Das Jahr 1866 ist eine Wegmarke der deutschen Geschichte. Preußen setzte seine Vorherrschaft in Deutschland gegen Österreich durch. Bayern stand im Krieg auf der Seite Österreichs. Nach dem Krieg wandte es sich Preußen zu. War es eine plötzliche Wende oder das Ergebnis einer langen Entwicklung?

Die Ausstellung konzentriert sich auf den Feldzug in Franken und damit die Kämpfe zwischen Bayern und Preußen. Sie zeigt die Soldaten ebenso wie die Monarchen und ihre Minister. Es war ein Krieg mitten in der ersten Hochphase der Industrialisierung. Der Katalog dokumentiert alle der knapp 300 Objekte, Dokumente und Fotografien in der Ausstellung. Hinter diesen Puzzleteilen stehen die großen Fragen: Waren die Menschen oder war die Technik entscheidend? Bestimmte die Politik oder das Militär? NORD GEGEN SÜD Der Deutsche Krieg 1866 SÜD Der NORD GEGEN

ISBN 978-3-00-053589-5 Der Deutsche Krieg 1866 Deutscher Bund 1866 Norddeutscher Bund 1867

FL = Fürstentum Lippe FW = Fürstentum Waldeck und Pyrmont FL = Fürstentum Lippe = Hansestadt Hamburg HH = Hansestadt Hamburg FW = Fsm Waldeck und Pyrmont HL = Hansestadt Lübeck HH = Hansestadt Hamburg KH = Kurfürstentum Hessen HL = Hansestadt Lübeck M-St = Ghzm Mecklenburg-Strelitz M-St = Ghm Mecklenburg-Strelitz OL = Großherzogtum Oldenburg OL = Großherzogtum Oldenburg RÄL = Fürstentum Reuß ältere Linie RÄL = Fürstentum Reuß ältere Linie RJL = Fürstentum Reuß jüngere Linie RJL = Fürstentum Reuß jüngere Linie SA = Herzogtum Sachsen-Altenburg SA = Herzogtum Sachsen-Altenburg SCG = Hzm Sachsen-Coburg und Gotha SCG = Hzm Sachsen-Coburg und Gotha SL = Fürstentum Schaumburg-Lippe SL = Fürstentum Schaumburg-Lippe = FL = Fürstentum Lippe SM = Herzogtum Sachsen-Meinigen FL = Fürstentum Lippe SM = Herzogtum Sachsen-Meinigen = Fsm. Schwarzburg Sondershausen FW = Fürstentum Waldeck und Pyrmont SSH = Fsm. Schwarzburg Sondershausen = Fsm Waldeck und Pyrmont SSH = Fsm. Schwarzburg Sondershausen SR = Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt FW HH = Hansestadt Hamburg SR = Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt HH = Hansestadt Hamburg SR = Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt SWE = Ghzm Sachsen-Weimar-Eisenach HL = Hansestadt Lübeck SWE = Ghzm Sachsen-Weimar-Eisenach HL = Hansestadt Lübeck SWE = Ghm Sachsen-Weimar-Eisenach KH = Kurfürstentum Hessen M-St = Ghm Mecklenburg-Strelitz = Fsm = Fürstentum Fsm Fürstentum M-St = Ghzm Mecklenburg-Strelitz Fsm = Großherzogtum Oldenburg Kfsm = Kurfürstentum OL Hzm = Herzogtum OL = Großherzogtum Oldenburg Kfsm Ghzm= Großherzogtum RÄL = Fürstentum Reuß ältere Linie Ghzm= Großherzogtum = Ghzm = Fürstentum Reuß jüngere Linie RÄL Fürstentum Reuß ältere Linie Hzm = Herzogtum RJL Kgr = Königreich RJL = Fürstentum Reuß jüngere Linie Hzm = Herzogtum Sachsen-Altenburg Kgr = Königreich SA SA = Herzogtum Sachsen-Altenburg Grenze des Deutschen Bundes SCG = Hzm Sachsen-Coburg und Gotha Grenze des Norddeutschen Bundes = Hzm Sachsen-Coburg und Gotha Grenze des Deutschen Bundes SCG SL = Fürstentum Schaumburg-Lippe Stadt Festung SL = Fürstentum Schaumburg-Lippe Stadt Bundesfestung Festung SM = Herzogtum Sachsen-Meinigen Stadt B Bundesfestung Festung SM = Herzogtum Sachsen-Meinigen SSH = Fsm. Schwarzburg Sondershausen SSH = Fsm. Schwarzburg Sondershausen SR = Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt SR = Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt SWE = Ghm Sachsen-Weimar-Eisenach SWE = Ghzm Sachsen-Weimar-Eisenach Fsm = Fürstentum Fsm = Fürstentum Hzm = Herzogtum Kfsm = Kurfürstentum Ghzm= Großherzogtum Ghzm= Großherzogtum Kgr = Königreich Hzm = Herzogtum Grenze des Norddeutschen Bundes Kgr = Königreich Grenze des Deutschen Bundes Stadt Festung

Stadt B Bundesfestung Festung Nord gegen Süd Der Deutsche Krieg 1866 Nord gegen Süd Der Deutsche Krieg 1866

Herausgegeben von Dieter Storz und Daniel Hohrath Inhalt

Grußwort ...... 7

Kataloge des Bayerischen Armeemuseums Vorwort ...... 8 Band 13 Impressum ...... 11

Ansgar Reiß: Vor 1866 ...... 13 Herausgegeben von Ansgar Reiß Dieter Storz: Warum dieser Krieg? ...... 19

Dieter Storz: Das Heer des Deutschen Bundes ...... 27

Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 ...... 31

Daniel Hohrath: Die Uniformierung ...... 39

Dieter Storz: Die Bewaffnung ...... 47

Dieter Storz: Der Feldzug ...... 57

Dieter Storz: Betrachtung ...... 71

Walter Hamm: Die Toten der bayerischen Armee 1866 ...... 77

Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen von 1866 ...... 85

Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee ...... 93

Katalog Die Umschlagabbildung basiert auf dem Gemälde „Bayerisches Feldgeschütz in Stellung“ von Anton Marussig, Inv.-Nr. B 6866 (siehe S. 207) Prolog: Soldaten im Foto-Atelier ...... 107 Die Revolution von 1848/49 ...... 125 ISBN: 978-3-00-053589-5 Das Heer des Deutschen Bundes ...... 137 Militärische Zustände am Vorabend des Krieges ...... 155 Die bayerische Armee ...... 163 Die Gewehrfrage ...... 185 © 2016 Bayerisches Armeemuseum, Die Artillerie ...... 207 Paradeplatz 4, 85049 Kriegsausbruch ...... 223 Die Schlacht von Königgrätz ...... 245 Der Feldzug in Franken ...... 251 www.armeemuseum.de Die Sorge für die Verwundeten ...... 329 Erinnerung ...... 339 Alle Rechte vorbehalten! Preußen erreicht seine Ziele ...... 353 Gewehrboom ...... 357 Denkmäler ...... 373 7 Grußwort

Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, die Insgesamt zielt sie auf ein Gesamtbild ab, Ausstellung Nord gegen Süd. Der Deutsche in dem 1866 als der letzte Deutsche Krieg Krieg 1866 mit meinem herzlichen Dank erscheint: an ihre Gestalter und mit meinem Gruß an Als eine erfreulich ferne Vergangenheit. ihre Besucher zu begleiten.

Ich freue mich, dass das Bayerische Ar- Meinen herzlichen Dank an das Bayeri- meemuseum an ein weit zurückliegendes sche Armeemuseum in Ingolstadt! Ereignis der deutschen Geschichte erin- nert. In der Mitte des neunzehnten Jahr- hunderts war die Idee der deutschen Ein- heit zwar verbreitet, aber eine politische Realität stand ihr entgegen, die von Jahr- Der Bayerische Ministerpräsident hunderten der Rivalität zwischen deut- schen Fürsten geprägt wurde. Der Krieg von 1866 setzte hier insofern eine Zäsur, als er diese Rivalität endgültig entschied.

Besonders freue ich mich, dass in der Aus- stellung die Menschen im Vordergrund stehen, die an diesem historischen Vor- gang teilgenommen haben. Auf der einen Seite mag es dem heutigen Publikum schwer fallen, in den gezeigten Exponaten eine damals „moderne Technik“ zu erken- nen. Auf der anderen Seite aber berüh- ren uns die Gesichter der Männer, die in diesen Krieg zogen: Sie wirken erstaun- lich lebendig und vertraut. Wie sollte es anders sein: Sie sind die Großväter unse- rer Großväter.

Die Ausstellung weckt Interesse und ver- mittelt Verständnis. Sie verbindet die große Geschichte mit den kleinen Leu- ten. Sie zeigt die militärischen und poli- tischen Abläufe, sie geht ins notwendige Detail und erklärt, warum das preußische Gewehr besser war als das bayerische. 9 Vorwort

Im Frühjahr 1866 bereiteten sich das absehbare Entwicklung und die lange der Arbeit des Museums – jetzt besonders Begleitmaterial zur Ausstellung erarbeitet Königreich Preußen und das Kaisertum anhaltende Prosperität des Kaiserreichs mit den Zeichen der Moderne in Waffen- hat, und Wilhelm Birker für die Gestal- Österreich auf einen Krieg vor. Die Öffent- haben dazu geführt, dass „1866“ heute technik und Fotografie. Sondern wesent- tung der Karten. Ihrer aller Einsatz ist es lichkeit sah mit gebanntem Entsetzen zu: weitgehend vergessen ist. Wenn das Baye- lich ist für uns zugleich, dass die fränki- zu danken, wenn es uns gelingt, das Baye- Sollte Deutschland nun in Nord und Süd rische Armeemuseum 2016 an diesen schen Landesteile, die Schauplatz des rische Armeemuseum jung und lebendig zerbrechen? Der Konflikt beider Monar- Krieg erinnert, so leitet uns nicht der Aktu- Krieges wurden, im Mittelpunkt stehen. zu erhalten. chien datierte lange zurück, zumindest bis alitätsbezug. Allerdings spielen auch Beides, der Einbruch der Moderne im zu Friedrichs II. Einmarsch in Schlesien heute der „Norden“ und der „Süden“ in 19. Jahrhundert und die gleichmäßige 1740. Aber die Zeiten hatten sich seitdem Deutschland eine nicht ganz unerhebliche Berücksichtigung aller Landesteile in der Ansgar Reiß gewandelt. 1740 erwies sich die Rechts- Rolle in der politischen Rhetorik. Und älteren Geschichte werden Leitlinien für Museumsdirektor und Friedensordnung des Heiligen Römi- vielleicht lässt sich der eine oder andere die künftige Präsentation der alten Samm- schen Reiches Deutscher Nation als ohn- im politischen System der neuen Bundes- lungen sein. Dies bedeutet auch eine Ingolstadt, im Juni 2016 mächtig. Ebenso erging es 1866 der seit republik nicht recht Angekommene zu Abkehr von der Teleologie einer wittelsba- 1815 bestehenden „festen und dauerhaf- vorwitzigen oder augenzwinkernden chisch-bayerischen Geschichte. ten Verbindung“ der deutschen Fürsten Überlegungen hinreißen – nun, da nach Für die sorgfältige und couragierte Arbeit im Deutschen Bund. Aber 1866 war in den dem Referendum für einen Austritt Groß- an der Ausstellung danke ich den Kurato- Köpfen der Zeitgenossen längst eine neue britanniens aus der Europäischen Union ren Dieter Storz und Daniel Hohrath. Die politische Vorstellung verankert, die Vor- auch die Unabhängigkeitsbestrebungen Verwirklichung des Katalogs ist dem ener- stellung einer geeinten deutschen Nation. Schottlands wieder aufflammen. Aber gischen und stets flexiblen Einsatz von Die Revolution von 1848 war darin ge- Bayern wird diesem Beispiel nicht nach- Tobias Schönauer zu danken. Mein Dank scheitert, einen deutschen Nationalstaat streben. gilt ebenso den Leihgebern der Ausstel- zu gründen. Mit dem drohenden inneren Wir folgen also vor allem einem Bildungs- lung und den weiteren Autoren des Kata- Krieg schien sich Deutschland noch weiter auftrag, wenn wir die Bedeutung des Jah- logs. Was die Umsetzung der Ausstellung von diesem Ziel zu entfernen und womög- res 1866 für den Lauf der bayerischen und in die räumliche Realität angeht, so danke lich auf Dauer in Nord und Süd zu zerb- der deutschen Geschichte herausstreichen. ich dem Ausstellungsbüro Janet Görner fallen. Der Fokus liegt dabei ganz auf den kriege- für die Klarheit des Konzeptes und die Tatsächlich waren, wie wir heute wissen, rischen Ereignissen im Königreich Bayern. sorgfältige Planung. Gebaut wurde die der Krieg von 1866 mit dem eindeutigen Hier stoßen wir noch auf eine ganz andere Ausstellung von der Firma Schelm & Sohn Sieg Preußens und seine unmittelbaren Bedeutung der geografischen Pole. Es gab und den Werkstätten des Museums unter Folgen: der Norddeutsche Bund, der Aus- 1866 durchaus Befürchtungen, das dem al- der bewährten Leitung von Heinz Weinin- schluss Österreichs aus Deutschland und ten kurfürstlichen Bayern insgesamt ganz ger. Für den erneut bewiesenen Teamgeist die Schutz- und Trutzbündnisse zwischen fremde, ja zum Teil sogar ehemals preußi- und das Engagement danke ich allen Mit- Preußen und den süddeutschen Staaten sche Franken könne es an Loyalität man- arbeitern des Hauses in den vielen ande- historische Voraussetzungen für die Grün- geln lassen. Mit „Nord gegen Süd“ rücken ren Bereichen wie Depot, Haustechnik, dung des Deutschen Kaiserreichs 1871. Es also nicht nur, wie schon in der großen Verwaltung, Bibliothek, Aufsicht und Rei- fiel also eine die Geschichte Deutschlands Ausstellung „ und Bayern“ des nigung. Hervorgehoben zu werden ver- auf lange Sicht bestimmende Entschei- letzten Jahres, die Artefakte und Doku- dient auch Franz Hofmeier, der aus eige- dung. Diese für die Zeitgenossen nicht mente des 19. Jahrhunderts in den Fokus ner Initiative umfangreiches didaktisches 11 Ausstellung Katalog

Veranstalter Kataloge des Bayerischen Bayerisches Armeemuseum Armeemuseums Bd. 13 herausgegeben von Ansgar Reiß Gesamtleitung Dr. Ansgar Reiß © 2016 Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt Idee und Grundkonzept und Autoren Dr. Dieter Storz, Daniel Hohrath M.A., Dr. Ansgar Reiß Herausgeber Dieter Storz und Daniel Hohrath Kuratoren Dr. Dieter Storz, Daniel Hohrath M.A. Redaktionsleitung Dr. Tobias Schönauer Wissenschaftliche Mitarbeit Dr. Ansgar Reiß, Dr. Tobias Schönauer, Redaktion und Gestaltung Dr. Frank Wernitz Dr. Tobias Schönauer, Daniel Hohrath M.A., Dr. Dieter Storz Gestaltung Ausstellungsbüro Janet Görner, Katalogtexte Dr. Dieter Storz, Daniel Hohrath M.A., Plakat Dr. Frank Wernitz, Dr. Tobias Schönauer malyma.Werbung Neumarkt Karten Werkstätten und Depots Wilhelm Birker Leitung: Heinz Weininger Tobias Baur, Matthias Gabler M.A., Umschlaggestaltung Roland Hopp, Klaudia Hutter, Kornelia malyma.Werbung Neumarkt Oppenländer, Rudolf Pemsl, Anja Pilz, Franz Prummer, Hans-Peter Roth, Melita Satz Schluttenhofer, Jakob Schwaiger, Robert Dr. Tobias Schönauer Zelyk Druck und Verarbeitung Haustechnik druckpruskil. gmbh, Gaimersheim Konrad Mayer, Christina Thurn

Lehrerhandreichung Franz Hofmeier

Leihgeber Wehrgeschichtliches Museum, Rastatt Heeresgeschichtliches Museum, Wien Hartmann Hedtrich 13

Ansgar Reiß Vor 1866

Auf dem Wiener Kongress galt es, eine und wohl auch eine Erinnerung an die Friedensordnung für Europa zu finden. Zeit vor 1806, also an die Rechtsordnung Vorangegangen war eine lange Periode des Heiligen Römischen Reichs deutscher der Kriege und der politischen Umwäl- Nation. Die deutschen Staaten wurden im zungen, entsprechend schwierig war das Deutschen Bund mit einem unauflöslichen Unterfangen. In einem komplexen Ver- Band zusammengefügt, das von allen eu- handlungsgeschehen kristallisierten sich ropäischen Großmächten garantiert wur- drei Dinge heraus: Erstens wurde nicht de. Dieser Bund stellte im Wesentlichen zurück geblickt. Die Opfer, egal ob Staa- eine Defensivallianz dar, die Mitglieder ten, Fürsten, die Kirche oder einfache Pri- garantierten sich wechselseitig ihre Integ- vatpersonen, hatten keine Chance, ihre rität, die notfalls auch mit militärischer Stimme zur Geltung zu bringen. Damit Unterstützung sicherzustellen war. Gleich- hing zweitens zusammen, dass die Groß- zeitig waren die Hürden für eine Offensiv- mächte die neue Friedensordnung diktier- allianz fast unübersteigbar hoch, denn ten, ohne dabei Rücksicht auf andere zu letztlich hatte jeder Kleinstaat ein Veto- nehmen. Drittens wurde das unterlegene recht. Frankreich an den Tisch geholt und trat So wie in der Bundesakte auf dem Wiener wieder in seine Rolle als Großmacht ein. Kongress festgelegt, hatte der Deutsche Wie bei den meisten großen Verträgen Bund zwar durchaus gewisse Entwick- machten sich die verschiedenen Vertrags- lungspotentiale in Richtung auf eine enge- partner unterschiedliche Vorstellungen re Gemeinschaft. Aber selbst im Bereich von dem, was sie unterzeichneten. Groß- des Militärischen, noch in dieser Zeit der britannien stellte sich ein Gleichgewicht Kernbereich der Staatlichkeit, kam dies unter den Kontinentalmächten vor, das nur schleppend zu einer gewissen Umset- ihm selbst freies Spiel für seine Welt- zung. Vielmehr war schon durch die machtambition lassen sollte. Die drei östli- Karlsbader Beschlüsse von 1819, die Wie- chen Mächte Russland, Österreich und ner Schlussakte von 1820 und erst recht Preußen präsentierten sich der Öffentlich- die Konferenzbeschlüsse des Jahres 1834 keit als „Heilige Allianz“ und sahen im klar, dass sich eine übergreifende Tätig- Vertrag ein Bollwerk gegen alle Angriffe keit des Bundes nur auf die Erhaltung des auf ihre jeweiligen monarchischen Vor- Status quo beziehen würde. Der Deutsche rechte. Frankreich setzte auf die Garantie Bund profilierte sich vornehmlich als ein eines kleinteiligen und entsprechend Instrument derer, die die Gefahr einer schwachen Deutschland. Deutschland lag neuen Revolution sahen und polizeiliche im Schnittpunkt all dieser Vorstellungen. Maßnahmen dagegen ergreifen wollten. Versuchte der Wiener Kongress vornehm- Gerade zur frühen Nationalbewegung tat lich, die Macht zwischen den Großmäch- sich eine unüberbrückbare Kluft auf. Der ten auszutarieren, so sah er für Deutsch- Deutsche Bund hatte nicht einmal Bezug land eine komplexere rechtliche Ordnung zur Reformpolitik in den einzelnen Staa- vor. Darin lag ein gewisser Widerspruch ten, wie sie unter dem Druck der napoleo- 14 | Ansgar Reiß: Vor 1866 Ansgar Reiß: Vor 1866 | 15 nischen Herrschaft in Gang gesetzt wor- gel und feudale Vorrechte. Die Obrigkei- die Revolution zunächst durchaus radikal. sche“ Hände. Aber der Aufstand wurde den war. Auch der Zollverein, der für die ten, allen voran Hof und Militär, traf der Es gab am 14. März einen Sturm auf das rasch niedergeschlagen und dem König wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands Generalverdacht von Korruption, Laster Zeughaus, und dass am 20. März mit Lud- gelang es, die Befehlsgewalt über sein entscheidend war, entfaltete sich neben und Verschwendung. Erstaunlicher Weise wig I. der Monarch abtreten musste, blieb Heer in der Hand zu behalten. So konnte und unabhängig vom Deutschen Bund. machte es dabei kaum einen Unterschied, einzigartig. Allerdings lag letzteres eher Preußen – mit Rückhalt in Russland – wei- Weitergehenden nationalen Hoffnungen ob einzelne Staaten wie Bayern und ande- an der persönlichen Uneinsichtigkeit des terhin als europäische Großmacht agieren. gab er keine Nahrung. Vielmehr wurde er re Staaten des sogenannten Dritten Königs als etwa am ausgeprägt demokra- Österreich sah sich nicht nur mit dem Ra- zum Instrument der eifersüchtigen Bemü- Deutschland Verfassungsstaaten waren tischen Charakter der Revolution im Kö- dikalismus konfrontiert; trotz Metternichs hungen um die Erhaltung der jeweiligen oder ob eine Verfassung hartnäckig ver- nigreich. Im unerbittlichen und öffentli- unfreiwilligem Abgang – er fand ebenfalls einzelstaatlichen Souveränität. weigert wurde wie vor allem in Österreich chen Festhalten an seiner Mätresse Lola in England Asyl – gelang eine Reformpoli- Die Geschichte des Bundes kann und soll und Preußen. Der Unmut und die Diagno- Montez wurde er zum leichten Opfer der tik in gesetzlichen Bahnen nur sehr einge- hier nicht im Einzelnen nacherzählt wer- se waren die gleichen, ja die kleineren Ter- bürgerlichen Angriffe auf die Lasterhaftig- schränkt. Dies hatte paradoxer Weise ein den. Herausgehoben werden soll aber der ritorien sahen sich noch stärker dem Vor- keit und Korruptionsanfälligkeit von Hof besonders großes Gewicht der demokrati- Einbruch der Revolution von 1848 in diese wurf der Kleinstaaterei ausgesetzt, die mit und Monarchie. Ansonsten blieb die Revo- schen Kräfte zur Folge. Die „Massen“ – scheinbar geschlossene Welt. Als im Feb- einer Behinderung des Fortschritts gleich- lution in Bayern mit der Berufung eines kleinbürgerliche Handwerker und prole- ruar 1848 in Paris mit dem Sturz Louis gesetzt wurde. liberalen Ministeriums und dessen Re- tarisierte Arbeiter – spielten dort, genauso Philippes die Revolution ausbrach, geriet Dies wirkt ein wenig paradox, denn die formpolitik in einem betont gesetzlichen wie die Studenten, fortwährend eine gro- Europa in Bewegung. Die Konservativen Revolution erhielt ihre Schubkraft zu- Rahmen – mit Ausnahme der bayerischen ße Rolle. Im Oktober 1848 eskalierten die sahen ihre schlimmsten Befürchtungen nächst ganz entscheidend aus lokalem Pfalz, die schon seit dem Hambacher Fest Kämpfe und wurden schließlich durch Wirklichkeit werden, für die Radikalen und regionalem Protest heraus. Wo es eine 1832 einen demokratischen Nimbus hatte Windischgrätz militärisch niedergeschla- rückte die Erfüllung aller ihrer Hoffnun- selbständige Bauernschaft gab, kam es und in der Reichsverfassungskampagne gen. Die unflexible Haltung des Hofes er- gen in greifbare Nähe. Die Revolution war vielerorts zu Agrarunruhen, in denen in 1849 den bewaffneten Aufstand für die klärt sich natürlich nicht zuletzt daraus, auch in Deutschland nicht die Sache einer der Regel recht rasch die Abschaffung der Durchsetzung der Verfassung proben dass Österreich sich durch die Revolution Minderheit. Vielmehr bündelte sich in ihr Relikte der feudalen Abgaben durchge- sollte. mit der Problematik der vielen verschiede- ein bunter Strauß von Erwartungen, und setzt werden konnte. Diese Unruhen rich- Eine besondere Rolle in der Revolution nen unter habsburgischer Herrschaft ste- es wuchs ihr eine ungeahnte Kraft zu. Un- teten sich gegen den lokalen Herrschafts- spielten die beiden deutschen Großmäch- henden Nationalitäten konfrontiert sah. ter den großen Schlagworten von Freiheit träger, den Grundherren, und sie fanden te. Sowohl in Berlin wie in Wien traten, da Auf diese entscheidenden Konflikte kann und Nation, von Recht, Verfassung und oft in altertümlichen Formen des Protests in beiden Staaten verfassungspolitisch ein hier nicht näher eingegangen werden. Gerechtigkeit und in den überall ähnli- und der Revolte statt. Aber auch die Städte Rückstand aufzuarbeiten war, revolutio- Auch die Paulskirche fand keine Lösung chen Formen von Volksversammlungen, und das Stadtbürgertum bildeten ein näre verfassunggebende Versammlungen für diese Frage und gewährte schließlich Demonstrationen, Eingaben und Petitio- Rückgrat des Protests, und auch hier wa- zusammen. Und in beiden Großstädten Österreich in der Verfassung von 1849 nur nen bildeten sich wenigstens für den Mo- ren die Ansprechpartner zunächst die Ma- spielte das radikale Element, die „Straße“, eine Art Beitrittsoption für das geplante ment umfassende Koalitionen all derer, gistrate und Stadtobrigkeiten. Die Kom- eine erhebliche Rolle. In Berlin erzwangen Deutsche Reich. die sich Veränderungen wünschten. Auch munen waren auch der Ort, wo manchmal die Versammlungen im Tiergarten „in den Die komplexe und aufregende Geschichte wenn diese große Partei der Bewegung ein radikaler sozialer Protest seine Stimme Zelten“ weitgehende Zugeständnisse des der Paulskirche kann hier nur angedeutet bald wieder in unterschiedlichste Grup- erhob. Aber im Mittelpunkt der Rhetorik Königs. Während der Kronprinz Wilhelm werden. Die Nationalversammlung war pierungen zerfiel, so schien sie doch zu- der Revolution stand das Nationale, über- sich vorübergehend nach England in Si- aus einer freien, geheimen und innerhalb nächst allmächtig. all in Europa. Alle konkrete Kritik und alle cherheit brachte, schlug Friedrich Wilhelm der männlichen Bevölkerung auch glei- Was die Revolution am Anfang einte, war Reformprojekte fanden ihren Zusammen- IV. das Angebot Otto von Bismarcks, die chen Wahl hervorgegangen. Auf das deut- der Gegner, der autoritäre Staat und sein hang, ihr übergeordnetes Ziel und ihre Konterrevolution zu organisieren, aus, sche Parlament richteten sich alle nationa- Agent, der Deutsche Bund. Freiheit sollte Sinngebung in der Idee der Nation. und erwies am 19. März in einem aufse- len Hoffnungen in Deutschland. Anstatt nicht mehr eine Ausnahme sein, eine je- Die Revolution in Deutschland ist ohne henerregenden Totengedenken den revo- konsequent revolutionär von Beginn an weils nur punktuelle Erlaubnis, sondern die Spannung zwischen ihrem Verlauf in lutionären Opfern seine Referenz. Zwar die Gewalt in allen deutschen Staaten zu die Regel. Die allen gemeinsame Negativ- den Einzelstaaten und dem Schicksal des wurde das preußische Militär am 14. Juni übernehmen, ging die Mehrheit der Abge- folie bildeten Bürokratie, Bevormundung, großen nationalen Projektes – konzentriert durch die Plünderung des Zeughauses ge- ordneten allerdings den Weg des Kompro- Kontrolle, Schikane und Zensur, verhasst in der Nationalversammlung in der Pauls- demütigt, und dabei gerieten auch einige misses und versuchte mühsam und mit waren Abgaben und Zölle, Verbote, Prü- kirche – nicht zu verstehen. In Bayern war der modernen Hinterladergewehre in „fal- aller Sorgfalt eine neue Rechtsordnung zu 16 | Ansgar Reiß: Vor 1866 Ansgar Reiß: Vor 1866 | 17 begründen. Ihr Ziel war eine Einigung, so- erprobt worden. Der Sieg der Gegenrevo- mobilisieren. Noch einmal sollte die „Stra- gen eine Niederlage erlebt hatte, waren ihr zusagen ein Verständigungsfrieden, mit lution in Preußen und Österreich kam ße“ ihre Macht zeigen. Rasch entwickelten doch in vielen gesellschaftlichen Berei- den Monarchen in Deutschland. Es wird dem zuvor. Aber damit allein war das na- sich neben Protesten auch bewaffnete chen entscheidende Durchbrüche gelun- immer eine offene Frage bleiben, ob im tionale Projekt der Paulskirche noch nicht Kämpfe. Die Schwerpunkte lagen in Sach- gen, die die Entfaltung jener Dynamik er- Frühjahr 1848 ein radikalerer Weg mög- gestorben, dafür war seine demokratische sen, der bayerischen Pfalz und in Baden. leichterten. Die stärkere wirtschaftliche lich gewesen wäre. Zentraler Grund für Legitimation zu stark. Am 20. Dezember In der Pfalz bildete sich am 17. Mai eine Integration stockte aber an der Grenze zur das Scheitern des Staats- und Verfassungs- verabschiedete das Parlament den Katalog provisorische Regierung, die ein Bündnis Habsburgermonarchie. Auf Bayern bezo- projektes der Paulskirche war zweifellos der Grundrechte als Teil der künftigen mit dem revolutionären Baden beschloss. gen kann man sagen, dass das Königreich das ungeklärte Verhältnis zu den beiden Verfassung. Nun stand die Frage des Hier entbrannte ein regelrechter Bürger- sich immer stärker mit dem Norden und deutschen Großmächten und der ungelös- Reichsoberhauptes und der Regierung zur krieg, der erst durch preußisches Militär Westen verband, dagegen in nur sehr viel te Gegensatz zwischen diesen beiden. Entscheidung an. Da es mittlerweile deut- gewaltsam beendet wurde. Am 23. Juli ka- geringerem Maß mit Österreich. Wenig Aber die problematische Einbettung des lich war, dass Österreich seine aus vielen pitulierte die Bundesfestung Rastatt, in die verwunderlich, dass der vom erstarken- geplanten Deutschen Reiches in Europa Völkern bestehende Gesamtstaatlichkeit sich die badischen Truppen zurückgezo- den Bürgertum getragene Nationalverein verdient ebenfalls Erwähnung. nicht aufgeben würde und da der neue gen hatten. Dies war das Ende der Revolu- kaum ernsthaft Alternativen zu einem Thomas Nipperdey hat Schleswig-Hol- Staat ein Nationalstaat sein sollte, kam nur tion in Deutschland. „kleinen“ Deutschland ins Auge fasste. stein als „existenzielles Problem der Revo- ein Deutschland unter Ausschluss Öster- Nach verschiedenen verfassungspoliti- Für ihn war der Deutsche Bund ohnehin lution“ bezeichnet. Kurz gesagt ist an der reichs in Frage. Weil andererseits die radi- schen und bündnistechnischen Manövern eine Größe, die er jederzeit aufzugeben be- Frage der Zugehörigkeit dieser beiden kalen Ideen einer Absetzung aller Monar- wurden schließlich im Jahr 1851 die Ver- reit war. Landschaften zu Deutschland oder Däne- chen in Deutschland und der Zerschlagung hältnisse des Deutschen Bundes wieder- Die Bindekraft des Deutschen Bundes war mark jegliche Verständigung gescheitert. Preußens nur von einer radikalen Minder- hergestellt. Darin schien sich zwar kurz- schwach geworden, die Erinnerung an die Zu groß war der Eigensinn eines mit dem heit ernsthaft vertreten wurden – beides fristig ein Erstarken Österreichs auszudrü- Revolution und ihr nationales Verspre- Gedanken eines mächtigen Staates ver- sollte bekanntlich erst viel später Wirk- cken, tatsächlich aber spiegelt es eine ge- chen blieb stark. War also Bayern, als die bundenen Nationalismus. Auf Bitten der lichkeit werden –, gab es kaum eine Alter- genseitige Blockade der beiden deutschen Frage der Verwaltung Schleswig-Holsteins provisorischen Regierung, die die Kompe- native zu einem Deutschland mit einem Großmächte, die bis 1866 andauern sollte. den Konflikt zwischen Österreich und tenzen des Bundestages übernommen hat- unverhältnismäßig großen Preußen und Durch diese Pattsituation verlor der Deut- Preußen 1866 eskalieren ließ, gewisserma- te, und mit breiter Zustimmung der Öf- zu dem Angebot an den preußischen Kö- sche Bund zunehmend an lebendiger Be- ßen reif für eine Art feindlicher Übernah- fentlichkeit führte Preußen Krieg gegen nig, den Titel eines deutschen Kaisers an- deutung. Wiederum kann es nicht darum me durch Preußen? Die politischen und Dänemark. Es nutzte diesen aber nicht zu zunehmen. Die Verfassung wurde am 28. gehen, die einzelnen Stationen dieser Ge- mentalen Folgen des Krieges von 1870/71 einem Annexionsfrieden, wie dies die na- März 1849 verkündet, sie fand breite Zu- schichte nachzuzeichnen. Wichtig ist aber überdecken die Erinnerung und lassen die tionalen Emotionen erwartet hatten, son- stimmung und wurde von 28 der deut- Zweierlei: Erstens veränderte sich auch Antwort auf diese Frage eindeutig schei- dern schloss mit Rücksicht auf Großbri- schen Staaten anerkannt. Aber das genüg- die Konstellation der Großmächte; mit nen. Es darf aber nicht vergessen werden, tannien und Russland am 26. August den te nicht. Friedrich Wilhelm IV. fühlte sich dem Krimkrieg 1853-1856 und der italieni- wie stark die süddeutschen Vorbehalte zurückhaltenderen Waffenstillstand von seiner Herrschaft inzwischen wieder si- schen Einigung 1859 zerbrach die Ord- waren, wie sehr der Liberalismus gerade Malmö. Dieser wurde zu einer großen cher, auch konnte er sich notfalls auf den nung des Wiener Kongresses oder jeden- mit der Regierung Bismarck verfeindet Niederlage des Parlamentarismus in Rückhalt in Russland stützen, und schließ- falls der Konsens der Großmächte, der war, und dass schließlich die Entschei- Deutschland. Zuerst verurteilte die Pauls- lich wollte er sich von den althergebrach- dieser zugrunde gelegen hatte. Die Macht dung im Krieg für die Zeitgenossen alles kirche ihn in Bausch und Bogen, nur um ten Gedanken des Gottesgnadentums und und die „Realpolitik“ traten zunehmend andere als vorhersehbar war. ihn dann am 16. September doch anerken- eines Heerkönigtums nicht verabschieden: an die Stelle der Vorstellung einer interna- Wir Historiker können diese Argumente nen zu müssen. Die Folge war eine große Er lehnte das Angebot am 28. April ab. Da- tionalen Rechtsordnung, in deren nicht abwägen; der junge König Ludwig II. und nachhaltige Welle des Protestes, doch mit war der Versuch der Mehrheit der nur geografischem Zentrum der Deutsche wurde über den Krieg und seinen Folgen die Schere zwischen der Politik der gro- Paulskirche, die Revolution auf einen Pfad Bund gestanden hatte. Seine Bedeutung schwermütig. ßen Mächte einerseits und den Erwartun- der Rechtlichkeit und Vereinbarung zum schwand also auch von dieser Seite her. gen der politisch Engagierten hatte sich Ziel zu bringen, gescheitert. Zweitens erreichte die Entwicklung der entscheidend weiter geöffnet. Im Mai begann dennoch eine breite Agita- Wirtschaft und Gesellschaft in Deutsch- Ob ein mächtiges Deutsches Reich 1848/49 tion für die Verfassung. Die Radikalen land in den 1850er und 1860er Jahren eine von den europäischen Großmachten ak- machten Sie zu ihrem Thema und nutzten ungeahnte Dynamik. Während die Revo- zeptiert worden wäre, ist historisch nicht sie nun als ihr Vehikel, um das Volk zu lution in ihren zentralen politischen Anlie- 19

Dieter Storz Warum dieser Krieg?

Der Krieg, um den es hier geht, hat mehr Großmächte von europäischer Bedeu- als nur einen Namen: „Krieg von 1866“, tung: Der norddeutsche Staat war moder- „Preußisch-Österreichischer Krieg“ oder ner und kompakter, das Donaureich aber einfach nur „Deutscher Krieg“. Jede die- größer, durch sein Herrscherhaus über ser drei Benennungen beschreibt etwas Jahrhunderte hinweg mit der Krone des Richtiges: das Jahr, in dem der Krieg statt- Heiligen Römischen Reichs verbunden fand, die Hauptgegner und schließlich das und dadurch mit einem einzigartigen his- Problem, um das es ging: die „deutsche torischen Prestige ausgestattet. Österreich Frage“. Sie stand seit 1815, als hatte die Führung im Bund, und dieser Macht endgültig gebrochen war, ungelöst Anspruch wurde von den anderen, auch im Raum. von Preußen, lange Zeit respektiert. Die Mit der Schaffung des Deutschen Bundes Rivalität dieser beiden Mächte, der „deut- durch den Wiener Kongress war das Pro- sche Dualismus“, der sich im 18. Jahrhun- blem weniger gelöst als vielmehr einge- dert in mehreren Kriegen entladen hatte, froren. Für die Mächte Europas und ins- war damit eingehegt, aber nicht aufgeho- besondere die deutschen Fürsten hatte die ben. Wiederherstellung einer legitimen poli- Neben den beiden Großmächten gab es tischen Ordnung für die nächsten Jahr- im Deutschen Bund vier mittlere Staaten – zehnte Vorrang, und das konnte nur eine Königreiche allesamt: Hannover, Sachsen, monarchische, keine nationale Ordnung Württemberg und Bayern. Ihr Einfluss sein. Die große Frage des 19. Jahrhunderts auf den Gang der deutschen Dinge war war aber die nationale. Der große Nach- gering. Es gelang ihnen nicht, sich zu ge- bar im Westen, Frankreich, hatte längst meinsamem Handeln zu verbinden. Und zur nationalen Form, zu kultureller und die beiden Großen hatten auch kein Inter- politischer Größe gefunden. England, das esse daran, die Rivalität, die zwischen ih- „Vereinte Königreich“, beherrschte die nen bestand, durch Dritte moderieren zu Weltmeere. Rußland erstreckte sich über lassen. eine ungeheure Landmasse, die von Sankt In reicher Abstufung setzte sich die deut- Petersburg aus zentral kontrolliert wurde. sche Staatenwelt über kleinere Mittelstaa- Der russische Einfluss reichte weit nach ten wie Baden, die beiden Hessen (Darm- Deutschland hinein. Sogar Italien – seit stadt und Kassel) bis zu der scheinbar idyl- Jahrhunderten ein Verfügungsraum für lischen Welt der thüringischen Kleinstaa- allerlei europäische Dynastien – wandelte ten fort. Zuletzt zählte der Deutsche Bund sich seit 1859 zum Nationalstaat. 35 Mitglieder. Das zentrale Bundesorgan Die Deutschen aber lebten immer noch in war ein Gesandtenkongress in Frankfurt einem heterogenen Vielstaatenbund, der am , der „Bundestag“. Dort hatte Ös- weder einen einheitlichen Wirtschafts- terreich den Vorsitz. raum bildete noch eine Einheit nach außen Die Revolution des Jahres 1848 war bei darstellte. Österreich und Preußen waren dem Versuch, den Deutschen ein natio- 20 | Dieter Storz: Warum dieser Krieg? Dieter Storz: Warum dieser Krieg? | 21 nales Gehäuse zu geben, gescheitert. Die Die Auseinandersetzung mit Dänemark herzogtümer und verwehrten eine engere er als Ministerpräsident die preußische Herrscherhäuser hatten an einer solchen hatte in der Revolution von 1848 eine Anbindung Schleswigs an Dänemark. Politik, und er zeigte in der dänischen Neuordnung der deutschen Dinge kein wichtige Rolle gespielt. Der Streit ging Mit diesem Status Quo war die dänische Krise erstmals seine diplomatische Meis- Interesse, und nach einer kurzen Schreck- um die „Elbherzogtümer“ Schleswig und Seite indes unzufrieden. Im November terschaft. Die nationale Empörung in sekunde, in denen sie die Forderungen Holstein (mit Lauenburg), wobei Schles- 1863 erließ der dänische Reichsrat eine Ge- Deutschland ließ ihn kalt: Er behandelte der Aufrührer widerstandslos „bewilligt“ wig den eigentlichen Zankapfel darstellte. samtstaatsverfassung, die für das eigent- die Sache strikt vom völkerrechtlichen hatten, gewannen sie ihre Fassung wie- Holstein, das schon zum Heiligen Römi- liche Dänemark und für Schleswig galt, Standpunkt aus, was bei den ausländi- der und kehrten zur Ordnung des Wiener schen Reich gehört hatte, war seit 1815 Teil was nun eine Verletzung des Londoner schen Großmächten, insbesondere in Lon- Kongresses zurück, also dem Deutschen des Deutschen Bundes. Schleswig dagegen Protokolls darstellte, das die Autonomie don und St. Petersburg, einen guten Ein- Bund. Es waren aber nicht nur die Dynas- war ein dänisches Reichslehen, hatte aber Schleswigs garantierte. Angesichts dieser druck machte. Mit dieser Argumentati- tien, die einer solchen Nationalisierung eine weitgehend deutsche Bevölkerung. Entfremdung des mehrheitlich deutsch on gelang es Bismarck auch, Österreich im Weg standen, sondern auch der leben- Staatsrechtlich bildeten beide Herzogtü- bewohnten und gesonnenen Herzogtums ins Schlepptau zu nehmen, denn in Wien dige Eigenwille der Bundesstaaten. Der mer eine Einheit („up ewig ungedeelt“, schlugen die Wellen der Empörung in glaubte man, dass eine national desinter- bestand auch unabhängig vom Träger der nach einem Vertrag von 1460), obwohl Deutschland hoch. Der Deutsche Bund essierte, auf europäischen Verträgen ge- Krone – in Bayern mehr, in Österreich we- sie zwei verschiedenen völkerrechtlichen hatte nun einen legitimen Grund, dort im gründete Politik dem Wesen des eigenen niger. Gebilden angehörten. Der dänische König Norden zu intervenieren. Sächsische und Staates entspreche. Immerhin hatten die Ereignisse des Re- war in diesen Elbherzogtümern zugleich hannoversche Truppen besetzten Holstein, Den Krieg gegen Dänemark, der 1864 aus volutionsjahres gezeigt, dass die nationa- Herzog und damit legitimer Landesherr. also den südlichen, zum Deutschen Bund dem Konflikt um Schleswig entstand, führ- le Frage weiterhin offen war. Zwei Wege 1848 hatte der dänische König versucht, gehörenden Teil der Elbherzogtümer. te also nicht der Deutsche Bund, sondern schien es zu ihrer Lösung zu geben: Eine aus Schleswig eine dänische Provinz zu Der Zufall wollte es, dass wenige Tage nach eine preußisch-österreichische Allianz. Bei- „kleindeutsche“, das war die Einigung machen, denn der Nationalismus blühte der Verkündung der neuen dänischen Ver- de Staaten waren zugleich Garantiemäch- unter Führung Preußens. Abgesehen von nicht nur in Deutschland, sondern auch fassung der König, Friedrich VII. aus dem te des Londoner Protokolls. Angesichts der dem polnischen Bevölkerungsanteil in in Dänemark. Das löste einen Aufstand in Haus Oldenburg, kinderlos starb. Für die- Kräfteverhältnisse war der Ausgang des den preußischen Ostprovinzen wäre die- den Elbherzogtümern aus, die sich in Kiel sen Fall hatte das Londoner Protokoll die Kampfes nicht fraglich. ser Staat national homogen gewesen, hätte eine eigene Regierung gaben und sogar Thronfolge eines Prinzen aus dem Haus Die Einigkeit der beiden Großmächte, Ri- aber Millionen von Deutschen im Habs- eine Armee aufstellten, die den dänischen Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücks- valen seit Generationen, konnte den Sieg burgerreich aus einem deutschen „Vater- Streitkräften allerdings nicht standzuhal- burg – einer Nebenlinie des Hauses Ol- über Dänemark jedoch kaum überleben, land“ ausgeschlossen. ten vermochte. Die Frankfurter National- denburg – vorgesehen, der als Christian und Österreich war in der schlechteren Po- Preußen hatte 1850 in einem kurzen his- versammlung stellte sich hinter die be- IX. den dänischen Thron bestieg. Dieses sition, lagen die Elbherzogtümer doch weit torischen Moment versucht, die deutsche drohten Schleswig-Holsteiner, und preu- Londoner Protokoll war aber durch die dä- vom Donaureich der Habsburger entfernt, Karte zu spielen und sich selbst an die ßische Truppen sowie Bundestruppen, da- nische Novemberverfassung geschwächt. aber unmittelbar vor den Toren Preußens. Spitze der Nation zu setzen. Das hätte die runter auch ein bayerisches Kontingent, Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonder- 1865 kam es mit der Konvention von Gas- Hinausdrängung Österreichs bedeutet, rückten gegen die Dänen ins Feld. burg-Augustenburg (1829-1880),einer wei- tein noch einmal zu einer vorübergehen- das sich diesem Projekt mit Unterstützung Ein Erfolg blieb ihnen aber verwehrt, denn teren Nebenlinie, erhob in dieser Situati- den Entspannung, als Berlin und Wien Russlands energisch und erfolgreich in Dänemark fand Unterstützung bei Eng- on Ansprüche auf die Herzogswürde in die bis dahin gemeinsame Verwaltung den Weg gestellt hatte. land, Russland und Schweden. Die „Dar- Schleswig und Holstein und wurde vom der Nordprovinzen räumlich teilten: Ös- Bei der „großdeutschen“ Variante wäre danellen des Nordens“, also die Ostseezu- Deutschen Bund darin auch anerkannt. terreich kontrollierte fortan Holstein und Österreich im gemeinsamen Deutschland gänge, sollten nicht in die Reichweite eines Dieser „Friedrich VIII.“ spielte als „Au- Preußen Schleswig. Gegen eine Zahlung enthalten gewesen. Welchen Status hätten möglichen deutschen Nationalstaats ge- gustenburger“ für einige Jahre die histori- von 2,5 Millionen Talern trat Österreich dann aber die vielen Völker gehabt, die in langen. Unter diesem Druck mussten die sche Rolle eines Thronprätendenten in ei- seine Ansprüche an Lauenburg endgültig den österreichischen Grenzen lebten, aber preußischen und natürlich auch die Bun- nem internationalen politischen Konflikt. an Preußen ab. In den Mittelstaaten lös- zweifellos keine Deutschen waren und destruppen die umstrittenen Gebiete räu- Der Deutsche Bund wurde nun, sehr zum te diese Vereinbarung heftige Kritik aus, auch keine sein wollten? Bei keiner der men. Die beiden Londoner Protokolle von Missfallen seiner kleineren und mittleren denn aus ihrer Sicht war der Konflikt um beiden Varianten wären Österreich oder 1850 und 1852 garantierten die Integrität Staaten, von den beiden deutschen Groß- diese Nordprovinzen eine Bundesangele- Preußen verschwunden. Der „deutsche des dänischen Gesamtstaats, bekräftigten mächten überspielt, welche die Sache in genheit, welche die beiden Großen nicht Dualismus“ hätte fortbestanden. aber auch den besonderen Status der Elb- die eigene Hand nahmen. Dabei zog Otto einfach unter sich ausmachen durften. Sie von Bismarck die Fäden. Seit 1862 leitete hielten weiterhin an ihrem Kandidaten für 22 | Dieter Storz: Warum dieser Krieg? Dieter Storz: Warum dieser Krieg? | 23 die Thronfolge in den Nordprovinzen fest, profiliert. Im Falle Deutschlands war das der Gestaltung der deutschen Dinge. Er reich, doch noch die symbolische Grenze dem „Augustenburger“. Ziel dieser Politik aus Pariser Sicht allerdings eine heikle wollte die Mittelstaaten zu einem hand- zwischen Nord- und Süddeutschland, die war es, aus Schleswig-Holstein einen wei- Perspektive. lungsfähigen politischen Körper zusam- als „Mainlinie“ geläufig war. Gegenüber teren Mittelstaat im Deutschen Bund zu Napoleon III. setzte auf einen langen Krieg menschließen, der bewusst den Platz zwi- dem italienischen General Govone, mit machen. Auch für Österreich war diese Lö- in Deutschland, in dem er als „Vermittler“ schen Preußen und Österreich einnehmen dem er das Bündnis verhandelte, äußerte sung attraktiver als dessen Umwandlung den lachenden Dritten würde spielen kön- sollte. Dass dabei Bayern als größtem in er mit einer der für ihn typischen plasti- in eine weitere preußische Provinz, was nen, und er tat das Seine, diesen Krieg dieser dritten Gruppe eine besondere Be- schen Formulierungen überhaupt Zweifel Bismarcks Ziel war. In Holstein ließen die zustande zu bringen. Es war sein Rat, deutung zukommen würde, verstand sich an der Integrierbarkeit Bayerns: Die Bay- Österreicher jenen „Friedrich VIII.“ frei ge- der Italien dazu bestimmte, das Angriffs- aus der Sicht von der Pfordtens von selbst. ern seien die Kalabreser Deutschlands, währen, der sogar eine eigene, wenn auch bündnis mit Preußen abzuschließen. Das Zu einem festen Zusammenschluss des welche in den preußisch-deutschen Staat machtlose Regierung bildete. Aus preu- bedeutete, dass Österreich im Kriegsfall „Dritten Deutschland“ ist es allerdings nie nicht hineingezwängt werden könnten.2 ßischer Sicht war das eine gewiss nicht seine Streitkräfte teilen musste, was das gekommen, da die Kandidaten für diesen Allerdings zielte Bismarcks Politik dar- unwillkommene Provokation. Jedenfalls militärische Risiko für Preußen erheblich Sonderbund ihre Interessen untereinan- auf, Österreich aus Deutschland zu ver- gab sie Bismarck Gelegenheit, die Sprache verminderte. der nicht ausgleichen konnten. Sachsen drängen. In diesem Punkt konnte von der gegenüber Österreich zu verschärfen. Ein Zwei Monate später schloss Napoleon aber hielt sich zu nahe an Österreich, und Ba- Pfordten nicht nachgeben, so schmerzlich preußischer Kronrat vom 28. Februar 1866 auch mit Franz Joseph I. einen Geheimver- den orientierte sich an Preußen. Bayern ihm und seinem königlichen Herrn die fasste erstmals einen Krieg mit Österreich trag, in dem er ihm für den Kriegsfall die beanspruchte wie selbstverständlich eine Vorstellung eines deutschen Krieges auch zur Erlangung der unbeschränkten Herr- Neutralität Frankreichs zusicherte. Dafür führende Stellung in Süddeutschland, die war. Dem preußischen Gesandten berich- schaft über die Elbherzogtümer ins Auge. willigte Österreich auch für den Fall eines von Württemberg nicht akzeptiert wurde. tete der bayerische Ministerpräsident, dass Die internationale Konstellation war für Sieges in Deutschland in die Abtretung Während die Sympathien des bayerischen Ludwig II., konfrontiert mit der Gefahr Bismarcks Pläne nicht ungünstig: Mit dem Veneziens an Italien ein, und die Schaf- Volkes und die des Hofes dem Habsbur- eines preußisch-österreichischen Krieges, jungen Königreich Italien, das den Habs- fung eines Rheinstaates auf Kosten der gerstaat galten, hielt von der Pfordten auf sich erstmals für eine ernste Angelegen- burgern Venetien entreißen wollte, schloss westlichen Gebiete Preußens wurde ins strikte Äquidistanz, solange die Großen heit interessiert und für eine Staatsangele- Bismarck am 8. April ein Angriffsbündnis. Auge gefasst. Auch dieser Vertrag Öster- im Rahmen des Bundesrechts handelten. genheit regere Teilnahme bekundet habe. Das war ein gravierender Verstoß gegen reichs war mit den Verpflichtungen dem Der preußische Ministerpräsident lockte Österreich und Preußen hatten schon im die Wiener Bundesakte, deren Artikel XI Deutschen Bund gegenüber unvereinbar. Bayern, indem er an dem bayerischen Son- März 1866 mit militärischen Vorbereitun- jedes Bündnis verbot, das gegen die Si- Wichtig war indes nicht nur die Haltung derbewusstsein schmeichelte, wie seine gen begonnen. Österreich verlegte Trup- cherheit des Bundes oder eines seiner Mit- der fremden Mächte, sondern auch die Anweisung an den preußischen Gesand- pen nach Böhmen und Mähren, und Preu- glieder gerichtet war. Der wohlwollenden der deutschen Mittelstaaten, die in ihrer ten in München vom März 1865 zeigte: ßen erhöhte die Friedenspräsenzstärken Neutralität Russlands konnte er sicher Summe ein nicht unbeträchtliches militä- „Auch in Preußen wird in den Kreisen, die durch Einziehen von Reservisten. In Mün- sein, denn seit der zwielichtigen Rolle, die risches Gewicht in die Waagschale werfen überhaupt zu politischem Urteil befähigt sind, chen wurde am 21. März 1866 eine „mi- Österreich während des Krimkriegs (1853- konnten. Sie hätten den Krieg am liebsten die selbständige Bedeutung Bayerns vollstän- litärische Beratungskommission“ einge- 1856) gespielt hatte, grollte das Zarenreich vermieden. Wenn dessen Ausbruch aber dig anerkannt, welche der bayerische Minister setzt, die Inventur über die militärischen dem Kaiser in Wien. Dagegen hatte Preu- nicht zu verhindern war und sie eine Seite mit so gerechtem Selbstgefühl betont. Bayern Möglichkeiten Bayerns machen sollte. Der ßen die Unterdrückung eines polnischen wählen mussten, so war das die österrei- ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem Krieg des Jahres 1866 kam nicht wie ein Aufstandes im Zarenreich im Jahr 1863 chische, denn in einem von Wien geführ- es durch seine materielle Bedeutung, durch die Blitz aus heiterem Himmel, sondern kün- wohlwollend begleitet und sich damit ten Deutschland wäre von ihrer Selbstän- bestimmte ausgeprägte Stammeseigentümlich- digte sich für die Zeitgenossen über Mo- dem Zaren als zuverlässiger Freund emp- digkeit gewiss mehr erhalten geblieben als keit und die Begabung seiner Herrscher gelun- nate hinweg drohend an. fohlen. in einem von Preußen dominierten. gen ist, ein wirkliches und in sich selbst befrie- Bismarcks Angriffsbündnis mit Italien war Besonders wichtig war die Haltung der Bismarck setzte bei dem Werben um die digtes Nationalgefühl auszubilden“.1 auf drei Monate befristet. In dieser Zeit Großmacht im Westen: Frankreich war Gunst der mittleren Staaten besonders auf Bismarck hat 1865 und 1866 seine Politik musste der preußische Ministerpräsident an der Regelung der deutschen Dinge seit Bayern. Die bayerische Politik lag in den nicht mit dem Ziel betrieben, das „Deut- also handeln, und er ließ nichts anbren- jeher lebhaft interessiert. Sein Herrscher, Händen Ludwig von der Pfordtens (1811- sche Reich“ zu schaffen, wie er es dann nen. Schon am nächsten Tag stellte er vor Kaiser Napoleon III., hatte sich als Förde- 1880), den König Ludwig II. bei seiner 1870/71 tat. Wenn er auch den Norden der Bundesversammlung in Frankfurt den rer der großen Tendenz der Zeit, also der Thronbesteigung im Jahr 1864 zum Mi- Deutschlands zu einem größeren preußi- Antrag auf Einberufung eines deutschen Gliederung politischer Herrschaft entlang nisterpräsidenten ernannt hatte. Von der schen Staat ausbauen wollte, so respek- Nationalparlaments, hervorgegangen aus der Linien der Nationalität, bereits bisher Pfordten hatte eigene Vorstellungen von tierte er, schon im Hinblick auf Frank- allgemeinen und gleichen Wahlen. Jetzt 24 | Dieter Storz: Warum dieser Krieg? Dieter Storz: Warum dieser Krieg? | 25 ging es nicht mehr nur um die Elbherzog- keine, denn er schätzte die militärische densbrecher. Bismarck setzte der Wiener die der Wiener Kongress 1815 geschaffen tümer, sondern um die Reform des Deut- Leistungsfähigkeit Österreichs gering ein. Initiative am 10. Juni einen Verfassungsent- hatte. schen Bundes, also um die Frage nach der Dem preußischen Plan, ein Nationalparla- wurf für Deutschland entgegen, der den künftigen Gestalt der deutschen Nation. ment wählen zu lassen, setzte Österreich Ausschluss Österreichs aus Deutschland Die Zeitgenossen verblüffte dieser Schritt, am 1. Juni eine eigene Provokation entge- voraussetzte. Das verbleibende Deutsch- Literatur galt Bismarck doch als reaktionärer preu- gen: Abweichend von der bisherigen Poli- land sollte militärisch in eine Nord- und ßischer Machtpolitiker, der sich für die tik, die Zukunft von Schleswig und Hol- eine Südhälfte geteilt werden, wobei Bay- Heinrich Friedjung, Der Kampf um die Vorherr- schaft in Deutschland, 2 Bände, Stuttgart, Berlin deutsche Frage nicht interessierte, wäh- stein als eine Frage zu behandeln, die zwi- ern den Oberbefehl in der Südhälfte haben 1897-1917 (10 Auflagen). rend die nationalstaatliche Einigung der schen den beiden deutschen Großmächten sollte. Das war ein letzter Versuch Bis- Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bay- Deutschen als liberaldemokratisches Pro- auszuhandeln sei, überwies Österreich de- marcks, Bayern von Österreich abzuzie- erns, Bd. 3, Vom Regierungsantritt König Lud- jekt galt. ren Regelung dem Deutschen Bund, was hen, doch ohne Erfolg. wigs I. bis zum Tode Ludwigs II. mit einem Aus- Ein Parlament, wie Bismarck es nun plötz- die Berliner Annexionswünsche natürlich Ein Deutschland ohne zweite Großmacht blick auf die innere Entwicklung Bayerns unter dem Prinzregenten Luitpold, München 1931. lich vorschlug, war für für den Vielvölker- blockiert hätte. war aus bayerischer Perspektive gefähr- staat Österreich natürlich inakzeptabel. In Der österreichische Statthalter in Holstein, lich, weil die Mittelstaaten zwangsläufig Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. seinem Bestreben, den Draht nach Berlin Feldmarschall-Leutnant Ludwig von Gab- in Abhängigkeit von der verbleibenden Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1958. nicht abreißen zu lassen, signalisierte von lenz, verfügte am 5. Juni die Einberufung geraten würden. Um gewisse formalju- Andreas Kraus, Geschichte Bayerns. Von den der Pfordten allerdings Verständnis für der Stände, also der Volksvertretung, für ristische Klippen zu umschiffen, wurde Anfängen bis zur Gegenwart, München 1983. den preußischen Vorschlag, was bei Bis- den 11. Juni 1866. Dass die Holsteiner der österreichische Antrag durch von der Thomas Nipperday, Deutsche Geschichte 1800- marck die Hoffnung nährte, Bayern in für den „Augustenburger“ und nicht für Pfordten modifiziert und als bayerischer 1866. Bürgerwelt und starker Staat, 6. Aufl., Mün- letzter Stunde noch aus der Verbindung Preußen entscheiden würden, galt als si- angebracht, der nur noch die Mobilisie- chen 1993. mit Österreich lösen zu können. cher. Diesen Schritt stellte nun Preußen als rung der vier Armeekorps der Mittelstaa- Hans-Michael Körner, Geschichte des König- Die Eskalation war nun aber nicht mehr eklatante Verletzung eines Vertrages aus ten vorsah und Preußen nicht erwähnte. reichs Bayern, München 2006. aufzuhalten. Bismarck wollte die Ent- dem Jahr 1864 hin, der bestimmte, dass Zur Abstimmung gelangte der Antrag am scheidung, und auch Österreich war in- nur Preußen und Österreich gemeinsam 14. Juni. Mit Ausnahme Badens, das sich zwischen von der Unvermeidlichkeit einer über die Herzogtümer verfügen dürften. der Stimme enthielt, votierten alle Mittel- 1 Doeberl, S. 403. gewaltsamen Lösung überzeugt oder, wie Bismarck kam das gerade recht, denn er staaten für die Mobilmachung. Der preu- 2 Friedjung, Bd. 1, S. 203. Alexander II., der russische Zar, es aus- konnte den Krieg nicht ohne seinen König ßische Gesandte verließ die Versammlung drückte: Es war „zum Krieg resigniert“. beginnen, und der war über die österrei- mit der Erklärung, dass seine Regierung Am 27. April 1866 sprach Kaiser Franz Jo- chische Ankündigung hell empört. den Deutschen Bund als aufgelöst be- seph I. die Mobilmachung aus, Preußen Um das Votum der Ständeversammlung trachte, an der Einheit der Nation jedoch vollzog diese Maßnahme im Mai. Darauf, zu unterdrücken, marschierten am 7. Juni festhalte. dass Österreich damit voranging und das 1866 preußische Truppen in Holstein ein. Den Bundesbeschluss betrachtete Preußen Odium des Aggressors auf sich lud, ob- Zu diesem Zeitpunkt hatten die preußi- als Kriegserklärung, richtete aber trotz- wohl es Preußen war, das zum Krieg trieb, schen Armeen bereits ihre Aufmarschräu- dem an Hessen-Kassel, Hannover und konnte sich Bismarck verlassen, denn die me an der Grenze zu Böhmen und Mähren Sachsen am 15. Juni noch eine ultimative Herstellung der militärischen Kampfbe- erreicht. In einem illusionären Versuch, Aufforderung zur Neutralität im kom- reitschaft dauerte im Habsburgerstaat viel den Gang der Dinge noch aufzuhalten, menden Krieg. Als eine solche Zusage länger als in Preußen. Man konnte in Wien erklärte von der Pfordten am 8. Juni, vom ausblieb, erklärte Preußen diesen Staaten also nicht warten. Einmarsch der Preußen in Holstein noch förmlich den Krieg und rückte am 16. Juni Bayern musste sich nun auch rüsten. Am nicht informiert, vor dem bayerischen in deren Gebiete ein. 10. Mai verfügte Ludwig II. die Mobil- Abgeordnetenhaus, dass Bayern jene Sei- Damit ist der äußere Weg in den Krieg um- machung des bayerischen Heeres, eine te bekämpfen werde, die als erste zu den rissen. Seine eigentliche Ursache war nicht Maßnahme, für die, sehr im Gegensatz zu Waffen greife. der Streit um die Zukunft von Schleswig Preußen, keinerlei Vorbereitungen getrof- Österreich verlangte in dieser Lage beim und Holstein, sondern die Rivalität zwi- fen waren. Illusionen über die Chancen ei- Deutschen Bund die Mobilisierung der schen Preußen und Österreich und damit nes Sieges in einem Krieg gegen Preußen sieben nichtpreußischen Armeekorps des die Auseinandersetzung um die Lösung machte sich von der Pfordten allerdings Bundes gegen den norddeutschen Frie- der deutschen Frage jenseits der Ordnung, 27

