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Römer, Künstler und Co. – eine vielfältige Wanderung in der Marktgemeinde

Von Markus Böhm

Ziele: St. Johann, Leibsdorf, Wabelsdorf, St Michael ob der Gurk, Raunachmoos, Linsenberg und Wutschein; Marktgemeinde Poggersdorf und Marktgemeinde ; polit. Bezirk -Land. Anreise: Über die B 70 Packer Straße bis zur Abbiegung St. Johann bzw. über die A2 Südautobahn kommend bis Abfahrt , dann weiter über die B 70 bis Abbiegung St. Johann. Durch St. Johann bis Leibsdorf, dort über Hauptstraße, Ströglacher Straße und Römer Straße bis zum Islandpferdehof Rapoldi (beschildert). Ausgangspunkt der Wanderung: Römerstraße auf Höhe Islandpferdehof Rapoldi (Römerstraße 30, 9132 Leibsdorf) in Leibsdorf. Sehenswürdigkeiten: Wohnhaus Hans Rapoldi und Dorfkapelle in St. Johann; „Die gläserne Familie“, Filialkirche hl. Martin mit Friedhofsportal und Sibitzkreuz sowie Toplitschkreuz mit Römerstein in Leibsdorf; Hutzkreuz (Pestkreuz), Filialkirche hl. Georg und Keltenbrunnen in Wabelsdorf; Buddhistisches Me- ditationszentrum mit Pagode, Pfarrkirche hl. Michael mit Karner, Totenkapelle, Kreuz und Brunnen in St. Michael ob der Gurk; Reste der Torfstichgründe (urzeitlicher Opferplatz) und Pferdefeldbahn in Raunachmoos; Filialkirche hl. Ägidius mit Grabstein von Schichtenaufseher und Gastwirt F. A. Weller in Linsenberg; römerzeitliche Statue einer Frau (ohne Kopf) und Relieffragment Eros bei Weinlese an Filialkirche hl. Andreas in Wutschein. Schwierigkeitsgrad und Dauer: Bis zu fünfstündige mittlere Wanderung; alle Ziele sind auch per Auto erreichbar. Hinweis: Parkmöglichkeit beim Islandpferdehof Rapoldi. Hier kann auch im Gasthaus Leibsdorferhof eingekehrt werden.

In unseren Gemeinden offenbart sich oftmals eine ungeahnte Vielfalt. Das soll auch dieser Ausflugstipp zeigen. Wir fahren bzw. wandern durch sechs Ortschaften in der Marktgemeinde Poggersdorf und durch einen Ort der Marktgemeinde Magdalensberg. Dabei treffen wir u. a. auf Künstler, Torfstecher und Spuren der Römer. Wir hören von einer versunkenen Stadt, urzeitlichen Mooropfern und einer Pferdefeldbahn. Zudem treten wir durch zwei auf ganz unterschiedliche Weise beeindruckende Friedhofsportale.

Vor Antritt der Wanderung bietet sich ein kurzer Halt an der Dorfstraße durch St. Johann an. Linker Hand sieht man kurz vor der dritten Abzweigung direkt neben der Straße die Dorfkapelle St. Johann. Sie ist als Ersatz für die Ende des 18. Jahrhunderts abgekommene Filialkirche St. Johann zu Emmersdorf entstanden. 1987 wurde sie vom ortsansässigen Künstler Hans Rapoldi (1940–2013) renoviert. Von ihm sind noch einige weitere Werke im Zuge des Ausflugs zu sehen, zwei davon in unmittelbarer Nähe der Dorfkapelle.

Wenn wir zurück zur zweiten Abzweigung an der Dorfstraße gehen, finden wir Fassadenmalerei am früheren Wohnhaus des Künstlers (St. Johann 20) sowie etwas weiter gegenüber (linker Hand der Dorfkapelle) den heiligen Ägidius an der südseitigen Fassade des vormaligen Wirtschaftsgebäudes St. Johann 7.

