die Arbeiten erschöpfen sich je- Aufmerksamkeit erregte. Auch das Projekt Orchomenos lebte doch keineswegs in der Erarbeitung wieder auf. 1929 nahm Emil Kunze und Herausgabe eines Bandes nach Dokumentation der Profile Einen Meilenstein für die Geschich- im Zuge der Vorbereitungen zur dem anderen. Dank seiner hoch- attischer Trinkschalen in te der Archäologie an der Akademie Veröffentlichung der Grabungser- qualifizierten wissenschaftlichen einem CVA-Band. Mit ihrer bilden Furtwänglers Ausgrabungen gebnisse Nachgrabungen vor. Kunze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Hilfe lassen sich die Eigen- in Ägina. Die Giebelskulpturen war es auch, der 1931 und 1934 die die darüber hinaus viele eigene heiten bestimmter Töpfer- des Aphaiatempels waren seit der ersten beiden Bände der Fundpubli- Beiträge geleistet haben, ist das werkstätten bestimmen. Erwerbung durch König Ludwig I. kation verfasste. Prunkstücke der Münchner Glyp- BEILAGE�19 tothek. Furtwängler unternahm im Das Corpus Vasorum Jahr 1901 eine sehr erfolgreiche Antiquorum Nachgrabung an deren Fundplatz, bei der weitere Reste der Figuren- Ein ganz anders geartetes archäolo- giebel, aber auch viele Befunde zur gisches Forschungsgebiet erschloss Geschichte des Aphaiaheiligtums sich für die Akademie seit 1931 gewonnen wurden. Obwohl dieses unter der Ägide von Ernst Buschor. Unternehmen direkt durch den Mit dem Beitritt Deutschlands zur Prinzregenten Luitpold finanziert Union Académique Internationale, 1����������(2069) wurde, war es organisatorisch bei der weltweiten Dachorganisation der Akademie angesiedelt. Im wissenschaftlicher Akademien, im Anschluss daran ermöglichte eine Jahr 1935 wurde auch die deut- speziell für archäologische For- sche Beteiligung an dem ältesten 2����������(2079) schungen bestimmte Stiftung von Gemeinschaftsprojekt der Union Emil Bassermann-Jordan, einem diskutiert. Das Corpus Vasorum Weingutbesitzer und Politiker aus Antiquorum (CVA) war vom Leiter Deidesheim am Rhein, der Aka- des Louvre, Edmond Pottier, bereits demie die Finanzierung weiterer 1921 ins Leben gerufen worden

Unternehmungen. Furtwängler und diente dem Ziel, die antiken 3����������(M�1042) begann mit diesen Mitteln sofort Keramikgefäße in den Museen und eine Untersuchung im Zentrum der Sammlungen der Welt möglichst antiken Hauptstadt der Insel Ägina vollständig zu veröffentlichen und am Kap Kolonna. Ab 1903 leitete wissenschaftlich zu erschließen, sein Mitarbeiter Heinrich Bulle wozu viele Methoden überhaupt eine systematische Grabung im erst entwickelt werden mussten und böotischen Orchomenos, die weit bis heute ständig verfeinert werden. 4���������(2078) b d . 7 7 in die Frühzeit der ägäischen Welt Nun sollten auch die Arbeiten an a

u s c v 5����������(2068) (1:1) zurückführte. den deutschen Museen begonnen a

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Hellenismus bis in die römische Kaiserzeit. Dabei werden vor allem kleinere, überschaubare Grabungs- projekte gefördert und angeregt. Die Kommission versteht sich auch als Forum für den internationalen Austausch von Forschungsergeb- nissen. Seit ihrer Gründung wurde eine stattliche Zahl von Seminaren und Tagungen veranstaltet, etwa zur Monumentalisierung der Städte im römischen Spanien, zu Römischen Gräberstraßen oder zu Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus. Daneben werden in der Schriften- reihe „Studien zur antiken Stadt“ Einzeluntersuchungen zu den verschiedensten Lebensbereichen antiker Stadtbewohner vorgelegt. Das reicht von den Heiligtümern von Ostia über die Mietwohnungen mmlungen münchen a in Pompeji und Herkulaneum bis

n t i k e nzu s Richard Neudeckers „Pracht der a

t l . Latrine“. aa s t Die Klassische Archäologie versteht Zur Arbeit an einem Band CVA zu einem wichtigen Kristal- Helmut Berve und seit seiner Wahl sich als umfassende Kulturwis- des CVA (hier in der Mitte lisationspunkt für die deutsche zum Akademiemitglied 1968 der senschaft. Sie beschäftigt sich Berthold Fellmann in und internationale Forschung zur ehemalige Direktor des Deutschen mit der gesamten materiellen den Münchener Antiken- antiken griechischen Keramik Archäologischen Instituts in Athen, Hinterlassenschaft des Altertums. sammlungen) gehört die geworden. Tagungen zu verschie- Emil Kunze. Die langjährigen Die antike Kunstgeschichte spielt Sichtung unbeachteter denen damit zusammenhängenden Ausgrabungen brachten eine Fülle dabei entsprechend der deutschen Bestände und die erst- Themen und der Informations- von Ergebnissen zur Geschichte der Forschungstradition eine besondere malige Rekonstruktion austausch zwischen den Wissen- alten Handelsstadt Ägina. Durch Rolle. Im Zentrum des Forschens von Gefäßen. schaftlern werden hier organisiert. deren vielfältige Beziehungen mit und Fragens steht überall die Inzwischen sind mehr als die Hälfte anderen Gebieten eröffnete sich konkrete Lebenswelt der antiken der Bestände griechischer Keramik zugleich ein weiter Blick auf die Menschen. Dieses Selbstverständnis in deutschen Museen veröffentlicht. wirtschaftlichen und kulturellen spiegeln auch die archäologischen Es wird trotzdem noch geraume Verflechtungen im östlichen Mittel- Forschungen wider, die in das Zeit dauern, bis das in internationa- meer. All dies ist in einer umfang- interdisziplinäre Netz der Akademie ler Zusammenarbeit gesetzte Ziel reichen Serie von publizierten Er- eingebunden sind. erreicht sein wird. gebnisbänden zugänglich.      

Grabungen in Ägina Seit 1983 werden die Grabungen Paul Zanker, em. o. Professor in Ägina in anderer Trägerschaft für Klassische Archäologie und So dauerhaft wie dieses Langzeit- fortgeführt, und die ehemalige Direktor des Deutschen Archä- projekt sind die archäologischen Aegina-Kommission hat sich unter ologischen Instituts Rom a. D., Grabungen der Akademie nie gewe- Leitung von Paul Zanker neue Ziele ist Vorsitzender der Kommission sen. Nach einer wiederum längeren gesetzt. Als Kommission zur Erfor- für das Corpus Vasorum Anti- Unterbrechung durch den Zweiten schung des antiken Städtewesens quorum sowie der Kommission Weltkrieg wurde 1964 die Aegina- widmet sie sich der Untersuchung zur Erforschung des antiken Kommission und mit ihr die Erfor- der antiken Urbanistik als umfas- Städtewesens. Stefan Schmidt ist schung der antiken Stadt am Kap sendem Phänomen und vor allem Redaktor des Corpus Vasorum Kolonna wieder belebt. Federfüh- dem Erscheinungsbild von Städten Antiquorum an der Bayerischen rend war zunächst der Althistoriker und städtischen Einrichtungen vom Akademie der Wissenschaften.

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tieftemperaturforschung Von Walther Meißner zum Quanten-Bit

D i e K o m m i s s i o n F Ü R TIEFTEMPERATURFORSCHUNG B e t r e i B T a m W A L t h e r - m e i s s n e r - i n s t i t u t s e i t Ü B e r 6 0 J a h r e n s p i t Z ENFORSCHUNG i m B e r e i c h D e r TIEFTEMPERATURPH Y s i K .

von rudolf gross und dietrich einzel

urch die Verflüssigung von Helium im Jahr 1908 Dund die Entdeckung der Supraleitung im Jahr 1911 wurde das goldene Zeitalter der Tieftempe- raturforschung eingeläutet. In seinen Anfängen prägte dieses Gebiet ganz wesentlich Walther Meißner, der Nestor und Pionier der Tief- temperaturphysik und -technik in Deutschland. Nach seiner Promotion bei Max Planck trat Meißner 1908 in die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin ein und etablierte dort das erste Tieftempe- raturlabor in Deutschland (das dritte weltweit, nach Leiden und Toronto).

Wissenschaftliche und technische wmi/D. einzel Höhepunkte waren damals die erst- malige Verflüssigung von Helium schule München, wo er ein völlig der Bayerischen Akademie der Wis- Schwebender Supraleiter in Deutschland am 7. März 1925 neues Kältelaboratorium aufbaute senschaften, deren Mitglied er be- (Levitation als Folge des und die Entdeckung des perfekten und damit das aufstrebende Gebiet reits seit 1938 war, zum Präsidenten Magnetfeldverdrängungs- Diamagnetismus in Supraleitern der Tieftemperaturforschung nach und vertrauten ihm die Aufgabe des effekts). (1933). Beim letztgenannten Phäno- Bayern brachte. In den Kriegsjahren Wiederaufbaus und der Neustruktu- men werden Magnetfelder aus dem wurden die Forschungseinrich- rierung an. Während seiner Amts- Inneren eines Supraleiters entweder tungen des Meißner-Lehrstuhls nach zeit von 1946 bis 1950 gründete er abgeschirmt oder bei Kühlung unter Herrsching am Ammersee in zwei zusammen mit Klaus Klusius die seine Sprungtemperatur sogar aus provisorische Baracken verlegt. Kommission für Tieftemperatur- ihm verdrängt. Diese fundamentale forschung, deren Vorsitzender er Erscheinung wird auch heute noch Gründung der Kommission bis 1963 blieb. Diese Kommission bei der Charakterisierung neuer für Tieftemperaturforschung übernahm die Herrschinger Bauten, supraleitender Systeme verwendet. übersiedelte dann im Jahre 1967 Wegen seiner weitreichenden Bedeu- Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte in das neu errichtete Garchinger tung wird dieser Effekt nach seinen sich Walther Meißner mit geradezu Institutsgebäude, das seit 1992 den Entdeckern „Meißner-Ochsenfeld- unvorstellbarer Energie für den Namen Walther-Meißner-Institut Effekt“ genannt. Wiederaufbau ein. Politisch unbe- (WMI) trägt. lastet, wurde er zu zahlreichen Füh- Im Jahr 1934 folgte Walther Meißner rungsaufgaben herangezogen. Unter Walther Meißner erkannte bereits einem Ruf an die Technische Hoch- anderem wählten ihn die Mitglieder früh die große Bedeutung der Tief-

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Näbauer) wurden 1961 durch die haupt erst auftritt. Ein weiteres For- Entdeckung eines Quantisierungs- schungs-Highlight aus den 1980er phänomens auf makroskopischer Jahren ist die erstmalige Messung Skala bekannt: Der magnetische der Temperaturabhängigkeit der Fluss in einem supraleitenden Hohl- Magnetfeld-Eindringtiefe in dem zylinder tritt nur in ganzzahligen so genannten Schwere-Elektronen-

Vielfachen eines so genannten Supraleiter UBe13 (in dem die Elek- Flussquants auf, in dessen Form tronen bis zu 1.000 Mal schwerer sich die Tatsache widerspiegelt, sind als normale Metallelektronen), dass der mikroskopische Ursprung welche Aufschlüsse über eine der Supraleitung der quantenmecha- sehr exotische Symmetrie der der Walther Meißner (1882–1974), nische Strom von Elektronenpaaren Supraleitung zu Grunde liegenden Präsident der Bayerischen ist. Zusammen mit dem Josephson- Elektronenpaare zuließ. Akademie der Wissenschaften Effekt bildet die Flussquantisierung von 1946 bis 1950, Gründer die physikalische Grundlage für Auch zum Verständnis der im Jahr der Kommission für Tieftem- höchstempfindliche Magnetfeld- 1986 entdeckten Hochtemperatur-

peraturforschung. w m i sensoren, deren Einsatzgebiet heute Supraleiter, die bereits oberhalb von der zerstörungsfreien Material- der Siedetemperatur des flüssigen temperaturforschung und -technik prüfung bis zum Biomagnetismus Stickstoffs (77 K) supraleitend für die Naturwissenschaften und reicht. werden und dadurch für technische viele Anwendungsgebiete. Bis Anwendungen sehr interessant sind, heute wurden mehr als zehn Nobel- Anfang der 1970er Jahre wurden lieferte das WMI entscheidende preise für Physik und Chemie für im Garchinger Tieftemperaturlabor Beiträge. Für die Entdeckung des so die Entdeckung von Tieftemperatur- (der so genannten Garchinger Milli- genannten Intrinsischen Josephson- phänomenen vergeben, und wichtige mühle) die ersten Experimente in Effekts in diesen Materialien wurde Anwendungen wie die Magnetreso- Deutschland zur Untersuchung der einer seiner Entdecker, Paul Müller, nanz-Tomographie in der Medizin- mit dem Walter Schottky-Preis der technik oder supraleitende Magnete Deutschen Physikalischen Ge- für Teilchenbeschleuniger sellschaft des Jahres 1994 ausge- wären ohne eine langfristig zeichnet. Mit den weltweit ersten Supraleitendes Quanten-Bit, angelegte Tieftemperatur- Experimenten zur elektronischen die beiden Pfeile symboli- forschung nicht möglich Raman-(d. h. Licht-)Streuung sieren die supraleitenden gewesen. Neben zahlreichen wurden wichtige Beiträge zur Ringströme als Basiszustände wissenschaftlichen Ehrungen Identifikation der unkon- des Quanten-Bits. erhielt Walther Meißner 1954 ventionellen (Singulett-d- das Große Verdienstkreuz der Wellen-)Symmetrie der Bundesrepublik Deutschland. Elektronenpaare in den Nach seiner Emeritierung im Hochtemperatur-Supra- Jahre 1952 folgten ihm Heinz leitern geliefert. Maier-Leibnitz, Klaus Andres und Rudolf Gross auf dem Lehrstuhl superflu- In der jüngeren Vergangenheit

der Technischen Hochschule w m i iden Phasen von bildete die Realisierung einer (heute: Technische Universität) flüssigem3 He durchgeführt. geeigneten Hardware für zukünftige München nach. Walther Meißner Ähnlich wie bei der Supraleitung Quanteninformationssysteme einen starb 1974 im Alter von 91 Jahren in Metallen, bei der der elektrische Schwerpunkt der Forschungsar- in München. Widerstand unterhalb der Sprung- beiten am WMI. Es konnte gezeigt temperatur völlig verschwindet, werden, dass sich supraleitende Wissenschaftliche Highlights bedeutet die Suprafluidität einer Quantenschaltkreise bei sehr tiefen Flüssigkeit das reibungsfreie Flie- Temperaturen wie künstliche Atome Am WMI werden bis heute grund- ßen durch engste Strömungskanäle verhalten, mit denen sich nicht legende Tieftemperaturexperimente (Kapillare, Puder etc.). Bemerkens- nur so genannte Quanten-Bits, die durchgeführt, die zu zahlreichen wert ist die niedrige Sprungtem- Grundelemente von Quanteninfor- wichtigen Entdeckungen geführt peratur von nur zwei Tausendstel mationssystemen, sondern auch haben. Zwei von Walther Meißners Kelvin, unterhalb welcher das völlig neuartige quantenoptische Schülern (Robert Doll und Martin Phänomen der Suprafluidität über- Experimente realisieren lassen. Die-

4 8 A k ad emie Aktuell 02/2009 A K A D e m i e n at u r w issenschaften .: wmi/D. einzel bb e A d B e i se neuen Entwicklungen bestätigen siges Helium findet heute in vielen Tieftemperaturforschung. Auch Das Walther-Meißner- die Weitsicht Walther Meißners, Heliumverflüssigungsanlagen Ver- werden am WMI Langzeitprojekte Institut in Garching von der als einer der Ersten die zentrale wendung. durchgeführt, die auf die Optimie- (Süd-)Westen. Bedeutung der Tieftemperaturfor- rung der Techniken und Methoden schung und ihre Rolle als Keimfeld Das Walther-Meißner-Institut zur Erzeugung, Handhabung und für neue Ideen erkannt hat. heute Messung tiefer Temperaturen hinzielen. Ferner beliefert das WMI Technische Entwicklungen Die Tieftemperaturforschung hat den beide Münchner Universitäten mit Höhepunkt ihrer Entwicklung noch flüssigem Helium. Das Walther-Meißner-Institut spielt lange nicht erreicht. Sie ist bis heute nicht nur im wissenschaftlichen, ein hochaktuelles und sehr innova- Das Walther-Meißner-Institut stellt sondern auch im technischen tives Forschungsfeld geblieben, das heute für mehr als 15 Diplomanden und methodischen Bereich eine viele Impulse für benachbarte Diszi- und 20 Doktoranden sowie zahl- führende Rolle in der Tieftempe- plinen liefert. Am WMI wird zurzeit reiche internationale Gäste attraktive raturforschung. Hier wurde unter ein breites Spektrum von interes- Forschungsprojekte und hochmo- anderem erstmals in Deutschland santen Forschungsthemen bearbeitet. derne Arbeitsbedingungen bereit. Es ein 3He/4He-Mischkühler realilsiert, Es schließt Untersuchungen von so ist damit das Akademieinstitut mit mit dem bereits 1969 Tempera- unterschiedlichen Phänomenen ein dem geringsten Durchschnittsalter. turen unter 20 Millikelvin erreicht wie Supraleitung und Suprafluidität Durch zahlreiche Lehrangebote wurden. Im vergangenen Jahrzehnt (DFG-Forschergruppe 538), Magne- werden die physikalischen und tech- lag ein besonderes Augenmerk auf tismus und Spinelektronik (DFG- nischen Grundlagen der Tieftempe- der Entwicklung eines 3He/4He- Schwerpunktprogramme 1157 und raturforschung an eine große Zahl Mischkühlers, bei dem das bisher 1285), mesoskopische Systeme und von Studenten weitergegeben und verwendete flüssige Helium durch Nanotechnologie (Exzellenzcluster dadurch das Erbe Walther Meißners einen so genannten Pulsröhrenküh- Nanosystems Initiative ) lebendig gehalten. ler ersetzt wird. Neben einer Kos- oder festkörperbasierte Quanten-       tenreduktion bietet dieses Konzept informationsverarbeitung, d. h. die enorme Vorteile beim Einsatz in Physik der Quanten-Bits und der Rudolf Gross ist Direktor des abgelegenen Forschungsstandorten darauf aufbauenden Quantencom- Walther-Meißner-Instituts für oder in Entwicklungsländern, wo puter (DFG Sonderforschungsbe- Tieftemperaturforschung der keine Infrastruktur für flüssiges reich 631). Die Einbindung dieser Bayerischen Akademie der Wis- Helium vorhanden ist. Das vom Forschungsarbeiten in verschiedene senschaften. Er hat den Lehrstuhl WMI entwickelte Konzept wird nationale und internationale For- für Technische Physik an der TU bereits in etwa 50 % der weltweit schungsverbünde sowie in Koope- München inne. Dietrich Einzel verkauften 3He/4He-Mischkühler rationen mit industriellen Partnern ist wissenschaftlicher Mitarbeiter eingesetzt. Auch die am WMI belegt den Querschnittscharakter am WMI und Privatdozent an der entwickelte Tauchpumpe für flüs- und die zentrale Bedeutung der TU München.

02/2009 Ak ad emie Aktuell 4 9 a k a d E m i E n at u r w i sse n s c h a f t e n

i n f o r m at i k Stürmische Entwicklung

I nformatik und I n f o r m at i o n s t e c h n i k i m L e i b n i z - r E c h e n z e n t r u m – e i n ä u sse r s t d y n a m i s c h e r A r b e i t ss c h w e r p u n k t d e r A k a d e m i e se i t 1 9 6 2 .

v o n a r n d t b o d e u n d und ein Betriebssystem sowie ein heinz-gerd hegering ALGOL-Compiler entwickelt.

ie Beschäftigung mit Dynamischer Ausbau Theorie und Anwendung Dmathematischer Maschinen Der Ausbau der Aufgaben des LRZ hat eine mehr als 2.000 Jahre wäh- entwickelte sich stürmisch. Auf den rende Geschichte vom Abacus bis Rechner TR4 folgte der Mono- und Der Universalgelehrte Gott- zum heutigen Supercomputer und Doppelprozessor TR440 von AEG- fried Wilhelm Leibniz auf dem Internet. Die Disziplin der In- Telefunken, später verschiedene einem Gemälde von Johann formatik wurde im breiten Umfang Systeme von Control Data (Cyber Friedrich Wentzel d. Ä. in Deutschland erst 1969 durch die 175, Cyber 875, Cyber 990) und in der Berlin-Branden- bundesweite Gründung von ent- ab den 1990er Jahren verschiedene burgischen Akademie der sprechenden Diplomstudiengängen offene UNIX-Systeme auf Basis von

Wissenschaften, um 1700. und die Einrichtung universitärer b b a w Standard-Mikroprozessoren. Lehrstühle etabliert. Freistaat Bayern ein Rechenzentrum Schon seit 1988 wurden im LRZ Die Bayerische Akademie der zu errichten und Forschung auf dem verschiedenste Formen paralleler Wissenschaften befasste sich bereits Gebiet der Informatik zu betreiben. Höchstleistungsrechner als eine sehr früh mit Aufgabenstellungen zusätzliche Klasse von Systemen der Informatik. Ihre Mitglieder Hans Dies war die Geburtsstunde des betrieben, um Nutzern in allen Wis- Piloty (ab 1947) und Robert Sauer Leibniz-Rechenzentrums (LRZ), das senschaftsbereichen die numerische (ab 1950), beide Professoren an der nach dem Mathematiker Gottfried Simulation diskretisierter Experi- Technischen Universität München, Wilhelm Leibniz benannt ist, der mente zu ermöglichen. Beginnend leiteten ab 1952 den Aufbau eines 1673 die erste mechanische Vier- mit dem Vektorrechner Cray-XMP der ersten weltweit verfügbaren Spezies-Rechenmaschine vorstellte. wurden so bis heute zehn verschie- Computer, der PERM („programm- Ab 1964 zunächst unter der Be- dene Rechensysteme angeschafft, gesteuerte elektronische Rechen- zeichnung Akademie-Rechenzent- die beiden letzten, Hitachi SR 8000- anlage München“). rum wurde hier die Rechenanlage F1 und SGI Altix 4700 als nationale TR4 der Firma Telefunken betrieben Höchstleistungsrechner, die bei Geburtsstunde des Beschaffung jeweils zu den zehn Leibniz-Rechenzentrums leistungsfähigsten Rechnern welt- weit, gemessen in der so genannten Die zu geringe Rechenkapazität TOP-500 Liste, zählten. der PERM und die wachsende Be- deutung der digitalen Informations- Seit Mitte der 1970er Jahre ent- verarbeitung in der Bayerischen wickelte sich das LRZ als Kern Akademie der Wissenschaften führ- des Datenfernzugriffsnetzes für ten am 7. März 1962 zur Gründung die Münchner Wissenschaft, an der „Kommission für elektronisches das heute über 70.000 Systeme Portrait von Robert Sauer, Rechnen“, die 1975 zunächst in angeschlossen sind. Hier wie im Präsident der Bayerischen „Kommission für Informationsverar- Bereich aller Dienstleistungen des Akademie der Wissenschaften beitung“, 1990 dann in „Kommis- LRZ entwickeln sich die Quanti- von 1964–1970 und einer der sion für Informatik“ umbenannt wur- täten exponentiell, d. h. spätestens „Väter“ des Leibniz-Rechen- de. Diese Kommission beschloss, alle zwei Jahre verdoppeln sich die

zentrums. mit der Unterstützung durch den b a d w Anzahl angeschlossener Systeme,

5 0 A k a d e m i e A ktuell 02/2009 a k a d E m i E n at u r w i sse n s c h a f t e n

die Rechenleistung und Speicher- kapazität der Computer, die Menge archivierter Daten und die Kapazität der Zugänge zum Internet. Entspre- chend steigt die Anzahl der Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter, sodass das LRZ heute mit ca. 180 Personen zu den größten Wissenschafts-Re- chenzentren Europas zählt. Auch die Leistungsaufnahme der Systeme des LRZ nimmt stetig weiter zu, sodass Der nationale Höchstleis- vor allem unter der Randbedingung tungsrechner SGI Altix 4700 höherer Energiekosten das Thema ging 2006 in Betrieb; nach „Green IT“, also die Erforschung einem Ausbau gehörte er und Implementierung von Methoden 2007 zu den zehn schnellsten zur Energieeffizienz im Rechenbe- Rechnern der Welt; der nächs- trieb, große Bedeutung erhalten hat. te Supercomputer wird 2011

s g i im LRZ in Betrieb gehen. Forschungsgebiete

Unter dem Einfluss der Mitglieder der Kommission für Informatik, vor allem deren Sekretären F. L. Bauer und Christoph Zenger, den Mitgliedern des Direktoriums (F. L. Bauer, Arndt Bode, Helmut Bross, Hans-Joachim Bungartz, Günther Hämmerlin, Heinz-Gerd Hegering, Dieter Kranzlmüller, Klaus Samel- son, Gerhard Seegmüller, Hans-Jür- gen Siegert und Christoph Zenger) und den wissenschaftlichen Leitern Der Neubau des LRZ mit dem des LRZ (Gerhard Seegmüller Rechnerwürfel (links vorne) von 1971–1988, Christoph Zenger wurde am 21. Juli 2006 auf 1988/89, Heinz-Gerd Hegering dem Forschungscampus in

1989–2008 und Arndt Bode seit l r z Garching eingeweiht. 2008) entwickelte sich das LRZ nicht nur als IT-Dienstleistungszent- Erweiterungsbau kommt 2011 Arndt Bode ist seit 2008 Leiter rum mit Münchner, bayerischem, des Leibniz-Rechenzentrums der deutschem und europäischem Der 2006 bezogene Neubau des Bayerischen Akademie der Wis- Auftrag, sondern betreibt in großem LRZ in Garching mit dem spek- senschaften. Er hat den Lehrstuhl Umfang international angesehene takulären Rechnerwürfel ist heute für Rechnertechnik und Rechner- Forschung in den Gebieten schon wieder zu klein. Für den organisation an der TU München • IT-Management komplexer ver- Betrieb des nächsten (europäischen) inne. Heinz-Gerd Hegering war teilter Systeme, Supercomputers, der ab 2011 im von 1989–2008 Leiter des LRZ • Pilotierung neuer Netztechnolo- LRZ als Mitglied des Gauss Centre und hatte den Lehrstuhl für Kom- gien, for Supercomputing mit einer Leis- munikationssysteme und System- • Langzeitarchivierung wissen- tung von einigen 1015 Rechenope- programmierung an der LMU schaftlicher Ergebnisse, rationen pro Sekunde (PetaFLoPs) München inne. Er ist Vorstands- • Wissenschaftliches Rechnen, arbeiten wird, ist bereits ein Erwei- vorsitzender des Gauss Centre for numerische Simulation verschie- terungsbau in Planung, der sicher- Supercomputing. dener Methoden zur Nutzung stellt, dass das LRZ seine Stellung paralleler Rechenarchitekturen, als weltweites Spitzenrechenzent- Algorithmenentwicklung rum weiter ausbaut. • Grid Computing.      