Dieter Storz Das Heer des Deutschen Bundes

Nach der endgültigen Niederwerfung Na- Nach langen Verhandlungen wurden am poleons musste für die Staaten auf dem 9. April 1821 die „Allgemeinen Umris- Boden des ehemaligen Heiligen Römi- se und wesentlichen Bestimmungen der schen Reichs Deutscher Nation eine neue Kriegsverfassung des deutschen Bundes“ völkerrechtliche Form gefunden werden. beschlossen. Ausgangspunkt dieses Regel- Diesem Zweck diente der 1815 während werks musste natürlich die militärpoliti- des Wiener Kongresses errichtete „Deut- sche Realität in Deutschland sein. Es gab sche Bund“. kein einheitliches Bundesheer, konnte ein Eine der wichtigsten Aufgaben des Bun- solches auch nicht geben, weil das Militär- des war es, die Sicherheit seiner zunächst wesen auf der Ebene der Bundesmitglie- 41 Mitgliedstaaten zu gewährleisten, da- der organisiert war. runter mit Österreich und Preußen zwei Das Bundesheer setzte sich aus den Kon- europäische Großmächte, aber auch 14 tingenten dieser Staaten zusammen und Kleinstaaten mit Bevölkerungszahlen von besaß im Frieden nur eine virtuelle Rea- weniger als 50.000 „Seelen“. Im Artikel XI lität. Jeder Bundesstaat musste Truppen der Wiener Bundesakte des Jahres 1815 in der Stärke von einem Prozent der Be- verpflichteten sich die Bundesmitglieder, völkerung marsch- und schlagfertig erhal- „sowohl ganz Deutschland als auch jeden ten. Damit wäre das Bundesheer 1820 ca. einzelnen Bundesstaat gegen Angriffe zu 301.637 Mann stark gewesen.2 schützen“1. Verboten waren Bündnisse, Aus den Kontingenten wurden zehn Ar- die gegen den Bund oder ein Bundesmit- meekorps gebildet, von denen sieben „na- glied gerichtet waren. 1866 sollten sowohl tional“ waren, also nur aus Truppen eines Preußen wie Österreich gegen diese Be- Kontingents bestanden. Das I. bis III. Ar- stimmung verstoßen. meekorps wurde von Österreich gestellt, 1820, in der ebenfalls in Wien unterzeich- das IV. bis VI. von Preußen und das VII. neten Schlussakte, wurde ausdrücklich von Bayern. Die anderen drei Armeekorps festgelegt, dass das Bundesheer nach au- waren gemischt. Das VIII. Korps umfasste ßen nur der Verteidigung dienen sollte. die Kontingente des Südwestens, das IX. Auch seine Verwendung im Innern des die der mitteldeutschen Staaten und das X. Bundesgebietes war vorgesehen, wenn die die norddeutschen Kontingente. § 24 der innere Ordnung des Bundes bzw. eines „Bestimmungen“ gab zwar Richtlinien für seiner Mitglieder gefährdet war. Die Bun- die Gliederung – „Ein Armeekorps enthält desstaaten hatten die monarchische Ord- mindestens zwei Divisionen“ usw. –, doch nung der Zeit vor 1789 wiederhergestellt war es auf Grund der Zusammensetzung und durch zeitgemäße Reformen revitali- aus Kontingenten unterschiedlicher Größe siert. Bei diesem Zustand der Dinge sollte unmöglich, den Korps eine einheitliche, es bleiben. gleichmäßige Organisation zu geben. 28 | Dieter Storz: Das Heer des Deutschen Bundes Dieter Storz: Das Heer des Deutschen Bundes | 29

Es stand den Bundesstaaten frei, mehr pfünder-Geschütztypen und acht ver- Kontingent einem General der anderen Das war beabsichtigt. Das Bundesheer Truppen zu unterhalten als dieses Statut schiedene Zwölfpfünder, Folge der un- Macht zu unterstellen. konnte von einem Angriff auf die euro- verlangte. So musste Preußen nur drei terschiedlichen Gewichtsnormen in den Als permanente Einrichtung bestand seit päische Mitte abschrecken, aber es war Korps zum Bundesheer stellen, verfügte einzelnen Staaten. Da zunächst noch glatt- 1819 die sechsköpfige Bundes-Militärkom- nicht in der Lage, das europäische Gleich- aber insgesamt über deren neun. Ähnlich läufige Rohre in Gebrauch waren, konnten mission. Ihr gehörten je ein Vertreter Ös- gewicht aktiv zu gefährden. Bewahrung, verhielt es sich mit Österreich. Auch für die Varianten mit dem größeren Rohr- terreichs, Preußens und Bayerns sowie nicht Veränderung war das Ziel der euro- Bayern war es aus politischen Gründen durchmesser immerhin die Munition der je einer der drei gemischten Armeekorps päischen Politik in den Jahrzehnten nach wichtig, mehr Militär zu besitzen als der enger gebohrten Rohre verschießen.3 Zwar an. Sie sollte die Bundesversammlung in 1815. Bund forderte. Natürlich rechnete man verlangten die „Bestimmungen“, dass in- Militärfragen beraten, den Zustand der Das änderte sich seit der Mitte des Jahr- stillschweigend damit, dass die Großstaa- nerhalb eines Armeekorps die Kaliber so Kontingente überwachen und die Bundes- hunderts, insbesondere seit dem Krim- ten bei einer echten Kraftprobe, gar im Fall weit übereinstimmen sollten, dass die Mu- festungen betreuen. Seit 1831 führten die krieg (1853-1856). Zu dieser veränderten, eines Zweifrontenkrieges, sich mit ihren nition austauschbar war (§ 37), aber dieses Kommission bzw. von ihr beauftragte Ge- härteren Welt passten die Institutionen zusätzlichen Streitkräften an einem Krieg Ziel wurde nicht erreicht. nerale in fünfjährigen Abständen Muste- des Bundeskriegswesens nicht mehr, und beteiligen würden. Die Kriegsverfassung verlangte, dass die rungen der Kontingente durch, die in der eine Anpassung an die neuen Umstände Die Kontingente sollten in sich gleich- Kontingente „auch im Frieden vollstän- Regel sehr wohlwollend ausfielen. gelang nicht. Der sich verschärfende Ge- mäßig strukturiert sein: Die Kavallerie dig“ zu erhalten seien (§ 30), gestattete Die wichtigste bereits im Frieden beste- gensatz der beiden deutschen Vormäch- sollte ein Siebtel ihrer Stärke ausmachen, aber nichtsdestoweniger ausgiebige Be- hende Einrichtung des Bundesmilitärwe- te musste jeden Versuch zum Scheitern auf je 1.000 Mann sollten zwei Geschütze urlaubungen. So genügte es, wenn bei der sens waren die Bundesfestungen: Luxem- bringen, das kollektive, staatenbündische kommen. Die Feldartillerie sollte zu ei- Infanterie eine Mindestpräsenzstärke von burg, Mainz, Landau, Rastatt und Ulm. Sie deutsche Sicherheitssystem wieder effek- nem Viertel aus Haubitzen, einem Viertel einem Sechstel der Mannschaften gewähr- dienten ausschließlich der Sicherung ge- tiv zu machen. Zwölfpfünder-Kanonen und zwei Vierteln leistet war. Bei der Artillerie und insbeson- gen Frankreich. So, wie es in Deutschland Sechspfünder-Kanonen bestehen (§ 13). dere bei den berittenen Waffen waren die starke Truppen gab, die nicht in das Bun- Dass Kleinstaaten, deren Heeresstärke Normen höher, aber auch hier unterschie- desmilitärwesen integriert waren, stand es Literatur nicht einmal 500 Mann erreichte, kein aus- den sich Präsenz- und Sollstärke erheblich. auch mit den Festungen: Die preußischen Jürgen Angelow, Von Wien nach Königgrätz. Die gewogenes Kontingent bereitstellen konn- Es war nur vorgeschrieben, die beurlaubte Festungen Köln, Wesel und Koblenz-Eh- Sicherheitspolitik des Deutschen Bundes im eu- ten, leuchtet ein. Es hätte nahegelegen, sol- Mannschaft jährlich zu einer mindestens renbreitstein sowie das bayerische Ger- ropäischen Gleichgewicht (1815-1866), München 1996 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 52). che Kontingente an die größeren, nationa- vierwöchigen Übung einzuziehen. mersheim hätten bei einem französischen len Kontingente anzuschließen, was indes Durch die Beurlaubungen sparten die Angriff zusammen mit den Bollwerken Peter Galperin, Deutsche Wehr im Deutschen aus politischen Gründen ausdrücklich un- Staaten einerseits an Sold und Verpfle- des Bundes ein gemeinsames Sperrsystem Bund 1815-1866, Osnabrück 2000. tersagt war (Art. V). Davon hätte nämlich gung und beließen andererseits so viele gebildet. Auch hier findet man also eine Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsge- Preußen profitiert, in dessen Umgebung Arbeitskräfte wie möglich im Wirtschafts- Verflechtung einzelstaatlicher und ge- schichte seit 1789, Band 1: Reform und Restaurati- die meisten der kleineren Staaten lagen. leben. meinschaftlicher militärischer Ressourcen. on 1789 bis 1830, 2. Aufl., Stuttgart 1967. Eine solche einseitige Kräftigung hätte die Der Abschnitt VI der „Allgemeinen Um- 1855 wurden die „Bestimmungen“ von Wolfgang Petter, Deutscher Bund und deutsche Balance des deutschen Dualismus gefähr- risse“ regelte ausführlich die Frage des 1821 überarbeitet. Das „Hauptkontingent“ Mittelstaaten. In: Handbuch der deutschen Mili- tärgeschichte, hrsg. vom Militärgeschichtlichen det. Oberbefehls und den Umfang der Rech- wurde um ein Sechstel Prozent der Bevöl- Forschungsamt, 6. Lieferung, IV/2, Militärge- 1830 wurden die Kontingente von 19 Klein- te und Pflichten des Oberbefehlshabers. kerungsstärke vermehrt. Die Stärke der schichte im 19. Jahrhundert 1814-1890, München staaten zu einer „Reservedivision“ zusam- Er war, wenn das Kriegsheer des Bundes Feldarmee stieg damit auf 433.460 Mann.4 1976, S. 226-301. mengeschlossen, die ausschließlich aus aufgestellt wurde, vom „engeren Rat“ des Mit den Besatzungstruppen der Festun- Infanterie bestand und für den Festungs- Bundes zu wählen. Wie verschiedene gen hätte das Gesamtheer des Bundes im dienst vorgesehen war. Die Kontingente Krisen der folgenden Jahrzehnte zeigen Jahr 1859 eine Stärke von 506.725 Mann dieser Division besaßen acht verschiedene sollten, war die Bestimmung eines sol- erreicht.5 1 https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Bun desakte (aufgerufen am 4.5.2016). Ausbildungsvorschriften. chen Oberbefehlshabers ein aussichtsloses Das Militärwesen des Deutschen Bundes 2 Angelow, S. 324 f. Von einer einheitlichen Bewaffnung des Unterfangen. Nach Lage der Dinge kam war auf den Verteidigungsfall zugeschnit- 3 Woldemar Streubel, Die Kalibereinheit im Bundesheeres konnte nicht die Rede sein. dafür nur ein Österreicher oder ein Preu- ten. Zu einem Angriff wäre es schon auf- Bundesheer, in: Deutsche Vierteljahrs-Schrift, Es gab bis zu 50 verschiedene Gewehr- ße in Frage. Indes wäre keine der beiden grund der langwierigen kollektiven Ent- 1862, Heft 3, S. 173-193, S. 187 f. 4 Angelow, S. 326 f. und Büchsenkaliber. Bei der Artillerie wa- deutschen Vormächte bereit gewesen, sein scheidungsprozesse innerhalb des deut- 5 Ebd., S. 327 f. ren es immerhin neun verschiedene Sechs- schen Staatenbundes nicht fähig gewesen. 31

Dieter Storz Die bayerische Armee 1866

Das heutige Bayern versteht sich als „mo- so weit wie irgend möglich drücken sollte. dernes Industrieland im Herzen Europas“. Diese Politik verfolgte auch die Kammer Im Blick zurück sehen die Bayern ihr Land der Abgeordneten, der das Budgetrecht gern als Kulturstaat, nicht zuletzt, um sich zustand. so von der verhängnisvollen machtstaat- Die möglichste Beschränkung der Militär- lichen deutschen Vergangenheit abzuset- ausgaben lag durchaus im Interesse des zen, deren Wurzel man im Norden veror- Landes, sie schuf aber über Jahrzehnte tet. Natürlich war Bayern nie ein Militär- hinweg einen Zustand chronischer Unter- staat wie Preußen, und es war sich dessen finanzierung, der die Leistungsfähigkeit auch bewusst. der Armee stark einschränkte. Anders for- Nichtsdestoweniger war die königlich- muliert: Gemessen an den Mitteln, die ihr bayerische Armee bis zu ihrer Auflösung zur Verfügung standen, war diese Armee im Jahr 1919 die wichtigste staatliche Ein- zu groß. Sie war in das Militärwesen des richtung des Landes und beanspruchte be- Deutschen Bundes eingebunden und hätte reits im Frieden den größten Einzelposten bei einer Mobilmachung im Rahmen des des Staatshaushalts. Die größte Baustelle Bundesheeres ein eigenes Armeekorps, das im Bayern des 19. Jahrhunderts waren eben VII., formiert. nicht die Schlösser König Ludwigs II., Tatsächlich war die bayerische Armee aber sondern es war die Festung Ingolstadt. In größer als der Bund verlangte. Das hatte keiner anderen Einrichtung erfuhren die ausschließlich politische Gründe: Eine gro- Bayern ihren Staat so intensiv wie in der ße Zahl an „Streitbaren“ sollte den Ein- Armee, die damit auch zum wichtigsten druck einer bedeutenden militärischen Integrationsfaktor des neuen Staates wur- Macht vermitteln. Nur so konnte Bayern de, der die Franken und Schwaben erst seinen Anspruch als führende Kraft des einmal davon überzeugen musste, dass „dritten Deutschland“ neben Österreich auch sie fortan Bayern seien. und Preußen glaubhaft machen. Solange Die großen militärischen Anstrengungen nicht die Probe aufs Exempel gemacht im Zeitalter Napoleons hatten Bayern zwar werden musste, mochte die Rechnung auf- erhebliche Gebietsvergrößerungen und die gehen, denn mit Ausnahme Preußens ver- Königskrone gebracht, indes hatten sie das nachlässigten alle deutschen Staaten ihre Land auch erschöpft und einen riesigen Streitkräfte. Schuldenberg hinterlassen. Für Jahrzehn- 1838 machten die preußischen Militäraus- te war nun Sparsamkeit die Leitschnur der gaben pro Kopf der Bevölkerung 2,28 Gul- bayerischen Militärpolitik. Bereits wenige den aus, während es in Bayern in diesem Tage nach seiner Thronbesteigung setzte Zeitraum nur 1,1 Gulden waren,1 wobei König Ludwig I. eine „Ersparungskom- die Militärausgaben in Bayern damals ih- mission“ ein, welche die Militärausgaben ren Tiefpunkt erreicht hatten. 1850 entfie- 32 | Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 | 33 len in Preußen 37,8 % des Staatshaushalts ein Generalkommando stand (München, fünf Monate dauernden Grundausbildung Ein anderer Ausdruck des Sparwillens war auf den Militäretat, während es in Bayern Augsburg, Nürnberg, Würzburg). wurden die Soldaten beurlaubt und fer- die Einrichtung der sogenannten „Assen- noch 25,4 % gewesen sind.2 Das war auch Die bayerische Wehrverfassung, die bis nerhin lediglich zu den herbstlichen Waf- tiert-Unmontierten“. Das waren Dienst- im Vergleich der Mittelstaaten untereinan- 1868 Bestand haben sollte, war im Zeit- fenübungen eingezogen. Solche Beurlau- pflichtige, die weder eingezogen (assen- der ein niedriger Wert. alter Napoleons entstanden. Die Dienst- bungen waren nach der Bundeskriegsver- tiert), noch eingekleidet (montiert) wur- pflicht der Untertanen erfolgte nach dem fassung ausdrücklich gestattet. Die Netto- den, aber in den Listen als Truppenange- Heeresaufbau Konskriptionsmodell, das aus Frankreich dienstzeit überschritt bei der Infanterie hörige geführt wurden. Aus ihnen ersetzte übernommen worden war (Konskriptions- kaum anderthalb Jahre, erreichte mitunter man die Abgänge der tatsächlich Einberu- An der Spitze der Armee stand, natürlich, gesetz von 1812, überarbeitet im Heereser- nicht einmal 15 Monate. In der übrigen fenen während ihrer laufenden Dienstzeit, der König. Den faktischen Oberbefehl im gänzungsgesetz von 1828). Unter „Kon- Zeit gingen die Soldaten des „Aktivstan- und sie bildeten im Mobilmachungsfall Frieden übte jedoch der Kriegsminister skription“ verstand man die listenmäßige des“ ihren bürgerlichen Berufen nach. ein Ersatzreservoir für die Verluste des aus, ein Posten, den stets ein General be- Erfassung der Militärdienstpflichtigen. Je- Von der Nominalstärke von 180 Mann pro Krieges. Die imposante bayerische Hee- kleidete. Ihm unterstanden neben der der junge, unverheiratete Bayer wurde in Kompanie waren im Frieden etwa 30 Mann resstärke – der Friedensrahmen umfasste Heeresverwaltung auch der Generalstab dem Jahr konskriptionspflichtig, in dem ständig präsent, eine Zahl, die für eine bei Kriegsausbruch 71.918 Mann – stand (in Bayern „Generalquartiermeisterstab“ er das 21. Lebensjahr vollendete. Mit dem wirkungsvolle Ausbildung umso weniger also nur auf dem Papier: 21.490 von ihnen genannt) und die Personalsachen der 1. Januar des folgenden Jahres begann die ausreichte, als sie sich durch Wachdienste, waren Assentiert-Unmontierte, also Män- Armee. Dabei ging es um die Offiziere: Militärpflicht, die darin bestand, inner- Krankheit und Kommandierungen wei- ner ohne jede militärische Ausbildung.3 Die Kontrolle ihrer Karrieren war eines halb der nächsten zwei Jahre der Einberu- ter verminderte. Diese Reduzierung ging Der Deutsche Bund verlangte von Bayern der wichtigsten Machtmittel der Heeres- fung Folge zu leisten. Die aktive Dienstzeit nicht nur auf Kosten der Ausbildung der lediglich ein Kontingent von annähernd leitung überhaupt. So blieb es bis 1918, dauerte sechs Jahre. einfachen Mannschaftssoldaten, sondern 43.000 Mann. sehr im Unterschied zu Preußen, wo der Dieses System erfuhr in der Praxis aber führte auch dazu, dass ihre Vorgesetzten Geldmangel verhinderte auch größere Kriegsminister nur der Verwaltungschef ganz erhebliche Einschränkungen: Die Ar- kaum die Fähigkeit zur Führung kriegs- Truppenübungen in gemischten Verbän- der Armee war. Über den Generalstab hat- mee benötigte pro Jahr nur ca. ein Drittel starker Verbände erwerben konnten. den. Geldmangel führte zur Überalte- te der preußische Kriegsminister keine Be- der Dienstpflichtigen, die durch das Los In Preußen betrug die aktive Dienstpflicht rung des Offizierskorps, denn so sparte fehlsgewalt, dieser unterstand dem König bestimmt wurden. Als größter, schon den drei Jahre, die aber auch tatsächlich ab- der Staat an den Pensionen. Geldmangel unmittelbar, der auch zur Bearbeitung der Zeitgenossen bewusster Schaden des Sys- geleistet wurden. Preußische Kompanien verhinderte, dass die bayerische Armee Personalangelegenheiten eine eigene Be- tems galt die Stellvertretung: Jeder, den waren Anfang der 1860er Jahre im Frieden ausreichend mit Stabsoffizieren versehen hörde besaß, das Militärkabinett. das Los getroffen hatte, war berechtigt, ca. 130 Mann stark, bei einer Kriegsstärke war. Dieser Mangel auf der Führungsebe- In diesem Fehlen einer zentralen Spitze einen Stellvertreter zu bezahlen. Bei der von 250 Mann. Das waren also ganz an- ne war besonders schwerwiegend: Stabs- unterhalb des preußischen Königs drück- Infanterie, der mit Abstand zahlreichsten dere Verhältnisse. Die unterschiedliche offiziere sind nicht Leute, die mit großen te sich dessen besondere „Kommandoge- Waffengattung, kostete so ein Stellvertre- Kriegsstärke der Kompanien in Bayern Pfeilen auf kleinen Karten geniale Ope- walt“ aus, eine Eigentümlichkeit des Ho- ter 1.000-1.200 Gulden. Das entsprach, um und Preußen kann man hier vernachläs- rationen entwerfen, sondern in minutiö- henzollernstaates. eine ganz ungefähre Vorstellung zu geben, sigen, denn sie wurden durch die Zahl ser Kleinarbeit dafür sorgen, dass solche Die bayerische Armee enthielt alle Einrich- etwa 20.000 €. Die tatsächliche Wehrpflicht der Kompanien ausgeglichen: bayerische Operationen so reibungsarm wie möglich tungen, die ein Landheer zur Durchfüh- lastete also ausschließlich auf den ärmeren Regimenter zählten deren 18, preußische ablaufen: Der württembergische Gene- rung selbständiger Operationen besitzen und mittleren Bevölkerungsklassen. Das nur 12. ralquartiermeister Joseph von Theobald musste. 1866 setzte sie sich zusammen aus: wurde schon damals als große Ungerech- Die Beurlaubungen betrafen auch die schrieb 1810, der Generalstab sei „der ei- 16 Infanterie-Regimentern tigkeit empfunden. „Einsteher“. Es waren nicht Rücksichten gentliche Diener der Intelligenz, der Gehülfe 8 Jäger-Bataillonen Diese Ersatzleute, die „Einsteher“ hoben der Humanität, die zu diesen Befreiungen des Feldherrn und oftmals sein Organ, er ist 3 Kürassier-Regimentern die Qualität der Armee keineswegs, denn führten, sondern in erster Linie der Spar- eines seiner Räder, durch welche die große 6 Chevaulegers-Regimentern sie dienten meist nicht aus Freude am gedanke: Ein präsenter Soldat war viel Heeresmaschine, nach dem Sinn des Feldherrn 3 Ulanen-Regimentern Soldatenberuf, sondern deshalb, weil sie teurer als ein beurlaubter, denn er bean- bewegt und in Tätigkeit gesetzt wird“.4 Diese 4 Artillerie-Regimentern keine andere Beschäftigung fanden oder spruchte Sold und Verpflegung. An der Intelligenz war in der bayerischen Armee 1 Genie-Regiment (Pioniere) wollten. Finanzklippe scheiterten alle Versuche, des Jahres 1866 nur schwach entwickelt, 4 Sanitäts-Kompanien. Die sehr lang erscheinende sechsjährige die Präsenzzeiten mit dem Ziel einer ver- und die Folge war eine eigentümliche Un- Diese Truppen waren in vier Divisionen Dienstzeit darf man nicht mit der tatsächli- besserten Ausbildung wesentlich zu ver- beholfenheit der Führung bei der Leitung zusammengefasst, an deren Spitze jeweils chen Präsenzzeit verwechseln: Nach einer längern. 34 | Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 | 35 ihrer Truppen, die ihrerseits nur unzurei- verlässig bekannt. Erst nach ausgespro- merhin musste die Leitung der Verbände wandlung von Füsilier-Kompanien ver- chend geschult waren. chener Mobilmachung legte man Kriegs- umso schwieriger werden, in je mehr Teile doppelt worden. Das zeigt schon, dass die Die Bekleidung der Soldaten machte einen gliederung und Stärke der mobilen Armee das Ganze sich zerlegte. Tendenz entschieden zum Gefecht in ge- nicht unerheblichen Teil der Militäraus- fest, nach der sich dann der Bedarf an Re- In der „geöffneten“ Ordnung sandten die öffneter Ordnung ging. Das war modern, gaben aus. Die bayerische Armee vermin- servisten berechnete. Die Mobilmachung Kolonnen eine Kette von Schützen vor- entsprach aber auch den Vorgaben des derte sie, indem sie die Soldaten an der der bayerischen Armee war eine große aus, die so genannten „Plänkler“, in de- Deutschen Bundes, der 1855 den Anteil Finanzierung ihrer Uniform durch das so- Improvisation, gelangte aber immer noch ren Schutz die Kolonnen folgten. Diese der Jäger und Scharfschützen an der Infan- genannte „Monturratensystem“ beteiligte. schneller zum Abschluss als die der Kon- Kampfweise war schwierigen Gelände- terie von 1/20 auf 1/15 erhöht hatte. Der Soldat erhielt zu Beginn seiner Dienst- tingente des VIII. Bundeskorps im deut- verhältnissen weit besser anzupassen, als Bayerische Infanterieregimenter hatten zeit eine bestimmte Anzahl Uniformstücke, schen Südwesten. es mit Kolonnen allein möglich gewesen drei Bataillone, rückten 1866 aber zunächst wobei ihm deren Wert als „Schuld“ über- wäre, und sie sollte die Verluste vermin- nur mit zweien aus. Das dritte wurde spä- tragen wurde. Sie verminderte sich nach Kampfweise dern, weil einzelne Schützen eben ein ter nachgesandt. Im Gefecht kämpften die und nach im Lauf der Dienstzeit, worüber schwieriger zu treffendes Ziel bildeten als Bataillone in wechselnder Zusammenset- peinlich genaue Listen geführt wurden. Die wichtigste Waffengattung war die In- kompakte Menschenquader. zung in Brigaden. Das trug wesentlich zur Nach dem Ende gingen die Sachen in das fanterie. Im Zeitalter Napoleons hatten Der wichtigste Baustein des Infanteriege- Vermischung der Verbände und dem Ver- Eigentum der Soldaten über, die dadurch sich zwei unterschiedliche Gefechtsfor- fechts war das Bataillon, etwa 1.000 Mann lust an Kontrolle durch die Führung bei. ein Interesse daran hatten, ihre Bekleidung men entwickelt, die bis in die zweite stark. Es bestand in Bayern aus vier Füsi- Die preußische Armee dagegen wahrte sorgfältig zu behandeln. Schied ein Soldat Hälfte des 19. Jahrhunderts die Taktik der lier- und zwei Schützen-Kompanien, zu- den Regimentszusammenhang im Gefecht vorher aus dem Dienst aus, etwa durch Infanterie bestimmten: der Kampf in sammen also aus sechs Kompanien. Auch so lange wie möglich und entwickelte da- Tod, mussten seine nächsten Angehörigen „geschlossener“ Formation oder in „zer- wenn grundsätzlich alle Infanteristen zur durch eine überlegene Geschlossenheit die verbleibende „Monturschuld“ beglei- streuter“ bzw. „geöffneter“ Ordnung. Das Beherrschung des Gefechts in geschlos- und Durchsetzungskraft. chen. Sogar bei Angehörigen von Gefal- exerziermäßige Einüben fester Aufstellun- sener und zerstreuter Ordnung befähigt Jede bayerische Infanterie-Division ent- lenen des Feldzugs von 1866 versuchte gen und ihrer Bewegungen prägte in allen sein sollten, machte man doch noch einen hielt neben vier Infanterie-Regimentern die Militärverwaltung, diese „Schuld“ Armeen den Soldatenalltag. Unterschied: Schützen sollten im Plänk- und einem Jäger-Bataillon ein Kavallerie- noch einzutreiben. Bei den einzunehmenden geschlossenen lerdienst besonders geschult werden und Regiment, das vor allem für Aufklärungs- Dass dieses System jedem Gerechtigkeits- Formationen handelte es sich meist um erhielten für ihre Schießausbildung fast zwecke eingesetzt werden sollte. Die Mas- empfinden Hohn sprach, liegt auf der „Linien“ oder „Kolonnen“. Kolonnen wa- doppelt soviel Patronen wie die gewöhn- se der Kavallerie mit sieben Regimentern Hand. Es war aber auch militärisch nach- ren vor allem eine Bewegungsformation. lichen Infanteristen, die Füsiliere. Allge- aber bildete das „Reserve-Kavallerie- teilig, da nur soviel Uniformen vorhanden Dabei standen die Unterabteilungen, aus mein wendete man der Schießausbildung korps“. Beim damaligen Stand der Tak- sein durften, wie Soldaten in den Listen denen sich eine Truppe zusammensetz- seit der Einführung der modernen „Präzi- tik wollte man über eine starke Kavalle- standen. Bekleidungsreserven für den Mo- te, hintereinander. Die wichtigste dieser sionsgewehre“ vom System Podewils we- rie verfügen. Sie sollte in Gefechtskrisen bilmachungsfall existierten nicht. Aufstellungen war die Kompaniekolon- sentlich mehr Aufmerksamkeit zu. rasch durch Massenangriffe mit blanker Ganz anders war es in Preußen, wo die Uni- ne: Eine Kompanie bestand aus mehreren Die Jägerbataillone sollten für besonders Waffe eingreifen oder einen geschlagenen formen der Mannschaften dem Staat ge- Zügen. Bei der Kompaniekolonne wur- anspruchsvolle Gefechtsaufgaben reser- und desorganisierten Gegner verfolgen, hörten und an sie nach Bedarf von der Klei- den diese Züge jeweils in eine zweiglie- viert bleiben: um seine Niederlage zu vollenden. derkammer ausgegeben wurden. Durch dige Linie formiert und diese Züge mit „Wenn gleich dieselben zu allen Gefechten in Der Schockangriff mit blanker Waffe, die fleißiges Flicken und bewusstes Über- einem gewissen Abstand hintereinander geöffneter Ordnung vorzugsweise geeignet sogenannte „Attacke“, wurde im Frieden schreiten der festgesetzten Tragezeiten ge- aufgestellt. Das war eine damals nicht un- sind, so sollen sie doch nur da hierzu verwen- viel geübt, kam aber nur selten zur An- lang es dort, im Lauf der Zeit erhebliche umstrittene Innovation, weil der Kompa- det werden, wo der mögliche Verlust durch den wendung, und noch weit seltener hatte Bekleidungsvorräte zu bilden. niechef, der bei der früheren (Bataillons-) wahrscheinlichen Erfolg aufgewogen wird, um diese Kampfweise Erfolg. In weiträumiger Mobilmachungsvorbereitungen fehlten in Kolonnentaktik bloß der Unteraufseher sie nicht vorzeitig für Kämpfe zu schwächen, Aufklärung hätte die starke bayerische Ka- Bayern fast zur Gänze. Pferdemusterun- in einem größeren Ganzen gewesen war, in welchen durch Scharfschießen und besonde- vallerie 1866 von großem Nutzen sein kön- gen im Frieden gab es keine, so dass die jetzt selbständig taktisch handeln musste. re körperliche und taktische Gewandtheit gro- nen, aber das hatte man im Frieden nicht Armee über den Zustand der Pferde, auf Die offene Frage war, ob die Kompanie- ße Resultate erzielt werden können.“5 geübt, und so unterblieb es auch im Krieg. die sie bei der Mobilmachung zugreifen chefs (in der Regel Hauptleute) die dazu 1863 waren zwei neue Jägerbataillone er- Die Artillerieregimenter bildeten im Krieg musste, nicht unterrichtet war. Der Auf- nötige Qualifikation besaßen, was (rang-) richtet, die Zahl der Schützen-Kompanien keine taktische Einheit, sondern wurden enthaltsort der Reservisten war nicht zu- ältere Offiziere vielfach bezweifelten. Im- (bis dahin nur eine pro Bataillon) durch Um- auf die Infanteriedivisionen und die Re- 36 | Dieter Storz: Die bayerische Armee 1866 servekavallerie verteilt sowie zu einer Literatur „Reserveartillerie“ zusammengefasst, die Oscar von Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krie- acht von 19 Batterien umfasste. Diese Re- ges von 1866 in Deutschland, Bd. 1: Gastein-Lan- serveartillerie stellte ein Geschützreser- gensalza, Berlin 1896; Bd. 3: Der Main-Feldzug, voir dar, mit dem die Führung im Gefecht Berlin 1902. Feuerschwerpunkte bilden konnte. Die Karl Müller, Die Organisation, Bekleidung, Aus- Artillerie besaß eine Mischbewaffnung rüstung und Bewaffnung der Königlich Bayeri- aus glatten und gezogenen Geschützen, schen Armee von 1806 bis 1906, München o.J. wobei die Batterien, die jeweils acht Ge- Oskar Bezzel, Geschichte des Königlich Bayeri- schütze umfassten, in sich einheitlich be- schen Heeres von 1825 mit 1866, München 1931 = waffnet waren. Geschichte des Bayerischen Heeres, Bd. 7. Seit 1858 hatte Bayern erhebliche Mittel Wolf D. Gruner, Das Bayerische Heer 1825 bis in die Bewaffnung der Armee investiert. 1864, Diss. München 1971, Boppard a. Rhein. Gewehre und Geschütze waren durchweg Gundula Gahlen, Das bayerische Offizierskorps jünger als zehn Jahre. Damit befand sich 1815-1866, Paderborn 2011. die Armee vollkommen auf der Höhe der Achim Fuchs, Einführung in die Geschichte der Zeit, war besser bewaffnet als die Arme- bayerischen Armee, München 2014. en Frankreichs, Russlands oder Englands. Preußen, aber auch nur Preußen besaß mit dem Zündnadelgewehr einen markanten 1 Jürgen Angelow, Von Wien nach Königgrätz. Vorteil, den schon die Zeitgenossen nach Die Sicherheitspolitik des Deutschen Bun- dem Feldzug stark herausstrichen. Sogar des im europäischen Gleichgewicht (1815- von einem „Zündnadelkrieg“ war damals 1866), München 1996, S. 73, 81. die Rede.6 2 Ebd., S. 85. 3 Lettow-Vorbeck, Bd. 3, S. 5. Das hat den Blick dafür verstellt, dass die 4 Zit. nach Fuchs, S. 40. Ursache der Niederlagen in Böhmen und 5 Vorschriften für den Unterricht der K.B. In- Westdeutschland nicht vorranging in der fanterie, Fünfter Teil: Unterricht im Manöv- Bewaffnung zu suchen war, sondern in riren mit größeren Truppen-Körpern, Mün- chen 1864, S. 15, Ziff. 47. der preußischen Überlegenheit in Aus- 6 Scenen und Bilder aus dem Feld- und Lager- bildung, Taktik und Führung, aufbauend leben, 8. Kriegsleben im Spessart, in: Die auf einer vorausgegangenen intensiven Gartenlaube, Jg. 1866, H. 38, S. 588. theoretischen Analyse des Krieges der Zu- kunft.