Abb. links: Dorfkapelle in St. Johann. © Markus Böhm Newsletter Nr. 10/2020 © Geschichtsverein für Kärnten

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Filialkirche hl. Martin in Leibsdorf mit Heiligenbildern Sibitzkreuz vor der Leibsdorfer Kirche. © Markus Böhm von Hans Rapoldi am Portal und Christophorus an der Südmauer. © Markus Böhm

Wir fahren weiter nach Leibsdorf, wo uns an der Kreuzung Hauptstraße/Ströglacher Straße „Die gläserne Familie“ der Künstlerin Christine Starzacher begrüßt. Auch hier sollte kurz Halt gemacht werden, um die Filialkirche hl. Martin zu besichtigen. Den Eingang zum Friedhof bilden zwei gemauerte Pfeiler mit einem schmiedeeisernen Tor. Die Pfeiler zieren Bilder der beiden heiligen Josef und Martin – 1994 gemalt von Hans Rapoldi. Vor Beerdigungen soll es in Leibsdorf Brauch sein, mit dem Sarg zuerst von der Kirche zum sogenannten Sibitzkreuz zu ziehen, dieses zu umrunden und dann zum Friedhof zurückzukehren. Das Sibitzkreuz (auch Zippuschkreuz) ist ein 1887 entstandener, mächtiger Dreikanter direkt unterhalb der Kirche. Auch an diesem Bildstock sind Werke von Hans Rapoldi zu sehen. Die Leibsdorfer Kirche (meist versperrt) ist heute eine Filiale der Pfarre Poggersdorf. Das Gotteshaus reicht auf jeden Fall ins Hochmittelalter zurück, als hier das Stift St. Paul begütert war. 1473 wurde die Kirche von den Türken in Brand gesetzt und 1616 ist sie als Filiale von Tainach genannt. An der Südseite ist ein Christophorusfresko aus der Zeit um 1520 erhalten geblieben. Der „Reisepatron“ befindet sich an einigen Südmauern der Kirchen im Gemeindegebiet. Laut Wilhelm Deuer könnte diese Außengestaltung vom Tainacher Probst Andreas Lochner (1527–1544) ausgegangen sein.

Auf den Spuren der Römer Die Fahrt geht weiter über die Ströglacher Straße bis zur Römerstraße. Dort stehen an der Kreuzung das 1756 errichtete Paierkreuz (abermals Hans Rapoldi) sowie ein 1994 entstandener Trink- wasserbrunnen mit springendem Pferd. Wir biegen an der Kreuzung rechts ab und fahren bis zum bekannten Islandpferdehof Rapoldi, wo die Wanderung auf der Schotterstraße beginnt. Wir gehen jetzt über die Römerstraße und „nomen est omen“: In antiker Zeit war hier eine wichtige Verkehrsverbindung, die von der Provinzhauptstadt auf dem über Iuenna auf dem Hemmaberg in Richtung Südosten in die römischen Städte Celeia und Poetovio (heute Celje und Ptuj in Slowenien) führte. Newsletter Nr. 10/2020 © Geschichtsverein für Kärnten

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Schon nach wenigen Schritten empfängt uns eine besondere „Sitzbank“, die aber heute nicht mehr als solche in Verwendung ist. Es handelt sich dabei um einen großen Marmorquader, der vermutlich vom Sockel eines römischen Grabmonuments stammt. Wegen dieses Römersteins wird auch das daneben befindliche Toplitschkreuz meist als Römerkreuz bezeichnet. 1946 wurde ein inzwischen erneuertes Inschriftentäfelchen am Bildstock angebracht: „Hier stand d(ie) Domkirche der Stadt Verrunum Anno Dom(in)i 406“. Die Wissenschaft vermutet, dass Funde aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie ein Inschriftenfund im Jahr 1903 in Eiersdorf mit der Nennung eines Beamten der Stadt Virunum Anlass für diese Spekulationen gaben. Noch phantasievoller ist die Überlieferung, nach der hier die versunkene Stadt Sala liegen soll. Früher habe man noch von Zeit zu Zeit ihre Glocken läuten gehört. Sie seien verstummt, als ein Knecht das Feierabendgebot nicht einhielt.

