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13. Jg. / Nr. 4 ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT Dezember 2006 MITTEILUNGEN Preis: 1,10 Euro Schostakowitsch in Wien MANFRED MUGRAUER or hundert Jahren, am 25. Sep- ferenten Boris Stojanow, um ihnen eine Friedenskongress, der im Juni desselben tember 1906, wurde Dmitrij Dmi- Einladung nach Wien zu überreichen, die Jahres in Wien stattfand, übermittelte Vtrijewitsch Schostakowitsch in auch vom Direktor der Staatsoper Franz Schostakowitsch eine Grußbotschaft.11 St. Petersburg geboren. Anlässlich dieses Salmhofer und vom Bundesminister für In der Literatur wird Schostakowitschs Gedenktages war seine Musik in den Unterricht Felix Hurdes unterzeichnet Eintreten für den Frieden unterschiedlich Wiener Konzertsälen 2006 so präsent war.2 Salmhofer hatte bereits wenige bewertet, wobei Bernd Feuchtner, der an wie nie zuvor. Als einer der führenden Wochen zuvor in einem Brief an der Ernsthaftigkeit dieses Engagements Komponisten seiner Zeit avancierte Schostakowitsch seine „Bewunderung keinen Zweifel lässt,12 der Wahrheit ge- Schostakowitsch zum zweiten musikali- über Ihre symphonischen Meisterwerke“ wiss näher kommen dürfte als der Her- schen „Jahresregenten“ neben Wolfgang zum Ausdruck gebracht und ihm ein Ex- ausgeber der nicht autorisierten Schosta- Amadeus Mozart. emplar seines „Befreiungshymnus“ als kowitsch-Memoiren Solomon Wolkow, In der Forschungsliteratur wird vor al- Zeichen seiner „Hochschätzung“ über- der davon ausgeht, dass Schostako- lem die enge Beziehung der Musik mittelt, der am 11. April in einem Fest- witschs Teilnahme am Friedenskampf Schostakowitschs zu der sie umgebenden konzert anlässlich des ersten Jahrestages nur „unter dem ständigen, groben Druck Wirklichkeit hervorgehoben: Er wird als der Befreiung Wiens durch die Rote Ar- der sowjetischen Behörden und mit Komponist beschrieben, der wie kaum mee neben der 9. Symphonie Schostako- großem Widerwillen“ stattfand.13 ein/e Künstler/in der Musikgeschichte im witschs in einem Konzert der Wiener Die friedenspolitischen Aktivitäten politischen, gesellschaftlichen und kultu- Symphoniker unter Josef Krips uraufge- Schostakowitschs stießen auch in Öster- rellen Umfeld seiner Zeit verankert war. führt worden war.3 Schostakowitsch hat- reich auf Widerhall: Mitte 1950 richteten Nachdem sein künstlerisches Schaffen te dem Dirigenten zuvor ein Widmungs- mehrere sowjetische Komponisten, dar- mit seinem politischen Leben untrennbar exemplar seiner 9. Symphonie zukom- unter auch Schostakowitsch, ein offenes verbunden ist, kommt in der musikwis- men lassen4 und gemeinsam mit drei Schreiben an die Musikschaffenden des senschaftlichen Beschäftigung mit dem weiteren sowjetischen Komponisten eine Auslands mit der Frage: „Was tut ihr zur Werk Schostakowitschs der Erforschung Einladung der WOKS – der Unionsge- Festigung des Friedens?