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Daniel Hohrath Die Uniformierung der deutschen Heere um das Jahr 1866

Im 19. Jahrhundert war es längst eine bis ins Erste Drittel des 19. Jahrhunderts Selbstverständlichkeit, dass das Militär sehr langsam und bis in die zweite Hälfte eine einheitliche Bekleidung trug, die alle des 17. Jahrhunderts gab es überhaupt kei- seine Angehörigen auf den ersten Blick als ne Uniformen. Wenn man vom Krieg und Soldaten kenntlich machte. So grenzte sich vom Kämpfen ausgeht, waren Uniformen die Armee als staatliche Institution ein- auch nichts Notwendiges. Der kriegsprak- deutig von der zivilen Gesellschaft ab. Zu- tische Bedarf an einer sichtbaren Unter- gleich erlaubten die militärischen Unifor- scheidung von Freund und Feind erfor- men eine außerordentlich feingliedrige derte keine Uniformierung. Differenzierung: Sie unterschieden zum Zwischen ähnlich ausgerüsteten Parteien einen die Angehörigen verschiedener Ar- reichten hierfür irgendwelche Zeichen am meen voneinander, zum anderen aber in- einzelnen Kämpfer oder der Gruppe aus, nerhalb der Armeen alle einzelnen Trup- wie z. B. aufgenähte Kreuze, farbige Schär- penteile und innerhalb dieser wiederum pen, Federn oder auch nur grünes Laub an die unterschiedlichen Rangstufen und der Kopfbedeckung. Noch im Krieg von Funktionsträger. 1866 wurden teilweise Armbinden getra- Die Uniformierung, deren Erforschung gen, um die Zugehörigkeit zu einer Partei heute oft noch als skurrile Liebhaberei deutlich zu machen. In der Nähe des oder allenfalls nebensächliche Fakten- Kampfes „Mann gegen Mann“ waren die- sammlung gilt, war für das Militärwesen se eindeutig. Aber schon bei geringer Ent- zwischen 1700 und 1900 von weitaus hö- fernung kamen im Gewühle und im Nebel herer Bedeutung als dies zunächst erschei- des Pulverdampfs in der Schlacht immer nen mag: Den Stellenwert, der Uniformen wieder fatale Verwechslungen vor. Uni- zugemessen wurde, erkennt man schon an formen halfen da wenig: So kam es auch dem Aufwand, der für sie getrieben wur- bei uniformierten Soldaten oft zum de: Die Bekleidung der Soldaten war bis „friendly fire“ auf eigene Truppenteile. um etwa 1840 nach der Besoldung der teu- Auch nach allgemeiner Verbreitung der erste Posten im Militärwesen. Erst dann Uniform war es eher die Ausnahme als die setzte – namentlich mit dem Zündnadel- Regel, dass die kämpfenden Parteien gewehr – jener rasante Wettlauf in der durchgängig unterschiedliche, eindeutig Waffentechnik ein, der letztlich bis heute erkennbare Farbkombinationen trugen. andauert und einen ständigen Moderni- Die mit Ausnahme der Österreicher fast sierungs- und Investitionsdruck erzeugt. durchgängig blauen Uniformen der Kon- Dies war nicht immer so gewesen: Die trahenten von 1866 zeigten dies besonders neuzeitliche Waffenentwicklung verlief deutlich, aber dies galt schon früher und 40 | Daniel Hohrath: Die Uniformierung Daniel Hohrath: Die Uniformierung | 41 in anderen Kriegen nicht weniger: Viele durch eine gemeinsame Gruppenidentität Es bleibt jedoch bemerkenswert, dass sich mierung wurde ebenso wie die Bewaff- Farben kamen in fast allen Armeen vor, anzunehmen. die Gestaltung von Uniformen von den nung und andere Bereiche Gegenstand und ähnliche Farbkombinationen bei ein- Hieraus folgt auch, dass diese gemeinsa- Anfängen an kaum an praktischen Bedürf- wissenschaftlicher Überlegungen, die von zelnen Einheiten begegneten sich so regel- me Bekleidung der Akzeptanz durch ihre nissen wie Bequemlichkeit und Schutz ori- den zunehmend ausgebauten und effekti- mäßig auf den Schlachtfeldern Europas. Träger bedarf; mit anderen Worten, der entierte, sondern ganz auf die repräsenta- ver organisierten Militärbehörden auch So gehört auch die verbreitete Meinung, Soldat muss sich selbst und seiner Umge- tive Außenwirkung ausgerichtet war. umgesetzt werden konnten. leuchtend bunte Kriegstrachten oder Uni- bung darin gefallen können. Hier bindet Viele wohlmeinende Reformversuche, die Die militärische Bürokratie war nunmehr formen seien auf dem vernebelten sich die Entwicklung der Uniformgestal- auf einen bequemeren Schnitt, besseren in der Lage, die gesamte Ausrüstung des Schlachtfeld der Schwarzpulver-Epoche tung auch ganz unmittelbar an das jeweils Wetterschutz oder praktischere Kopfbede- Militärs vom Entwurf bis zur Herstellung eben zwingend notwendig gewesen, um vorherrschende Männlichkeitsideal. Es ckungen zielten, blieben Episode oder en- zentral zu planen und zu überwachen. Die Gegner und Kameraden auseinanderhal- war auch für den einzelnen Offizier und deten gar in noch problematischeren, aber Qualität der Uniformen (wie der meisten ten zu können, zweifellos ins Reich der Soldaten wichtig, dass die Uniform Männ- aktuellen Modegeschmäckern schmei- Produkte des täglichen Lebens) stieg im Legende. lichkeit, Stärke und sozialen Rang de- chelnden Formen. Laufe des ersten Jahrhunderts der Indust- Die Entstehung der Uniform ist also nicht monstrierte. So lässt sich die Vielfalt der militärischen rialisierung im Vergleich zur Frühen Neu- auf dem Schlachtfeld, sondern da zu su- Bei aller Vielfalt gilt allgemein, dass sich Uniform im 19. Jahrhundert nur begrenzt zeit deutlich. Medizinische, orthopädische chen, wo Soldaten einzeln und in Formati- die Uniform in ihren Formen an der übli- als lineare Entwicklungsgeschichte be- und hygienische Überlegungen wurden on schön und eindrucksvoll aussehen soll- chen Männerkleidung orientierte. Die Un- schreiben. einbezogen. Rationalisierung und Verein- ten: auf dem Paradeplatz gegenüber dem terschiede zur „zivilen“ Bekleidung wur- Der Übergang der stehenden Söldnerhee- heitlichung sowie neue Herstellungsme- fürstlichen Schloss und im Zusammenle- den durch stark akzentuierte Vielfar- re in nationale Armeen im Gefolge der thoden wie mechanische Webstühle er- ben mit anderen Teilen der Gesellschaft in bigkeit, durch spezielle Schmuckelemente französischen Revolution und der an- möglichten eine vorher nicht denkbare den Garnisonstädten. und Kopfbedeckungen betont. In den De- schließenden Kriegsepoche von 1792 bis Massenproduktion und Einheitlichkeit. Uniformen waren, wie andere Bekleidung tails stand sie mit der jeweils aktuellen 1815 äußerte sich auch im stilistischen Ge- Um die Mitte des 19. Jahrhunderts bilde- und Mode auch, Mittel der gesellschaftli- Mode in einem Wechselwirkungsverhält- staltwandel der Uniform. ten sich die Grundformen heraus, die für chen Kommunikation. nis. So beeinflussten Uniformen gelegent- Die Abgrenzung der bunten Uniform von die Uniformierung der europäischen Staa- Im Kriegswesen tauchten Vorformen einer lich die zivile Mode, während modische der Zivilkleidung wurde zwar tendenziell ten bis ins 20. Jahrhundert bestimmend Uniformierung denn auch zunächst an der Einflüsse, die an der gleichzeitigen Zivil- nochmals deutlicher, namentlich durch bleiben sollten. Mit dem geschlossenen Schnittstelle zum höfischen Bereich auf: kleidung zu beobachten sind, sich regel- die spezifisch militärischen Kopfbede- „Waffenrock“ (als Vorläufer der bis heute bei Leibgarden (Trabanten), die im Zei- mäßig auch in den Uniformen widerspie- ckungen wie den Tschako und die antiki- gebräuchlichen, halblangen Uniformja- chen der Repräsentation herrscherlicher geln. Manchmal geschah dies mit einer sierenden Kavalleriehelme, aber das je- cke) und dem schließlich in ganz Europa Gewalt einheitlich bekleidet und ausge- gewissen Verzögerung oder zunächst ge- weils aktuelle Schönheitsideal, das sich verbreiteten Lederhelm beziehungsweise rüstet wurden. Es ging also sehr wohl um wissermaßen unterhalb der Vorschriften, etwa in Überhöhung der gesamten Ge- dem verkleinerten Tschako oder der Müt- Sichtbarkeit und Erkennbarkeit, aber eben wenn z.B. die Breite von Kragen und Är- stalt, schmaler, hochgezogener Taille oder ze, wurden Uniformen gewiss für den täg- gewissermaßen nach „Innen“. Der Soldat melaufschlägen, das Ausmaß der Taillie- besonders betonten Schultern äußerte, lichen Gebrauch geeigneter als es die eng in Uniform repräsentierte seinen Dienst- rung oder die Form von Hüten und Müt- spiegelte sich in der militärischen Parallel- geschnittenen Röcke, Kollets und Fräcke, herrn und damit die Autorität des Staates. zen individuell der aktuellen Mode welt um nichts weniger deutlich wider. die Grenadiermützen und Filzhüte der Noch eine Stufe weiter nach Innen wirkte angepasst wurden. Das galt auch für die Konsolidierungspha- früheren Zeiten gewesen waren. Zumin- die Uniformierung auch als Mittel der Ein- Auf der anderen Seite musste Soldatenbe- se der Friedensheere nach 1815, in der sich dest waren die Zeitgenossen überzeugt, ordnung und Disziplinierung: Seine kleidung stets ein Mindestmaß an Robust- an der Uniformierung allgemein nur we- hier deutliche Verbesserungen einzufüh- „Montur“ stets richtig zu tragen und die heit und Praktikabilität aufweisen, sie soll- nig änderte. ren. von ihrem Schnitt vorgegebene Körper- te preiswert und zugleich haltbar sein. Während der weitgehend friedlichen Jahr- Auf dem jeweiligen Level ihrer Gegenwart haltung einzunehmen, sie sauber zu hal- Eine Uniform sollte bestimmte Bewe- zehnte nach 1815 hatte sich auch wieder hatten militärische Uniformen auch wei- ten und zu pflegen, gehörte zwingend zur gungsabläufe, etwa bei der Bedienung der überall die Tendenz verstärkt, die „Schön- terhin stets vor allem „schön“ zu sein. Re- „Bildung des Soldaten“. Es ging und geht Waffe, begünstigen und dem Soldaten ei- heit“ der Uniform auf Kosten praktischer präsentation nach außen, Identitätsstif- (bis heute) auch in besonderem Maße dar- nen gewissen Tragekomfort bieten, indem Aspekte zu steigern, und dies führte auch tung und Disziplin nach innen blieben die um, sich mit denen verbunden zu fühlen, sie ihn wenigstens halbwegs vor der Wit- wieder zu wachsender Kritik an der Sol- maßgebenden Prinzipien für die Gestal- die die gleiche Uniform tragen und da- terung schützen konnte. datenbekleidung und entsprechenden tung der Uniform, während die Kriegspra- Verbesserungsvorschlägen. Die Unifor- 42 | Daniel Hohrath: Die Uniformierung Daniel Hohrath: Die Uniformierung | 43 xis letztlich nur die Minimalanforderun- 1845, in Preußen 1847, in Bayern 1860) der einzig das österreichische Heer seine tra- schen Bundes mit ihrer unterschiedlichen gen bestimmte. Gürtel (Koppel) um den Leib geschnallt ditionelle weiße Rockfarbe bei, ging aber Bewaffnung und Ausrüstung sowie den In den 1860er Jahren hatten sich die grund- und mit den Trageriemen des Tornisters 1868 ebenfalls zum Dunkelblau über, abweichenden Ausbildungs- und Exer- legenden Veränderungen der Uniformie- verbunden, so dass sich mit dieser „Gür- nachdem man sich 1866 als leuchtende zier-Vorschriften, Normen und Signalen rung in nahezu allen Armeen durchge- telrüstung“ ein erheblicher Teil des Ge- Zielscheibe gefühlt hatte. somit auch rein äußerlich ab. setzt. Dabei gaben die Heere der deutschen wichts der Ausrüstung gleichmäßig auf Die aus der Entfernung unauffälligere Augenfälliger noch als der Waffenrock, Staaten als Kontingente des Deutschen Schulter- und Hüftpartie verteilte. dunkelblaue Grundfarbe kann aber trotz- weil die Silhouette des Soldaten auf weite Bundes ein auf den ersten Blick scheinbar In Preußen war der Waffenrock bereits dem noch kaum als erster Schritt zur Tarn- Sicht bestimmend, waren aber die neuen einheitliches, in der Nahsicht jedoch sehr 1842 eingeführt worden, ganz unabhängig uniform angesehen werden, zumal die Kopfbedeckungen, die sich zur gleichen differenziertes Bild ab. davon in Frankreich im Jahre 1845. Bayern leuchtenden Farben von Kragen und Är- Zeit durchsetzten. Das Hauptstück der Oberbekleidung bil- hatte ihn 1848 eingeführt und die meisten melaufschlägen, blank polierte Knöpfe In den Napoleonischen Kriegen und da- dete der sogenannte „Waffenrock“. Es anderen deutschen Staaten ebenso wie Ös- und weiß gestrichenes Lederzeug eine tar- nach in den 1820er und 1830er Jahren hat- handelte sich dabei um eine ein- oder terreich übernahmen bereits 1849 Waffen- nende Wirkung zum guten Teil konterka- te sich in Deutschland und Europa mehr- zweireihig bis oben zugeknöpfte Jacke mit röcke für ihre Armeen, zunächst stets für rierten. Auch in internationaler Perspekti- heitlich der Tschako verbreitet. Dies war Stehkragen und geschlossenen Schößen, die Infanterie und Artillerie. Der Über- ve wurde dunkelblau damals zur absolut eine zylindrisch geformte oder nach oben die bis zum Oberschenkel reichten, wobei gang vom Frack zum geschlossenen Geh- häufigsten Uniformfarbe; nur die britische breiter werdende Filz-Leder-Konstrukti- die Schöße in den Anfangsjahren länger rock oder Sacco fand ungefähr zur glei- Armee behielt ihre (heute noch bei den on. Er stammte von einer steifen hohen waren und nach und nach kürzer wurden. chen Zeit auch in der zivilen Männermode Garden zur Parade getragene) leuchtend Filzmütze ab, die als Kennzeichen der ge- Der Waffenrock hatte das bis dahin getra- statt, wobei das Militär hier vorangegan- rote Rockfarbe bis in die Anfangszeit des fürchteten und bewunderten leichten gene, wie ein Frack geschnittene Kollet ab- gen zu sein scheint. Burenkriegs (1899-1902) bei. Truppen aus Südosteuropa populär ge- gelöst, das den Unterleib vorne ganz un- Die Neuuniformierung der Kavallerie So erschließen sich die Vielfalt und der be- worden war. Mit einem Vorderschirm ver- bedeckt gelassen hatte. Der Waffenrock kam meistens später, soweit diese nicht wusste Wille zu jeweiliger Eigenständig- sehen, entstand daraus eine relativ preis- bot damit deutlich mehr Schutz gegen Käl- ohnehin ganz spezielle Uniformschnitte keit bei den Uniformen der Kontingente wert herzustellende und anfangs recht te und erlaubte außerdem, in den Schoßta- trug wie die traditionell an der ungari- des Deutschen Bundes erst bei näherem praktische und bequeme Kopfbedeckung. schen einige kleinere Gegenstände unter- schen Tracht orientierten Husaren. Über- Hinsehen. Verschieden waren die Formen An ihm zeigte sich aber auch die immer zubringen. Er bot dem Soldaten mehr haupt gelten die allgemeinen Feststellun- und Farben von Kragen und Ärmelauf- wieder zu beobachtende Tendenz vom Bewegungsfreiheit, ohne dabei eine allzu gen in diesem Zusammenhang nur schlägen und zahlreiche Details im Schnitt Praktischen zum Prächtigen. Tschakos lässige Körperhaltung zu gestatten: Der bedingt für die bei den meisten Armeen der Waffenröcke, wie die ein- oder zwei- konnten mit Metallbeschlägen, Tressen feste, gefütterte Stoff und der relativ enge, weiterhin sehr vielgestaltig uniformierten reihige Knöpfung und die Länge der Schö- und Behängen aus Schnüren, Troddeln taillierte Schnitt mit dem geschlossenen Gattungen der Reiterei, bei denen sich ße. Ein weites Feld ergaben auch die un- und Schuppenketten sowie hoch aufra- Stehkragen erzwangen „ganz natürlich“ auch eine deutlich höhere Vielfarbigkeit terschiedlichen feingegliederten Systeme genden Stutzen und Federbüschen belie- einen stets aufrechten, leicht angespann- erhielt. Den zahlenmäßig bei weitem größ- von Rangabzeichen. Sterne oder Tressen big reich verziert werden und auch durch- ten Oberkörper. ten und militärisch wichtigsten Teil aller und Streifen am Kragen oder auf Epaulet- aus abenteuerliche Formen und Größen Ungefähr parallel zur Entwicklung des Heere bildete aber zu dieser Zeit bereits ten oder Schulterstücken kennzeichneten annehmen. Waffenrocks wurde auch verstärkt darü- die Infanterie; sie stand auch im Mittel- die hierarchischen Stufen; bei jedem Heer Um 1840 war in den Armeen neben sol- ber nachgedacht, wie den Soldaten das punkt aller Reformbemühungen. gab es ein eigenes Zeichensystem. Obwohl chen immer größer gewordenen Tschakos, Tragen ihrer Ausrüstung erleichtert wer- Die Grundfarbe des Waffenrocks war bei sich die Dienstgrade international schon die bei den Fußtruppen vorherrschten, den konnte; dies war eigentlich seit jeher fast allen deutschen Armeen ein mehr im 18. Jahrhundert stark angeglichen hat- eine relativ große Vielfalt an militärischen ein Hauptproblem gewesen, denn die oder weniger dunkles Blau, wobei Bayern ten, um den Gefangenenaustausch zu er- Helmen und Kaskets im Gebrauch. Masse der Heere bewegte sich zu Fuß, oft mit seinem sogenannten „Hellblau“ oder leichtern, erhielten sich in jeder Armee Unter den deutschen Heeren spielte Bay- über riesige Distanzen. Seit man auf den „Kornblumenblau“ eine Ausnahme bilde- besondere Bezeichnungen und Abstufun- ern bereits zu dieser Zeit hinsichtlich der früheren „Tross“ verzichtete, der die Hee- te. Allerdings handelt es sich auch dabei gen. Dies alles sorgte ebenso für erwünsch- Kopfbedeckungen eine Sonderrolle. Hier resbewegungen verlangsamt hatte, muss- um einen eher mittleren Farbton, der sich te Unverwechselbarkeit (was allerdings wurde seit 1800 durchgängig kein Tscha- ten die Soldaten sogar noch mehr am Kör- an realen Stücken vom „Dunkelblau“ an- genaue Informiertheit voraussetzte) wie ko, sondern das sogenannte „Kasket“, ein per tragen. Nachdem lange Zeit alles allein derer Heere weniger unterscheidet, als für mögliche Verwirrung. Die kleinteilige mit einem Kamm und einer Fell- bzw. über Riemen auf den Schultern gelastet bildliche Darstellungen dies oft vermuten Heterogenität der Uniformierung bildete Wollraupe überhöhter Lederhelm, getra- hatte, wurde nunmehr (in Frankreich lassen. Von den größeren Armeen behielt die Probleme der Kontingente des Deut- gen. Ähnliche Formen waren um die Wen- 44 | Daniel Hohrath: Die Uniformierung Daniel Hohrath: Die Uniformierung | 45 de vom 18. zum 19. Jahrhundert auch bei Insgesamt stellte der „Helm mit Spitze“ ein militärpolitisches Signal: Die ersten, März 1864 verstorben und durch seinen anderen Armeen verbreitet. Damals hat- einen gelungenen Kompromiss dar, in- die den „Helm mit Spitze“ einführten, wa- Sohn Ludwig II. beerbt worden war. ten sie die bis dahin üblichen Filzhüte ab- dem er eine gewisse Schutzfunktion (ge- ren diejenigen deutschen Kleinstaaten, die Letztlichwar aber auch entscheidend, dass gelöst, die den militärischen Reformern gen Säbelhiebe von oben) mit vergleichs- sich zu dieser Zeit an Preußen orientier- der Raupenhelm zum „nationalen“ Sym- jener Zeit als unpraktisch und unmilitä- weise angenehmen Trageeigenschaften ten, wie etwa Oldenburg (1843), Anhalt- bol der bayerischen Kriegsmacht erhoben risch galten. verband: er war leichter und billiger als Bernburg (1846), Waldeck (1846), Meck- wurde. Auch nachdem in Folge der Reichs- Bei der Gestaltung ihrer Form hatte man ein Metallhelm und zudem wasserdicht. lenburg-Schwerin und Mecklenburg- gründung von 1871 eine weitgehende An- sich antiken Vorbildern anzuverwandeln Dies unterschied ihn sowohl von all den Strelitz (1848), Nassau (1849) und Baden gleichung der Kontingente erfolgte und versucht. Auch hier ist zu beobachten, wie gebräuchlichen Filzkonstruktionen wie (1849). In den 1850er Jahren folgten zahl- auch in Bayern 1873 ein (immer noch sich das Verhältnis von Pracht und Praxis den hohen Tschakos und auch textilen reiche weitere Heere, vornehmlich im „hellblauer“) Waffenrock nach preußi- meist schnell zuungunsten der letzteren Mützen, die im Regen ihre Form zu verlie- nord- und mitteldeutschen Raum. Diejeni- schem Muster eingeführt wurde, verhin- entwickelte. Es fällt auf, dass in den meis- ren drohten und immer schwerer wurden; gen deutschen Staaten, die sich dem preu- derte Ludwig II. bis zu seinem Tod im Jah- ten Armeen solche Kaskets nur für relativ das war auch der große Nachteil von Hel- ßischen Übergewicht im Deutschen Bund re 1886 die Einführung der Pickelhaube kurze Zeit eingeführt und dann wieder men mit Haarbüschen und Raupen aus entgegenstellten, vermieden dagegen viel- anstelle des Raupenhelms. durch andere Kopfbedeckungen ersetzt Wolle. Allerdings ist dies auch nicht zu fach die Verwendung der Pickelhaube; im worden waren. Nur in Bayern hielt man hoch zu bewerten: So mag die preußische Königreich Hannover wurde sie 1846 bis am Prinzip des Kaskets mit „Raupe“ ei- Pickelhaube gegenüber einem hohen 1850 getragen, aber bereits 1859 im Zuge sern fest und versuchte recht mühselig, Tschako aus Filz im Vorteil gewesen sein, der politischen Abgrenzung gegenüber Literatur die vorhandenen Modelle zu verbessern, zu einer „praktischen“ Bekleidung wurde Preußen wieder abgeschafft. Die wichtigs- Daniel Hohrath, Uniform [Lexikonartikel], in: möglichst ohne Kosten zu verursachen. sie gleichwohl nicht. Vor Geschossen und ten Mittelstaaten, die Königreiche Sach- Enzyklopädie der Neuzeit, hg. von Friedrich Als um 1840 die militärische Kopfbede- Splittern schützte der neue Lederhelm so sen, Bayern und Württemberg verzichte- Jäger et al., Bd. 13, Stuttgart 2011, Sp. 978-980 ckung wieder Thema der Reformdiskussi- wenig wie Tschakos oder Mützen, dafür ten von Anfang an konsequent auf den Jürgen Kraus, Vom Bunten Rock zum Kampfan- onen wurde, fand dies, zumindest was die waren auch die Metallhelme der schweren preußischen Kopfschmuck. Hier brachten zug. Uniformentwicklung vom Dreißigjährigen Konsequenzen anging, außerhalb Bayerns Kavallerie zu schwach. die Ausrüstungsreformen der Jahrhun- Krieg bis zur Gegenwart (Veröffentlichungen des statt. Sowohl praktische Erwägungen als Optisch orientierte sich der neue Helm an dertmitte verkleinerte und damit prakti- Bayerischen Armeemuseums, Bd. 9), Ingolstadt 1987 auch der Wunsch nach neuer martiali- den Vorstellungen der Zeitgenossen von schere Versionen des Tschakos hervor, scher Pracht waren die Motive langjähri- Helmen der Antike und an manchen ori- dessen Formen sich in einem fließenden Karl Müller, Louis Braun, Die Organisation, Be- ger Überlegungen und technischer Experi- entalischen Formen, die im frühen 19. Übergang über ein steifes „Käppi“ aus kleidung, Ausrüstung und Bewaffnung der Kö- niglich Bayerischen Armee von 1806 bis 1906, mente auf der Suche nach einer neuen Jahrhundert populär waren, dazu bot er verstärktem Filz nach österreichischem München 1899-1906 Kopfbedeckung für Soldaten, wie sie in auf der großen gewölbten Stirnseite Platz Vorbild bis zur ähnlich geformten Mütze vielen Armeen angestellt wurden und zu für repräsentative Zierate aus blitzendem aus Stoff bewegten. Walter Seibold, Gerd M. Schulz, Die Helme der durchaus unterschiedlichen Ergebnissen Blech wie etwa den preußischen Adler. Allerdings war die „Pickelhaubengrenze“ königlich bayerischen Armee 1806 – 1918, Grö- benzell 1999 führten. So entwickelte sich die Pickelhaube zu ei- keineswegs mit den Bündnislinien von Jedoch gab es ein eindeutiges „Erfolgsmo- nem internationalen Erfolgsmodell. Zwi- 1866 kongruent: der „Helm mit Spitze“ dell“, das einerseits die weiteste Verbrei- schen 1850 und 1914 wurde sie, das preu- war auf beiden Seiten zu sehen. tung erfahren, andererseits aber auch zum ßische Muster imitierend oder bewusst In Bayern blieb als Nachfolgemodell des Symbol des preußisch-deutschen Milita- variierend, zeitweilig von einer Vielzahl Kaskets der Raupenhelm bestimmend; rismus werden sollte: Die „Pickelhaube“. europäischer Armeen getragen: In Schwe- Kritik an seinen Nachteilen versandete Der lederne „Helm mit Spitze“ entstand den und Norwegen, den Niederlanden, nicht nur aus finanziellen Gründen. Im als Ausdruck eines spezifischen Zeitge- Portugal, Parma und später noch dem Mi- „kaputtgesparten“ bayerischen Militär schmacks. Als er 1842 in Preußen für In- litär des Kirchenstaats, in Russland und verzögerten sich auch dringende Erneue- fanterie und Artillerie eingeführt wurde, England, Rumänien und den USA, ebenso rungen und Ersatzbeschaffungen immer war er zunächst als leichtgewichtigere Va- in vielen der Staaten Südamerikas. In eini- wieder erheblich. Es ist kennzeichnend, riante eines schweren stählernen Küras- gen Armeen gehört sie bis heute noch zur dass noch auf Bildern von 1867 und später sierhelms konstruiert worden, der sich in Paradeuniform. Raupenhelme mit dem „M“ für König Ma- Versuchen sehr bewährt hatte. Innerhalb Deutschlands war die Einfüh- ximilian II. zu sehen sind, der ja bereits im rung der Pickelhaube zunächst vor allem 46 47

Dieter Storz Die Bewaffnung

In den Jahren zwischen 1850 und 1860 ein Büchsenmacher aus Thüringen, der fand ein rapider technischer Wandel der seine Kenntnisse durch einen Aufenthalt Bewaffnung statt. Insbesondere stiegen in Paris erweitert hatte. Er befestigte das Reichweite und Präzision der Schusswaf- Zündmittel (die „Zündpille“, die aus ei- fen. Deren Einfluss auf das Gefecht der nem schlagempfindlichen Material be- Zukunft gehörte zu den vieldiskutierten stand) an der Rückseite des Geschosses, Fragen in der Militärpublizistik. Die Hee- das zusammen mit dem Pulver in einer re, die 1866 in Böhmen und Süddeutsch- Papierhülle steckte. Um die Zündpille zu land aufeinandertrafen, waren nach dem erreichen, konstruierte er einen Mecha- Standard ihrer Zeit modern bewaffnet, nismus, dessen Herz ein Stahlstift bildete, insgesamt wohl fortschrittlicher als die der mit einer Spiralfeder umwickelt war Heere des eben erst zu Ende gegangenen und eine Nadel an seiner Spitze trug. Beim Amerikanischen Bürgerkriegs. Druck auf den Abzug schnellte die Feder den Stahlstift vorwärts, die Nadel durch- Handfeuerwaffen drang Papierhülle und Pulver, erreichte die Zündpille und löste so den Schuss aus. Das Zündnadelgewehr war das erste Die ersten Zündnadel-Versuchsgewehre praxistaugliche Militärgewehr, das nicht der preußischen Armee waren Vorderla- von der Mündung geladen wurde. Dar- der. Dieses Prinzip war aber ungeeignet, in liegt seine historische Bedeutung. Als da nach dem Schuss die Nadel vom Schüt- die Waffe in den 1830er Jahren entwickelt zen wieder zurückgezogen werden muss- wurde, ging es aber zunächst nur darum, te. Vergaß er das und lud die Waffe erneut, den Ladevorgang zu vereinfachen. Beim traf die Patrone auf die vorstehende Nadel Vorderlader mit Perkussionszündung und löste den Schuss während des Lade- vereinte eine Hülle aus kräftigem Papier vorgangs aus. Um dieses Unfallrisiko aus- Geschoss und Pulver. Sie musste vor zuschließen, gab Dreyse der Waffe einen dem Laden mit den Zähnen aufgerissen, von hinten zu öffnenden Verschluss, den das Pulver eingeschüttet, das Geschoss er so einrichtete, dass er sich nur mit zu- samt Papier (Verdämmung!) hinterher rückgezogener Nadel öffnen ließ. Damit gestopft werden, und dann musste noch wurde die Waffe schützensicher. das Zündmittel, also das Zündhütchen, 1841 erhielt Dreyse einen Auftrag zur An- einer weiteren Tasche entnommen und fertigung von 60.000 Zündnadelgewehren. von außen aufgesteckt werden. Sehr viel Von diesem Jahr hat sie auch ihre Modell- eleganter wäre es gewesen, wenn alle drei bezeichnung: M/41. Ein preußischer Offi- Teile – Pulver, Geschoss und Zündmittel zier schrieb damals: – in einer Patrone vereint gewesen wären, „60.000 mit Zündnadelgewehren bewaffnte die so wie sie war in den Lauf gebracht Soldaten unter Führung eines talentvollen Ge- werden konnte. An solch einer Waffe ar- nerals, und Seine Majestät der König kann be- beitete Nikolaus von Dreyse (1787-1867), stimmen, wo Preußens Grenze gehen soll.“1 48 | Dieter Storz: Die Bewaffnung Dieter Storz: Die Bewaffnung | 49

Einstweilen war dieser König aber mit sei- durch Niederlegen eine Deckung verschaffen neu bewaffneten, und zwar durchweg mit Langgeschossen ergab das eine sehr nen Grenzen zufrieden. Bis in die 1850er zu können, ohne der Wirkung des eigenen Feu- Vorderladern. Das waren bewusste Ent- schwere Munition. Man musste mit dem Jahre galt das Zündnadelgewehr als Son- ers Eintrag zu tun“.2 scheidungen gegen das preußische Kaliber also heruntergehen, wenngleich derwaffe für nur einen Teil der Infanterie. Das Zündnadelgewehr M/41 war nur für Schnellfeuergewehr. Nicht die Steigerung man vielen der großkalibrigen Vorderla- Was im Rückblick als ein besonderer Vor- die Infanterie bestimmt. Ihre vollständige der Feuergeschwindigkeit stand damals der als Übergangslösung Züge in den Lauf teil des Gewehrs erscheint, nämlich seine Umbewaffnung mit dem neuen Gewehr im Mittelpunkt des Interesses, sondern die schnitt. Die Anfertigung der dafür nötigen hohe Feuergeschwindigkeit im Vergleich zog sich über mehrere Jahre hin. Erst 1858 Optimierung der Treffgenauigkeit. neuen Patronen kostete nicht viel: Die vor- zum Vorderlader, gab den Militärs damals wurden alle preußischen Linien-Infante- Das war natürlich nur mit gezogenen Läu- handenen Bleikugeln wurden in die neue auch Grund zur Sorge. Sie befürchteten, rieregimenter mit dieser Waffe ausgerüs- fen möglich. Man kannte sie seit Jahrhun- Form umgegossen, das Pulver konnte wei- dass die Soldaten im sprichwörtlichen Ei- tet. Neben der Infanterie führten auch an- derten und hatte beim Infanteriegewehr ter verwendet werden. Verloren war nur fer des Gefechts ihren Munitionsvorrat dere Waffengattungen Langwaffen: Im trotzdem den glatten Lauf beibehalten. die billige Papierumhüllung. viel zu schnell verbrauchen würden. Lauf der Jahre wurden für Jäger und leich- Das lag an der schwierigen Ladeweise des Kleinere Projektile senkten nicht nur das Der größte Vorzug der Waffe war aller- te Kavallerie besondere Varianten auf der gezogenen Vorderladers. Der Vorzug ge- Munitionsgewicht, sondern flogen auch dings, dass sie sich nicht nur im Stehen, Grundlage des Zündnadelsystems entwi- zogener Läufe besteht darin, dass sie das schneller. Bezogen auf die gleiche Schuss- sondern ebenso im Knien und sogar im ckelt, die an die speziellen Bedürfnisse Geschoss beim Laufdurchgang in eine ra- distanz ergab das eine flachere Flugbahn Liegen laden ließ. Eine mit Zündnadelge- und Wünsche dieser Truppen angepasst sche Rotation versetzen, die sie auf ihrer als bei langsameren Geschossen. Das er- wehren bewaffnete Truppe bot also viel waren. Flugbahn stabil hält. Dazu mussten sie höhte die Treffwahrscheinlichkeit. Seit kleinere Ziele als herkömmliche Infanterie Das Zündnadelgewehr besaß bereits einen beim Vorderlader aber erst in den Lauf hi- 1850 konzertrierte sich die Aufmerksam- mit Vorderladern, und sie konnte Deckun- gezogenen Lauf. Das war 1841 noch nicht neingezwängt werden, was Kraft und Zeit keit der Fachwelt ganz darauf, die optima- gen ausnutzen, die für zwangsläufig ste- selbstverständlich. Mit 15,43 mm war das erforderte. Seit etwa 1850 entwickelte man le Rohrweite festzulegen, das beste Zug- hende Vorderladerschützen nutzlos wa- Kaliber des Zündnadelgewehrs ziemlich verschiedene Verfahren, ein Geschoss zu profil und die dazu passende optimale ren. Eine preußische Denkschrift aus dem groß. Um das Munitionsgewicht zu ver- laden, das erst im Lauf den Durchmesser Geschossform zu ermitteln. Jahr 1847 fasste die Argumente zusam- mindern, gab man den Bleigeschossen ei- einnahm, der nötig war, um sich in die Österreich führte 1854 ein Gewehr mit ei- men: nen geringeren Durchmesser – 13,6 mm – Züge zu pressen. Dazu nutzte man die nem Kaliber von 13,9 mm ein. Im damals „Der junge, unerfahrene Soldat kann hier- und glich die Differenz durch einen Papp- Verformbarkeit des relativ weichen Ge- üblichen Maß waren das 0,53 rheinische durch, namentlich wenn er als Tirailleur [= becher aus, in dem das Geschoss saß. Die- schossmaterials aus: Blei. Solche Geschos- Zoll. Eine weitere Verkleinerung wollte Schütze im Gefecht in „geöffneter Ordnung“, ser „Treibspiegel“ übertrug den Drall auf se besaßen nicht mehr die klassische Ku- man noch nicht vornehmen, weil man be- Anm. d. Verf.] sich selbst überlassen ist, leicht das eigentliche Projektil. Nach dem Ver- gelgestalt, sondern waren länglich, mit füchtete, dass schwächere Läufe zu sehr zu einer gefährlichen Munitionsverschwen- lassen des Laufes löste er sich durch den bogenförmig zulaufender Spitze. Die Ös- der Gefahr des Verbiegens ausgesetzt sei- dung verleitet werden. Dagegen ist nicht zu Luftwiderstand vom Geschoss, das alleine terreicher entwickelten ein „Kompressi- en. Nur die Schweizer wagten Läufe, die verkennen, dass das Dreysesche Gewehr mit weiterflog. onsgeschoss“. Es besaß tiefe, umlaufende mit 10,5 mm noch enger waren. Die letzte dieser Eigentümlichkeit in den Händen kriegs- Der Vorteile des neuen Gewehrs war man Rillen von keilförmigem Querschnitt. Un- Generation der Vorderlader mit kleinkali- gewohnter, gewiegter Soldaten, die der Führer sich in Preußen trotz aller Bedenken so ter dem Stoß der Pulvergase presste sich brigen, gezogenen Läufen besaßen eine völlig in der Gewalt hat, bei dem entscheiden- sehr bewusst, dass man die Waffe geheim das Geschoss zusammen. Dabei verkürzte wesentlich größere Treffgenauigkeit als den Feuergefecht der Infanteriemassen den hielt. Ihre Ausgabe an die Truppe begann es sich, vergrößerte aber seinen Durch- das Zündnadelgewehr. Sie wurden des- Ausschlag zu geben geeignet ist, [...] da es den erst 1848, und in diesem turbulenten Jahr messer und füllte so die Züge aus. Eine halb auch ganz richtig als „Präzisionswaf- Gegner physisch und moralisch niederwerfen verschwanden auch mehrere Exemplare ähnliche Wirkung erzielte man mit ausge- fen“ bezeichnet. muss, wenn er bereits die zweite Salve erhält, in dunklen Kanälen. Das Geheimnis war höhlten Geschossböden. Dort drangen die 1856 beschlossen die Staaten des VIII. während er noch mit dem Wiederladen seiner damit für immer verloren. Trotzdem blie- Pulvergase ein und weiteten das Geschoss Bundes-Armeekorps (Württemberg, Ba- Gewehre beschäftigt ist ... Gewehre dieser Kon- ben die übrigen Staaten des Deutschen auf. Nach dieser Verbreiterung füllte es den, Hessen-Darmstadt, Hessen-Hom- struktion lassen sich im Liegen fast ebenso Bundes und des übrigen Europa noch das Zugprofil des Laufs. burg, Frankfurt am Main), ihre Truppen leicht als im Stehen laden, und wenngleich die mehr als 15 Jahre skeptisch, was den Hin- Langgeschosse waren bei gleichem Durch- mit Gewehren im österreichischen Kaliber Möglichkeit, ein rasches Feuer abzugeben, für terlader anging. Preußen hatte mit dem messer schwerer als Kugeln, wodurch sich auszurüsten. Das war ein wichtiger Schritt den Tirailleur weniger wichtig ist, so gewährt Rückladungsgewehr also einen Sonder- die Zahl der Patronen verminderte, die zur Angleichung der Kaliber im Deut- doch die erwähnte Eigentümlichkeit des Drey- weg beschritten, auf dem ihm für viele man dem Infanteristen aufladen konnte. schen Bund. seschen Gewehrs dem Schützen den Vorteil, Jahre keine andere Armee folgte, obwohl Die damals eingeführten Gewehre hatten In Bayern hatte man das Zündnadelge- sich auch in ebenem und offenem Terrain sie alle in den 1850er Jahren ihre Infanterie meist Rohrweiten von 17 bis 18 mm. Mit wehr sorgfältig geprüft. 1849 war ein sol- 50 | Dieter Storz: Die Bewaffnung Dieter Storz: Die Bewaffnung | 51 ches Gewehr vorübergehend in bayerische Streubel erwartete, dass sich das 13,9-mm- ten Schützen, und der Hinterladungswaffe mit net wurde, die bereits gezogene Läufe Hand geraten, wurde zerlegt, vermessen Kaliber weiter durchsetzen und zum eigent- Einheits-Patronen des kleinsten Kalibers.“7 hatten, stieg deren wirksame Reichweite und in der Gewehrfabrik Amberg nachge- lichen deutschen „Nationalkaliber“ wer- Hier wirkten bereits die Erfahrungen des so sehr an, dass die Kanoniere der Artil- baut. Die langwierigen Versuche führten den würde. Dass das Zündnadelgewehr Kriegs mit Dänemark. Für einen Wech- lerie in den wirksamen Schussbereich der aus Sicht der Experten zu einem negativen außerhalb Preußens nur wenige Anhänger sel der Bewaffnung war es jetzt aber zu feindlichen Infanterie gerieten. Sie verlo- Resultat. Philipp von Podewils, Vorstand gefunden hatte (Mecklenburg, Oldenburg, spät, zumal die erst vor wenigen Jahren ren damit den Reichweitenvorteil, auf dem der staatlichen Gewehrfabrik in Amberg, Lippe-Detmold, Lübeck), begründete er beschafften Vorderlader eine erhebliche ihre Leistung im Gefecht ganz wesentlich gelangte 1855 zu dem Schluss, „daß der Er- auch mit den Vorzügen des genau schie- Investition darstellten und es schwierig beruht hatte. Um buchstäblich den alten finder dieser Konstruktion die Anforderungen ßenden Vorderladers. Das Zündnadelge- gewesen wäre, die Landtage davon zu Abstand wiederherzustellen, musste auch nicht gekannt hat, welche an ein Militärge- wehr, davon war Streubel überzeugt, wer- überzeugen, schon wieder viele Millionen die Artillerie den Übergang zu gezogenen wehr gestellt werden müssen“.3 Eines dieser de „niemals eine eigentlich deutsche Waffe für neue Gewehre auszugeben. Rohren vollziehen. Im Deutschen Bund bayerischen Versuchszündnadelgewehre werden. Das Gewehr selbst und seine Muni- geschah das ab 1860. können wir in unserer Ausstellung zeigen. tion sind ziemlich schwer; beides ist zugleich Artillerie – das Ende der glatten Die alten Glattrohre hatten aber noch vie- Podewils konzentrierte sich auf die Opti- difficiler und künstlicher, als die Natur des Rohre le Anhänger und hielten sich daher in der mierung des Vorderladers. 1858 führte Krieges wünschenswerth erscheinen lässt. Sei- Bewaffnung: Der Ladevorgang war einfa- Bayern das von ihm konstruierte Modell ne Leistungen sind zum Theil geringer wie die Handfeuerwaffen und Geschütze wur- cher und rascher, und der Kartätschschuss ein, mit dem in wenigen Jahren die ganze der süddeutschen Gewehre. Etwas bequemeres den seit Jahrhunderten von der Mün- aus ihnen war effektiver als der aus gezo- Armee neu bewaffnet wurde. Seine Beson- Laden und Schnellfeuer stehen bei einem Mi- dung geladen. Das Innenprofil der Rohre genen Rohren, bei denen zudem die Ge- derheit bestand darin, daß der Zündstrahl litärgewehr nicht in erster Linie, sobald (wie war glatt. Um die eisernen Kugeln und fahr bestand, dass die harten Eisenkugeln die Pulverladung nicht von der Seite traf, beim Zündnadelgewehr) mit diesen guten Granaten rasch laden zu können, war ihr das empfindliche Laufprofil beschädigten. sondern einem rechtwinklig gebogenen Eigenschaften die dringende Versuchung der Durchmesser etwas geringer als der des Unter dem Pseudonym „Arkolay“ führte Zündkanal folgen musste, so dass er die Munitionsverschleuderung und die Wahr- Rohres. Dieser Unterschied („Spielraum“) Streubel einen scharfen publizistischen Treibladung von hinten erreichte. Sie scheinlichkeit eines öfteren Verschießens der hatte nachteilige Folgen für die Präzision Kampf gegen gezogene Geschütze. Selbst brannte dadurch nicht wie bei allen ande- Truppen vor dem Feinde genau correspondi- und begrenzte die Reichweite im Kugel- General Karl Friedrich von Hahn, von ren Vorderladern von der Seite her ab, ren.“5 schuss auf wenig über 1.000 Meter. Die 1854 bis 1864 Generalinspekteur der preu- sondern zentral. Das kam der Präzision Hier täuschte sich Streubel. Die Waage „wirksame“ Reichweite, bei der auf eine ßischen Artillerie, lehnte solche Geschütze zugute. Weiterhin schuf Podewils ein Ge- neigte sich nämlich mehr und mehr zu größere Trefferzahl gerechnet werden ab. Sie wurden gegen seinen Widerstand schoss, dass exakt auf dieses Gewehr ab- Gunsten des Hinterladers. Zwar führte konnte, war aber noch weit geringer. Ku- in der preußischen Armee eingeführt. gestimmt war. Bei internationalen Ver- Nassau noch den süddeutschen Vorder- geln schoss man „auf den Punkt“ oder als Hahn untersagte, dass bei seinem Be- gleichsschießen wurde die bayerische lader ein, aber die thüringischen Staaten „Rollschuss“, bei dem die Kugel vor dem gräbnis Salut aus gezogenen Geschützen Waffe nur noch von dem Schweizer und Hessen-Kassel optierten bereits für Ziel aufprallte und dann in mehreren fla- geschossen werde. Er verstarb 1865, und 10,5-mm-Gewehr übertroffen. das Zündnadelgewehr. Auch in der Fach- chen Sprüngen ihren Weg fortsetzte. Bis sein Wunsch wurde respektiert. Bei die- Seither war ganz Süddeutschland mit Ge- welt hatte sich der Wind gedreht und die zur Grenze ihrer „Auslaufweite“ konnte ser Gelegenheit schossen die glattläufigen wehren eines Kalibers bewaffnet. Auch Erwartung setzte sich durch, dass die Zu- man noch auf Wirkung rechnen, aber die- Haubitzen der preußischen Artillerie ein Sachsen, das sich politisch ohnehin an Ös- kunft dem Hinterlader gehöre. Wilhelm se Schussart war nur bei hartem, ebenem letztes Mal. Kurz danach wurden sie aus- terreich orientierte, führte 1861 solche Ge- von Ploennies, der bekannteste deutsche Boden anwendbar. Die zweite Munitions- gemustert. wehre ein. Fachautor, hatte in einer Schrift aus dem sorte der Artillerie hatte eine noch gerin- Eine Erfindung des französischen Kai- Johann Woldemar Streubel, ein bekannter Jahr 1861 das Zündnadelgewehr eher der gere Reichweite: die Kartätsche. Das wa- sers Napoleon III. aus dem Jahr 1853 gab Militärschriftsteller und ehemaliger säch- Vollständigkeit halber aufgeführt und ren Blechbüchsen, die mit Eisenkugeln ge- dem glatten Vorderlader ein letztes Leben: sischer Offizier, bilanzierte 1862 die Infan- sich ganz auf den gezogenen Vorderlader füllt waren. Damit wurde die Kanone zu die „Granatkanone“. 1859 führte Bayern teriebewaffnung im Deutschen Bund und konzentriert.6 Drei Jahre später las man es einem großen Schrotgewehr. Der Einsatz solche Geschütze unter der Bezeichnung stellte mit Befriedigung das Vorwiegen bei ihm anders: „Das rasche Setzen, Knieen, dieser Geschossart war aber allenfalls bis „leichter Feld-Zwölfpfünder“ ein. Sie hat- des österreichischen Vorderladers fest:4 Niederlegen und Wiederaufstehen des Infante- zu Entfernungen von 500 Meter möglich, ten die Rohrweite des alten Feld-Zwölf- süddeutsches Kaliber 357.200 Mann risten, das schnelle Laden und ungefähr richti- wirklich erfolgversprechend nur auf noch pfünders, waren aber des kürzeren und Zündnadelgewehre 211.200 Mann ge Zielen in jeder Stellung und Lage, wird für geringeren Distanzen. schwächeren Rohres wegen leichter und verschiedene Kaliber 71.600 Mann eine aggressive Feuertaktik erfordert; die Zu- Als nun die Infanterie im Lauf der 1850er passten auf die Lafetten der Sechspfünder, kunft gehört schon deshalb dem leicht gerüste- Jahre durchgehend mit Gewehren bewaff- die aus der Armee ausschieden. Sie sollten 52 | Dieter Storz: Die Bewaffnung Dieter Storz: Die Bewaffnung | 53 keine massiven Eisenkugeln verschießen, an ihrer Seite Führungsleisten oder War- Gespanne umfassten normalerweise sechs die eisernen Rundkugeln der früheren sondern Granaten, also mit Pulver gefüllte zen, die in die Züge passten, das Projektil Pferde, und mehr als als eine Last von 350 Sechspfünder (500 m/s), Folge ihres größe- Hohlkugeln, die ein geringeres Gewicht zentrierten und den Drall aufnahmen. kg konnte ein Pferd nicht dauerhaft zie- ren Gewichts und der Reibung beim Ein- hatten. Beim Hinterlader wurden die harten Ei- hen. Diese Gewichtsgrenzen mussten die pressen des Bleimantels im Rohr. Höhere 88 von den 136 Geschützen, mit denen sengranaten mit einem relativ weichen Konstrukteure von Feldgeschützen res- Geschwindigkeiten hätten stärkere Pul- die bayerische Armee ins Feld zog, wa- Bleimantel umgossen, der sich beim Rohr- pektieren. verladungen verlangt, diese wiederum er- ren leichte Feld-Zwölfpfünder. Auch die durchgang fest in das Laufprofil presste Dem schwedischen Industriellen Wahren- heblich widerstandsfähigere, also schwe- preußische Mainarmee verwendete diesen und den Treibladungsgasen den Weg am dorff gelang die Herstellung eines praxist- rere Rohre. Solche indes wären im Sech- Geschütztyp (55 von 97). Die Erfahrungen Geschoss vorbei versperrte, bis dieses das auglichen Verschlusses: Er bestand aus ei- serzug nicht mehr beweglich genug gewe- des Jahres 1866 in Süddeutschland und Rohr verlassen hatte. Das Problem war nem Kolben, der axial in das Rohr geführt sen. Böhmen zeigten, dass sich glatte Geschüt- hier der gasdichte Abschluss nach hinten: und von einem Querkolben gesichert wur- Aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit ze auf dem modernen Schlachtfeld nicht Es gab noch keine Metallhülsen für die de. Eine Scheibe aus zäher Pappe („Press- war die Flugbahn der Projektile relativ mehr behaupten konnten. Unmittelbar Treibladung, die als Dichtungsmittel hät- spanboden“), der an jedem Kartuschbeu- stark gekrümmt, der Einfallswinkel im nach Kriegsende wurden sie durch gezo- ten dienen können. Die Pulverladung war tel (= Treibladungsbeutel) befestigt war, Ziel also ziemlich steil. Um zu treffen, gene Hinterlader ersetzt. in Stoffbeuteln aus Seide oder Wolle abge- verbesserte die Abdichtung. Im Jahr 1859 musste man die Entfernung zum Ziel ge- packt. Deshalb mussten die Verschlusstei- bestellte Preußen 300 solcher Rohre bei nau kennen. Ihre Ermittlung erfolgte Gezogene Rohre und Gussstahl le und deren Lager im Rohr äußerst exakt Krupp in Essen. Sie ersetzten die alten durch Schätzung, sodann durch Heran- gearbeitet sein, damit ein fugendichter glatten Sechspfünder und hatten wie diese schießen an das Ziel, also durch Beobach- Die Antwort der Artillerie auf das gezoge- Abschluss gewährleistet war. Das Öffnen ein Kaliber von 9 cm. Allerdings verschos- tung der Einschläge, bis sie „im Ziel“ la- ne Gewehr der Infanterie war das Feldge- und Schließen des Verschlusses sowie das sen sie keine eisernen Vollkugeln mehr, gen. Wegen der geringen Streuung waren schütz mit gezogenem Rohr. 1860 fasste Einbringen der Munition – Geschoss und sondern stumpfzylindrische, pulverge- solche Schüsse reproduzierbar, wenn man die Militärkommission des Deutschen Pulverladung getrennt – verlangte große füllte Granaten mit gebogener Spitze, die die richtige Visiereinstellung gefunden Bundes einen entsprechenden Beschluss: Sorgfalt. Im Unterschied zur Handfeuer- mit Bleimantel und Aufschlagzünder hatte. Allerdings war nach jedem Schuss Zunächst sollte ein Viertel der Geschütze waffe schossen bei Geschützen die Hinter- 6,9 kg wogen (davon 250 g Sprengladung). ein Neueinrichten erforderlich, da die Ge- eines Armeekorps gezogene Rohre haben. lader langsamer als Vorderlader. Außerdem gab es Schrapnells, in Bayern schütze durch den Rückstoß zurückspran- Man nahm an, dass dies nur der Anfang Vom Essener Fabrikant Alfred Krupp kam als „Granatkartätschen“ bezeichnet. Das gen und dadurch aus der Richtung gerie- einer weiter voranschreitenden Umbe- eine weitere Innovation: Er experimentier- waren Geschosse, die neben einer vermin- ten. Um das Potenzial dieser Präzisonsge- waffnung sei. te seit den 1850er Jahren mit einem neuen derten Pulverladung mit Bleikugeln ge- schütze, wie man sie damals nannte, prak- Wie bei Infanteriegewehren gab es auch Rohrmaterial: Statt der seit Jahrhunderten füllt waren und mit einer Art von einstell- tisch ausnützen zu können, erhielten sie bei der Artillerie gezogene Rohre als Vor- für Feldgeschütze verwendeten Bronze barem Zeitzünder auf einem bestimmten wesentlich feiner einstellbare Richtmittel, der- und als Hinterlader. Erstere entstan- verwendete er Gussstahl. Das war ein Punkt ihrer Flugbahn über dem Ziel zur und natürlich mussten die Kanoniere weit den durch einfachen Umguss alter Glatt- hochmoderner Werkstoff, den man in Es- Explosion gebracht werden sollten (Ge- sorgfältiger ausgebildet werden als bisher. rohre oder durch das Einschneiden von sen in immer größeren, homogenen Guss- wicht 7,33 kg). Die Zünder besaßen aller- Man rechnete mit maximalen Schussdis- Zügen in solche Rohre. Das war eine preis- stücken anzufertigen verstand. Gussstahl dings noch nicht die Genauigkeit, welche tanzen von ca. 1.800 Metern, doch wurde werte, rasch zu verwirklichende Lösung, war sehr viel teurer als Bronze, die als dieses System verlangte, so dass diese Mu- in den Einigungskriegen mit solchen Ge- die man in Frankreich und Österreich Rohstoff im existierenden Geschützmate- nitionsart die Erwartungen nicht erfüllte, schützen auch auf Entfernungen von bis wählte. Die Bedienung solcher Geschütze rial bereits vorhanden war. Allerdings war die sich mit ihr verbanden. Trotz der er- zu 2.500 Metern und mehr gefeuert. Das unterschied sich nicht sehr von der bishe- Gussstahl wesentlich widerstandsfähiger: heblich gestiegenen Geschossgewichte war bereits die Grenze der Sehfähigkeit rigen. Wie alle Vorderladerkanonen schos- Bei gleichem Gewicht vertrugen die Rohre wurden die Geschütze weiterhin als des menschlichen Auges. Gezielt wurde sen allerdings auch die gezogenen mit stärkere Ladungen, und bei gleichbleiben- „Sechspfünder“ bezeichnet, denn ihre wie bei Handfeuerwaffen über Kimme „Spielraum“: Des schnellen und sicheren der Leistung war es möglich, die Geschüt- Rohrweite entsprach in etwa dem Durch- und Korn. Optische Richtmittel kamen Ladens wegen musste der Geschossdurch- ze leichter zu bauen, was der Beweglich- messer einer sechspfündigen Eisenkugel. erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhun- messer etwas kleiner als der Rohrdurch- keit zugute kam. In einer Zeit, in der Ge- Ab 1871, nach der Einführung des metri- derts auf. messer sein. Ein Teil der Pulvergase strich schütze von Pferden gezogen wurden, gab schen Systems, nannte man sie „9 cm Preußen versuchte damals, den gezoge- dann nutzlos am Geschoss vorbei, und es für Artilleriematerial absolute, nicht Stahlkanone“. Ihre Granaten verließen das nen Sechspfünder von Krupp in möglichst auch die Präzision litt darunter. Die Gra- überschreitbare Gewichtsgrenzen: Rohr mit einer Geschwindigkeit von vielen deutschen Staaten zur Einführung naten der gezogenen Vorderlader hatten 323 m/s. Damit waren sie langsamer als zu bringen, wobei es die Beschaffung beim 54 | Dieter Storz: Die Bewaffnung eigenen Kriegsministerium zu monopoli- Literatur sieren strebte. Das lief neben der erwün- Hermann von Müller, Die Entwickelung der Feld- schten Standardisierung der Bewaffnung artillerie von 1815 bis 1870, Berlin 1893. im Deutschen Bund auch auf eine Erhö- Curt Jany, Die Königlich Preußische Armee und hung der preußischen Einflusses auf Kos- das Deutsche Reichsheer 1807 bis 1914, Berlin ten Österreichs hinaus, dessen gezogener 1933 = Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. 4. Vorderlader aufgrund seiner geringeren Hans-Dieter Götz, Militärgewehre und Pistolen Leistungsfähigkeit in Deutschland kaum der deutschen Staaten 1800-1870, Stuttgart 1978. Anhänger fand. Hannover, Sachsen, Würt- Rolf Wirtgen (Bearb.), Das Zündnadelgewehr. temberg und Baden führten das preußi- Eine militärische Revolution im 19. Jahrhundert, sche System ein. Auch Bayern gab ihm den Herford, Bonn 1991. Vorzug. 48 solcher Rohre wurden be- Hans Reckendorf, Die bayerischen Handfeuer- schafft und in Berlin von einem bayeri- waffen 1800-1875, Dortmund 1998. schen Offizier abgenommen. Außerdem Dieter Storz, Modernes Infanteriegewehr und tak- bezog Bayern auf diesem Weg 30.324 Gra- tische Reform in Deutschland in der Mitte des 19. naten und 15.162 Granatkartätschen Jahrhunderts, in: Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860 bis 1890. Armeen, Marinen (Schrapnells), dazu 47.760 Zünder und und der Wandel von Politik, Gesellschaft und 50.274 Pressspanböden. Die Rohre wur- Wirtschaft in Europa, den USA sowie Japan, im den in bereits existierende bayerische Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungs- amtes und der Otto-von-Bismarck-Stiftung her- Feldlafetten des Systems 1836 eingelegt. ausgegeben von Michael Epkenhans und Gerhard Aus diesem Material wurden sechs Batte- P. Groß, München 2003 = Beiträge zur Militärge- schichte Band 60, S. 209-230. rien formiert, die 1866 auch zum Einsatz kamen. Der Deutsche Krieg des Jahres 1866 fiel in eine Zeit rapiden Wandels der Waffen- 1 Jany, S. 200. technik. Der praktische Wert der neuen 2 Jany, S. 199 f. Produkte wurde in der Fachwelt kontro- 3 Zit. nach Reckendorf, S. 191. 4 Woldemar Streubel, Die Kalibereinheit im vers diskutiert. Nicht Argumente, sondern Bundesheer, in: Deutsche Vierteljahrs-Schrift, der Verlauf des Feldzugs entschied den 1862, Heft 1, S. 173-193, S. 174. 5 Ebd., S. 181 f. Streit. Buchstäblich wenige Monate nach 6 Wilhelm von Ploennies, Neue Studien dem Kriegsende begann bei der Infante- über die gezogene Feuerwaffe der Infanterie, riebewaffnung die allgemeine Umrüstung Darmstadt 1861. 7 Ders., Neue Studien über die gezogene von Vorder- zu Hinterladern. Hatte man Feuerwaffe der Infanterie, 2. Band, Darmstadt die Feuergeschwindigkeit bisher vor al- 1864, S. VII. lem unter dem Gesichtspunkt des übereil- ten Munitionsverbrauchs beurteilt, zählte man jetzt sorgfältig, ob ein Gewehr etwa zur Abgabe von zwölf statt nur von elf ge- zielten Schüssen in der Minute fähig sei. Ebenso schnell verschwanden die glatt- rohrigen Geschütze aus der Artillerie, die sich gegen die weittragenden gezogenen Kanonen durchweg als machtlos erwiesen hatten. 57