0 2 / 2 0 0 9 A k a d e m i e A k t u e l l 5 1 A K a d e m i e naturwissenschaften

angewandte wissenschaften Technikwissenschaften

Vom Polytechnischen Kabinett des 19. jahrhunderts zum „ b a d w F o r u m T echnologie“: die T e c h n i k wissenschaften an der a K a d e m i e .

von gottfried sachs Pettenkofer. Mit den genannten Das Forum Technologie Akademiemitgliedern sind auch ie Naturwissenschaften bedeutsame Entwicklungen und Einen Schwerpunkt technikwissen- spielten in der Bayerischen Erfindungen verbunden. In diesem schaftlicher Art bildet der Ständige DAkademie der Wissen- Zusammenhang ist ferner die Ausschuss Ingenieur- und Ange- schaften von Anfang an eine Rolle. Einrichtung einer Polytechnischen wandte Naturwissenschaften mit der deutsches museum Stellungnahmen zu technischen Sektion in der Akademie, die über Bezeichnung „BAdW Forum Tech- Fragestellungen waren in den ersten die Gründung einer technischen nologie“, der im Jahre 2003 gegrün- Jahrzehnten nach der Gründung der Lehranstalt beraten sollte, sowie det wurde. Wie in der Beschreibung Akademie 1759 recht häufig. Die die 1827 erfolgte Gründung eines des Forums ausgeführt, werden Technikwissenschaften erlebten im Polytechnischen Zentralinstituts in die Technikwissenschaften in der Laufe der Zeit Höhen und Tie- München erwähnenswert, aus dem Bayerischen Akademie als fächer- fen: Phasen, in denen natur- und die heutige Technische Universität übergreifend angesehen und sind technikwissenschaftliche Fragen ein hervorging. Eine ausführlichere daher nicht durch eine eigenstän- stärkeres Gewicht hatten, folgten Darstellung zu diesen Themen fin- dige Klasse vertreten. Sie werden solche mit reduzierten Aktivitäten. det sich in dem Ausstellungskatalog vielmehr durch den multidisziplinär Apparat zur Demonstration So nahmen die Naturwissenschaften „Wissenswelten“, der zum 250- ausgerichteten Ausschuss „Forum des Reflexionsgesetzes beim in der Zeit von 1807 bis 1827 jährigen Jubiläum der Akademie Technologie“ repräsentiert, dem Stoß nach Nollet; das Objekt einen großen Aufschwung an der erschienen ist. Physiker, Mathematiker, Chemiker, war Teil des Polytechnischen Akademie. Demgegenüber verschob Informatiker und Ingenieure sowie Kabinetts. Die umfangreiche sich zwischen 1827 und 1945 der Heutige Aktivitäten Mediziner und Sozialpsychologen Instrumentensammlung von Schwerpunkt der Forschungen zu angehören. mehr als 2.000 Objekten den Geisteswissenschaften. Heute sind die Technikwissen- schenkte die Akademie 1903 schaften institutionell in unter- Das Forum sieht es als eine wich- dem neu gegründeten Deut- Projekte des 19. Jahrhunderts schiedlicher Weise an der Akademie tige Aufgabe an, den in der Aka- schen Museum für dessen verankert. Sie haben entsprechend demie vorhandenen Sachverstand Dauerausstellung. Naturwissenschaftliche Fragen wur- dem generell zunehmenden Gewicht zu nutzen, um die Gesellschaft den von einzelnen Personen, in Ar- dieses Fächerbereichs insbesondere über aktuelle Themen der Technik beitsgruppen und in Einrichtungen, in jüngster Zeit auch hier an Bedeu- zu informieren. Mit dieser Art die in Verbindung zur Akademie tung gewonnen. von aufklärenden Veranstaltungen standen, behandelt. Projekte entstan- nimmt die Akademie – wie in ihrer den aus der Akademie heraus oder Satzung festgelegt – eine öffent- wurden vom Staat an sie herange- liche Aufgabe wahr, die sie auch in tragen. Bereits seit ihrer Gründung den ersten Jahren nach ihrer Grün- sammelte die Akademie selbst tech- dung betrieben hat, als sie zu den nische Instrumente zu Anschauungs- praktisch-technologischen Proble- und Lehrzwecken, im Jahr 1807 men Bayerns in der damaligen Zeit wurde ihr auch das Polytechnische Stellung nahm. Kabinett des Staates unterstellt. 1851 entstand als erste Akademiekom- Der Ausschuss veranstaltet in der Die Navigation (im Bild das mission überhaupt die Naturwissen- Akademie öffentliche Informations- Europäische Satelliten- schaftlich-technische Kommission. und Diskussionsforen über Themen navigationssystem GALILEO) Für diese Einrichtungen wirkten von gleichermaßen wissenschaft- war Thema des letzten so bekannte Personen wie Baader, lichem wie allgemeinem Interesse. Symposiums im BAdW Forum Fraunhofer, Imhof und Reichenbach Beispiele für bisherige Symposien,

Technologie im Mai 2009. bzw. Kobell, Liebig, Ohm und e s a die einen großen Anklang fanden,

5 2 A k a d e m i e A ktuell 02/2009 A K a d e m i e naturwissenschaften

sind „Mobilfunk: Fakten, Nutzen, Ängste“, „Perspektiven der Ener- giewirtschaft“ oder „Medizintech- nik – Möglichkeiten und Grenzen“.

Mit diesen Symposien und ähnlichen Veranstaltungen verfolgt das BAdW Forum Technologie mehrere Ziele: Technik und angewandten Natur- wissenschaften in den Grundlagen verständlich zu vermitteln, das Technikvertrauen zu stärken und zugleich Technikfeindlichkeit abzu- me zeigt sich, dass eng verwandte Brain and Mind“ in Großhadern/ EyeSeeCam (links) ist eine bauen, Technikgrenzen aufzuzeich- Gesetzmäßigkeiten bestehen. Bio- Martinsried, das darauf abzielt, die blickgesteuerte Kamera aus nen, Kunden und Nutzern Technik logische Prinzipien inspirieren Neurowissenschaften im Raum vier einzelnen Kameras. verständlich zu machen, Technikbera- technische Konzeptionen wie auch München zu vernetzen und die tradi- Die zwei seitlichen Hochge- tung für Ministerien und Abgeordnete mathematische bzw. systemtheore- tionellen Grenzen zwischen Natur-, schwindigkeitskameras mes- – soweit gewünscht – durchzuführen tische Modellbildungen essenziell Geistes- und Sozialwissenschaften sen die Augenbewegungen. und das Technikverständnis bei Mul- für das Verständnis biologischer zu überwinden. Das sensomotorische Signal tiplikatoren wie Medienvertretern, Funktionen sind. Daher kann ein nutzt EyeSeeCam, um die Gymnasiallehrern und Dozenten der interdisziplinärer Ansatz, bei dem Höchstleistungsrechnen obere mittlere Kamera exakt Erwachsenenbildung zu stärken. Technik, Medizin und Industrie zu- auf das Blickziel auszurichten. sammenwirken, Brücken zwischen Ein weiterer Bereich der Akademie Dieses Blickbild erscheint wie Das Forum Technologie ist auch Struktur und Funktion, Biologie ist für die Technikwissenschaften mit einer Lupe im Bild der bestrebt, junge Menschen gezielt an und Modell, Medizin und Technik von Bedeutung: die Kommission unteren Kamera eingeblen- die behandelten Themen heranzu- schlagen. Die Kommission hat sich für Informatik und das Leibniz- det. Diese vierte Kamera ist führen. Mit externer finanzieller zum Ziel gesetzt, die vorhandenen Rechenzentrum (LRZ). Das LRZ nicht beweglich. Sie bildet die Unterstützung werden regelmäßig Forschungskräfte zusammenzufüh- (s. S. 50–51), eines der bedeutends- gesamte Szene ab. Rechts ist ausgewählte Oberstufenschüler aus ren und zu fördern. ten technisch-wissenschaftlichen das Ergebnis zu sehen: Das ganz Bayern zu den Symposien des Rechenzentren europaweit, ist Blickziel bleibt selbst bei einer Forums eingeladen. Im Rahmen Erste Aktion der Kommission war Kompetenzzentrum für technisch- Kopfbewegung scharf abge- eines größeren Besuchsprogramms eine öffentliche Vortragsveran- wissenschaftliches Höchstleistungs- bildet (oben), während das können sie auch weitere wissen- staltung mit Demonstration und rechnen. Es ist nationales „Super- kopffeste Bild der Szenenka- schaftliche Einrichtungen in Mün- Ausstellung im Jahr 2002 in den computing Centre“ und Teil des mera verwackelt ist (unten). chen und Umgebung besuchen, die Räumen der Residenz. Außerdem „Gauss Centre for Supercomputing“. für sie von Interesse sind. begleitete sie den Antrag bei der Der Höchstleistungsrechner bietet Bayerischen Forschungsstiftung auf hervorragende Möglichkeiten, Neurowissenschaften den Forschungsverbund FORBIAS anspruchsvolle Aufgaben in den und Sensomotorik „Bioanaloge Sensomotorische Assis- Technikwissenschaften zu lösen. Literaturhinweise tenz“. Der Forschungsverbund leitet Dementsprechend groß ist auch Eine weitere Einrichtung, in der die aus der genauen Analyse des bio- seine Nutzung, insbesondere auf Dietmar Willoweit (Hrsg.), Technikwissenschaften an der Akade- logischen Systems neue Prinzipien den Gebieten der Fluiddynamik, Wissenswelten. Die mie institutionell eine Rolle spielen, für technische Anwendungen ab. der Hochenergie-, Festkörper- und Bayerische Akademie der ist die Kommission „Neurowissen- Thematische Anwendungsszenarien Astrophysik sowie der Chemie. Wissenschaften und die schaften: Sensomotorik bei Mensch sind die Entwicklung einer blick-       wissenschaftlichen Samm- und Maschine“, die 2001 gegründet gesteuerten Kopfkamera und einer lungen Bayerns, München wurde. Für die Sensomotorik ist es Fahrzeugkamera mit technischem Der Autor ist Sekretar der Mathe- 2009, 351 S., zahlr. Abb., von zentraler Bedeutung, wie Sinnes- Gleichgewichtssensor. matisch-naturwissenschaftlichen 1 DVD, 19,80 Euro. informationen von Augen, Gleichge- Klasse, Vorsitzender der Kom- wicht, Haut und Muskeln detektiert, Die Kommission trug 2006 ferner mission für Geowissenschaftliche Mehrere Katalogbeiträge interpretiert sowie aufgaben- und zum Aufbau eines bayerischen For- Hochdruckforschung und Mitglied behandeln die Technik- zielgerichtet in motorische Aktivität schungszentrums für Neurowissen- des BAdW Forums Technologie. wissenschaften. Der Kata- umgesetzt werden. Im Hinblick schaften bei: Im Rahmen der Förde- Er ist ehem. Ordinarius für Flug- log ist in der Akademie- auf die sensomotorische Steuerung rung LMU Innovativ entstand das mechanik und Flugregelung an verwaltung erhältlich. biologischer und technischer Syste- „Munich Center for Neuroscience – der TU München.

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langzeitbeobachtung Unsere Umwelt im Blick

G letscher- und G ebirgsforschung, G e o m o r p h o l o g i e u n d Ö k o l o g i e : D i e U mweltwissenschaften an der A k a d e m i e .

Der Vernagtferner

Durch die Wiederholung der genauen Kartierungen im Ab- stand von Jahrzehnten, maßgeb- lich weiterverfolgt durch seinen Sohn Richard Finsterwalder, den Begründer der Kommission für Glaziologie, konnten in der Folge die Volumendifferenzen von einem guten Dutzend Gletscher bestimmt werden (Abb. 2). So hat sich die Oberfläche des Vernagtferners bis Ende der 1960er Jahre im Mittel über den Gesamtgletscher zwischen i e g 21 und 30 cm jährlich gesenkt, in den 1970er Jahre kam es im Schnitt zu einer Aufhöhung von 29 cm, und in den letzten drei Jahrzehnten verlor er dann im Schnitt 50 bis

Kommissiondeutlich für Glaziolo über 100 cm jährlich an Höhe. Um diese Veränderungen Abb. 1: Die Pegel- v o n L u d w i g B r a u n , geisterter Bergsteiger, mithilfe der zeitlich besser aufgelöst zu doku- station Vernagtbach in H o r s t H a g e d o r n , von ihm entwickelten Photogramme- mentieren, wurden ab 1964 die den Ötztaler Alpen. E va S a m u e l - E c k e r l e trie die Oberflächengeometrie des Abschmelzraten jährlich mittels u n d c l audia deige l e Vernagtferners und weiterer Gletscher etwa 40 Pegelstangen, welche in den Ostalpen mit hoher Präzision über den Gletscher verteilt im Eis chleichende Umweltverände- zu bestimmen. Damit legte er den eingebohrt werden, direkt „glazi- rungen können nur durch Grundstein für die „Münchner Schule ologisch“ bestimmt. Leiter dieses Ssorgfältige Langzeitbeobach- der alpinen Gletscherforschung“. Programms war Oskar Reinwarth, tungen entdeckt und quantifiziert werden, wie sie beispielhaft die im Jahre 1962 ins Leben gerufene Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissen- schaften durchführt. Den aufmerk- Abb. 2: Geodätisch bestimm- samen Naturbeobachtern waren die te mittlere Volumenände- Vorstöße und das Zurückschmelzen rungen (rot = negative, blau der Gletscher schon seit Jahrhun- = positive Veränderung) von derten aufgefallen, es fehlten aber i e 15 ausgewählten Ostalpen- harte Fakten, welche es erlaubten, g gletschern, Beispiel eines Um- diese Veränderungen mit klimati- weltmonitorings, basierend schen Begebenheiten in Bezug zu auf der „Münchner Schule der setzen. Gegen Ende des 19. Jahrhun- Gletscherforschung“ mittels derts gelang es Sebastian Finster-

Photogrammetrie. walder, Akademiemitglied und be- Kommission für Glaziolo

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der bis zu seiner Pensionierung • Messung und Analyse aller Ener- im Jahr 1994 der Kommission als giebilanzterme über Gletschereis Organisatorischer Leiter vorstand, und an der Pegelstation Vernagt- gefolgt von Dr. Ludwig Braun, der bach als Grundlage zur Inter- seit September 1994 die Geschäfte pretation der kontinuierlichen der Kommission führt. Ablationsmessungen auf dem Gletscher (Detektion der anthro- Messung der Abflussmengen pogenen Faktoren im Klimasignal „Energiebilanz“). i e 1973 begannen im Rahmen eines • Modellierung des Schneeauf- g 12-jährigen DFG-Projektes (SFB und Schneeabbaus sowie der l a z i o l o 81: „Abfluss in und von Glet- Gletscherschmelze inklusive der g schern“) auch die Messungen der Ausdehnung der vergletscherten Wasserabflussmengen des Glet- Bereiche als Grundlage für wis- ommission für schers. Aufgrund der administra- senschaftlich fundierte Klima- k tiven Vorarbeiten von Julius Büdel, folgen-Forschung. der die Kommission von 1965 bis • Arbeiten in der vergleichenden Klimaszenarien abgeschätzten Abb. 3: Komponenten des 1983 als Sekretär geleitet hatte, Hochgebirgsforschung, z. B. der hydrologischen Klimafolgen für die Wasserhaushaltes im Ein- konnte die Kommission dieses Vergleich zwischen Alpen, Zen- Hochgebirge und deren Umländer zugsgebiet Vernagtbach hydrologisch-meteorologische tralasien und Hindukusch-Hima- in der Realität zu überprüfen. (11,4 km², Vergletscherung Messprogramm ab 1985 in eigener laja in Bezug auf die Reaktion aktuell 75 %) mit ausgegli- Regie weiterführen und ausbauen. von vergletscherten Gebieten auf Die Gestalt der Erde chenem Gletschermassen- Für das Programm war zu Beginn Klimaänderungen. Dabei werden haushalt (Gletscherspende des SFB-Projektes die von der die in den Alpen bewährten Me- Gemeinsam mit den in der Baye- +/- 300 mm) zu Beginn der DFG finanzierte Pegelstation am thoden in weniger gut erforschten rischen Akademie tätigen Geo- Messreihe und stark nega- Vernagtbach in 2.640 m Höhe Hochgebirgsregionen angewandt wissenschaftlern stellte der lang- tiven Werten am Ende der ü.N.N. gebaut worden (Abb. 1), bei (z. B. in Kooperation mit dem jährige Sekretär der Kommission Messreihe (-1.600 mm im Jahr der auch ein umfangreiches mete- GFZ Potsdam, der Universität für Glaziologie Julius Büdel im 2002/03). Durch das Aufzeh- orologisches Messnetz im Bereich Mailand etc.). Sommer 1975 den Antrag, eine ren der Eisrücklage haben sich der Station und auf dem Gletscher • Übernahme der viel verspre- Kommission für Geomorphologie die Abflüsse stetig erhöht, eingerichtet wurde. Dank dieser chenden Ansätze in der Polar- zu gründen. Dem Antrag wurde am mit einem Maximum von umfassenden Datenerhebung kann forschung (z. B. Wostok-See- 12. Dezember 1975 stattgegeben. 3.400 mm im Jahr 2002/03, der Wasserhaushalt des hochalpinen DFG-Projekt in der Antarktis) Zur Begründung hatten die Antrag- wo ca. die Hälfte des Ab- Einzugsgebietes bis heute bestimmt in Kooperation mit dem Alfred- steller die Bedeutung des Reliefs flusses vom Niederschlag und und mit den klimatischen Verhält- Wegener-Institut Bremerhaven für die menschliche Nutzung und die andere Hälfte vom Abbau nissen in Bezug gebracht werden und anderen Instituten. als Basis für viele geowissenschaft- der Eisrücklage stammt. (Abb. 3). Daraus geht hervor, dass • Zusammenarbeit mit den geodä- liche Fragen herausgestellt. Das sich die Niederschlagsverhältnisse tischen Forschungsinstitutionen Arbeitsprogramm wurde auf einer in den letzten vier Dekaden nicht in München im Bereich der Mas- Sitzung im April 1976 in Nörd- wesentlich verändert haben, dass senveränderungen der Kryosphä- lingen festgelegt. sich hingegen die Abflüsse aus dem re (Eis, Schnee und Permafrost). bis zu 80 % vergletscherten Gebiet Geomorphologische Projekte durch Aufzehren der Eisreserven Um den „Fußabdruck“ des aktuell wesentlich erhöht haben. Hätte man beobachteten Klimawandels wei- Ein großes Anliegen waren seit am Ende der DFG-Förderung die terhin zu erfassen und die zu Beginn der Arbeiten Forschungen Messungen eingestellt, wären die Grunde liegenden Prozesse besser zur Entstehung und traditionellen starken Veränderungen der letzten zu verstehen, ist es vordringlich, Weiterbildung von Rumpfflächen, 25 Jahre nicht im Detail bekannt. das Projekt „Gletscherforschung“ die im Formenbild der Erde eine gezielt weiterzuführen, obschon große Rolle spielen. Da diese Ausblick und Kooperationen der Wissenschaftsrat die Terminie- in Mitteleuropa nur als fossile rung aller naturwissenschaftlichen Reliefgenerationen auftreten, Zu den aktuellen und zukünftigen Langzeitprojekte im Rahmen des sollten sie in bestimmten Vorzugs- Herausforderungen der Kom- Akademieprogramms im Jahr räumen in den Tropen, von Büdel mission gehören Forschungen in 2012 gefordert hatte. Nur so wird als „Versuchsanordnungen der folgenden Bereichen: die Basis geschaffen, die mittels Natur“ benannt, untersucht werden.

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Einige Mitglieder der Kommission Drittmitteln finanzierte Forschungs- Bände erschienen sind. Es handelt konnten so in den folgenden Jahren vorhaben durchführen. Die Kom- sich dabei überwiegend um Mono- erhebliche Fortschritte in der Lösung mission fördert den Erfahrungsaus- graphien, die zumeist aus Habilita- vieler mit der Rumpfflächengenese tausch, initiiert neue Projekte und tionsschriften hervorgegangen sind. aufgetretenen Probleme erzielen. regt Diskussionen über Stand und Jede Arbeit hat mehreren Gutach- Dabei griffen sie neben Themen der Fortschritt der Geomorphologie an. tern vorgelegen, was zur Quali- Grundlagenforschung auch solche Sie arbeitet eng mit internationalen tätssicherung der Reihe wesentlich der angewandten Forschung auf, Gruppierungen zusammen und beiträgt. z. B. den Anbau auf nährstoffarmen bringt dabei Erfahrungen und Ideen Tropenböden oder die Vermeidung aus der Arbeit der Kommission ein. Gebirgsforschung von Hangrutschungen und exzes- Ein weiterer wichtiger Arbeits- siver Erosion. bereich ist die Durchführung von Als Ergänzung zu den beiden Kom- Symposien über aktuelle und/oder missionen wurde 2001 die heutige Ein weiteres in Nördlingen be- ihr wichtig erscheinende Themen. Kommission für Gebirgsforschung schlossenes Arbeitsthema betrifft Das in der Forschung etwas in als klassenübergreifendes, inter- die Bildung von Gebirgsfußflächen den Hintergrund getretene Thema disziplinär ausgerichtetes Wissen- (Abb. 4), die auch heute noch ein „Permafrost“ stand im Mittelpunkt schaftliches Komitee gegründet. Ihr Schwerpunkt der internationalen des letzten Symposiums, das zeigte, Ziel ist es, innerhalb der Akademie Diskussion der Geomorphologen ist. dass auf diesem Gebiet mittlerweile eine fächerübergreifende Betrach- Wichtige Aspekte sind hierbei das erhebliche Forschungsfortschritte tungsweise von Themen der Ge- Alter, die erzeugenden Prozesse und gemacht wurden. Auch die Ge- birgsforschung anzuregen. 2001 die diese steuernden Klimabedin- fährdung von Infrastruktur durch war die Akademie bereits seit zwei gungen; letztere sind gegenwärtig Hangabstürze in den Gebirgen kam Jahren Mitglied im ISCAR (Inter- auch ein wichtiger Diskussionspunkt zur Sprache. Die Veranstaltungen national Committee for Alpine Re- beim erwarteten Klimawandel. Ein finden durchwegs ein großes Echo search), einem Zusammenschluss weiterer Schwerpunkt der Kommis- und wirken befruchtend auf die von Wissenschaftsakademien und sionsarbeit liegt in der geomorpholo- Forschung. nationalen Gebirgsforschungsins- gischen Eiszeitforschung. tituten der Alpenländer, dessen Abb. 4: In Zerschneidung Publikationsreihe Aufgabe es u. a. ist, die Kontinuität befindliche Rumpffläche mit Das Arbeitsprogramm der Kommis- und die wissenschaftliche Qualität von den Rahmenhöhen sion tragen die Mitglieder, die in Die Kommission gibt ferner die des alle zwei Jahre stattfindenden auflagernden Gebirgsfuß- ihren Instituten in eigener Ver- Schriftenreihe „Relief Boden Pa- „AlpenForums“ zu sichern. 2010 flächen, Namibia. antwortung und überwiegend mit läoklima“ heraus, in der bereits 23 wird das AlpenForum unter dem Motto „Die Alpen und ihre Metro- polen“ in der Bayerischen Akade- mie der Wissenschaften stattfinden. Damit wird auch auf die Mitglieder der Kommission für Gebirgsfor- schung eine beratende Funktion bei der wissenschaftlichen Organisation der Veranstaltung zukommen.

Interdisziplinäre Frage- stellungen der Ökologie

Eine etwas andere Struktur und Arbeitsweise als die vorgestellten e r l e k

c Kommissionen für Glaziologie E und für Geomorphologie zeichnet a m u e l - S die Kommission für Ökologie aus. . E Sie wurde 1986, nicht zuletzt auf

e d o r n / Wunsch des damaligen Bayerischen g a H

. Staatsministeriums für Landesent- H wicklung und Umweltfragen unter r c h i v :

A Staatsminister Alfred Dick, ins

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Leben gerufen. Um ihre Bildung Erkennen von ökologischen Proble- vorzubereiten, war in der Sitzung men. All dies sind Aufgaben von der Mathematisch-naturwissen- längerer Dauer, die nicht kurzfristig schaftlichen Klasse vom 14. Juni in Projektform zu erledigen sind.“ 1985 eine Besprechungsgruppe Auf ihrer zweiten Sitzung im Feb- eingesetzt worden, der folgende ruar 1987 erklärten die Mitglieder Mitglieder angehörten: Hubert zur Hauptaufgabe der Kommission, Ziegler (Botanik), Klaus Betke „im interdisziplinären Bereich der (Medizin), Horst Hagedorn (Geo- Ökologie Anregungen zu geben, um graphie), Otto Kandler (Botanik, Spezialisten zusammenzubringen, Mikrobiologie), Otto L. Lange die sonst keinen Kontakt haben, (Botanik), Gerhard Neuweiler (Zo- durch Rundgespräche oder Sympo- ologie), Heinrich Nöth (Chemie) sien“. Mit diesen Rundgesprächen etliche von ihnen wurden in den Abb. 5: Vielfalt ökologischer und Dietrich Schneider (Zoologie). werden seither aktuelle oder voraus- früheren Heften von „Akademie Themen: Beispiele für die Als weitere Mitglieder der neu zu sichtlich künftig aktuell werdende Aktuell“ näher vorgestellt. Berichtsbände der Kommis- gründenden Kommission schlug die ökologische Themen aufgegriffen, sion für Ökologie (hier die Besprechungsgruppe vor: Dietrich unter möglichst vielfältigen As- Zusätzlich zu dieser Veranstaltungs- Bände 2, 19, und 35 aus den Herm (Geologie, Paläontologie), pekten behandelt und, falls möglich, reihe wurde 1988 eine Fachtagung Jahren 1991, 2000 und 2009). Wolfgang Haber (Landschafts- Lösungsvorschläge für Probleme mit begleitender Exkursion zum ökologie), Karl Eugen Rehfuess aufgezeigt bzw. Empfehlungen für Thema „Zustand und Entwicklung (Forstwissenschaften) und Udo künftiges Handeln abgegeben. des Bergwaldes“ durchgeführt (Heft Schwertmann (Bodenkunde). Die 40 der Reihe „Forstwissenschaftliche Kommission war also von Anfang Publikation Forschungen“, Verlag Paul Parey) an interdisziplinär ausgerichtet; der Rundgespräche sowie 1990, gemeinsam mit dem zum Vorsitzenden wurde der Zoolo- Bayerischen Staatsministerium für ge Gerhard Neuweiler gewählt. Auf Das erste Rundgespräch mit dem Landesentwicklung und Umweltfra- Vorschlag der Besprechungsgruppe Titel „Welche Natur wollen wir gen zu dessen 20-jährigem Bestehen, sollte „Ökologie in diesem Zu- schützen?“ fand am 10. und 11. das Symposium „Mensch und Natur, sammenhang nicht nur im engeren Juni 1988 statt. In zwei Vorträgen Lebensraum und Technik“ (Verlag biologischen Sinne verstanden wer- und 14 Kurzreferaten wurde diese Pfeil). 1993 und 2005 verfasste die den, sondern auch die Einflüsse des bis heute aktuelle Fragestellung Kommission Stellungnahmen zum Menschen auf Natur, Mitmensch aus unterschiedlichen Blickwin- Zustand und zur Gefährdung der und Kulturgüter umfassen“. keln, von der Vegetations- und Na- Wälder sowie zur Praxis der Wald- turschutzforschung, über Städtebau zustandserhebung. Austausch, Diskussion, und Architektur hin zu Wirtschafts- Beratung wissenschaft und Umweltpolitik, In der Kommission wirken derzeit behandelt. Seitdem finden die 20 Mitglieder aus den Bereichen Zu den Aufgaben und Zielen der Rundgespräche der Kommission Botanik, Zoologie, Mykologie und Kommission schreibt der damalige für Ökologie ein- bis zweimal Mikrobiologie, Landschaftsökolo- Akademiepräsident Arnulf Schlüter jährlich statt, das vorerst letzte am gie und Bodenkunde, Land- und im Januar 1987 an das Bayerische 23. März 2009 zum Thema „Öko- Forstwirtschaft, Geografie, Geolo- Staatsministerium für Wissenschaft logische Rolle von Pilzen“. Da die gie und Paläontologie, Ingenieur- und Kunst: „Bei den Planungsar- Tagungen aus organisatorischen wissenschaften, Chemie, Medizin beiten hat sich ergeben, dass diese Gründen nur einer begrenzten An- und Psychologie. 1988 übernahm Ludwig Braun ist Organisa- Kommission … nirgendwo besser zahl eingeladener Gäste zugänglich der Botaniker Hubert Ziegler den torischer Leiter, Eva Samuel- angesiedelt werden konnte als bei sind, werden alle Vorträge und Vorsitz der Kommission; er prägte Eckerle ist Mitarbeiterin der der Akademie, in der alle in Frage Diskussionsbeiträge in der Reihe entscheidend die Arbeitsweise der Kommission für Glaziologie. kommenden Fachrichtungen vertre- „Rundgespräche der Kommission Kommission und leitete sie äußerst Horst Hagedorn ist Vor- ten sind. … Zu den Aufgaben der für Ökologie“ publiziert (Hrsg. erfolgreich über 20 Jahre. Seit Janu- sitzender der Kommissionen Kommission gehören u.a. die wis- Bayerische Akademie der Wissen- ar 2009 hat der Mikrobiologe Karl für Glaziologie, für Geo- senschaftliche Beratung der Baye- schaften, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, Stetter den Vorsitz inne. Unterstützt morphologie sowie für Ge- rischen Staatsregierung in Fragen München); mittlerweile sind 35 wird die Kommission seit 1988 von birgsforschung. Claudia der Ökologie, die Förderung der Bände erschienen. Die Abbildung 5 einer wissenschaftlichen Mitarbei- Deigele ist wissenschaftliche wissenschaftlichen Fundierung des gibt einen Eindruck über die Spann- terin in Teilzeit. Sekretärin der Kommission Umweltschutzes und das frühzeitige breite der behandelten Themen;       für Ökologie.