Toplitschkreuz an Römerstraße mit früher als Sitzbank Hans Rapoldi 2008 bei den Renovierungsarbeiten am genutztem Römerstein. © Markus Böhm Toplitschkreuz. © Manuela und Winfried Strohschein

Renoviert hat auch diesen Bildstock Hans Rapoldi. 2008 gab er ihm eine farbige Fassung. Die Bilder wurden auf Tafeln gemalt und in die Nischen eingepasst, sodass die alten Fresken dahinter erhalten blieben. Rapoldi wurde 1940 in Grafenstein geboren. Er absolvierte von 1954 bis 1957 eine Malerlehre in , arbeitete dann in verschiedenen Betrieben und schließlich von 1979 bis zur Pensionierung im Landesmuseum Kärnten. Neben Fassadenbildern und Bildstockmalereien schuf Rapoldi zahlreiche Acrylmalereien, Ölbilder, Aquarelle und Bleistiftzeichnungen. Außerdem restaurierte er Heiligenfiguren und Bauernmöbel. Das im Ausflugstipp verwendete Bild von den Renovierungsarbeiten haben Rapoldis Tochter Manuela Strohschein und ihr Mann Winfried zur Verfügung gestellt. Beim Toplitschkreuz handelt es sich übrigens um einen Pfeilerbildstock, dessen Typus auch im Wappen von Poggersdorf (als Symbolbild) dargestellt ist. Das Recht zur Führung des Wappens erhielt die Marktgemeinde 1996. Den Pfeilerbildstock hat man als Motiv gewählt, weil es auf dem Gemeindegebiet sehr viele Bildstöcke und Wegkreuze gibt. Schäferschippe und Lanze symbolisieren die in diesem Raum bedeutsamen Edlingerbauern, die geöffnete Zange steht für die einstige Eisenproduktion in der Nothburgahütte. Der grüne Schildgrund verweist auf die Landwirtschaft, das Schwarz auf die Montanindustrie des 19. Jahrhunderts und den einstigen Torfabbau im Raunachmoos. Nach etwa 15 Minuten Fußmarsch gelangen wir nach Wabelsdorf, wo alle Straßennamen Bezug auf die Römerzeit nehmen. Vom Noreiaweg biegen wir links in die Senatorenstraße. An der Weggabelung Senatorenstraße/Augustusweg steht das Hutzkreuz. Dieser Bildstock wurde 1685 über einem Pestgrab (die Pest herrschte 1646 im Ort) errichtet. Bei der Renovierung 1974 wurde er mit Bildern der Künstlerin Josefine Kreuzer gestaltet. Als nächstes treffen wir beim einmündenden Apolloweg auf die Filialkirche hl. Georg. Sie wurde Newsletter Nr. 10/2020 © Geschichtsverein für Kärnten

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1616 erstmals urkundlich erwähnt, reicht aber im Kern zumindest ins 13. Jahrhundert zurück. Auch hier fehlt der Christophorus des frühen 16. Jahrhunderts an der Südwand nicht. Die Kirche gehört zur Pfarre Tainach/Tinje. Sie ist immer versperrt.

Das Hutzkreuz in Wabelsdorf erinnert an die Pesttoten von Filialkirche hl. Georg in Wabelsdorf. © Markus Böhm 1646. © Markus Böhm

In der Kirche ist eine rö- mische Grabinschrift für ein einheimisches Ehepaar aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Der Marmorstein soll als Mensaplatte im lin- ken Seitenaltar eingemauert sein. Leider sind die Men- saplatten beider Seitenaltäre verspachtelt worden, sodass die Inschrift nicht mehr sichtbar ist. Beachtenswert sind die Fresken in der Kirche. Sie sollen wenige Jahre nach denen des Thomas von Villach in Gerlamoss (um 1480) von einem unbekann- ten Künstler angefertigt Fresken in der Wabelsdorfer Kirche. © Markus Böhm worden sein. Über ihre Entdeckung berichtete die Kärntner Zeitung vom 6. September 1898: „Das ganze Presbyterium, die Seitenwände sowohl als wie die Gewölbelappen und die Rippen sind mit alten gothischen Malereien überdeckt, wie es sich vor ein paar Tagen anlässlich einer Restauration des Newsletter Nr. 10/2020 © Geschichtsverein für Kärnten