Dieter Storz Der Feldzug

Pläne

Der preußische Kriegsplan war das Werk benhandlung, weshalb dort nur ein relativ des Generals Helmuth von Moltke (1800- kleiner Teil der preußischen Armee auf- 1891), Chef des preußischen Generalstabs. geboten wurde. Auch im Westen ergriff Der war eine neuartige, nach wissenschaft- Moltke die Initiative. Er musste den Krieg lichen Standards arbeitende militärische dort offensiv führen, denn nur so konnte Planungs- und Führungsbehörde. Moltke er verhindern, dass die zahlenmäßig in verfügte über eine ganz ungewöhnliche ihrer Summe weit überlegenen, zunächst Klarheit des Denkens, analytische Schärfe, aber räumlich getrennten Gegner ihre Kreativität, Entschlusskraft und Willens- Streitkräfte zu gemeinsamem Handeln stärke. Er gilt zurecht als militärisches Ge- vereinigten. Strategisch ähnelte die Lage nie, war aber auch das Produkt einer spe- der preußischen Armee im Westen jener zifischen preußischen Militärkultur, die der österreichischen in Böhmen. Die Preu- aus dem Kriegswesen eine Wissenschaft ßen zogen aus dieser Lage allerdings die gemacht hatte. richtigen Konsequenzen, während der Der Hauptgegner war aus preußischer österreichische Oberbefehlshaber in Böh- Sicht natürlich die österreichische Armee, men, General Ludwig von Benedek, die deren Versammlung in Böhmen zu erwar- Vereinigung der getrennt in Böhmen ein- ten war. Hier konzentrierte Moltke etwa fallenden preußischen Heeresabteilungen 80 Prozent des preußischen Heeres, ein- zugelassen hatte. geteilt in drei Armeen, die konzentrisch Das Staatsgebiet Preußens war in eine in Böhmen einrücken und sich erst dort westliche Hälfte mit der Rheinprovinz vereinigen sollten. Die große Schlacht, und Westfalen einerseits und dem ostel- die in der Absicht Moltkes gelegen hatte, bischen Kernland andererseits geteilt. Da- fand am 3. Juli 1866 bei Königgrätz statt zwischen lagen die Bundesstaaten Hanno- und entschied den Krieg. Die Österrei- ver und Hessen-Kassel. Die erste Aufgabe cher mussten den Preußen nicht nur das der preußischen Armee war die Herstel- Schlachtfeld überlassen – das traditionelle lung einer kompakten Landverbindung Kriterium, das über Sieg und Niederlage als Basis für die Fortsetzung der Operatio- entscheidet –, sie erlitten dabei auch Ver- nen gegen Süddeutschland. Die schlagfer- luste, die mehr als vier Mal so hoch wa- tigen preußischen Truppen rückten von ren wie die des Siegers. Die offenkundige mehreren Seiten in diese Gebiete ein, ohne Erfolglosigkeit ihrer Kampftaktik machte Widerstand zu finden. Die Hessen-Kasse- alle Hoffnungen zunichte, dem Krieg noch ler Truppen standen noch auf Friedensfuß eine erfolgreiche Wendung geben zu kön- und zogen sich nach Süden zurück. Sie ge- nen. langten schließlich in die Festung Mainz Der Kampf gegen die kleineren Staaten und hatten auf den weiteren Gang der des Deutschen Bundes, darunter Bayern, Ereignisse keinen Einfluss. Die hannover- bildete aus preußischer Sicht nur eine Ne- sche Armee hatte außer der Verstärkung 58 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 59 ihrer Friedenskader noch nichts zur Vor- Mann haben, eine Eskadron 150 Reiter. gen vom März und April hatten die Stärke Studenten [!] auf Kriegsdauer zu Offizie- bereitung für den Krieg getan und musste Diese Zahlen wurden nicht durchweg er- des mobilen Heeres mit 59.000 Mann be- ren ernannt. ihr Heil daher auch in der Flucht bzw. im reicht. Zum Vergleich: Gegen Österreich rechnet. Tatsächlich waren es bei Beginn Den Oberbefehl über dieses Heer hatte Anschluss an die Truppen in Süddeutsch- bot Preußen 214 Bataillone Infanterie und der Operationen Mitte Juni nur ca. 45.000, Prinz Carl (1795-1875), Feldmarschall und land suchen. Dazu sammelten sie sich vor- Jäger, 190 Eskadronen und 798 Geschütze gegliedert in vier Infanteriedivisionen, das jüngerer Bruder König Ludwigs I. und so- erst im Raum Göttingen, also im Süden mit 278.600 Mann auf. Reserve-Kavalleriekorps und die Reserve- mit Großonkel König Ludwigs II. inne. des Königreichs Hannover, um dort ihre Artillerie. Während des Feldzugs beging er seinen Operationsbereitschaft herzustellen. Die Süddeutschen Jede Infanteriedivision setzte sich aus 12 71. Geburtstag. Carl wurde zugleich der Die preußische Armee in Westdeutsch- (oder 11) Infanteriebataillonen, einem Ka- Oberbefehl auf dem westdeutschen land war eigentlich nur ein starkes Armee- Die süddeutschen Bundesstaaten, dem vallerieregiment (zu 4 Eskadronen) und 2 Kriegsschauplatz übertragen. Zu seinem korps. Sie setzte sich aus drei Divisionen unmittelbaren Zugriff der Preußen noch Geschützbatterien (2 x 8 Geschütze) zu- Chef des Stabes wurde Generalleutnant zusammen, von denen nur eine bereits im entzogen, mussten ihre Streikräfte erst sammen. Es entsprach der damaligen Tak- Ludwig Freiherr von der Tann (1815-1881) Frieden bestand. Die anderen beiden wa- noch mobilisieren. Die bayerische Armee tik, die Masse der Kavallerie bzw. der Ar- ernannt, der diesen Posten nur wiederstre- ren Improvisationen, zusammengestellt bildete sich als VII. Bundes-Armeekorps, tillerie in besonderen Truppenkörpern zu bend annahm, denn ihm fehlte die fachli- aus Festungsbesatzungen und den Besat- während die südwestlichen Staaten (Würt- konzentrieren. Das Reserve-Kavallerie- che Ausbildung zur Leitung komplexer zungstruppen der Elbherzogtümer. Bei je- temberg, Baden, Großherzogtum Hessen, korps umfasste 28 Eskadronen und 2 Bat- militärischer Operationen. Er hatte als Be- der anderen Armee hätten solche Neubil- Nassau), verstärkt durch österreichische terien, die Reserve-Artillerie 8 Batterien. obachter am Krieg von 1864 teilgenom- dungen nur wenig Kampfwert besessen. Truppen, die zur Besatzung der Bundes- Das „Reserve-Kavalleriekorps“ war ein men und war von der Überlegenheit der Die schon im Frieden intensiv geschulte festungen gehört hatten, das VIII. Korps selbständig operationsfähiger, rasch be- preußischen Armee ebenso überzeugt wie und hochdisziplinierte preußische Armee formierten. Von einer Gleichmäßigkeit der weglicher Großverband, der allerdings Carl von den Mängeln des bayerischen konnte ein solches Risiko eingehen. Ihre Mobilmachung und einer vertrauensvol- nur geringe Kampfkraft besaß, da er keine Militärwesens. Beide gingen mit wenig Divisionen auf dem westlichen Kriegs- len Koordinierung der operativen Absich- Infanterie enthielt. Die „Reserve-Artille- Zuversicht in den Krieg. Dass das Ober- schauplatz wurden im Unterschied zu ten konnte keine Rede sein. rie“ diente zur Verstärkung der Artillerie kommando des bayerischen Korps zu- allen anderen nicht mit Nummern be- Die Mobilmachung ist der Prozess, in dem dort, wo es sich taktisch als notwendig er- gleich das Oberkommando der „Westar- zeichnet, sondern mit den Namen ihrer die Truppen vom Friedensstand auf den weisen sollte. Der selbständige Einsatz ei- mee“ des Bundes bildete, also auch das Kommandeure. Die Division des Generals Kriegsfuß gestzt und dabei buchstäblich ner solchen Geschützmasse war nicht vor- VIII. Armeekorps führen sollte, erwies August von Goeben (1816-1880) hatte be- „mobil“, also beweglich werden. Neben gesehen und auch nicht möglich. sich als verfehlt. Es wäre besser gewesen, reits im Frieden als 13. Division bestan- der Einziehung von Reservemannschaften Insgesamt umfasste das bayerische Feld- ein eigenes, über den Korps stehendes Ar- den. Sie setzte sich vor allem aus Westfa- zur Komplettierung der Truppen und der heer 46 Bataillone (davon 8 Jägerbataillo- mee-Oberkommando zu bilden. len zusammen, erhielt aber auch ein Infan- Aufstellung zusätzlicher Verbände und ne), 45 Eskadronen und 136 Geschütze Am 17. Juni war die Mobilmachung der terieregiment aus Posen (Nr. 19), das bis Einrichtungen, die im Frieden nicht be- (davon 48 gezogene). Ein gewöhnliches bayerischen Armee notdürftig beendet, zum Kriegsausbruch zur Besatzung der standen – z.B. Lazarette und Versorgungs- Infanteriebataillon sollte 936 Mann stark und sie konnte nun mit dem Aufmarsch Bundesfestung Luxemburg gehört hat- einheiten – war die Pferdebeschaffung sein, ein Jägerbataillon 701 Mann, eine Es- beginnen, also mit der Verlegung in die te. Die Division des Generals Edwin von eine der zentralen Maßnahmen jeder Mo- kadron ca. 150 Reiter. Diese Zahlen wur- Räume, aus denen die eigentlichen Opera- Manteuffel (1809-1885) hatte sich in den bilmachung. Je besser eine Mobilmachung den aber nicht erreicht. Zur vorgesehenen tionen beginnen sollten. Das VIII. Bundes- Elbherzogtümern formiert. General Gus- im Frieden vorbereitet war, desto rascher Stärke fehlten dem Heer noch ca. 14.500 Armeekorps stand mit seinen Vorberei- tav von Beyer (1812-1889) führte eine Di- und reibungsloser konnte sie vor sich ge- Mann. Der Ausbildungsstand war unbe- tungen allerdings noch weit zurück. Es vision, die sich im Raum Wetzlar gebildet hen. 1866 war das nur in Preußen der Fall. friedigend. 11.000 Mann waren Rekruten, verfügte erst über 15.000 Mann Württem- hatte. An der Spitze dieser Armee stand In Bayern dagegen gab es keine genauen die erst im April eingestellt worden wa- berger und Hessen. Insbesondere die Ba- General Eduard Vogel von Falckenstein Berechnungen des zusätzlichen Personal- ren, 16.000 Soldaten waren gediente, aber dener legten sich bei der Mobilmachung (1797-1885), im Frieden Kommandieren- bedarfs. Eine Kooperation von Zivil- und seit Jahren nicht mehr eingezogene Mann- eine Zurückhaltung auf, die auch ihrem der General des VII. (preußischen) Armee- Militärbehörden war nicht vorgesehen, schaften. Besonders schlecht sah es bei den Verhalten während des Feldzugs das Ge- korps in Münster. Seine Streitmacht zählte die Zusammenarbeit mit der Eisenbahn Führerstellen aus. Um die nötigen Offizie- präge gab. Erst am 15. Juli [!] waren alle 43 Bataillone Infanterie, 22 Eskadronen nicht vorbereitet, und es hatten im Frieden re zu gewinnen, wurden viele Unteroffi- Truppen des VIII. Korps vereinigt. Es be- Kavallerie und 97 Geschütze (davon 55 ge- keine Pferdemusterungen stattgefunden. ziere ad hoc zu Offizieren befördert, sogar stand aus 4 Divisionen: zogene) mit ca. 46.000 Mann. Ein preußi- All das musste in wenigen Wochen impro- Angehörige der „besseren Stände“ oder sches Infanteriebataillon sollte etwa 1.000 visiert werden. Die Kommissionsberatun- 60 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 61

1. (württembergische) Division deutschen Truppen zu einer gemeinsa- zusammentreffen. Als aber endlich be- zu haben, der er nicht isoliert gegenüber 2. (badische) Division men Operation gegen die Preußen. Auch stimmte Nachrichten über die Stellung der treten wollte. Er ordnete daher den Rück- 3. (hessische) Division wenn deren Armee qualitativ überlegen Hannoveraner bei Langensalza in Thürin- zug auf die Fränkische Saale an. Dort soll- 4. (österreichisch-nassauische) Division. war, konnten sich die Süddeutschen ange- gen einliefen, drehten die bayerischen te nun die Vereinigung mit dem VIII. Ar- Insgesamt sollte das Korps 46 ½ Bataillo- sichts ihrer erheblichen zahlenmäßigen Marschkolonnen wieder nach Thüringen meekorps stattfinden. ne, 134 Eskadronen und 134 Geschütze Überlegenheit Hoffnungen auf einen Er- ab, aber nun war es zu spät. Nach einem Das Kavalleriekorps musste den Raum (davon 94 gezogene) umfassen. Am 5. Juli folg machen. Österreich hatte natürlich ein kleinen, für sie erfolgreichen Gefecht am Fulda wieder verlassen. Auf dem Rück- zählte es 45.500 Mann. Seiner gemischten Interesse daran, das bayerische Heer auf 27. Juni mussten die Hannoveraner am 29. weg brach bei den schlecht geführten und Zusammensetzung wegen bezeichneten den böhmischen Kriegsschauplatz zu zie- Juni vor den weit überlegenen Preußen überanstrengten Truppen eine Massenpa- die Preußen das Korps spöttisch als hen, um dort der preußischen Haupt- kapitulieren. Prinz Carl griff nun die Ab- nik aus, bei der sich zwei Regimenter voll- „Reichsarmee“, in Erinnerung an die macht gegenüber so stark wie möglich sicht wieder auf, die beiden süddeutschen kommen auflösten. Einzelne Reiter ge- buntscheckigen Aufgebote des Heiligen auftreten zu können. In München wollte Korps zu vereinigen, aber anstatt sich un- langten auf ihrer Flucht bis an den etwa 60 Römischen Reiches, die im Siebenjährigen man aber das eigene Gebiet unmittelbar verzüglich in Bewegung zu setzen, ver- Kilometer entfernten Main! Dieser Tag, Krieg (1756-1763) ein leichter Gegner für vor einer feindlichen Invasion geschützt harrten beide noch für mehrere Tage in der 4. Juli 1866, gilt als der schwärzeste Preußen gewesen waren. Sein Oberbe- sehen, so dass die bayerische Armee nicht ihren Positionen. Dadurch gelang es den Tag in der Geschichte der bayerischen Ka- fehlshaber war Prinz Alexander von Hes- nach Böhmen marschierte, sondern in Preußen, sich zwischen die süddeutschen vallerie. Die Umstände dieser Katastrophe sen-Darmstadt (1823-1888), der in der ös- Nordbayern aufgestellt wurde. Von dort Streitkräfte zu schieben, was ihnen die sind nie völlig geklärt worden. terreichischen Armee den Rang eines aus sollte sie zusammen mit dem VIII. Möglichkeit bot, diese einzeln anzugrei- Das VIII. Armeekorps unterließ aber den Feldmarschall-Leutnants bekleidete und Korps gegen das westliche Preußen offen- fen. Damit begann die eigentliche Phase Marsch an die Saale. Auf die Nachricht den Krieg lieber dort zugebracht hätte. siv vorgehen. Der Rückstand bei der Mo- der Kämpfe in Süddeutschland, der hin, preußische Truppen näherten sich Alexander sah sich später dem berechtig- bilmachung des VIII. Korps verzögerte „Mainfeldzug“. So nannten sich jetzt auch auch vom Rhein her, blieb Alexander von ten Vorwurf ausgesetzt, den Befehlen aber den Aufbruch. die preußischen Divisionen: „Main-Ar- Hessen im Westen stehen. Wichtiger er- Carls nur widerstrebend oder gar nicht Die nächste Aufgabe war die Aufnahme mee“. schien ihm die Deckung der Mainlinie von Folge geleistet zu haben, war indes selbst der von den Preußen verfolgten Kontin- Für Prinz Carl war jetzt die Vereinigung Hanau bis Mainz. Er empfahl dem Prinzen in einer schwierigen Lage, da sein Korps gente Hessen-Kassels und Hannovers. Es mit dem VIII. Armeekorps vorrangig, das Carl, die Vereinigung zwischen Hanau sich aus verschiedenen Kontingenten zu- dauerte mehrere Tage, bis man im bayeri- sich endlich aus seinem Versammlungs- und zu bewirken, was die- sammensetzte, deren Gehorsam ebenfalls schen Hauptquartier Klarheit über die raum nördlich von Frankfurt am Main in ser aber nicht wollte, weil er damit den brüchig war. Und dann empfing er nicht Lage der Hannoveraner erhielt, die sich Bewegung gesetzt hatte. Die Korps sollten Preußen den Weg ins innere Bayern freige- nur Befehle des bayerischen Prinzen, son- nach Thüringen bewegten. Auch über die sich bei Fulda treffen, also etwa zwei Ta- geben hätte. Seine Befehle an den Prinzen dern auch Weisungen von der Bundesver- Bewegungen der Preußen wusste man we- gesmärsche weiter im Süden als Hersfeld. Alexander blieben wirkungslos, denn die sammlung in Frankfurt am Main sowie nig. Dieser Mangel an Nachrichten war Operativ bedeutete das, dass die bayeri- Regierungen in Stuttgart, Karlsruhe und den Regierungen der Länder, aus denen kein höheres Geschick, sondern hatte sei- sche Armee einen Flankenmarsch durch- Darmstadt sowie die Bundesversamm- sich sein Korps zusammensetzte, die vor ne Ursache in der mangelnden Gewandt- führen musste: Sie bewegte sich vor den lung in Frankfurt verlangten nach unmit- allem auf ihren Eigenschutz bedacht wa- heit der bayerischen Führung, die es nicht heranziehenden Preußen seitwärts. Dabei telbarem militärischem Schutz. Man ren. Stabschef Alexanders war der würt- verstand, eine wirkungsvolle Aufklärung kam es zu ersten Gefechten, die für die mochte ihn dort so wenig entbehren wie in tembergische Generalleutnant von Baur, zu organisieren. bayerische Seite unglücklich verliefen, Bayern. der den Bayern sehr reserviert gegenüber Es entwickelte sich eine gefährliche Lage, aber auch nicht mit Entschlossenheit Inzwischen war am 3. Juli in der Schlacht stand. denn das VIII. Armeekorps war buchstäb- durchgekämpft wurden. Das „Reserve- von Königgrätz die Entscheidung des Während die Truppen an der Herstellung lich noch weitab vom Schuss. Die bayeri- Kavalleriekorps“ unter dem Befehl des Krieges gefallen. Jetzt ging es nur noch da- ihrer Operationsfähigkeit arbeiteten, sche Heeresleitung schwankte zwischen Generals von Thurn und Taxis hatte als rum, für die absehbaren Friedensverhand- mussten ihre Führer einen Kriegsplan ent- dem Wunsch, die Hannoveraner aus der Vorhut Fulda bereits erreicht und war bis lungen eine möglichst günstige Ausgangs- wickeln. Da gab es mehrere Möglichkei- drohenden preußischen Umklammerung Hünfeld gelangt. lage zu schaffen. Prinz Carl war es wich- ten: Die schlechteste war die, dass jedes zu lösen und dem nach Vereinigung der Die Absicht, sich mit dem VIII. Armee- tig, das Ansehen der bayerischen Armee Kontingent sich auf den Schutz des eige- süddeutschen Korps. Dieser gewann vor- korps bei Fulda oder etwas südlich davon durch einen Waffenerfolg wiederherzu- nen Gebiets beschränken würde. Gerade übergehend die Oberhand und führte zu zu vereinigen, gaben die Bayern jetzt aber stellen, das durch den Zusammenbruch diese Versuchung war aber groß. Operativ einer Änderung der Marschrichtung nach auf. Carl befürchtete, die ganze preußi- der Kavallerie sehr gelitten hatte. Dazu erwünscht war die Vereinigung der süd- Westen. Bei Hersfeld sollten beide Korps sche Armee in seiner unmittelbaren Nähe wollte er zusammen mit dem VIII. Korps 62 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 63 offensiv gegen die Preußen vorgehen, mals das preußische Infanterie-Regiment Fassung wiedergewonnen hatten, nicht heilungen mit wahrem Heldenmuthe überle- doch Prinz Alexander verharrte im Raum Nr. 19 ins Gefecht. Der Ort wurde von den mehr. Die Bayern mussten weichen. Prinz genen feindlichen Streitkräften gegenüber ab; Frankfurt. Am 10. Juli stand das bayeri- Bayern nicht ernsthaft verteidigt. Nach der Carl brach den Kampf ab, als er erkennen sie hielten sich überall lange und führten ein sche VII. Korps zwischen Hammelburg Besetzung der umgebenden Höhen hielten musste, dass sich seine Hoffnungen auf langsames aber sicheres Feuergefecht. – Aber und Münnerstadt. Die Preußen waren den die Preußen die Schlacht für gewonnen. weitere Verstärkungen nicht erfüllten. Auf die Reserven kamen nicht und wenn sie nach Bayern in starken Märschen durch die Sie richteten sich zum Biwak ein und stell- bayerischer Seite waren 16.535 Infanteris- unzähligen Missverständnissen endlich doch Rhön gefolgt und tauchten, für die Bayern ten zur Sicherung Feldwachen aus. ten, 1.480 Kavalleristen sowie 64 Geschüt- kamen, war es bereits zu spät.“2 überraschend, bei Hammelburg und Kis- Entgegen den Erwartungen der preußi- ze am Gefecht beteiligt gewesen, auf preu- Bei Kissingen mussten bayerische Bataillo- singen an der Fränkischen Saale auf und schen Führung gab Prinz Carl die Schlacht ßischer Seite 14.990 Infanteristen, 1.280 ne wiederholt ausgewechselt werden, weil machten sich sofort an die Überquerung aber noch nicht verloren; er wollte un- Reiter und 43 Geschütze.1 Die Schlacht sie sich verschossen hatten. Auf preußi- dieses Flusses. bedingt die Saalelinie zurückgewinnen, kostete die Bayern 593 Tote und Verwun- scher Seite kam das nicht vor, obwohl das und dazu standen ihm frische Reserven dete sowie 516 Vermisste, letztere zumeist Zündnadelgewehr weit schneller schießen Das Gefecht bei Kissingen am zur Verfügung, die noch nicht gekämpft Gefangene, die in Kissingen abgeschnitten konnte als die bayerischen Vorderlader 10. Juli 1866 hatten: Die 1. Infanteriedivision war von wurden. Die Preußen beklagten 772 Tote und der Munitionsvorrat auf beiden Sei- Münnerstadt her im Anmarsch, die 4. und Verwundete sowie 58 Vermisste. Das ten gleich war: 60 Patronen pro Mann. Die Die Bayern hatten die Stadt zur Verteidi- schon seit Stunden herbeibefohlen. In der sind offizielle Angaben, die zumindest für preußische Infanterie war schon im Frie- gung eingerichtet. Artillerie – zwei leichte linken Flanke der Preußen erstreckte sich die bayerische Seite viel zu niedrig sind, den darin geschult worden, „jede Patro- Feld-12-Pfünder – blockierte die Haupt- der bewaldete Sinnberg. Auf der anderen wie der Beitrag von Walter Hamm in die- ne als ein Kleinod zu betrachten, welches brücke. Ein Geschütz dieses Typs ist in Seite hatten sie die 10. Kompanie des 19. sem Band zeigt. nicht umsonst wegzugeben ist.“3 der Ausstellung zu sehen. Sturmversuche Infanterie-Regiments als Feldwache auf- Die Bayern waren den Preußen in der ope- Entlang der Saale war es in Kissingen zu der preußischen Infanterie scheiterten im gestellt und glaubten sich daher vor Über- rativen Zone um Kissingen zahlenmäßig einem längeren stehenden Feuergefecht Kartätschfeuer dieser Kanonen. Südlich raschungen von dieser Seite sicher. Diese überlegen, doch gelang es der bayerischen gekommen, dessen Munitionsverbrauch von Kissingen, bei der heute nicht mehr Kompanie war aber aus eigener Initiative Führung nicht, diese Überzahl im Gefecht näher untersucht worden ist. Dort hat existierenden Lindesmühle, gelang aller- abgezogen und hatte sich an den Kämpfen zur Geltung zu bringen. Zu den großen, ein bayerischer Schütze durchschnittlich dings die Flussüberschreitung. Dort hat- in Nüdlingen beteiligt. nie ganz aufgeklärten Rätseln der Schlacht 70, ein preußischer 17 Patronen verfeu- ten die Verteidiger von einem Fußsteg nur Dort tauchten nun völlig überraschend gehört es, dass die 4. Infanterie-Division ert. Man hat ausgerechnet, dass ein Bayer den Belag entfernt, das Gerüst aber stehen sieben frische Bataillone der bayerischen unter dem Befehl des Generals Jakob von fast alle 2 ½ Minuten geschossen hat, ein gelassen. Die Preußen stellten die Auflage 1. Infanteriedivision auf und überwältig- Hartmann trotz wiederholter Aufforde- preußischer dagegen nur alle 10 bis 11 Mi- mit Behelfsmitteln wieder her, überquer- ten die schwachen preußischen Kräfte. Bei rung nicht auf dem Kampfplatz erschien, nuten! Die intensive, im Frieden erfolgte ten den Fluss und nahmen Kissingen von dieser Gelegenheit haben wohl jene drei von dem sie nur wenige Wegstunden Disziplinierung der preußischen Infante- Süden her ein: Die bayerischen Verteidiger Zündnadelgewehre M/41 der 10. Kompa- entfernt war. Während die preußischen rie erzeugte also einen markanten Vorteil am Saaleufer saßen in der Falle und gerie- nie des Infanterie-Regiments Nr. 19, die Führer die ihnen unterstellten Verbän- im Gefecht. Obwohl das bayerische Pode- ten in Gefangenschaft. heute noch im Bayerischen Armeemu- de geschlossen einsetzten und mit klaren wilsgewehr treffgenauer war als das preu- Nach dem Fall von Kissingen zogen sich seum aufbewahrt werden und in dieser Aufträgen ausstatteten, bildeten auf baye- ßische Zündnadelgewehr, erzielten die ru- die Bayern nördlich der Stadt von der Saa- Ausstellung gezeigt werden, den Besitzer rischer Seite die Zerreißung der Verbände hig schießenden preußischen Infanteristen le zurück. Die Preußen überschritten den gewechselt. Die Bayern umgingen die lin- und unklare Befehlsgebung die Regel. Der im Verhältnis mehr Treffer: Sie benötigten Fluss, machten aber keine Anstalten, dort ke Flanke der Preußen im Schutz des Sinn- österreichische Verbindungsoffizier, der durchschnittlich 150 Schuss, um einen weiter vorzudringen. berges. Dort entfalteten sich die Bataillo- sich beim Prinzen Carl aufhielt, sah die Gegner außer Gefecht zu setzen, während Östlich von Kissingen, damals auf freiem ne der 1. bayerischen Infanteriebrigade, Ursachen der bayerischen Niederlage in die Bayern dafür umgekehrt 715 Patronen Feld gelegen, befand sich der Friedhof der durchquerten den Wald und überschüt- der Unfähigkeit der Führung: aufwenden mussten. Stadt, der heutige Kapellenfriedhof. Er war teten die ruhende preußische Truppe mit „Der Feind, den man gar nicht recognoscirt In Kissingen und den umliegenden Dör- mit einer massiven Mauer umgeben und schwerem Feuer. Die Preußen konnten hatte, rückte rasch vor; er griff an, wo man ihn fern kam es zu wüsten Plünderungen. eignete sich somit gut als Verteidigungs- sich allerdings neu ordnen. Auf das Signal nicht vermuthete; er brachte mehr Kräfte ins Von den 400 Hühnern, 60 Gänsen und stützpunkt. Aber auch diesen Widerstand „das Ganze avancieren“ setzte sich ihre Gefecht, als man gedacht hatte. Kurz – eine etlichen Enten des Dorfes Winkels sollen überwand die preußische Infanterie. Infanterie unter Trommelschlag – „tam- Ueberraschung folgte der andern. Bei der ei- nur wenige den 10. Juli 1866 überlebt ha- Bei der Erstürmung des noch weiter im bour battant“ – nach vorne in Bewegung. genen Truppe dagegen ging es nicht recht vor- ben. Den Verlust ihres Federviehs konnten Osten gelegenen Dorfes Winkels trat erst- Aufhalten ließen sie sich, nachdem sie ihre wärts: in erster Linie nützten sich kleine Abt- die Bauern wohl verschmerzen. Schwerer 64 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 65 wog, dass das Biwak der Preußen auf ih- geraten. Es dauerte einige Tage, bis sie ihre den sind, zeigt die Waffenstreckung der Armeekorps im Westen. Um die Position rer Feldflur die Ernte des ganzen Jahres Handlungsfähigkeit zurückgewannen. Österreicher in Aschaffenburg. Am 16. Juli der Süddeutschen zu verbessern, schien vernichtet hatte. Die Stadt Kissingen be- rückten die Preußen in Frankfurt ein. Die es aber immer noch wünschenswert, ei- rechnete ihren Gesamtschaden auf 238.399 Die preußische Armee wendet sich Bundesversammlung hatte sich rechtzeitig nen Waffenerfolg zu erzielen. Am 16. Juli Gulden. Zur Linderung der Not erhielt sie nach Frankfurt nach Augsburg in Sicherheit gebracht. hatte Carl den preußischen Vorschlag ei- vom bayerischen Staat ein unverzinsliches Vogel von Falckenstein, der preußische ner achttägigen Waffenruhe abgelehnt, Darlehen [!] über 24.000 Gulden und 1872 Die Preußen wären damals in der Lage ge- Befehlshaber, konnte auf eine beeindru- weil er sich nur auf Bayern bezog und das eine abschließende Entschädigung von wesen, der bayerischen Armee den Todes- ckende Siegesstrecke zurückblicken und VIII. Armeekorps nicht einschloss. Darauf 30.000 Gulden.4 Den weitaus größten Teil stoß zu versetzen. Dazu kam es aber nicht, war daher wie vor den Kopf geschlagen, glaubte er, als Befehlshaber beider Korps ihrer Verluste mussten die Bürger der be- weil die höhere Führung intervenierte: Im als ihn in Frankfurt die Nachricht von und nicht nur des bayerischen, nicht ein- troffenen Gemeinden also aus eigener Ta- Hinblick auf die bevorstehenden Waffen- seiner Ablösung durch den General von gehen zu dürfen. sche ersetzen. stillstandsverhandlungen schien es dem Manteuffel erreichte. Im Hauptquartier Auch der neue Offensivplan der Süd- Viele Gräber und Grabkreuze erinnern Hauptquartier in Böhmen vorteilhafter, hatte man Falckenstein eigenmächtige deutschen zerschlug sich indes, denn die noch heute an die Kämpfe des Jahres möglichst viel Land zu besetzen. Schon am Abweichungen von seinen Instruktionen Preußen ergriffen mit gewohnter Energie 1866, manche davon auf dem Schlachtfeld 9. Juli hatte Moltke telegrafiert: im Feldzug gegen die Hannoveraner übel die Initiative, und ihre Gegner unterließen selbst: Angesichts der sommerlichen Hit- „Französische Vermittelung wahrscheinlich genommen. Moltke, der seinen Unterge- erneut – noch dazu im eigenen Land! – die ze, die am Schlachttag und später herrsch- nicht zu vermeiden. Daher faktische Okkupa- benen stets größte Selbständigkeit ließ, Aufklärung gegen den Feind, so dass sie te, mussten die Toten rasch unter die tion der Länder nördlich des Main für voraus- war nicht gesonnen, Abweichungen von wieder einmal überrascht wurden. Wäh- Erde gebracht werden. Auf dem Kissinger sichtliche Verhandlungen auf status quo jetzt klaren Befehlen durchgehen zu lassen. rend Carl die Preußen aus dem Spessart Friedhof befinden sich mehrere Massen- politisch wichtig.“5 erwartete, also aus eher nördlicher Rich- gräber, aber auch Einzelgräber, vor allem In dieser „Vermittelung“ sah man natür- Die Kämpfe in der Mainschleife tung, jedenfalls vom rechten Mainufer, von Offizieren. Gräber von Mannschafts- lich nicht den menschenfreundlichen Ver- kamen sie vom linken, durch den Oden- dienstgraden blieben in der Regel ano- such, dem Blutvergießen ein Ende zu ma- Es war ausgeschlossen, dass das VIII. Ar- wald, also von Westen. Dort sollte das nym: Erkennungsmarken gab es in deut- chen, sondern das Streben, die deutschen meekorps des Prinzen Alexander allein VIII. Korps die Tauberlinie sichern, die schen Streitkräften erst seit 1869. Dinge zum Nutzen Frankreichs zu regeln. gegen die Preußen bestehen konnte. Das aber am 23. und 24. Juli von der Mainar- Einige Kilometer saaleabwärts, bei Ham- Darin lag also eine Drohung. Verlangen des Oberkommandierenden, mee gewaltsam überschritten wurde. Bei melburg, war den Preußen ebenfalls die Die Mainarmee ließ daher von ihrem bay- des Prinzen Carl, nach Zusammenfüh- Tauberbischofsheim fügte das Schnellfeu- gewaltsame Überquerung des Flusses ge- erischen Gegner ab und wandte sich nach rung der beiden süddeutschen Korps lag er der Zündnadelgewehre den Württem- lungen. Dort kämpften allerdings kleinere Westen. Bei Laufach, östlich von Aschaf- nun auch in Alexanders unmittelbarem bergern schwere Verluste zu. Das Verlust- Abteilungen und die Verluste waren ent- fenburg, traf die preußische Division Goe- Interesse. Er führte seine Truppen noch verhältnis betrug annähernd 6 : 1 zu ihren sprechend geringer. ben, die schon bei Kissingen gefochten vor dem Einmarsch der Preußen in Frank- Ungunsten. Die erste echte Kraftprobe des Feldzugs in hatte, auf eine hessische Abteilung. Die furt nach Osten, sehr zum Missfallen der Diese Niederlage kam überraschend, weil Westdeutschland hatte mit einem beein- Hessen griffen in geschlossenen Mas- Regierungen, aus deren Landeskontin- die Süddeutschen artilleristisch weit über- druckenden Erfolg der preußischen Seite sen an und erlitten im Schnellfeuer der genten sich sein Korps zusammensetzte. legen waren. 40 Geschütze, darunter 36 geendet, deren Überlegenheit dabei deut- Zündnadelgewehre schwerste Verluste. Er wählte den Weg durch den Odenwald, moderne, gezogene Feldkanonen, hatten lich zutage getreten war. Beeindruckt war Das Verlustverhältnis betrug 1 : 9 [!] zum südlich des Mains. Die Bayern kamen ihm dem Sturmangriff der Württemberger mit nicht zuletzt Prinz Carl, der einer Fortset- Nachteil der Hessen. Am nächsten Tag etwas entgegen, indem sie sich westlich einem vermeintlich mörderischen Feuer zung des Kampfes mit berechtigtem Pessi- kam es bei Aschaffenburg, wo die Preußen von Würzburg aufstellten. Beide Prinzen vorgearbeitet, dessen Wirkung indessen mismus entgegen sah. Das VII. Korps zog den Mainübergang erzwingen wollten, zu beabsichtigten, nach dem erfolgten Zu- gering geblieben war. Damals begann eine sich zunächst nach Schweinfurt zurück einem weiteren Gefecht, diesmal in erster sammenschluss ihrer Korps mit vereinten Eskalation der artilleristischen Massen- und dann in den Raum östlich von Würz- Linie gegen österreichische Truppen, die Kräften gegen die Mainarmee offensiv zu wirkung, die im Ersten Weltkrieg monst- burg. Die Niederlagen an der Saale hatten dabei hohe Gefangenenverluste erlitten, werden. Man einigte sich darauf, den Stoß röse Höhen erreichen sollte. das Selbstvertrauen der bayerischen Trup- denn den Preußen war es gelungen, die nach Nordwesten, durch den Spessart zu Das Oberkommando, also die Führung pen und ihrer Führung schwer erschüttert. Mainbrücke unter Feuer zu nehmen, was führen. des bayerischen VII. Armeekorps, schenk- Zudem waren die Truppen durch die An- ihrem Gegner den Rückzug verwehrte. In Böhmen herrschte schon seit dem 22. te der gefährlichen Entwicklung beim strengungen der vorangegangenen Tage Eine der wenigen Fotografien, die wäh- Juli eine befristete Waffenruhe. Davon VIII. Armeekorps nicht die nötige Auf- körperlich erschöpft und durcheinander rend des Feldzug des Jahres 1866 entstan- wusste man auch bei den beiden Bundes- merksamkeit. Von einer Offensive der 66 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 67

„Westdeutschen Bundesarmee“, wie man führte. Der Grund für diese Passivität war blockieren oder jedenfalls nur an den we- Führung gelegen, sondern entstanden aus die vereinten, aber nicht wirklich koope- wohl die Verschwägerung des badischen nigen Übergangsstellen zulassen. Hinzu der Initiative der dort postierten Truppen. rierenden Korps jetzt nannte, konnte nun Herrscherhauses mit den Hohenzollern: kam, dass auch die „Trains“ der Bayern Nachdem die Preußen die Bayern von die- keine Rede mehr sein. Der Offensivplan Großherzog Friedrich war der Schwieger- noch diesseits des Mains standen. „Trains“ sen Höhen vertrieben hatten, ebbte das hatte insofern Folgen, als Carl bereits sohn des preußischen Königs. transportierten Munition und Verpfle- Gefecht ab. starke Kräfte seines Korps nach Norden Prinz Luitpold, der spätere Prinzregent, gung. Zu ihnen gehörten Lazarette und Inzwischen war aber die wichtigste Vo- in die Mainschleife bis nach Gemünden führte seit dem Tod des Generals von Zol- transportable Brücken, kurz alles, was raussetzung für Carls Plan entfallen: Die verschoben hatte, so dass sie westlich von ler bei Kissingen die 3. Infanterie-Division für die Operationsfähigkeit von Armeen Truppen Alexanders hatten sich auf das Würzburg, wo in den nächsten Tagen hart und beurteilte die Leistung seiner Trup- unentbehrlich war. Solange die Absicht rechte Mainufer nach Würzburg zurück- gekämpft wurde, fehlten bzw. zu spät pen an diesem Tag recht kritisch: zu offensivem Vorgehen bestand, -muss gezogen und damit die linke Flanke der kamen, um den Ausgang der Kämpfe zu- „Man sah, dass die Gewohnheit des strengen ten sie auch diesseits des Maintals sein, bayerischen Stellung preisgegeben. Alex- gunsten der Bayern zu beeinflussen. Wer Gehorsams fehlte, und man kann sich der damit die fechtenden Truppen rasch über ander, der seinerseits unter starkem Druck heute auf der Autobahn A 3 zwischen den Überzeugung nicht verschließen, dass der ech- sie verfügen konnten. Anders sah es aus, seiner Divisionskommandeure handelte, Ausfahrten und Würzburg- te militärische Geist und die Furcht vor der wenn es rückwärts ging. Vor dem Rück- auf deren Gehorsam kein Verlass war, be- Heidingsfeld oder der etwas nördlich ver- Handhabung des Gesetzes nur schwach vertre- zug der Kampftruppen hinter den Main gründete diesen Verstoß gegen einen ein- laufenden Bundesstraße 8 unterwegs ist, ten ist. mussten die Fuhrwerke abgeflossen sein. deutig erteilten Befehl neben der Erschöp- befährt den Raum, in dem damals mar- Eigentliche Furcht vor dem Feinde oder üblen Verstopfte Wege und Straßen, also das, fung seiner Truppen mit dem merkwürdi- schiert und gekämpft wurde. Willen hat der Unterzeichnete nicht beobach- was man heute als „Stau“ bezeichnet, be- gen Argument, der Feind sei vor ihm nicht Am 25. Juli zwangen die Preußen das VIII. tet; Zucht, Schule und intelligente Führung hinderten regelmäßig die Truppenbewe- erschienen. Armeekorps zum Rückzug nach Würz- sind es, welche fehlen.“6 gungen. Ihre Vermeidung oder Auflösung Damit blieb auch den Bayern nichts an- burg, während von Carl immer noch Be- An diesem Tag wurde auch Luitpolds gehörte zu den wichtigsten Aufgaben der deres übrig, als ein Gleiches zu tun. Ihre fehle einliefen, die längst verlorene Tau- Sohn Ludwig, der spätere König Ludwig militärischen Führung. letzte Stellung westlich des Mains blieb berlinie zu halten. Gleichzeig griffen sie III., von einer Gewehrkugel in den linken Der 25. Juli war aus der Sicht des baye- also unerprobt. Dass sich die Preußen in das nördlich davon stehende VII. Korps Oberschenkel getroffen. Das Geschoss rischen Oberkommandos enttäuschend der zweiten Tageshälfte passiv verhielten, bei Helmstadt an, dessen Widerstand konnte nie entfernt werden. Der eigent- verlaufen. Trotzdem hoffte Carl, den Preu- hat objektiv die bayerische Armee geret- zwar kräftiger, aber ebenfalls erfolglos lich völlig unmilitärische Prinz diente als ßen am nächsten Tag noch eine Schlappe tet. Ob das daran lag, dass die preußische war. Insbesondere beobachtet man auf Ordonnanzoffizier bei seinem Vater. In beibringen zu können. Sein Plan war nicht Führung die Gelegenheit nicht erkannte bayerischer Seite eine starke Zersplitte- Helmstadt erinnert an dieses Ereignis ein einmal schlecht: Auf den Höhen zwischen oder einfach keinen Sinn mehr darin sah, rung der eingesetzten Verbände und ver- Denkmal aus rotem Sandstein mit einem Hettstädter Hof und Höchberg hatte das zu diesem Zeitpunkt noch ein Gemetzel misst eine einheitliche Leitung der Ge- Zitat Luitpolds: VII. Korps eine sehr starke Artilleriestel- anzurichten, bleibt offen. Jedenfalls wäre fechte. Die beiden am meisten betroffenen „Meine Vaterpflichten treten in dieser Stunde lung bezogen. 116 Geschütze erwarteten es politisch falsch gewesen, das bayerische Divisionen, die 1. und 3., kämpften je ihre zurück gegenüber höheren Pflichten, die ich dort den Angriff der Preußen. Sie sollten Heer zu zertrümmern, das Bismarck für eigene Schlacht. Die links stehende 3. Di- gegen das Vaterland zu erfüllen habe.“ sich an ihrem massiven Geschützfeuer die Zukunft an der Seite Preußens wissen vision vertraute zum Schutz ihrer Flanke Nach offiziellen Angaben sind am 25. Juli abarbeiten und schwächen. Diese Lage wollte. auf die 2. Division des VIII. Armeekorps. 43 Bayern gefallen, 408 wurden verwun- wollte Carl zu einem starken Gegenstoß Bevor die Bayern die Mainseite wechsel- Das waren die Badener. Obwohl dieser det, 279 wurden vermisst, waren also in nutzen, um sich anschließend unbedrängt ten, war es noch zu einem großen Reiterge- Einheit ausdrücklich befohlen war, die lin- Gefangenschaft geraten. Die preußischen hinter den Main zurückziehen zu können. fecht nördlich von gekommen, ke Flanke der Bayern zu decken, zog sie Verluste betrugen etwa die Hälfte. Auch Links davon sollte das VIII. Armeekorps an dem sich auch das 1. Kürassierregi- sich nach Würzburg zurück, was auch die diese Zahlen sind unzuverlässig und mit den westlich von Würzburg auf dem lin- ment beteiligte, das bei Hünfeld ausgeris- Bayern zwang, das Gefecht abzubrechen. Sicherheit zu niedrig. Am Abend dieses ken Mainufer gelegen Nikolausberg beset- sen war. Nun hatte es Gelegenheit, seine Während des ganzen Feldzugs vermied Tages war die bayerische Armee in einer zen und die Flanke der Bayern decken. Reputation wiederherzustellen. Die Bay- der badische Divisionskommandeur, höchst gefährlichen Lage. Das VIII. Ar- Die verlustreichen Kämpfe, die sich am ern waren stark überlegen und schlugen Prinz Wilhelm, ein Neffe des regierenden meekorps hatte ihre Flanke entblößt, und frühen Vormittag des 26. Juli um die Hö- die preußischen Reiter aus dem Feld. Das Großherzogs, jede ernste Konfrontation hinter ihr verlief das tiefe Maintal. hen zwischen und Roßbrunn war, nach all den Misserfolgen der letzten mit den Preußen, eine Haltung, die nach Solche Geländehindernisse in ihrem Rü- entwickelten, etwa zehn Kilometer vor der Wochen, ein kleines Trostpflaster für den dem Krieg zu öffentlichen Auseinander- cken sind für bedrängte Armeen eine eigentlichen Hauptwiderstandslinie, hat- bayerischen Waffenstolz. Militärisch wich- setzungen um den „badischen Verrat“ große Gefahr, weil sie das Ausweichen ten nicht in der Absicht der bayerischen tiger aber war es, dass es bis 8 Uhr abends 68 | Dieter Storz: Der Feldzug Dieter Storz: Der Feldzug | 69 gelungen war, die Armee und ihre Trains re Jahrzehnte hinweg eine eigentümliche nur noch um die Verbesserung der Aus- sicher über den Main zurückzuführen. kulturell-mentale Entwicklung genom- gangslage für die Friedensverhandlungen, Auf dem linken Mainufer hielt sich nur men, in der ein zu Initiative und Selbstän- die ohnehin in wenigen Wochen, ja Tagen noch die Festung Marienberg oberhalb digkeit erzogenes Führerkorps entstanden zu erwarten waren. Es war ein sonderba- von Würzburg. Die Preußen beschossen war, dessen Mitglieder dabei nichtsdesto- rer, im Grunde zweckloser Kabinettskrieg, sie am 27. Juli mit Feldartillerie, ein sinnlo- weniger gelernt hatten, im Sinn des Gan- der sich zwischen Frankfurt und Würz- ses Unterfangen, da mit solch kleinen Ge- zen zu denken und zu handeln. Daraus burg abgespielt hatte. schützen einer Festung, selbst einer veral- war ein sonderbar liberaler Führungsstil teten, nicht beizukommen war. Immerhin hervorgegangen, der den Führern im Rah- brannte der Dachstuhl des Zeughauses men der Aufträge, die sie erhalten hatten, nieder. An diesem Gefecht beteiligte sich große Handlungsspielräume zuwies und Literatur auch eine bayerische Feldbatterie, deren einen taktisch aggressiven Gefechtsstil Der Feldzug von 1866 in Deutschland. Redigirt Feuer auf eine Distanz von 2.500 Metern hervorbrachte. In keiner Armee waren Be- von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes, Berlin 1867. ein preußischer Offizier und zwei Pferde fehle kürzer und klarer als in der preußi- zum Opfer fielen. Eine solche Entfernung schen. Die Armee war modern bewaffnet, Antheil der Königlich Bayerischen Armee am Kriege des Jahres 1866. Bearbeitet vom General- war damals die Grenze der artilleristi- sie war in der Handhabung dieser Waffen quartiermeister-Stabe, München 1868. schen Wirkungsmöglichkeit. besser ausgebildet als jede andere Armee Fritz Hoenig, Die Entscheidungskämpfe des Seit dem 28. Juli herrschte am unteren der 1860er Jahre, und sie hatte die Folgen Mainfeldzuges an der Fränkischen Saale, Berlin Main faktische Waffenruhe, aber noch kein dieser neuen Bewaffnung für das Gefecht 1895. förmlicher Waffenstillstand. Unterdessen weit gründlicher durchdacht als ihre Ri- Oscar von Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krie- war über Hof ein weiterer preußischer valen. Die Reformen des Kriegsministers ges von 1866 in Deutschland, 3 Bände, Berlin 1896-1902. Verband in Bayern eingedrungen, das Albrecht von Roon (1803-1879, Kriegsmi- II. Reserve-Armeekorps unter Führung nister 1859-1872) hatten das Feldheer ver- Eugen von Frauenholz, Die Heerführung des Feldmarschalls Prinzen Carl von Bayern im Feld- des Großherzogs Franz von Mecklenburg- größert und verjüngt und seinen Einheiten zug von 1866, München 1925 (= Darstellungen Schwerin. Die Bayern konnten dieser ein festes inneres Gefüge verliehen. aus der Bayerischen Kriegs- und Heeresgeschich- Abteilung nur noch schwache Kräfte ent- Das Militärwesen der süddeutschen Staa- te, Heft 25). gegen stellen. Bei Seybothenreuth in der ten litt unter jahrzehntelanger Vernachläs- Nähe von Bayreuth kam es noch zu einem sigung. Es sagt viel, dass die bayerische kurzen Zusammenstoß, bei dem ein bay- Armee dabei im Vergleich noch am besten 1 Oskar Bezzel, Geschichte des Königlich Baye- erisches Bataillon zersprengt wurde, das abschnitt. Den Truppen und ihren Füh- rischen Heeres von 1825 mit 1866, München fast nur aus Rekruten bestand. Am 1. Au- rern fehlte eine sorgfältige Schulung im 1931 = Geschichte des Bayerischen Heeres, hrsg. vom Bayerischen Kriegsarchiv Bd. 7, gust erreichten die Invasoren Nürnberg. Frieden. Mobilmachungsvorbereitungen S. 260. Der förmliche Waffenstillstand trat am bestanden nicht. Die Überführung der 2 Moritz von Klingenstein, Meine Eindrücke 2. August ein. Die Grenze des von den nord- Truppen in das mobile Verhältnis musste aus dem bayerisch-preußischen Feldzuge im Jahre 1866, Wien 1867, S. 15. deutschen Truppen besetzten Gebiets ver- aus dem Stand improvisiert werden. Es 3 Helmuth von Moltke, Aus den Verordnungen lief vom Bayerischen Wald über Amberg, gelang weder, die beiden süddeutschen für die höheren Truppenführer vom 24. Juni Schwabach, Schwäbisch-Hall bis Mann- Armeekorps mit der österreichischen Ar- 1869, in: Moltkes Militärische Werke. Teil 2, Die Thätigkeit als Chef des Generalstabes der heim. Mit Hannover, Kurhessen, Nassau mee zu koordinieren, noch auf dem süd- Armee im Frieden, Berlin 1900, S. 196. und Hannover hatte Preußen keine Ver- deutschen Kriegsschauplatz die Anstren- 5 Josef Wabra, Rhönfeldzug 1866. Schlacht bei Hammelburg und Bad Kissingen, Werneck handlungen mehr geführt: Diese Gebiete gungen zu einem gemeinsamen Ziel zu 1968, S. 67. verloren ihre Selbständigkeit und wurden vereinen. Sowohl die Bayern als auch die 6 Lettow-Vorbeck, Bd. 3, S. 183. dem preußischen Staat einverleibt. Südwestdeutschen handelten vor allem 7 Bericht vom 2.8.1866, in: Frauenholz, S. 169. aus ihrer jeweiligen Interessenlage her- Fazit aus. Als der Feldzug im Süden ernsthaft begann, war der Krieg durch die Schlacht Der preußische Sieg war hochverdient. von Königgrätz bereits entschieden. Es Die preußische Armee hatte über mehre- ging also nicht mehr um den Sieg, sondern 71