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geowissenschaften Geographische Finsternisse ver- treiben

D a s S y s t e m e r d e: Langzeit- un d G r u n dl a g e n - forschung in d e r G e o d ä s i e u n d d e n E r d wissenschaften an d e r B ay e r i s c h e n A k a d e m i e d e r W i s s e n s c h a f t e n .

v o n R e i n h a r d R u m m e l , Teilnahme an der Mittel- H e r m a n n d R e w e s , europäischen Gradmessung H a n s K e p p l e r u n d C h r i s t o f V ö l k s e n Die geodätischen Arbeiten wurden beträchtlich intensiviert, als die ominikus von Linprun Akademie 1867 an der von J. J. (1714–1787), Gründungs- Baeyer, preußischer General und Dmitglied der Bayerischen 1868 Ehrenmitglied der Akade- Akademie und erster Direktor der mie, initiierten Mitteleuropäischen Philosophischen Klasse, schrieb Gradmessung teilnahm. Aus ihr 1764, dass der prominente fran- entwickelten sich die Europäische zösische Astronom und Geodät Gradmessung und schließlich die César Cassini de Thury – 1761 Internationale Erdmessung. Ehrenmitglied der Akademie – den Anstoß gab, Bayern trigonomet- Die älteste naturwissen- risch zu vermessen „um hier- schaftliche Kommission durch diejenigen geographischen Finsternisse zu vertreiben, die … Nach anfänglichem Zögern schloss über diesen Theil von Deutschland sich die Akademie dem Vorhaben noch herrschen sollen“ (M. Kneißl, an und gründete am 1. März 1868 Geodäsie, in: Geist und Gestalt, die Königlich Bayerische Kommis- Bd. 2, S. 53–61, 1959). So wurden sion für die Europäische Grad- geodätische Vorhaben von der messung, die heutige Bayerische ersten Stunde an fester Bestandteil Kommission für die Internatio- der wissenschaftlichen Arbeiten nale Erdmessung (BEK). Sie ist der Akademie, und aus den Werk- die älteste bis heute bestehende stätten der Akademiemitglieder Kommission der Mathematisch- Fraunhofer und Reichenbach naturwissenschaftlichen Klasse, kamen herausragende Messins- Carl Max von Bauernfeind war ihr trumente für die astronomischen erster Ständiger Sekretär. lung des Nivellements war auch und geodätischen Aufgaben. Erster aus heutiger Sicht sehr modern, Höhepunkt dieser Entwicklung Ihre astronomisch-geodätischen nämlich der Vergleich der mittle- war Soldners Landesaufnahme von Arbeiten zur Bestimmung der Erd- ren Wasserstände aller an Europa Bayern. Über dieses Werk schreibt figur und ihr Beitrag zum Aufbau angrenzenden Meere. 1841 die Royal Geographical eines europäischen Nivellements Society zu London: „the Cadastral machten sie zum wichtigsten Part- Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Map of Bavaria as probably the ner dieser preußischen Initiative. die deutsche Geodäsie aus den in- most perfect ever attempted“. Die wissenschaftliche Zielstel- ternationalen Aktivitäten verbannt,

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Engagement von Max Kneißl Verständnis physikalischer Zusam- menhänge. Wesentlich beteiligt an Nach dem Zweiten Weltkrieg drohte der Entwicklung waren experimen- eine noch größere Isolation. Durch telle Methoden. Der größte Teil des die Teilung Deutschlands war der Erdinnern ist direkter Beobachtung Zugang zum preußischen Geo- nicht zugänglich. Nur durch Ver- dätischen Institut, der nationalen gleich geophysikalischer Mes- geodätischen Forschungsstätte auf sungen mit Untersuchungen von dem Telegraphenberg in Potsdam, Materialeigenschaften unter hohem verwehrt. Es entstand unter dem Druck und hoher Temperatur kann Dach der Akademie die Deutsche man den Aufbau und die Dyna- Geodätische Kommission und unter mik des Erdinnern verstehen. Der ihr 1952 als neues wissenschaft- gesamte Druck- und Temperaturbe- liches Zentrum das Deutsche Geo- reich des Erdinnern ist mittlerweile dätische Forschungsinstitut (DGFI). experimentell zugänglich, und viele Dies war das große Verdienst von Prozesse, die im tiefen Erdinnern Max Kneißl, dem es auch gelang, ablaufen, lassen sich im Labor die deutsche Geodäsie in die simulieren (Abb. 2). So bedient sich Abb. 1: Gründungsurkunde internationale wissenschaftliche zum Beispiel die seismische Tomo- der Bayerischen Kommission Gemeinschaft zurückzuführen. graphie der Erkenntnisse dieser für die Internationale Erdmes- experimentellen Forschung. sung, 1. März 1868, unter- Moderne Satellitengeodäsie zeichnet von Kultusminister Das Bayerische Geoinstitut Franz von Greßner. Der Text Die Arbeiten der BEK und des lautet: „Auf den gutachter- DGFI zur europäischen Triangula- Die Bayerische Akademie der Wis- lichen Bericht vom 27. v. Mts. tion und zum europäischen Nivel- senschaften hat früh die Bedeutung bezeichneten Betreffs und zur lement und Schwerenetz gelten als experimenteller Methoden für die Erleichterung und Abkürzung wegweisend. Sehr früh erkannte modernen Geowissenschaften er- der Geschäftsbehandlung man auch die großartigen Möglich- kannt. Das Bayerische Forschungs- wird genehmigt, daß die auf keiten, die sich der Geodäsie durch institut für Experimentelle Geo- die Angelegenheiten der die Verwendung von Satelliten auf- chemie und Geophysik (Baye- europäischen Gradmessung taten. Schon in den 1960er Jahren risches Geoinstitut) wurde 1986 in bezüglichen Geschäfte und entstand das europäische Satel- Bayreuth gegründet. Es ist mitt- amtlichen Verhandlungen litentriangulationsnetz WEST, mit lerweile auf dem Gebiet der expe- fortan von der hiefür bei BEK und DGFI als Rechenzentrum. rimentellen Geowissenschaften die der k. Akademie der Wis- Der Akademie gelang also sehr führende Einrichtung in Europa und senschaften bestehenden umfassend, die „geographischen eine der drei führenden Institutio- Commission von Fachmän- Finsternisse“ nicht nur aus Bayern nen weltweit. Die Akademie un- nern ohne Einvernehmung zu vertreiben. terstützt und berät das Institut seit der mathematisch-physika- seiner Gründung ständig durch eine lischen Klasse vorgenommen Im Erdinnern wissenschaftliche Kommission. werden und daß in solcher Weise schon bei Entwerfung Wie steht es jedoch um das Innere Aktuelle Forschungsergebnisse der Geschäftsinstruction für unseres Planeten, das sich direkter die Commission und ihre Mit-

b e k Beobachtung entzieht? Die Geo- Die Eigenschaften von Substanzen glieder verfahren werde.“ wissenschaften haben sich in den unter hohem Druck und hoher Tem- trotz ihrer führenden Stellung. Die letzten Jahrzehnten grundlegend peratur sind oft sehr verschieden Kommission konzentrierte sich verändert – vergleichbar mit der von ihren Eigenschaften bei Nor- daher auf die Entwicklung neuer Transformation der Biowissen- malbedingungen. Untersuchungen Verfahren; es entstanden auch erste schaften seit dem Aufkommen am Bayerischen Geoinstitut zeigten Arbeiten zur Schweremessung. der molekularen Biologie. Vor beispielsweise, dass Silikatschmel- Sebastian Finsterwalder leistete in etwa 50 Jahren waren die Geo- zen (Magmen) und wässrige Fluide dieser Periode methodische Pionier- wissenschaften noch weitgehend unter hohem Druck vollständig arbeit in der Photogrammetrie und deskriptiv. Das moderne Bild wird miteinander mischbar werden. Eine im Bereich der Gletscherforschung. dagegen geprägt von einem tiefen ähnliche überraschende Entdeckung

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am Geoinstitut war die Beobach- alten Erdgeschichte daher völlig Messreihen. Nur durch eine tung, dass Eisen in Mineralen des unzugänglich. Durch Vergleich der gleichzeitige Realisierung eines tiefen Erdmantels bei Drücken beobachteten chemischen Zusam- globalen Referenzsystems offen- oberhalb von einer Viertel Million mensetzung mit Ergebnissen aus baren sich regionale tektonische Atmosphären überwiegend im drei- Hochdruckexperimenten kann man Bewegungsprozesse, isostatische wertigen Zustand vorliegt, selbst heute jedoch viele Ereignisse der Ausgleichsvorgänge oder Verän- wenn es im Gleichgewicht mit frühen Erdgeschichte rekonstru- derungen des Meeresspiegels als metallischem Eisen ist. Eine Kon- ieren. So wurde in Bayreuth u. a. Teile globaler Abläufe. Hierauf sequenz hiervon ist wahrscheinlich, gezeigt, dass die Erde kurz nach richten sich wesentliche Teile der dass der untere Erdmantel einige ihrer Entstehung wahrscheinlich heutigen Forschungsarbeiten der Prozent von Eisen-Metall enthält. vollkommen durchgeschmolzen Erdmessungskommission (BEK) war, mit einem flüssigen Magmen- und des Deutschen Geodätischen Forschungen am Bayerischen ozean aus Silikatschmelze, der Forschungsinstituts (DGFI); und Geoinstitut haben in den letzten einen flüssigen Kern aus Nickel- von diesen beiden geodätischen Jahren auch gezeigt, dass sich eisen umhüllt hat. Einrichtungen der Akademie kamen wahrscheinlich nur etwa die Hälfte auch wichtige Impulse zur Entwick- des Wassers unseres Planeten in Geodäsie lung der modernen Erdmessung. den Ozeanen befindet. Die andere Hälfte ist tief im Erdinnern in Mi- Geodätische Messungen von Topo- Um die Brücke zwischen terres- neralen gelöst. Das Wasser, das in graphie, Erdkrustenbewegungen, trischer Gravimetrie und moderner die Kristallstruktur dieser Minerale Meeresspiegel oder Massenverla- Satellitengravimetrie zu schließen, eingebaut ist, hat einen drastischen gerungen liefern wichtige indirekte arbeitet man in der BEK an der Einfluss auf die physikalischen Erkenntnisse zur Dynamik des Erd- Entwicklung eines neuartigen Eigenschaften des Erdmantels, innern. Durch einen enormen Ge- Fluggravimeters, das mit höherer und es erscheint mehr und mehr nauigkeitsschub der geodätischen Auflösung als bestehende Sensoren wahrscheinlich, dass es Plattentek- Beobachtungsverfahren in jüngster noch nicht erfasste Gebiete, wie tonik auf der Erde nur gibt, weil Zeit, sowohl bei Satellitentechniken z. B. die Meeres- oder Eisoberflä- Wasser im Erdmantel vorhanden ist. als auch bei terrestrischen Verfah- chen, gravimetrisch vermessen soll. Dies würde auch den Unterschied ren, werden die Veränderungen zu Venus und Mars erklären, deren der Erdfigur, des Gravitationsfelds Langzeitvorhaben Kruste im Wesentlichen starr ist. der Erde und der Kreiselbewegung dokumentieren den Wandel unseres Planeten im Raum als Aus der Frühgeschichte der Erde Prozesse des Erdsystems messbar. Als Beitrag zur globalen Erfassung sind keinerlei Gesteine überliefert. Dennoch, die Veränderungen gehen von tektonischen Bewegungspro- Lange Zeit erschienen die Ereig- sehr langsam vor sich und ihr ex- zessen analysiert die BEK seit 1995 nisse in den ersten 500 Millionen perimenteller Nachweis erfordert ununterbrochen die Messreihen Jahren der 4,6 Milliarden Jahre lange, genaue und sehr homogene einer großen Anzahl von festen GPS-Stationen. Millimetergenau Abb. 2: Zwei Mitarbeiter des werden die Bewegungsraten in Bayerischen Geoinstituts der tektonischen Kollisionszone vor einer Mehrstempelpres- in Island, um den Mittelmeerraum se. In diesen Pressen wird und neuerdings des Alpenbereichs die Probe zwischen acht erfasst. Hebungen von jährlich 1 bis Stempeln aus Wolframcar- 2 mm werden über den gesamten bid komprimiert. Die Probe Alpenbogen erwartet. Sie nachzu- kann über eine elektrische weisen ist eine große Herausfor- Widerstandsheizung auch derung, während die Bestimmung geheizt werden, wobei die der horizontalen Deformationen, Temperatur mit einem insbesondere im Bereich des Fri- Thermoelement gemessen auls, einem seismisch sehr aktiven wird. Mit diesen Appara- Gebiet, nicht mehr schwerfällt. turen lassen sich Drücke bis Die geodätischen Beobachtungen zu 260.000 Atmosphären weisen auf signifikante Kompres- und Temperaturen über sionen in der oberen Kruste. Kann yerisches Geoinstitut a

3.000˚ C erreichen. b die Kruste die aufgestauten Span-

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Abb. 3: Die Bewegungsraten der tektonischen Platten, abgeleitet aus geodätischen Messverfahren im Vergleich zu den Bewegungsraten über geologische Zeiträume aus I GF

D geophysikalischen Verfahren.

nungen nicht mehr halten, entladen punkt der Arbeiten verlagert sich baren Verformungen der Erdfigur. sich die Spannungen in Form von jedoch zunehmend auf die Erfor- Sie resultieren aber auch in Oszil- Erdbeben. schung globaler Prozesse im Erd- lationen der Kreiselbewegungen un- system. Das DGFI gehört zu den serer Erde, das heißt in messbaren Aus den beinahe sechs Jahrzehnte bedeutendsten Datenanalysezentren Variationen der Erdrotation. umfassenden Arbeiten des DGFI der Internationalen Assoziation für lässt sich sehr schön der Wandel Geodäsie und ist treibende Kraft Schlussbemerkung von klassischen astronomisch- beim Aufbau eines globalen geo- geodätischen Messmethoden zu dätisch-geodynamischen Beobach- Mit den geodätischen und expe- den modernen Raumverfahren und tungssystems. Eines der zentralen rimentell-geowissenschaftlichen von einem regional auf Bayern Forschungsthemen des DGFI ist Arbeiten in der Akademie gelang und den Alpenraum ausgerichteten der globale Wasserkreislauf. Dazu es seit dem Gründungsjahr 1759 Arbeitsgebiet auf globale, für das gehört die Erfassung der Bilanz der nicht nur sehr schnell, die „geogra- Verständnis des Erdsystems rele- großen Flusseinzugsgebiete eben- phischen Finsternisse“ aus Bayern vante Forschungsarbeiten ablesen. so wie die der Veränderungen der zu vertreiben. Wichtige Beiträge der So konnte schon sehr früh mit jahreszeitlichen Schwankungen des Grundlagenforschung bringen bis Verfahren der Satellitengeodäsie atmosphärischen Teils des Wasser- heute mehr Licht in das Verständnis das globale Bewegungsmuster der kreislaufs oder die Trendanalyse unserer Erde. tektonischen Platten rekonstruiert des globalen Meeresspiegels. Es       werden. Es lässt sich vergleichen zeigt sich zum Beispiel, dass der mit den Bewegungsraten über geo- durchschnittliche jährliche Anstieg Reinhard Rummel ist Lehrstuhl- logische Zeiträume, wie sie sich aus des Meeresspiegels 3,4 mm beträgt, inhaber für Astronomische und geophysikalischen Methoden erge- die regionalen Abweichungen von Physikalische Geodäsie an der ben (Abb. 3). Die Übereinstimmung diesem Trend jedoch beträchtlich TU München und Vorsitzender ist im Allgemeinen überraschend sind. Die wesentlichen Ursachen, der Bayerischen Kommission für gut. Die Ursache einiger regiona- thermische Expansion der Ozeane die Internationale Erdmessung. ler Abweichungen gilt es nun zu und das Abschmelzen einiger Eis- Hermann Drewes ist Direktor des erforschen. Exemplarisch baute schilde, werden zurzeit untersucht. Deutschen Geodätischen For- das DGFI ein geodätisches Grund- Die geodätischen Verfahren erlau- schungsinstituts. Hans Keppler ist lagennetz für Südamerika auf, ben wichtige Querkontrollen. Die Direktor des Bayerischen Geoins- sowohl für die dortige Landesver- Massenverlagerungen im Wasser- tituts in Bayreuth. Christof Völk- messung als auch zur Analyse der kreislauf zeigen sich sowohl im sen ist Organisatorischer Leiter Geodynamik der Subduktionszone Gravitationsfeld, wie auch durch die der Bayerischen Kommission für entlang der Anden. Der Schwer- Auflast dieser Massen, in mess- die Internationale Erdmessung.

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ü b e r b l i c k Forschung einst und jetzt

f ü r l a n g f r i s t i g e f orschungsvorhaben, welche die arbeitskra f t eines einzelnen f orschers übersteigen oder die zusammenarbeit von wissenscha f tlern verschiedener disziplinen notwenig machen, bildet die A kademie „kommissionen“: ein chronologischer überblick über die gründungen der letzten 250 jahre.

Frühere Heutige Kommissionen und Kommissionen Arbeitsgruppen mit Gründungs- und Auflösungsjahr mit ihrem Gründungsjahr

n 1808 bis ca. 1827 Kommission n 1949 bis 1950 Kommission n 1858 Historische Kommission zur Untersuchung vater- zur Wiedererrichtung des Kura- bei der Bayerischen Akademie ländischer Altertümer toriums der Weimarer Luther- der Wissenschaften n 1809 bis 1817 Meteorologische Ausgabe n 1868 Bayerische Kommission Kommission n 1950 bis 1957 Kommission zur für die Internationale n 1815 bis 1926 Kommission für Herausgabe der Gesammelten Erdmessung die Herausgabe der Monumenta mathematischen Schriften von n 1893 Kommission für die Boica C. Caratheodory Herausgabe des Thesaurus n 1851 bis nach 1853 Natur- n 1950 bis 1974 Kommission linguae Latinae wissenschaftlich-technische Observatorium Wendelstein n 1900 Kommission für die Kommission n 1956 bis 1992 Kommission Herausgabe des Corpus n 1912 bis 1925 Kommission für Ost- und Südosteuropa- der griechischen Urkunden für Sammlung und Bearbeitung Forschung des Mittelalters und der von Soldatenliedern n 1957 bis 1992 Kommission neueren Zeit n 1912 bis 1949 Kommission für die Herausgabe eines Index n 1906 Kommission für die für die Herausgabe einer zu den Novellen Justinians Herausgabe der mittelalter- Encyklopädie der mathe- n 1960 bis 1975 Kommission lichen Bibliothekskataloge matischen Wissenschaften für Transuranforschung Deutschlands und der Schweiz n 1914 bis 1950 Kommission n 1961 bis 1972 Kommission (vor 1932/33: Kommission für für Höhlenforschung in Bayern für Patristik die Herausgabe der Bibliotheks- n 1928/29 bis 1983 Ägina- n 1961 bis 1972 Kommission kataloge des Mittelalters) Kommission für Geodäsie und Geophysik n 1911 Kommission für Mundart- n 1930/31 bis 1954 Kommission n 1963 bis 1971 Kommission forschung für den geplanten Apparatus für spätantike Geistesgeschichte (vor 1942: Kommission zur criticus zum Koran n 1965 bis 1968 Kommission zur Schaffung bayerischer Wörter- n 1939/40 bis 1952 Kommission Herausgabe der Schriften von bücher und für die Erforschung für das Corpus der vor- Arnold Sommerfeld unserer Mundarten) geschichtlichen Ringwälle n 1971 bis 1985 Kommission n 1921 Kommission für das Süddeutschlands für Entwicklungsforschung Corpus Vasorum Antiquorum n 1940/41 bis 1954 Kommission n 2001 Allgemeine Arbeitsgruppe n 1927 Kommission für für das Corpus philosophorum für wechselnde Themen und bayerische Landesgeschichte medii aevi Aufgaben mit Institut für Volkskunde n 1944/48 bis 1971 Kommission n 2002 Vorbereitender Ausschuss n 1935 Kommission für die für Sprachpflege „Angewandte Natur- und Herausgabe der Werke von n l948 bis 2003 Kommission Ingenieurwissenschaften“ Johannes Kepler für Namenforschung (vor 1962: Kommission für Ortsnamenforschung)

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n 1939 Kommission für die n 1960 Kommission für Deutsche n 2001 Kommission „Neuro- Herausgabe eines mittel- Literatur des Mittelalters wissenschaften: Sensomotorik lateinischen Wörterbuches n 1961 Kommission für bei Mensch und Maschine“ n 1946 Kommission für Keil- Semitische Philologie n 2001 Kommission für schriftforschung und Vorder- n 1962 Kommission für die Gebirgsforschung asiatische Archäologie Herausgabe ungedruckter (vor 2008: Wissenschaftliches (1992: Kommission zur Texte aus der mittelalterlichen Komitee für Gebirgsforschung) Erschließung von Keil- Geisteswelt n 2003 BAdW Forum Techno- schrifttexten; n 1962 Kommission für logie, Ständiger Ausschuss 1993: Kommission für Keil- Glaziologie für Ingenieur- und Angewandte schriftforschung und Vorder- n 1962 Kommission für Naturwissenschaften asiatische Philologie) Sozial- und Wirtschafts- n 2004 Kommission für Theo- n 1946 Kommission für geschichte logiegeschichtsforschung Tieftemperaturforschung / n 1963 Kommission für n 2006 Kommission für die Walther-Meißner-Institut für Informatik / Leibniz-Rechen- Herausgabe der Werke des Tieftemperaturforschung zentrum Johannes von Damaskus; n 1949 Musikhistorische (vor 1990: Kommission für (Vorläufer: Patristische Kommission Informationsverarbeitung; Kommission der Deutschen n 1950 Kommission für die vor 1976: Kommission für Akademie der Wissenschaften, Herausgabe der Deutschen elektronisches Rechnen) Arbeitsstelle München) Inschriften des Mittelalters n 1968 Kommission für die n 2008 Kommission für und der frühen Neuzeit, Herausgabe einer 2. Serie Wissenschaftsgeschichte Münchener Abteilung der Acta conciliorum n 1950 Deutsche Geodätische oecumenicorum       Kommission – Deutsches n 1975 Kommission für Geodätisches Forschungsinstitut Geomorphologie n 1954 Kommission für zentral- n 1976 Kommission zur und ostasiatische Studien Herausgabe der Schriften (vor 2002: Kommission für von Schelling zentralasiatische Studien) n 1983 Kommission für Geo- n 1957 Kommission für das wissenschaftliche Hochdruck- Repertorium „Geschichtsquel- forschung len des Deutschen Mittelalters” n 1984 Kommission zur (vor 1985: Kommission für das Erforschung des antiken Repertorio delle Fonti Storiche Städtewesens del Medio Evo; n 1986 Kommission für Neuere vor 2008: Kommission für das deutsche Literatur Repertorium Fontium Historiae n 1986 Kommission für Ökologie Medii Aevi) n 1987 Kommission für die n 1957 Kommission für Herausgabe des Briefwechsels die Herausgabe des Fichte- von F. H. Jacobi Nachlasses (bis 2004: Kommission für die n 1957 Kommission zur verglei- Herausgabe des Briefwechsels chenden Archäologie römischer von F. H. Jacobi und für das Alpen- und Donauländer Jena-Programm) (vor 1998: Kommission zur n 1990 Kommission für die archäologischen Erforschung Herausgabe der Urkunden des spätrömischen Raetien) Kaiser Friedrichs II. n 1996 Kommission für die Herausgabe eines alt- okzitanischen Wörterbuches n 1996 Kommission für kultur- anthropologische Studien

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spurensuche Von der Muffatstraße zum Kennedy-Brünnlein

Münchner Begegnungen m i t b e r ü h m t e n , a b e r a u c h m i t h e u t e weitgehend v ergessenen a K a d e m i e m itgliedern.