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Kirchleins herausstellte.“ Der Redakteur war von der „recht beachtenswerten Leistung früherer Zeiten“ sehr angetan, fürchtete aber auch um deren Erhalt: „Vielleicht findet es irgendein k.k. Kunstmaler der Mühe wert, die Sache zu besichtigen und Wege einzuschlagen, dass die Bilder wenigstens zum Theil restauriert und nicht neuerdings übertüncht werden. Nachdem ein Maurer bereits mit dem Verputzen und Tünchen des Schlosses beschäftigt ist, wäre die Angelegenheit wirklich dringend.“

Jetzt geht es die Senatorenstraße weiter bis wir rechts in die Keltenstraße ein- biegen. Dort befindet sich direkt hinter der Volksschule der überdachte „Kel- tenbrunnen“. Dieser gilt als ältestes kulturhistorisches Denkmal der Ge- meinde Poggersdorf. Der Kultbrunnen war Teil eines römischen Heiligtums, auf das man 1930 beim Bau der Schule stieß. Bedeutendster Fund war damals ein Altar aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert n. Chr., der dem bis dahin unbekannten Genius Cucullatus ge- weiht war. Übersetzt bedeutet das Schutzgott mit dem (keltischen) Ka- „Keltenbrunnen“ hinter der Volksschule Wabelsdorf. © M. Böhm puzenmantel. Vermutet wird, dass man den eigentlichen Namen wegen seiner Heiligkeit nicht aussprechen durfte. Einer weiteren Vermutung zufolge soll dieser Gott für guten Schlaf angerufen worden sein und im Sandmännchen des Märchens weiterleben. Der Weihealtar ging 1930 als Leihgabe des Ortsschulrates Wabelsdorf an den Kärntner Geschichtsverein und befindet sich heute in der Sammlung des Landesmuseums Kärnten. Von Franz Jantsch wird in der I von 1930 die These aufgestellt, dass die Wabelsdorfer Kultstätte um 400 n. Chr. von Christen zerstört wurde. In unmittelbarer Nähe der Kultstätte wurden noch weitere Funde gemacht, so etwa 1936 eine römische Grabinschrift und Grabkammer. 1937 wurde ein spätbronzezeitliches Brandgrab gefunden. Es enthielt ein Messer, eine Dolchklinge und Fragmente einer Gewandnadel. Der Dolch zeigt an, dass das Grab über 3200 Jahre alt ist.

Mönche aus Burma und die Cheops- Pyramide

Wir gehen wieder zurück zur Senatoren- straße und biegen rechts in Richtung St. Michael ob der Gurk (ehemals Windisch St. Michael) ab. Es geht ungefähr 25 Minuten über die Wabelsdorfer Straße (Achtung, Verkehr). Rechter Hand sollte jetzt Ausschau nach der Adresse Wa- belsdorfer Straße 9 gehalten werden. Dabei handelt es sich um das Inter- nationale Meditationszentrum Öster- reich. Es wurde 1990 von der Sayagyi U Ba Khin Meditationsgesellschaft Öster- reich gegründet. Pagode des Internationalen Meditationszentrums Österreich in St. Michael ob der Gurk. © Markus Böhm