Dieter Storz Betrachtung

Der Krieg von 1866 hatte mit einem militä- pflegte, fiel mit zwanzig Millionen Talern rischen Triumph Preußens geendet, und netto verhältnismäßig gering aus. Ab dem es war dem diplomatischen Geschick Bis- 2. August trat ein förmlicher Waffenstill- marcks gelungen, die Früchte dieses Sie- stand an die Stelle der bisherigen Waffen- ges zu ernten, bevor die europäischen ruhe, der nun auch die Süddeutschen ein- Großmächte, allen voran Frankreich als schloss. Der endgültige Friedensvertrag die am stärksten interessierte, allzuviel wurde am 23. August in Prag unterzeich- Wasser in diesen Wein schütten konnten. net und eine Woche später ratifiziert. Vom Am 22. Juli 1866 trat in Böhmen eine zu- Südbund wurde auf Druck Frankreichs nächst auf fünf Tage befristete Waffenruhe gesagt, dass er „eine international unab- ein. Diese Zeit wurde intensiv für Ver- hängige Existenz haben“ werde. Das hätte handlungen im mährischen Nikolsburg ihm gegen Versuche aus dem Norden, den genutzt, die am 26. Juli in den Vorfrieden Süden anzuschließen, eine größere Wider- von Nikolsburg mündeten: Österreich trat standsfähigkeit gegeben. Insbesondere Venetien an Italien ab, doch blieb seine ter- wäre es ihm leichter gefallen, die Hilfe ritoriale Integrität Preußen gegenüber ge- Frankreichs anzurufen. wahrt. Es stimmte der Auflösung des Auch auf dem westlichen Kriegsschau- Deutschen Bundes zu und der Neugestal- platz hatte zunächst eine Waffenruhe den tung Deutschlands ohne seine Beteiligung. Kämpfen ein Ende gemacht. Einen Vor- Dazu gehörte die ausdrückliche Anerken- frieden gab es nicht. Die Friedensverhand- nung einer Vereinigung der deutschen lungen wurden in Berlin geführt. Dort jag- Staaten nördlich des Mains unter preußi- te Bismarck den bayerischen Vertretern scher Führung und des möglichen Zusam- zunächst einen gehörigen Schrecken ein. menschlusses der Staaten südlich dieser Die Bayern hatten mit ein Kriegskosten- Linie zu einem eigenen Bund. Daran war entschädigung von sechs Millionen Talern insbesondere Frankreich interessiert. Ös- gerechnet, während Bismarck deren terreich trat seine Rechte an den Elbher- zwanzig verlangte und, schlimmer noch, zogtümern an Preußen ab, erreichte aber, Gebietsabtretungen, die Bayern ein Fünf- dass Preußen die Integrität des König- tel seines Gebietes gekostet hätten: Kulm- reichs Sachsen respektierte. Angesichts bach, Kronach, Hof, Kissingen, Hammel- der Treue, mit der Sachsen im Krieg zu burg und Brückenau sollten preußisch Österreich gehalten hatte, war das für werden, ein großer Teil der Pfalz an Hes- Franz Joseph I. ein Ehrpunkt: Es war für sen-Darmstadt gehen, als Entschädigung ihn ausgeschlossen, den preußischen An- für Oberhessen, das sich Preußen aneig- sprüchen auf sächsisches Gebiet zuzu- nen wollte. Oberhessen war die nördlich stimmen. Wenn Preußen Frieden haben des Mains gelegene kleinere Hälfte des wollte, musste es diesen Standpunkt ak- Großherzogtums Hessen-Darmstadt. In zeptieren. Die Kriegsentschädigung, die Kulmbach wolle Preußen, so Bismarck, der Sieger dem Besiegten aufzuerlegen eine Festung errichten. Der preußische 72 | Dieter Storz: Betrachtung Dieter Storz: Betrachtung | 73

Ministerpräsident nannte diese Forderun- an Preußen abtreten und eine Kriegsent- Frankfurt am Main hörten auf zu existie- kratisch gesonnene Volk in Württemberg gen „rücksichtsvoll“. Von der Pfordten schädigung von dreißig Milllionen Gul- ren und wurden Preußen einverleibt. Die sahen das noch mit Skepsis. war entsetzt. Er nannte sie in höchstem den leisten, was immerhin noch 17,43 Mil- verbliebenen Staaten nördlich der Mainli- Die „Schutz- und Trutzbündnisse“ be- Grade ungerecht und unbillig, weil nur lionen Talern entsprach. Ironischerweise nie schlossen sich 1867 zum „Norddeut- schleunigten die militärischen Reformen Bayern Gebietsverluste erleiden sollte. Bis- fiel dabei mit Tann das Stammschloss des schen Bund“ zusammen, der ausdrücklich in den süddeutschen Staaten, die ohnehin marck gab ihm darauf eine Antwort, die bayerischen Generalstabschefs in diesem auf Erweiterung angelegt war. Hessen- notwendig waren, weil der Feldzug die ins Grundsätzliche ging: „Von Gerechtig- Feldzug, Ludwig von der Tann, an Preu- Darmstadt wurde dabei gewissermaßen völlige Unzulänglichkeit der bisherigen keit oder Billigkeit könne nach einem ßen. Preußen allerdings war ein Rechts- geteilt, denn es trat nur mit Oberhessen in Wehrverfassungen überzeugend bewie- Kriege nicht die Rede sein, da handle es staat, so daß sich an den privaten Besitz- diesen Bund ein. Bismarck hatte die Ver- sen hatte. Das Modell für die Süddeut- sich um Macht und Interesse.“1 Die Forde- und Wohnverhältnissen nichts änderte. fassung des Nordbundes ausgearbeitet, schen war natürlich die preußische Armee. rungen Bismarcks waren nicht seine eige- Grenzverschiebungen im 19. Jahrhundert die später auf das Deutsche Reich ausge- Die bisherigen vier Divisionen der bayeri- nen, wohl aber die der preußischen Armee lassen sich mit den Massenaustreibungen, dehnt wurde. Die Handelsmarine seiner schen Armee wurden in zwei Armeekorps und seines Königs, der schon aus senti- die im 20. Jahrhundert solche Erwerbun- Mitgliedsstaaten erhielt eine neue Flagge gegliedert, was der Einteilung der preußi- mentalen Gründen die Hand nach den gen absicherten, nicht vergleichen. Auch mit den Farben Schwarz, Weiß und Rot: schen Armee entsprach. Das sollte es im einst hohenzollernschen Markgrafschaf- die anderen süddeutschen Staaten kamen Schwarz und Weiß waren die Farben Preu- Kriegsfall ermöglichen, bayerische Hee- ten Ansbach und Bayreuth ausstreckte. glimpflich davon. Oberhessen blieb dem ßens, Rot und Weiß die der Hansestädte. reskörper operativ wie preußische zu ver- Bismarck dagegen kam es darauf an, für Großherzog von Hessen erhalten, änderte 1871 wurde diese Handelsflagge zur Nati- wenden. Diese militärische Anschlussfä- die Zukunft gute Beziehungen zu Süd- bloß durch einen Gebietstausch mit ehe- onalflagge des Deutschen Reichs. higkeit war eines der wirksamen Argu- deutschland und insbesondere zu Bayern mals kurfürstlich-hessischen und Frank- Ein Südbund sollte dagegen nie zustande mente gegen die Einführung des Schwei- herzustellen. Den größten Teil seiner Ener- furter Gebietsteilen ein wenig seine Ge- kommen, nicht einmal ernsthaft in Angriff zer Milizsystems, das damals in Süd- gie musste Bismarck bei den Friedensver- stalt. genommen werden. Zu groß war die Ent- deutschland viele Anhänger fand, weil es handlungen also dafür aufwenden, Wil- Zu Kuriosa der Friedensverhandlungen täuschung in den anderen süddeutschen eine große Streiterzahl lieferte, preiswert helm I. für eine Politik der Vernunft zu gehört es, dass der preußische König als Staaten über den Verlauf des Feldzugs von und für Angriffskriege ungeeignet war. gewinnen. Das hat man in Bayern auch Trostpflaster für die entgangenen fränki- 1866, als dass sie sich zu einer Allianz mit 1868 trat in Bayern die allgemeine Wehr- anerkannt und ihm noch im gleichen Jahr schen Lande wenigstens die Überlassung Bayern hätten vereinen wollen, dem man pflicht nach preußischem Muster an die den Hubertusorden verliehen, also die der Nürnberger Burg erreichen wollte, das die Niederlage vor allem anrechnete: Stelle des bisherigen Konskriptionssys- höchste Auszeichnung, die der bayerische Schloss seiner Ahnen. Sie aber gehörte Wenn schon ein Bund mit einem starken tems. Dadurch gelangten mehr Dienst- König vergeben konnte.Inzwischen hatte nicht dem bayerischen König, sondern Partner geschlossen werden sollte, dann pflichtige als bisher zur Einstellung. Die Napoleon III. seine Forderungen in Berlin war Staatsbesitz. Die bayerischen Unter- mit einem wirklich mächtigen, und das tatsächlichen aktiven Dienstzeiten verlän- präsentiert: Er verlangte für Frankreich händler erklärten, dass der König diese war nach Lage der Dinge nun einmal gerten sich und die Stellvertretung entfiel. Mainz, die bayerische Rheinpfalz, Saar- Immobilie nicht ohne Zustimmung des Preußen. Das galt insbesondere für Baden, Es kam zu landesweiten Protesten und brücken und Saarlouis. Nachdem Bis- Landtags übertragen könne, womit die Sa- das in seinem Vereinigungsdrang von Ber- Widerstand gegen Einberufungen unter marck aber mit Österreich bereits ins Rei- che ihr Bewenden hatte. lin aus geradezu gebremst werden muss- dem Motto „Wir wollen nicht preußisch ne gekommen war, konnte er diese An- Bayern, Württemberg und Baden mussten te, weil Bismarck Irritationen in Paris ver- werden“. Zur Bändigung der Widersätzli- sprüche zurückweisen. Und er sorgte da- Militärbündnisse mit Preußen schließen. meiden wollte. In Württemberg ging da- chen wurde ein Strafbataillon in Ingol- für, dass die Öffentlichkeit davon erfuhr. Diese „Schutz- und Trutzbündnisse“ wa- mals der Stern Albert von Suckows auf, stadt formiert. Wenn Bayern aber weiter- Schlauerweise bediente er sich für diese ren nicht auf den Verteidigungsfall be- der den Krieg als Militärbevollmächtigter hin eine politische Rolle spielen wollte, Indiskretion eines französischen Blattes. grenzt und übertrugen den Oberbefehl im des VIII. Bundesarmeekorps im Haupt- musste es militärisch leistungsfähig sein. Sie verfehlte ihre Wirkung auf die Süd- Krieg dem König von Preußen. Bayern un- quartier des Prinzen Carl mitgemacht hat- Natürlich führten alle süddeutschen Staa- deutschen nicht. terzeichnete diesen Vertrag ebenso wie te. Dieser äußerst durchsetzungsfähige ten, ja überhaupt alle Länder, deren Arme- Am 22. August 1866 wurde in Berlin zwi- den Friedensvertrag am 22. August. Diese Offizier stieg bis 1870 zum württembergi- en bisher mit Vorderladern bewaffnet wa- schen Preußen und Bayern der Friedens- Militärbündnisse wurden vorläufig ge- schen Kriegsminister auf. Über die Kräfti- ren, Infanteriegewehre ein, die von hinten vertrag unterzeichnet, der bereits am 4. heim gehalten. gung der Armee nach preußischem Mus- zu laden waren. Baden, Württemberg und September im Gesetzblatt für das König- In Norddeutschland kannte Preußen kei- ter hinaus war ihm der Anschluss an Preu- Hessen übernahmen damals das preußi- reich Bayern veröffentlicht wurde. Danach ne Gnade: Das Königreich Hannover, das ßen auch ein nationalpolitisches Herzens- sche Zündnadelgewehr. Dass mit der neu- musste Bayern die unterfränkischen Be- Kurfürstentum Hessen (Kassel) sowie das anliegen. Der Hof und das liberaldemo- en Waffe auch die preußischen Vorschrif- zirksämter Gersfeld und Orb (ohne Aura) Herzogtum Nassau und die Freie Stadt ten eingeführt werden mussten, bildete 74 | Dieter Storz: Betrachtung Dieter Storz: Betrachtung | 75 für Suckow ein zusätzliches Motiv für die- der Bevölkerung dieses Doppelstaates Literatur se Bewaffnung. Bayern entschied sich da- aus. Die anderen Völker, meist Slawen, gegen für ein eigenes Modell. Auch hier waren nach den Zugeständnissen an die Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bay- waren nicht nur technisch-sachliche Grün- Ungarn mit ihrer Lage noch unzufriede- erns, Bd. 3, Vom Regierungsantritt König Lud- de die leitenden, sondern auch politische. ner als vorher. Das Nationalitätenproblem wigs I. bis zum Tode Ludwigs II. mit einem Aus- Man wollte sich bewusst von Preußen ab- schwelte weiter und verschärfte sich so- blick auf die innere Entwicklung Bayerns unter grenzen und mit einer eigenen Waffe die gar. Die innere Krise wurde zum Normal- dem Prinzregenten Luitpold, München 1931. Eigenständigkeit Bayerns betonen. Die na- zustand in der letzten Phase jenes Staates, tionale Hochspannung Suckows war dem den man seit 1867 „Österreich-Ungarn“ Golo Mann, Deutsche Geschichte des19. und 20. bayerischen Kriegsminister, Siegmund nannte. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1958. von Pranckh, fremd. In der „deutschen Frage“ war eine wichti- Andreas Kraus, Geschichte Bayerns. Von den Der „deutsche Dualismus“ hatte 1866 sein ge Vorentscheidung im kleindeutschen Anfängen bis zur Gegenwart, München 1983. Ende gefunden. Nicht nur, dass Preußen Sinn gefallen, mit dem Norddeutschen jetzt unter den deutschen Mächten unbe- Bund bereits ein kleines kleindeutsches Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866- stritten den ersten Rang einnahm – Öster- Reich entstanden. Ungeklärt war einstwei- 1918, 2 Bände, München 1990, 1992. reich hatte überhaupt aufgehört, eine len der künftige Status der süddeutschen Hans-Michael Körner, Geschichte des König- deutsche Macht zu sein. Dies bildet eine Saaten, die der Krieg in eine Freiheit ent- reichs Bayern, München 2006. der großen Zäsuren der deutschen Ge- lassen hatte, die sie so nicht angestrebt hat- schichte, die bis 1866 maßgeblich von Ös- ten. Die Jahre zwischen 1866 und 1870 wa- terreich und weniger von Preußen geprägt ren die einzigen in der Geschichte Bay- worden war. Über Jahrhunderte hinweg erns, in denen das Land souverän war, 1 Doeberl, S. 439. hatten die Deutschen vor allem nach Wien also nicht eingebunden in größere völker- geblickt und nicht so sehr nach Berlin, und rechtliche Einheiten. Für eine souveräne es war Österreich, das im Osten wie im Existenz in Europa fehlte aber selbst Bay- Westen die Hauptlast der Verteidigung ern als dem größten und bedeutendsten des Heiligen Römischen Reiches gegen der Staaten des deutschen Südens das Vo- seine äußeren Feinde getragen hatte. lumen und wohl auch das Selbstbewusst- Nicht nur seiner deutschen Stellung war sein, und es besaß im Süden auch nicht die der Staat der Habsburger verlustig gegan- selbstverständliche hegemoniale Stellung, gen, er hatte auch den Rest seiner histori- die Preußen im Norden genoss. schen Herrschaft in Italien aufgeben müs- sen. Diese großen Niederlagen hatten gra- vierende Folgen für das innere Gefüge der Donaumonarchie. Seit der Niederwerfung des ungarischen Aufstandes der Jahre 1848/49 hatte Kaiser Franz Joseph I. sein Reich in der Art eines absoluten Monar- chen von Wien aus regiert. Um den Zu- sammenhalt dieses Reiches zumindest nach außen zu bewahren, musste er dem Verlangen der Ungarn nach Selbstregie- rung weit entgegenkommen. Dies geschah im „Ausgleich“ des Jahres 1867, der den Gesamtstaat in zwei Hälften mit weitge- hender innerer Autonomie teilte: Die „Doppelmonarchie“ entstand. Deutsche und Ungarn machten je etwa ein Viertel 77

Walter Hamm Die Toten der bayerischen Armee des Jahres 1866

1. Vorbemerkung finden sich Angaben zur Todesursache bzw. Verwundung und dem aktuellen Wer wissen will, wieviel bayerische Op- Verbleib der Betroffenen. Vereinzelt sind fer der Krieg von 1866 gefordert hat, wird auch an Krankheiten bzw. Seuchen ver- vertrauensvoll nach der Darstellung des storbene Soldaten aufgeführt. Allerdings bayerischen Generalstabs vom Jahr 1868 fehlen die meisten der durch Krankheit, greifen.1 Dessen Angaben sind aber nicht Seuchen (Typhus, Cholera) und Unfälle nur unvollständig, sondern geben, wie Verstorbenen. im Folgenden zu zeigen ist, nur einen Bruchteil der wirklichen Totenverluste Bayern der Armee an. Dieser Beitrag geht auf um- fangreiche Untersuchungen des Autors In Bayern gab es keine vergleichbare pub- zurück, in denen die Gefallenen der bay- lizierte Dokumentation der Verluste. Der erischen und preußischen Armee auf dem Druck der Öffentlichkeit erzwang zwar westdeutschen Kriegsschauplatz 1866 na- die Veröffentlichung von Verlusten in der mentlich ermittelt wurden. In diesem Text Presse,3 doch blieben sie unvollständig. wird eine quantitative Anayse der bayeri- Die Verlustlisten Nr. I (veröffentlicht am schen Totenverluste vorgenommen. 15. Juli) bis Nr. IV (22. Juli) geben nur den Stand bis einschließlich der Gefechte am 2. Die offiziellen Verlustlisten 10. Juli wieder. Daneben wurden Verlust- listen einzelner Einheiten mit unterschied- Preußen licher Aussagekraft veröffentlicht.4 Gleiches gilt für die Verteilung („Disloka- Die preußischen Verluste wurden in Form tion“) der Verwundeten und Kranken in sogenannter Verlustlisten im „Königlich ganz Bayern nach Zeitungsmeldungen. Preußischen Staats-Anzeiger“ veröffent- Hier sind die Opfer mit vielen persönli- licht (ab Nr. 160 vom 7. Juli 1866). Insge- chen Angaben aufgeführt. Eine weitere samt gab es bis zum 25. August (Beilage Hilfe ist der Bericht von Professor Hein- Nr. 207) elf solcher Listen. Abschließend rich Ranke über seine Reise zu den Laza- erschienen im November „Zu den Listen retten in Thüringen und Unterfranken5, 1-11 nachträglich angezeigte Verände- in denen bayerische Soldaten behandelt rungen, Berichtigungen u.s.w.“2 In die- wurden. Er nennt auch dort Verstorbene. sen Listen sind je Einheit (Regiment bzw. Ähnliche „Dislokationslisten“gibt es bis in Bataillon, aufsteigend nach Nummer der den September hinein.6 Sie kommen teil- Kompanie) die sofort Gefallenen, die Ver- weise aus dem Militärbereich, teilweise wundeten und Vermissten genannt. Dazu 78 | Walter Hamm: Die Toten Walter Hamm: Die Toten | 79 aber auch aus privaten Quellen. Sie unter- schließende, offizielle Aufstellung der Ver- listen sind weiterhin Lorenz Jung aus mäß, in ihrer chronologischen Reihenfolge scheiden vier Kategorien: luste bietet das bayerische Generalstabs- Kleinwallstadt, verstorben im Lazarett in aufgeführt:14 Geblieben: Das sind die direkt am werk von 1868 zum Krieg.8 Hier wird die Fladungen nach einem Schuss in die Knie- Roßdorf/Rhön Gefechtsort und -tag getöteten Soldaten. Zahl der Gefallenen mit 339 Mann ange- kehle, und Salomon Rothschild aus Hör- Auf dem Friedhof um die Ortskirche be- Diese Meldungen sind nicht immer voll- geben. Wahrscheinlich enthält diese Zahl stein bei Aschaffenburg, verstorben nach findet sich gleich rechts nach dem Eingang ständig. nur die Soldaten, die nach den Meldungen einem Unterschenkel- und Blasenschuss der bayerische Soldatenfriedhof. Auf ihm Verwundet: Die Namen werden ange- der Truppenteile während eines Kampfes genannt.12 Aus weiteren Quellen können ruhen elf bayerische Offiziere, teilweise in führt, oft auch der Verbleib in einem Laza- getötet wurden oder unmittelbar danach noch folgende Schicksale von Angehöri- Einzelgräbern, und 76 Unteroffiziere und rett genannt. Weiterverlegungen werden ihren Verwundungen erlegen sind. gen des 4. Infanterie-Regiments nachge- Mannschaften. Die Tafel mit den Namen nur gelegentlich erwähnt. Teilweise sind Soldaten, deren Schicksal ungeklärt blieb, wiesen werden: Feldwebel Friedrich Renk der letzteren hat 1992 der damalige bay- auch Erkrankte aufgeführt. die an den mit dem Krieg einhergehenden verstarb am 27. August im Militärspital erische Ministerpräsident Dr. Max Streibl Vermisst: Diese Kategorie fasst Solda- Krankheiten und Seuchen verstorben, den zu München (Ursache nicht genannt), neu gestiftet, nachdem die ursprüngliche ten verschiedener Schicksale zusammen: körperlichen Strapazen erlegen oder ver- Martin Walter aus Leider bei Aschaffen- Bronzetafel 1945 eingeschmolzen worden Die auf Dauer vermissten und somit den unglückt sind, fehlen. Um auch diesen burg wird auf einem Denkmal in seinem war. Die Namen der Offiziere finden sich Opfern zuzurechnenden Soldaten und Personenkreis zu erfassen, muss auf wei- Heimatort als „gefallen 1866“ betrauert. auf dem zentralen Obelisk von 1868 bzw. diejenigen, deren Schicksal später noch tere Quellen zurückgegriffen werden. Ein Soldat aus Rothenfels am Main kam zusätzlich auf den Einzelgräbern. geklärt wurde. Das konnten sowohl Über- bei seiner Heimkehr am 1. September aus Bad Kissingen lebende wie auch Verstorbene sein. 3. Regimentsgeschichten und dem Kriegsdienst von Würzburg durch Hier ist zunächst der Kapellenfriedhof an- Gefangen: Sie sind in den Zahlen der Gedenkstätten Tiefenthal, infizierte sich dort mit Cholera zuführen, auf dem eine Reihe von Gräbern Vermissten enthalten. und erlag „am selben Tag“ in seinem Hei- zu finden sind. Auf der anderen Seite der Die offiziellen Verlustangaben beruhen 3.1 Eine wichtige Quelle sind die meist matort dieser Seuche. am Friedhof vorbeiführenden Straße steht auf den Meldungen der Einheiten, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts publi- 1. Infanterie-Regiment „König“: das Denkmal der „Trauernden Germa- kurz nach den Gefechten erstattet wurden. zierten Regimentsgeschichten. Sie gehen Auch hier zeigt sich eine große Diskrepanz nia“. Hier finden sich die Namen gefalle- Soldaten, die ohne Kenntnis der Kamera- häufig über die offiziellen Angaben hin- zwischen offizieller Darstellung und nach- ner bayerischer und preußischer Soldaten. den im Gefecht liegen geblieben waren aus, bieten aber auch keine Gewähr für weisbaren Opferzahlen: Offiziell werden Eine weitere Gedenkstätte steht an der und dann von den Ortsbewohnern be- Vollständigkeit. Dies sei an zwei bayeri- nur acht Opfer angegeben. Die Regiments- Oberen Saline. Auch hier wurden bayeri- stattet wurden, galten als vermisst. Da es schen Einheiten demonstriert. geschichte von 1878 nennt für den Feldzug sche und preußische Soldaten beerdigt. noch keine Erkennungsmarken gab, war 4. Infanterie-Regiment „vacant Gump- von 1866 fünf Gefallene und 39 Vermiss- Hammelburg ihre Identifikation nicht möglich. Die in penberg“: te.13 Durch die Verlustlisten in den Zeitun- Am Rande des Altstadtfriedhofes liegen den bayerischen Zeitungen publizierten Die offizielle Darstellung nennt für diese gen und Sterbeakten können für Kissingen einige Grabsteine für bayerische Opfer des Verlustlisten beruhen in der Regel auf die- Einheit 27 Gefallene. Eine Regimentsge- 21, für Helmstadt 25 Opfer nachgewiesen Gefechtes bei jener Stadt. sen Angaben. schichte nennt 21 Namen,9 eine andere werden. Die auf Denkmälern erwähnten Helmstadt Umfangreicher sind die Meldungen durch 45.10 Dort heißt es aber auch: „Leider konn- Namen sind hierbei berücksichtigt. Hinzu Auf der Ostseite des Friedhofes um die Ärzte über die Belegung der vielen in ganz ten bei dem Mangel an an Feldrapporten und kommen noch elf Soldaten, die in Mün- Kirche sind die vom ursprünglichen Sol- Bayern entstandenen, oft privat betriebe- Grundlisten weder Kompagniezugehörigkeit chener Lazaretten verstarben und drei, die datenfriedhof verbliebenen Denkmäler nen Lazarette, die vereinzelt die dort ver- noch Heimat dieser auf dem Felde der Ehre in Würzburg dem Typhus erlagen. So sind zusammengefasst. Die Namen der im storbenen Soldaten erwähnen. Hier wird gebliebenen Angehörigen des Regiments fest- also letztlich 60 Opfer nachweisbar. Gefecht bei Helmstadt gebliebenen bay- der aktuelle Stand dokumentiert, nicht gestellt werden. [...] Die stets verschiedenen, erischen Soldaten sind weitgehend er- der vollständige Verlauf der Krankenge- leider nie namentlichen, Verzeichnisse gestat- 3.2 In den Jahren 1867-1870 wurden, forscht.15 Die Gedenkstätten in der Flur schichten. Todesfälle infolge des Krieges teten keine vollzählige Aufzählung der Gefal- gefördert durch die Einheiten, Denkmäler sind durch den ausgeschilderten und sind bis ins Jahr 1868 hinein bekannt. lenen.“11 errichtet, auf denen Namen von Gefalle- kommentierten Kulturweg des Spessart- Offizielle, zusammenfassende Verlustan- Auf den Denkmälern in Roßdorf werden nen angebracht sind. Auch diese Listen bundes „Zwischen allen Fronten“ zugäng- gaben existieren seit dem Dezember 1866. 45 und in Roßbrunn sechs weitere Namen sind unvollständig: Manche Opfer fehlen, lich. Damals veröffentlichte die „Bayerische von Gefallenen dieser Einheit aufgeführt. andere Namen betreffen Gefallene ande- Uettingen Zeitung“ eine Zusammenstellung der Ver- Ein Denkmal in Mellrichstadt nennt den rer Orte als die der lokalen Gedenkstätte. Der Kriegerfriedhof, integriert im Orts- luste, die im bayerischen Kriegsministeri- Gemeinen Michael Hammer aus Birken- Sie seien hier, dem Feldzugsverlauf ge- friedhof, befindet sich in der Nordwest- um entstanden war.7 Eine vermeintlich ab- feld bei Marktheidenfeld. In den Verlust- 80 | Walter Hamm: Die Toten Walter Hamm: Die Toten | 81 ecke. Hier sind noch viele Denkmäler be- gegangen wird, widmet sich ein anderer Wachter vom 4. Feldartillerie-Regiment 5. Die Opfer des Deutschen Krieges teiligter Einheiten und Einzelgräber mit Akt den bayerischen Soldaten: „Gefan- aus Miltenberg erlitt beim Besuch eines 1866 aus Bayern Namen bzw. Namenslisten zu finden. Es gene, Vermißte, Tode in spe, hier: die [...] Freundes in Gochsheim einen Durch- ist der größte noch vorhandene Soldaten- am 9. März 1868 noch in Abgang befind- schuss beider Beine, als sich beim Um- In der Tabelle wird versucht, nach dem friedhof des Krieges von 1866 in Deutsch- lichen“.17 Er nennt 365 Soldaten mit dem fallen des Gewehrs eines Soldaten des heutigen Stand der Forschungen offizi- land mit 329 belegten Opfern beider Par- Tag der Vermisstmeldung und wurde 12. Infanterie-Regiments ein Schuss löste. ell gemeldete und ermittelte tatsächliche teien. wohl ursprünglich im Herbst/Winter 1866 Er verstarb am 6. August im Lazarett in Opferzahlen darzustellen. Roßbrunn angelegt. Bis zu seinem Abschluss konnten Schweinfurt. In die Reihe ungewöhnlicher Die Spalten bedeuten: Der Ort, zeitgleich mit Uettingen vom Ge- 90 Schicksale geklärt werden.18 Somit ver- Soldatentode gehört auch der Freitod des 1 = offizielle Verlustliste, abgedruckt in der fecht am 25./26. Juli 1866 betroffen, besitzt blieben noch 275 Fälle ungeklärt, die mit Obersten Freiherr von Pechmann, Kom- „Bayerischen Zeitung“ vom 10. Dezember zwei Gedenkstätten. Zum einen das Denk- dem Vermerk „wahrscheinlich geblieben“ mandeur des 5. Chevauleger-Regiments, 1866. Die Zahl in Klammern gibt die dort mal auf dem Vogelsberg, das eine Anzahl versehen sind. Im Anschreiben werden der sich nach der panikartigen Flucht der als „am 1. Nov. noch vermißt“ geführten der Opfer des 4., 7. und 10. Infanterie-Re- die königlichen Bezirksämter angewiesen, Kavallerie bei Hünfeld in einem Gasthof Soldaten an. giments aufführt. In unmittelbarer Nähe den Vorgang damit abzuschließen. Aus ei- in Poppenhausen am 5. Juli erschoss. 2 = Verluste laut Generalstabswerk (siehe liegen noch zwei Massengräber (davon nigen vorliegenden Dokumenten ist abzu- Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch Anm. 1). Allerdings wird hier nicht auf die eines preußisch) ohne Namensangaben. leiten, dass spätestens nach diesem Datum bayerische Zivilpersonen durch Waffen- Zahl der bei Drucklegung noch nicht ge- Am Ostrand des Ortes, an der Ecke des entsprechende Totenscheine ausgestellt gewalt zu Tode kamen. Der Bürgermeis- klärten Fälle eingegangen, so dass aus der Sportplatzes und der Verbindungsstraße wurden. ter von Mönchberg, Gabriel Gramling, Vermisstenzahl von 1.604 Soldaten nicht nach Mädelhofen, befindet sich ein wei- Wohl die wichtigste bayerische Quelle wurde, vor seinem Haus stehend, von ei- auf die Zahl der tatsächlich Vermissten teres Massengrab mit bayerischen Offizie- dürfte ein Akt aus dem Staatsarchiv sein, nem preußischen Dragoner, der durch die oder Gefallenen geschlossen werden kann. ren und Mannschaften. den 1914 der Hauptmann der Landwehr Straße galoppierte, am 21. Juli erschossen. Der oben erwähnte Würzburger Akt, der Weingärtner aus Würzburg anlegte.19 Er Andreas Bauer aus Winkels bei Kissingen für den 9. März 1868 noch 275 Vermisste 4. Ermittlung weiterer Opfer in un- hatte den Auftrag, „die in Unterfranken kam am 13. Juli im Lager bei Schweinfurt nennt, wurde wohl nicht berücksichtigt. gedruckten Quellen und Sekundär- noch vorhandenen Kriegsgräber vom um, als beim Vorführen eines Revolvers 3 = ausgewiesene Verluste nach den vor- literatur deutschen Krieg des Jahres 1866 festzu- sich versehentlich ein Schuss löste und ihn liegenden Regimentsgeschichten stellen und zu inventarisieren.“20 Er wei- in den Kopf traf. Die zivilen Kriegstoten 4 = zusätzlich ermittelte Opfer Die abschließende Tabelle fasst das Ergeb- tete seinen Auftrag insofern aus, dass er sind in der Tabelle in Spalte 5 enthalten. 5 = Summe tatsächlicher Opfer (3+4). nis dieser Untersuchungen tabellarisch allen bayerischen Soldaten, also auch z. B. Sie sind nicht nach Offizieren, Unteroffi- zusammen. Die Quellen für die Angaben denen in Thüringen, nachforschte und so 4.4 Auch Orts-, Stadt- und Pfarrarchive zieren und Mannschaften unterschieden in Spalte 4 sollen hier näher erläutert wer- noch viele offene Fragen klären konnte. u.ä. wurden zur Ermittlung der Kriegsto- Der Unterschied zwischen den offiziellen den: Die bayerischen Soldaten wurden von der ten ausgewertet. Zu erwähnen sind wei- Daten (Spalte1 und/oder 2) und den tat- Cholera verschont, die auf dem böhmi- terhin die Ortschroniken und Tageszeitun- sächlich gefundenen Opfern (Spalte 5) ist 4.1 Durch das Internet sind viele lo- schen Kriegsschauplatz zahlreiche Opfer gen des Jahres 1866. Hier erweisen sich die beträchtlich. kale Denkmäler und Denkmalinschriften forderte. Dem Typhus, den Strapazen des Todesanzeigen als eine wahre Fundgrube. zugänglich: www.denkmalprojekt.org, Such- Krieges und ähnlichem sind allerdings begriff „1866“. Sie geben viele lokalge- eine Reihe von Soldaten zum Opfer gefal- schichtliche Hinweise, auch für die preu- len. Weingärtner hat auch diese Verstorbe- Einheit 1 2 3 4 5 ßische Seite. nen erfasst. Stäbe, Infanterie, Jäger 292 (+ 403) 294 641 291 932 Kavallerie 23 (+ 6) 28 29 30 59 4.2 Akten im Staatsarchiv Würzburg: 4.3 Zeitgenössische Lokalpresse Artillerie, Fuhrwesen 7 (+ 3) 17 16 16 32 Im Akt zur „Verpflegung kranker und ver- Einige Beispiele, vornehmlich aus dem Einheit unbekannt - - - 12 12 wundeter Preußen in bayerischen Civil- „Schweinfurter Tagblatt“, illustrieren die Gesamt 322 (+ 412) 339 (+ 275) 686 356 1035 spitälern und in Privatpflege während des mannigfältigen Ursachen eines Soldaten- Zivilpersonen - - - 7 7 Feldzuges von 1866“ sind auch Angaben todes. So verletzte sich Hauptmann Carl zu Verbleib bzw. Tod und Todesursache Piller vom 8. Jägerbataillon am 5. Juni im enthalten.16 Während hier vorwiegend auf Lager bei Schweinfurt beim Hantieren mit das Schicksal preußischer Soldaten ein- dem Revolver tödlich. Unterleutnant Jan 82 | Walter Hamm: Die Toten Walter Hamm: Die Toten | 83

6. Zusammenfassende Übersicht forschungen anzugeben, aufgelistet nach Es wird wohl nicht mehr möglich sein, 8 Wie Anm. 1. Zur Bewertung der Vermissten der Verluste Gefechtsort und Einheit. Die in der letzten alle Opfer des Krieges 1866 aus Bayern zu zahlen dort siehe Kapitel 5, Erläuterung zu Spalte 2. Spalte in Klammern vermerkten Zahlen erfassen. Viele Gräber sind im Laufe der 9 Die Emmerlinge. Geschichte des K.B. 4. Infan- In der abschließenden Tabelle wird ver- nennen die an Krankheiten Gestorbenen, Zeit verschwunden. Es steht aber fest, dass terie-Regiments König Wilhelm von Würt- sucht, alle (namentlich bekannten) Opfer wobei die Todesursache aus den Quellen allein die Zahl der namentlich nachweis- temberg 1706-1905, 4. Aufl., Berlin 1896, Anla- nach dem derzeitigen Stand der Nach- nicht immer klar hervorgeht. baren bayerischen Kriegstoten des Jahres ge 3. 10 Oskar Bezzel, Das K.B. 4. Infanterie-Regiment 1866 die Angabe der offiziellen Darstel- König Wilhelm von Württemberg vom Jahre lung aus dem Jahr 1868 um das Dreifache 1806 bis 1906, München 1906. Die Verlustliste 3./4.7. 10.7. 10.7. 25.7. 26.7. 27.7 29.7. Einheit Sonst Summe übertrifft. Eine realistische Vorstellung ist nach dem Kriegsministerialerlass vom 7. Thür KG HAB Helm Uett WÜ Sey der Opferzahl vermittelt dieses Werk al- Dezember 1866 aufgestellt. In ihr sind auch die bei Roßdorf vermissten Soldaten aufge- Stab 2 2 4 lerdings, wenn man die Vermissten als führt, die auf der Tafel im Friedhof stehen. ILR 21 4 13 6 44 (6) Verstorbene annimmt. 1. Inf.-Rgt. 21 24 15 60 (15) 11 Ebenda, S. 340. 12 „Augsburger Postzeitung“ Nr. 184 vom 2. Inf.-Rgt. 23 4 8 35 (8) Dienstag, 31.7.1866. 3. Inf.-Rgt. 3 3 (3) 13 Geschichte des k.b. 1. Infanterie-Regiments 4. Inf.-Rgt. 53 9 3 65 (2) Abkürzungen König seit seiner Errichtung im Jahre 1778, 5. Inf.-Rgt. 12 70 4 86 (4) München 1878. In der tabellarischen Verlust- 6. Inf.-Rgt. 20 4 32 1 57 Thür Thüringen liste für den Feldzug 1866 (S. 344) sind als KG Kissingen Tote lediglich Hauptmann Grießenbeck und 7. Inf.-Rgt. 1 51 1 53 (1) HAB Hammelburg vier Mann aufgeführt. Der nach dem Gefecht 8. Inf.-Rgt. 19 1 20 (1) Helm Helmstadt bei Helmstadt an seinen Wunden verstorbene 9. Inf.-Rgt. 39 10 10 1 10 70 (10) Uett Uettingen Oberleutnant Nusch wird hier bei den Ver- 10. Inf.-Rgt. 5 26 31 WÜ Würzburg wundeten geführt. 11. Inf.-Rgt. 26 40 66 Sey Seybottenreuth 14 Es wurden nur solche Denkmale berück- 12. Inf.-Rgt. 24 2 10 1 2 39 (2) ILR Infanterie-Leibregiment sichtigt, auf denen mehrere Opfer namentlich Inf.-Rgt. Infanterie-Regiment zu finden sind 13. Inf.-Rgt. 1 26 1 28 (1) Jäg.-Btl. Jäger-Bataillon 15 Walter Hamm, Helmstadt im deutsch-deut- 14. Inf.-Rgt. 13 3 19 1 3 39 (3) Art.-Rgt. Artillerie-Regiment schen Krieg von 1866. Helmstadt 2009 (Bei 15. Inf.-Rgt. 2 21 71 8 1 82 (1) der Gemeinde erhältlich). 1. Jäg.-Btl. 8 3 12 23 16 Staatsarchiv Würzburg Regierungspräsidi- alakt (RPA) Nr. 357. 2. Jäg.-Btl. 26 1 27 (1) 17 Staatsarchiv Würzburg RPA Nr. 358. 1 Antheil der Königlich Bayerischen Armee am 3. Jäg.-Btl. 1 13 14 18 In der Regel Sterbeort oder Begräbnisort, Kriege des Jahres 1866. Bearbeitet vom Gene- 4. Jäg.-Btl. 1 1 3 5 teilweise mit Datum. ralquartiermeister-Stabe, München 1868., 5. Jäg.-Btl. 6 6 19 StAWÜ MS f. 150 – Histor. Verein – Samm- S. XVIII f. lung von Bildern und Aufzeichnungen (ab 6. Jäg.-Btl. 6 4 10 2 Seiten 254-259 der in gesammelter Form 1914). 7. Jäg.-Btl. 15 2 17 (2) abgedruckten Verlustlisten. 20 Kreisamtsblatt von Unterfranken, Nr. 11 vom 8. Jäg.-Btl. 47 1 48 (1) 3 Untersucht wurden die „Bayerische Zeitung“ 3.7.1914. in München, die Augsburger „Allgemeine Summe Inf. 155 230 10 184 272 2 13 66 932(59) 21 In der Verlustliste II werden noch drei weitere Zeitung“ und die „PostzeitungAugsburg“. Kürassiere 8 4 2 3 17 Namen genannt, die aber sonst nicht mehr 4 Zum Beispiel 4. Chevaulegers-Regiment für Ulanen 7 2 9 auftauchen. Kissingen (31. 7.), 6. Chevaulegers-Regiment Chevauleger 7 10 8 1 8 34 (5) (10.8.), 3. Eskadron des 3. Kürassier-Regi- Summe ments, 2. Artillerie-Regiment (12.8.) und 16 10 11 10 5 7 59 Kavallerie 14. Infanterie-Regiment (21.8.) 1. Art.-Rgt. 1 6 1 8 16 5 Heinrich Ranke, Acht Tage bei unseren Ver- wundeten in den entlegeneren Spitälern. 6 2. Art.-Rgt. 3 2 5 10 (4) Briefe an das Comité des Münchner Vereins 3. Art.-Rgt. 1 1 1 3 für verwundete und kranke Krieger, Mün- 4. Art.-Rgt. 1 2 3 (1) chen 1866. Summe 6 Eine solche letzte Meldung erschien in der 4 3 2 6 1 16 32 (5) Artillerie “Bayerischen Zeitung“, Nr. 266 (25.9.) über Unbekannt 1 1 3 7 12 das private Lazarett in Wasserlos/Alzenau. 7 Abdruck des Königlichen Ministerialerlasses Gesamt 176 246 23 203 278 4 13 99 1035 vom 7.12.1866. 85

Frank Wernitz Das bayerische Armee- denkzeichen von 1866 Symbol der kollektiven Ehrung einer besiegten Armee

Die militärischen Niederlagen hatten ge- Fragiles Heldentum gen Ende des Feldzuges von 1866 in der bayerischen Armee Resignation und Un- Je mehr Opfer ein Krieg fordert und je mut hervorgerufen. Aus diesem Grund größer die Kriegsmüdigkeit unter den Sol- – so ein Augenzeuge – sei die Stimmung daten wird, desto mehr muss in die Mo- in der Truppe „sichtlich getrübt durch die ral der Truppen investiert werden. Und je beständigen Rückzüge und Hin- und Hermär- häufiger die Kämpfer der Meinung sind, sche, es beständen viele Sympathien für Preu- man „verheize“ sie, desto mehr müssen sie ßen, denen das bayerische Heer an Zahl stets heroisiert werden. Voraussetzung dafür überlegen gewesen sei, die Führung sei teilwei- sind aber Erfolge und militärische Siege, se mangelhaft“ und „die Disziplin würde nicht ansonsten droht die Heroisierung zu ver- mit der nötigen Strenge gehandhabt […].“ In blassen. Diese symbolische Politik geriet diesem Zusammenhang verwies er auf ei- 1866 in eine Krise, weil die bayerischen nen einschlägigen Befehl des bayerischen Soldaten nicht als strahlende Sieger auf- Oberbefehlshabers, „weil die Mannschaf- treten konnten, vielmehr als Besiegte den ten bis in die späte Nacht herumkneipen Weg in die Garnison antreten mussten. und in den Straßen herumlaufen, so dass Aber auch der Monarchie konnten verlo- sie trotz aller Rasttage keine Strapazen am rene, „ihr Charisma als nicht ‚bewährt’ er- folgenden Tage ertragen können.“1 scheinen lassende […] Kriege gefährlich“ Die Kampfhandlungen in Unterfranken werden.4 endeten schließlich am 2. August mit ei- So trug die im Spätherbst 1866 auf Drän- nem Waffenstillstandsabkommen. Den gen des Kabinetts und zum Schutz gegen Preußen war es letztendlich gelungen, sich demokratische, sozialistische und nationa- ohne große Schlacht in den faktischen Be- listische Strömungen durchgeführte Reise sitz der Territorien nördlich des Mains zu des in seiner Souveränität gefährdeten bringen. Bayern hatte den siebenwöchigen Königs durch Franken – noch vor wenigen Waffengang verloren und 1035 Gefallene Monaten Kriegsschauplatz – maßgeblich zu beklagen.2 Das Heer „kehrte – mit mili- dazu bei, dass die „fatale Niederlage ge- tärischer Optik gesehen – in Unehren aus gen die Preußen“ nicht mehr Ludwig II. dem Krieg zurück.“3 angelastet wurde, sondern dem Oberkom- mandierenden Prinz Carl. Er „erschien 86 | Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen | 87 als Verlierer der Kampfhandlungen und Mutmaßlich vor diesem Hintergrund rich- jedoch nicht darunter, da sie der Etappe zu- henden Bestimmungen für den Erwerb die Minister waren die am Krieg eigent- tete der glücklose Feldherr Prinz Carl am zurechnen waren. Abschließend bat Lud- des Armeedenkzeichens vor, wobei er lich Schuldigen […].“ König Ludwig aber, 5. August 1866 aus seinem Hauptquartier wig um Vorschläge, wie die neue Medaille zwei der von Ludwig generell in der Etap- „eingehüllt in prächtigen Schein, glänzte Kitzingen ein Schreiben an den Kriegsmi- [sic] und das dazugehörige Band aussehen pe verorteten Festungsbesatzungen für an- als Held [..]“,5 da ihm die Anteilnahme nister Sigmund Freiherr von Pranckh, in solle.12 Offenkundig ging der König ganz spruchsberechtigt hielt. So sollte es allen am Schicksal der fränkischen Bevölkerung dem er darauf hinwies, dass „der vielfäl- selbstverständlich davon aus, dass sich Armeeangehörigen zuteil werden, die angerechnet und der Abschluss des mo- tig in der Armee laut werdende Wunsch nach das neue Denkzeichen an der von seinem deraten Friedensvertrages zugeschrieben einem Denkzeichen für den mit dem Waffen- Vater, König Maximilian II. im Jahre 1849 „ 1. […] zwischen dem 21ten Juni, dem wurde. stillstand wohl zu Ende gehenden Feldzug gestifteten Gedenkmedaille orientierte, Tage der Stellung des Heeres auf den Deshalb galt es, die militärische Niederla- nicht befremdend erscheinen“ mag. Gleich- die seinerzeit den während der Unruhen Kriegsfuß bis zu dem 2ten August, dem ge mit dem Ideal des soldatischen Hero- zeitig räumte er ein, „kein Freund von vie- in der Pfalz loyal gebliebenen bayerischen Tage des Waffenstillstandes in der mo- ismus zu versöhnen. Die Aufnahme eines len Ordensverleihungen“ zu sein, gab aber Armeeangehörigen und Militärbeamten bilen Armee wirklich Dienst geleistet ha- vergeblichen Opferganges in das kollek- zu bedenken, „daß die Berücksichtigung verliehen worden war.13 ben, tive Gedächtnis verbindet sich im Falle wie die Zurückweisung“ der nun von allen 2. welche zwischen dem 23ten Juli und einer heroisierten Niederlage nicht mit Seiten erhobenen Ansprüche auf Orden Das Werden einer Auszeichnung 2ten August im Ostkorps zum Schutz Ressentiments und Revanche, sondern seinem Ruf schaden könne.8 Obwohl der der Gränze wirklich verwendet waren, mit Ansprüchen auf Anerkennung und Prinz ein institutionalisiertes Verfahren Im Generalquartiermeisterstab, also dem 3. welche der Besatzung der Vesten Ma- Restitution.6 Anerkennungsformen, die der Ehrung9 ablehnte, sah er sich als ex- bayerischen Generalstab, der am 27. Au- rienberg und Rosenberg angehörten, einen zentralen Bestandteil der materiel- ponierter Vertreter des regierenden Hau- gust 1866 vom Kriegsministerium ange- 4. denjenigen, welche der Besatzung von len Kultur des Krieges darstellen und wie ses dennoch verpflichtet, seinen Soldaten wiesen worden war, „unter Vorlage co- Mainz angehörten, weil dieser Platz, we- kein anderes Objekt Ehre als Funktionsele- die gewünschte soziale Anerkennung in lorierter Zeichnungen von Mustern Vor- nigsten theilweise berannt war, weshalb der ment sozialer Wertschätzung symbolisie- Form einer Auszeichnung zukommen zu schlag zu machen“14, hatte man jedoch treugehorsamst Unterzeichnete mit Rück- ren, sind an Kriegsteilnehmer verliehene lassen und unterbreitete unter Verweis eigene Überlegungen angestellt, die am sicht auf die desfalls zur Zeit entgegenste- Orden und Ehrenzeichen,7 aber auch ein auf die international gängige Praxis, „daß 4. September 1866 in Wort und Bild vor- hende Bestimmung des Allerhöchsten Regulativ, über das Ehre als verhaltens- alle Staaten in den Kriegen der letzten 18 Jah- gestellt wurden. Auftragsgemäß wurden Handschreibens vom 25ten August dieß leitender Code innerhalb der soldatischen re […] Feldzugs- und Schlachtendenkzeichen zwar grafische Entwürfe zu einer Medail- Jahres hier besonderen unterthänigst An- Lebenswelt implementiert werden soll. bei jeder Gelegenheit und in ausgedehntestem le erarbeitet, daneben aber auch Skizzen trag dahin zu stellen, sich erlaubt, daß Mit der Verleihung einer Auszeichnung Maße vertheilten,“ folgenden Vorschlag: diverser Kreuze, da dieses Symbol „dem auch diesen Besatzungstruppen das Denk- war es folglich möglich, Desillusionie- „Die Stiftung eines allgemeinen Feldzugs- fast einstimmigen Wunsche des Heeres zeichen allergnädigst verliehen werden rungsprozessen Einhalt zu gebieten, da Denkzeichen’s würde in dieser Hinsicht mir entsprechen würde.“ Unter dem Hinweis, wolle.- dem einzelnen Soldaten auf diese Weise eine große Erleichterung verschaffen, indem dass sich „das Denkzeichen für 1813, 14 5. den Fahnen und Standarten der nach Anerkennung für seine Leistungen und dadurch auf manche Wunde über einen nicht und 15 dem Max-Josef-Orden anschließt“, Ziffer 1 mit 4 betreffenden Abtheilungen, sein Leiden gezollt wurde. Das Symbol erhaltenen Orden ein Pflaster gelegt werden sollte das Denkzeichen für den Feldzug endlich den der mobilen Armee beigegebe- der Wertschätzung sollte eine Investition würde.“10 Der Kriegsminister nahm diesen 1866 „dem Militär-Verdienstorden in Far- nen gewesenen Feldgeistlichen, Assis- in die Moral der Kriegsteilnehmer sein, Vorschlag gerne auf und wandte sich da- be des Bandes und Form des Kreuzes“ tenz-Aerzten, Feldpost-Beamten und den befriedend wirken und ein Zeichen der mit an König Ludwig II., der mit Schrei- ähneln. Um jedoch eine Verwechslung im Hauptquartier für die Dauer des Feld- Gemeinschaft wie auch der Unterschei- ben vom 25. August 1866 das von seinem mit dem von Ludwig II. am 19. Juli 1866 zuges aggregierten Civilbeamten.“16 dung sein, da es Gesten der Ehrerbietung Heerführer erbetene Armeedenkzeichen gestifteten Militär-Verdienstorden 5. Klas- und Respektbeweise von nicht dekorier- offiziell ins Leben rief.11 Allerdings, so der se – gemeinhin Militärverdienstkreuz König Ludwigs Anteil an der Gestal- ten Soldaten und Zivilisten einfordern König einschränkend, sollten nur diejeni- genannt – einerseits und dem Dienstaus- tung und den Verleihungsbestim- konnte. gen einen Anspruch auf das Ehrenzeichen zeichnungskreuz für 24 Jahre ande- mungen des Armeedenkzeichens Die bayerischen Soldaten hatten den Krieg haben, „welche den Feldzug mitgemacht d[as] rerseits auszuschließen, war die „innere nicht gewollt, aber was sie wollten, war i[st] an den Gefahren und Strapazen des Feld- Verzierung des Denkzeichens nach dem Eine Woche später erklärte sich Ludwig II. ihre Ehre, und so hofften die meisten von zuges theil genommen haben.“ Nach seiner Denkzeichen für 1813 gebildet.“15 damit einverstanden, dass „für das in Fra- ihnen auf die Einlösung einer patriarcha- Einschätzung fielen die Besatzungen der Am 15. September 1866 legte von Pranckh ge stehende Armeedenkzeichen die Form len Dividende, die ihnen ihrer Meinung unbewachten Festungen wie z.B. Ingol- neben den Entwurfszeichnungen auch eines Kreuzes gewählt worden“ war. Ob nach als Vaterlandsverteidiger zustand. stadt, Landau, Germersheim oder Mainz eine erste Fassung über die noch ausste- die Kreuzform des Ehrenzeichens an eine 88 | Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen | 89 mittelalterliche Ordensgemeinschaft erin- die Festung Rosenberg als „im Bereiche sich mit einer Bravour geschlagen, die selbst Das an die anspruchsberechtigten Kriegs- nern sollte oder als Hinweis auf das Got- der Kriegsoperationen gelegen“ ein und vom Feinde anerkannt wurde.“22 Der Kampf teilnehmer aller Ränge und sozialer Schich- tesgnadentum des Monarchen gedacht sah infolgedessen eine Würdigung ihrer der für den Krieg nur ungenügend gerüs- ten ausgegebene Armeedenkzeichen be- war oder sich als sog. „Ruppertkreuz“ mit Besatzungen mit dem Armeedenkzei- teten bayerischen Armee wurde nunmehr saß für die Beliehenen einen hohen sym- seinen in konvexer Rundung endenden chen als gerechtfertigt an.19 Am 29. Sep- in weit höheren Maße als tapfer angese- bolischen Wert, weil mit Erhalt dieser Aus- Armen auf den Apostel der Bayern – den tember 1866 billigte der König, dass auch hen, da sie im Hinblick auf einen militä- zeichnung nicht nur jene Leistungen und heiligen Rupert – bezog, muss aufgrund die Festungsbesatzungen von Mainz und risch gut geschulten und technisch weit Opfer honoriert wurden, die sie für König fehlender Quellen offen bleiben. Unstrittig Rosenberg einen Anspruch auf die Aus- überlegenen Gegner ein wenig kalku- und Vaterland unabhängig vom Ausgang bleibt aber, dass die Kreuzform generell zeichnung hätten.20 Noch im September lierbares, risikoreiches Wagnis einge- des Krieges erbracht hatten, sondern auch, einen christlich-religiösen Bedeutungsin- 1866 hatte man den Entwurf zu den Verlei- gangen war. Deshalb konnten die Kampf-, weil ihnen damit der Nimbus einer he- halt besitzt.17 hungsbestimmungen fertig gestellt21, die Durchhalte- und Opferbereitschaft ihrer roischen Gemeinschaft verliehen wurde. Allerdings gefiel dem König die Farb- in ihrer endgültigen Fassung am 6. Okto- Angehörigen den Kameraden und der Be- Die Reflexionen eines hohen bayerischen kombination des Bandes nicht, vielmehr ber 1866 von König Ludwig unterzeichnet völkerung als Vorbild dienen. Doch nur Offiziers über den Feldzug 1866 verliehen wünschte er, dass das Denkzeichen gleich wurden und damit Rechtskraft erhielten. jene, die eine auf diesen Krieg bezogene der Niederlage bereits die Züge einer fast dem Militär-Verdienstorden auch an ei- militärische Auszeichnung trugen, waren schon kanonisch werdenden Legende: nem blaugeränderten weißen Band ge- Der verlorene Krieg und die Kon- in der Lage, aus der Anonymität heraus- „[…] die bayerische Armee war während des tragen werden solle. Im Hinblick auf die struktion des Heroischen zutreten und als Feldzugsteilnehmer ge- ganzen Feldzuges in allen Gefechten auf sich von Pranckh aufgeworfene Anspruchsbe- genüber Zivilisten und nicht dekorierten allein angewiesen und hatte daher stets mit rechtigung der Festungsbesatzungen von Einen Anspruch auf das neue Armee- Soldaten aufzutreten. Dies bewog wohl einem an Zahl stärkeren, an Bewaffnung und Mainz und Rosenberg reagierte der König denkzeichen, das unter die Kategorie auch den württembergischen Oberstleut- Güte der Truppen keinesfalls schwächeren zurückhaltend: „Die Vorschläge bezüglich der Denk- und Erinnerungszeichen fiel nant von Suckow, der während des Krie- Gegner zu kämpfen. Wenn auch das Podewils- derjenigen, welche das Denkzeichen erhalten und unabhängig von individuellen Ver- ges als Verbindungsoffizier des VIII. Ar- gewehr in Defensivgefechten eine gewisse Ue- sollen, genehmige ich mit Ausnahme der Zif- diensten oder Taten verliehen wurde, meekorps dem bayerischen Hauptquartier berlegenheit an Schußweite und Treffähigkeit fer 4 und der Besatzung von Rosenberg. Bevor besaß folglich nur ein exakt definierter zugeteilt war, im Januar 1868 einen Antrag hatte, so zeigte sich dagegen beim Ergreifen der Ich Mich wegen der in Mainz und Rosenberg Personenkreis, der in einem bestimmten auf nachträgliche Verleihung des Armee- Offensive im Gefechte die Ueberlegenheit auf gewesenen Truppen entscheide, ist Mir genau- Zeitraum tatsächlich in der mobilen Ar- denkzeichens zu stellen: „So oft ich einen der Seite des Gegners durch das Schnellfeuer er Bericht über die Thatsachen zu erstatten, mee Dienst geleistet haben musste. Die bayerischen Soldaten mit dem Armeedenkzei- des Zündnadelgewehres; […]. Eine Armee, auf deren Grund das Kriegsministerium den Stiftung einer Auszeichnung nach dem chen für den Feldzug 1866 auf der Brust hier die sich unter solchen Verhältnissen tapfer Anspruch auf das Denkzeichen für begründet verlorenen Krieg stellte somit ein wichti- durchpassieren sehe, oder wo immer ich sonst und zähe schlägt und dabei keine Trophäe in hält.“18 Am 26. September 1866 legte die ges Element moralischer Kommunikation bayerischen Kameraden begegne – schmerzt die Hände des Feindes kommen läßt, nach je- Behörde einen Bericht des Gouverneurs wie auch monarchischer Symbolpolitik es mich stets, daß ich dieß Denkzeichen nicht dem Gefechte fähig und bereit ist, es auf’s neue der Festung Mainz vor, aus dem ersicht- dar. Ein kollektives Gedächtnis formt sich besitze, nicht als Kamerad mich Ihnen auswei- aufzunehmen, mag denn doch nicht gar so lich wurde, dass die Besatzung in Gefech- nie aus isolierten individuellen Sichtwei- sen kann. Zumal auch bei meiner jüngsten schlecht geführt worden seyn […], wenn auch te verwickelt war, „wobei es wenn auch sen, sondern wird durch Herrschafts- und Anwesenheit in München habe ich dieß aufs das Erringen entscheidender günstiger Erfolge wenige Todte und Verwundete gab, […].“ Deutungseliten erzeugt, die organisieren, Neue empfunden und hat sich der Wunsch nicht mit in die Wagschale geworfen werden Die Festung Rosenberg, so das Kriegsmi- wie mehrere Gruppen bestimmte Ereig- in mir wieder aufgedrängt, nicht von diesen kann.“25 nisterium weiter, „befand sich zwar dem nisse kollektiv erinnern, um die eigene gemeinschaftlichen Band ausgeschlossen zu äußeren Feinde gegenüber nicht in so Gruppenidentität aufrechtzuerhalten. Mit sein, welche Alle, die damals in der Reihe der Fazit ernster Lage,“ doch die Besatzung hatte der kollektiven Ehrung der Veteranen von tapferen bayerischen Armee gestanden sind, zu „alle Erschwernisse des Dienstes einer im Be- 1866 sollte nicht nur deren politische Lo- dauernder Erinnerung kameradschaftlich mit Die Verleihung der annähernd 80.000 reiche des Kriegstheaters gelegenen Festung zu yalität gesichert werden, sie war auch als einander verknüpft.“23 Armeedenkzeichen, darunter auch nach- ertragen, die sich steigerten, als eine sehr hef- Referenz an die soldatische Ehre gedacht. Am 15. Januar 1868 gab König Ludwig II. trägliche Verleihungen,26 kann deshalb tige Typhus-Epidemie […] ausgebrochen war, Dieses Muster wurde in einer Gedenkfeier dem Gesuch des württembergischen Stabs- als ein durchaus erfolgreiches integra- welche ihren Entstehungsgrund zum großen zu Ehren der im Feldzug 1866 gefallenen offiziers mit dem Vermerk „nur aus- tives Strategiemodell betrachtet wer- Theil in den strapaziösen Dienst“ fand. Ab- bayerischen Soldaten deutlich: „Die bayeri- nahmsweise“ statt,24 da die neue Dekora- den, obwohl das Ehrenzeichen keinerlei schließend stufte das Kriegsministerium schen Soldaten – das bleibt eine unantastbare tion ausschließlich bayerischen Soldaten ökonomischen Vorteil mit sich brachte die Festung Mainz als „berannt“ wie auch Wahrheit – haben wie Helden gekämpft und vorbehalten war. und auf symbolische Effekte beschränkt 90 | Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen Frank Wernitz: Das bayerische Armeedenkzeichen | 91 blieb. Es erwies sich aber gerade deshalb 8 Prinz Carl an den Kriegsminister von stützungsfonds. Zweite mit Ansätzen ver- als ein „Schlüsselsymbol“, das für die Gra- Pranckh, 5.8.1866. BayHStA, Abt. IV mehrte Auflage. Altötting (1867). S. 5. tifikation der Kriegsteilnehmer und ihre Kriegsarchiv M Kr. 3417, Bl. 1. 23 Oberstleutnant von Suckow an das Bayeri- 9 Vgl. Ludgera Vogt, Zur Logik der Ehre in sche Kriegsministerium, ohne Datum. kollektive Überhöhung konstitutiv war. der Gegenwartsgesellschaft: Differenzierung, BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv M Kr. 3417, Insbesondere die ab 1867 eingegangenen Macht, Integration. Frankfurt a.M. 1997. Bl. 255. Anträge auf nachträgliche Verleihung des S. 247. 24 König Ludwig II. an das Kriegsministerium, Armeedenkzeichens, die sich bis 1917 hin- 10 Prinz Carl an den Kriegsminister von 15.1.1868. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv Pranckh, 5.8.1866. BayHStA, Abt. IV 27 M Kr. 3417, Bl. 257. zogen , unterstreichen die hohe Akzep- Kriegsarchiv M Kr. 3417, Bl. 1. 25 [Franz Freiherr Gemmingen v. Massenbach], tanz, mit der die Monarchie und die von 11 König Ludwig an das Kriegsministerium, Ursachen und Wirkungen der Bayerischen ihr gewählte Form moralischer Kommuni- 25.8.1866. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv Kriegführung im Feldzuge 1866. München kation trotz des verlorenen Krieges rech- M Kr. 3417, Bl. 2. In dem daraufhin erstellten 1866. S. 35f. kriegsministeriellen Rundschreiben wurde 26 Bis zum vom 20.11.1866 waren 79.692 Armee- nen konnte. vorsorglich darauf hingewiesen, „dass die denkzeichen beantragt und verliehen worden weiteren allerhöchsten Bestimmungen über worden. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv diese Gründung nachfolgen.“ Abgedr. In M Kr. 3417, Bl. 46. Vgl. hierzu auch die Be- Orden, Ehren- und Verdienst-Zeichen, rechnungen v. Werner Bergmann, Walter Denk- und Dienstalters-Zeichen in Bayern. Hamm, Bayerns Anteil am Feldzug gegen