glied der Bayerischen Akademie Die Akademie zählt auch viele der Wissenschaften gewesen war. Nobelpreisträger in ihren Reihen, Sein Nachfolger war nicht Mitglied von denen 16 in München mit der Akademie, dafür aber dessen Straßennamen gewürdigt wurden: Großvater, der Topograph Joseph den Nobelpreis für Literatur erhielt Destouches (1767–1832). Theodor Mommsen 1902, die Straße am Biederstein in Schwa- Die Akademie im Straßenbild bing wurde 1906 nach ihm benannt; dann die Nobelpreisträger für Che- Derzeit gibt es rund 6.000 Straßen mie Adolf von Baeyer (1905/1967), in München, zu denen jährlich Richard Willstätter (1915/1947), rchiv münchen a ca. 20 neue hinzukommen (nach Fritz Haber (1918/1947), Hans d t a lebenden Personen werden keine Fischer (1930/1949), Adolf Bu- b b . s t

a Straßen benannt; manchmal werden tenandt (1939/1996), Otto Hahn l l e

a aus „political correctness“ auch (1944/1971), Hermann Staudinger Straßen wieder umbenannt). Die (1953/1967) und Linus C. Pauling Abb. 1: An der Ecke Von michael stephan Akademie mit ihren vielen hundert (1954 und Friedensnobelpreis Muffat- und Destouches- ordentlichen und korrespondieren- 1962/2002); weiter die Nobelpreis- straße in Schwabing ein Schulweg zum den Mitgliedern seit ihrer Grün- träger für Physik Wilhelm Conrad (Foto: Tanja Wieland, 2009). Oskar-von-Miller-Gym- dung im Jahr 1759 ist im Münchner Röntgen (1901/1916), Max von Mnasium in Schwabing Straßenbild mit immerhin 220 Per- Laue (1914/1964), Max Planck führte mich auf dem letzten Stück sonen vertreten; darunter befinden (1918/1956), Albert Einstein immer durch die kleine idyllische sich heute noch berühmte Namen, (1921/1956) und Werner Heisen- Muffatstraße, die zusammen mit aber oft auch bereits weitgehend berg (1932/1996); schließlich der der Destouchesstraße auf den Platz vergessene. Nobelpreisträger für Physiolo- vor der Schule mündet (Abb. 1). Als gie oder Medizin Feodor Lynen Schüler war mir damals natürlich Vor allem die bis heute 36 Präsi- (1964/1996); letztlich darf in dieser noch nicht bewusst, dass die beiden denten der Akademie sind mit Aufzählung nicht der Historiker Straßen nach den ersten Münchner 18 Straßennamen stark vertreten. und Politiker Ludwig Quidde Stadtarchivaren Karl August von Das reicht bis auf zwei Ausnah- (1858–1941) vergessen werden, der Muffat (1804–1878) und Ernst men fast durchgehend vom ersten 1927 den Friedensnobelpreis erhielt von Destouches (1843–1916) Präsidenten Sigmund Graf von und nach dem 1966 eine Straße in benannt worden waren. Erst nach Haimhausen (1708–1793) mit der Neuperlach benannt wurde. meiner Berufung zum Leiter des Haimhauser Straße in Schwabing Stadtarchivs beschäftigte ich mich bis hin zum Botaniker Karl von Während sich die meisten geehrten mehr mit meinen Vorgängern und Goebel (1855–1932; Präsident Akademiemitglieder mit einer ein- brachte in Erfahrung, dass bei der 1930–1932) mit dem Von-Goebel- fachen Straße begnügen mussten, Straßenbenennung für Muffat im Platz in Nymphenburg. Nach manche gar nur mit einem Weg Jahr 1898 – die Stadt (!) Schwabing 1945 wurde bislang nur einer der wie der Mathematiker Richard war gerade acht Jahre zuvor nach Präsidenten geehrt, nämlich der Baldus (1885–1945; Baldusweg in München eingemeindet worden Rechtshistoriker Heinrich Mitteis Untermenzing), schafften es der – auch die Tatsache Würdigung (1889–1952, Präsident 1950–1952) Geograph Erich von Drygalski fand, dass Muffat seit 1852 Mit- mit einer Straße am Hasenbergl. (1865–1949) und der erwähnte

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Physiknobelpreisträger Werner Zu den vielen Straßenbenennungen Heisenberg (1901–1976) immer- gehören abschließend auch zwei hin zu einer Allee in Forstenried Isarbrücken: eine erinnert an den bzw. Fröttmaning. Auch ein für die Mechaniker und Ingenieur Georg Münchner Topographie seltsam von Reichenbach (1771–1826), anmutender Adolf-Baeyer-Damm die kleine Zenneckbrücke beim in Perlach ist darunter; eine weitere Deutschen Museum seit 1959 an Variante bietet der Otto-Hahn-Ring den Physiker Jonathan Zenneck in Neuperlach. Neben dem schon (1871–1959). erwähnten Von-Goebel-Platz und dem Amiraplatz in der Altstadt Denkmäler: von der Ruhmes- (nach dem Rechtshistoriker Karl halle bis zur Sckell-Säule von Amira, 1848–1930) sind noch weitere Plätze nach Akademiemit- In der Münchner Ruhmeshalle gliedern benannt: der Goetheplatz oberhalb der Theresienwiese, die in der Isarvorstadt (Johann Wolf- Leo von Klenze zwischen 1843 und gang von Goethe war auswärtiges 1853 im Auftrag König Ludwigs I. Mitglied) und der Max-Weber-Platz errichtete, finden wir die in Mün- in Haidhausen; Letzterer war zu- chen größte Ansammlung von nächst seit 1905 nur nach dem Ma- berühmten Akademiemitgliedern gistratsrat Max Weber benannt, erst mit ihren Porträtbüsten. Hier stehen seit 1998 heißt er auch nach dem der Gründungspräsident Sigmund bekannten Soziologen Max Weber Graf von Haimhausen, Georg von (1864–1920), dessen Werkgesamt- Reichenbach, Joseph von Fraun- ausgabe an der Akademie erstellt hofer, der Historiker Lorenz von wird. Beide Plätze sind zusätzlich Westenrieder (der dem König als Haltestellen im Liniennetz der das erste Verzeichnis der großen Münchner U-Bahn präsent, ebenso Bayern für die Ruhmeshalle liefern die Quiddestraße und die nach dem musste), der Philosoph Franz von Jean Paul (Richter) und August von Abb. 2: Denkmal für Georg Physiker Joseph von Fraunhofer Baader, der Naturforscher Franz Platen. Die Büste des Philosophen Simon Ohm in der Theresien- (1787–1826) benannte Fraunhofer- von Paula Schrank, der Sprach- und Akademiepräsidenten (1827– straße (Aufnahme von 1969). straße; zusätzlich heißt dort noch wissenschaftler Johann Andreas 1842) Friedrich Wilhelm von ein Wirtshaus und ein angeschlos- Schmeller, der Physiker Georg Schelling wurde 1944 zerstört und senes Theater nach ihm. Simon Ohm sowie die Schriftsteller nicht wieder erneuert, wie eine Gedenktafel erklärt. Später kamen noch folgende Büsten hinzu: Leo von Klenze (1784–1864), der Historiker Sigmund von Riezler (1843–1927), der Chemienobel- preisträger Richard Willstätter (1872–1942) und der Physiker Arnold Sommerfeld (1868–1951). Noch heute werden durch den Bay- erischen Ministerrat nach Vorschlag einer Expertenkommission, in der auch die Bayerische Akademie der Wissenschaften vertreten ist, große Bayern mit ihren Büsten aufgestellt; zuletzt waren dies von den Aka- demiemitgliedern der Staatsmann Maximilian Graf von Montgelas (1976), der Chemiker Heinrich Wieland (2000), Werner Heisenberg Abb. 3: Denkmal für Justus sowie das Ehrenmitglied Prinzessin von Liebig am Maximilians- Therese von Bayern (beide 2009). platz (Aufnahme von 1990).

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Einige der Persönlichkeiten aus der und Choleraforschers Max von Ruhmeshalle sind zusätzlich mit Pettenkofer (Präsident 1890–1899). eigenen Denkmälern im Stadtbild vertreten. Zu den bekannteren Ziemlich unbekannt dürfte das 1896 Standbildern aus der Zeit König von Benedikt König geschaffene Max‘ II. gehören die von Schelling Denkmal für Franz von Kobell und Fraunhofer in der Maximilian- (1803–1882) in den Maximiliansan- straße vor dem Völkerkundemuse- lagen südlich des Maximilianeums um oder das von Westenrieder auf sein; zudem bringt man Kobell dem Promenadeplatz, das 2005 ein auch eher als Volksdichter mit der modernes und nicht ganz unum- bayerischen Literatur als mit seinem strittenes Pendant von Montgelas wissenschaftlichen Fachgebiet, der (entworfen von der Künstlerin Ka- Mineralogie, und damit mit der rin Sander) erhalten hat. Das 1895 Akademie in Verbindung. erstmals aufgestellte Denkmal für Ohm wechselte mehrmals seinen Dass die im Jahr 1824 errichtete Standort im Areal der Technischen Säule am Kleinhesseloher See Hochschule (Abb. 2). Für Klenze Friedrich Ludwig von Sckell stiftete das Hotel Deutsche Eiche (1750–1823) gewidmet ist, der den 1998 ein neues Denkmal auf dem Englischen Garten anlegen ließ, Gärtnerplatz. erschließt sich erst aus der Inschrift, die auch seine Ehrenmitgliedschaft in der Akademie erwähnt. starb der Philosoph / Franz Baader / am 23. Mai / 1841.“ Der schon Gedenktafeln erwähnte Akademiepräsident Karl von Goebel wurde in dem von ihm Von der einstmals großen Anzahl gegründeten Botanischen Garten an Gedenktafeln für Akademie- mit einer Inschrift geehrt (Abb. 5). mitglieder in München, von Und in der Hohenzollernstraße 110, denen viele heute nicht mehr wo Werner Heisenberg seine Jugend existieren (z. B. die für den verbracht hat, hängt seit 1989 eine „Vorstand der K. Akademie der Gedenktafel mit einem Porträt des Wissenschaften“ Ignaz von Döl- Physikers (Abb. 4). linger in der Von-der-Tann-Straße 11), seien hier nur einige wenige Der Alte Südliche Friedhof noch bestehende herausgegriffen. Am Geburtshaus von „Bayerns Einen eigenen Beitrag müsste man Geschichtsschreiber“ Lorenz den zahllosen Grabmälern auf von Westenrieder (1748–1829) Münchens Friedhöfen widmen. in der Westenriederstraße 21 Vor allem auf dem Alten Südlichen Abb. 4: Gedenktafel für wurde schon bald nach seinem Friedhof fanden viele Akademie- Werner Heisenberg in der Tod eine Tafel angebracht. An mitglieder ihre letzte Ruhestätte, Hohenzollernstraße 110 den Botaniker Carl von Martius darunter Baader, Fraunhofer, (Aufnahme von 1989). (1794–1868), den „bayerischen Klenze, Kobell, Liebig, Martius, Humboldt“, erinnert neben einer Ohm, Pettenkofer, Reichenbach, Etwas versteckt in den Eschenan- Straße in Schwabing eine vom Land Schmeller oder Westenrieder. Das lagen am Maximiliansplatz stehen Brasilien 1968 gestiftete Gedenk- Grab des Altertumswissenschaft- sich die Denkmäler zweier Akade- tafel an der Barer Straße 12, wo lers Friedrich von Schlichtegroll miepräsidenten gegenüber: 1883 einst das Wohnhaus stand, in dem (1765–1822), des ersten General- schuf der Bildhauer Max Wag- er von 1833 bis zu seinem Tod sekretärs der Akademie, das sich müller das Denkmal des Chemi- lebte. In der Karlstraße 49/Ecke in einem sehr schlechten Zustand kers Justus von Liebig (Präsident Dachauer Straße kann man – wenn befindet, lässt das Staatliche 1859–1873) (Abb. 3), und 1909 auch nur schwer, da die Tafel in Museum Ägyptischer Kunst zum vollendete der Bildhauer Wilhelm Höhe des ersten Stocks angebracht 250-jährigen Akademiejubiläum von Rümann das des Hygienikers ist – lesen: „In diesem Hause / restaurieren.

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die Fraunhofer-Einrichtung für 1759 gehörte der Naturforscher und Abb. 5: Gedenkinschrift für Systeme der Kommunikationstech- Physiker zu den ersten Mitgliedern Karl von Goebel im Bota- nik und das Fraunhofer-Institut der neuen Akademie und wurde nischen Garten (Aufnahme für Zuverlässigkeit und Mikrointe- 1761 ihr Sekretär. Er starb 1804 in von 1975). gration. München. Der Brunnen mit einem Reliefbild des Gelehrten wurde 1927 An der Ludwig-Maximilians-Uni- errichtet. Er ist heute einer von 179 versität erinnern einige Instituts- – auch von den Münchner Stadt- namen an Akademiemitglieder. So werken wegen ihres guten Wassers wurden 1956 die rechtshistorischen empfohlenen – Trinkwasserbrunnen Lehrstühle der Juristischen Fakul- in der Stadt (Abb. 6). tät im Leopold-Wenger-Institut       zusammengefasst, benannt nach dem Rechtshistoriker und Papyrus- Der Autor ist seit 1.12.2008 Leiter forscher Wenger (1874–1953). Die des Stadtarchivs München. Zuvor Fakultät für Physik unterhält seit war er in der Generaldirektion der 2005 mit dem „Arnold Sommerfeld Staatlichen Archive Bayerns tätig. Center for Theoretical Physics“ Er hat zahlreiche Publikationen ein internationales Begegnungszent- zur bayerischen Landesgeschichte rum in der Theresienstraße. Und in sowie zur Münchner Stadtge- dem seit 1879 bestehenden Max von schichte veröffentlicht. Pettenkofer-Institut in der Petten- Schulen und wissenschaftliche koferstraße werden heute medizi- Institutionen nische Bakteriologie und Virologie erforscht und gelehrt. Zwei Schulen in München tragen seit 1965 die Namen von Nobel- Brunnen preisträgern und Akademiemit- gliedern: das Albert-Einstein- Das leitet über zu dem Hygieniker Gymnasium in Harlaching und das Max von Gruber (1853–1927), Max-Planck-Gymnasium in Pasing. einem engen Mitarbeiter Pettenko- fers und dessen Nachfolger auf dem An den großen Physiker erinnert Lehrstuhl, der von 1924 bis 1927 zudem die Max-Planck-Gesell- auch Akademiepräsident war. Ihm schaft mit ihren 76 Max-Planck- zu Ehren hat der Bildhauer Karl Instituten (MPI). Die Gesellschaft Knappe 1928 vor der Wohnanlage hat ihren Verwaltungssitz in Mün- in der Max-von-Gruber-Straße 3 (in chen am Hofgarten; vier der For- der Nähe des Schwabinger Kran- schungsinstitute sind in München kenhauses) ein Brunnendenkmal angesiedelt: das MPI für geistiges geschaffen. Eigentum (Marstallplatz), das MPI für Physik (Werner-Heisenberg- Doch zum Schluss soll mit dem Institut; Föhringer Ring), das MPI „Kennedy-Brünnlein“, das wir in der für ausländisches und internatio- Aribonenstraße an der Mauer der nales Sozialrecht (Amalienstraße) Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria und das MPI für Psychiatrie in der Ramersdorf finden, noch einmal Schwabinger Kraepelinstraße. an die Anfänge der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Auch die Fraunhofer-Gesellschaft, erinnert werden. Der 1722 in die führende Organisation für ange- Schottland geborene Ildephons wandte Forschung in Europa, hat Kennedy trat als 13-Jähriger in ihren Hauptsitz in München, in der Regensburg ins Schottenkloster Hansastraße. Dort befinden sich ein und entwickelte sich zu Abb. 6: Das Kennedy- auch zwei der über 80 Forschungs- einem der gelehrtesten Bene- Brünnlein in Ramersdorf einrichtungen in ganz Deutschland: diktiner der Aufklärungszeit. (Aufnahme von 1975).

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d o m i z i l Ein Haus für die Akademie

S e i t 1 9 5 9 hat d i e A k a d e m i e i h r e n Sitz in d e r M ü n c h n e r R E s i d e n z , d o c h d e r W e g d o r t h i n wa r we i t.

Von ellen latzin nicht, allerdings besaß die Akade- dann seit dem 19. Jahrhundert den mie auch nicht im Entferntesten Bayerischen Landtag beherbergte ie Anfänge waren ausge- die Struktur, die sie heute aufweist: und heute nicht mehr existiert. Lori sprochen bescheiden: keine festen Forschungsvorhaben, schrieb an Franziskus Töpsl: „In D Kurfürst Max III. Joseph geschweige denn fest angestelltes Abgang eines bequemen Orts haben gab der jungen Akademie der Wis- wissenschaftliches Personal, keinen wir in den Zimmern des Redouten senschaften „zur Erweiterung der Verwaltungsapparat etc. Hauses, in welchem der Hof sonst wahren Gelehrsamkeit“, wie es in zu speisen pfleget, auf Erlaube des den „Münchner Zeitungen“ vom 23. Die erste Unterkunft Eigenthümers Herrn Grafen von November 1759 hieß, zwar seine Seeau indessen Quartier erhalten.“ Protektion, eine eigene Unterkunft Eine erste Heimstatt fand die Aka- erhielt die damals zentrale Wissen- demie dann nahe des Schwabinger Die „Alte Akademie“ schaftseinrichtung in München Stadttores. Lori berichtete am 27. Au- allerdings noch nicht. Man behalf gust 1759 in einem Brief an Johann Eine entscheidende Verbesserung sich zunächst anderweitig: „Unsere Anton von Wolter in : „Un- trat im Jahr 1783 ein: Die Akade- Versammlungen“ so schrieb Akade- sere Sachen sind immer auf dem mie bezog Teile des „Wilhelmi- mieinitiator Johann Georg Lori am guten Wege. In dem Fuggerschen nums“ an der Neuhauser Straße 23. Juni 1759 an Franziskus Töpsl Hauß, welches man in ein Mauthauß im Zentrum Münchens mit seiner in Polling, „halten wir indessen verändert, bekomen wir Zimmer prächtigen Renaissance-Fassade. auf der Münz.“ „Auf der Münz“, (…).“ Es handelte sich hierbei um Die vorausgegangenen Tauschge- das waren die Diensträume des den Fuggerschen Besitz zwischen schäfte waren etwas kompliziert: ersten Akademiepräsidenten, Graf Theatiner- und Faulhaberstraße Nach der Auflösung des Jesuiten- Sigmund von Haimhausen, in der (heutige „Fünf Höfe“). Die Räum- ordens im Jahr 1773 war dessen heutigen Alten Münze (Bayerisches lichkeiten dort standen für die wö- Vermögen eingezogen worden. Es Landesamt für Denkmalpflege). chentlichen Sitzungen und die neu diente Kurfürst Karl Theoder dazu, Die Akademie auf einem Haimhausen leitete dort seit 1751 anzulegenden Sammlungen zur Ver- die neu gegründete Bayerische Gemälde von Heinrich Adam, das Münz- und Bergkollegium. fügung. Der Berliner Aufklärer Zunge des Malteserordens auf eine um 1830. Repräsentative Räume gab es also Friedrich Nicolai schrieb über einen sichere finanzielle Grundlage zu Besuch in München im Jahr 1781: stellen. Dem Orden, der seit 1781 „Die Akademie ist in einem ansehn- im Wilhelminum untergebracht lichen, großen, nicht völlig ausge- worden war, sagte er als Domizil bauten Haus untergebracht. Es steht das Fugger-Palais zu, in dem jedoch in der Schwabinger Gasse und gehör- noch die Akademie ansässig war. te früher einer Gräfin Fugger, einer Diese wiederum zog nun im Tausch Mätresse des Kurfürsten Karl Albert.“ in den früheren Jesuitenkomplex.

Festivität im Redoutenhaus Die wohl früheste Beschreibung dieses neuen Domizils findet In Ermangelung eines eigenen re- sich in einer „Stadtgeschichte präsentativen Festsaales, aber wohl von München, als Wegweiser für auch als Beleg für die Bedeutung Fremde und Reisende“ von Joseph r a des Vorgangs, fand die feierliche Burgholzer aus dem Jahr 1796: e m i n S Eröffnungsversammlung der Aka- „Das Gebäud der Churfürstlichen demiemitglieder am 21. November Akademie der Wissenschaften ist u n s t h i s t.

K 1759 im kurfürstlichen Redouten- das erste vordere Stockwerk des /

l m u haus in der Prannerstraße statt, das ehemaligen Jesuitenkollegiums (...).

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Sieben Hauptzimmer sind (...) zu Büros, Fluren, stillen Höfen und ihrem festen Sitze bestimmt. Das Gärten mitten in München. Noch 1ste für die Experimentalphysik, 1887 und 1888 wurde das Wilhel- die gegenwärtig alle Dienstage um minum im großen Stil umgebaut, 10 Uhr öffentlich gegeben wird um Räume zu gewinnen, „welche (...). Das 2te für die mechanischen allen Anforderungen der Neuzeit Instrumente. Das 3te für‘s Mineral- entsprechen. Auch die schreiends- und das 4te für‘s Thierreich, das ten Übelstände in den wohnlichen über 3000 verschiedene Pflanzen in Verhältnissen der Akademie und der natürlichen Gestalten und Abdrü- Staatssammlungen konnten damals cken enthält (...). Das 5te Zimmer, wenigstens für einige Zeit befriedigt wo Portraite baierischer Gelehrten werden. Aber schon nach einem herumhangen, für die Sitzungen, Jahrzehnt“, so fuhr Präsident Karl die gewöhnlich alle Dienstage von Zittel in seiner Festansprache Abends gehalten werden. Das 6te des Jahres 1899 fort, „stehen wir für die Kanzley, und das 7te für bezüglich der Staatssammlungen Kunstsachen und Handbücher. Zu vor einem ähnlichen Nothstand, ebener Erde wohnt ein eigener wie in den vergangenen Zeiten.“ Hausmeister“ (S. 251–253). Die Klagen über Raumnot und die Tatsache, dass das Wilhelminum Nach der Neukonstituierung der in seiner ursprünglichen Funktion Akademie als wissenschaftliche nicht als Sammlungs- und Wissen- Zentralanstalt des Staates im Jahr schaftshaus gedacht war, blieben

1807 übersiedelten zahlreiche weiterhin bestehen. Dennoch: Ende historische kommission/ndb umfangreiche Sammlungen des der 1930er Jahre verfügte die Aka- Staates, die der Akademie als demie (ohne die Sammlungen) nach Forschungsvorhaben benötigt. Nachkriegsjahre: Die Schwa- „Attribute“ unterstellt wurden, in einer Aufstellung ihres Präsidenten Allerdings kamen nur wenige binger Seidl-Villa als Sitz der die Räumlichkeiten des Wilhel- Richard Wagner auf mehreren Mitarbeiter im Wilhelminum unter, Akademie seit Herbst 1945. minums. Das Gebäude wurde in Stockwerken über insgesamt 3.200 viele arbeiteten bis weit ins 20. den kommenden Jahrzehnten zur Quadratmeter Nutzfläche sowie Jahrhundert an Heimarbeitsplätzen, Großbaustelle: Die vorhandenen 1.000 Quadratmeter Keller. in Bibliotheken oder anderswo. Räume mussten für die Bedürfnisse der Sammlungen umgestaltet wer- Karl Alexander von Müller gibt in Schwabinger Jahre den, An- und Umbauten, darunter seinen Erinnerungen einen Eindruck ein neuer Querbau im Hof an der von dem labyrinthischen Komplex: Beim schweren Luftangriff auf heutigen Kapellenstraße, sollten Das Wilhelminum war „unerhört München in der Nacht vom 24. Platz schaffen, nicht nur für die Prä- weitläufig und großartig, (...) freilich auf den 25. April 1944 wurde das sentation der wichtigsten Objekte, durch die vielen An- und Einbauten, Wilhelminum – wie weite Teile der sondern auch für Magazinräume, zuletzt vor allem für die staatlichen Innenstadt, darunter die Residenz Büros oder Labore. Der erste Gene- Sammlungen, ergänzt, doch nicht – fast völlig zerstört. Die Aka- ralsekretär Adolf Heinrich Friedrich verschönert. Von den mächtigen demie war fortan ohne Domizil, Schlichtegroll klagte 1808 in sei- Kellergewölben bis in die manchmal mühsam behalf man sich mit Not- nem Jahresbericht: „Es war nicht dreifach übereinandergeschichteten unterkünften, darunter zunächst leicht, in einem vorhandnen, für an- Speicherböden in den hohen Giebeln einige Räume der Universität. Ein dere Zwecke berechneten Gebäude bot es Platz für die Anthropologische mehrjähriges Provisorium wurde ein schikliches Unterkommen für so und die Prähistorische, die Palä- ab 1945 das Gebäude der aufge- viele, zum Theil sehr großen Raum ontologische und Geologische, die lösten „Deutschen Akademie“ erfordernde Institute zu finden.“ Mineralogische und die Zoologische in der Maria-Josepha-Straße in Staatssammlung sowie das Münz- Schwabing, die heutige Seidl-Villa. Über die Jahrzehnte entstand in der kabinett (…).“ Die öffentlichen Jahressitzungen „Alten Akademie“ – unter dieser der Nachkriegszeit fanden in der Bezeichnung ist der Komplex heute Mit der zunehmenden Gründung Großen Aula der Ludwig-Maximi- den meisten Münchnern geläufig von Kommissionen seit der zweiten lians-Universität statt – einem der – ein verschachteltes Gebilde von Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde wenigen großen Säle in München, Gebäudetrakten, großen Sälen, auch Platz für die langfristigen der nicht zerstört worden war.