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Der Bauplatz für die Pagode wurde damals von buddhistischen Mönchen aus Burma ausgewählt, es soll sich dabei um einen lokalen Kraftort handeln. Schön sichtbar ist die Pagode, wenn wir uns am Weitermarsch nach St. Michael umdrehen. Im Ort besichtigen wir die auf einem Hügel gelegene Pfarrkirche hl. Michael. An ihrer Südseite sind gleich zwei Christophorusdarstellungen zu finden, eine spätgotische und eine barocke. Nörd- lich des Chores der Pfarrkirche befindet sich ein im Kern romanischer Karner. Durch die meist offene Kirchentüre gelangt man ins Innere, wo der weitere Weg jedoch durch ein Gitter versperrt ist. Bemerkenswert ist der neu angelegte Friedhof, der am 20. Oktober 1991 durch Bischof Egon Kapellari eingeweiht wurde. Hier hat der Künstler Tomas Hoke einen Brunnen als Symbol der rituellen Reinigung sowie ein Lärchenholz-Kreuz mit einer Scheibe aus Bronze und einer aus nichtrostendem Edelstahl (vom Dunklen ins Helle weisend) als Zeichen der Transzendenz und Hinweis auf die Erlösung geschaffen. Der kapellenartige Eingang stammt von Armin Guerino und ist innen mit Fresken ausgestattet. Themen sind die Schöpfungsgeschichte, Adam und Eva, die Apokalypse des Johannes, die Dreifaltigkeit, die Arche Noah und das Himmlische Jerusalem. Das Dach der Totenkapelle entspricht in seinen Winkeln exakt jenen der Cheops-Pyramide.

Blick aus der Totenkapelle auf Blick durch die Totenkapelle auf Totenkapelle mit Fresken von Armin Guerino. die Pfarrkirche hl. Michael, im das von Tomas Hoke geschaf- © Markus Böhm Vordergrund der Brunnen von fene Friedhofskreuz. Tomas Hoke. © Markus Böhm © Markus Böhm

Torfstecher, Mooropfer und eine Pferdefeldbahn Mit der Totenkapelle im Rücken gehen wir jetzt nach links weg, kom- men am Pfarrhof vorbei und folgen der Linsenberger Straße insgesamt ca. 20 Minuten in Richtung Annamischl (Buschenschank Repitsch). Unter- wegs liefert uns das dreiseitige Skreinigkreuz einen motivierenden Spruch für die Wanderung: „Vertrau auf Gott, doch auch auf eigne Kraft, Gott segnet nur was du dir selbst ge- schafft!“ Zehn Marschminuten nach dem Skreinigkreuz steht links das Annamischler Kreuz. Links neben dem Wegweiser sind Trassen- 2001 errichtete Annamischler Kreuz. reste der Pferdefeldbahn erkennbar. © Markus Böhm

Ein Wegweiser zeigt hier an, dass es rechts nach Annamischl geht. Biegt man aber links in den Forstweg ein, gelangt man nach Raunachmoos. Dort wurde von 1854 bis 1892 Torf zur Befeuerung der Nothburga-Eisenhütte abgebaut. Deren Verweserhaus steht noch immer bei Pischeldorf knapp Newsletter Nr. 10/2020 © Geschichtsverein für Kärnten

7 vor der Gurk-Brücke direkt an der Straße. Graf Ferdinand Egger hatte das ehemalige Hammerwerk Freudenberg umbauen lassen und benannte es nach seiner Gattin. 1886 wurde die Nothburgahütte von den Freiherren Ferdinand und Karl von Helldorf erworben. Josef Grascher schätzt in der Carinthia I von 2008, dass in den 38 Betriebsjahren 85.600 Tonnen Stahl erzeugt wurden. Dafür hätte man insgesamt 582.000 m³ Trockentorf benötigt. Wenn man z. B. bei KAGIS auf Orthofoto schaltet, kann man die rechteckigen Abbauflächen im Raunachmoos noch immer deutlich erkennen. Das Gebiet gilt übrigens als bedeutendster österreichischer Mooropferplatz südlich der Alpen. Von den Torfstechern wurden hier zahlreiche urzeitliche Objekte wie ein Schwert, Beile oder Nadeln gefunden. Die Gegenstände wurden damals dem Geschichtsverein für Kärnten übergeben, ein Großteil des Bestandes befindet sich heute im Landesmuseum Kärnten.