“.14 Gottfried der biographischen Umstände eine be- sellschaft für kulturelle Verbindungen Kassowitz, Lehrer an der Wiener Musi- sondere Bedeutung zu. Ein Ausschnitt mit dem Ausland in Moskau – an Krips kakademie und musikalischer Leiter der daraus – die Österreich-Bezüge seines hi- zu einer Gastspielreise in die Sowjetuni- Orchesterkonzerte der „Russischen Stun- storischen Umfelds – soll Gegenstand on unterzeichnet.5 In deren Rahmen diri- de“ der RAVAG, berichtete der Öster- dieses Aufsatzes sein, auch vor dem Hin- gierte Krips im Jänner 1947 in Leningrad reichischen Zeitung, dass dieser Aufruf tergrund, dass die Angaben darüber in auch Schostakowitschs 5. Symphonie,6 Schostakowitschs „bei allen österreichi- der Literatur spärlich, zumeist unvoll- die er als „beste Tondichtung der Gegen- schen Friedensfreunden und allen auf- ständig und auch fehlerhaft sind.1 Im wart“ bezeichnete.7 Nach dem Prager rechten, fortschrittlichen Künstlern ein Mittelpunkt stehen seine fünf Besuche in Musikkongress 1947 war im Wiener Ku- begeistertes Echo gefunden“ habe.15 Der Wien, die er vor allem in Ausübung sei- rier zu lesen, dass Schostakowitsch An- Antrag von Schostakowitsch in War- ner politischen Ämter unternahm. Ergän- fang Juni Wien besuchen werde, um an schau, „zwischen den Künstlern aller zend wird knapp auf die Beziehungen des einem Konzert mitzuwirken, das ihm zu Länder persönliche Beziehungen und ei- sowjetischen Komponisten zur öster- Ehren veranstaltet werde.8 Dies ließ sich nen Austausch der Werke herzustellen“, reichischen Musik und die Schostako- jedoch ebenso wenig realisieren wie der wurde vom Komponisten Marcel Rubin witsch-Rezeption in den österreichischen angekündigte Besuch im Jahr 1946. auch in Österreich bekannt gemacht.16 Konzertsälen und Medien eingegangen. Dmitrij Schostakowitsch besuchte Wien Diese Initiative Schostakowitschs und erstmals im Dezember 1952, um am die in Warschau gefassten Beschlüsse, Weltfriedenskongress 1952 „Völkerkongress zum Schutz des Frie- die ebenso auf die Erweiterung der kul- Ein Besuch Schostakowitschs in Wien dens“ teilzunehmen, der vom 12. bis turellen Beziehungen abzielten, war für war zunächst bereits in den Jahren 1946 19. Dezember 1952 unter großer interna- die Österreichisch-Sowjetische Gesell- und 1947 angekündigt. Mitte 1946 be- tionaler Beteiligung tagte.9 Insgesamt hat- schaft bereits 1951 Anlass, beim Sekre- fand er sich gemeinsam mit Aram Chat- ten Schostakowitschs gesellschaftspoliti- tariat des Zentralkomitees der KPÖ schaturjan, David Oistrach und Lew sche Aktivitäten, insbesondere sein Enga- dafür einzutreten, bei der WOKS „drin- Oborin auf einer Reise durch Westeuro- gement für den Frieden, in diesen Jahren gend für eine größere Anzahl von Einla- pa. Als die Künstler in Prag eintrafen, stark zugenommen: 1949 wurde er zur dungen an Österreich zu plädieren“, entsandte die Gesellschaft zur Pflege der New Yorker Friedenskonferenz entsandt, worauf die Einladung einer österreichi- kulturellen und wirtschaftlichen Bezie- 1950 nahm er am 2. Weltfriedenskongress schen Musiker-Delegation in die So- hungen zur Sowjetunion ihren Musikre- in Warschau teil.10 Dem österreichischen wjetunion geplant wurde.17 2 Beiträge Dass Schostakowitsch – wie in der Li- teratur behauptet – auch am 3. Weltfrie- denskongress in Wien im Dezember 1952 ein Referat gehalten hat,18 erscheint aufgrund der vorhandenen Quellen eher unwahrscheinlich.19 Sicher ist, dass er ei- ner Diskussion von Musikschaffenden vorstand, dort jedoch bedauern musste, dass nur 19 Musiker am Kongress