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Seit 1953 hält die Akademie ihre Was war geschehen? Kultusmi- wie in der Schönfeldstraße 11. Das feierliche Jahressitzung im neuen nister Alois Hundhammer erklärte Angebot von Barackenräumen an Herkulessaal der Residenz ab. umgehend in einem Schreiben an der Ludwigstraße schlug man 1953 die Akademie, es seien auf abseh- dann aber doch aus. Weiterhin ar- Es war klar, dass die Schwabin- bare Zeit keine staatlichen Gelder beiteten viele Mitarbeiterinnen und ger Lösung nicht von Dauer sein für den Wiederaufbau der „Alten Mitarbeiter daheim, in Bibliothek konnte, doch Alternativen gab es Akademie“ vorhanden, daher habe oder Archiv, „was jede Kontrolle zunächst nicht – und auch die Hoff- man den Trakt auf zehn Jahre an erschwert“, wie der Präsident der nung auf einen Wiederaufbau der das Kaufhaus Hettlage vermietet, Historischen Kommission Franz „Alten Akademie“ wurde fünf Jahre mit der Verpflichtung, das Gebäude Schnabel 1953 in einem Schreiben nach Kriegsende abrupt zunichte- wiederherzustellen. Danach sehe an die Akademieleitung beklagte. gemacht: „Es hat uns betroffen und man weiter. Es sollte allerdings befremdet, daß unser altes Akade- ganz anders kommen: 1956 zog Von Schwabing in die Residenz miegebäude in der Neuhauserstraße statt der Akademie das Bayerische (...) nunmehr ohne unser Vorwissen Statistische Landesamt ins wieder- Im März 1953 brachte die Schlös- zwecks Wiederaufbau an eine Tex- aufgebaute Wilhelminum ein. serverwaltung schließlich einen tilfirma vermietet worden ist“, be- neuen Standort ins Gespräch: Ihr klagte Präsident Heinrich Mitteis in Dennoch hatte der Eklat Bewegung Präsident, Alfred Kiefer, schlug bei der Jahressitzung am 24. November in die Gespräche gebracht. Wie die einer Sitzung der Raumkommission 1950 und ließ es zum öffentlichen Akten im Bayerischen Hauptstaats- vor, „mit der Akademie Bespre- Der Festsaalbau vor der Eklat kommen. Die geladenen archiv belegen (aus deren MK-Be- chungen aufzunehmen wegen einer Zerstörung: die Festsaal- Gäste, so berichtete eine Zeitung, stand im Folgenden zitiert wird), gab Unterbringung in der Residenz“. treppe Leo von Klenzes unterstützten den Präsidenten durch es in den nächsten Jahren mehrere Hier ging es zunächst um eine Fol- (oben) und ein Raum der „lang anhaltende Missfallensbekun- Optionen, die allerdings alle nicht ge von 33 Zimmern im 2. Oberge- Schönheitengalerie (unten). dungen“. realisiert wurden. „Kaleidoskop- schoss an der Residenzstraße. Der artig“, so Präsident Richard Wagner Akademievorstand lehnte dieses bei der Jahresfeier 1954, „sind Angebot von „Bedienstetenräu- die Pläne einer Unterbringung der men“, so Richard Wagner, jedoch Akademie an unseren Augen vor- als „nicht zumutbar“ ab. Es handele beigezogen, zuerst das Amerikahaus sich „durchwegs um unter dem [der frühere „Führerbau“ in der Dachstuhl einzubauende Zwischen- Arcisstraße], dann das Lotzbeck- geschossräume mit völlig unzu- palais [Ruine auf dem Grundstück länglichen Ausmaßen, schlechter u der residenz, 1959 a

u f b des heutigen Amerikahauses am Ka- Tagesbeleuchtung mit unterschied- a rolinenplatz], zwischenhinein auch licher, teilweise durch Gang- und das ehemalige Kriegsministerium in Zimmertreppe ‚ausgeglichener‘ der Ludwigstraße, in dem nun das Fußbodenhöhe.“ Und ganz generell: Bayerische Staatsarchiv unterge- „Daß gerade die älteste und in der bracht werden soll. Aber es waren Welt angesehendste wissenschaft-

4. festschriftdies zum wieder alles leider nur die hinfälligen liche Einrichtung des bayerischen Bilder eines Kaleidoskops, die wie Staates eine derart stiefmütterliche eine Fata morgana immer wieder ins Behandlung in der Unterbringung Wesenlose verschwanden, wenn man erfahren soll“, sei unvorstellbar, nach ihnen greifen wollte.“ Auch erboste sich Wagner. der Marstallplatz war zeitweise im Gespräch, schließlich schlug das Erfolg im zweiten Anlauf Finanzministerium vor, das Gelände des Wittelsbacher Palais, in der NS- Rund ein Jahr später, im Frühjahr Zeit berüchtigter Sitz der Gestapo 1954, machte das Kultusministe- (heute Bayerische Landesbank), für rium, basierend auf Vorentwürfen mtl. führer, 1937 a die Akademie zu bebauen. von Baudirektor Otto Hertwig von der Schlösserverwaltung, Kurzzeitig waren u. a. Räume des einen zweiten Versuch in Sachen in der Arcisstraße 8/10 angemietet, „Residenz“. Es solle doch versucht

residenzferner münchen, in der Wagmüllerstraße so- werden, „die Akademie in der

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Residenz unterzubringen und zwar Nun also der Nordosttrakt der Resi- nicht im Lakaientrakt, sondern in denz – die Ausgangslage war nicht anderen Teilen. (...) Es ist zu be- ganz einfach: Der 1. Stock des rücksichtigen, daß der Staat für die Festsaalbaus von Leo von Klenze Akademie Baukosten von 1 bis 2 bildete vor 1945 eine glanzvolle Ab- Mio. DM (...) aufbringen wird. Die folge großer Ball- und Audienzsäle Akademie muss also versuchen, in mit dem Thronsaal als Höhepunkt. einem Gebäude unterzukommen, Am östlichen Ende befand sich der dessen Ausbau aus städtebaulichen „Schlachtensaal“ – ein monumen- Gründen ohnedies erfolgt.“ Eine taler Raum für die Galabankette Begehung der in Frage kommen- der bayerischen Offiziere, mit roter den Örtlichkeiten im April 1954 Stuckmarmorverkleidung und 14 erwies sich als viel versprechend, Gemälden auf 2 mal 3 Metern, die Akademieleitung konnte sich die siegreiche Kämpfe Bayerns in allmählich mit dem umgestalteten den Kriegen von 1805 bis 1815 . 214 und 275.

Nordosttrakt der Residenz an- darstellten (die Gemälde befinden S freunden, auch wenn sie weiterhin sich heute im Königsbau der Resi- einen Neubau am Karolinenplatz denz) –, außerdem eine dreiläufige favorisierte. Ende des Jahres sah Festsaaltreppe Leo von Klenzes, Präsident Wagner bei der Jahressit- der Ballsaal für die Feste des Hofes zung dann nur noch die Vorzüge: sowie die Schönheitengalerie König „Der Bayerische Staat würde eine Ludwigs I. – heute in Schloss ie münchner residenz, 2000, ausgezeichnete Visitenkarte abge- Nymphenburg – in zwei Räumen an D b b . : ben, wenn die Unterbringung (...) grün- und rotmarmorierten Wänden. a

in der Residenz so wie geplant er- Im Erdgeschoss befanden sich b e i d e folgen würde. Noch einiges andere sechs „Odyssee-Säle“ mit einem fällt für eine solche Lösung in die Gemäldezyklus nach Entwürfen von Räumen begehen, wo nun auch die Zerstörung und Wiederauf- Waagschale. Erstens der relativ ge- Schwanthaler und Johann Georg meisten ihrer Kommissionen Platz bau: der Schlachtensaalflügel ringe Straßenlärm, der dem Ablauf Hiltensperger (im Krieg zerstört). fanden. Das Akademiejubiläum war vom Hofgarten aus im Früh- der Gedanken von Wissenschaft- wie die 800-Jahrfeier Münchens, jahr 1944; der neue Plenarsaal lern nicht hold ist. Zweitens aber Für den Umbau ab April 1957 unter zu der 1958 u. a. das Cuvilliés- anstelle der Klenzeschen Fest- die Tatsache, daß dieses Residenz- Residenzbauleiter Otto Meitinger Theater wieder hergestellt war oder saalbautreppe kurz nach der gebäude sowieso bald hergerichtet wurden die historische Raumfolge der Eucharistische Weltkongress Fertigstellung im Jahr 1959. werden muß, wenn man unser und Ausstattung nicht rekonstru- 1960, der den Ausbau der Reichen schönes, altes Stadtbild (...) wieder iert. Statt dessen galt es, hinter der Zimmer der Residenz beschleu- herstellen will. (...) Drittens wäre wiederaufgebauten klassizistischen nigte, ein Anlass für Wiederauf- diese Unterbringung wahrschein- Fassade mit ihrem monumen- bauvorhaben, die sonst wohl nicht lich wesentlich billiger als ein talen Maßstab und Fensterhöhen finanziert worden wären. Aktuelle Neubau (...). In einer Akademie von mehreren Metern neben den Anlässe und „sinnvolle Koppe- steckt viel Konservatives und des- repräsentativen Sälen auch normale lungen mit staatlichen Einrich- halb paßt sie zweifellos besser in Büro- und Arbeitsräume unterzu- tungen“, so Präsident Kiefer, ließen die traditionsreichen dicken Mau- bringen. Im Erdgeschoss wurde die staatlichen Gelder leichter ern jener Residenz der Wittelsba- ein Zwischengeschoss eingefügt, fließen – die Baumaßnahme für die cher, die unsere Akademie aus der in den Obergeschossen hängte Akademie umfasste 5,5 Mio. DM Taufe gehoben haben, als in einen man Decken ab. An die Stelle des und weitere 500.000 DM für die Neubau aus Beton. Auch die Nähe Schlachtensaales traten nun nüch- Inneneinrichtung. Zugleich kommt des Hofgartens hätte ihren Vorteil, terne Büroräume und ein Treppen- das Bemühen zum Ausdruck, die denn manche Gedanken faßt man haus mit Oberlicht. Die dreiläufige Residenz zu einem kulturellen bekanntlich am besten nach der Festsaaltreppe verschwand ganz, Mittelpunkt der Stadt zu machen: Methode der alten Peripatetiker in dort entstanden die Sitzungs- und Das Spanische Kulturinstitut erhielt frischer Luft, wobei die Gefahr von Vortragssäle. Die Schönheitengale- 1956 Räume, das Präsidialbüro der einem Auto überfahren zu werden, rie wurde zur Akademiebibliothek. Max Planck-Gesellschaft zog 1961 für einen der Umwelt entrückten ein, die Bayerische Akademie der Die Autorin betreut die Wissenschaftler im Hofgarten auf Ihren 200. Geburtstag konnte die Schönen Künste folgte 1972. Presse- und Öffentlichkeits- ein Minimum reduziert wäre.“ Akademie 1959 schon in den neuen       arbeit der Akademie.

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j u b i l ä u m „Helle Köpfe“ und große Namen

2 5 0 j A h r e b Ay e r i s c h e A kademie de r W i s s en s c h a f t en : die we c h s e lv o l l e ge s c h i c h t e i s t n o c h b i s 5 . J u l i 2 0 0 9 T h ema eine r g r o s s en A u s s t e l l u ng im b Ay e r i s c h en h A u p t s t aat s a r c h i v.

von sylvia krauss ein erster, vom Kloster Polling 1720 noch die Belletristische Klasse mit ausgehender Gründungsversuch der Ausrichtung auf Literatur, Thea- ch danke Gott, dass es mir scheiterte, so lebte die Idee doch ter, Sprache und schöne Künste. gelungen ist, meinen schier fort und kam 1758/59 zum Tragen, Iallen Leuten unmöglich als es dem Juristen Johann Georg Jede Klasse gab abwechselnd geschienenen Plan doch so weit Lori im Verein mit Gleichgesinnten Preisaufgaben mit historischen und hinauszuführen, daß Europa weiß, gelang, Kurfürst Max III. Joseph praktischen Fragestellungen aus. die Baiern haben eine Akademie, (reg. 1745–1777) für sein Konzept Ein Großprojekt aus der Anfangs- die der Hof aus einem Ehren-Punct einer Akademie zu gewinnen. Das zeit der Akademie war die Samm- nicht mehr kann sincken lassen“, Protektorat des Landesherrn war lung und Edition altbayerischer schrieb Johann Georg Lori am unverzichtbar, es stützte die Akade- Urkunden, die seit 1763 in den 11. Juli 1761 an Franziskus Töpsl mie bis zum Ende der Monarchie „Monumenta Boica“ veröffentlicht in Polling. im Jahr 1918. wurden. d w a b Akademiegründung Der Gründung basierte auf der Der Geheimbund der Illuminaten, und erste Jahrzehnte Idee, alle Wissenschaften in einer der umstürzlerische Tendenzen Streitbarer Initiator der einzigen Institution zusammenzu- verfolgte, hatte viele Anhänger in Akademie: Johann Georg Lori Der „unmöglich geschienene Plan“, fassen mit dem Ziel der „Ausbrei- der Akademie. Seine Aufhebung (1723–1787). eine Akademie zu gründen, lag im tung nützlicher Wissenschaften und durch Kurfürst Karl Theodor (reg. Trend des 17./18. Jahrhunderts. Künste“. Eine begrenzte Mitglie- 1777–1799) 1785/86 stürzte die Das Zeitalter der Aufklärung, derzahl verteilte sich auf ein breites junge Gelehrtenvereinigung in das „siècle des lumières“, strebte Spektrum an Fächern, wodurch eine eine existenzielle Krise. Nur knapp danach, mit Hilfe der Vernunft die intensive Teilnahme am interdiszip- entging sie der Auflösung. Vorgänge des Lebens und der Natur linären wissenschaftlichen Diskurs von Grund auf neu zu durchdrin- erreicht wurde. Regelmäßige gen. Kritische Köpfe wandten sich Sitzungen dienten als Forum für von den etablierten Universitäten wissenschaftlichen Austausch. Die ab, in denen die traditionellen frühe Forschung konzentrierte sich Buchwissenschaften Theologie, auf zwei Schwerpunkte, Geschichte Jurisprudenz, Philosophie und und Natur. Ihre Materien sollten ge- Medizin und ihre Deutungsmodelle sammelt, untersucht und dem prak- unterrichtet wurden, und gründeten tischen Nutzen zugeführt werden. gelehrte Gesellschaften mit einem Als finanzielle Grundlage wurden fortschrittlichen, experimentellen der Akademie die Kalendersteuern Forschungsansatz. zugesprochen, wofür sie auch die Verwaltung des Kalenderwesens Die Akademienbewegung griff in übernehmen musste. allen aufgeklärten europäischen Ländern Platz. Der bayerische Die Akademie hatte eine historische Sonderweg lag darin, dass hier die und eine philosophische Klasse, frühen Initiativen aus dem klöster- welche die Naturwissenschaften lichen Bereich kamen. Wenngleich umfasste. Von 1779 bis 1785 gab es

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Die Akademie als Staatsanstalt Schmeller oder die Forschungs- expedition nach Brasilien durch Sie erfuhr neuen Aufschwung, den Zoologen Johann Baptist Spix als sie infolge der Staatsreformen und den Botaniker Karl Friedrich Montgelas‘ am 1. Mai 1807 von von Martius von 1817 bis 1820. einer freien Gelehrtengesellschaft in eine „Königliche Centralstelle“ Die Reformen Ludwigs I. mit staatlich ernannten und besol- deten, hauptamtlichen Mitgliedern Die Verlegung der Universität von umgewandelt wurde. Der neuen Landshut nach München durch Kö- Staatsakademie wurden die durch nig Ludwig I. im Jahr 1826 stellte die Säkularisation stark angewach- eine weitere Zäsur in der Geschich- senen wissenschaftlichen Samm- te der Akademie dar. Nachdem sie lungen und Anstalten des Staates in den Jahren davor als Ersatzuni- als „Attribute“ angegliedert, u. a. die versität gewirkt hatte, wurde sie Zentralbibliothek, das Naturalien- durch die Verordnung von 1827 kabinett, das chemische Laborato- wieder vom Staatsdienst entbunden a y h s t a rium, Münzkabinett und Antiquari- und in ihre ursprüngliche Existenz- b um, die Sternwarte in Bogenhausen, form als reine Forschungseinrich- der Botanische Garten und das tung zurückgeführt. Die „Attribute“ schaftszweigen interessiert und för- Begründer der modernen Anatomische Theater. Ebenso fiel wurden ausgegliedert und teils derte sie durch großzügige Zuwen- Hygiene: Max von Petten- ihr das Vermögen der aufgelösten einem neu geschaffenen „General- dungen aus seiner Privatschatulle. kofer untersuchte nach 1854 Mannheimer Akademie zu. konservatorium“ unterstellt, dessen Zwei Kommissionen wurden von die Beschaffenheit des Bo- Vorsitz der Akademiepräsident bis ihm gestiftet und unterhalten: die dens in München, um den Die Akademie erlebte in den 1936 in Personalunion innehatte, naturwissenschaftlich-technische Ursachen der Cholera-Seuche kommenden Jahrzehnten einen teils mit den Lehrsammlungen der Kommission von 1852 und die auf die Spur zu kommen Höhepunkt wissenschaftlicher Universität vereint. Friedrich Wil- noch heute bestehende Historische (Die Objekte befinden sich Forschungsleistungen, z. B. die Er- helm Schelling, der schon vor 1820 Kommission bei der Bayerischen im Deutschen Museum). findungen optischer Präzisionsins- in München gewirkt hatte, wurde Akademie der Wissenschaften von trumente durch Joseph von Fraun- 1827 in das Präsidentenamt der 1858. Maximilian II. berief Gelehr- hofer, der Wassersäulenmaschine Akademie geholt. Diese litt unter te aus ganz Deutschland, zumeist durch Georg von Reichenbach oder dem Sparkurs und den Kontroll- Protestanten, nach München. Einer des galvanischen Telegraphen durch maßnahmen des Königs, der sich der prominentesten Vertreter der Samuel Thomas von Sömmering, mehr für Kunst als für Wissenschaft so genannten Nordlichter war der die Begründung des Bayerischen interessierte. Durch die Verordnung aus Gießen kommende Justus von Wörterbuchs durch Andreas von 1841 griff Ludwig I. schließ- Liebig, der berühmteste Chemiker lich massiv in die Selbstverwaltung des 19. Jahrhunderts. Mit seinen der Akademie ein, indem er die öffentlichen Abendvorlesungen im Ernennung des Vorstands und von „Liebig‘schen Hörsaal“ trug er zur je sechs Mitgliedern in jeder Klasse Popularisierung wissenschaftlicher beanspruchte. Forschungsleistungen bei. Den überregionalen Ruhm der Aka- Maximilian II. – demie förderte auch sein Schüler Förderer der Wissenschaften Max von Pettenkofer vor allem mit seinen Forschungen und Maßnah- Als Maximilian II. im März 1848 men zur Bekämpfung der Cholera- den Thron bestieg, verlangten die epidemie, aufgrund derer für ihn Akademie und ihr neuer Präsident 1865 der erste deutsche Lehrstuhl Friedrich Wilhelm von Thiersch für Hygiene an der Münchner Uni- die Rücknahme der Eingriffsrechte versität geschaffen wurde. Liebig des Monarchen. Der neue König war von 1859 bis 1873, Pettenkofer gab der Akademie 1849 das freie von 1890 bis 1899 Präsident der Konstitutionsurkunde vom Wahlrecht ihrer Mitglieder zurück. Akademie. Am längsten übte der 1. Mai 1807: die Akademie a Wie kein anderer Fürst seiner Zeit Theologe Ignaz Döllinger von wird zur zentralen Staats- y h s t a

b war er persönlich an allen Wissen- 1873 bis 1890 die Präsidentschaft anstalt.

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aus. Mit seiner kritischen Haltung Gründung der heute noch existie- Bis zum Ende der Weimarer Repu- gegenüber den Papstdogmen des renden Bayerischen Kommission für blik waren bedeutende Naturwis- Ersten Vatikanischen Konzils geriet die Internationale Erdmessung (BEK) senschaftler von internationalem er in Widerspruch zur Amtskirche, 1868 wurden in den nächsten Jahr- Ruf in der Akademie tätig, wie wurde exkommuniziert und regte zehnten weitere Langzeitprojekte ins z. B. Carl von Linde, der Begründer die Gründung der altkatholischen Leben gerufen. Nach der Reichsgrün- der Kältetechnik, Wilhelm Conrad Kirche an. dung waren auch Kooperationen von Röntgen, Entdecker der nach ihm Akademien zur Durchführung von benannten Strahlen und erster Die Prinzregentenzeit: umfangreichen Forschungsprojekten Nobelpreisträger der Akademie, Blütezeit der Akademie möglich, die die Kapazität einer Arnold Sommerfeld, der zu den einzelnen Akademie überstiegen. Das Vätern der Atomphysik gehört, und Die Reichsgründung 1870/71 lei- Großprojekt des Thesaurus linguae Richard Willstätter, der für seine tete eine bis zum Ersten Weltkrieg Latinae führte 1893 zum Zusammen- Forschungen über das Chlorophyll andauernde Blütezeit der Akademie schluss der deutschen Akademien 1915 den Nobelpreis erhielt. ein. Die wissenschaftliche Arbeit pro- im „Kartell“. Sechs Jahre später kam fitierte von der langen Friedenszeit eine zweite umfassendere Vereini- Im Nationalsozialismus und einer zuverlässigen finanziellen gung zustande, die internationale Absicherung. Beginnend mit der Assoziation der Akademien. Die Zeit des Nationalsozialismus Liebig-Stiftung von 1873 breitete eröffnete keine vergleichbaren sich privates Mäzenatentum in der Der Erste Weltkrieg Chancen wissenschaftlicher Entfal- Akademie aus. 1914 wurde die Hälfte tung. Die Situation zwischen 1933 des jährlichen Finanzbedarfs durch Im Wechselspiel der Zeiten erwies und 1945 behinderte und bedrohte private Stiftungen gedeckt. Sie er- sich die Bayerische Akademie der vielmehr mit ihren ideologischen Nach ihrer Aufnahme als möglichten die Durchführung großer Wissenschaften als anpassungsfähig. Vorbedingungen die Arbeit der Ehrenmitglied im Jahr 1892 Projekte, wie die archäologischen Dass sich sogar Krisenphasen be- Akademie. Die vier wesentlichen schenkte Prinzregent Luitpold Ausgrabungen Adolf Furtwänglers fruchtend auf ihre Arbeit auswirken Maßnahmen der NS-Regierung, der Akademie eine Marmor- in Ägina oder die Verlegung des konnten, zeigte der Byzantinist Durchsetzung des „Führerprinzips“, büste von Prinzessin Therese Botanischen Gartens durch Karl von August Heisenberg am Beispiel Satzungsänderung, Eingriffe in von Bayern. Das Kunstwerk Goebel nach Nymphenburg. des Ersten Weltkriegs: „Der Krieg, das Wahlsystem und Verfolgung von Wilhelm von Rümann in dem wir stehen, der furchtbare „nicht arischer“ Mitglieder und wurde im Festsaal der Akade- Die Forschungstätigkeit verlager- Vernichter unendlicher Werte, hat Mitarbeiter, wurden der Akademie mie aufgestellt (Wittelsbacher te sich zunehmend in langfristig zugleich in schöpferischer Kraft der aufgezwungen. 1936 wurde der li- Ausgleichsfonds). angelegte Arbeitsgruppen. Nach der Wissenschaft die stärksten Antriebe nientreue Historiker Karl Alexander gegeben.“ von Müller als Präsident eingesetzt. Zahlreiche Parteimitglieder wurden Drei große Projekte wurden zwi- aufgenommen, zugleich schloss die schen 1914 und 1918 in Angriff Akademie die jüdischen Mitglieder genommen und vollendet, bei Lucian Scherman, Alfred Prings- denen jeweils kriegsbedingte Kons- heim, Richard Willstätter und Hein- tellationen zu wissenschaftlichen rich Liebmann aus. 1936 wurden Experimenten ausgenützt wurden, die staatlichen Sammlungen dau- die in Friedenszeiten nicht möglich erhaft von der Akademie getrennt. gewesen wären: Die Kommission Das Akademiegebäude an der für Mundartforschung machte Neuhauser Straße wurde durch den sich zur Aufgabe, die Sprache der Bombenangriff vom 23./24. April Soldaten mittels Fragebögen zu 1944 bis auf die Grundmauern studieren; August Heisenberg führte zerstört. Die Arbeit der Akademie neugriechische Dialektstudien mit kam völlig zum Erliegen. einem griechischen Armeecorps durch, das sich in Deutschland Von der Nachkriegszeit aufhielt, und nach 1915 schickte die bis zur Gegenwart Akademie eine Expedition in den Urwald von Bialovice in Ostpolen Nach dem Zusammenbruch und a zur Erforschung der letzten dort frei der Entnazifizierung konnte die y h s t a

b lebenden Wisente. Akademie am 31. Juli 1946 unter

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Zunächst war sie eine landesherr- liche Gründung. Der Bezug zum Herrscher prägte die Einrichtung und verlieh ihr in jeder dynas- tischen Epoche bis zum Ende der Monarchie in Bayern einen charakteristischen Zuschnitt. Auf den damals begründeten Traditio- nen basiert sie noch heute. Von Anbeginn an war eine interdiszip- linäre Ausrichtung gegeben. Die lebendige Wechselwirkung aller Wissenschaften untereinander wurde zur Grundlage für vielfäl- tige Forschungsprogramme und fruchtbaren wissenschaftlichen Meinungsaustausch. Auch das Konzept, für die nach verschie- denen Richtungen auseinander- driftenden Spezialdisziplinen einen Mittel- und Sammelpunkt zu bil- den, Raum und Rahmen für lang- fristige Vorhaben der Grundlagen- forschung zu schaffen, trägt noch immer. Es bildet in der Gegenwart, die auf schnelle Ergebnisse kurz- fristiger Projekte fixiert ist, ein überzeugendes Gegengewicht. Die Akademie hat als älteste zentrale Wissenschaftsinstitution Münchens „Gleichschaltung“ der schließlich auch den kulturellen Akademie in der NS-Zeit: Auftrag, das Erbe der letzten 250 Schnellbrief des Reichs- Jahre lebendig zu halten. Aus ministeriums für Wissen- ihrer Geschichte kommt ihr eine schaft, Erziehung und Volks- a zeitlos gültige, zukunftsweisende bildung vom 15. November y h s t a

b Bestimmung zu, die schon Aka- 1938 zur Umgestaltung der demiepräsident Karl Theodor von Satzung. Präsident Walther Meißner in ihrem Staat getragen wurde, gibt es seit Heigel vor 100 Jahren formulierte: provisorischen Domizil in der Ma- 1979/80 mit dem Akademienpro- „Ungehemmt durch Rücksichtnah- ria-Josepha-Straße in München wie- gramm des Bundes und der Länder me auf praktische Aufgaben und der eröffnet werden. Sie erreichte eine neue Finanzierungsgrundlage Bedürfnisse und sogar auf die Ge- jedoch erst mit dem Einzug in die für Langzeitprojekte. Diese Förder- fahr hin, dass dem Außenstehen- Münchner Residenz und der gleich- maßnahme ist heute in Deutschland den diese Abgeschlossenheit und Hinweis zeitigen Verleihung des Status’ das größte Programm zu Unter- Ruhe als Stillstand oder Nieder- einer Körperschaft des Öffentlichen stützung geisteswissenschaftlicher gang erscheinen möchte, sind die Die Ausstellung „Helle Rechts den bis heute anhaltenden Grundlagenforschung außerhalb der Akademien heute ... Trägerinnen Köpfe – Die Geschichte Aufschwung. Zwischen 1959 und Universitäten. des bleibenden Ideals der freien der Bayerischen Akademie 2008 wurden 23 neue Kommis- Wissenschaft.“ der Wissenschaften sionen geschaffen, so viele wie Aus ihrer 250-jährigen Geschichte       1759 bis 2009“ ist noch bis niemals zuvor in ihrer Geschichte. sind der Bayerischen Akademie 5. Juli 2009 in der Ludwig- Nachdem das Stiftungswesen durch Konstanten und Kompetenzen Die Autorin ist Leiterin des straße 14, 80539 München, die Weltkriege und die Inflation erwachsen, die sie von anderen Archivs der Bayerischen Aka- zu sehen. Geöffnet ist der 1920er Jahre weitgehend zum Großforschungseinrichtungen un- demie der Wissenschaften und Dienstag bis Sonntag von Erliegen gekommen war und die terscheiden und ihr noch heute ein der Abteilung V im Bayerischen 10 bis 18 Uhr. Akademie seitdem vollständig vom unverwechselbares Profil geben: Hauptstaatsarchiv.