Ehemaliges Verweserhaus der Nothburga-Eisenhütte vor Der Weiler Raunachmoos mit den heute noch erkennbaren der Gurk-Brücke in Pischeldorf. © Markus Böhm einstigen Torf-Abbauflächen. Screenshot aus dem KAGIS Kärnten Atlas.

Transportiert wurden die Torfziegel vom Raunachmoos in die 5,2 Kilometer entfernte Nothburgahütte per Pferdefeldbahn. Die Trasse verlief über Annamischl entlang der nördlichen Flanke des Hammerberges. Die Gleisanlage bestand aus Längsschwellen (damit die Pferde ungehindert gehen konnten) mit aufgenagelten Bandeisen. Die Trassenbreite betrug 1,20 Meter. Jeder Transportzug soll laut Josef Grascher circa 15 m³ Torf befördert haben. An einigen Stellen ist die Trasse noch sichtbar. So ist auch der Weg in den Wald gleich links neben dem Annamischler Kreuz ein rund 500 Meter langes ehemaliges Trassenstück. Der Fußweg nach Raunachmoss dauert vom Annamischler Kreuz weg rund zehn Minuten über die Forststraße. Der Weiler ist in Privatbesitz und die Gebäude der früheren Torfstechanlage werden derzeit von einer Familie umgebaut. Das Gebäude in der Mitte diente den Torfstechern einst als Kantine und wurde noch bis vor einigen Jahrzehnten als Gasthaus „Mooswirt“ betrieben. Auf das Grab eines einstigen Schichtaufsehers und Wirtes stoßen wir später übrigens in Linsenberg. Nach Linsenberg dauert der Marsch vom Annamischler Kreuz weg rund 20 Minuten. Vorbei geht es u. a. am Koterkreuz (mit einem schiefen Kreuz als Dachzier) und Urtschkreuz (mit Jägersmann- Spruchinschrift). Mitten in Linsenberg steht die ehemalige Wehrkirche hl. Ägidius. Sie wurde 1660 erstmals urkundlich genannt, entstanden ist sie vermutlich Ende der Spätgotik. Heute gehört sie zur Pfarre St. Michael über Pischeldorf (= St. Michael ob der Gurk). Auch diese Kirche ist stets versperrt. An der südlichen Außenwand der Kirche findet sich wiederum ein Christophorus. Direkt vor diesem, an der südlichen Friedhofsmauer liegt Friedrich August Weller (1820–1896). Der gebürtige Sachse war laut (sehr verblasster) Grabsteininschrift Schichtenaufseher und Gastwirt in der Torfstichanlage Raunachmoos. Laut Sterbbuch der Pfarre St. Michael über Pischeldorf ist er an Altersschwäche verstorben. Der Grabstein wurde ihm „als Denkmal der treuesten Liebe von Gattin und Kindern gereicht“.

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Ehemalige Wehrkirche hl. Ägydius in Linsenberg. © Markus Böhm Grabstein von Schichtenaufseher und Gastwirt Friedrich August Weller. © Markus Böhm

Und am Ende wieder die Rö- mer Nächstes Ziel ist nun Wu- tschein, das in der Marktge- meinde Magdalensberg liegt. Es geht am Gasthaus Poglitsch vorbei, wir folgen nicht den Wegweisern nach Pischeldorf, sondern halten uns links. Nach rund 20 Minuten erreichen wir die Ortstafel Wutschein. Im Ort taucht nach ungefähr 200 Metern links auf einer ein- gezäunten Wiese die römer- zeitliche Statue einer Frau auf. Die um die Mitte des 2. Jahr- hunderts n. Chr. entstandene