anwe- send seien.20 Erbittert über diese man- gelnde Aktivität der Musiker in der inter- nationalen Friedensbewegung sei bei dieser Aussprache, die nach Abschluss des Kongresses stattfand, der Entschluss gefasst worden, „alles zu tun, um die Musikschaffenden weitgehend in das ge- sellschaftliche Leben einzubeziehen und für die edle Sache des Friedenskampfes Dmitrij Schostakowitsch mit Joseph Marx und Franz Salmhofer im Juni 1953. zu mobilisieren“, so Schostakowitsch in seinem Kongressbericht.21 weichquartier im Theater an der Wien wohnt hatte, kamen über das „musika- Am 18. Dezember fand im Vortrags- bei.27 Im Rahmen einer Pressekonferenz lisch glanzvoll(e), szenisch laut der da- saal des Konservatoriums der Stadt Wien sprach Schostakowitsch, der mit dem maligen Kritik großteils enttäuschend(e)“ eine Begegnung von Schostakowitsch Filmregisseur G. Alexandrow („Begeg- Musikfest35 zustimmende, gleichzeitig je- mit österreichischen Komponisten und nung an der Elbe“) nach Wien gereist doch auch vorsichtig kritische Worte: Be- Musikschaffenden statt, an der u.a. Al- war, über die Rolle der Musik im Film sonders hob er seine Bewunderung für fred Uhl, Marcel Rubin, Hanns Eisler, und betonte, dass es für sowjetische die Wiener Philharmoniker,36 für die Mitglieder des Professorenkollegiums Komponisten „eine Ehre und eine „glänzende Orchesterkultur“, hervor, we- und bekannte Wiener Instrumentalisten Pflicht“ sein, „an der Filmarbeit, die wie niger befriedigend hielt er die Leistungen teilnahmen. Schostakowitsch brachte bei keine andere Kunst die Massen erreicht, der Sänger und noch weniger – insbeson- dieser Gelegenheit erstmals in Wien drei teilzunehmen“.28 Vor der Abreise der dere bei „Fidelio“ – die Inszenierung.37 seiner Präludien und Fugen für Klavier Delegation am 15. Juni29 referierte Der Erinnerung des Presse-Musikkriti- zu Gehör.22 Seine öffentlichen Erklärun- Schostakowitsch – auf Vermittlung der kers Franz Endler entsprechend besaß gen standen im Zeichen der Betonung ÖSG und auf Einladung der steirischen Schostakowitsch „als einziger […] die der Völkerfreundschaft zwischen Öster- Musikdirektion30 – auch im Saal des Courage, seine Meinung unverblümt zu reich und der Sowjetunion: Bei der Be- Landeskonservatoriums in Graz vor Gra- sagen“. Er „fand die Aufführung dem gegnung mit der Musikern und Kompo- zer Musikausübenden, Komponisten, Anlaß nicht unbedingt entsprechend“ und nisten habe er erkannt, dass sich diese Kapellmeistern der Grazer Oper und Stu- äußerte „nicht nur freundliche, sondern „zutiefst für die heutige Sowjetmusik in- dierenden des Konservatoriums „über auch klug-kritische Worte“.38 Im Rah- teressieren sowie auch wir in unserem die Heranbildung und die Lage der so- men einer Pressekonferenz übte Schosta- Lande lebhaft alles Gute und Interessan- wjetischen Komponisten“.31 kowitsch darüber hinaus Kritik am auch te aufnehmen, was von den Musikern in Der dritte Wien-Besuch fand 1955 heute noch umstrittenen Eisernen Vor- allen Ländern geschaffen wird“.23 statt, als Schostakowitsch gemeinsam mit hang von Rudolf Eisenmenger.39 Dieser dem Direktor der Moskauer Oper Mich- soll ihn an die „Seifenetikette einer Par- ÖSG-KKongress 1953 und ail Tschulaki als Ehrengast