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M edai l l e n u n d p r ei s e Dem Verdienste seine Kronen

V o n E h r e n medai l l e n b i s z u s I t z u n g s j e t o n s – s ei t i h r e r G r ü n d u n g h at die A kademie w i s s e n s c h a f t l i c h e l ei s t u n ge n , b e s o n de r e s e n gageme n t u n d i h r e „ b E s t e n “ mi t k u n s t v o l l a u s ge p r ä g t em E de l me t a l l gee h r t.

von markus wesche merenti“. Erst als die Sammlungen für die wissenschaftliche Forschung em Verdienste seine an Bedeutung verloren und als Kronen“, das überaus Staat und Gesellschaft nach dem Dgeläufige Zitat aus verlorenen Ersten Weltkrieg in Medaille auf die Gründung Schillers Gedicht „An die Freu- Armut stürzten, wurde aus der der Bayerischen Akademie de“ (gedruckt zuerst 1786), Medaille Bene merenti eine d w a

der Wissenschaften 1759, hatte nicht nur metaphorische Auszeichnung für wissen- b Silber 62 mm, durch den Bedeutung, sondern für den Münzmedailleur Franz An- damaligen Zeitgenossen auch dreas Schega (1711–1787). einen sehr realen Sinn. Der Die Vorderseite zeigt den Kronentaler der Österreichischen Protektor der Akademie, Niederlande, eingeführt 1755 und Kurfürst Max III. Joseph, die benannt nach den drei abgebildeten Rückseite eine Darstellung Habsburgerkronen, war um 1800 der Pallas Athene als Symbol eine gängige Handelsmünze in für die Wissenschaften mit Süddeutschland und Österreich mit 1807 wurde die Akademie der Freiheitsmütze auf einem der Aufschrift „Kronentaler“ ge- in eine staatlich alimentierte Stecken und dem Wappen- worden. Er wurde erst 1857 durch zentrale Forschungsinstitution schild der Akademie in der den Wiener Münzvertrag aus dem umgewandelt. Nun honorierte Linken. Die Medaille wurde Verkehr gezogen, der als Goldmün- man gelegentlich externe For- mit erneuerten Portraitseiten ze die „Krone“ einführte, und das scherleistungen mit dem mangels auch in Gold und Silber als 10-Mark-Goldstück der Reichswäh- Besserem in Gold ausgeprägten Prämie für die Preisaufgaben rung von 1873 war in der Amtsspra- Jeton, der als Marke für die Sit- der Akademie ausgegeben. che ebenfalls eine „Krone“. Also zungshonorare bestimmt war. Die eigentlich: „Dem Verdienste seine Praxis von Ehrenmedaillen wurde Kröten.“ nach langer Unterbrechung erst schaftliche Leistungen und ein unter dem Präsidenten Justus von Ehrenzeichen für herausgehobene Lohn für Leistung, Liebig (1859–1873) wieder aufge- Förderer der Akademie, so etwas Dank an Stifter nommen, als dessen Ansehen zu wie ein tragbarer Orden. substantiellen Erweiterungen der Diesem Weltprinzip hat die Akade- wissenschaftlichen Sammlungen Denkmale für die „Besten“ mie seit ihren Anfängen mit großer des Staates führte, die im so ge- Selbstverständlichkeit gehuldigt. nannten Generalkonservatorium Was man als „Zuwendungen an Die prachtvolle große Medaille auf von der Akademie verwaltet wur- Externe“ bezeichnen kann, ist eine die Gründung im Jahr 1759 wurde den. Hohe Zuwendungen dieser Sache des Anstands, eine Ehren- in Gold zu 50 Dukaten mit 174 Art durch private Stifter konnten pflicht. Wie ging die Akademie Gramm Gewicht für Preisaufgaben vergolten werden nur durch das jedoch mit den „Verdiensten“ in vergeben, und als dieser Preis für edelste und schönste aller Metalle, den eigenen Reihen um, in der die erbrachten Leistungen zu hoch durch Gold. Dazu wurden nun egalitären Gelehrtensozietät der erschien, führte man eine kleinere eigene Medaillen entworfen, seit „Besten“? Auch dabei hat sie Zei- Medaille ein. 1888 mit der Aufschrift „Bene chen gesetzt.

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Hier die drei Fälle, in denen dies nisators Justus von Liebig, im Jahr geschah: Der erste ist der Akade- darauf verstarb er am 25. Februar. miepräsident Friedrich Wilhelm von Sein Ansehen war nach fast Thiersch (1784–1860, Präsident 50-jähriger Zugehö- Präsentmedaille der Aka- 1848–1859). Der Altphilologe rigkeit so gewaltig, demie aus der Zeit des Thiersch war der Akademie bereits dass die Akademie Präsidenten Justus seit 1811 als Adjunkt und seit 1815 eine besondere, nie von Liebig, Bronze- als ordentliches Mitglied verbunden. dagewesene Ehrung abschlag 38 mm, Von 1827, seit der Umbildung der beschloss. In ihrer Staatliche Münz- Akademie durch König Ludwig I. Sitzung vom 3. März sammlung München. in eine Gelehrtengemeinschaft 1860 beantragte die Die Vorderseite ist das ohne Pflicht zu eigenständiger, Philosophisch-philolo- offiziöse, auch ander- bezahlter Forschung, bis 1848 fun- gische Klasse die Prägung wärts verwendete Medail- gierte Thiersch auch als Sekretär einer Gedenkmedaille, am lenportrait König Max’ II. von der Philologisch-philosophischen 2. Juni stimmte auch das Akade- beschieden, 150 Exemplare der Karl Voigt, die Rückseite von Klasse und hatte damit großen mie-Plenum zu. Die Gestaltung der künstlerisch gelungenen und Johann Adam Ries zeigt den Anteil an der Leitung der gesamten Medaille wurde genau festgelegt. würdigen Gedenkmedaille wurden Eichenkranz in Anspielung Institution. Als Thiersch während Sie sollte auf dem Revers nur geprägt. auf die altrömische corona der Lola Montez-Affäre und der den Namen und die Lebensdaten quernea für verdiente Bürger. Revolution von 1848 als Rektor tragen nebst der Bezeichnung Eine Ehrung mit Eintrübungen die Universität geschickt durch „Philologus“ – „die Anordnung die Stürme steuerte, ernannte ihn nach Bedürfniß der Schönheit und Der zweite Fall war der des der dankbare König zum Akade- Symetrie“. Nichts deutet darauf Botanikers Carl Friedrich Philipp miepräsidenten. Beide Männer hin, dass die Medaille eine Ehrung von Martius (1794–1868). Auch standen sich auch als glühende seitens der Akademie ist. Die er war der Akademie sehr lange Philhellenen nahe – der Münch- Herstellung bedurfte allerdings der verbunden: Als Zwanzigjähriger ner Professor der Beredsamkeit Billigung durch das Ministerium, wurde er frisch nach der Doktor- und der Alten Literatur hatte sich, denn die Kosten von 495 Gulden promotion 1814 als „Zögling“, als ausgestattet mit 7.000 Gulden aus konnten „bei dem Mangel aller Auszubildender, dem Botanischen eigener Tasche, 1831 in die Wirren Mittel sowohl bei der Akademie als Garten zugewiesen, einem der des griechischen Freiheitskampfes dem General-Conservatorium der Forschungsinstitute der Akade- gestürzt. 1859 allerdings war wissenschaftlichen Sammlungen mie. Hier gewann er durch seine Thiersch müde geworden und gab des Staates, nur dadurch gedeckt Gewandtheit die Aufmerksamkeit mit 75 Jahren die Akademieprä- werden [...], daß sie aus dem erle- des Königs Max I. Joseph, der die sidentschaft und die aufwändige digten Gehalt des geheimen Rathes Botanik liebte und den blutjungen m m l u n g a Stellung des Generalkonservators von Thiersch als Conservator des Wissenschaftler 1817 der österrei- der wissenschaftlichen Samm- königlichen Antiquariums, der chischen Expedition nach Brasilien

t l . m ülungen n z s gern in die Hände des 1500 f [Gulden] beträgt, geschöpft mitgab. Was aus der dreijährigen aa s t dynamischen Wissenschaftsorga- würden“. Der Antrag wurde positiv Reise durch unerforschten Tropen- wald folgte, gehört zu den ewigen Ruhmesblättern Münchner Wis- Medaille auf den Tod des senschaft und der Sammlungen in ehemaligen Akademiepräsi- dieser Stadt. Martius brachte neben denten Friedrich Wilhelm anderem den Rest seines Lebens von Thiersch [1860], Bronze mit der Auswertung der Expedition 48 mm, durch den Münchner zu, 27 Jahre mit der dreibändigen Münzmedailleur Johann „Historia naturalis palmarum“ mit Adam Ries (1813–1889). Die 245 Imperialfolio-Tafeln (1823– Medaille wurde auf Kosten 1850) und der internationalen der Akademie in 150 Exem- Organisation der „Flora Brasilien- plaren geprägt. sis“, die erst 1906 abgeschlossen wurde. In der Akademie wirkte er nicht nur als Konservator der Botanischen Sammlungen, sondern fast 28 Jahre als Sekretär der Ma-

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kostbare Goldmedaille, worauf der Geehrte mit einer hinreißenden Rede ex tempore dankte.

Medaille auf den Tod des Wie prestigeträchtig der Akademie Akademiepräsidenten diese Goldmedaille war, mag ein Ignaz von Döllinger, 1890, Parallelvorgang beleuchten. Bronze 55 mm, Portrait Martius war, im heutigen Jar- durch Julius Zumbusch gon, einer der „bestvernetzten“ (1832–1908). Das le- Wissenschaftler seiner Zeit, bendige, handgravierte durch die Universalität seiner Inschriften-Revers des Bildung und seiner Wissen- Medailleurs am Haupt- schaft gleichermaßen wie münzamt Alois Börsch durch seine allseits berühmte (1855–1923) mag auch Gastfreundschaft und Geselligkeit mit dem unerwarteten Tod in München. Drei seiner Freunde Döllingers und der schnellen an den bayerischen Universitäten Fertigstellung des Stempels München, Würzburg und Erlangen zusammenhängen. thematisch-physikalischen Klasse beschloss, ein kostbares Zeichen taten sich zusammen, um ihrerseits (1841–1868), jedoch nicht ohne zu setzen und hielt als „Aus- für eine goldene Ehrenmedaille zu erhebliche Eintrübung. Denn als druck ihrer Anerkennung [...] die sammeln. Als sie dem Akademie- 1854 ein Großteil des Alten Bota- Prägung einer goldenen Medaille präsidenten von Liebig von diesem nischen Gartens zugunsten des für für das angemessenste und für Plan berichteten, riet der davon ab Industrieausstellungen geplanten das dem Jubilar wolthuendste [!] mit dem Hinweis, die Akademie „Glaspalastes“ vernichtet wurde, Zeichen“. Auch hier musste die habe ebenfalls eine solche Ehrung trat Martius im Zorn von Professur Akademie die Kosten von 660 beschlossen. Liebig war gewiss und Konservatorsstelle zurück. Gulden aus überschüssigen Mitteln klar, dass die Subskription der Kon- Als in einer Kommission Orts- aufbringen. Die Ehrung auf dem kurrenten einen weit größeren Be- wahl und Nachnutzung des Glas- 105. Stiftungsfest am 30. März trag erbringen würde als der immer palastes beraten wurden, hatten 1864 war allerdings überschattet magere bayerische Staatssäckel. nämlich Friedrich von Thiersch, durch den Tod König Max‘ II. drei Justus von Liebig und Martius ihre Wochen zuvor – die Hoftrauer ließ Und so geschah es: Die Medaille, Vorstellungen nicht durchsetzen eine große öffentliche Feier als die der Wiener Medailleur Karl können. Zehn Jahre später stand unschicklich erscheinen. Erst nach Radnitzky als Meisterwerk der sein Goldenes Doktorjubiläum der Gedenkrede Ignaz von Döl- Prägetechnik und der Originalität an, zugleich das seines Eintritts lingers auf den König überreichte vollbrachte, hat in Gold und 70 mm in die Akademie. Die Akademie Justus von Liebig dem Jubilar die Durchmesser mit 349 Gulden ein

Zwei Medaillen auf das Gol- dene Doktorjubiläum von Carl Friedrich Philipp von Martius 1864: vom Wiener Medailleur Karl Radnitzky (1818–1901), hier in Bronze 70 mm (diese Seite), und vom Münchner Medailleur Alois Stanger (1836–1879), in Bronze 48 mm (folgende Seite), Letztere im Auftrag der Akademie. Die größere Medaille in Gold war das Ergebnis einer weltwei- m m l u n g

ten privaten Spendenaktion, a die binnen vier Monaten

2.444 österreichische Gulden t l . m ü n z s aa

erbrachte. s t

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Mehrfaches an Wert als die weitaus kleinere Münchner Medaille. Die Kollekte, die in Deutschland von Aschaffenburg bis Wunsiedel Bedeutung die Medaille für das reichte, vor allem aber durch ein Gedenken im Kreis der Freunde weltumspannendes Netz von Wien hatte (in deutscher Übersetzung): bis St. Petersburg, von London, „Montag, 28. Juli [1890]. Dr. , Melbourne bis New York 420 Lossen [der Syndikus der Akade- Freunde und Gönner in über 100 mie] kam bald nach dem Frühstück Städten verband, erbrachte 2.444 mit der Bronzemedaille Döllin- Gulden 67 Kreuzer österreichischer gers, die die Königlich bayerische Währung, die Akademie dagegen Akademie zu seinen Ehren hatte nur einen Betrag von – umgerech- ausführen lassen. Die Ähnlichkeit net in österreichische – 565 Gulden. ist ausgezeichnet, und wir waren Bezahlt wurden von diesen Sum- glücklich, eine besitzen zu dürfen. men auch die kostbaren Etuis und Darauf gingen wir zu Julius Zum- Futterale, kalligraphische Urkun- busch (Theresienstraße 54), der Heute verleiht die Akademie den und Bronzeabschläge für alle Döllingers Totenmaske abgenom- die Medaille Bene merenti Beteiligten. Die weltumspannende men und die Medaille ausgeführt in Gold, Silber oder Bronze Ehrung der Martius-Freunde, bin- hatte. Wir sahen den Abguß von an Persönlichkeiten, die sich nen vier Monaten eine logistische der Maske, und sehr friedvoll war besonders um die Akade- Meisterleistung, wurde zu Recht in der Ausdruck, ganz als schliefe er. mie und ihre Ziele verdient der Presse als „gelehrte Monstre- Herr Zumbusch hatte Medaillon- gemacht haben. d w A

B Adresse“ bestaunt. Portraits von Döllinger, viel größer Allein, Döllinger verstarb sieben als die Medaille, und wir bestellten Der Tod als Goldräuber Wochen vor dem 91. Geburtstag ein Exemplar. Dann nahmen wir am 10. Januar, und die Medaille Abschied von unseren Freunden, Der letzte Fall einer persönlichen wurde unversehens zu einem Erin- und eine Stunde darauf nahmen Ehrung vor dem Ende aller nerungsmal. Ein Goldabschlag, bei wir Abschied von München.“ goldenen Herrlichkeit ist der des 55 mm Durchmesser von hohem      

Der Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für das Repertorium „Geschichts- quellen des deutschen Mittel- alters“, kuratierte 1997 die Ausstellung „Eine Akademie auf Medaillen“ in der Staatlichen Münzsammlung München. Der Katalog ist noch erhältlich.

Literatur

Ignaz von Döllinger (1799–1890), Gewicht, konnte deshalb nicht Markus Wesche, Eine Akademie auch er Akademiepräsident von verehrt werden, jedoch bestellte auf Medaillen. Die Bayerische höchstem öffentlichen Ansehen die Akademie im April 1890 12 Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1873 bis 1890. Ihm silberne und 160 in Bronze für die und ihre Mitglieder im Spiegel hatte die Akademie zur Vollen- Freunde in der Akademie und der von Medaillen und Plaketten, dung des 90. Lebensjahres am Universität. Der englische Freund München 1997, 28. Februar 1890 eine Medaille und Schüler Döllingers Alfred ISBN 3-7696-0901-8. m m l u n g a zugedacht, für die Döllinger dem Plummer, der später seine über Bildhauer Julius Zumbusch in den zwanzig Jahre gepflegten „Conver-

t l . m ületzten n z s Monaten des Jahres 1889 sations with Dr. Döllinger“ zusam- aa s t Modell saß. menstellte, lässt erkennen, welche

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f i n a n z e n Die Gunst der Stifter

F o r s c h u n g s f ö r de r u n g a n de r K ö n ig l i c h B ay e r i s c h e n A kademie im J u be l - ja h r 1 9 0 9 : z a h l r ei c h e s t i f t u n ge n s t a n de n dama l s f ü r u n t e r s c h ied l i c h s t e p r o jek t e z u r v e r f ü g u n g .

von Markus Wesche linguae Latinae, des umfang- elektronischen Münchner Wissen- reichsten Lexikons der klassischen schaftsnetzes zählt und inzwischen ie Bayerische Akademie lateinischen Sprache, mit ca. 20 zu einem weltweit bedeutenden der Wissenschaften steht Speicherplatz der westlichen kultu- Medaille auf den Chemiker Dim 250. Jahr ihres Beste- rellen Überlieferung geworden ist, Justus von Liebig, 1870, Bron- hens als mächtige Organisation da. von den Rechenleistungen seines ze 70 mm, ausgeführt von Bei einem Finanzvolumen von Höchstleistungsrechners ganz Heinrich Brehmer (1815–1889) ca. 36 Millionen € (davon abgesehen. Zu den Kommissio- und bestimmt als Preisme- mehr als 9 Mio. € eingewor- nen kam 1858 als Zustiftung daille der von der Akademie bene „Drittmittel“) und fast eigenen Rechts die Histo- verwalteten Liebig-Stiftung 350 Beschäftigten ist sie rische Kommission, der vor für Verdienste um die Land- die größte Wissenschafts- hundert Jahren noch eine wirtschaft. Die Medaille wur- akademie Deutschlands. eigene Historische Klasse de als Ehrenpreis in Gold zu Die zentrale Verwaltung entsprach, die bis 1941 85 Dukaten = 296 g im Wert von Finanzen und Personal bestand. von 850 Mark in Silber und wird von nur einem guten in Bronze ausgegeben. Die Dutzend Mitarbeiterinnen und Vor hundert Jahren ... Medaillen- und Geldstiftung Mitarbeitern bewerkstelligt, sie wurde auf Wunsch Liebigs verfügt über eine einzige Stelle Die Akademie vor hundert Jahren von Verehrern des Chemikers für Presse und Kommunikation. Der war eine ganz andere, dies lässt der eingerichtet, das Medaillen- oberste Dienstherr, der Präsident, „Almanach zum 150. Stiftungsfest porträt fand nicht ganz den ist ein ehrenamtlich fungierendes 1909“ erkennen, der Leitfaden un- Beifall der Freunde Liebigs. Mitglied der akademischen Ge- serer folgenden Betrachtung. Die „Ich fiel beinahe um, als ich lehrtensozietät, das im Ruhestand drei damals bestehenden Klassen, einen Kopf erblickte mit der ist und sich der Leitung der ihm die Philosophisch-philologische, Umschrift Justus v. Liebig, anvertrauten Institution unbe- die Mathematisch-physika- der auch nicht im geringsten lastet von anderen Pflichten lische und die Historische, den Charakter Deines Kopfes widmen kann. Die Arbeit hatten 1909 statutenge- und Gesichtsausdruckes hat“, der Akademie ist heute, mäß zwölf, 18 und zwölf so der Freund und Chemiker das zeigen allein schon ordentliche Mitglieder, die Friedrich Wöhler (1800–1882). diese Daten, von Kargheit, in München wohnhaft sein Ökonomie und Effizienz und den regelmäßigen Sit- bestimmt. Die beiden zungen beiwohnen mussten. Klassen, die Philosophisch- Wer sonst noch akademia- historische und die Mathema- bel war, wurde in der Regel tisch-naturwissenschaftliche, außerordentliches Mitglied. organisieren unterhalb des Be- Die Verwaltung, die unter einem reichs der Gelehrtengemeinschaft beamteten Syndikus arbeitete, der „ordentlichen Mitglieder“ die bestand aus Kanzleisekretär und Arbeit der Kommissionen, ca. 30 Diener, Kassier und Kassensekre- geisteswissenschaftliche und Mitarbeitern und Stipendiaten. tär, einer Hausverwaltung für das m m l u n g

zehn naturwissenschaftliche. Die Eine eigene mächtige Satrapie Domizil, das Wilhelminum in a größte Kommission der Philoso- stellt das Leibniz-Rechenzentrum der Neuhauser Straße, mit einem

phisch-historischen Klasse ist die mit 146 Mitarbeitern dar, das zu Hausmeister, einem Hausdiener, t l . m ü n z s aa

für die Herausgabe des Thesaurus seinen Aufgaben den Unterhalt des der auch Heizer, und einem Pfört- s t

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ner, der auch Hilfsheizer war – acht wurden jedoch mit ihrem Hilfsper- Justus von Liebig. Das Stiftungs- Personen insgesamt, die auch die sonal aus den Staatsmitteln für die kapital war 1909 bereits auf 47.700 noch zu erwähnenden wissenschaft- Sammlungen bezahlt. Noch 1920 Mark angewachsen und warf eine lichen Sammlungen des Staates bestand die zentrale Akademiever- schwere goldene Medaille im Wert verwalteten. Der Bibliothekar war, waltung aus zehn Personen, vom von 850 Mark als Ehrenpreis aus wie heute auch, ein Bibliothekar Regierungsrat bis zum Pförtner, oder Geldsummen zwischen 1.000 der Staatsbibliothek. Die Zahl der die Sammlungen aus 104, von den und 1.500 Mark, jedoch alles für Arbeitskommissionen war ver- Direktoren bis zu den Offizianten. Leistungen zur Förderung der glichen mit den heutigen Zustän- Arme alte Akademie, so ist man Agrarchemie. Ähnlich der Zogra- den sehr bescheiden: für die Her- versucht zu sagen. Doch war die phos-Fonds von 1877, mit 20.000 ausgabe der Monumenta Boica, für Akademie wirklich so arm? Mark Kapital ausgestattet, der das die internationale Erdmessung, für Studium der griechischen Sprache Herausgabe des Thesaurus linguae Mehr Zinserträge und Literatur durch Preisaufgaben Latinae, einer Enzyklopädie der als Staatsmittel fördern sollte. 1907 erhielt der mathematischen Wissenschaften, Klassische Philologe Paul Maas mittelalterlicher Bibliothekskata- Sie war es nicht eigentlich, wie aus München 1.500 Mark für loge und der Kommission für das man gleich sehen wird. Seit dem „Die Metrik der kirchlichen und Corpus griechischer Urkunden ausgehenden 19. Jahrhundert wa- profanen Poesie der Byzantiner“. – nicht mehr als sechs also. Eigenes ren ihr nämlich zunehmend private Die vom Vermögen des Bonner wissenschaftliches Personal lässt Stiftungen zugeflossen, die bis Universitätsprofessors Edmund sich nur für die Erdmessung mit zur großen Inflation von 1923, die Hardy 1905 eingerichtete Stiftung einem Observator und einem Offi- die meisten von ihnen zusammen- mit einem Fonds von 71.386 Mark zianten und für den Thesaurus aus- schmelzen ließ, hohe Zinseinkünf- war noch spezieller ausgerichtet: machen. Das „Thesaurus-Bureau“ te verbürgten. Der Ende 1917 ins Sie sollte nur indologische Studien bestand aus dem Generalredaktor Amt gekommene Syndikus, der fördern. Ernst Lommatzsch, dem Redaktor Historiker und spätere Akade- Berthold Maurenbrecher, dem miepräsident Karl Alexander von Freie Forschungsstiftungen Sekretär Gymnasialprofessor Oskar Müller, formulierte etwas salopp: Hey und fünfzehn Assistenten. „So verfügte sie [die Akademie] Die Vergabe von Stiftungspreisen Diese Kommission hatte einen über ein beträchtliches eigenes durch die Akademie bedeutete eigenen Haushaltsplan, der wie Vermögen, dessen Zinsen höher zwar ein erhebliches Renommee heute auch, seine Ressourcen waren als ihr staatlicher Haushalt.“ für die Institution, doch erlaubten aus verschiedenen Töpfen bezog, Diese Zinserträge waren jedoch in präzise Vorgaben seitens der Stifter darunter aus dem Bogenhonorar der Regel sachgebunden. Die erste der Akademie oft keine Förderung des Druckwerkes. Von solchen Stiftung, von der die Akademie eigenbestimmter Forschungen. Finanzierungen abgesehen: die profitierte, war die 1861/63 in Dem halfen erst zwei Stiftungen Aufwendungen des Staatshaushalts Berlin beschlossene Savigny-Stif- ab, die dem großen Ansehen des für die Königliche Akademie be- tung, die turnusmäßig für je zwei Max von Pettenkofer, Akademie- trugen im Jubiläumsjahr nach einer Jahre die Akademien von Wien, präsident von 1890 bis 1899, pauschalen Aufstellung nicht mehr München und Berlin mit Beträgen verdankt wurden: die Cramer- als 81.866 Mark für die Akademie zwischen 5.000 und 1.500 Mark Klett-Stiftung und die „Münchener selbst und 433.224 Mark für das bedachte, sei es für Preisaufgaben, Bürger-Stiftung“, beide von 1896, Generalkonservatorium der staatli- Forschungsunterstützung oder beide für Naturwissenschaften, chen Sammlungen. Diese wissen- Druckkosten wie im Jahre 1900, also „nützliche“ Forschung. Die schaftlichen Sammlungen waren als die Sächsische Kommission Kapitalstöcke beliefen sich auf 1807 als Ausstattung der Akademie für Geschichte von München aus 60.000 und 70.000 Mark; die Bür- überwiesen, jedoch seit 1827 durch einen Zuschuss von 4.000 Mark ger-Stiftung warb auch um weitere König Ludwig I. dem direkten für das Faksimile des illustrierten Zustiftungen. Bei einer damals Bestand der Akademie entzogen Dresdner Sachsenspiegels bekam. üblichen Rendite von 3 bis 4 % und zugleich dem vom Staat er- konnte man hier mit mindestens nannten Akademiepräsidenten als Die 1873 eingerichtete Liebig- 1.800 und 2.100 Mark Jahreszins „Generalkonservator“ unterstellt Stiftung, die erste eigene der rechnen. 1908 und 1909 war die worden. Die Sammlungs-Konser- Akademie, war das Ergebnis eines Bürger-Stiftung so stark ange- vatoren waren zumeist Mitglieder Ehrengeschenks an den hochan- wachsen, dass sie 6.700 bzw. 6.000 der Akademie oder der Universität, gesehenen Akademiepräsidenten Mark auswarf.