Römische Marmorstatue einer Frau (ohne Kopf) in Wutschein. © M. Böhm Marmorskulptur ist überdacht, Kopf und Hände fehlen ihr. Seit 1850 soll sie sich neben der Hausnummer 9 befinden. Bekleidet ist die sitzende Frau mit einem chitonartigen Kleid und einem über die Schultern gelegten, faltenreichen Mantel. Dübellöcher am Hals zeigen, dass der verloren gegangene Kopf gesondert gearbeitet war. Erzählungen zufolge soll der Kopf im nahegelegenen Stall eingemauert sein. Eine in nachantiker Zeit im Schoß der Statue angebrachte Vertiefung soll zu ihrer Interpretation als Sagengestalt „Kuhdirn“ geführt haben. Im Volksmund wird sie auch als „Perchta Waba“ bezeichnet. Von der Grabstatue aus geht es weiter bis zum rechts liegenden Rennweg. Dort biegt man bei der niedrigen Garage der Adresse Rennweg 6 gleich wieder rechts in einen Feldweg ein. Am Marsch zur Filialkirche hl. Andreas müssen möglicherweise Weidegatter überwunden werden, bei der Begehung durch den Verfasser war auch die Kirche selbst von einem elektrischen Weidezaun umgeben. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Kirche 1570, heute gehört sie zur Pfarre

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Poggersdorf. Durch die Fenster in der westlichen Vorhalle kann man ins Kircheninnere blicken. An der Südseite der Kirche befindet sich ein am Kopf stehendes römisches Relieffragment. Es wird vermutet, dass es Eros bei der Weinlese zeigt. Dargestellt ist jedenfalls ein nackter geflügelter Knabe mit einem Früchtekorb auf der erhobenen Linken.

Wir gehen jetzt wieder zu- rück zum Rennweg und schließlich rechts weg über die Wutscheiner Straße bis zu einer Kreuzung. Dort biegen wir links ab und verlassen Wutschein-Erlach. Der rund 45-minütige Rückweg zum Auto führt zuerst über eine Schotterstraße, an welcher ein als Hlebkreuz bekannter Pfeilerbildstock steht. Ab Ströglach gehen wir über Asphalt nach Leibsdorf, dort nochmals vorbei am Paier- kreuz und springenden Pferd sowie entlang der Römer- Auf dem Kopf stehendes römisches Relieffragment an der Filialkirche hl. Andreas in Wutschein. © Markus Böhm straße bis zum Islandpferde- hof.

Verwendete Literatur/Quellen:

Chronik der Marktgemeinde Poggersdorf. Geschichte und Kultur, Natur, Besonderes und Alltägliches, hg. v. d. Marktgemeinde Poggersdorf, Klagenfurt 2014. Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Kärntens, hg. Bundesdenkmalamt, 3. Auflage, Wien 2001, S. 453/454, 473, 782, 1040/1041, 1091/1092. Josef Grascher, Die Torfstichanlagen im Raunacher Moor (1854–1892), in: Carinthia I – Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten, 198. Jahrgang, Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, Klagenfurt 2008, S. 449–466. Monika Gschwandner-Elkins, Die Klein- und Flurdenkmäler der Marktgemeinde Poggersdorf, Marktgemeinde Poggersdorf (Hg.), Dokumentationsband im Rahmen des Projektes „Juwelen unserer Kulturlandschaft“ vom Kärntner Bildungswerk, Klagenfurt 2018. Franz Jantsch, Antike Bodenforschung in Kärnten 1930, in: Carinthia I, 121. Jahrgang, Klagenfurt 1931, S. 1–17. Kurt Willvonseder, Ein Grabfund der älteren Urnenfelderzeit von Wabelsdorf in Kärnten, in: Carinthia I, 129. Jahrgang, Klagenfurt 1939, S. 271–276. Kärntner Zeitung, 6. September 1898, S. 3–4. http://www.kleindenkmaeler.at/lexikon/rapoldi_johann (aufgerufen am 22. 08. 2020) http://www.kleindenkmaeler.at/detail/sitzende_roemerin1 (aufgerufen am 12. 09. 2020) http://www.kleindenkmaeler.at/detail/roemerstein_filialkirche_wutschein (aufgerufen am 12. 09. 2020) http://lupa.at/2616 und http://lupa.at/1060 (aufgerufen am 13. 09. 2020) http://www.imc-austria.com (aufgerufen am 25. 08. 2020) Sterbbuch III der Pfarre St. Michael über Pischeldorf, Blatt Nr. 00197 über https://data.matricula-online.eu

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