Gisela Hürlimann: "Die Eisenbahn Der Zukunft"
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Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Institut für Geschichte Technikgeschichte Gisela Hürlimann Preprints zur Kulturgeschichte der Technik / 2006 Nr. 20 Technik der Kulturgeschichte zur Preprints „Die Eisenbahn der Zukunft“ Modernisierung, Automatisierung und Schnellverkehr bei den SBB im Kontext von Krisen und Wandel (1965 – 2000) © beim Autor / bei der Autorin „Die Eisenbahn der Zukunft“ Modernisierung, Automatisierung und Schnellverkehr bei den SBB im Kontext von Krisen und Wandel (1965 – 2000) Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich Vorgelegt von Gisela Hürlimann von Baar / Zug März 2006 Referent: Prof. Dr. Jakob Tanner, Universität Zürich Koreferent: Prof. Dr. David Gugerli, ETH Zürich Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...............................................................................................................................3 1.1 Fragestellungen.................................................................................................................4 1.2 Forschungsstand und Quellen...........................................................................................5 1.3 Theoretische Zugänge ......................................................................................................9 1.4 Fazit: Handlungsparadigmen und Untersuchungskonzepte ...........................................16 1.5 Aufbau der Arbeit...........................................................................................................17 2. Ausgangslage Krise und die „Eisenbahn der Zukunft“ als Lösung .....................................19 3. Das „automatischste System der Zukunft“: Eisenbahn-Kybernetik zwischen Vision und Umsetzung......................................................................................................................31 3.1 Kybernetik – oder der Versuch einer interdisziplinären Einheitswissenschaft ..............33 3.2 Die Eisenbahnkybernetik zwischen Kongressprogramm und Umsetzung.....................39 3.3 Der Einzug des Computers bei den SBB........................................................................51 3.4 Die SBB und die interoperable Zugbeeinflussung (1958 – 1980) .................................70 4. Mit Tempo in den Wettbewerb: Die Leitvision Hochgeschwindigkeit..............................109 4.1 Das Tempo-Monopol der Bahn: Verlust und versuchte Wiederaneignung .................111 4.2 Das Eisenbahn-Tempo in der Schweiz.........................................................................124 4.3 Die Schnellverkehrspläne im Realitätstest ...................................................................154 5. Zwischen Imitat und Innovation: der Taktfahrplan............................................................176 5.1 Die Fahrplankommission reist nach Holland (1953)....................................................179 5.2 Der (angebliche) Mythos Taktfahrplan ........................................................................189 6. Gemeinwirtschaft und Marktorientierung: aus der Krise der 1970er- zum Kompromiss der 1980er-Jahre .................................................................................................................213 7. Mit Bahn 2000 zur „Eisenbahn der Zukunft“.....................................................................248 7.1 Die Neuen Haupttransversalen im offenen Mitwirkungsverfahren ..............................248 7.2 Mehrheitsfähig werden mit Bahn 2000 ........................................................................266 7.3 Die Bewältigung von Unsicherheit: ETCS und die SBB-Reform................................288 8. Schlusswort und Ausblick ..................................................................................................337 Dank ......................................................................................................................................346 Anhang ...................................................................................................................................348 Abkürzungsverzeichnis ..........................................................................................................349 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................350 Quellen- und Literaturverzeichnis......................................................................................351 Curriculum Vitae ................................................................................................................377 2 Gisela Hürlimann: Eisenbahn ETH Zürich / Technikgeschichte / Preprint 20 1. Einleitung Endlich „ernst genommen“ fühlte sich ein Pendler einen Monat nach Inbetriebnahme von Bahn 2000 im