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Der hochherzige Unbekannte und Geschichte mit Leidenschaft die Vergabe kamen durchaus den aus Triest interessiert, und obwohl ohne jede Münchner Verhältnissen zupass: akademische Ausbildung, verfass- „Sowohl die zu prämiierenden Der von der Summe her gewaltigs- te er eine Schrift mit dem Titel Arbeiten, als die zu unterstützen- te Fonds im Jahr 1909 war jedoch „Anregungen über die homerische den Unternehmungen müssen der jener der Thereianos-Stiftung, Frage“, die so gehaltvoll war, dass Geschichte, Sprache, Literatur deren Geschichte zugleich die ihn die Freiburger Universität 1869 oder Kunst der Griechen, von den anrührendste ist. 1897 starb im ös- zum Dr. phil. promovierte. Nach ältesten Zeiten bis zur Eroberung terreichischen Triest an der Adria den Worten von Karl Krumbacher Konstantinopels durch die Türken, ein gewisser Dionysios Therianos (1854–1909), dem Begründer angehören. Sowohl die Preise als und hinterließ ein Riesenvermögen der modernen Byzantinistik, war die sonstigen Unterstützungen sol- von 262.308 Mark und 11 Pfennig Therianos „einer der glücklichsten len nur an bayerische oder auch an der Akademie zur Verwaltung und Autodidakten, welche die Wissen- griechische Gelehrte ausgegeben Verwendung. Wer war dieser schaft kennt“, so der warmher- werden.“ Hier hatte sich endlich Gönner? Therianos war 1834 auf zige Nachruf, aus dem die Zitate eine großartige Geldquelle zur stammen (Krumbacher, Populäre Förderung der Altertumswissen- Medaille auf Max von Vorträge, 1909, S. 302–309). schaften aufgetan, in denen man Pettenkofer, 1899, Gold 340 g, Durch eine Rückgratverkrüppelung weit hinter dem Renommee der 60 mm, entworfen vom und unvorteilhaftes Äußeres in Wiener und Berliner Akademien Münchner Bildhauer Her- eine Junggesellenexistenz getrie- stand. So erhielt seit 1899 das mann Hahn (1868–1945), ben, hatte Therianos ganz der ordentliche Mitglied Karl Krum- Stempel von Alois Wissenschaft gelebt, jedoch bacher jährlich 1.500 Mark für die Börsch (1855–1923). Die in breiter Kommunikation mit Herausgabe der 1892 begründeten Medaille kam zu Stande seiner Umwelt. Krumbacher „Byzantinischen Zeitschrift“, dem durch die Bürger, die ersten Organ des Faches, und vom 1896 schon das Kapital gleichen Jahr an bis 1907 gingen der „Münchener Bürger- nach und nach 16.600 Mark an Stiftung“ aufgebracht das ordentliche Mitglied Adolf hatten und nun Pettenkofer Furtwängler (1853–1907), den ein persönliches Geschenk zur Archäologen, für die Heraus- Vollendung des 80. Lebens- gabe seiner „Griechischen jahres machten. Das Gold- Vasenmalerei. Auswahl stück im Wert von 1.000 Mark der Insel Zante geboren und hervorragender Vasenbilder“, vermachte Pettenkofer der als Fünfzehnjähriger 1850 deren erste zwei Bände 1904 Staatlichen Münzsammlung nach Triest gelangt, wohin sein und 1909 mit 120 opulent ge- München, damals Attribut der Vater zum geistlichen Vorsteher druckten Tafeln in den zeichne- Akademie und Repositorium der griechischen Gemeinde beru- rischen Bearbeitungen von Karl aller empfangenen Medaillen. fen war. Nach einem Berufsanfang Reichhold herauskamen – eine Dort wird es heute noch ver- im Versicherungsgewerbe wurde wahrhaft fürstliche Summe, wenn wahrt. Die Stempel gingen an Therianos 1855 Redakteur der man sie auf heutige Kaufkraft in die Akademie; die Ausgabe griechischen Zeitung „Imera“ in Euro verzehnfacht. Der Titel ver- einer Pettenkofer-Medaille Triest, 1861 gründete er sein eige- konnte sich auf eine über zehn merkt eigens: „Mit Unterstützung als Stiftung wurde offensicht- nes Blatt „Klio“; und es war diese Jahre geführte Korrespondenz aus dem Thereianos-Fonds der lich erwogen, aber bei den Zeitschrift, „die er ... bald zum berufen, und dieser sehr persön- Kgl. Bayerischen Akademie der schwierig auszuprägenden vornehmsten griechischen Blatt liche, bestens gepflegte Kontakt Wissenschaften herausgegeben“. Stempeln nicht realisiert. erhob“, welche ihm den gewaltigen wird auch hilfreich gewesen sein, Das Vasenwerk war das erste, das Reichtum einbrachte. Der Jour- der Akademie die hochherzige in mächtigen Abbildungen und nalist ließ seine „Klio“ 1883 ein- Stiftung einzubringen. umfassenden Beschreibungen gehen, „um sich endlich, von mate- Meisterwerke der antiken Vasen- riellen Sorgen durch das reichliche Diese Stiftung sah Folgendes vor: malerei zugänglich machte, und Erträgnis seines Blattes befreit, Nach Abzug zweier Leibrenten es sollte damit Wissenschaftsge- m m l u n g

den gelehrten Studien mit größerer musste nach dem Willen des schichte schreiben. 1907 wurden a Kraft und Sammlung widmen zu Stifters unabänderlich eine Preis- insgesamt 6.300, 1908 7.800

können“. Therianos war an allen aufgabe pro Jahr ausgeschrieben Mark allein von der Thereianos- t l . m ü n z s aa

Fragen der griechischen Literatur werden. Die Bedingungen für Stiftung vergeben. s t

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Ein Kuriosum: des Sachverstands und durch die der weit angelegten, arbeitsteiligen der „Georg Hitl’sche Fonds“ Verwaltung vieler Stiftungen ver- Forschung in Kommissionen mit fahrenskompetent. Wie erfolgreich festbezahlten Spezialisten war Das Jubiläumsjahr 1909 brachte die Stiftung allein in den Jahren unsere mit Sammlungsattributen der Akademie eine Stiftung ganz 1909 bis 1915 war, mag die Zahl bestückte Akademie vor hundert eigener Art, die der „Rentier“ Ge- der Einsendungen bayerischer Jahren weit entfernt. Dennoch org Hitl (1863–1923) mit 15.000 oder in Bayern ansässiger Künstler – sind wir heute besser dran? Die Mark Kapital dotierte. Hitl war zeigen: mehr als 1.100 Entwürfe Stiftungen der Akademie von einst noch nicht lange dieses Standes, waren zu beurteilen. bezeugen doch eine Strahlkraft vielmehr hatte er bis 1907 ein der Institution und zugleich eine blühendes Unternehmen geleitet, Schenkungen leicht machende Medaille auf Georg Hitl die Firma Carl Poellath in Hochschätzung akademischer (1863–1923), den Stifter des Schrobenhausen, die sich Forschung, eine Anteilnahme an Hitl-Fonds der Akademie, auf die Herstellung von wissenschaftlichem Tun inner- Bronze 71 mm, vom Münch- Vereinsabzeichen und halb der Gesellschaft, wie es ner Medailleur und Maler Kunstmedaillen ge- heutzutage nicht recht sichtbar Maximilian Dasio, der selbst worfen hatte. Georg ist. Wissenschaft erscheint zu Hitls Medaillenserien bei- Hitl hatte als Spra- in diesem Lichte als Teil der getragen hatte. Die Rückseite chenstudent 1889 in spielt auf den Lebensweg an, Paris die ungeheure den Hitl 1907 gewählt hatte: Blüte der moder- Pallas Athene (Wissen- nen französischen schaft und Kunst) führt Medaillenkunst Merkur, den Handel, erlebt, und als er 1892 an der Hand. den Betrieb vom Vater übernahm, modernisierte er zunächst den Maschinen- park. Dann suchte er seit 1903 Künstler in ganz Deutschland, um mit modernen Entwürfen das Großforschung oder Geschäft der Kunstmedaille zu individuelle Forschungs- beleben, eine damals zum Zweck förderung? der Auszeichnung und Erinnerung sehr geschätzte Kunstgattung. Bis Zieht man die Summen und 1906 war eine Serie von über 60 nimmt das Jahr 1907, dann konnte Medaillen zusammengekommen, die Akademie damals 12.286 Mark die in ihrer Stilvielfalt und in tech- aus Stiftungsmitteln zur Verfü- nischer Hinsicht eine Sensation gung stellen, 1908 waren es gar waren. Hitl war darüber in engen 24.050 Mark. In den folgenden verwalteten Welt, nicht als Anlie- Kontakt mit dem Konservator des Jahren sollten weitere Stiftungen gen in den Köpfen und Herzen der Akademieattributs der Staatlichen hinzukommen. In der Verwendung Bürger. Doch wer sind auch die Münzsammlung Georg Habich der Gelder zeigt sich deutlich, wie Bürger – damals und heute? (1868–1932) getreten, einem sehr die Akademie damals eine       Akademiemitglied mit weiten andere war als heute. Forschungs- Interessen und einem namhaften förderung kam Individuen zugute Der Autor ist wissenschaftlicher Bildhauer als Bruder. Was lag nä- in Preisaufgaben und einzelnen Mitarbeiter der Kommission her, als wie in den Wissenschaften Projekten, auch solchen Forschern, für das Repertorium „Geschichts- auch auf dem Gebiet der Medail- die der Akademie nicht angehören. quellen des deutschen Mittel- lenkunst durch Preisausschreiben Die vom generalstabsmäßig orga- alters“. aktive Künstler und Nachwuchs nisierenden Althistoriker Theodor zu fördern. Bis zum 20. Dezem- Mommsen im reichen Berlin m m l u n g a ber eines jeden Jahres sollte ein gleichzeitig in Gang gesetzte aka- Medaillenwettbewerb durchgeführt demische „Großforschung“ scheint

t l . m üwerden. n z s Die Akademie war durch in München noch nicht Organisa- aa s t ihr Attribut Münzkabinett der Ort tionsprinzip geworden zu sein. Von

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akademiea r c h i v Kaleidoskop der Münchner Wissenschaftsgeschichte

D a s A r c h i v de r ä l t e s t e n wi s s e n s c h a f t l i c h e n ei n r i c h t u n g m ü n c h e n s b e s t e h t s ei t 1 7 5 9 .

von sylvia krauss mie in eine Staatsanstalt umge- 1851 befasste sich Thiersch mit der wandelt wurde, kamen „Siegel und „Akademischen alten Registratur ei der Gründung der kur- Archiv“ in die Zuständigkeit des (Prot. Bd. 12, § 9, Bl. 165) und bayerischen Akademie Generalsekretärs, der als „allge- dankte dem ehemaligen Landrichter Bder Wissenschaften wurde meiner Geschäftsführer“ unter von Ingolstadt Joseph Gestner, seit das Amt des Archivars durch den vielen weiteren Tätigkeiten „alles 1850 außerordentliches Mitglied Stiftungsbrief vom 28. März 1759 verzeichnet, was zur fortlaufenden der Historischen Klasse, dafür, dass dem Akademiesekretär zugewiesen: Geschichte der Akademie ge- dieser, nachdem er die Bibliothek „Er solle die Abhandlungen nach hört“. Generalsekretär war damals der Historischen Klasse „in Ord- dem Tage der Ablesungen samlen, der Philologe, Archäologe und nung gebracht hat“, noch „dieses das Sigil, Schriften, Bücher, oder Numismatiker Friedrich Ritter von mühsame Geschäft, die Registratur was der Academie sonst gehörig, Schlichtegroll (1765–1822), dem zu ordnen, übernommen“ hat. genau bewahren, und besondere auch die Funktionen des Archivars Gestner fertigte über die Altregis- Verzeichnussen halten, denen er und des Historiographen oblagen. tratur der Akademie ein „Repertori- jederzeit beyschreibt, wan etwas um resp. ein vollständiges Inventar“ mit Erlaubnis des Vice-Präsidenten In den Verordnungen König Lud- an und erstattete auf Wunsch des gegen Beylegung eines Leg-Scheins wigs I. von 1827 wurde das Archiv Vorstands darüber Bericht. Thiersch ausgelehnet worden.“ nicht mehr eigens erwähnt, doch fügte dieser Bekanntgabe eine erfährt man von seinem Fortbeste- „Nota“ an, in der er vermerkte: „Mit Geschichte des Archivs hen aus den Sitzungsprotokollen Ordnung der reponierten Registratur unter Präsident Friedrich Wilhelm ist die Reform des Geschäftsganges In der Konstitutionsurkunde vom von Thiersch (1784–1860). In der der Akademie und die Controle ihrer 1. Mai 1807, durch die die Akade- allgemeinen Sitzung vom 2. August literarischen und administrativen Vorräthe geschlossen.“

Das Akademiearchiv wurde seit 1759 nebenamtlich verwaltet, in den Nachkriegsjahren durch Bibliothekare der Bayerischen Staatsbibliothek. Seit 1965 wird es kraft einer Vereinbarung mit der bayerischen Archivverwaltung durch einen Archivbeamten des Höheren Dienstes betreut, den das Bayerische Hauptstaatsarchiv mit der Hälfte seiner Dienstzeit an die Akademie abordnet.

Das Archiv befand sich bis zum Münchner Wissenschaftsge- Zweiten Weltkrieg im Wilhelminum schichte des 18. Jahrhunderts: an der Neuhauser Straße. Durch Briefe aus der Gründungs- den Bombenangriff vom April 1944

und Frühzeit der Akademie. b a d w ging fast das gesamte bis 1850

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Ernennungsurkunde für Justus von Liebigs vierte und letzte Amtszeit als Akademiepräsi- dent, 10. Februar 1872, mit Unterschrift König Ludwigs II. (aus seinem Personalakt im

b a d w Akademiearchiv).

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zurückreichende Verwaltungs- interne Vorgänge bezüglich der des ersten Generalsekretärs Adolf schriftgut verloren. Die wertvollsten Verwaltung, Finanzierung, Wahlen, Heinrich Friedrich von Schlichte- Bestände (Briefe der Gründungs- Publikationen, Wissenschaftskon- groll (1765–1822), des Sinologen zeit, Sitzungsprotokolle, Wahlakten, takte etc. Vor allem aber bieten sie Richard Wilhelm (1873–1930) und Personalakten, ältere Verwaltungs- ein bislang noch nicht ausgewertetes des Max Weber-Forschers Johannes akten) waren rechtzeitig in Sicher- Kaleidoskop wissenschaftlicher F. Winckelmann (1900–1985). heit gebracht worden. Erst nach Aktivitäten der Akademie, ihrer Mit- 2008 wurde das Privatarchiv des dem Umzug der Akademie in die glieder und Kommissionen. evangelischen Theologen Wolfhart Münchner Residenz 1959 konnte Pannenberg (*1928) übernommen. der Wiederaufbau des Archivs in 3. Das Herzstück des Archivs Angriff genommen werden. Die sind ca. 3.600 Personalakten der Aufgaben im Krieg ausgelagerten Bestände ordentlichen, korrespondierenden wurden im Laufe des Jahres 1960 und Ehrenmitglieder der Akademie, Das Akademiearchiv hat die Auf- wieder zusammengeführt und im die den Krieg überstanden haben. gabe, die von der Akademieverwal- Zwischengeschoss des neuen Aka- Deren Inhalt reicht vom einfachen tung nicht mehr benötigten Akten demietrakts aufgestellt. Wahlvorschlag oder Personalbogen zu übernehmen und diese sowie bis zu umfassenden Konvoluten, bereits vorhandene historische Bestände die das Ausmaß eines Nachlasses Überlieferung nach den Standards annehmen können. der staatlichen Archivverwaltung zu Das Archiv umfasst heute sechs inventarisieren, konservatorisch zu Kernbestände: 4. Die historischen Verwaltungs- behandeln und dauerhaft aufzube- akten bis 1850 geben Auskunft über wahren. Darüber hinaus obliegen 1. Den wissenschaftlichen Brief- die Aufgaben und Zuständigkeiten ihm die Beratung von wissenschaft- wechsel der Gründungs- und frühen der Akademie, ihre organisato- lichen Benützungen, Auskünfte Mitglieder von 1759 bis 1804. In rischen und finanziellen Belange über die Geschichte der Akademie seiner Festrede zur 93. Stiftungs- der ersten 100 Jahre. Sie dokumen- und Präsentationen („Tag der Ar- feier der königlichen Akademie tieren die Arbeit der von 1807 bis chive“; „Archive in München“). der Wissenschaften am 27. März 1827 angegliederten „Attribute“ 1852 erwähnte Akademievorstand und ihrer Nachfolgeinstitutionen Nachdem das alte Archivver- Friedrich von Thiersch, dass das innerhalb des Generalkonserva- zeichnis im Krieg verbrannt war, „akademische Archiv“ die Korres- toriums der wissenschaftlichen wurden seit den 1950er Jahren pondenz der Gründungsmitglieder, Sammlungen des Staates. Eine summarische Bestandsübersichten u. a. Johann Georg Lori, Ildephons teilweise Ersatzüberlieferung für und Organisationspläne erstellt, Kennedy, Heinrich Braun und die im Krieg zerstörten jüngeren um das Archiv wieder benutzbar zu Sigmund von Haimhausen, „als Verwaltungsakten von 1850 bis machen. Bis Ende 2007 wurde ein ein theueres Vermächtnis ihrer Ge- 1944 bieten die Aktenbestände des Zettelverzeichnis geführt, in dem sinnung und Thätigkeit bewahrt.“ Bayerischen Kultusministeriums im eine Bestände- und Benützerkartei Eine Auswahl der Briefe wurde Bayerischen Hauptstaatsarchiv. vereint waren. Dieses wurde 2007 zum 200-jährigen Jubiläum der in eine elektronische Datenbank Akademie 1959 ediert. Der zwei 5. Die Wahlakten von 1807 bis überführt. Die Personalakten der Meter umfassende Bestand erfuhr 1944 bilden eine eigene Gruppe. Mitglieder wurden 2008 elektro- ein typisches Nachkriegsschicksal: Sie enthalten die Vorschläge und nisch erfasst. Das Verzeichnis wird Er war während des Krieges in Unterlagen zu den Mitglieder- demnächst online bereitgestellt. Das Sicherheit gebracht worden und wahlen. Archiv erfreut sich einer lebhaften wurde 1955 bei Ordnungsarbeiten Benutzerfrequenz aus dem In- und unter ausgelagerten Beständen des 6. Im Archiv befinden sich bedeu- Ausland. Geheimen Staatsarchivs, die aus tende wissenschaftliche Nachlässe       Landshut nach München zurückka- von Akademiemitgliedern, z. B. men, zufällig wieder aufgefunden. der Historiker und Akademieprä- Die Autorin ist Leiterin der sidenten Karl Theodor Ritter von Abteilung V im Bayerischen 2. Die Sitzungsprotokolle der Heigel (1842–1915) und Fried- Hauptstaatsarchiv und Leiterin Plenarsitzungen und der Klassensit- rich Baethgen (1890–1972), der des Archivs der Bayerischen zungen umfassen die Zeit von 1779 Botaniker Carl Friedrich Philipp Akademie der Wissenschaften. bis 1945, weisen jedoch kriegsbe- von Martius (1794–1868) und Karl dingte Lücken auf. Sie enthalten Ritter von Goebel (1855–1932),

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t r adi t i o n Die Aufgabe der Akademie ist die Erforschung des Grundes der Dinge

Z u m s E l b s t b i l d de r b Ay e r i s c h e n A kademie de r W i s s e n s c h a f t e n i n de n r E D E n i h r e r P r ä s ide n t e n .

v o n Vorgänger vor die Öffentlichkeit . 1 3 6 dieter langewiesche getreten. Ohne freie Wissenschaft S kein zivilisatorischer Fortschritt ls sich am 28. März 1860 – dieses Leitmotiv hatte allerdings die königliche Akademie bereits die erste Präsidentenrede der Wissenschaften zur formuliert. Friedrich Heinrich von t „Helle köpfe“, 2009,

A a Erinnerung an ihre Stiftung im Jahre Jacobi hielt sie 1807, als er die 1759 zu einer öffentlichen Sitzung Reform der Akademie zum Anlass u s s t. k traf, konfrontierte ihr neuer Präsident nahm, auf ihre Gründungsgeschich- a Justus von Liebig das Auditorium te zu blicken und ihre künftigen mit einem Weltbild, in dem die Aufgaben zu bestimmen: Wissenschaft alle anderen Kräfte in „Wir brauchen Heroen der Staat und Gesellschaft weit überragte. Humanität“. In der Akade- Nicht die Praktiker des Staates und mie, die er als einen Kreis der Wirtschaft, allein die Wissen- von „Priestern der Humani- schaft habe die Grundlage geschaf- tät“ pries, sah er den Ort, an fen, „die europäischen Nationen auf dem sie heranwachsen. Doch im die gegenwärtige Stufe der Bildung Gegensatz zu Liebig argumentierte und der Überlegenheit über die er aus der Defensive. anderen Welttheile zu erheben.“ Dass Justus von Liebig, Akade- die Menschen heute besser leben Das änderte sich auch bei seinen miepräsident von 1859 bis als ihre Vorfahren, verdanke man Nachfolgern nicht, unter denen sich 1873. Gipsbüste von Michael einzig der „bewußten Beherrschung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Wagmüller im Deutschen der organischen und unorganischen derts die Tradition der öffentlichen Museum. Kräfte, welche allein durch die Präsidentenrede ausbildete. Das Wissenschaft errungen“ werde – eine Prinzip freier, nicht auf „Nützlich- Diese Überzeugung teilten alle, direkte „Folge der Aufgabe rerum keit“ ausgerichteter Wissenschaft, doch mit den Arbeitsberichten, cognoscere causas, an deren Lösung das Jacobi gegen den Vorwurf welche die Präsidenten oft in ihre sich seit einem Jahrhundert unsere verteidigte, in „Müssiggängerey“ Reden einbauten, suchten sie ihre Akademie thätig und wirksam bethei- lediglich „brodlose Kunst“ zu er- Zuhörer vom Nutzen der Akade- ligt hat.“ Liebig setzte Wissenschaft zeugen, hielten die Akademiepräsi- mie für das Königreich Bayern zu mit Grundlagenforschung gleich. Wo denten immer wieder der Forderung überzeugen. So verwies Friedrich „nur das Nützliche der Anstrengung nach zweckgebundener Forschung von Thiersch 1851 auf die mehr als werth“ gelte, „kann sich Wissenschaft entgegen. Friedrich Wilhelm von achtzig Gutachten, Berichte und nicht entwickeln.“ Schelling nannte sie 1829 „gelehrte Anträge, welche die Akademie in Fronarbeit“. Um zu „eigner selb- den vergangenen drei Jahren den Wissenschaft und Fortschritt ständiger Forschung“ fähig zu sein, Staatsorganen vorgelegt habe. Zwei bedürfe die Akademie „in ihren Stellungnahmen zu „Angelegen- Mit einem solchen Überlegen- wissenschaftlichen Arbeiten der heiten des öffentlichen Nutzens“ heitsgestus war keiner seiner völligen Unabhängigkeit“. hob er hervor: die eine handelte

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über die „Vorzüge der einzelnen schaftlicher Thätigkeit“ unterschied mit Justus von Liebig (1859–1873) Telegraphen-Systeme“, die andere er „die wissenschaftliche Seite rein eine neue Zeit. Der Bruch konnte äußerte sich zur „Controverse […] praktischer Thätigkeit“. An Georg niemandem verborgen bleiben; zwei bezüglich der Gasbeleuchtung in von Reichenbach und Joseph von völlig unterschiedliche Redetypen München“. Im Jahr zuvor hatte er Fraunhofer erläuterte er, wie beide folgten unmittelbar aufeinander. an ähnlichen Studien zeigen wollen, „von der praktischen Seite zur Auf der Säkularfeier der Akademie, dass die Akademie, obwohl auf wissenschaftlichen durchgedrungen die in das Jahr der Amtsübernahme „reinwissenschaftliche Forschung“ und durch Vereinigung von beyden Liebigs fiel, war ein letztes Mal verpflichtet, „doch auch durch den zu großen Resultaten und dauern- eine Rede im Stil des Herrscher- praktischen Erfolg ihrer Bemü- dem Ruhm gelangt sind.“ lobes zu hören. Gehalten hatte hungen des Schutzes großmüthiger sie, da der scheidende Präsident Monarchen sich würdig erwiesen“ „Nützliche“ Forschung Thiersch verhindert war, sein Stell- habe. Sich auf die Einsicht des vertreter Georg Ludwig Ritter von Monarchen in den Wert zweckfreier Wie sehr sich die Akademie unter Maurer. Im nächsten Jahr anlässlich Forschung zu berufen, diente den Druck fühlte, Investitionen in die des Stiftungstages vor 101 Jahren Präsidenten in ihren öffentlichen Wissenschaft in raschen Nutzen klang alles gänzlich anders. Liebig Reden immer wieder dazu, die Aka- umzusetzen, lässt Thierschs Rede entwarf in seiner ersten Präsiden- demie gegen eine Kritik abzuschir- von 1853 erkennen. Im Jahr zuvor tenrede eine Fortschrittsgeschichte men, die auf unmittelbaren Nutzen war die „naturwissenschaftlich-tech- der Menschheit mit der Wissen- staatlich finanzierter Forschung nische Commission bey der Akade- schaft als unverzichtbarer Triebkraft beharrte. mie“ eingerichtet und vom König und dem städtischen Bürgertum als mit jährlich 5.000 Gulden dotiert ihrer gesellschaftlichen Grundlage: Ein Gefühl der Gefährdung worden, um „durch wissenschaft- „Die Aufgabe der Akademie ist liche Untersuchung die Wege der die Erforschung des Grundes der Das Gefühl, als Institution gefähr- Industrie und des Ackerbaus zu eb- Dinge; rerum cognoscere causas, det zu sein, schwand bis über die nen und ihre Mittel zu vermehren“. die Wissenschaften in ihren man- Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus Einige Arbeiten seien bereits jetzt, nigfaltigen Verzweigungen sind nicht. Wenn die Präsidenten immer binnen eines Jahr nur, erfolgreich die Wege[,] die zu ihrer Lösung wieder die Geschichte der Akademie abgeschlossen, andere begonnen leiten[,] und alle zusammen führen erzählten, verweilten sie gerne bei worden. So beschäftige man sich zuletzt, durch die Bekanntschaft den heroischen Anfängen, in denen mit dem Problem, Braunkohle und mit dem Grunde der Dinge, zur man sich „gegen den Druck eines Torf in Hochöfen zu verbrennen – Herrschaft über die Dinge, [...] und herrschsüchtigen Ordens“ (Thiersch „eine Lebensfrage des Eisenhütten- mit ihr zur fortschreitenden Cultur 1849) behaupten musste. Dieser betriebes in Ländern wie Bayern“ und Civilisation des Menschenge- Kampf gegen die Jesuiten und gegen – und mit dem Schlamm bayerischer schlechtes.“ alle Versuche, die Wissenschaft der Flüsse zu düngen. Gegen zu hohe Kirche unterzuordnen, sei zwar ent- Nützlichkeitserwartungen suchte er Liebig stand bereits auf dem Gipfel schieden, doch „noch in der letzten die Akademie jedoch abzusichern. seines internationalen wissenschaft- Zeit“, so Thiersch 1852, habe er hö- Auch wenn nicht jede Forschung lichen Ansehens, als er 1859 vom ren müssen, neben den Schulen und der neuen Kommission „zu einer bayerischen König zum Akade- Universitäten sei für die Akademie practischen Anwendung führen miepräsidenten ernannt wurde. Als kein Platz. Eine Forschung, die auf sollte“, sei „doch schon die streng energischer Wissenschaftsorganisa- „das Abgezogene und Abgelegene wissenschaftliche Erforschung der tor, der er stets gewesen ist, nutzte der Dinge“ ziele, so werde weiterhin Bedingungen und Gränzen gewisser er die Möglichkeiten dieses Amtes, behauptet, verfehle „die praktische technischer Vorgänge und Aufga- seine Vorstellung von Wissenschaft, Richtung der Zeit“ und gefährde das ben für die Gewerbsthätigkeit und ihrer kulturellen Bedeutung und „öffentliche Wohl“. die Landwirthschaft von großem der gesellschaftlichen Grundlagen, Nutzen“. auf die sie angewiesen ist, in die Dieser Forderung nach Nützlichkeit Öffentlichkeit zu tragen und denen stellte Thiersch 1852 eine Wissen- Die Präsidentschaft Liebigs nahezubringen, die zu entschei- schaftskonzeption entgegen, die als Wende den hatten. Er entwarf in seinen – in heutiger Sprache – Grund- Präsidentenreden ein Weltbild, lagenforschung und angewandte Im Selbstbild der Akademie, wie das dem Fortschrittsenthusiasmus Forschung zusammenführt. Von der es die Präsidentenrede formte und seiner Zeit ein unzerstörbares „praktischen Seite rein wissen- in die Öffentlichkeit trug, begann naturwissenschaftliches Fundament

8 8 A k a demie Aktuell 02/2009 AKADEMIE G e s c h i c h t e 1 9 0 9 / 1 3 / 1 c H Der Historiker Karl Theodor von Heigel hielt seine Festre- r o n i k B B ,

c H de zum 150. Geburtstag der e n ,

h Akademie 1909 im Festsaal

ü n c des Wilhelminums an der M i v h Münchner Neuhauser Straße r c a in Anwesenheit des Prinz- d t a t

S regenten Luitpold.

