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Musikstunde mit Wolfgang Sandberger

„Verehrungsvoll zugeeignet“ Widmungen in der Musik

Mittwoch, 5. Oktober

Einen schönen guten Morgen, willkommen zur Musikstunde, und gleich zum Auftakt können wir allen Frauen mit dem hübschen Vornamen Elise eine kleine Enttäuschung nicht ersparen: Die berühmte Widmung „Für Elise“ ist wahrscheinlich ein Lesefehler. Beethovens Bagatelle ist wohl für Therese bestimmt gewesen, genauer: für die 19-jährige Therese Malfatti. Elise ist der Lesefehler eines Beethoven-Forschers, verzeihlich bei der notorisch schlechten Handschrift dieses Komponisten. Nicht Elise, sondern Therese hätte Beethoven also im Frühjahr 1810 wohl gerne geheiratet - doch daraus wurde nichts. Dabei heißt es doch eigentlich: Wer Klavier spielt, hat Glück bei den Frauen...

Musik 1 Track 2 2.43’’ “Für Elise”, Bagatelle a-moll WoO 59 Rudolf Buchbinder, Klavier Teldec 9031-73868-2

Für Therese alias Für Elise: Rudolf Buchbinder spielte diese Bagatelle a-moll WoO 59 von Ludwig van Beethoven. Die SWR 2 Musikstunde widmet sich wieder musikalischen Widmungen und es geht heute um Zueignungen, die mit Zuneigung verbunden sind: Widmungen bei denen das Herz eben höher schlägt – sei es das Herz von Elise oder Terese, Pauline, Elisabeth oder Clara und wie die Frauen alle mit Vornamen heißen, denen die Musik heute in der Musikstunde gewidmet ist. Die folgende Frau heißt Josepha mit Vornamen, und hat sie nicht gerade charmant ein „scheusal“ genannt. „Die freulle ist ein scheusal! – spielt aber zum entzücken“, so heißt es in einem Brief über Josepha von Auernhammer, die tatsächlich eine 3 ausgezeichnete Pianistin gewesen sein muss – klar bei dem Lehrer Mozart. Und die junge Dame hat sich keineswegs damit begnügt, nur im stillen Kämmerlein zu üben. Nein, Josepha von Auernhammer hat durchaus von einer professionellen Pianisten-Karriere geträumt; diese geheimsten Wünsche hat sie immerhin ihrem Lehrer Mozart anvertraut. „Sie hat mir - so berichtet Mozart - ihren Plan (als ein Geheimnis) entdeckt - der ist: noch 2 oder 3 Jahr rechtschaffen zu studiren, und dann nach Paris zu gehen und Metier davon zu machen. - denn sie sagt, ich bin nicht schön; o contraire hässlich. Einen kanzley Helden mit 3 oder 400 gulden mag ich nicht heirathen, und einen andern bekomme ich nicht; mithin bleib ich lieber so, und will von meinem talent leben.“ – so Josepha von Auernhammer vertraulich.

Doch auch wenn Mozart die klavierspielende Dame ermuntert hat: Josepha hat ihre musikalischen Pläne nicht wahr machen können. Sie hat dann doch geheiratet, fünf Jahre später tatsächlich einen Kanzley Helden, einen Magistratsrat namens Bessenig.

Heute erinnern immerhin noch einige Widmungen an Josepha von Auernhammer, Mozart nämlich hat ihr einige Klavier-Violinsonaten gewidmet, darunter auch die Sonate F-dur KV 376

Musik 2 Track 1 5.07’’ Wolfgang Aamdeus Mozart Violinsonate KV 376, daraus: 1. Satz, Allegro Hilary Hahn, Violine Nathalie Zhu, Klavier DGG 00289 477 5572

Hilary Hahn und Nathalie Zhu waren das mit dem ersten Satz Allegro aus der Klavier- Violinsonate F-dur KV 376, Musik, die Wolfgang Amadeus Mozart seiner Klavierschülerin Josepha von Auernhammer gewidmet hat, eine Schülerin, die in ihren Lehrer Mozart verliebt gewesen ist – kann man verstehen, allein schon wegen dieser Musik. Widmungen an Frauen sind zur Mozart-Zeit noch eher eine Rarität, hie und da wird eine Schülerin bedacht, doch die großen Werke für den Konzertsaal sind eine Männer-Domäne. Beispiel Beethoven: Bis auf die Achte tragen alle seine Sinfonien eine Widmung, die erste ging an Baron Gottfried van Swieten, die zweite an Fürst Lichnowsky, die dritte an den 4