Dezember 2004. Zuvor kam er sich wie ein Tourist vor, „dem möglichst viel von der ländlichen Schweiz“ präsentiert werden sollte.1 Ihm, der – so können wir annehmen – frühmorgens auf der Strecke Zürich–Bern stets über seinen Laptop gebeugt arbeitet, können die neuen Tunnels nichts anhaben. Er freut sich über den Tempogewinn, der nach Olten dank der Neubaustrecke zwischen Rothrist und Mattstetten möglich wird und dank dem er nun in 58 Minuten am Ziel ist.2 Wäre es nach einigen SBB-Ingenieuren gegangen, die für die gleiche Zugfahrt im Jahr 1969 mehr als eineinhalb soviel Reisezeit benötigten, dann könnten die Par- lamentarierinnen, die Geschäftsreisenden und die Touristen heute gar in einer Dreiviertelstun- de zwischen der heimlichen und der eigentlichen Hauptstadt der Schweiz pendeln.3 Denn da- mals, 1969, nahmen die SBB den Tempo-Wettbewerb mit dem Strassenverkehr auf. Nichts weniger als eine Renaissance der Bahn schwebte ihnen vor: eine schnellere, automatische, rationalisierte und dadurch konkurrenzfähige Bahn. Die „Eisenbahn der Zukunft“. Und nicht nur in der Schweiz: Die europäischen Bahnverwaltungen entwickelten Problemanalysen und Lösungsvorschläge gemeinsam. Auch die SBB machten mit. Denn wie in Deutschland oder Frankreich stiegen selbst im Bahnland Schweiz immer mehr Zugpassagiere aufs Auto und auf die Autobahn um. Dieser Trend führte die Schweizerischen Bundesbahnen in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre in eine Krise. Bis dahin waren die SBB ein rentables Unternehmen gewesen. Als sich das änderte, entwickelten die SBB-Verantwortlichen verschiedene Ideen und ergriffen zahlreiche Massnahmen, um die Eigenwirtschaftlichkeit des grössten schweize- rischen Bahnunternehmens wieder herzustellen. Hier setzt die Untersuchung denn auch ein. Heute, im Kontext von Deregulierung, Marktliberalisierung und Privatisierung, geniesst die SBB AG den Ruf, marktwirtschaftliche Dynamik mit Volksverbundenheit gekonnt kombinie- ren zu können. Dass Bund und Kantone jährlich gegen zwei Milliarden Franken an die SBB- Aktivitäten beitragen, sei es in Form von Abgeltungen unrentabler Verkehrsleistungen oder als Infrastrukturinvestitionen, kann dem marktwirtschaftlichen Image der neuen SBB nur we- nig anhaben.4 Womit hat dieser gute Ruf der SBB, mindestens im Personenverkehr, zu tun? Mit der Tatsache, dass die Bundesbahnen im Verbund mit den weiteren Anbietern des öffent- 1 Freude zwischen Städten – Ärger in Regionen: Erfahrungen einen Monat nach dem Fahrplanwechsel, in: NZZ, 12.1.2005. 2 Mit ETCS wird die Reisezeit noch 56 Minuten betragen. 3 Amtliches Kursbuch Sommer 1969, Städteschnellzug Zürich-Bern nonstop: 90 Minuten.S. 20. 4 SBB-Geschäftsbericht 2004, Konzernerfolgsrechnung, S. 101: Abgeltungsbeiträge: 636.9 Mio. CHF, Infra- strukturleistungen des Bundes: 1´331.5 Mio. CHF. 3 Gisela Hürlimann: Eisenbahn ETH Zürich / Technikgeschichte / Preprint 20 lichen Verkehrs hervorragende Leistungen erbringen, meinen vor allem auch ausländische Reisende und Bahnfans. Schnell fallen Stichworte wie der Taktfahrplan, der vielen als schweizerische Errungenschaft gilt, oder eben die Bahn 2000. Tatsächlich erweisen sich diese beiden Elemente des schweizerischen Bahnangebots als Knackpunkte dafür, dass die SBB den turnaround in der Publikumsgunst schafften und den Verkehrsanteil der Bahnen seit der Mitte der 1980er-Jahre wieder steigern konnten. 1.1 Fragestellungen Die vorliegende Arbeit ist das Resultat eines komparativen historischen Forschungsprojekts mit dem Titel „Innovationsprozesse und institutioneller Wandel in öffentlichen Unternehmen in der Schweiz: das Beispiel der PTT und der SBB (1970 – 2000)“5. Forschungsleitend war die Kernfrage: Wie hängen institutioneller und organisatorischer Wandel und technische In- novation bei diesen beiden Unternehmen zusammen? Daraus folgten für das Projekt zu den SBB die Anschlussfragen: Woher kam und kommt der Druck zu Veränderung und Innovation bei den Bahnen? Wie und von wem wurden innovative Ideen in den SBB generiert und wie konnten sie sich durchsetzen? Es wurde also untersucht, mit welchen Zielen und auf welchen Wegen man bei den SBB die für die Zukunft des Unternehmens entscheidenden Bahninnova- tionen im Bereich des Fahrplanangebots, der Geschwindigkeit, der Automatisierung und des Marketings entwickelte. Dabei geht die Verfasserin mit Dirk van Laak einig, der dafür plä- diert, anzuerkennen, dass auch die Planer und Träger der so selbstverständlich erscheinenden infrastrukturellen Basisdienste über „eigenständige Visionen und ein Set an Durchsetzungs- strategien“ verfügen und nicht nur reaktiv handeln.6 Die zeitlichen Klammern bilden dabei die 1960er-Jahre einerseits und die späten 1990er- Jahre, als die Bahn- und Unternehmensreform in Kraft trat, anderseits. Wo nötig, dehnt die Untersuchung ihren Zeitraum