zu errichten versprach. Begrün- zess nicht mehr aufhalten. „Die Blicke auf die Akademie und ihre det hat er es jedoch historisch. Geschichte der Völker gibt uns Aufgaben war gekommen. Naturwissenschaftliche Empirie Kunde von den ohnmächtigen und Geschichtsdeutung – mit Bemühungen der politischen und In seiner Festrede zum 150. Stif- dieser Verbindung erfüllte Liebig kirchlichen Gewalten um Erhaltung tungstag im Jahr 1909 zeichnete die Erwartungen eines Säkulums, des körperlichen und geistigen Karl Theodor von Heigel eine dessen Fortschrittsgewissheit sich Sklaventhums der Menschen; die hindernisreiche Erfolgsgeschich- naturwissenschaftlich und zugleich künftige Geschichte wird die Siege te der Akademie im Wandel der historisch begründet wähnte. der Freiheit beschreiben, welche die Wissenschaftsorganisation. Viele Menschen durch die Erforschung ihrer Mitglieder seien „im goldenen Triumph der Wissenschaft des Grundes der Dinge und der Buch der Wissenschaft eingetra- Wahrheit errangen; Siege mit Waf- gen“, doch weniger als früher ruhe Die naturwissenschaftlich fundierte fen, an denen kein Blut klebt, und heute „die Bedeutung der Körper- Entstehungsgeschichte der Moder- in einem Kampf, in welchem Moral schaft […] auf einzelnen führenden ne, die Liebig in seinen Akademie- und Religion sich nur als schwache Persönlichkeiten“. Offen ließ er, ob reden entwickelte, rückte die „intel- Bundesgenossen betheiligten.“ „die idealste Aufgabe der Akade- lektuelle Klasse“ in den Mittel- mie, lebendige Wechselwirkung punkt. Ihr allein, nicht Fürsten oder Der Pragmatismus hält Einzug aller Wissenschaften unter sich, Militärführern, sei „der letzte ent- vollkommen erfüllt wird, ob die So- scheidende Schritt“ auf dem Weg in Liebigs fortschrittssicheren Wissen- zietät für die nach allen Richtungen die Moderne gelungen, indem sie schaftstriumphalismus führten seine auseinander gehenden Disziplinen mit den Wissenschaften „die eigent- Nachfolger im Amt des Akademie- ein Mittel- und Sammelpunkt ist“. liche Grundlage unserer Civilisa- präsidenten in ihren Reden nicht tion“ schufen. Die Wissenschaft fort. Sie schauten nicht mehr auf Im „Großbetrieb der Wissenschaft“ und der „freie Staat“, so führte er die Welt der Praktiker herab, und – er nahm eine Formulierung auf, 1866 aus, bedingen sich wechsel- sie sahen von dort auch keine Ge- die Adolf Harnack 1905 geprägt seitig. Einmal in Gang gekommen, fahr mehr für die Akademie aus- hatte – suchten die Akademien zu lasse sich dieser Fortschrittspro- gehen. Die Zeit pragmatischer bestehen, indem sie sich zu einem

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„deutschen Kartell“ zusammen- ziert wird, um „Wissenschaft für in der Rangliste von Macht und schlossen und Vorhaben wie den das Gemeinwesen“ zu ermögli- Wissenschaft dauerhaft einen Thesaurus linguae Latinae oder chen. Diese Definition, die Arnulf Spitzenplatz behaupten werde. Mit die Encyklopädie der mathema- Schlüter 1990 vortrug, als die der Niederlage im Ersten Weltkrieg tischen Wissenschaften gemeinsam weltpolitische Zäsur zu „erneutem endete diese Zukunftssicherheit. betrieben. Seit 1899 gehörte man in Nachdenken über die Aufgaben der Was sich verändert hatte, erläuterte München außerdem dem Weltbund Akademie und ihren rechten Platz 1922 Hugo Ritter von Seeliger an der Akademien an, so dass aus der in der Gesellschaft“ veranlasste, seinem Fach, der Astronomie: keine „kurbayrischen Sozietät von 1759 fügt sich bruchlos dem Selbstbild Spitzenforschung ohne „Riesen- […] eine europäische Akademie“ ein, mit dem die Präsidenten seit fernrohre“ und „astrophysikalische geworden sei, die ihrerseits Groß- jeher vor die Öffentlichkeit getreten Apparate“. Sie zu finanzieren ge- projekte plante. sind. Das „Selbstverständnis einer linge zur Zeit nur in Nordamerika. Gelehrten Gesellschaft“, die ihre Interdisziplinarität Mitglieder ohne jeden Einfluss von Die Sorge um die notwendigen als Konstante außen selber bestimmt, so führte Geldmittel für die Aufgaben der Schlüter aus, grenze die Akademie Akademie durchzieht die Reden Als „Lebenszweck der Akademien“ von allen „anderen wissenschaft- ihrer Präsidenten von Beginn an. bestimmte Heigel 1914, kurz vor lichen Einrichtungen“ ab und Hilfe erwarteten sie stets von Bayern Ausbruch des Ersten Weltkrieges, befähige sie, „in ihren geschlos- und in der Bundesrepublik zusätz- einen „friedlichen Hort“ zu bieten senen Sitzungen wissenschaftliche lich aus dem Bundesetat. Darin zeigt für „die Förderung des Wechsel- Arbeiten, die ihre Mitglieder sich das föderative Grundmuster der verkehrs der einzelnen Wissen- vortragen, in gegenseitiger Achtung deutschen Geschichte, dem die Aka- schaften, der es allein ermöglicht, und von vielen Fachrichtungen demien ihre Existenz verdanken und in allen Zonen des Kosmos zur her zu diskutieren“ und dann der das sie repräsentieren. Die nationale Wahrheit vorzudringen.“ Diese „wissenschaftlichen Öffentlichkeit“ Akademie tritt aus dieser Tradition Überzeugung formulierten die vorzulegen. Akademien fördern den heraus – eine staatliche Neuerung, Präsidenten zu allen Zeiten; nur die „Erfahrungsaustausch zwischen die man hinnehmen musste. Dies Sprache änderte sich. 1807 hieß es Wissenschaft und Praxis“, sind allerdings entspricht der Tradition. bei Jacobi: „Wissenschaften, die jedoch keine „politikbegleitende Die Bayerische Akademie wurde sich fremd schienen, erfahren ihre Beratungsgremien oder etwa Tech- vom Staat gestiftet, er bestimmte nahe und nähere Verwandschaft, nologiefolgenbewertungs-Institute“. ihre Organisation und veränderte sie. die Einseitigkeit verliert sich, es Dies, verbunden mit einer „Provin- entsteht Wechselwirkung, gegen- zialisierung der Länderakademien“, Anmerkung: Die Amtsbezeichnung seitiger Einfluß, wissenschaftlicher befürchtete er von einer nationalen „Präsident“ gibt es seit 1890; zuvor Gemeingeist.“ Ignaz von Döllinger deutschen Akademie. lautete sie „Vorstand“. Für diese sprach 1873 vom „Isolirstuhl“, auf und andere Informationen und für dem der Gelehrte das Wissen in Vor einer Gefahr in dieser Gestalt die Bereitstellung der Präsidenten- seinem Fachgebiet in „riesenhafter hatten die Präsidenten zuvor nie reden danke ich Dr. Ellen Latzin. Progression“ vorantreibe, jedoch gewarnt. Zu festgefügt schien die       Gefahr laufe, ohne „steter Wech- föderative Gliederung Deutschlands selbeziehung mit allen übrigen und seiner Akademien. Bewusst Der Autor ist o. Professor für Wissenschaftszweigen“, den die war man sich aber stets, dass nur Mittlere und Neuere Geschichte Akademie zu ermöglichen suche, große Staaten sich teure Wissen- i. R. an der Universität Tübingen. „innerlich zu verarmen“. Das schaften leisten können. Bayern, Seit 1998 ist er Mitglied der hatte wohl auch Robert Sauer vor „ein deutscher Staat zweiten Historischen Kommission bei der Augen, als er 1967 die Akademien Ranges“, könne „nicht mit den Bayerischen Akademie der Wis- „Pflegestätten interdisziplinären Großmächten deutscher Nation im senschaften. In der von ihm ge- und interfakultativen Gedankenaus- Umfange wissenschaftlicher Mittel leiteten Abteilung „Forschungen tausches“ nannte, der die „Zweitei- und Leistungen wetteifern“, erklärte zur deutschen Sozialgeschichte“ lung in Geisteswissenschaften und Thiersch 1849, nachdem der erste wurde die Datenbank der deutsch- Naturwissenschaften ins Wanken Versuch, Deutschland staatlich zu sprachigen Rektoratsreden des geraten“ lasse. einen, gescheitert war. Als schließ- 19. und 20. Jahrhunderts realisiert. lich 1871 der Weg zum National- Die Akademie sei eine Gelehrten- staat vollendet wurde, zweifelte gesellschaft, die vom Staat finan- niemand daran, dass Deutschland

9 0 A k a demie Aktuell 02/2009 a K a d e m i e n a c h w u c h s

nachwuchsförderung Wissenschaftliche Karrieren

V o n d e r a K ademie zur professur.

v o n Habilitationen, Berufungen Berufen wurden: eva regenscheidt-spies auf Professuren • 2003: apl. Prof. Dr. Hans Ulrich Schmid, Kommission für Mund- ls Forschungseinrichtung Die Tätigkeit an der Akademie lässt artforschung, auf den Lehrstuhl für haben sich die Akademien sich auch mit weiterer wissen- Historische Sprachwissenschaft der Avor allem der langfristigen schaftlicher Qualifikation an den Universität Leipzig Grundlagenforschung verschrieben, Universitäten verbinden, und diese • 2004: PDin Dr. Gabrijela Dreo mithin der Durchführung von For- eröffnet berufliche Lebensperspek- Rodosek, Leibniz-Rechenzentrum, schungsprojekten, die an Universi- tiven, welche die Akademie in auf den Lehrstuhl für Kommunika- täten und anderen Forschungsins- den zumeist drittmittelgeförderten tionssysteme und Internet-Dienste titutionen wegen ihrer Zielsetzun- Forschungsprojekten nicht bieten an der Universität der Bundeswehr gen und sich verändernder Schwer- kann. Blickt man allein auf die München und punktsetzungen kaum gepflegt letzten Jahre zurück, so haben – apl. Prof. Dr. habil. Martin Bentz, werden können. neben zahlreichen Promotionen – Kommission für das Corpus Vaso- seit dem Jahr 2003 insgesamt acht rum Antiquorum, auf eine Professur Forschen und lehren wissenschaftliche Mitarbeiterinnen für Klassische Archäologie an der und Mitarbeiter der Akademie er- Universität Bonn Ganz im Sinne der auf das Aka- folgreich ein Habilitationsverfahren • 2006: PD Dr. Ralf von den Hoff, demienprogramm bezogenen abgeschlossen. Ebenfalls seit 2003 Kommission für das Corpus Vaso- Stellungnahme des Wissenschafts- haben zwei Mitarbeiterinnen und rum Antiquorum, auf einen Lehr- rats vom 28. Mai 2004 erkannte fünf Mitarbeiter den Sprung in die stuhl für Klassische Archäologie an die Bayerische Akademie der Hochschullehrerlaufbahn geschafft. der Universität Freiburg Wissenschaften schon vor Jahren, • 2007: PD Dr. Paul Ziche, Kommis- dass Kooperationen und eine gute sion zur Herausgabe der Schriften Vernetzung der Akademieprojekte von Schelling, auf einen Lehrstuhl insbesondere mit universitärer für Geschichte der modernen Philo- Forschung und Lehre Chancen sophie an der Universität Utrecht und Nutzen für beide Seiten mit • 2008: apl. Prof. Dr. habil. Michaela sich bringen. Die Akademien Konrad, Kommission zur verglei- liefern den Universitäten nicht nur chenden Archäologie römischer unerlässliche Grundlagenwerke Alpen- und Donauländer, auf eine für die wissenschaftliche Arbeit, Professur für Archäologie der Rö- sondern sie tragen auch durch mischen Provinzen an der Universi- Lehraufträge in erheblichem Maße tät Bamberg zur Ausbildung der Studierenden • 2009: PD Dr. Andreas Müller, bei. So nahmen habilitierte und Kommissionen für die Herausga- nicht habilitierte wissenschaftliche be des Corpus der griechischen Einheit von Forschung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Urkunden des Mittelalters und der und Lehre – das Ideal geht der Bayerischen Akademie der neueren Zeit und für die Herausgabe auf Wilhelm von Humboldt Wissenschaften einschließlich einer 2. Serie der Acta conciliorum zurück, der 1820 auch zum e h l i c h M der Historischen Kommission im J . oecumenicorum, auf eine Professur auswärtigen Mitglied der Sommersemester 2007 zumeist für Byzantinistik an der Universität Bayerischen Akademie unvergütete Lehraufträge im Wien.       gewählt wurde. Hier das Umfang von 85 und im Winter- Marmordenkmal vor der semester 2006/2007 im Um- Die Autorin ist Generalsekretärin Humboldt-Universität fang von 115 Lehrveranstaltungs- der Bayerischen Akademie der in Berlin von Paul Martin stunden wahr. Wissenschaften. Otto (1883).

02/2009 Ak a demie Aktuell 9 1 AKADEMIE P u b l ikat i o n e n

n E u e r s c h ei n u n g e n Die Akademie im Buch

A k t u e l l e P u b l ikat i o n e n z u m j u b i l ä u m s j a h r s 2 0 0 9 .

Wissenswelten Friedrich von Schellings über Heydenreuter und Sylvia Krauß. Naturwissenschaftler wie Justus Regensburg 2009, 299 S., ISBN Ein einzigartiges Ausstellungspro- von Liebig bis zu Rechtsgelehrten 978-3-7917-2223-8, 25,00 EUR jekt mit 14 Kooperationspartnern wie Leopold Wenger und Histori- begleitet das Jubiläum der Akade- kern wie Ferdinand Gregorovius. Themenheft der ZBLG mie in der ersten Jahreshälfte 2009. Denker, Forscher und Entdecker. Das Themenheft versammelt Der Katalog mit zahlreichen Ab- Eine Geschichte der Bayerischen durchgehend neu aus den Quellen bildungen gibt einen Überblick Akademie der Wissenschaften in erarbeitete Untersuchungen zur über die Akademiegeschichte und historischen Portraits. Hrsg. v. Geschichte der Akademie von der die Forschungs- und Sammlungs- Dietmar Willoweit unter Mitarbeit Gründungszeit bis ins 20. Jahr- tätigkeit in Bayern seit 1759: von von Ellen Latzin. Verlag C.H. Beck, hundert. Sie beschreiben Kons- altägyptischer Kunst und archäolo- München 2009, 20 Abb., 403 S., tanten und Wandel im Innenleben gischen Funden über Naturalien ISBN 978-3-406-58511-1, 24,90 EUR der traditionsreichen Institution. und wissenschaftliche Instrumente Zugleich stellen sie die Akademie bis zu Münzen, Prunkmöbeln und Helle Köpfe in vielfältige Bezüge zur Geistes-, Ethnographica aus aller Welt. Wissenschafts-, Kirchen- und Sozi- algeschichte und insbesondere auch Der Katalog ist in der Akademie- zur politischen Geschichte Bayerns. verwaltung erhältlich; ihm ist außerdem der Film „Wissens- Zeitschrift für bayerische Landes- welten“ beigegeben, der erstmals geschichte, Band 72 (2009), Heft bei der Ausstellungseröffnung am 2: 250 Jahre Bayerische Akademie 27. März 2009 gezeigt wurde und der Wissenschaften. Studien zu die Schätze der großen Münch- ihrer Geschichte. Hrsg. v. der ner Sammlungen im Überblick Kommission für bayerische Lan- präsentiert. desgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Wissenswelten. Die Bayerische ISSN 0044-2364, 22,80 EUR Akademie der Wissenschaften und die wissenschaftlichen Sammlun- Der Katalog zur Ausstellung im Bay- gen Bayerns. 250 Jahre Bayerische erischen Hauptstaatsarchiv stellt die Akademie der Wissenschaften. „Hellen Köpfe“ in den Mittelpunkt: Hrsg. v. Dietmar Willoweit unter herausragende Wissenschaftler und Mitarbeit von Tobias Schönauer. Gelehrte, die die Akademie, aber München 2009, 351 S. + DVD, auch Forschung und Wissenschaft in 19,80 EUR Bayern generell geprägt haben. Die wechselhafte Geschichte der Akade- Denker, Forscher und Entdecker mie wird reich bebildert dargestellt: von der Mitte des 18. Jahrhunderts Anhand der Biographien von 20 bis ins beginnende 21. Jahrhundert. Persönlichkeiten der vergangenen 250 Jahre zeigen führende Wissen- Helle Köpfe. Die Geschichte der schaftler entscheidende Weg- und Bayerischen Akademie der Wis- Wendemarken der Akademie- senschaften 1759 bis 2009. Aus- geschichte auf. Das Spektrum stellungskatalog der Staatlichen reicht von Philosophen vom Range Archive Bayerns. Hrsg. v. Reinhard

9 2 A k a demie Aktuell 02/2009 A K A DEMIE T e r mi n e

V o r s c h a u Ende Juni bis Oktober 2009

Samstag, 27.6.2009 Samstag, 18.7.2009 bis Montag, 5.10.2009 Feierliche Jahressitzung 2009 Dienstag, 21.7.2009 Den Sachen auf den Grund Festakt zum 250-jährigen Jubiläum Münchner Wissenschaftstage gehen. Wissenschaftliches der Bayerischen Akademie der 2009: Ideen für die Zukunft Arbeiten in der Akademie Wissenschaften. Die Kommission für Neuere deut- Vortragsreihe der Sprecher der Herkulessaal der Münchner Residenz sche Literatur, die Kommission für hauptberuflich tätigen wissenschaft- 10 Uhr Keilschriftforschung und Vorder- lichen Mitarbeiterinnen und Mit- Nur mit Einladung asiatische Archäologie, die Histo- arbeiter, Teil 2. rische Kommission, das Historische Plenarsaal Samstag, 27.6.2009 Kolleg, das Leibniz-Rechenzentrum 16 Uhr Festlicher Abend im Cuvilliés- und das Institut für Volkskunde Theater beteiligen sich mit Führungen durch Montag, 12.10.2009 „Szenen aus der Gründungs- ihre Räume und Redaktionen. Den Sachen auf den Grund geschichte der Akademie“ Informationen, Anmeldung gehen. Wissenschaftliches in Zusammenarbeit mit der Neuen und genaue Führungstermine Arbeiten in der Akademie Hofkapelle München. unter www.muenchner- Vortragsreihe der Sprecher der Cuvilliés-Theater der Residenz wissenschaftstage.de hauptberuflich tätigen wissenschaft- München lichen Mitarbeiterinnen und Mit- 19 Uhr Montag, 20.7.2009 bis arbeiter, Teil 3. Geschlossene Veranstaltung Dienstag, 21.7.2009 Plenarsaal Wendepunkte der Akademie- 16 Uhr Montag, 6.7.2009 geschichte Ein „Cheers“ auf das schlechte Wissenschaftshistorisches Kol- Mittwoch, 14.10.2009 bis Gewissen. Gesellschafte Trink- loquium unter Leitung von Prof. Freitag, 16.10.2009 kultur und Geschmacksverfall Dr. Friedrich Wilhelm Graf (LMU Wissenschaft und Politik in der amerikanischen Prohibi- München). Historische Grundlagen, theore- tionszeit 1920–1933 Carl Friedrich von Siemens Stiftung, tische Probleme und aktuelle Fragen Vortrag von Prof. Dr. Thomas Südliches Schlossrondell 23, Kongress unter der Leitung von Welskopp, Stipendiat des 80638 München Prof. Dr. Dietmar Willoweit und Historischen Kollegs. 20.7. ab 14 Uhr, 21.7. ab 9 Uhr Prof. Dr. Horst Dreier. Plenarsaal Einladung erforderlich Anmeldung erforderlich unter 19 Uhr (begrenzte Teilnehmerzahl). Tel. 089-23031-0 oder per Informationen unter Tel. 089-2180- E-Mail an [email protected] Mittwoch, 8.7.2009 3573 oder Fragen per E-Mail an Hinweis Casino-Kapitalismus – Wie es [email protected] Samstag 18.10.2009 zur Finanzkrise kam, und was Lange Nacht der Wissenschaft Bitte beachten Sie auch unsere jetzt zu tun ist Montag, 28.9.2009 Mit Beteiligung der Bayerischen aktuellen Ankündigungen im Vortrag von Prof. Dr. Hans-Werner Den Sachen auf den Grund Kommission für die internationale Internet unter www.badw. Sinn, Präsident des ifo Instituts für gehen. Wissenschaftliches Erdmessung, des DGFI und der de/aktuell/termine/index.html. Wirtschaftsforschung e. V. Arbeiten in der Akademie Kommission für Glaziologie. Dort finden Sie Informationen Plenarsaal Vortragsreihe der Sprecher der Foyer Erdgeschoss und Geodäsie- zu Tagungsprogrammen, 18.00 Uhr hauptberuflich tätigen wissenschaft- museum Anmeldefristen u. a. lichen Mitarbeiterinnen und Mit- 19–2 Uhr arbeiter, Teil 1. Zum Jubiläumsjahr 2009 ist ein Plenarsaal Jahresprogramm erschienen, 16 Uhr das an der Pforte der Akademie oder unter Tel. 089-23031-1141 erhältlich ist.

02/2009 Ak a demie Aktuell 9 3 AKADEMIE I n f o I m p r e s s u m

H e r a u s g e b e r Prof. Dr. jur. Dietmar Willoweit Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften c H E f r edak t i o n Dr. Ellen Latzin Pressereferentin der Bayerischen Akademie der Wissenschaften A r t D i r e c t i o n ü b e r b l i c k Tausendblauwerk, Michael Berwanger [email protected] Die Bayerische r E D A K t i o n s a n s c h r i f t Bayerische Akademie der Wissenschaften Akademie der Pressestelle Alfons-Goppel-Strasse 11 80539 München Wissenschaften Tel. 089-23031-1141 Fax 089-23031-1285 [email protected] Bayern. Sie allein sind stimmberech- A u t o r e n die s e r a u s g a b e tigt und zur Teilnahme an den Sit- Prof. Dr. Arndt Bode, Dr. Ludwig Braun, zungen und Arbeiten der Akademie Dr. Claudia Deigele, Dr. Stephan Deutinger, verpflichtet. Derzeit hat die Aka- Prof. Dr. Hermann Drewes, Dr. habil. demie 166 ordentliche Mitglieder, Dietrich Einzel, Dr. Erich Fuchs, Dr. karl-ulrich gelberg, Prof. Dr. Theodor 154 korrespondierende (auswärtige) Göllner, Prof. Dr. Rudolf Gross, Prof. Dr. sowie ein Ehrenmitglied. Karl-Dieter Grüske, Prof. Dr. Horst Hagedorn, Dr. Edith Hanke, Prof. dr. Heinz- Forschungseinrichtung Gerd Hegering, Dr. Wolfgang Heubisch, Prof. Dr. Thomas O. Höllmann, Prof. Dr. In 41 Kommissionen und zwei Martin Hose, Prof. Dr. Jörg Jantzen, Arbeitsgruppen mit rund 350 Prof. Dr. Hans Keppler, Dr. Sylvia Krauss, Prof. Dr. Dieter Langewiesche, Dr. ellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern latzin, Prof. Dr. Jan-Dirk Müller , Dr. sTefan r z

wa betreibt die Akademie Grund- Pautler, Eva Regenscheidt-Spies, Prof. Dr. lagenforschung in den Geistes- Reinhard Rummel, Prof. Dr. Gottfried h . s c h C / und Naturwissenschaften. Der Sachs, Eva Samuel-Eckerle, Horst Seehofer, w d

ba Schwerpunkt liegt auf langfristi- Prof. Dr. alois Schmid, Prof. Dr. Stefan gen Vorhaben, die die Basis für Schmidt, Dr. Michael Stephan, Prof. Dr. Die Bayerische Akademie Die Bayerische Akademie der Wis- weiterführende Forschungen liefern Günter Stock, Monika Stoermer, Christian Ude, Dr. Christof Völksen, Dr. markus der Wissenschaften in der senschaften, gegründet 1759 von und die kulturelle Überlieferung si- Wesche, Dr. Jürgen Weyenschops, Prof. dr. Münchner Residenz. Kurfürst Max III. Joseph, ist eine chern, darunter kritische Editionen, dietmar willoweit, Prof. Dr. Paul Zanker der größten und ältesten Wissen- wissenschaftliche Wörterbücher t I t e l b i l d schaftsakademien in Deutschland. sowie exakt erhobene Messreihen. Sie ist zugleich Gelehrtengesell- Sie ist ferner Trägerin des Leibniz- BADW/Ch. Schwarz schaft und Forschungseinrichtung Rechenzentrums, eines der drei V e r l a g von internationalem Rang. nationalen größten Supercompu- Bayerische Akademie der ting-Zentren, und des Walther- Wissenschaften Alfons-Goppel-Strasse 11 Gelehrtengesellschaft Meißner-Instituts für Tieftempera- 80539 München turforschung (beide in Garching bei Die Mitglieder bilden die gelehrte München). Die Akademie ist seit I s s n : 1436-753X Sie interessieren sich für die Gesellschaft der Akademie. Sat- 1959 im Nordostflügel der Münch- A n z ei g e n öffentlichen Veranstaltungen zungsgemäß müssen sie durch ihre ner Residenz beheimatet. Preise auf Anfrage im des Hauses? Sie wollen die Forschungen „zu einer wesentlichen Pressereferat der Bayerischen Akademie Zeitschrift „Akademie Aktuell“ Erweiterung des Wissensbestandes“ Jubiläum der Wissenschaften regelmäßig erhalten, um sich ihres Faches beigetragen haben. g E s am t he r s t e l l u n g über laufende Aktivitäten, Die Akademie besitzt das Selbster- Ihren 250. Geburtstag begeht die Landesamt für Vermessung und Neuerscheinungen oder For- gänzungsrecht, d. h. Mitglied kann Akademie mit einem reichhaltigen Geoinformation schungsergebnisse zu informie- nur werden, wer auf Vorschlag von Programm. Alle Informationen fin- Alexandrastrasse 4 80538 München ren? Gerne nehmen wir Sie in Akademiemitgliedern ohne äußeres den Sie unter www.badw.de oder in unseren Verteiler auf. Zutun ausschließlich nach seinem der gedruckten Programmbroschü- r edak t i o n s s c h l u s s die s e r a u s g a b e Kontakt: Tel. 089-23031-1141, wissenschaftlichen Ansehen gewählt re, die im Referat für Presse- und E-Mail [email protected]. wird. Die ordentlichen Mitglieder Öffentlichkeitsarbeit erhältlich ist. 15. Mai 2009 Erscheinungsweise: 4 Hefte pro Jahr. Der Bezugspreis ist im haben ihren Wohnsitz im Freistaat       Mitgliedsbeitrag der Freunde der BAdW enthalten. Alle Texte dieser Ausgabe dürfen ohne Genehmigung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bei Nennung des Autors und der Quelle reproduziert werden. Um ein Belegexemplar wird gebeten. Die Wiedergabe der Abbildungen ist mit den jeweiligen Inhabern der Bildrechte abzuklären. Sie finden das Magazin auch als PDF (Portable Document Format) im 9 4 A k a demie Aktuell 02/2009 Internet unter http://www.badw.de.