Nach urkundlichen Quellen bearb. v. G. Preussen im Sommer des Jahres 1866. Eine 1 Bericht des Ministerialrats Sigmund, der wäh- Knussert. München [1877]. S. 38. ordenskundliche Studie statistisch erfaßt, rend des Feldzuges als Zivilkommissar im 12 Ebd. kommentiert und illustriert. 1. Teil. Die Baye- bayerischen Hauptquartier tätig war. Zit. 13 Vgl. Georg Schreiber, Die Bayerischen rischen Kriegsauszeichnungen. Kirchenlamitz nach Oskar Bezzel, Geschichte des Königlich Orden und Ehrenzeichen. Hrsg. u. eingel. v. 1990. = Anmerkungen zur bayerischen Or- Bayerischen Heeres von 1825 mit 1866. Mit Alexander Freiherr von Reitzenstein. Mün- denskunde. S. 79-85, die von 72.123 bis 82.227 Unterstützung der Bayerischen Akademie chen (1964). = Bd. 1 der Publikationen des Verleihungen ausgehen. der Wissenschaften und der Notgemeinschaft Bayerischen Armeemuseums. S. 144. 27 Das letzte Gesuch auf nachträgliche erlei-V der deutschen Wissenschaft. München 1931. = 14 Kriegsministerium an den Generalquartier- hung des Armeedenkzeichens von 1866 reich- Geschichte des Bayerischen Heeres. Im An- meisterstab, 27.8.1866. BayHStA, Abt. IV te ein Oberstleutnant a.D. am 21.6.1917 schluß an einen früheren dienstlichen Auftrag Kriegsarchiv M Kr. 3417, Bl. 4. ein. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv M Kr. hrsg. v. Bayerischen Kriegsarchiv. Bd. 7. 15 Generalquartiermeisterstab an das Kriegsmi- 3418, Bl. 243. In einer Übersicht der seinerzeit S. 267. nisterium, 4.9.1866. BayHStA, Abt. IV Kriegs- beim Kriegsministerium vorhandenen na- 2 Vgl. den Aufsatz von Walter Hamm, Die archiv M Kr. 3417, Bl. 5. mentlichen Verzeichnisse der mit dem Ar- Toten der bayerischen Armee des Jahres 1866 16 Kriegsminister von Pranckh an König Lud- meedenkzeichen 1866 Beliehenen wird darauf in diesem Katalog. wig II., 15.9.1866. BayHStA, Abt. IV Kriegsar- hingewiesen, dass die Verzeichnisse im Jahre 3 Hermann Rumschöttel, ieW ein Phönix aus chiv M Kr. 3417, Bl. 7. 1867 aufgestellt wurden, und deshalb die mit der Asche. Die Geburt einer neuen bayeri- 17 Vgl. Eckart Henning, Dietrich Herfurth, Or- Denkzeichen Beliehenen zum Teil nicht im schen Armee nach dem Krieg von 1866. In: den und Ehrenzeichen. Handbuch der Phale- Verzeichnis ihres Stammtruppenteils erschie- Frankenland. Zeitschrift für fränkische Ge- ristik. Köln, Weimar, Wien 2010. S. 24. nen, dem sie während des Feldzugs angehört schichte, Kunst und Kultur. Sonderheft 2016. 18 König Ludwig II. an den Kriegsminister von haben, sondern bei dem Truppenteil ihrer S. 61-67, hier S. 62. Pranckh, 22.9.1866. BayHStA, Abt. IV Kriegs- Waffe, zu dem sie später versetzt wurden. 4 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. archiv M Kr. 3417, Bl. 7. A.a.O. Bl. 242. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tü- 19 Kriegsminister von Pranckh an König Lud- bingen 1972. S. 154. wig II., 26.9.1866. BayHStA, Abt. IV Kriegsar- 5 Felix Sommer, Psychiatrie und Macht. Leben chiv M Kr. 3417, Bl. 9. und Krankheit König Ludwig II. von Bayern 20 Ebd. im Spiegel prominenter Zeitzeugen. Frankfurt 21 Vgl. Entwurf der Königlich Allerhöchsten a.M., Berlin, Bern, Brüssel, New York, Oxford, Verordnung, die Gründung eines Armee- Wien (2009). = Europäische Hochschulschrif- Denkzeichens betreffend, September 1866. ten. Reihe III. Geschichte und ihre Hilfswis- BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv M Kr. 3417, senschaften Bd. 1062. (Zugleich Phil. Diss. Bl. 10. Heidelberg 2009). S. 43 f. 22 Zum Andenken an den bayerischen Feld- 6 Vgl. Aleida Assmann, Der lange Schatten zug 1866. Anrede bei der gottesdienlichen der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Feier zu Postmünster für die auf dem Feld Geschichtspolitik. München 2006. S. 114. der Ehre Gefallenen am 31. Dezember 1866 7 Ralph Winkle, Der Dank des Vaterlandes. von Andreas Bolhammer, Pfarrer in Post- Eine Symbolgeschichte des Eisernen Kreuzes münster. Zum Besten des Invaliden-Unter- 1914 bis 1936. Essen 2007. S. 11. 93

Tobias Hirschmüller Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Der Wandel der Erinnerungen an den Krieg von 1866 in Deutschland

Im Juni 1986 wurde aus Anlass des 120. stisch gepflegten Klischees. Dies ist auch Gedenkens an den so genannten „deut- daran zu erkennen, dass die Entwürfe schen Bruderkrieg“ von 1866 in Anwesen- für das Spiel auf den Karikaturisten Josef heit des Prinzen Leopold von Bayern eine Blaumeiser zurückgingen, der unter ande- limitierte Auflage einer Schachspielausga- rem für die Süddeutsche Zeitung und die be mit dem Titel „Die bayrische Revanche Münchner Abendzeitung zeichnete.2 auf dem Schlachtfeld“ vorgestellt.1 Das Die historische Forschung zur Erinne- Besondere an dieser Version des Brett- rungskultur an die Entstehung des Deut- spieles lag darin, dass sich als Gegner die schen Kaiserreiches konzentrierte sich Parteien des Krieges von 1866, Bayern und häufig auf Analysen des Gedenkens an die Preußen, figürlich gegenüberstanden. Auf Schlacht von Sedan am 2. September 1870 bayerischer Seite war die Spielfigur des oder die Reichsgründung am 18. Januar Königs dem die Künste liebenden Lud- 1871.3 Eine Berücksichtigung des Krieges wig II. nachempfunden und als „seine von 18664 oder gar noch zusätzlich des Königin“ fungierte Kaiserin Elisabeth von Deutsch-Dänischen Krieges5 als Teil des Österreich. Das gegnerische Schachheer Gesamtkomplexes des Einigungsgeden- wurde von König Wilhelm I. von Preu- kens findet seltener statt. Hingegen exi- ßen mit Königin Augusta geführt. Die stieren einige regionalgeschichtliche Dar- Turmfiguren der bayerischen Partei waren stellungen, die sich auf die Beschreibung den Türmen der Münchner Frauenkirche der örtlichen Denkmäler beschränken.6 nachempfunden, auf preußischer Seite Gegenstand dieser Untersuchung soll da- wurden sie vom Ministerpräsidenten Otto her ein Überblick der deutschen Erinne- von Bismarck verkörpert, der damit so- rungen in den vergangenen 150 Jahren an gar doppelt auf dem Schlachtfeld Präsenz die Ereignisse von 1866 sein, wobei es sich zeigen konnte. Dieses Schachspiel war in aus Platzgründen nur um einen Themen- den 1980er Jahren nicht mehr Ausdruck aufriss und keine erschöpfende Darstel- separatistischer Bestrebungen und damit lung handeln kann. Als Quellengrundlagen eines wirklichen politischen Gegensatzes dienten neben zeitgenössischem Schrift- zwischen den süddeutschen Ländern und tum die Äußerungen von politischen Ver- dem ohnehin nicht mehr existenten Preu- antwortungsträgern und Berichte zu Jah- ßen, sondern der Aufgriff eines humori- restagen aus der Tagespresse. 94 | Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee | 95

Bei der Beschäftigung mit dem Krieg von der die Bezeichnung „Deutscher Krieg“ heitlich von norddeutschen Autoren wur- wurde der Krieg als Mahnung verstanden, 1866 fällt auf, dass sich in der politischen, durchsetzen, die sich in der unmittelbaren de zum Ausdruck gebracht, dass nun die die Einheit des neuen Reiches zu wahren: gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Nachkriegszeit von 186615 herausgebildet Grundlagen für eine dauerhafte Stabili- „Zum letzten Male, so Gott will, haben Deut- Erinnerung in den letzten eineinhalb Jahr- hatte, unter anderem von Theodor Fonta- sierung der deutschen Verhältnisse ge- sche gegen Deutsche gefochten. Die Zeiten der hunderten keine einheitliche Namensge- ne 1870/1871 für seine mehrbändige Dar- schaffen seien. So hoffte der Rektor der unglückseligen Zersplitterung sind endlich bung durchsetzen konnte. Noch aus dem stellung16 aufgegriffen wurde und auch Friedrich-Wilhelms-Universität zu Ber- vorüber.“25 In den „Münchner Neuesten Kriegsjahr stammt die Rede vom verhäng- im Jahr 2000 in Heinrich August Winklers lin: „Möge eine neue, dauerhaftere Schöp- Nachrichten“ wurde 1891 anlässlich des nisvollen „Bruderkrieg“7 in Deutschland. „Der lange Weg nach Westen“17 wieder fung sich aus den Trümmern des zerfallenen 25. Jahrestages der Schlacht von König- Diese Charakterisierung, die eine Volkszu- Verwendung fand. Deutschlands erheben und aus der blutigen grätz vor dem Hintergrund der Erneue- sammengehörigkeit zum Ausdruck brin- In der Erinnerungs- und Festkultur des schmerzenreichen Saat die süße Frucht der rung des Dreibundes zwischen Deutsch- gen sollte, konnte sich sowohl bei Geg- Kaiserreiches konzentrierte sich die Er- Versöhnung in allen Herzen reifen, die für land, Österreich-Ungarn und Italien dar- nern der preußischen Politik als Vorwurf innerung an die so genannte Reichsgrün- Deutschlands Wohl und Ehre schlagen.“20 auf hingewiesen, dass die Kriegsgegner als auch bei den Befürwortern als Mah- dung auf die Schlacht von Sedan und die Von einem preußischen Autor des Jahres von einst nun die Garanten des Friedens nung, dass die Deutschen in Zukunft zu- Kaiserproklamation in Versailles. Damit 1866 wurde gar schon prophezeit, dass die in Europa geworden seien.26 sammenstehen sollten, etablieren. Ohne wurde der militärische Charakter der Deutschen nach der Niederlage der für Dezidiert kritische Stimmen blieben in Apostrophe ist die heute als antiquiert gel- Einigung als eine Leistung der Fürsten unfähig erachteten Habsburger unter den der Minderheit, wie bei dem Schriftstel- tende Bezeichnung nur in im besten Fall herausgestellt. Eine landes- oder später Hohenzollern bald in einem Machtstaat zu ler Wilhelm Hopf, der 1895 beklagte, dass populärwissenschaftlichen Beiträgen in reichsweite organisierte Erinnerung an die einer neuen kulturellen Blüte geführt wür- Deutschland seit 1866 „aus den Fieber- Periodika von Heimatvereinen anzutref- Ereignisse von 1866 wurde durch die po- den: „So viel ist aber gewiß, daß Deutschland schauern nicht mehr herauskommt“ und fen.8 In der „Allgemeinen deutschen Real- litischen Verantwortungsträger in Berlin, eine neue Bahn betritt, und unter Preußens die „geistige und leibliche Wohlfahrt der Encyklopädie“ wird 1867, ein Jahr nach abgesehen von beispielsweise der Sieges- Führung sich auch politisch unter die Cultur- Völker“ verhindere. Stattdessen forderte Kriegsende, vom Preußisch-Deutschen säule, kaum vorangetrieben. In das Bild Staaten Europas stellen darf.“ Die Gefalle- er ein neues Deutschland und ein neues Krieg9 geschrieben, da es sich um einen der gemeinsam von den Deutschen errun- nen seien für eine „weltgeschichtliche große Europa, in dem durch die „Wiederaner- Krieg des Deutschen Bundes gegen Preu- genen Einheit unter Preußens Führung Sache gestorben“, denn „dieser Krieg von kennung des Rechts“27 das Zusammen- ßen handelte. In der preußenzentrierten passte der Umstand nicht ganz, dass weni- 1866 wird zählen unter denen, die im wirkli- leben der Völker gestaltet werden sollte. Geschichtsschreibung kommt die Bezeich- ge Jahre zuvor noch in einem „Bruderkrie- chen Cultur-Interesse der Menschheit geführt Hierzu müssten nach Hopf die entstan- nung „deutsch-österreichischer Krieg“10 ge“ gegeneinander das Schwert gezogen wurden.“21 Dem Töten von Deutschen denen Geschichtsbilder revidiert werden: auf, um Preußen als Vertreter der deut- worden war. Hingegen war eine Gedenk- durch Deutsche wurde somit retrospektiv „Die kleindeutsche Geschichtslegende ist schen Angelegenheiten zu stilisieren. In kultur an die Gefallenen auf regionaler ein Sinn unterstellt, wenn ein nochmali- eben für alle diejenigen, die mit der Schöpfung der Geschichtswissenschaft wird von Ebene anzutreffen, wo an Orten auch klei- ger Waffengang gegeneinander nie mehr von 1866 als der endgültigen Lösung der deut- mehreren führenden Historikern an man- nerer Gefechte in den Folgejahren Denk- vorkomme und stattdessen das ersehnte schen Frage rechnen oder rechnen zu müßen chen Stellen nur vom „Krieg von 1866“ ge- mäler für die Toten errichtet wurden.18 gemeinsame Reich entstehe. Diese Sicht- glauben, immer noch viel zu unentbehrlich, als sprochen, wie etwa bei Lothar Gall, Otto Dabei waren sich die Zeitgenossen schon weise konnte nach der militärischen Nie- daß man ihre Zerstörung nicht möglichst hin- Pflanze oder Thomas Nipperdey.11 Der im Jahr 1866 der einschneidenden Folgen derlage Frankreichs und der in diesem halten und unschädlich machen sollte.“28 noch aus der Kaiserzeit stammende Be- der Ereignisse dieses Jahres bewusst. Der Zusammenhang gelungenen deutschen Während des Ersten Weltkrieges jährte griff „Einigungskriege“12 wird hingegen Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Nationalstaatsgründung die Deutungsho- sich der Deutsche Krieg zum 50. Mal, und von Wolfram Siemann13 in der Forschung Ketteler beispielsweise schrieb 1867 beun- heit behaupten. Die Gefallenen beider Sei- die bei Königgrätz verfeindeten Dynasti- angewendet, was aber umstritten ist, da ruhigt über den Ausgang der Ereignisse: ten des Krieges von 1866, „dessen blutige en standen als Verbündete einer europä- dieser Terminologie unterstellt wird, sie „Wir sehen einen Weg voll innerer Kämp- Saat für Deutschland herrliche Früchte ischen Mächtekonstellation gegenüber. suggeriere ein gezieltes Hinarbeiten Preu- fe, voll der Schmach und des Verderbens trug“22, seien in ihren Gräbern wieder ver- Daher fiel die Erinnerung an den Jahrestag ßens auf eine deutsche Einheit.14 Schul- für unser deutsches Vaterland vor uns; wir eint.23 Ihr Opfer habe die Grundlage für von politischer Seite und in der Tagespres- geschichtsbücher in der Bundesrepublik sehen aber auch noch Wege, die uns retten die deutsche Einheit geschaffen. So hieß se eher gering aus. Eine Person, die sich in spiegeln – unabhängig von der Schulart können.“19 Deswegen forderte er neben ei- es bei Max Jähns, Hauptmann und Leh- den Vorkriegs- und Kriegsjahren intensi- – seit Jahrzehnten diese Heterogenität ner weiteren Einbeziehung von Österreich rer an der Königlichen Kriegsakademie in ver öffentlich mit dem Jahr 1866 beschäf- wider. Am häufigsten konnte sich jedoch in die deutschen Angelegenheiten die Berlin: „In Versailles wurde das Reich auf den tigte, war der junge Redakteur Theodor in den Unterrichtsbüchern wie in der For- Festigung des christlichen Glaubens als Kaisernamen getauft; aber bei Königgrätz, da Heuss, der zwei für ihn entscheidende As- schung und im Journalismus immer wie- Konsequenz des Kriegsausganges. Mehr- ist die Stätte seiner Geburt.“24 Gleichzeitig pekte bei Bismarck hervorhob. Zum einen 96 | Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee | 97 sah er es schon vor 1914 als die vielleicht tionalversammlung die Offerte der Öster- des Reichspräsidenten, die Fahne der NS- zum Kampf antreten lassen.“45 Als Hitler größte politische Leistung des Minister- reichischen Nationalversammlung „das DAP und die schwarz-weiß-rote parallel dann seinen Eroberungskrieg in die Tat präsidenten an, dass er 1866 gegen den Band, das die Gewalt 1866 zerrissen hat, zu den neuen offiziellen deutschen Ho- umzusetzen begann, meinte er anlässlich Monarchen und die Generäle das unterle- wieder neu zu knüpfen“35. In der Vorstel- heitssymbolen zu erklären: „Heute vollzieht der Besetzung Dänemarks und Norwe- gene Österreich schonte.29 Diese Sichtwei- lung rechtskonservativer und völkischer sich mit der Hissung von Hakenkreuzfahnen gens prophezeien zu können: „So wie aus se vertrat Heuss auch während des Ersten Kreise sollte hingegen durch den „An- endlich die innere Überwindung des ‚Hl. Rö- dem Jahr 1866 das Reich Bismarcks entstand, Weltkrieges30 und versuchte somit 1916 in- schluss“ die Wiederherstellung einer he- mischen Reiches Deutscher Nation’, die Über- so wird aus dem heutigen Tag das Großgerma- direkt für einen Verständigungsfrieden zu gemonialen Großmachtstellung begrün- windung von 1866, die Zertrümmerung von nische Reich entstehen.“46 werben. Auch Gustav Stresemann erklär- det werden. Im nationalsozialistischen Ge- 1919.“42 Der Leiter des Reichsinstitutes für Reichspropagandaminister Joseph Goeb- te im Oktober 1918 vor dem Hintergrund schichtsbild besaß die Reichsgründung die Geschichte des neuen Deutschlands, bels hatte über Bismarcks Politik im Jahr des Sturzes von Erich Ludendorff, dass den Charakter einer Vorstufe zum ange- Walter Frank, wollte die „Ueberwindung 1866 in sein Tagebuch notiert: „Das zeigt man an Bismarcks mäßigender Friedens- strebten „Dritten“ Deutschen Reich. So von 1866“43 durch die Zusammenarbeit am besten die einsame Größe dieses Ge- politik am Ende des Deutschen Krieges sehr Hitler die Einigung der Deutschen der deutschen und österreichischen Uni- nies und ist deshalb auch heute am ak- die Notwendigkeit erkennen könne, dass als eine Leistung Bismarcks hervorhob, versitäten vorantreiben. Als Ziel galt ihm, tuellsten.“47 Daher ließ er noch am Vor- sich die Politik gegenüber dem Militär letztlich handelte es sich für ihn um ei- dass durch gesamtdeutsche Geschichts- abend des Kriegsausbruches einen Film in durchsetzen müsse.31 nen „Etappenschritt“, bei dem das damals betrachtungen der geistige Weg für einen Auftrag geben, in dem die Jahre von Bis- Eine weitere „entscheidende Leistung für politisch Mögliche erreicht wurde. Der „Anschluss“ Österreichs an das Reich marcks Ministerpräsidentschaft bis zum die deutsche Geschichte“ im Jahre 1866 Ausschluss Österreichs sei eine Voraus- geebnet werden sollte. Insbesondere die Deutschen Krieg dargestellt werden soll- sah Heuss in den verfassungsrechtlichen setzung für die „Genesung des Reiches“36 Arbeiten von Heinrich Ritter von Srbik ten. Mit dem Schauspieler Paul Hartmann Folgen, da mit der Gründung des Nord- gewesen, dürfe aber nicht dauerhaft beste- besaßen hierbei einen Vorbildcharakter. in der Hauptrolle konnte der Film mit deutschen Bundes, mit Reichstag, Bun- hen bleiben. Demgegenüber hob sich die Die realpolitische Überwindung von 1866 dem Titel „Bismarck“ nach dem Sieg über desrat und dem Kanzler „schon der Rah- Sichtweise von Alfred Rosenberg insofern glaubte man schließlich 1938 erreicht, als Frankreich ab Dezember 1940 in den deut- men des politischen Lebens und der Kraft- ab, als dieser die Reichsgründung nicht als die ersehnte Angliederung Österreichs schen Kinos präsentiert werden. Bismarck verteilung vorhanden“32 war. Im Jahr Werk Bismarcks, sondern Moltkes ansah. umgesetzt werden konnte. wird in dem Streifen als weitsichtiger, ent- 1919 erklärte Heuss in seiner Darstellung Königgrätz konnte wie Sedan für Rosen- Da Hitlers Ambitionen a priori auf einen schlossener, aber letztlich besonnener Po- „Deutschlands Zukunft“ Bismarck dann berg nicht als Sieg des preußischen Mini- Krieg hinausliefen, hatte er seine militä- litiker in den Jahren 1862 bis 1866 stilisiert, sogar zum „Revolutionär“ des Jahres 1866, sterpräsidenten, sondern vielmehr als der rischen Absichten gegenüber der UdSSR der als Vertrauensperson des preußischen „denn, was die Monarchisten leicht ver- des Generalstabschefs gepriesen werden.37 schon vor dem „Anschluss“ im Novem- Königs die Voraussetzungen dafür schafft, gessen, er hat ein paar deutsche Throne Die Schuld für den Krieg von 1866 und die ber 1937 in einer Besprechung gegenüber dass Moltke die Preußen bei Königgrätz umgeworfen“.33 Eine zentrale Position verhinderte Einbeziehung der Deutschen Wehrmachtsfunktionären und der Staats- zum Sieg führen kann. Das eigentliche konnte er mit seinen Thesen in den Kon- in Österreich wurde auch in der national- führung mitgeteilt. Der „Führer“ war sich Kampfgeschehen der Schlacht wird in troversen um geschichtliche Deutungsho- sozialistischen Zeit den Fürsten38 und „der der Gefahr einer solchen Unternehmung dem Film nur schemenhaft mit Rauchwol- heit weder als Journalist im Kaiserreich Eigenart des österreichischen Staatswe- bewusst, erklärte aber sein Anliegen als ken und Kanonendonner am Horizont an- noch als Politiker in der Weimarer Repu- sens“39 zugeschrieben. Den Prager Frie- historische Notwendigkeit, denn letztlich gedeutet. Die gesamte Szene bleibt gemäß blik erzielen.34 den40 und die darauffolgende Verständi- seien auch Bismarcks Kriege gegen Öster- dem historistischen Geschichtsbild des Die von Heuss ebenfalls fokussierte Zu- gungspolitik mit Wien interpretierte man reich und Frankreich von „unerhörtem Ri- Nationalsozialismus, dass nur große Füh- sammenführung aller Deutschen in einem dahingehend, dass in Bismarck „der groß- siko gewesen“.44 Auch den Pakt mit dem rerpersönlichkeiten die Geschicke eines Staatsgebilde und damit das Ende der deutsche Gedanke“ von Anfang an gelebt faschistischen Italien versuchte er in einer Volkes gestalten könnten, in der Perspek- Trennung von Österreich blieb hingegen und nur „die realpolitische Möglichkeit zu Reichstagsrede anlässlich des sechsten tive des Feldherrenhügels gefangen. Ver- ein Ziel, welches sowohl von Demokraten dessen Verwirklichung“41 gefehlt habe. Jahrestages der „Machtergreifung“ am wundete oder gar gefallene Soldaten wer- wie Republikfeinden anvisiert wurde. In Im Zuge des Prozesses der nationalso- 30. Januar 1939 mit den Ereignissen des den nicht gezeigt. Bismarck darf, nachdem der Intention der republikanisch geson- zialistischen Machtfestigung in den Jah- Jahres 1866 historisch zu untermauern: er Wilhelm I. für einen maßvollen Frieden nenen politischen Parteien sollte dadurch ren 1933 und 1934 wurde immer wieder „Die deutschen Stämme einten sich im gewonnen hat, zu seinem König sagen, die Herstellung eines demokratischen durch Repräsentanten des neuen Regimes Deutschen Reich, die italienischen Staaten dass der Friede von Nikolsburg mehr als deutschen Volksstaates vollendet wer- betont, dass sich nun in Deutschland eine im Königreich Italien. In einem Jahr, 1866, nur Frieden bringe: „Er legt das Funda- den. So begrüße Friedrich Ebert 1919 in historische Wende vollziehen werde. So hat das Schicksal beide Völker sogar mit- ment für die deutsche Einheit. Nie wie- seiner Eröffnungsrede der Weimarer Na- schrieb Alfred Rosenberg über den Erlass einander für ihre staatliche Neugestaltung der werden Deutsche gegeneinander das 98 | Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee | 99

Schwert ziehen.“48 Somit wird der Mythos war, ein erneuter Krieg hierfür aber abge- Folgen der Krieg von 1866 für die deut- geschrieben. Auch wenn Alfons Goppel aus dem Kaiserreich weitertradiert. lehnt wurde. sche Geschichte und somit die Gegenwart angesichts von Meinungsverschiedenhei- Nach der Wende des Zweiten Weltkrieges Die mäßigende Politik Bismarcks, wie sie habe. Hermann Proebst, Chefredakteur ten über die Geldverteilung unter den zu Ungunsten Deutschlands eignete sich schon einige Jahre zuvor von Theodor der Süddeutschen Zeitung, kommen- Ländern formulierte: „Was Bismarck 1866 der Krieg von 1866 im Gegensatz zu ande- Heuss als Journalist und Politiker heraus- tierte beispielsweise, dass es sich zwar begonnen hat, wird 1966 vollendet“, lau- ren Ereignissen der deutschen Geschichte gestellt wurde, bildete einen der zentralen um eine „‚deutsche Frage’ – vor hundert tete ein ironisch entwarnender Kommen- nur bedingt für Durchhalteparolen. Bei- Aspekte im Jahr 1966, als sich die Ereig- Jahren“ gehandelt habe. Doch waren für tar des Journalisten Erich Helmensdorfer spielsweise erklärte Hitler gegenüber dem nisse zum 100. Male jährten. So schrieb ihn die „alten Wunden“ von 1866 „längst hierzu: „Heute schießen sich die Bayern ungarischen Reichsverweser Miklós Hor- der Journalist Paul Sethe, es habe sich um vernarbt“ zumal in zwei Weltkriegen viel keinen Preußen mehr, obwohl sie scharf thy im April 1943, dass die Preußen bei einen „Sieg ohne Mißbrauch“51 gehandelt. Schlimmeres geschehen sei. Allerdings geladen sind.“61 Aus dem Deutschen Krieg Königgrätz in einer schwierigen Lage die Als Lehre aus dem Jahr 1866 wurde nun setze „jede gesamtdeutsch entworfene Po- sei mittlerweile ein „behäbiges Militär-Ta- Nerven behalten hätten. Daraus folgerte unter anderem diese gezogen: „Am Ende litik selbst unserer Tage […] immer noch bleau aus dem ganz späten Biedermeier“62 der Diktator: „Um 6 Uhr nachmittags konnte einer hundertjährigen Epoche, die un- das Bismarck-Reich als eine Zwischen- geworden, konstatierte auch der Passauer sich Moltke seine berühmte Zigarre anzünden, glücklich für uns ausging, kann es für alle stufe, die einmal geschichtliche Realität Kirchenhistoriker Benno Hubensteiner. da die Krise überstanden war. Diese Erwägun- Deutschen nur die Lehre geben, den Frie- gewesen ist, ungefähr voraus.“ Dies stel- Eine Ausnahme bildete das Gedenken in gen gelten auch für die jetzige Lage.“49 den zu wahren.“52 le die Frage danach, wie es einer Nation Niedersachsen, wo mit Kranzniederlegun- Im Jahr 1955 kam der unter der Regie von Auch in der regionalen Erinnerungskultur gelinge, die Erinnerung an geschichtliche gen, Feierstunden, Vorträgen und Emp- Helmut Käutner entstandene Film „Lud- spiegelte sich die Friedensintention wider. Ereignisse zu integrieren.59 Auch Ernst fängen an den Untergang des Königrei- wig II. – Glanz und Ende eines Königs“50 Die fränkische Stadt Gräfenberg beging Deuerlein stellte fest: „Wer im Jahre 1966 ches Hannover erinnert wurde. Nicht nur in die bundesdeutschen Kinos. In dem beispielsweise ein „Waffenstillstandsfest“. glaubwürdig, weil überzeugt, die Wie- die Welfen vertraten die Auffassung, dass Film wird eine Unterredung zwischen Dieses war innerhalb des Stadtrates zu- derherstellung der politischen Einheit des das „Unrecht von 1866“ bis heute nicht dem von O. W. Fischer gespielten bayeri- nächst umstritten, da ein Teil der Ratsmit- deutschen Volkes fordert, ist verpflichtet, vergessen sei.63 Auch in der „Hannover- schen König und dem preußischen Mini- glieder keinen Grund zum Feiern sah. Als eine historisch haltbare Einstellung ge- schen Allgemeinen Zeitung“ wurde kom- sterpräsidenten Otto von Bismarck, ver- Anlass wurde schließlich das Waffenstill- genüber dem Jahr 1866 einzunehmen.“ mentiert, dass der Name Königgrätz „mit körpert durch Friedrich Domin, wieder- standsgesuch eines bayerischen Obersten Deuerlein gab dabei zu bedenken, dass einem tragischen Kapitel europäischer gegeben. Die historischen Persönlichkei- an den Großherzog Friedrich Franz von das Ergebnis des „Deutschen Krieges“ in Selbstzerfleischung“ verbunden sei. Das ten waren sich im Jahr 1863 begegnet, als Mecklenburg-Schwerin am 31. Juli 1866 der DDR als „Erste deutsche Teilung“ ge- Ergebnis sei „die Absage und zugleich Ludwig noch Kronprinz war. Aus drama- genommen. Dieses hatte dazu geführt, wertet werde. Für ihn zeigte die „Konfron- der moralische Todesstoß“ für ein Staa- turgischen Gründen wurde die Szene ins dass vor Ort bereits vor dem offiziellen tation des Jahres 1966 mit dem Jahr 1866“ tensystem gewesen, das „ungeachtet aller Jahr 1866, an den Vorabend des Deutschen Waffenstillstand die Kampfhandlungen die Schwierigkeiten der Deutschen im Schwächen einer europäischen Völker- Krieges, verlegt. Der als friedliebend und eingestellt wurden.53 Umgang mit ihrer Geschichte als Folge union entgegenfieberte“ und damit einer die Künste fördernd dargestellte Monarch Zwar kam in der Tagespresse auch immer des Nationalsozialismus. Die Meinungs- „Idee, die heute ebenso brandaktuell ist, wird dabei einem machtbewussten, aber wieder der Spruch auf, dass Hitler Öster- verschiedenheiten über die Beurteilung wie sie gestern war“.64 verständnisvollen Bismarck gegenüberge- reichs Rache für Königgrätz54 gewesen sei. des Jahres 1866 beruhten für Deuerlein in Ministerpräsident Otto von Bismarck wur- stellt. Der Preuße lehnt den Krieg hier Der bayerische Ministerpräsident Alfons der gegensätzlichen Beurteilung der na- de als die entscheidende Person des Jahres ebenso ab wie der König, weiß aber, dass Goppel gestand jedoch ein, dass Öster- tionalen Frage, denn während „die über 1866 wahrgenommen, denn er „allein war die Zeit der deutschen Kleinstaaterei vor- reich, an dessen Seite Bayern gekämpft den Ausgang des Jahres 1866 Enthusias- die bewegende Kraft, der die Dinge, die bei ist und von der „Natur“ die Aufgabe hatte, nicht minder schuld am Krieg von mierten in der Hinwendung zur Nation da kommen sollten, lenkte und, sobald gestellt wird, sie in einem „neuen Gefäß“, 1866 gewesen sei.55 Von 1866 könne man ein säkulares Ereignis sehen“, was weder sie Gestalt annahmen, zu den von ihm dem Deutschen Reich, zu einigen. Wenn- lernen, so Goppel weiter, dass ein geeintes im Heiligen Römischen Reich deutscher gewollten Zielen führte“65. Dabei fanden gleich die beiden feststellen müssen, dass Europa nur miteinander und auf föderaler Nation noch im Deutschen Bund erreicht vor allem seine diplomatischen Fähigkei- sie keine Freunde werden können, verab- Grundlage geschaffen werden könne.56 worden sei, „bezeichnen die über das Jahr ten im Sinne eines Maßhaltens gegenüber schieden sie sich doch mit gegenseitiger In der Tagespresse stand zudem neben 1866 Bestürzten den nationalen Gedanken dem unterlegenen Gegner Zustimmung. Achtung. Die Szene verdeutlicht, dass in der Darstellung der Kampfhandlungen als die große Versuchung, der die Völker Mehrheitlich abgelehnt wurde die These, der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft des Deutschen Krieges57 und der Wieder- erlagen“.60 dass von 1866 ein Weg zu 1945 führe. So der Wunsch nach der Überwindung der gabe von Quellenberichten von den Er- Eine politische Nachwirkung wurde dem kommentierte Hans Rothfels: „Im Jahr erneuten deutschen Teilung vorhanden eignissen58 die Frage im Zentrum, welche Krieg jedoch mehrheitlich nicht mehr zu- 1866 hat sich vieles entschieden, aber ganz 100 | Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee | 101

6 Horst Großmann, Klaus Stoll, Die Schlacht gewiß nicht das, was 1914 und 1918 oder der Vergleich dem Urheber mehr Auto- Reaktion des Publikums meinte Welke ab- bei Langensalza am 27. Juni 1866 und die gar 1933 und 1945 geschehen sollte.“66 rität nimmt, als ihm der Witz Zuspruch winkend: „Kleiner Historikerwitz.“ Beschreibung der Denkmäler und Gräber, Auch Golo Mann verwahrte sich dagegen, widerfahren lässt. So kommentierte bei- Wie in den Jahren nach dem Krieg wird Bad Langensalza 2009. Bismarck wegen der Entscheidung des spielsweise 1976 der CSU-Politiker und in der Gegenwart die Erinnerung an den 7 Franz Huber: Der deutsche Bruderkrieg anno 1866. Chronologische Geschichte der Ereig- Jahres 1866 alles anzulasten, was seither in Vizepräsident des Deutschen Bundesta- Deutschen Krieg in der Region durch die nisse und Nöthe von Land und Leuten, Mün- der deutschen Geschichte schief gegangen ges, Richard Jaeger, vor dem Hintergrund Pflege der einstigen Ehren- und Sieges- chen 1866. sei.67 der drohenden Aufkündigung der Frak- denkmäler für die Gefallenen fortgeführt. 8 Beispielsweise: Manfred Schneider, Schlacht- Der Historiker Werner Frauendienst, tionsgemeinschaft der Unionsparteien in Im Unterschied zu den früheren Epochen felder im Deutschen Bruderkrieg. Die letzten Tage – was Chroniken darüber berichten. der in der Zeit des Nationalsozialismus Wildbad Kreuth, dass ein „Bruderkrieg“ gelten die steinernen Überreste dabei nicht In: In Kreuzwertheim durch das Jahr 2006, im Sachverständigenbeirat für die For- niemandem nutze und nur ein gemeinsa- mehr allein als Mahnmal gegen einen er- S. 127–183. Martin Weigand, Der Bruderkrieg schungsabteilung Judenfrage im Reichs- mer Generalstab von Vorteil sei.69 Peter neuten deutschen „Bruderkrieg“, sondern von 1866 (bearbeitet nach der Chronik der institut für Geschichte des neuen Deutsch- Gauweiler (CSU), ehemaliger bayerischer gegen Krieg im Allgemeinen. Pfarrei Wirtheim). In: Gelnhäuser Heimat- Jahrbuch 2005. Jahreskalender für Familie land fungiert hatte, schrieb in der „Welt“, Umweltminister, versuchte 1991 die For- und Heim in Stadt und Land zwischen Vo- dass Bismarck wohl 1866 keine andere derung nach Ausdehnung seiner Partei gelsberg und Spessart, S. 71–72. Möglichkeit geblieben wäre, als einen in die neuen Bundesländer damit zu un- 9 Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für Krieg zu führen, um die deutsche Frage ei- termauern, dass die Bayern und Sachsen die gebildeten Stände. Conversations-Lexi- kon, 12. Band, Leipzig 186711, S. 88. ner Lösung näher zu bringen. Er kritisierte schließlich 1866 bei Königgrätz gemein- 1 Schach-Revanche gegen Preußen. In: Der Spiegel, 9. 4.1986. 10 Hugo Elm, Der deutsch-österreichische Krieg ebenfalls, dass Bismarcks Politik viel zu sam gegen die Preußen gekämpft hätten. 2 Anneliese Blaumeiser, Michael Blaumeiser, 1866. Der Jugend und dem Volke erzählt negativ bewertet werde, fügte dabei hinzu: Allerdings waren bei dieser Schlacht keine Der Zeichner Josef Blaumeiser. Menschen, (= Vaterländische Bücherei), Stuttgart 1891. „Zumal seit dem Zusammenbruch von 1945 bayerischen Truppen anwesend. Die Kom- Tiere, Illusionen, München 1998. 11 Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revoluti- onär, Frankfurt am Main–Berlin–Wien 19815, versuchten die ‚Umerzieher’ und Revisionisten mentatorin der „Zeit“ meinte dazu: „Über 3 Etwa: Franz Schellack, Sedan- und Kaiser- geburtstagsfeste. In: Öffentliche Festkultur. S. 364. Thomas Nipperdey, Deutsche Ge des deutschen Geschichtsbildes und die heuti- solche Anzüglichkeiten der Geschichte Politische Feste in Deutschland von der schichte 1866-1918. Zweiter Band: Machtstaat gen Kritiker der Bismarckschen Reichsgrün- kann der Bayer sich amüsieren.“70 In dem Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg. vor der Demokratie, München 19953, S. 16. dung den Geschichtsverlauf nachträglich we- Jahr von Gauweilers Zitat jährte sich der Hrsg. von Dieter Düding, Peter Friedemann Otto Pflanze,ismarck. B 1: Der Reichsgründer, München 1997, S. 296–321. nigstens im Sandkastenspiel zu korrigieren.“68 Deutsche Krieg zum 125. Mal. Neben der und Paul Münch, Reinbek bei Hamburg 1988 (= Rowohlts Enzyklopädie. Kulturen und 12 Otto Müller, eutschlandsD Einigungskriege Solche noch vom Nationalsozialismus Schilderung der regionalen Ereignisse in Ideen), S. 278–297. Edgar Wolfrum, Ge- 1864, 1866 und 1870–1871, Berlin 19073. geprägten Stellungnahmen blieben aber Heimatkundeblättern71 bedauerte der Au- schichtspolitik in der Bundesrepublik 13 Wolfram Siemann, Vom Staatenbund zum im 100. Erinnerungsjahr die Ausnahme. tor Bernd Häußler in der „Frankfurter Deutschland. Der Weg zur bundesrepublika- Nationalstaat. Deutschland 1806–1871 (Neue Deutsche Geschichte, 7), München 1995, Eine Medienpräsenz wie im Jahr 1966 Allgemeinen Zeitung“ zentral den Verlust nischen Erinnerung 1948–1990, Darmstadt 1999, S. 258–267. S. 415–419. konnten in den darauffolgenden 50 Jah- der Eigenständigkeit der einstigen „Freien 4 Sebastian Schubert, Abschied vom National- 14 Karl Heinrich Höfele, Königgrätz und die ren der Deutsche Krieg und mit ihm die Stadt“.72 Diese Betonung des Föderalis- staat? Die deutsche Reichsgründung 1871 in Deutschen von 1866. In: Geschichte in Wis- Schlacht von Königgrätz nicht mehr erlan- mus im deutschen Staatsaufbau verdeut- der Geschichtspolitik des geteilten Deutsch- senschaft und Unterricht 17 (1966), S. 393-416, hier S. 393. gen. Die Abläufe der politischen Einigung licht die mittlerweile gänzlich eingetretene lands von 1965 bis 1974. In: Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Ge- 15 Beispielsweise: Lüdde [ohne Vorname]: Ge- der Deutschen im 19. Jahrhundert sind Abkehr vom Machtstaatsgedanken. schichtspolitik in Deutschland. Hrsg. von denkblätter des deutschen Krieges im Som- mittlerweile aus dem kollektiven Gedächt- Für „antipreußische“ Ressentiments ist Heinrich August Winkler, Göttingen 2004, mer 1866. Für das deutsche Volk, insbeson- nis zu einem großen Teil verschwunden. der Kampf des Jahres 1866 als Aufhän- S. 230–264, hier S. 237–242. dere Preußens Krieger zusammengestellt, Berlin 1866. Auch wenn das ZDF 2008 die Schlacht in ger nicht mehr relevant. Im Jahr 2016 hat 5 Unter anderem bei: Tobias Hirschmüller, „Wegbereiter und Mahner zur Einheit 16 Theodor Fontane, Der deutsche Krieg von Nordböhmen am Rechner als Animation der Deutsche Krieg wohl auch die Facette Deutschlands“? Der „Eiserne Kanzler“ und 1866. I. Band: Der Feldzug in Böhmen und für die Folge „Bismarck und das Deut- eingebüßt, dass man über ihn Witze ma- die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik. In: Mähren. 1. Halbband: Bis Königgrätz, Berlin sche Reich“ aus der Serie „Die Deutschen“ chen kann, denn zu viele Menschen ha- Die Deutsche Gesellschaft und der konserva- 1870. 2. Halbband: Königgrätz. Bis vor Wien, Berlin 1870. II. Band: Der Feld- noch einmal „wiederbelebt“ hat. ben keine Kenntnisse mehr über ihn. Am tive Heroe. Der Bismarckmythos im Wandel der Zeit. Hrsg. von Markus Raasch, Aachen zug in West- und Mitteldeutschland, Berlin In der Politik ist die Erinnerung an den 29. April 2016 kommentierte Oliver Welke 2010, S. 221–257, hier S. 243–250. Jörg Koch, 1871. Gegensatz zwischen Nord und Süd im in der Satiresendung „Heute Show“, dass Von Helden und Opfern. Kulturgeschichte 17 Heinrich August Winkler, Der lange Weg Jahr 1866 in den wenigen vorhandenen die österreichischen Volksparteien bei der des deutschen Kriegsgedenkens, Darmstadt nach Westen. Erster Band: Vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weima- Fällen nur noch eine humoristische Einla- letzten Bundespräsidentenwahl „ihr Wa- 2013, S. 36–102. Meinhold Lurz, Kriegerdenk- mäler in Deutschland. Einigungskriege. rer Republik, München 2000, S. 178. ge, die noch dazu selten zur Anwendung terloo beziehungsweise ihr Königgrätz“ Band 2, Heidelberg 1985, S. 125–144, 168–174 kommt. Denn es besteht die Gefahr, dass erlebt hätten. Nach der zurückhaltenden und S. 370–375. 102 | Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee Tobias Hirschmüller: Vom „Bruderkrieg“ zum Klischee | 103