Fürsten Lobkowitz und so weiter bis zur Neunten, die dem preußischen König gewidmet ist - keine einzige Sinfonie also ist einer Frau dediziert. Fast das gleiche Bild zeigt sich bei den Konzerten und Ouvertüren. Mit diesen großen Orchesterwerken ist Beethoven europaweit berühmt geworden, über sie ist in der Öffentlichkeit gesprochen, in den Musikzeitschriften geschrieben worden, mit ihnen hat Beethoven „Staat machen“ können – und in diesem „Staat“ sind eben Männer damals tonangebend gewesen. Immerhin gibt es aus frühen Tagen eine bemerkenswerte Ausnahme: das erste Klavierkonzert C-dur trägt in elegantem französische folgende Widmung: „dedié A son Altesse Madame la Princesse Odescalchi née Comtesse Keglevics”. Die Prinzessin ist eine Klavierschülerin Beethovens gewesen, und diesmal dürfte es der Komponist gewesen sein, der in seine Schülerin verliebt gewesen ist – ausgesucht haben wir denn auch eine Aufnahme mit einer Pianistin, mit Martha Argerich, hier mit dem Schlussrondo aus diesem 1. Klavierkonzert:

Musik 3 Track 3 8.58’’ Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 1 C-dur Dritter Satz: Rondo.Allegro Martha Argerich, Klavier Philharmonia Orchestra Giuseppe Sinopoli DGG 445 504 2

Eine Zueignung aus Zuneigung: das war der Schlussatz aus dem ersten Klavierkonzert von Beethoven - gewidmet der Prinzessin Odescalchi, eine Klavierschülerin, für die Beethoven geschwärmt hat. So was ist Beethoven, dem Junggesellen, immer mal wieder passiert, auch wenn wir nicht gleich aus jeder seiner Schülerinnen eine Kandidatin für die „unsterbliche Geliebte“ machen müssen. Nun eine heiße Anwärterin für die legendäre „unsterbliche Geliebte“ ist immer noch Antonie Brentano, auf die sich die Beethoven-Forschung inzwischen mehrheitlich festgelegt hat. „Mein alles, mein Engel, mein ich“ – so beginnt der spektakuläre Beethoven-Brief, bei dem der Komponist leider keine namentliche Anrede verwendet hat, leider – das gilt natürlich nur aus der Perspektive des neugierigen Historikers heute, ansonsten dürfte diese dreifache Anrede alles übertreffen, was die Konventionen der 5 damaligen Briefkultur nahe legten: „Mein Engel, mein alles, mein Ich. - nur wenige Worte heute, und zwar mit Bleistift (mit deinem) – Kann unsere Liebe anders bestehen als durch Aufopferungen, durch nicht alles verlangen, kannst Du es ändern, dass du nicht ganz mein, ich nicht ganz dein bin.“

Dieser Brief scheint auf Antonie Brentano zugeschnitten, gerade weil auch sie bereits durch eine Ehe gebunden gewesen ist, ihre Ehe mit dem Bankier Franz Brentano. Mehrere male hat Beethoven seiner „unsterblichen Geliebten“ übrigens neu erschienene Werke geschenkt: Im Spätherbst 1811 etwa die Erstdrucke der drei Goethe-Lieder op. 83. Und nur 10 Tage vor seinem berühmten Liebes-Brief hat Beethoven sogar für die kleine Tochter der Brentanos ein Stück komponiert, den Klaviertriosatz WoO 39, charmante, liebenswürdige Musik. Und die handschriftliche Widmung auf dem ersten Notenblatt lautet: „Wien am 26ten Juni 1812. Für meine kleine Freundin Maxe Brentano zu ihrer Aufmunterung im Klavierspielen. Ludwig van Beethoven.“

Musik 4 Track 9 5.07’’ Ludwig van Beethoven Klaviertriosatz WoO 39 Abegg Trio Tacet 79 LC 07033

Das Abegg-Trio spielte den Klaviertriosatz B-dur WoO 39, den Ludwig van Beethoven für Maxi Brentano, die kleine Tochter von Antonie Brentano geschrieben hat. Apropos: Abegg-Trio, der Name Abegg ist ja auch ein Frauenname, der Musikgeschichte gemacht hat: Der Comtesse Pauline von Abegg hat sein op. 1 gewidmet, eben die Abegg-Variationen. Und diese Comtesse trägt im wahrsten Sinne des Wortes einen klangvollen Namen, einen Namen nämlich, dessen Buchstaben-Folge auch gleich ein tänzerisch-charmantes Thema ergibt: a b e' g ' g', ein Thema, über das Schumann dann brillante Walzerminiaturen geschaffen hat. Und da ahnen wir es: Die Abegg-Variationen sind ein doppelter Spaß: die Widmungsträgerin, die besagte Pauline Comtesse d’Abegg ist nämlich eine Fiktion, eine chiffrierte Figur, die sich auf dem Titelblatt dieses op. 1 aber natürlich sehr gut ausnimmt: Die in den Noten mystifizierte Comtesse will also aus der Musik selbst heraus erraten sein

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Musik 5 Track 1 6.56’’ Robert Schumann Variationen über den Namen ABEGG op. 1 Oliver Schnyder, Klavier RCA/Sony 88697 72036 2

Oliver Schnyder spielte die Abegg-Variationen, das op. 1 des jungen Robert Schumann, der diese Musik einer fiktiven Dame gewidmet hat: Madmoiselle Pauline Comtesse d’Abegg, ein klangvoller französischer Name auf dem Titelblatt und da durfte natürlich über die persönliche Beziehung von Schumann zu dieser geheimnisvollen Comtesse spekuliert werden. Bezeichnenderweise hat dieses Stück ihres Mannes nicht ins eigene Repertoire aufgenommen. Das Thema dieser Musik lässt für uns heute noch etwas von der Atmosphäre erahnen, die der junge Schumann einst als Improvisator im geselligen Kreis der Heidelberger Studenten versprüht hat, wenn er mit Walzerminiaturen a la Schubert brilliert hat. So, auch darf natürlich beim Thema musikalische Widmungen an Frauen nicht fehlen, ohnehin gilt Schubert ja als femininer Komponist, der gelegentlich sogar als “damenhaft“ beschrieben worden ist. Der renommierte englische Musikgelehrte George Grove hat mal gemeint, Schubert sei mit Beethoven vergleichbar, wie „eine Frau mit einem Mann“: man empfinde ihm gegenüber fast immer „Mitgefühl, Zuneigung und Liebe“. Nun auch andere Musikexperten haben sich bisweilen große Sorgen um Schuberts Männlichkeit gemacht: Angesichts der vielen Lieder für Frauenstimmen hat sich ein Schubert-Forscher beeilt zu betonen, dass die Lyrik des Komponisten doch auch eine „männliche Note“ besitze, die allem „Weichlichen“ fremd sei. Eine etwas halbherzige Ehrenrettung Schuberts, über dessen angebliche Homosexualität vor Jahren eine hitzige Debatte entbrannt ist, kaum weniger vorurteilsfrei. Sicher ist: die Herzens-Komtesse von Schubert ist anders als Madmoiselle Abegg keine Fiktion, sondern Realität gewesen: die Komtesse Caroline Esterházy, die Schubert seit 1818 unterrichtet hat, und für die er tatsächlich entbrannt ist. Ob die schöne Komtesse diese Gefühle erwidert hat, wissen wir nicht so genau, Schuberts Empfindungen aber dürften ihr nicht verborgen geblieben sein. Als Karoline nämlich einst im Scherz Schubert vorgeworfen hat, er habe ihr noch gar kein Musikstück dediziert, hat Schubert nur geantwortet: „Wozu denn, es ist Ihnen ja ohnehin alles gewidmet.“ 7

Nun, die Widmung der ebenso berührenden wie melancholischen f-Moll-Fantasie für Klavier zu vier Händen an die besagte Komtesse Karoline ist erst nach Schuberts Tod erfolgt, doch dass Schubert selbst mit seiner Aussage, der Komtesse sei im Grunde alles gwidmet, gar nicht so unrecht hatte, mag vielleicht sein Liederheft op. 87 zeigen, ein Heft ohne offizielle Widmung, aber doch in einer Zusammenstellung, bei der Schubert sicher an Karoline gedacht hat: Der Unglückliche, Hoffnung und der Jüngling am Bache. Schon im ersten Lied „Der Unglückliche“ geht es um die vergebliche Liebe eines Sängers und Dichters zu einer sehr viel höher gestellten Dame:

Musik 6 SWR M0056520.011 4.03’’ Franz Schubert „Der Unglückliche“ D 713 Peter Schreier, Tenor Konrad Ragossnig, Gitarre

Der Unglückliche – das mag zum Teil auch auf zu treffen, wenn es um Frauen gegangen ist. Brahms, der Junggeselle hat Frauen immerhin gesammelt: auf Fotos jedenfalls, in seinem Nachlass haben sich etliche Portrait-Fotographien erhalten, Fotos von Clara Schumann natürlich, aber auch von Frauen, in die er sich später verliebt hat: Da ist zum Beispiel auch ein Foto von Luise Dustmann, die Brahms vertrauliche Briefe schreibt mit Anreden wie: „Mein lieber Freund Hansi“; die Sängerin bittet ihren Hansi denn auch gleich in ihre Garderobe und unterschreibt feinsinnig: Dein Fidelio. Zu den Frauenportraits aus Brahms Nachlass gehört auch die recht laszive, schulterfreie Rückenansicht einer Dame, die auf der Rückseite dieser Fotographie auch gleich noch eine originelle Botschaft an Brahms übermittelt hat: „Ist das Original noch nicht vergessen – so schreibt sie – Ist das Original der Fotographie noch nicht vergessen und wollen Sie eine alte Bekanntschaft erneuern, so finden sie es Wien, Wanggasse 13, Erste Etage, Thüre 4.“

Johannes Brahms ist Single geblieben, als 43-jähriger hat er sich mit dem Junggesellen- Dasein abgefunden. „Heiraten will ich nicht mehr und - habe doch einigen Grund, mich vor dem schönen Geschlecht zu fürchten“, so schreibt Brahms damals an einen Freund. Zu dem schönen Geschlecht, vor dem sich Brahms also auch etwas gefürchtet hat, gehört auch Elisabeth von Herzogenberg, die bei Brahms in späteren Jahren die erste Geige gespielt hat – 8 sehr zum Bedauern übrigens von Clara Schumann, die durchaus mit Neid auf die charmante und schöne Konkurrentin geblickt hat. Der Unterschied zwischen ihr selbst und der kinderlosen, reichen und jungen Aristokratin ist Clara Schumann nur zu gut bewusst gewesen. Zwischen den Konzertreisen, dem Unterrichten und den Kindern blieb Clara oft nicht viel Zeit, um sich ebenfalls intensiv mit den Manuskripten des alten Freundes auseinander zu setzen. Brahms gegenüber hat sie ganz offen geschrieben, dass sie nicht „Herr ihrer Zeit und Kräfte sei, um sich wie Frau von Herzogenberg tagelang in so ein Werk von ihm hinein zu verbohren.“

Zu diesen Kompositionen, in die sich Elisabeth von Herzogenberg so vertieft hat, gehören auch die beiden Rhapsodien op. 79. Brahms hatte die Freundin gefragt, ob sie für die Drucklegung nicht doch einen besseren Titel wisse als „Zwei Rhapsodien“. Und die Antwort von Elisabeth von Herzogenberg zeugt von ihrem musikalischen Sachverstand, den Brahms ja so geschätzt hat:

„Was ihre Frage anbelangt, so wissen Sie, daß ich für das nichtssagende Wort ‚Klavierstücke’ immer am meisten eingenommen bin, eben, weil es nichts sagt; aber das geht wahrscheinlich nicht, und da ist denn die Benennung Rhapsodien wohl die passendste, obwohl die geschlossene Form der beiden Stücke beinahe dem Begriffe des Rhapsodischen zu widersprechen scheint.“

Verdienter Lohn für so viel Sachverstand: Brahms hat der adligen Dame die beiden Klavierstücke gleich auch noch gewidmet, beim Namen Rhapsodie ist er allerdings geblieben – hier die zweite Rhapsodie g-moll mit Gerhard Oppitz

Musik 7 Track 2 7.14’’ Johannes Brahms Rhapsodie op. 79 Nr. 1 Gerhard Oppitz, Klavier BMG RD 69249 LC 0202