18 Fontane, Der deutsche Krieg I, 2 (wie Anm. Vereinigung der Kunstfreunde 3 (1915/16), Serie D: 1937–1941. Band I. Von Neurath zu schichte. „Majestät gewinne den Feldzug“. In: 16). Hier die Aufzählung der bis 1870 errich- Nr. 1/2 Januar/Februar, S. 1–6, hier S. 2. Ribbentrop (September 1937 – September Die Welt, 2.7.1966. teten Denkmäler im Anhang. 33 Theodor Heuss, Deutschlands Zukunft, Stutt- 1938), Baden-Baden 1950, S. 29. 58 Eduard Hanslick, Kriegsschauplatz arten-W 19 Wilhelm Emmanuel von Ketteler: Deutsch- gart 1919, S. 6. 45 Rede von in der Reichstagssit- berg, 1866. In: Süddeutsche Zeitung, land nach dem Krieg von 1866, Mainz 1867, 34 Zum Geschichtsbild von Theodor Heuss: zung vom 30. Januar 1939. In: Verhandlungen 2./3.7.1966. Fritz Woock,Am Tag, als die S. IV. Tobias Hirschmüller, Der Liberale und die des Reichstags. Stenographische Berichte. IV. Preußen kamen… Was am 30. Juni 1866 in der 20 Alexander Braun, Gedächtnissrede, gehalten Vergangenheit. Theodor Heuss und das Wahlperiode. Band 459, Berlin 1938, S. 126. Zeitung stand – Heeresbericht nicht ungüns- am 3. August 1866 auf der Königlichen Fried- deutsche Geschichtsbild (= Ernst-Reuter- 46 Tagebucheintrag von Alfred Rosenberg vom tig. In: Münchner Merkur, 25./26.6.1966. rich-Wilhelms-Universität, Berlin 1866, S. 22. Hefte 6), Berlin 2015. 9.4.1940. In: Das politische Tagebuch Alfred 59 Proebst, Königgrätz (wieAnm. 55). 21 Johann Eduard Schüller, Bruder-Krieg? Nein! 35 Friedrich Ebert: Rede zur Eröffnung der Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und 60 Ernst Deuerlein, Königgrätz im Spiegel der Prinzipien-Kampf!, Berlin 1866, S. 30. Verfassungsgebenden Nationalversammlung, 1939/40. Hrsg. von Hans-Günther Seraphim, Gegenwart. Konsequenzen aus der Einstel- 22 Maximilian Jägerhuber, Der Tag von Kissin- Weimar, 6.2.1919, in: Friedrich Ebert. Schrif- München 1964, S. 126. lung zu 1866. Die Frage nach der nationalen gen. Zur 25jährigen Gedächtnisfeier des 10. ten, Aufzeichnungen, Reden. Mit unveröffent 47 Tagebucheintrag von Joseph Goebbels vom Einheit. Bismarcks Politik der Aussöhnung. Juli 1866, Bad Kissingen 1891, S. 16. lichten Erinnerungen aus dem Nachlaß. 22.9.1939. In: Die Tagebücher von Josef Goe- In: Bayernkurier, 2.7.1966. 23 Emil Ullrich, Rede gelegentlich der Gedächt- Zweiter Band. Hrsg. von Friedrich Ebert bbels. Teil I. Aufzeichnungen 1923–1941. Band 61 Erich Helmensdorfer, Das letzte Gefecht. Vor nisfeier der Schlacht von Helmstadt am 25. Junior, 1926, S. 153. 7: Juli 1939–März 1940. Im Auftrag des Insti- 100 Jahren schossen die Bayern auf die Preu- Juli 1866. Vorgetragen am Samstag den 25. 36 Aussage von Adolf Hitler vor dem Amtsge- tuts für Zeitgeschichte / München hrsg. von ßen. In: Die Zeit, 4.3.1966. Juli 1891 in der Pfarrkirche von Helmstadt, richt München am 7.5.1929. In: Hitler. Reden, Elke Fröhlich, München 1998, S. 117. 62 Hubensteiner, 1866 (wie Anm. 55). Würzburg 1895, S.13 Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis 48 Wolfgang Liebeneiner (Regie): Bismarck 63 „Unrecht von 1866“ ist nicht vergessen. Wel- 24 Max Jähns, Die Schlacht von Königgrätz zum Januar 1933. Band 3: Zwischen den Reichs- (1940). DVD Koch Media GmbH, Planegg fen erinnern an Hannovers Ende. In: Donau- zehnjährigen Gedenktage des Sieges, auf tagswahlen. Juli 1928 – September 1930. 2004. kurier, 25./26.6.1966. Grund der gesamten einschlägigen Litera- Teil 2: März 1929 – Dezember 1929. Hrsg. und 49 Aufzeichnung zwischen dem Führer und 64 Hans-Ulrich Engel, Das Verhängnis von tur, Leipzig 1876, S. 500. Ähnlich auch: Justus kommentiert von Klaus A. Lankheit, Institut Reichsverweser von Horthy im Schloss Kleß- Königgrätz. Zum 100. Jahrestag der Schlacht. Scheibert, Der Krieg in Deutschland im Jahre für Zeitgeschichte/München, München u. a. heim am 17.4.1943 nachmittags.In: Staats- In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. Feuil- 1866. Wohlfeile Volksausgabe, nach dem gro- 1994, S. 253–254. männer und Diplomaten bei Hitler. Vertrau- leton, 30.6.1966. ßen Generalstabswerke (= Die Kriege von 37 Alfred Rosenberg, Bismarck, das Deutsche liche Aufzeichnungen über Unterredungen 65 Otto Bernstorf, 1866. Bismarcks waghalsige 1864, 1866, 1870/71 in wohlfeiler Bearbeitung Reich und die Juden. In: Völkischer Beobach- mit Vertretern des Auslandes 1942-1944. Hrsg. Politik. „Durch Eisen und Blut“ schuf der nach den Großen Generalstabswerken, II), ter/Münchner Ausgabe, 22.5.1921. von Andreas Hillgruber, Frankfurt am Main preußische Ministerpräsident und spätere Berlin 1889, S. 156. Wilhelm von Voß, Die 38 Werner Stephan, Der Feldzug der vier Wo- 1970, S. 260. Reichskanzler die deutsche Einheit. In: Kriege 1864 und 1866. Auf Grund urkundli- chen. 1866 – von der Gegenwart aus gese- 50 Helmut Käutner (Regie): Ludwig II. – Glanz Münchner Merkur Magazin, 2./3.7.1966. chen Materials sowie der neuesten Forschun- hen. In: Das Reich. Deutsche Wochenzeitung, und Ende eines Königs (1955). DVD Kinowelt 66 Hans Rothfels, Die erste deutsche Teilung. gen und Quellen (= Preußen-Deutschlands 15.6.1941. Die deutsche Sehnsucht nach dem Home Entertainment, Leipzig 2010. Bismarck und die Entscheidung von 1866. In: Kriege von der Zeit Friedrichs des Großen bis Reich. In: Völkischer Beobachter/Norddeut- 51 Paul Sethe, Sieg ohne Missbrauch. Bismarck Stuttgarter Zeitung, 2.7.1966. auf die Gegenwart. Militär-politische Ge- sche Ausgabe. Zweites Beiheft, 16.1.1934. E. verbündet sich mit dem geschlagenen Öster- 67 Golo Mann, Königgrätz – ein deutscher Bru- schichte in Einzeldarstellungen), Berlin 1912, von Reventlow, 18. Januar 1871. In: Völ- reich. In: Die Zeit, 15.7.1866. derkrieg. In: Die Zeit, 1.7.1966. S. 294. kischer Beobachter/Norddeutsche Ausgabe, 52 1866. Der letzte deutsche Bruderkrieg? In: 68 Werner Frauendienst, Die deutsche Uhr rich- 25 Hermann Kunz: Der Feldzug der Mainarmee 18.1.1941. Epoca. Eine Europäische Zeitschrift, Juni tiggestellt? In: Die Welt, 2. 7.1966. im Jahre 1866, Berlin 1890, S. 230. 39 Franz Ferenz, Zur Beurteilung der Gesamtpo- 1966. 69 Richard Jaeger, Was nützt uns ein Bruder- 26 Zum 3. Juli! In: Münchner Neueste Nachtrich- litik Bismarcks, in: Nationalsozialistische 53 Gerhard Tomkowitz, Seit 100 Jahren: af-W krieg. Ein Plädoyer für die Einheit der Union. ten, 3.7.1891. Erziehung, 20.1.1934. fenruhe mit den Preußen. Die fränkische In: Die Zeit, 26.11.1976. 27 Wilhelm Hopf, Die deutsche Krisis des Jahres 40 Förster [ohne Vorname]: Der Friede zu Prag. Stadt Gräfenberg feiert das Ende des 66er- 70 Nina Grunenberg, Sturm im bayerischen 1866 vorgeführt in Actenstücken, Aufzeich- Zum Geschichtsunterricht im 7. Schuljahr. In: Kriegs / Lebkuchen fürs Volk. In: Süddeutsche Maßkrug. Das Aufbegehren der CSU gegen nungen der quellenmäßigen Darstellungen, Nationalsozialistische Erziehung, 22.8.1936. Zeitung, 26.7.1966. Helmut Kohl verrät mehr Ohnmacht als Rich- Melsungen 18992, S. VIII. 41 Reventlow, E. von: 18. Januar 1871, in: Völ- 54 Etwa: Werner Paul, 1866. In: Echo der Zeit, tungssinn, in: Die Zeit, 10.5.1991. 28 Hopf, Die deutsche Krisis (wie Anm. 27), kischer Beobachter/Norddeutsche Ausgabe, 10.7.1966. 71 Beispielsweise: Schneider, Schlachtfelder im S. IX. 18. Januar 1941. 55 Alfons Goppel, Bayern und das Jahr 1866, in: Deutschen Bruderkrieg (wie Anm. 8). 29 Theodor Heuss, Bismarcks Porträt (Zum 1. 42 Alfed Rosenberg, Das Werden des Deutschen Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 72 Bernd Häußler, Die letzten ageT der „Frei- April). In: Neckar-Zeitung, 1.4.1912. Nationalstaates. In: Völkischer Beobachter/ 29 (1966), S. 680–688, hier S. 682. en Stadt“ Frankfurt. Vor 125 Jahren wurde 30 Theodor Heuss, Nikolsburg. Zum 27. Juli. In: Norddeutsche Ausgabe, 12./13.3.1933. 56 Goppel, Bayern und das Jahr 1866 (wie Anm. der Stadtstaat von Preußen okkupiert. In: Die Hilfe. Wochenschrift für Politik, Literatur 43 Walter Frank, Die Ueberwindung von 1866. 53), S. 686. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.7.1991. und Kunst, 27.7.1916. Ein Nachwort zu den Reden Heinrich von 57 Hermann Proebst, Von Frankfurt nach König- 31 Gustav Stresemann: Ludendorffs Abschied Srbiks an der Universität Berlin. In: Völkischer grätz. Die „deutsche Frage“ – vor hundert (31. Oktober 1918). In: Gustav Stresemann. Beobachter/Norddeutsche Ausgabe, 3.3.1936. Jahren. In: Süddeutsche Zeitung, 2./3.7.1966. Reden und Schriften. Politik – Geschichte – 44 „Hoßbach-Protokoll“. Niederschrift über Benno Hubensteiner, 1866. Der Armee ein Literatur. 1897–1926. Hrsg. von Hartmuth die Besprechung in der Reichskanzlei, Berlin, Denkmal. Eine bayerische Erinnerung an den Becker, Berlin 20082, S. 131. 5.11.137. In: Akten zur Deutschen Auswär- Deutschen Krieg 1866. In: Münchner Merkur, 32 Theodor Heuss, Zehn Jahre nach dem Krieg tigen Politik 1918-1945. Aus dem politischen 25./26.6.1966. Walter Görlitz, Griff in die Ge- 1870/71. In: Der Kunstfreund: Zeitschrift der Archiv des deutschen Auswärtigen Amts. Katalog 107 Soldaten im Foto-Atelier

In den 1860er Jahren erlebte die Fotografie eine erste große Blütezeit. Viele Künstler und Vertreter der grafischen Gewerbe sattelten damals um. 1864 bestanden allein in München nicht weniger als 84 gewerbliche „Photo-Ateliers“. Auch wenn der Konkurrenzkampf dafür sorgte, dass diese Zahl stark zurückging und erst nach 1890 wieder übertroffen wurde, zeigt sie, welche Nachfrage gerade damals nach der neuen Technik bestand.

Es war erstmals auch für Normalverdiener aus den bürgerlichen Schichten möglich, Bil- der von sich anfertigen zu lassen, auf diese Weise ihr individuelles „Selbstbild“ zu repro- duzieren und als eine Art von Visitenkarte zu verteilen. Eine gesellschaftliche Gruppe, die in dieser Zeit fotografisch sehr gut dokumentiert ist, waren die Offiziere der Armee.

Die Bilder zeigen diese Männer, wie sie sich zeigen wollten und wie es die technischen Grenzen der Studiofotografie erlaubten. Auffällig ist die zumeist betont lässige, „coole“ und selbstbewusste Haltung, die sie einnehmen, was bei den langen Belichtungszeiten gar nicht so einfach war. Absichtlich offen gelassene Knöpfe und zerknautschte Mützen sollen bei vielen der Herren eine gewisse Distanz zur militärischen Disziplin signalisie- ren. Altersunterschiede bei gleichem Rang, betonte Eleganz der einen und „Understate- ment“ der anderen spiegeln die Heterogenität des bayerischen Offizierskorps.

Der Vergleich dieses Männlichkeitsbildes um 1865 mit der durchweg strammen Haltung und korrekten Uniform von Offizieren auf Fotos um 1900 zeigt den Kulturwandel, der hier stattgefunden haben muss.

Heute existieren noch viele tausende von Portraitaufnahmen bayerischer Offiziere in den Sammlungen des Bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt und des Kriegsarchivs in München. Hier ist eine nicht repräsentative, aber charakteristische Auswahl von 32 solcher Portraits zu sehen, auf denen sich Offiziere präsentieren, die zur Zeit des Krieges von 1866 aktiv waren. Manche dienten bereits seit Jahrzehnten, andere machten später Karriere, einige ließen ihr Leben in diesem Feldzug. 108 | Prolog Prolog | 109

Emil Dillmann Rudolph Deininger Maximilian Feder Carl Freiherr von Lottersberg im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Oberleutnant im im Krieg von 1866 Hauptmann im Genie-Regiment (Pioniere). 4. Artillerie-Regiment, verstorben als 14. Infanterie-Regiment, verstorben am 2. Artillerie-Regiment 1898 Generalmajor und Direktor des Hauptmann im 1. Artillerie-Regiment am 3. Oktober 1866 in Würzburg an den Fol- Hauptlaboratoriums in Ingolstadt 18. Oktober 1870 im Deutsch-Französi- gen seiner Verwundung im Gefecht von schen Krieg an den Folgen seiner im Tref- Roßbrunn fen von Orleans erlittenen Verwundung

Fotografie von C. Probst, Nürnberg 1866, Fotografie von J. F. Maurer, Landau/Pfalz 1864, Fotografie, München 1867 Fotografie von Hesselbach, Würzburg 1867 10,2 x 6,2 cm 10,5 x 6,1 cm 10,1 x 6,1 cm 10,1 x 6,1 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.1086 Bay. Armeemuseum, PSlg.792 Bay. Armeemuseum, PSlg.1784 Bay. Armeemuseum, PSlg.3401 110 | Prolog Prolog | 111

Otto Frank Adolph Büttner Franz von Liel Albert Ermarth

Junker im 1. Kürassier-Regiment, im im Krieg von 1866 Hauptmann im im Krieg von 1866 Oberleutnant à la suite, im Krieg von 1866 Unterleutnant im Krieg von 1866 Unterleutnant 9. Infanterie-Regiment zuvor beim 1. Kürassier-Regiment 4. Chevaulegers-Regiment

Fotografie von Franz Neumayer, München 1862 Fotografie 1864 Fotografie 1862 Fotografie von M. Keller, Augsburg 1866 10,3 x 6,3 cm 10,4 x 6,1 cm 10,5 x 6,1 cm 10,3 x 6,1 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.2185 Bay. Armeemuseum, PSlg.368 Bay. Armeemuseum, PSlg.3095 Bay. Armeemuseum, PSlg.1578 112 | Prolog Prolog | 113

Carl Fink Carl Manz Carl Leeb Carl Mühlbaur im Krieg von 1866 Major (seit 5. Juli 1866) im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Unterleutnant im im 4. Infanterie-Regiment 7. Jäger-Bataillon, gefallen im Deutsch- 7. Infanterie-Regiment 7. Infanterie-Regiment; gefallen im Französischen Krieg am 11. Oktober 1870 Deutsch-Französischen Krieg am bei Orleans 8. Dezember 1870 bei Beaugency

Fotografie von P. S. Cramer, Nürnberg 1862 Fotografie 1866 Fotografie von Franz Neumayer, Fotografie 1863 10,3 x 6,6 cm 9,6 x 5,9 cm München 1866, 10,0 x 6,1 cm 10,2 x 6,5 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.1944 Bay. Armeemuseum, PSlg.3770 Bay. Armeemuseum, PSlg.2818 Bay. Armeemuseum, PSlg.4621 114 | Prolog Prolog | 115

Adolph Morgenroth Heinrich Leeb Eduard von Lutz Franz von Faust im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Generalmajor und im Krieg von 1866 Generalmajor und Infanterie-Leibregiment 2. Infanterie-Regiment Kriegsminister, am 1. August 1866 Kommandeur der 7. Infanterie-Brigade, zurückgetreten, auf dem Foto noch gefallen bei Roßdorf am 4. Juli 1866 Oberst und Kommandeur des 2. Infante- rie-Regiments

Fotografie von Franz Neumayer, München 1866 Fotografie von Otto Reitmayer, München 1867 Fotografie von H. Holz, München 1863 Fotografie von H. Holz, München, ohne Datum 9,9 x 6,2 cm 10,4 x 6,4 cm 10,6 x 6,4 cm 10,0 x 6,2 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.4558 Bay. Armeemuseum, PSlg.2785 Bay. Armeemuseum, PSlg.3479 Bay. Armeemuseum, PSlg.1775 116 | Prolog Prolog | 117

Eugen Albert Franz Freiherr von Lindenfels Carl Fels Theodor Clarman von Clarenau im Krieg von 1866 Hauptmann im im Krieg von 1866 Hauptmann im im Krieg von 1866 Rittmeister im im Krieg von 1866 Unterleutnant im 10. Infanterie-Regiment 5. Infanterie-Regiment 2. Ulanen-Regiment 15. Infanterie-Regiment, gefallen im Gefecht bei Zella am 4. Juli 1866

Fotografie, 1870 Fotografie 1864 Fotografie von H. Mathaus, München 1862 Fotografie von K. Mathaus, München, 1859 10,0 x 6,4 cm 9,6 x 6,2 cm 10,3 x 6,2 cm 8,9 x 5,6 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.79 Bay. Armeemuseum, PSlg.3153 Bay. Armeemuseum, PSlg.1861 Bay. Armeemuseum, PSlg.498 118 | Prolog Prolog | 119

Maximilian Mühlbaur Johann Dorn Edmund von Morett Anton von Lilien im Krieg von 1866 Oberleutnant im im Krieg von 1866 Oberleutnant im im Krieg von 1866 Oberleutnant im im Krieg von 1866 Unterleutnant im 10. Infanterie-Regiment 7. Infanterie-Regiment, „im Gefechte bei 2. Ulanen-Regiment, auf dem Foto noch 6. Chevaulegers-Regiment Roßbrunn während eines Gespräches mit Unterleutnant im 1. Chevaulegers- dem späteren Generalmajor Karl Leuch- Regiment tenstern gefallen“, 26. Juli 1866

Fotografie 1862 Fotografie 1866 Fotografie von S. Cramer, Nürnberg 1860 Fotografie 1865 10,3 x 6,4 cm 10,2 x 6,5 cm 9,8 x 6,0 cm 10,1 x 6,2 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.4630 Armeemuseum, PSlg.1277 Bay. Armeemuseum, PSlg.4546 Bay. Armeemuseum, PSlg.3122 120 | Prolog Prolog | 121

Joseph Fiedler Eduard von Lilier Friedrich Bürklein Max von Klenze im Krieg von 1866 Unterleutnant im während des Krieges von 1866 Kadett im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Oberleutnant im 1. Jäger-Bataillon, gestorben in Würzburg im Kadetten-Corps, Sohn des Eduard 1. Infanterie-Regiment, gefallen als Infanterie-Leibregiment an seiner im Gefecht bei Helmstadt von Lilier, Major im 5. Chevaulegers- Hauptmann im Deutsch-Französischen erlittenen Verwundung, 25. September Regiment Krieg in der Schlacht von Sedan, 1866 1. September 1870

Fotografie 1866 Fotografie von A. Feil, München 1864 Fotografie von Franz Neumayer, München 1866 Fotografie von Franz Neumayer, München 1864 9,4 x 5,6 cm 10,3 x 6,3 cm 10,4 x 6,0 cm 10,5 x 6,1 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.1930 Bay. Armeemuseum, PSlg.3136 Bay. Armeemuseum, PSlg.330 Bay. Armeemuseum, PSlg.2469 122 | Prolog Prolog | 123

Ludwig Maillinger Joseph Freiherr von Leonrod Karl Freiherr von Feilitzsch Ludwig Möllinger im Krieg von 1866 Hauptmann im im Krieg von 1866 Rittmeister im im Krieg von 1866 Unterleutnant im im Krieg von 1866 Hauptmann im 8. Infanterie-Regiment 1. Kürassier-Regiment 4. Infanterie-Regiment 15. Infanterie-Regiment

Fotografie von J. F. Maurer, Landau 1864 Fotografie von Gustav Sölch, München 1864 Fotografie von A. Russler, 1864 Fotografie von Franz Neumayer, München 1864 10,3 x 6,1 cm 10,5 x 6,0 cm 10,0 x 6,2 cm 10,0 x 6,1 cm Bay. Armeemuseum, PSlg.3628 Bay. Armeemuseum, PSlg.2936 Bay. Armeemuseum, PSlg.1830 Bay. Armeemuseum, PSlg.4487 125 Die Revolution von 1848/49

Die Revolution des Jahres 1848 erstrebte die Schaffung eines deutschen Nationalstaa- tes auf der Grundlage einer liberalen Verfassung. Was zu diesem Deutschland gehören sollte, war durchaus unklar. Das Gebiet des Deutschen Bundes umfasste einerseits nicht alle Deutschen, andererseits lebten dort, vor allem im österreichischen Kaiserstaat, auch zahlreiche Menschen nichtdeutscher Nationalität.

Allerdings wollten die Einzelstaaten und vor allem ihre Dynastien keinen zentralisierten Nationalstaat. Die europäischen Großmächte zogen die Ordnung des Wiener Kongres- ses mit einem schwachen Deutschen Bund ohnehin einer neuen Machtbildung in Mittel- europa vor.

Vom Mai 1848 bis 1849 bestand in Frankfurt am Main eine aus allgemeinen Wahlen her- vorgegangene Nationalversammlung. Es gelang diesem Parlament aber nicht, die exeku- tive Macht wirksam an sich zu ziehen und sich als Machtfaktor in Europa durchzusetzen.

Ludwig I. von Bayern war der einzige Monarch, der abdanken musste, und dies vor allem, weil ihm der Skandal um Lola Montez über den Kopf wuchs.

Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe

Die Germania der Paulskirche

Die Figur der Germania diente als Sinn- Es befand sich dort in Blickrichtung der bild des einigen Deutschland. Unter dem Abgeordneten und erinnerte sie an ihre Eindruck der Revolution erklärte der Bun- wichtigste Aufgabe: die Herstellung der destag am 9. März 1848 die Farben der staatlichen Einheit Deutschlands. Die deutschen Nationalbewegung Schwarz- gesprengte Fessel symbolisiert das Ende Rot-Gold zu den Farben des Bundes. In aller Untertänigkeit. Reminiszenz an das 1806 untergegangene Heilige Römische Reich nahm er zugleich den Doppeladler als Wappen an. Das Original, auf dünnem Nesseltuch Germania, Gemälde von Philipp Veit, 1848 gemalt, hing 1848 in der Paulskirche in (Reproduktion), Maße in der Ausstellung 405 x 205 cm, Originalmaße 484 x 319 cm Frankfurt am Main, also im Tagungsraum Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, des ersten deutschen Nationalparlaments. Inv.-Nr. Gm 608 126 | Die Revolution von 1848/49 Die Revolution von 1848/49 | 127

Die Geliebte des Königs: Lola Montez muss aus München Lola Montez (1821-1861) fliehen, 11. ebruarF 1848

In München wurde das „Privatleben“ des einzugehen. Die Begünstigung durch den Das Verhältnis Ludwigs I. mit Lola Mon- 20. März 1848 zugunsten seines Sohnes Königs zum Stein des Anstoßes für Unru- König, der ihr schließlich den Titel einer tez und deren provozierendes Auftreten Maximilian auf den Thron. hen. „Gräfin von Landsfeld“ verschaffte, erreg- in der Öffentlichkeit führten zum offe- Das satirische Flugblatt stellt die Vorgänge Als „spanische Tänzerin“ mit dem Künst- te allgemeinen Unwillen. nen Konflikt zwischen dem König und aus Sicht der Münchener Bürger dar. lernamen „Lola Montez“ erregte Elizabeth der Münchner Bürgerschaft. Lola Montez Rosanna Gilbert, die Tochter eines Schot- musste fluchtartig die Stadt verlassen. ten und einer Irin, in Europa Aufsehen. Zurück blieb ein König, dessen Autorität „Erinnerungsblatt an die Ereignisse vom 9., 10. „Gräfin von Landsfeld (Lola Montez)“ und 11. Februar 1848 in München“, Lithografie, Ab 1846 lebte sie in München, wo es ihr Stahlstich von Rohrich um 1850, 24 x 18,5 cm. entscheidend geschwächt war. Nach wei- 53,5 x 34,5 cm. gelang, ein Verhältnis mit König Ludwig I. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0172-2009 teren Unruhen verzichtete Ludwig I. am Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0393-2008 128 | Die Revolution von 1848/49 Die Revolution von 1848/49 | 129

Ein bayerischer Freiwilliger in Schleswig-Holstein, 1848

Der Konflikt um Schleswig-Holstein löste in Deutschland eine Welle der Sympathie Barrikadenkampf in Wien 1848 für die „Elbherzogtümer“ aus, die zur Bil- dung von Freiwilligenverbänden führte. Im Oktober 1848 kam es in Wien zu einem Ein solches Freikorps befehligte Ludwig Volksaufstand, der von der Armee in blu- von der Tann, damals Major in der bayeri- tigen Kämpfen niedergeworfen wurde. schen Armee. Bei Hoptrup in Nordschles- Das war ein Signal, das in ganz Deutsch- wig gelang ihm am 7. Juni 1848 ein erfolg- „Von der Tann schlägt die Daenen bei Hoptrup land den Kräften der Reaktion Auftrieb „Die Einnahme der Barrikaden in der Leopold- reiches Gefecht gegen die Dänen. am 6. Juny 1848 (Morgens um 3 Uhr)“ ten gab. In Berlin stellten preußische Truppen stadt, Neue Gasse, am 28 October 1848.“ Das Bild zeigt, wie von der Tann mit sei- Kreidelithografie von J. Eberhardt nach einem Radierung, mit Wasserfarben koloriert; Aquarell von Feodor Dietz, „Aus dem König im November die Autorität des Königs 20,5 x 31,5 cm nen Mitstreitern dänische Reiter in die Ludwigs Album“, München 1850; 40,5 x 53 cm wieder her. Bay. Armeemuseum Inv.-Nr. N 5065.9 Flucht schlägt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6250 130 | Die Revolution von 1848/49 Die Revolution von 1848/49 | 131

„Eure Dienste zum Schutze des Gesetzes“

Gefecht bei Eckernförde, 1849 In einem sogenannten „Armee-Befehl“ bungen als Rechtsbruch. Er appelliert an wandte sich der preußische König an seine Königstreue und Patriotismus der Trup- Bei Eckernförde an der schleswigschen Armee, um den Soldaten den Sinn ihres pen, indem er einen Bogen zu den Frei- Ostküste unternahmen dänische Kriegs- Einsatzes zu erklären. heitskriegen von 1813-1815 spannt. Bibel- schiffe am 5. April 1849 einen Landungs- Nachdem in Wien und Berlin die Monar- zitate bekräftigen die Pflicht zur Erhaltung versuch, wurden dabei aber von den chen ihre Autorität mit Gewalt durchge- der rechtmäßigen Obrigkeit. Geschützen der Küstenverteidigung ma- setzt hatten, war es im Mai 1849 zu neuen növrierunfähig geschossen. Aufständen in Sachsen, der bayerischen Erinnerungsblatt mit dem Preußischen Armee- Als die Besatzung des Linienschiffes Lithografie von Wilhelm Heuer 1848, teilkoloriert, Pfalz und in Baden gekommen. Dagegen befehl vom 16. Mai 1849, Lithografie von H. von gedruckt bei Ch. Fuchs in Hamburg; Dirke, Saarlouis 1849, mehrfarbig gedruckt, „Christian VIII.“ das Schiff verließ, explo- 30,5 x 42 cm wurde die preußische Armee erneut mobi- 53 x 39 cm dierte es unter ungeklärten Umständen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 317.a lisiert. Der König bezeichnet diese Erhe- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0019-2003 132 | Die Revolution von 1848/49 Die Revolution von 1848/49 | 133

Bayerns Militär als Teil des Deutschen Bundes-Heeres

Vom Sommer 1848 an wurde die „Deutsche Kokarde“ in schwarz-rot-gold zusätzlich zur weiß-blauen bayerischen Kokarde an den Kopfbedeckungen befestigt. Auch an den Feldzeichen der verschiedenen Kontingente des Bundesheeres wurden schwarz-rot-gol- dene Fahnen- und Standartenbänder angebracht. Bereits 1851 wurden diese Zeichen der deutschen Einheit wieder entfernt.

Kasket mit Bundeskokarde

Bundeskokarde für Mützen Bundeskokarde für Tschakos Das „Kasket“, ein Lederhelm mit einer voluminösen „Raupe“, wurde in der bay- Diese aus Tressenband zum Kreis gelegte Die aus Textil- und Metallschnüren ge- erischen Armee bereits seit 1800 getragen Kokarde sollte an den im täglichen Dienst wickelte Kokarde war vermutlich zum und entwickelte sich zu ihrem Marken- getragenen Schirmmützen angenäht wer- Anstecken an die Tschakos der Jäger- zeichen. Das Modell von 1832 spiegelt in den. Bataillone vorgesehen. seiner Form die Begeisterung für die grie- chische Antike besonders deutlich wider. Obwohl seit 1845-48 eine neue Variante Kasket Modell 1832 für Offiziere der Infanterie Bundeskokarde für Mützen, Bayern 1848, Bundeskokarde für Tschakos, Bayern 1848, unter der Bezeichnung „Raupenhelm“ ein- mit Bundeskokarde aus bemaltem Blech, Bayern Tressenband aus Textil- und Metallgespinst, Schnur aus Textil- und Metallgespinst, 1848-51; Leder, vergoldetes Messing, Bärenfell, Durchmesser 2,6 cm Durchmesser 5 cm geführt wurde, trugen viele Offiziere die Höhe ca. 30 cm Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1962 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1963 älteren Helme noch bis 1851 auf. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1378 134 | Die Revolution von 1848/49 Die Revolution von 1848/49 | 135

Bayerische Infanteriefahne mit Band des Deutschen Bundes

Die Fahnen der bayerischen Infanterie- allenfalls noch geringe Reste erhalten ge- Regimenter wurden ab 1841 nach einem blieben. Für die Ausstellung ist es mit der neuen einheitlichen Muster in den Farben Probe eines Fahnenbandes in Bundesfar- weiß und blau gestaltet. In den Ecken die ben kombiniert. Standartenband in Bundesfarben Initiale des Königs, hier das „L“ für Lud- wig I., das dann auch für Ludwig II. wie- An den Feldzeichen der bayerischen Trup- der passte. penteile sollten schwarz-rot-goldene Bän- Die Fahne wurde im aktiven Gebrauch Fahne (Muster 1841) des III. Bataillons des der in den „Deutschen Farben“ befestigt bis 1918 und für die museale Präsentation 2. Infanterie-Regiments, Bayern nach 1848, Seide, werden. Das hier gezeigte Probeexemplar danach mehrfach repariert, restauriert und 132 x 134 cm Standartenband 1848, gesiegelte Probe, Seide und Fahnenband 1848, gesiegelte Probe, Seide und wurde vom Kriegsministerium als offiziell Metallgespinst, Länge 166 cm, Breite 7,8 cm ergänzt; vom ursprünglichen Grundmate- Metallgespinst, Länge 166 cm, Breite 7,8 cm. genehmigtes Muster gesiegelt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1958 rial und von der originalen Stickerei sind Bay. Armeemuseum, Inv.-Nrn. B 5548; B 1958 137 Das Heer des Deutschen Bundes

Die wichtigste Aufgabe des Deutschen Bundes war die Gewährleistung der äußeren und inneren Sicherheit. Als Bedrohung im Innern galt die Revolution, als wahrscheinlichster äußerer Feind Frankreich.

Daher lagen die Festungen des Bundes alle im Westen: Luxemburg, Mainz, Landau, Rastatt, Ulm.

Im Verteidigungsfall sollte der Deutsche Bund zehn Armeekorps von jeweils rund 30.000 Mann aufstellen. Das Übergewicht der beiden großen Militärmächte war eindeutig:

1.-3. Armeekorps: Österreicher 4.-6. Armeekorps: Preußen 7. Armeekorps: Bayern 8., 9. und 10. Armeekorps: „gemischt“ aus Kontingenten der übrigen Staaten.

Als zentrale Einrichtung bestand in Frankfurt am Main die permanent tagende Bundes- militärkommission unter dem Vorsitz Österreichs. Sie verwaltete die Bundesfestungen und versuchte, eine gewisse Einheitlichkeit der deutschen Streitkräfte durchzusetzen. Offen blieb, erw im Kriegsfall den Oberbefehl haben sollte.

Bereit zur Verteidigung 1859

Der Krieg in Italien zwischen Österreich die Verbundenheit des Volkes mit König und Sardinien-Piemont, das mit Frank- und Armee. reich verbündet war, veranlasste die Mo- Vorne rechts steht ein Bauer mit Familie. bilmachung des Deutschen Bundesheeres. Als ehemaliger Soldat trägt er das baye- Bayern mobilisierte 1859 drei Divisionen. rische Veteranendenkzeichen für die Feld- Nach dem Friedensschluss wurden diese züge 1790-1812 und das Militärdenkzei- Verbände wieder abgerüstet. chen für die Feldzüge 1813/15. König Maximilian II. besichtigt – auf wei- ßem Pferd – seine Truppen in der Nähe von Gemälde von Ludwig Behringer, Öl auf Ulm. Bürger und Bauern sind nicht nur Leinwand 1859, 84 x 113 cm Zuschauer: Ihre Anwesenheit demonstriert Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1360-1988 138 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 139

Einheitlich uneinheitlich: Uniformen im Deutschen Bund

Die Uniformen des Deutschen Bundesheeres spiegelten dessen Zusammensetzung aus den Kontingenten einer Vielzahl einzelner Staaten. Zwar wirken die blauen Uniformen – mit Ausnahme des weißen Rocks der Österreicher – auf den ersten Blick einheitlich, doch zeigt sich bei näherem Hinsehen, wie sich jede der Armeen durch kleine Unterschiede abzugrenzen versuchte. So trugen zwar um 1860 alle den sogenannten „Waffenrock“, den zuerst Preußen ab 1842 eingeführt hatte, aber mit unterschiedlichen Formen von Krägen und Ärmelaufschlägen, Das Erfolgsmodell – die preußische verschiedenen Abzeichen auf der Schulter und jeweils eigenen Systemen von Rangabzei- Pickelhaube chen. Als Kopfbedeckung war der Lederhelm mit Spitze, die sogenannte „Pickelhaube“, die Der „Helm mit Spitze“ wurde zuerst 1842 frühen 19. Jahrhundert populär waren, ebenfalls zuerst in Preußen 1842 eingeführt worden war, sehr beliebt. Allerdings wurde in Preußen eingeführt. Er bot einen gewis- dazu bot er Platz für repräsentative Zierate sie in einigen der Staaten, die sich gegen die preußische Machtpolitik stellten, bewusst sen Schutz gegen Säbelhiebe von oben und wie hier den Preußenadler. nicht übernommen oder sogar wieder abgeschafft. Ein Tschako aus Filz und Leder, wie war angenehmer zu tragen als die bisheri- ihn die österreichische Armee trug, oder eine einfache Mütze waren die Alternativen. gen hohen Tschakos. Optisch orientierte sich die neue Kopfbe- Die bayerische Armee demonstrierte ihre besondere Eigenständigkeit mit ihrem „Rau- deckung an den Vorstellungen der Zeit- Helm mit Spitze für Mannschaften der Linien- Infanterie, Modell 1860, Preußen 1860-1867, penhelm“, der auf schon in den Napoleonischen Kriegen getragene Kopfbedeckungen genossen von Helmen der Antike und an Leder, Messing. zurückwies, und dem „hellblauen“ Waffenrock. manchen orientalischen Formen, die im Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1066 140 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 141

Preußen: Waffenrock

Der Waffenrock wurde zuerst im Jahre Die schwarz-weiße Bandlitze an der Auf- Hamburg: Pickelhaube 1842 in Preußen eingeführt und setzte sich schlagpatte ist eine Schießauszeichnung. allgemein als militärische Oberbekleidung Der Rock von 1867 unterscheidet sich nur Das Militär der Freien und Hansestadt durch. minimal von der bis 1866 getragenen Aus- Hamburg erhielt bereits 1843 Waffenrock Dieser Rock zeigt die Regimentsnummer führung. und Pickelhaube nach preußischem Mo- „16“ auf den hellblauen Schulterklappen. dell. Abweichend war die kleine Kugel auf Der Knopf auf der Schulter zeigt eine der Helmspitze. Das Hamburger Wappen „9“ für die Nummer der Kompanie. Eine auf dem Strahlenkranz kennzeichnet die goldfarbene Metalltresse am Kragen und Waffenrock Modell 1867 für einen Unteroffizier Zugehörigkeit. 1866 wurde statt der Pickel- Helm mit Spitze Modell 1860 für Offiziere der des 3. Westfälischen Infanterie-Regiments Nr. 16, Infanterie, Hamburg um 1865, Leder, Messing, dem „brandenburgischen“ Ärmelaufschlag Preußen 1867, Wolltuch haube noch ein Käppi eingeführt, das Höhe ca. 28 cm kennzeichnet den Träger als Unteroffizier. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0516-1994 dann nur für ein Jahr getragen wurde. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1091 142 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 143

Württemberg: Waffenrock Württemberg: Mütze Die unter König Karl I. von Württem- Dieser Rock mit der Regimentsfarbe gelb In der Württembergischen Armee wurde berg eingeführte Uniform hatte einen von und Messingknöpfen kann dem 2. Reiter- nach dem Regierungsantritt von König den anderen deutschen Armeen deutlich Regiment zugeschrieben werden. Karl im Jahr 1864 eine bequeme schwarz- abweichenden Stil. Der Waffenrock war blaue Feldmütze („Interimsmütze“ bzw. zweireihig geknöpft und in sehr dunklem „Lagermütze“) eingeführt. Daneben gab Blau gehalten. Er kombinierte Achsel- es eine steife dunkelblaue Dienstmütze wülste wie die bayerischen „Wings“ und mit farbigem Band und Wappenschild. Interimsmütze Modell 1864 für Offiziere der Schulterklappen. Als Regimentsabzeichen Waffenrock für Mannschaften, 2. Reiter-Regiment, Infanterie, Württemberg 1864-1871, Wollstoff, Württemberg um 1865, möglicherweise Nachbil- Tschakos oder Helme wurden nicht mehr Leder, Metallgespinst dienten Kragenpatten in verschiedenen dung um 1900, Wolltuch getragen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0365-1970 Farben. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0290-1967 144 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 145

Hannover: Tschako

Im Königreich Hannover wurde die Pickel- haube nach preußischem Vorbild 1846 eingeführt, schon 1859 aber wieder abge- schafft. König Georg V. ließ nun Tschakos, Hannover: Waffenrock auch als „Käppis“ bezeichnet, nach öster- reichischem Muster einführen, um seine Dieser Waffenrock wurde von einem Feld- zösische“ Form der Ärmelaufschläge mit politische Distanzierung von Preußen zu webel des hannöverschen 7. Linien-Infan- einer geschwungenen Patte. demonstrieren. terie-Regiments getragen. Nur kleinste Dieses Käppi der Linien-Infanterie ist Abweichungen unterscheiden ihn vom mit einer breiten weißen Borte mit gelben Tschako Modell 1859 für Feldwebel der Linien- preußischen Vorbild: Ein Rangstern auf Waffenrock für einen Feldwebel des 7. Infanterie- Infanterie, Hannover um 1860, Filz, Leder, Wolle, Regiments, Hannover um 1860, Wollstoff, Baum- Streifen als Abzeichen für einen Feldwebel Metall, Höhe ca. 17,5 cm der Achselklappe, den es für preußische wolle, Messing versehen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0488-1975 Unteroffiziere nicht gab, und die „fran- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0278-1975 146 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 147

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Baden: Pickelhaube Reuß: Pickelhaube

Das Großherzogtum Baden schloss sich Die Infanterie der beiden Fürstentümer seit 1849 besonders eng an Preußen an. Reuß („jüngere Linie“ und „ältere Linie“) Seitdem wurde die Pickelhaube auch in wurde seit 1845 nach preußischem Vor- der badischen Armee getragen. bild ausgerüstet. Beide stellten zusammen Vom preußischen Vorbild unterscheidet sechs Kompanien zum Bundesheer. sich der Helm durch den badischen Greif Helm mit Spitze für Offiziere der Infanterie, Die Pickelhabe trägt auf einem Stern aus Helm mit Spitze Modell 1860 für Mannschaften Modell 1856, Baden. Leder, vergoldetes Messing, der Infanterie, Reuß 1860-1867, Leder, Messing, und die rot-gelbe bzw. rot-goldene Kokar- Höhe 27 cm Messing das fürstliche Reußer Wappen in Neusilber, Höhe 26,4 cm de auf der rechten Seite. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 799 Neusilber. Wehrgeschichtl. Museum Rastatt, Inv.-Nr. 012485 148 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 149

Bayern: Waffenrock Bayern: Raupenhelm In der bayerischen Armee wurden Waffen- schläge mit zwei übereinander stehenden Eine neue Version des „Kaskets“, nun- wurde, sondern auch ein gutes Biotop für röcke 1848 eingeführt. Ab 1860 wurde ein Knöpfen. mehr unter dem Namen „Raupenhelm“ Kleinlebewesen abgab. Modell mit etwas kürzeren Schößen getra- Die Regimenter unterschieden sich durch war im Jahre 1845 Bayerns Antwort auf Die Linien-Infanterie erhielt den Helm gen. Grundfarbe der bayerischen Unifor- die Grundfarbe von Kragen und Ärmelauf- die Pickelhaube. 1848 mit der Initiale „M“ König Maximi- men war „Kornblumenblau“, das heller schlägen in Kombination mit der Knopf- Der Lederkorpus war ähnlich wie bei lian II. in einem Strahlenkranz. war als die sonst verbreitete preußisch- farbe (Messing oder Weißmetall). dem preußischen Helm, doch zierte ihn blaue Färbung. die charakteristische „Raupe“ aus Wolle Anstelle von Schulterklappen wurden oder Bärenfell (bei Offiziershelmen). Er sogenannte „Wings“ auf den Schultern war, wie seine Vorgänger, problematisch, Raupenhelm Modell 1845 für Mannschaften der getragen, die das Abrutschen der Tragerie- Waffenrock Modell 1860 für Mannschaften des Infanterie, Bayern ab 1848, Leder, Messing, Wolle, 3. Infanterie-Regiments „Prinz Carl von Bayern“, da die „Raupe“ sich bei Regen mit Wasser Höhe ca. 23 cm men des Tornisters verhinderten. Typisch Bayern um 1865, Wolltuch, Messingknöpfe vollsog und dadurch nicht nur schwerer Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 871 waren auch die bayerischen Ärmelauf- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17383 150 | Das Heer des Deutschen Bundes Das Heer des Deutschen Bundes | 151

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Österreich: Waffenrock

Weiß war schon seit über 150 Jahren die und Kragen in „scharlachrot“. Das war traditionelle Uniformfarbe der österrei- einer von 10 (!) verschiedenen Rottönen. chischen Infanterie. Sie wurde bis 1868 Bei den ungarischen Regimentern waren beibehalten, als alle anderen europäischen die Ärmelaufschläge oben spitz zulau- Österreich: Tschako („Käppi“) Armeen längst zu dunkleren Uniformen fend und mit einer besonderen Litze, der übergegangen waren. Der Waffenrock „Bärentatze“ verziert. Dazu wurden enge Die Infanterie des Habsburgerreichs war und 1866 in Italien getragen wurde. Er unterschied sich durch den liegenden Kra- ungarische Hosen getragen. mit Tschakos ausgestattet. Bei diesem gehört zum ältesten Bestand des Bayeri- gen deutlich von den sonst im Deutschen Stück handelt es sich um eine nicht den schen Armeemuseums und entstammt Bund getragenen Varianten. Vorschriften entsprechende, vermutlich dem Monturdepot Ingolstadt. Alle Regimenter unterschieden sich durch Waffenrock Modell 1861 für Mannschaften des private Anfertigung für einen Offizier. Er fein abgestufte „Egalisierungsfarben“ Ungarischen Infanterie-Regiments Nr. 37 ist feldmäßig mit Wachstuch überzogen „Erzherzog Joseph“, Wolltuch Tschako für einen Offizier, Österreich um 1860, und gelb- oder weißmetallene Knöpfe. So Heeresgeschichtliches Museum Wien, Inv.-Nr. und hat einen ebensolchen Nackenschutz, Pappe, Wachstuch, Leder, Metall hatte dieses Regiment Ärmelaufschläge 1919/02/NI6825 wie er etwa bei den Feldzügen von 1859 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 73 152 | Das Heer des Deutschen Bundes

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Hessen-Darmstadt: Pickelhaube

Im Großherzogtum Hessen-Darmstadt wurde die Pickelhaube 1849 eingeführt. Vom preußischen Vorbild unterschied sie sich durch den gerundeten Vorderschirm Helm mit Spitze, Modell 1860 für Offiziere der Infanterie, Hessen-Darmstadt um 1865, Leder, und natürlich den großformatigen Hessi- Messing, teilweise vergoldet, Höhe ca. 31 cm schen Löwen als Helmzier. Wehrgeschichtl. Museum Rastatt, Inv.-Nr. 013903 155 Militärische Zustände am Vorabend des Krieges

Die Länder des Deutschen Bundes gestalteten ihr Wehrwesen selbständig. Unter den großen und mittleren Staaten nahm Preußen eine Sonderstellung ein. Nur dort wurde die 1814 eingeführte allgemeine Dienstpflicht wirklich durchgesetzt. Die Dienstzeit betrug in Preußen drei Jahre und musste aktiv abgeleistet werden. Seit 1860 war die preußische Armee in ihrem Friedensumfang vergrößert worden. Das Feld- heer gewann an Leistungsfähigkeit, weil man bei der Mobilmachung fortan auf ältere Jahrgänge verzichten konnte. An der Spitze der preußischen Armee standen, das war damals etwas Neues, militärwis- senschaftlich geschulte Generalstabsoffiziere. Auch für das Wehrsystem Österreichs und der süddeutschen Staaten galt formal der Grundsatz der allgemeinen Dienstpflicht. Er wurde aber faktisch dadurch außer Kraft gesetzt, dass sich die Dienstpflichtigen durch Bezahlung eines Stellvertreters freikau- fen konnten. Das führte dazu, dass Mannschaftssoldaten überwiegend aus den ärmeren Bevölkerungsschichten kamen. Durch umfassende „Beurlaubungen“ waren die Präsenzstärken im Frieden niedrig, eine gründliche Ausbildung trotz scheinbar langer Dienstzeiten von sechs und mehr Jahren kaum möglich.

Den Krieg denken

Schon seit der Aufklärung im 18. Jahrhun- Diskurs über den Krieg. Überall entstan- dert waren Krieg und Kriegführung zum den Militärbibliotheken. Dennoch blieb es Gegenstand wissenschaftlichen Nachden- meist den einzelnen Offizieren überlassen, kens geworden. In der Zeit nach den na- sich individuell fortzubilden. poleonischen Kriegen entstand eine neue Der preußische Generalstab nahm eine Hochblüte der militärwissenschaftlichen Sonderstellung ein. Er verstand sich nicht Literatur. Es ging um das Wesen des Krie- nur als spezialisierte Abteilung zur Unter- ges im Allgemeinen, vor allem aber über stützung der Armeeführung, sondern zu- alle Bereiche der Strategie, der Taktik und gleich als Bildungsinstitution. Hier wur- der technischen Entwicklungen. den dieses kritische Denken und dessen Viele gebildete Offiziere aller europäi- praktische Anwendung systematisch und schen Armeen beteiligten sich über die konsequent zum Prinzip erhoben und Grenzen von Staaten und Armeen am ständig geübt. 156 | Militärische Zustände Militärische Zustände | 157

Vom Kriege (ohne Abb.) Die Aufgaben des Generalstabs (ohne Abb.) Carl von Clausewitz entwickelte eine phi- losophisch und praktisch durchdachte Der Dienst des Generalstabs im Frieden Analyse des Krieges, die bis heute uner- und im Krieg wurden durch v. Boehn sys- reicht ist. tematisch zusammengefasst: Organisation Sein unvollendetes Hauptwerk „Vom der Armee, Erkundung und kartografische Kriege“ wurde von seiner Witwe Marie Erfassung, Unterbringung und Transport von Clausewitz auf eigene Kosten her- von Truppen, Verpflegung, Übungen, ausgegeben. Es dauerte lange, bis seine Manöver und wirkliche Gefechtsführung. Bedeutung in vollem Umfang erkannt „Der Generalstab sieht, liest, arbeitet für [den wurde, doch wirkte seine Denkweise prä- Heerführer], ohne deshalb zum willenlosen gend. Werkzeug in seiner Hand werden zu dürfen“ (S. 4).

Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Erster Band, Berlin 1832 Hubert von Boehn. Generalstabsgeschäfte. Ein Bay. Armeebibliothek, Sign. A 25313 Handbuch für Offiziere aller Waffen, Potsdam 1862 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 72144

Transportrevolution: Simulation des Ernstfalls: Die Eisenbahn (ohne Abb.) Kriegsspiel als Methode (ohne Abb.) Die rasante Entwicklung der Eisenbah- Das „Kriegs-Spiel“ war der Versuch, gan- nen wurde von den Militärs seit den ers- Carl von Clausewitz (1780-1831) ze Feldzüge und einzelne Gefechte mit offe- ten Anfängen aufmerksam verfolgt. Neue nem Ausgang zu simulieren. Transportkapazitäten und Möglichkeiten Carl von Clausewitz hat das moderne Den- ter. Die überragende Bedeutung seiner Offiziere „spielten“ anhand von realisti- einer nie dagewesenen Beschleunigung ken über den Krieg grundlegend geprägt. posthum erschienenen Schriften wurde schen Informationen über Geländever- militärischer Operationen wurden eifrig Bereits mit 12 Jahren in die preußische erst Jahrzehnte nach seinem Tode erkannt. hältnisse und Waffenwirkung auf der erörtert. Armee eingetreten, ging er 1808 in rus- Landkarte gegen einander. Auf diese Wei- sische Dienste, um gegen Napoleon zu se schulten sie ihr Verständnis für die Darlegung der technischen und Verkehrs-Verhält- kämpfen. 1814 wurde er als Oberst wieder Stahlstich von Alexander Becker, Frontispiz aus: Komplexität des Kriegsgeschehens. nisse der Eisenbahnen nebst darauf gegründeter in die preußische Armee aufgenommen. General von Clausewitz, Vom Kriege. Mit einer Erörterung über die militairische Benutzung der- Als Leiter der Allgemeinen Kriegsschule Einführung von Graf von Schlieffen (...), Neunte selben, und über die Erleichterung dieser Benut- verbesserte Auflage, Berlin und Leipzig 1915, Wilhelm von Tschischwitz, Anleitung zum zung zu treffenden Anordnungen, Berlin, Posen wurde er mit 38 Jahren der jüngste Gene- 23,6 x 16,4 cm Kriegsspiel, Neisse 1862 und Bromberg 1841 ralmajor, starb aber bereits drei Jahre spä- Bay. Armeebibliothek, Sign. A 25321 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 24975 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 18447 158 | Militärische Zustände Militärische Zustände | 159

Albrecht von Roon (1803-1879) Kenntnis möglicher Kriegsschauplätze (ohne Abb.) Roon wurde mit 18 Jahren Offizier und besuchte die Allgemeine Kriegsschule in Eine traditionelle Hauptaufgabe von Gene- Berlin. ralstabsoffizieren war die topografische Seit 1849 gehörte er zum engsten Kreis Erkundung aller Gebiete, in denen die ei- um den späteren König Wilhelm I. Die gene Armee womöglich irgendwann Krieg Ausgestaltung der preußischen Armee zur führen könnte. modernsten Streitmacht ihrer Zeit war zum Dabei kam es darauf an, die militärisch großen Teil das Werk Albrechts von Roon. bedeutsamen Aspekte zu untersuchen, Beobachtung, Erfahrung, Analyse: Er leitete die Neuorganisation des preußi- neben Verteidigungsanlagen also insbe- Kriegsgeschichtsschreibung schen Heerwesens zu Beginn der 1860er sondere Straßen und Wasserwege, natür- Jahre als Kriegsminister. Sie führte zu liche Hindernisse, Klima, verfügbare Res- Die kritische Auswertung von kriegeri- Im vorliegenden Buch untersuchte er die schweren innenpolitischen Kämpfen zwi- sourcen an Nahrungsmitteln usw. schen Ereignissen der Vergangenheit und Vorgänge des wenige Jahre zurückliegen- schen konservativer Regierung und libe- Als Hauptmann legte der gelernte Geo- Gegenwart galt als wichtigste Grundlage den Krieges der Türken gegen Russland. raler Opposition, steigerte aber die Leis- graf Roon eine musterhafte Publikation für die Arbeit des Generalstabs. tungsfähigkeit der Armee erheblich. über Spanien vor. Helmuth von Moltke war auch hierin ein Vorbild: Als Hauptmann des Generalstabs wurde er von 1835 bis 1839 beurlaubt, um Albrecht von Roon, Die iberische Halbinsel, eine als Militärberater des Osmanischen Hee- Helmuth von Moltke, Der russisch-türkische Monographie aus dem Gesichtspunkte des Mili- Feldzug in der europäischen Türkei 1828 und Stahlstich von August Weger, um 1860, tairs, Erste Abtheilung: Das Kriegstheater zwi- res zu dienen. Hier nahm er an Feldzügen 1829, Berlin 1845 20,8 x 18,2 cm schen dem Ebro und den Pyrenäen. Berlin 1839 in Ägypten und auf dem Balkan teil. Bay. Armeebibliothek, Sign. A 49676 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 51.28 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 19398 160 | Militärische Zustände Militärische Zustände | 161

Im Frieden ergraut „Mobil gemacht“ – Bayerische Truppen 1859 Die Überalterung der Offiziere war eines der Probleme der bayerischen Armee: Aus 1859 kam es zum Krieg zwischen Frank- und nicht sehr kriegstüchtigen Eindruck. Ersparnisgründen schob man Pensionie- reich und Österreich. Auch die bayerische „Fußkranke“ sitzen auf Tragtieren oder rungen so lange wie möglich hinaus, ein Armee wurde als VII. Armeekorps des dem Gepäckwagen. Im Planwagen folgt Aufstieg in höhere Ränge konnte so Jahr- Deutschen Bundes mobilisiert. ein Soldat in Begleitung von Frau und zehnte dauern. Leistung lohnte sich kaum. Das Aquarell eines Augenzeugen zeigt das Kindern. Die Aufnahme von 1856 zeigt das Offiziers- III. Bataillon des 6. Infanterie-Regiments korps des II. Bataillons des 6. Infanterie- auf dem Marsch von seiner Garnison Regiments. Sie entstand zum 50-jährigen Fotografie 1856, mit Aquarellfarben retuschiert, Aquarell von A. [Anton?] Ringler, 1859. Papier, auf Karton aufgeklebt, Blattmaße 23 x 26 cm, Sulzbach nach Frankfurt am Main. Die 29,5 x 40 cm Dienstjubiläum des Regimentskomman- Bildmaße 13 x 16,8 cm Truppe macht einen wenig disziplinierten Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3390 deurs, Oberst Hans Georg Hertel. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0221-1984 163 Die bayerische Armee

Bayern war kein Militärstaat, legte aber aus politischen Gründen wert auf eine große Armee. Ihre finanzielle Ausstattung wurde diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. Die Armee hatte 1866 einen Friedensstand von 72.000 Mann, doch war ihre tatsächliche Stärke weit niedriger. Von 40.000 Infanteristen waren nur 10.000 in den Kasernen prä- sent, der Rest beurlaubt. Formal dauerte die aktive Dienstzeit sechs Jahre, doch wurden davon nur 15 bis 18 Monate wirklich abgeleistet. Daher besaß die Armee weithin nur den Charakter einer Miliztruppe. Aus Ersparnisgründen wurde eine größere Anzahl Dienstpflichtiger – ca. 30 Prozent des Friedensstandes – erst gar nicht eingezogen, aber in den Listen der Einheiten geführt. Viele dieser sogenannten „unmontiert Assentierten“ (= uneingekleidet Zugeteilte) wur- den bei der Mobilmachung aber ebenfalls eingereiht und einer ganz oberflächlichen Aus- bildung unterzogen. Die höheren Offiziere waren in der Führung großer Truppenkörper nicht geschult. Grö- ßere Manöver hatten zuletzt 1852 stattgefunden. Mobilmachungsvorbereitungen fehlten völlig. Als sich die politische Lage zuspitzte, mussten alle dafür notwendigen Maßnahmen improvisiert werden. Nicht einmal über die zu erreichende Stärke des Kriegsheeres bestand völlige Klarheit.

Unteroffiziere im Manöverlager, 1865

Die Aufnahme entstand am 26. September wenn sie sich in entspannter Atmosphäre 1865 im Lager bei Augsburg. Sie zeigt Kor- dem Fotografen stellten. porale von drei Truppenteilen: vom 3. und vom 12. Infanterie-Regiment sowie vom 7. Jäger-Bataillon. Fotografie, auf Karton geklebt, 1865 Der Bierkrug sollte für Jahrzehnte zu den Bildmaß 16,7 x 19,2 cm Accessoires bayerischer Soldaten gehören, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6270 164 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 165

Bayerische Uniformen (Abb. auf den folgenden Seiten)

Johann Baptist Cantler (1822-1919), ein Im Bayerischen Armeemuseum befinden bayerischer Oberamtsrichter, zeichnete sich zwei Alben mit 1152 kleinen Zeich- und kolorierte in seiner Freizeit die baye- nungen, von denen jeweils 12 auf 96 Tafeln Bayerische Offiziere um 1860 rischen Uniformen des 19. Jahrhunderts in geklebt wurden, sowie weitere Einzelblät- größter Genauigkeit nach allen Vorlagen, ter. Hier als Beispiel ein Blatt mit Genera- Die beiden Bilder zeigen die Offiziere von melt. Im Vordergrund ist eine bunte Mi- die ihm zugänglich waren. len, Adjutanten und Offizieren des Gene- jeweils einem der in der Bundesfestung schung von Ausrüstungsgegenständen Manche der Gemälde, Grafiken und Fo- ralstabs zwischen 1800 und 1868. Landau (Pfalz) stationierten Bataillone. der Truppe dekorativ angeordnet. tografien, die er abzeichnete, sind heute Dort lag regelmäßig je ein Bataillon von vier noch bekannt, viele inzwischen verschol- verschiedenen Infanterie-Regimentern in len, so dass sein Werk „Der Bayerischen „Generalität u. Adjudantur – Generalstab“, aqua- Fotografien um 1860, auf Karton aufgezogen, rellierte Zeichnungen von Johann Baptist Cantler, Garnison. Sie haben sich mit der Bataillons- Originalgröße 18,3 x 20,2 bzw. 18 x 20 cm Armee sämtliche Uniformen von 1800- 1. Band, Blatt 3, ca. 30 x 40 cm fahne zu einem malerischen Bild versam- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1775 und B 1776 1873“ einen echten Wert als Quelle besitzt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1 166 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 167 168 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 169

Infanterie Jäger Artillerie Kürassiere

Die Infanterie machte den größten Teil der Neben den Linien-Infanterie-Regimentern Im Jahre 1866 bestand die bayerische Artil- Die Kürassiere bildeten die schwere Ka- Armeen aus. 1866 gehörten zum bayeri- gehörten zur Infanterie die Jäger-Bataillo- lerie aus vier Artillerie-Regimentern. vallerie, die vor allem für den Einsatz mit schen Heer 16 Infanterie-Regimenter. ne, die speziell für das Gefecht in aufgelös- Die Artillerie trug im Gegensatz zur Infan- der blanken Waffe in der Schlacht vorgese- Die Uniform war durchweg in sogenann- ter Ordnung ausgebildet waren und eine terie traditionell dunkelblaue Uniformen. hen war. Bayern hatte drei Kürassier-Regi- tem Hellblau gefärbt, die Regimenter un- gründlichere Schießausbildung erhielten. Der Bombardier (Gefreiter) trägt die mit Le- menter. Sie trugen einen Metallhelm und terschieden sich durch farbige Kragen und 1866 bestanden acht Jäger-Bataillone. Ihre der besetzte lange Hose, wie sie für die be- einen Brust- und Rückenpanzer (Kürass), Ärmelaufschläge sowie gelbe oder weiße Uniform entsprach derjenigen der Infan- rittenen Artilleristen vorgeschrieben war. die sie im Nahkampf gegen andere Rei- Knöpfe. Hier ist ein Hauptmann des 8. terie, doch hatten sie durchgängig grüne tertruppen schützen sollten. Die Uniform Infanterie-Regiments im Jahre 1864 darge- Abzeichen. war hellblau wie die der Infanterie. stellt.

Hauptmann, 8. Infanterie-Regiment, 1864; aqua- Bombardier der Artillerie, 1855; aquarellierte Offizier vom 3. Kürassier-Regiment, 1864; aqua- rellierte Zeichnung von Johann Baptist Cantler, Jäger, 1862; aquarellierte Zeichnung von Johann Zeichnung von Johann Baptist Cantler, rellierte Zeichnung von Johann Baptist Cantler, 12 x 4,6 cm Baptist Cantler, 11,7 x 5,3 cm 14,5 x 5,6 cm 10,8 x 5 cm Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, Blatt 22, Fig. 259 Blatt 22, Fig. 256 Serie 2, Blatt 30 Blatt 33, Fig. 396 170 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 171

Chevauleger Ulan

Chevaulegers (von chevaux légers = leich- Die Hauptwaffe der Ulanen war die Lan- te Pferde) war die in Bayern übliche Be- ze. In Bayern wurden nach längerer Pau- zeichnung für die „leichte“ Kavallerie, die se erst 1863 wieder 3 Ulanen-Regimenter auf Pferden mittlerer Größe beritten war errichtet. Typisch für die Ulanen waren und für alle Aufgaben eingesetzt werden Elemente an der Uniform, die an die Her- Festungsbesatzung konnte. 1866 hatte die bayerische Armee 6 kunft dieser Waffengattung aus Osteuropa Chevaulegers-Regimenter; sie unterschie- erinnerten. Die Kopfbedeckung war eine Diese Gruppe von bayerischen Offizieren grund (Gewehre, Patronentaschen, Tor- den sich durch die Farbe der Abzeichen sogenannte Tschapka, die nach der polni- der Infanterie und Artillerie hat sich im nister, Trommeln) gehörten nicht zu den und „gelbe“ oder „weiße“ Knöpfe. schen Nationaltracht gestaltet wurde. Graben einer Festung versammelt. Offizieren, sondern zu den von ihnen be- Das Arrangement – mit einem Zelt im fehligten Soldaten, die sich nicht auf dem Hintergrund – erinnert an das Genrebild Bild befinden. Soldat vom 1. Chevaulegers-Regiment, 1864; Soldat vom 1.-3. Ulanen-Regiment in Gala-Uni- eines Feldlagers. Aquarellierte Zeichnung von Johann Baptist form, 1864; aquarellierte Zeichnung von Johann Alle tragen die bequeme Dienstmütze, Cantler, 10,8 x 4,8 cm Baptist Cantler, 13,2 x 5,5 cm Fotografie, Bayern um 1866, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0122-2016.1, einige haben den Mantel übergezogen. Originalmaße 16,3 x 21,7 cm Blatt 33, Fig. 395 Blatt 34, Fig. 404 Die Ausrüstungsgegenstände im Vorder- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0505-1977 172 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 173

Raupenhelm für Jäger Waffenrock für die Jäger Der Lederhelm mit seiner mit Schafs- Jäger und Schützen trugen als besonde- Die acht Jäger-Bataillone unterschieden Bataillon der Träger gehörte, ist an den wollfransen umhüllten „Raupe“ war das res Kennzeichen eine grüne „Huppe“ aus sich von der Linien-Infanterie durch die Nummern (hier: „7“) auf den Knöpfen er- besondere Charakteristikum der bayeri- Wollfransen an der rechten Seite über der grünen Wings, Kragen und Aufschlä- kennbar. schen Uniform. Kokarde. ge am Waffenrock, der ansonsten genau Seit 1800 mehrfach verändert, verbessert gleich geschnitten war. Die ungewöhnli- bzw. der Mode angepasst, wurde er bis che, wenig geschmackvolle Farbkombi- zum Tode Ludwigs II. 1886 getragen. Für nation hellblau/grün blieb das besondere die Soldaten war er nicht sehr angenehm Raupenhelm für Mannschaften der Jäger, Waffenrock für Mannschaften, 7. Jäger-Bataillon, Modell 1845, Trageweise ab 1864 mit Initiale „L“, Kennzeichen der bayerischen Jägertruppe Bayern um 1865, Wolltuch zu tragen, zumal die „Raupe“ sich im Re- Bayern, um 1865. bis zum Ersten Weltkrieg. Zu welchem Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6062 gen mit Wasser vollsaugte. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 5323 174 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 175

Waffenrock für einen Offizier der Infanterie

Der Rock des Offiziers ist aus feinerem Tressenstreifen am Kragen identifiziert Tuch und natürlich nach Maß für den ihn als Unterleutnant, den untersten Of- Träger gefertigt, der seine Uniform auch fiziersrang. Als Kennzeichen des Offiziers Raupenhelm für Offiziere der selbst bezahlte. Er ist auffallend kurz ge- dienen überdies die versilberten Epaulet- Infanterie schnitten, der Kragen sehr schmal. Solche ten. Details änderten sich oft schnell nach dem Der Raupenhelm für Offiziere unterschied aktuellen Modegeschmack. sich von dem der einfachen Soldaten Die gelben Abzeichen mit silbernen Knöp- durch eine feinere Verarbeitung und ver- fen zeigen, dass der Träger dem 4. Infan- goldete Metallbeschläge, vor allem aber Waffenrock für einen Unterleutnant, Raupenhelm Modell 1845, Trageweise ab 1864 für terie-Regiment angehörte, dessen Kenn- 4. Infanterie-Regiment, Bayern um 1865, Wolltuch durch den „Bärenschweif“: Die Raupe be- Offiziere der Infanterie, Bayern um 1865 farbe ein leuchtendes Hellgelb war. Ein Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1109 stand aus einem echten Bärenfell. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 12157 176 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 177

Waffenrock für Offiziere der Waffenrock für die Infanterie Artillerie

Die Uniformen der bayerischen Infante- Schützenkompanien der Infanterie-Regi- Die Artillerie war in Bayern traditionell gekreuzten Kanonenrohren auf die Knöp- rie waren durchweg in einem „Hellblau“ menter waren an einer grünen Schützen- in Dunkelblau gekleidet. Das war der von fe geprägt war. Der Kragen zeigt die gol- gefärbt. Das 2. Infanterie-Regiment hatte schnur mit runden Quasten erkennbar. weitem sichtbare Unterschied zur Infante- dene Tresse (Randeinfassung mit einem schwarze Abzeichen mit einem schmalen rie. Schwarze Abzeichen waren bei vielen Streifen) als Abzeichen eines Majors. roten „Vorstoß“, wie auch das 11., das aber Armeen für die Artillerie typisch, kamen durch Knöpfe aus weißem Metall unter- aber in Bayern auch bei zwei Infanterie- schieden war. Waffenrock für einen Gefreiten der Schützen- Regimentern vor. Untereinander unter- Waffenrock Modell 1848 für einen Major, kompanien, 2. Infanterie-Regiment „Kronprinz“, 3. Reitendes Artillerie-Regiment, Den Gefreiten kennzeichnete ein schma- Bayern um 1865, Wolltuch schieden sich die Artillerie-Regimenter Bayern um 1860, Wolltuch ler Streifen am Kragen. Angehörige der Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1835 durch eine Ziffer (hier: „3“), die über zwei Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1517 178 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 179

Waffenrock für Chevaulegers

Bei den bayerischen Chevaulegers und Anhand der Abzeichenfarbe „karmoisin- Raupenhelm für Chevaulegers Ulanen war die Grundfarbe der Uniform rot“ und den weißen Knöpfen kann der ein dunkles „Stahlgrün“. Rock dem 2. Chevaulegers-Regiment zu- Der Raupenhelm für die berittenen Trup- Der Schnitt des Waffenrocks orientierte geschrieben werden. Der Dienstgrad des pen unterschied sich von dem der Infante- sich an der sogenannten „Ulanka“, die von Korporals ist am einzelnen Streifen und rie nur durch kleine Details: Um ihn etwas den Ulanen getragen wurde. Er wurde der Einfassung des Kragens erkennbar. robuster für den Nahkampf mit dem Säbel zweireihig geknöpft, wobei die Brust sich Die Epauletten fehlen. zu machen, waren am Kopfteil oben und von unten nach oben stark verbreiterte. hinten Hiebspangen aus Messing ange- Zur Gala konnte eine sogenannte „Parade- Waffenrock für einen Unteroffizier (Korporal), bracht und der Vorderschild durch eine Raupenhelm Modell 1845, Trageweise ab 1864 für 2. Chevaulegers-Regiment „Taxis“, Bayern um Mannschaften der Chevaulegers, Bayern um 1865, Rabatte“ in Abzeichenfarbe auf der Brust 1865, Wolltuch Metallschiene eingefasst. An der Seite wur- Leder, Messing, Wolle angeknöpft werden. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1586 de ein weißer Stutz aus Rosshaar getragen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 2177 180 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 181

Helm für Offiziere der Kürassiere Waffenrock für Kürassiere Die bayerische schwere Kavallerie trug wusstsein der vornehmen Truppe, in seit den Zeiten Napoleons einen stähler- der die meisten Offiziere aus dem Adel Die Kürassiere trugen einen Waffenrock rot“. Der Rang des Wachtmeisters ist an nen Metallhelm, der sich in seinen Formen stammten. Der Name des Trägers, des ähnlich dem der Infanterie im bayeri- den drei Streifen und der Einfassung am an der griechisch-römischen Antike orien- Rittmeisters Wilhelm Ritter, ist auf dem schen „Hellblau“. Sie behielten die ältere Kragen zu erkennen. tierte. Vorderschirm eingraviert. Schnittform mit den längeren Schößen in Auch wenn er nach und nach niedriger den 1860er Jahren bei. und leichter wurde, war er mehr präch- Die Abzeichen waren beim 1. und 2. Küras- tig als praktisch. Der Offiziershelm mit Helm für Kürassier-Offiziere, Modell 1845, sier-Regiment „scharlachrot“ mit weißen Waffenrock Modell 1848 für einen Unteroffizier Trageweise 1848-1864, Bayern um 1855, Stahl, (Wachtmeister), 1. Kürassier-Regiment „Prinz seinem hohen Kamm und der mächtigen Messing, Leder, Bärenfell (wie hier) bzw. gelbmetallenen Knöpfen, Carl von Bayern“, Bayern um 1860, Wolltuch Raupe aus Bärenfell zeigt das Selbstbe- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 3969 beim 3. Kürassier-Regiment „karmoisin- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1371 182 | Die bayerische Armee Die bayerische Armee | 183

Tschapka für Offiziere der Ulanen

Das Erscheinungsbild von Ulanen wurde terreich für die Ulanen üblichen Variante. Bayerischer Infanterist 1860 in ganz Europa von Elementen geprägt, Die Tschapka für Offiziere war sehr präch- die an die polnische Nationaltracht erin- tig, aber auch sehr empfindlich. Für den Die Darstellung zeigt einen bayerischen gefärbt. Das Gemälde trägt die Datierung nern sollten. Die Kopfbedeckung waren Alltagsdienst wurde sie mit einem Wachs- Soldaten unter der Regierung von Maxi- „ 1860“; noch im diesem Jahr wur- die sogenannten „Tschapkas“. Diese hat- tuchüberzug getragen. milian II. Er trägt den 1848 eingeführten de statt der gekreuzten Riemen ein Gürtel ten immer einen quadratischen Deckel wie Waffenrock, aber noch zwei gekreuzte eingeführt. polnische Mützen. Bandeliers, an denen (hinten, verdeckt) Als in Bayern 1864 nach einer Pause von Tschapka für Offiziere der Ulanen-Regimenter, Patronentasche und Seitengewehr hingen. Modell 1864, Bayern um 1865, Leder, Wolltuch, Soldat eines Infanterie-Regiments, Gemälde von 40 Jahren wieder Lanzenreiter eingeführt Silberdraht, Rosshaar, Höhe ca. 15 cm Das Lederzeug war nur bei den 3. Batail- 1860, Öl auf Leinwand, 1860, 63 x 49 cm wurden, orientierte man sich an der in Ös- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1714 lonen der Infanterie-Regimenter schwarz Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0022-1964 185 Die Gewehrfrage

Seit den 1840er Jahren vollzog sich ein grundlegender Wandel der Infanteriebewaffnung. Damals führte Preußen das Zündnadelgewehr ein, das als erstes Militärgewehr von hin- ten geladen und daher auch im Knien und Liegen gebraucht werden konnte. Dieser Schritt blieb nicht unbemerkt, fand in den nächsten 20 Jahre aber keine Nachah- mer. In den 1850er Jahren stand die Steigerung der ballistischen Leistung durch Ver- kleinerung der Kaliber und Schaffung optimaler Geschossformen im Mittelpunkt des militärischen Interesses, und zwar unter Beibehaltung des Vorderladers. In einem der Hauptvorzüge des Hinterladers, der höheren Feuergeschwindigkeit, sahen viele eher einen Nachteil, weil sie befürchteten, die Soldaten würden ihren Patronenvor- rat im Eifer des Gefechts zu schnell verschießen. Österreich, die süddeutschen Staaten und Sachsen beschafften damals Vorderlader des Kalibers 13,9 mm. Damit war die Austauschbarkeit der Munition gewährleistet. Treff- genauigkeit und praktische Reichweite dieser Waffen waren dem Zündnadelgewehr überlegen.

Zündnadel eines Gewehrs M/41

Sie war das Herz des neuen Gewehrsys- te des Geschosses, die ein Knallpräparat tems: Die Zündnadel befand sich in der enthielt. Beim Auftreffen der Nadelspitze Längsachse des zylindrischen Gewehr- löste sich dieser Stoff in eine Stichflamme verschlusses und stand unter dem Druck auf, die das Pulver entzündete. einer Spiralfeder. Bei der Betätigung des Abzugs schnellte sie nach vorn, durch- stach die Papierhülle der Patrone sowie Preußen um 1860. Stahl, Messing, die darin befindliche Pulverladung und Länge 21 cm traf auf die „Zündpille“ an der Rücksei- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1368 186 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 187

Zündnadelgewehr M/41

Das Zündnadelgewehr war die erste von zum Infanterie-Regiment Nr. 25 in Köln. hinten zu ladende Waffe, die bei einer Ar- Diese Einheit und damit auch dieses Ge- mee zur allgemeinen Einführung gelang- wehr nahm am Mainfeldzug und am Ge- te. fecht von Kissingen teil. Die Waffe wurde 1841 genehmigte der preußische König die wohl dort erbeutet. Beschaffung von zunächst 60.000 Zündna- delgewehren zur Bewaffnung der Infan- terie. Die Ausgabe an die Truppe begann 1848 und zog sich über mehrere Jahre hin. Erst 1859 war die preußische Infanterie Preußen 1847 vollständig mit Zündnadelgewehren be- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit waffnet. Bis dahin wurden ca. 450.000 Ge- Papierhülse, Drehzylinderverschluss; Hersteller: Nikolaus von Dreyse, Sömmerda, wehre M/41 erzeugt. Kal. 15,43 mm, Länge 142,5 cm Das hier gezeigte Gewehr gelangte 1850 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1851 188 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 189

Querschnitt durch den Verschluss des Zündnadelgewehrs

Mechanisch bestand das Zündnadelsystem mer“) bewegte (siehe vorige Seite). Das Laden im Knien aus mehreren ineinander geschobenen, be- Spannen der Zündnadelfeder geschah mit weglichen Zylindern. Es wurde mit einem einem Sporn an der Rückseite der „Kam- Das Foto zeigt, wie das Zündnadelgewehr nehmen, wohl während des Deutsch- Hebel („Kammergriff“, in der „Kugel“ en- mer“. geladen wird. Dass das Laden – im Unter- Französischen Krieges. Ausrüstung und dend) durch Zurückziehen und Vorschie- schied zum Vorderlader – auch im Knien Bewaffnung waren die gleichen wie 1866. ben geöffnet bzw. geschlossen und durch und Liegen möglich war, gehörte zu den Drehen ver- bzw. entriegelt. Im verriegel- großen Vorzügen dieser Waffe. ten Zustand legte sich der kantige Sockel Kolorierte Lithografie, in: Zeichnungen, Skizzen Dieser Soldat eines preußischen Garde- Preußischer Infanterist mit Zündnadelgewehr, und Zusammenstellungen verschiedener Art für Fotografie von Ch. Herbert, wohl 1871 („Warze“) des Griffs vor eine Schulter der den Artillerie-Unterricht, Berlin 1865 Regiments ließ sich 1871 im Atelier eines 10,5 x 6,3 cm „Hülse“, in der sich das Schloss („Kam- Bay. Armeebibliothek, Sign. A 29870 Fotografen in Beauvais/Frankreich auf- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0044-2008.b 190 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 191

Geschosse der Zündnadelpatrone M/55 (Bodenfunde)

1855 wurde für die Zündnadelgewehre eine Munition mit einer neuen, als „Lang- blei“ bezeichneten Geschossform einge- führt. Mit einer Geschwindigkeit von weniger als 300 m/s waren die Projektile nicht be- sonders schnell. Auf Entfernungen von mehr als 300 Metern war der Einsatz des Zündnadelgewehrs wegen sinkender Trefferleistung nicht mehr sinnvoll. Die Geschosse saßen beim Schuss in einem Napf aus Pappe („Zündspiegel“), der sich beim Laufdurchgang in die Züge presste. Nach dem Verlassen des Laufs löste er sich vom Geschoss. Auf der Zeichnung ist der Zündspiegel schraffiert, die Zündpille als schwarzes Rechteck dargestellt.

Zündnadelpatronen M/55 Preußen um 1860 Blei, Durchmesser 13,6 mm (linkes Geschoss), Die Patronen des Zündnadelgewehrs Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0131-2013 waren die ersten „Einheitspatronen“, die Preußen um 1860 Geschoss, Pulver und Zündmittel in sich Länge: ca. 6 cm, Durchmesser des Bleigeschosses: Detailzeichnung, Holzstich, 13,6 mm, Gewicht: 31 g aus: Herrmann Weygand, Die technische Ent- vereinigten. Die Papierumhüllung ver- Treibladung: 4,9 g Schwarzpulver wicklung der modernen Ordonnanz-Präcisions- brannte beim Schuss. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2044 waffen der Infanterie, Berlin, Leipzig 1878, Tafel V 192 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 193

Füsiliergewehr M/60

Als Füsiliere wurden in Preußen Infante- Füsilier-Seitengewehr M/60 risten bezeichnet, die besonders für das Jägerbüchse M/54 (Pikenbüchse) Gefecht in „zerstreuter Ordnung“ ge- Die preußische Armee unterschied Bajo- schult waren. nette, die nur zum Zustechen geeignet wa- Jäger, eine Sonderformation der Infante- gestellte Waffe (mit blankem Lauf) zeigt Neun von den 81 Infanterieregimentern der ren, und Seitengewehre. rie, besaßen traditionell eine von der üb- einen Truppenstempel der preußischen preußischen Armee waren Füsilier-Regi- Beide waren zum Aufpflanzen auf einem rigen Infanterie abweichende Bewaffnung. Marine: „2. M.D.“ (Abkürzung für „2. Ma- menter. Sie erhielten eine kürzere und Gewehr und damit als Stichwaffe geeig- Das Bajonett dieser Büchse, hier „Pike“ trosen-Division“). leichtere Variante des Zündnadelgewehrs. net. Seitengewehre besaßen jedoch einen genannt, wurde nicht als separates Teil Vom Füsiliergewehr Modell 1860 wurden Handgriff und gaben mit ihrer breiten an der Mündung „aufgepflanzt“, sondern ca. 100.000 Stück produziert. Klinge auch ein praktisches Feldwerkzeug war fest an der Waffe angebracht und zum ab. Ausziehen eingerichtet. Preußen 1855 Preußen 1868 Die Jägerbüchse wurde 1859 auch bei der Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit preußischen Marine eingeführt. Im Un- Papierhülse, Drehzylinderverschluss Papierhülse, Drehzylinderverschluss Preußen 1861 Hersteller: Nikolaus von Dreyse, Sömmerda Hersteller: Nikolaus von Dreyse, Sömmerda Hersteller: W. Clauberg, Solingen, terschied zu den Marinewaffen hatten die Kaliber 15,43 mm, Länge 124 cm Kaliber 15,43 mm, Länge 129 cm Länge 63,3 cm, Klingenlänge 50,7 cm der Jäger einen gebräunten Lauf. Die aus- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17562 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1374 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2060 194 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 195

1865: Das Zündnadel-Gewehr wird zum Vorbild

Wilhelm von Ploennies (1828-1871) war großherzoglich-hessischer Infanterieoffi- zier. Seine Schriften zu Handfeuerwaffen und ihrer Ballistik wurden international beachtet.

Wilhelm von Ploennies, Das Zündnadel-Gewehr. Beiträge zur Kritik der Hinterladungswaffe, Ver- lag von Eduard Zernin, Darmstadt, Leipzig 1865 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 29063

Das neue bayerische Gewehr Ballistik und Taktik (ohne Abb.) (ohne Abb.) Cäsar Rüstow (1826-1866) war preußi- Bayerisches Zündnadel- Die aktuellen Entwicklungen der Militär- scher Offizier. Er gehörte zu den füh- Versuchsgewehr technik wurden über die Grenzen von renden Fachleuten auf dem Gebiet der Staaten und Armeen hinweg öffentlich Handfeuerwaffen in Deutschland. Als Ba- Preußen hatte das Zündnadelgewehr sorg- das Funktionieren des Zündnadelmecha- diskutiert. taillons-Kommandeur nahm er am Feld- fältig geheim gehalten. Durch die Revolu- nismus „von der stricten Erfüllung sehr Der Verlag von Eduard Zernin in Darm- zug in Süddeutschland teil und fiel am tionsereignisse des Jahres 1848 wurden subtiler Bedingungen“ abhänge, was „im stadt bot eine Plattform für militärwissen- 4. Juli 1866 im Gefecht von Dermbach diese Waffen jedoch allgemein bekannt. Ernstgebrauche“ nicht gewährleistet sei. schaftliche Veröffentlichungen im ganzen durch zwei bayerische Gewehrkugeln. Um sich Klarheit über die Leistungsfä- deutschsprachigen Raum. higkeit dieses Systems zu verschaffen, er- zeugte die Gewehrfabrik Amberg 1850 drei Bayern 1850 Cäsar Rüstow, Die neueren gezogenen Versuchsgewehre, mit denen umfangrei- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Pa- (Anonymer Autor), Die gezogenen Handfeuer- Infanteriegewehre. Ihre wahre Leistungsfähigkeit che Schießversuche ausgeführt wurden. pierhülse, Drehzylinderverschluss waffen der königlich bayerischen Infanterie, Ver- und die Mittel, dieselbe zu sichern, Verlag von Hersteller: Gewehrfabrik Amberg lag von Eduard Zernin, Darmstadt, Leipzig 1862 Eduard Zernin, Darmstadt, Leipzig 1862 1858 lehnte ein Gutachten des Kriegsmi- Kaliber: 15,43 mm, Länge 143 cm Bay. Armeebibliothek, Sign. A 28423 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 29200 nisteriums die Waffe als ungeeignet ab, da Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1383 196 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 197

Österreich: Das Lorenzgewehr

1854 führte Österreich ein neues Infante- zu unterlaufen. Durch diesen sinnwidri- riegewehr mit gezogenem Lauf und dem gen Gebrauch der Schusswaffe als Spieß damals kleinen Kaliber 13,9 mm ein. Der erlitt sie fürchterliche Verluste. Gewehr M/1858 I Beiname des Gewehrs geht auf seinen Er- finder zurück, Joseph Lorenz. Das Modell I war die Grundausführung des Anstatt die überlegene ballistische Leis- Österreich 1860 1858 eingeführten bayerischen Gewehr- tung dieser Waffe auszunutzen, versuch- Vorderladergewehr mit Bajonett systems. Das Visier war bis zu Entfernun- Bayern 1860 te die österreichische Infanterie 1866, das Hersteller: Lorenz Florianschütz, Wien gen von 900 Schritt ( 1 Schritt = 0,73 Meter) Vorderladergewehr Kaliber: 13,9 mm, Länge: 133,7 cm (mit Bajonett: Hersteller: Gewehrfabrik Amberg Schnellfeuer der Zündnadelgewehre mit 181,5 cm) einstellbar. Zwei Drittel der Gesamtferti- Kaliber 13,9 mm, Länge 133 cm aufgepflanztem Bajonett im Sturmschritt Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3886 und E 3041 gung entfielen auf dieses Muster. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1281 198 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 199

Vorderlader für die bayerische Armee, 1858

Statt einen Hinterlader zu entwickeln, konzentrierte die Gewehrfabrik Amberg ihre An- strengungen darauf, einen Vorderlader mit optimalen ballistischen Eigenschaften zu konstruieren. Das ist ihr gelungen: Der letzte Vorderlader, Modell 1858, war auch der beste. Mit der Einführung eines Vorderladers im Kaliber 13,9 mm folgte Bayern dem Vorbild Österreichs und der übrigen süddeutschen Staaten. Diese Waffen schossen langsamer als das Zündnadelgewehr, doch besaßen sie eine größere Treffgenauigkeit. Nach dem Direktor der Gewehrfabrik war das bayerische Modell auch als „Podewilsgewehr“ be- kannt. Die bayerische Infanterie setzte sich aus gewöhnlichen Linieninfanteristen („Füsilier- kompanien“) und Soldaten zusammen, die besonders gut im Schießen ausgebildet wur- den („Schützenkompanien“). Insbesondere die Jägerbataillone sollten eine große Schieß- fertigkeit besitzen. Das Modell I war für die Füsiliere bestimmt, Modell II für Schützen und Jäger und das Modell III für ausgewählte Schützen aller Kompanien mit einem besonders hohen Anteil bei den Jägern. Insgesamt wurden ca. 120.000 Podewilsgewehre erzeugt.

Gewehr M/1858 III

Was wie ein zweiter Abzug wirkt, ist ein „Stecher“. Er diente dazu, den eigentli- Gewehr M/1858 II (ohne Abb.) chen Abzug (vorn) besonders leicht zu stellen („einstechen“), um ein erschütte- Das Modell II unterschied sich vom Mo- Bayern 1860 rungsfreies Abdrücken zu ermöglichen. Bayern 1862 dell I nur durch ein feiner einstellbares Vi- Vorderladergewehr Das Modell III war gewissermaßen die Vorderladergewehr Hersteller: Gewehrfabrik Amberg Hersteller: Gewehrfabrik Amberg sier. Es reichte bis 1.200 Schritt (Modell I: Kaliber 13,9 mm, Länge 133 cm, Scharfschützenausführung. Hier reichte Kaliber 13,9 mm, Länge 122 cm 900 Schritt). 1 Schritt entsprach 0,73 Meter. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1282 das Visier bis 1.400 Schritt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17550 200 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 201

Patrone M/1858

Geschoss und Pulver waren von einer Pa- pierumhüllung umgeben. Sie musste zum Laden mit den Zähnen aufgebissen wer- den, um das Pulver in den Lauf zu schüt- ten. Die Geschosse waren am Boden ausge- höhlt. Dort drang der Stoß der Treibla- dungsgase ein und weitete das Geschoss auf, so dass es sich beim Weg durch den Gewehrlauf in dessen Züge presste und Zündhütchen eine Drehbewegung („Drall“) annahm. Die Anfertigung der Papierpatronen er- Die kupfernen Zündhütchen enthielten folgte in Armeewerkstätten („Laboratori- eine schlagempfindliche Substanz zur Aus- Laden im Stehen en“) durch Arbeitsmannschaften der Trup- lösung des Schusses bei Perkussionsge- penteile. wehren. Sie wurden von außen auf den Bei Dermbach in Thüringen kam es am Zündkegel rechts am Lauf gesteckt. Die 4. Juli 1866 zu den ersten größeren Ge- bayerischen Militärzündhütchen waren fechten zwischen bayerischen und preu- Bayern um 1860 mit dem aufgeprägten bayerischen Wap- ßischen Truppen. Der Künstler hat selbst „Am 4. Juli“, Lithografie nach einer Zeichnung Länge: ca. 7 cm pen markiert. als Offizier in einem Jägerbataillon am von Marquard von Leoprechting, aus: Ders., Skiz- Geschossdurchmesser: 13,6 mm Feldzug teilgenommen. Er zeigt hier die zen aus dem Feldzuge 1866. Seiner Königlichen Gewicht: 27,65 g Hoheit dem Prinzen Carl in tiefster Ehrfurcht Treibladung: 4,65 g Schwarzpulver Bayern um 1860. Kupfer, 7 x 10 mm stehende Ladeweise beim Vorderladerge- gewidmet. München 1866, ca. 22 x 31 cm Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2046 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0133-2013 wehr. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 195.b.3 202 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 203

Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe

Württemberg: Gewehr M/1857 Württemberg: Jägerbüchse („Vereinsgewehr“) Modell 1860 mit Yatagan

Die Staaten des VIII. Bundesarmeekorps Die Jägerbüchse war eine kürzere Variante (Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt) des Infanteriegewehrs. Wie die bayerische Jägerbüchse: einigten sich 1856 darauf, nach österrei- Jägerbüchse besaß auch sie einen Stechab- Württemberg 1862 chischem Vorbild Vorderlader im Kaliber zug zur Verminderung des Abzugswider- Vorderladergewehr 13,9 mm zu beschaffen. Ein Teil des würt- stands. Hersteller: Württembergische Gewehrfabrik, Oberndorf tembergischen Bedarfs wurde in Belgien Kaliber: 13,9 mm, Länge: 112 cm produziert. Dieses Gewehr ist wahrschein- Württemberg 1857 Seitengewehre mit geschwungener Klinge Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 17541 lich eine von dort gelieferte Musterwaffe. Vorderladergewehr bezeichnete man als Yatagan. Diese aus Die Objekte auf dieser Doppelseite sind in Hersteller: unbekannte belgische Fabrik dem Orient stammende Klingenform war Yatagan: Kaliber: 13,9 mm, Länge: 139,5 cm (mit Bajonett Hersteller: Gebr. Weyersberg, Solingen ihrem natürlichen Größenverhältnis abge- 189,5 cm) zwischen 1850 und 1870 in Europa beson- Länge 600 mm, Klingenlänge 477 mm bildet. Sammlung Hartmann Hedtrich ders populär. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 4914.b 204 | Die Gewehrfrage Die Gewehrfrage | 205

Das Laden des Vorderladergewehrs

Die Vorschrift zerlegte den Ladevor- „Ladung nach Commando § 34“, in: Vorschriften für den Unterricht der K.B. Infanterie. Waffen- gang zu Ausbildungszwecken in einzelne Uebungen, Erster Teil, München 1860 Schritte, die sorgfältig eingedrillt wurden. Bay. Armeebibliothek, Sign. DV 495 207 Die Artillerie

Mit der allgemeinen Einführung von Gewehren mit gezogenen Läufen in den 1850er Jahren stieg die Reichweite des Infanteriefeuers beträchtlich. Die Artillerie, die immer noch mit glattrohrigen Geschützen bewaffnet war, verlor dadurch ihren Reichweiten- vorteil gegenüber der Infanterie. Um diesen Vorsprung zurückzugewinnen, musste sie ebenfalls gezogene Rohre annehmen. Auch bei Geschützen gab es die Alternativen des Vorder- und des Hinterladers. Im Deut- schen Bund blieb nur Österreich grundsätzlich beim Vorderlader, und zwar aus Kosten- gründen: Solche Rohre ließen sich durch Umguss der bisherigen glattläufigen Bronze- rohre preiswert erzeugen. Preußen und mit ihm die anderen deutschen Staaten führten seit 1860 Feldgeschütze ein, die von hinten zu laden waren. Ihre Rohre erzeugte die Essener Firma Krupp aus einem neuartigen Material: Gussstahl. Ein erheblicher Teil der Geschützausrüstung des Krieges von 1866 bestand allerdings noch aus Vorderladern mit glatten Rohren. Dieser Feldzug zeigte jedoch, dass die Zeit solcher Kanonen endgültig vorbei war.

Bayerisches Feldgeschütz in Stellung um 1870

Das Bild zeigt den Zielvorgang: Der Richt- zurückgeworfen wurde, musste dieser kanonier hat das Visier – den „Aufsatz“ – Zielvorgang für jeden Schuss wiederholt auf dem Bodenstück des Geschützes auf- werden. gestellt. Er zielt mit bloßem Auge über das vorn am Rohr angebrachte „Korn“, das der Gemälde von Anton Marussig um 1900, Künstler allerdings nicht dargestellt hat. Wasserfarben auf Karton, 65 x 58,5 cm Weil das Geschütz durch den Rückstoß Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6866 208 | Die Artillerie Die Artillerie | 209

Feldgeschütz mit Bespannung

Feldgeschütze wurden „sechsspännig ge- Die Aufnahme entstand wohl um 1900 im fahren“, also von sechs Pferden gezogen. Rahmen eines Regimentsjubiläums, bei Bespannte Protze Auf den linken Pferden saßen die Ge- dem verschiedene Epochen aus der Ge- spannreiter („Fahrer“). schichte dieser Einheit nachgestellt wur- Die Kanone wurde an der „Protze“ an- Das Bild zeigt eine Sechspfünder-Kanone den. gehängt. Dies war ein zweirädriger Kar- mit gezogenem Lauf. Die Bedienungs- ren, der Geschützzubehör und Munition mannschaft musste sich zu fünft auf der enthielt. Auf dem Kasten konnte die Bedie- Protze drängen. Ein sechster Mann sitzt nungsmannschaft sitzen. Auch dieses Bild auf der Lafette. Der Geschützführer be- Fotografie um 1900, 9 x 16 cm entstand zum Zweck der Traditionspflege Fotografie um 1900, 9 x 16 cm gleitet den Zug auf einem Reitpferd. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0226-1984.a Jahrzehnte nach der dargestellten Zeit. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0226-1984.b 210 | Die Artillerie Die Artillerie | 211

Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe

Württemberg: Rohr eines gezoge- nen Vierpfünders Sprenggranate für den gezogenen Württemberg beschaffte für seine reitende für sind unbekannt. Die Abflachung auf Vierpfünder Artillerie ab 1860 Vorderlader mit gezoge- der Rohroberseite ist die „Quadranten- nen Rohren. ebene“ zum Aufsetzen des Libellenquad- Die Granate aus Gusseisen legte sich mit Die reitende Artillerie war zur Begleitung ranten. zwei Reihen von Zapfen in die Züge des der Kavallerie bestimmt. Im Unterschied Auf den Schildzapfen sind Herstellungs- Rohrs. Der Zünder löste beim Aufschlag zur „Fuß“-Artillerie waren bei ihr die Ka- ort und -tag sowie das Rohrgewicht fest- aus. Außerdem gab es für diese Geschütze noniere beritten. Am Feldzug des Jahres gehalten. Brandgranaten, Kartätschen und Schrap- 1866 hat eine württembergische Batterie nells. Das waren mit Bleikugeln gefüllte mit acht solchen Geschützen teilgenom- Geschosse, die mit einer Art Zeitzünder men. Württemberg 1860 auf einem bestimmten Punkt ihrer Flug- Im Unterschied zur regulären Ausführung Hersteller: Bochumer Verein für Bergbau und bahn zur Explosion gebracht werden soll- Gußstahlfabrikation Württemberg 1862, „Königlich Württembergi- wurde dieses Rohr aus Gussstahl und Kaliber 82 mm, Länge 148 cm ten. Diese Technik war allerdings noch sches Artilleriematerial“, Lithografie nicht aus Bronze erzeugt. Die Gründe da- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1051-1986 nicht ausgereift. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sign. E 271 c Bü 1679 212 | Die Artillerie Die Artillerie | 213

Gezogener Feld-Sechspfünder auf Lafette M/1866

Erstes von hinten zu ladendes Feldge- kaum weiter als 2.000 Meter geschossen schütz. „Gezogen“ meinte nicht die Fort- werden würde. 1866 waren 48 von 136 Ge- Wahrendorff-Verschluss für den bewegungsart, sondern das Innenprofil schützen der bayerischen Artillerie Sechs- Sechspfünder des Rohrs. Das „Feld“ wurde der Bezeich- pfünder mit gezogenem Rohr. nung hinzugefügt, um das Geschütz von Der Verschluss fehlt bei dem ausgestellten Die Munition hatte noch keine Metallhül- Festungskanonen zu unterscheiden. Geschütz. sen: Das Pulver war in Stoffsäckchen ver- Der Deutsche Bund beschloss 1860, dass packt. Um den Austritt von Pulvergasen künftig mindestens ein Viertel der Feld- nach hinten zu verhindern, mussten die geschütze gezogene Rohre haben soll- Verschlussteile sehr genau gearbeitet sein. ten. 1861 beschaffte Bayern 48 Rohre aus Bayern 1861 Zur Bedienung dieses Verschlusses waren Krupp‘schem Gussstahl und legte sie in Hersteller: Friedrich Krupp (Rohr) zwei Mann nötig. vorhandene Lafetten ein. Solche Geschüt- Rohrnummer: 354 Die Farben bezeichnen das Material: Ausschnitt aus einer Lehrtafel zum Artillerie- Kaliber: 9,15 cm, Rohrlänge 207 cm, Gleisweite Material, Kolorierte Lithografie, Berlin um 1875, ze konnten bis zu 3.500 Meter weit schie- 155 cm, Raddurchmesser 143 cm Blau = Schmiedeeisen, Grau = Gussstahl, Teil A, Blatt 10 ßen, doch nahm man an, dass in der Praxis Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0883-1986 Ocker = Bronze Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 3173.A.10 214 | Die Artillerie Die Artillerie | 215

Eisenkern einer Granate für den preußischen gezogenen Vierpfün- der

Die Granaten gezogener Geschütze für Hin- terladung bestanden aus einem Eisenkern, Kanonenkugel für den glatten der mit einem Bleimantel umgossen wur- Sechspfünder Granate mit Bleimantel für den de. Dieser presste sich beim Schuss in die gezogenen Feld-Sechspfünder Granate mit Bleimantel für den Züge des Rohres, was das Geschoss in Bis 1860 war der glatte Sechspfünder gezogenen Feld-Sechspfünder eine rasche Rotation um die Längsachse („glatt“ bedeutet: Rohr mit glattem Innen- Die Granaten der modernen gezogenen versetzte. Das stabilisierte die Flugbahn profil) das Hauptgeschütz der Feldartille- Geschütze waren mit Schwarzpulver ge- Die Abdrücke im Bleimantel zeigen, dass und sorgte dafür, dass die Granate mit rie. Seine Munition bestand vor allem aus füllt und besaßen einen in die Spitze einge- dieses Geschoss bereits „durch den Lauf der Spitze voran aufschlug. Das fertige eisernen Vollkugeln. Deren Durchmesser schraubten Aufschlagzünder. Damit war gegangen“ ist, also verschossen wurde. Geschoss – mit Bleimantel, Pulverfüllung gab auch den gezogenen Geschützen mit eine Detonation „Knall auf Fall“ gewähr- Mit Schwarzpulver gefüllt (250 g) und be- und Zünder – wog 4.340 g. Diesen Ge- gleichem Rohrdurchmesser ihre Bezeich- leistet. Der Bleimantel ist noch unversehrt, zündert sollte eine solche Granate 6.900 g schütztyp vom Kaliber 8 cm besaß 1866 nung, obwohl deren Munition sehr viel das Projektil wurde also nie verschossen. wiegen. nur die preußische Artillerie. schwerer war.

Deutschland um 1866 Deutschland um 1866 Deutschland um 1866. Gusseisen, Durchmesser Deutschland, wohl 19. Jahrhundert, Gusseisen, Gusseisen, Blei, Durchmesser: 9,3 cm, Gusseisen, Blei, Durchmesser: 9 cm, 7,6 cm, Länge 16 cm, Gewicht: 2,48 kg Durchmesser: 9,1 cm; Gewicht: 2,78 kg Länge: 18 cm, Gewicht: 5,75 kg Länge: 18 cm, Gewicht: 6,11 kg Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. LAN 1360 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2062 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. LAN 1361 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0516-1988 216 | Die Artillerie Die Artillerie | 217

Splitter einer Granate für gezogene Geschütze Kanoniere beim Transport von Granaten Die Wirkung der Sprenggranaten beruh- te vor allem auf den Splittern, in die sie Das Gemälde zeigt, wie zwei bayerische schleudert und macht diesen scharf. Die beim Auftreffen zersprang. Die Granaten Kanoniere mit großer Vorsicht bezünder- Treibladungen befinden sich in den umge- des gezogenen Sechspfünders ergaben 35 te Granaten zum Geschütz bringen. Da- hängten Kartuschtornistern. bis 40 Sprengstücke. Die Gefährdungszo- bei durfte die Sicherung, der sogenannte ne hatte einen Radius von ca. 200 Metern. Vorstecker, nicht aus dem Zünder fallen. Deutsch 1866. Gusseisen, Blei Bayerische Kanoniere um 1870. Studie von Louis Diese Splitter wurden auf dem Schlacht- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nrn. 0135-2013 und Er wird erst nach dem Schuss durch die Braun um 1880, Öl auf Leinwand, 67 x 47,5 cm feld von Kissingen gefunden. 0136-2013 Rotationsbewegung aus dem Zünder ge- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1271-2002 218 | Die Artillerie Die Artillerie | 219

Taschenkarte mit ballistischen Angaben Fernglas Die Artillerie unterschied „Schuss“ und „Wurf“. Würfe waren Schüsse mit Rohr- Die gesteigerten Kampfentfernungen der FELDSTECHER“ sollte den Käufer davon erhöhungen von 15° und mehr, also mit Artillerie überforderten die Sehkraft des überzeugen, dass er ein besonders hoch- stark gekrümmter Flugbahn. Solche Tabel- menschlichen Auges. Deshalb führte die wertiges Glas erwarb. len gaben die Visiereinstellung und damit bayerische Armee 1865 „Doppelperspec- die Rohrerhöhung für bestimmte Entfer- tive (Binocles)“, ein, also Ferngläser. Die- Bayern 1864. Schuss- und Wurf-Tafel für den ge- Deutsch um 1870. Glas, Messing, Neusilber, nungen, Munitionsarten und Ladungen zogenen Feld-Sechspfünder, 14,7 x 5,3 cm ses Glas wurde für den Zivilmarkt pro- Leder, 14,6 x 11,7 x 5,1 cm an. Bay. Armeebibliothek, Sign. DV 616 duziert. Die Beschriftung „ARTILLERIE Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0110-2016 220 | Die Artillerie Die Artillerie | 221

Libellenquadrant Aufsatz für die sechspfündige gezogene Feldkanone Für große Rohrerhöhungen oder bei Wasserwaage. Er war für den Winkel schlechter Erkennbarkeit des Ziels der gewünschten Rohrerhöhung ein- Der „Aufsatz“ war das Geschützvisier. Er Wert entnahm man für die jeweilige Ent- reichte der Aufsatz nicht aus. In diesem stellbar. Das Rohr wurde dann so lange wurde zum Zielen auf dem Bodenstück fernung aus der „Schuß- und Wurftafel“. Fall wurde der Libellenquadrant auf der erhöht, bis die Luftblase der Libelle bei des Rohrs aufgestellt. Gezogene Rohre „Quadrantenebene“ des Rohres aufge- der angegebenen Gradzahl einspielte mit Drall im Uhrzeigersinn erteilten den setzt. Das war eine auf der Rohrobersei- Geschossen beim Flug eine Rechtsabwei- te eingeschliffene Fläche, die genau pa- chung (Seitenverschiebung). Sie sollte beim Bayern 1861 rallel zur Seelenachse des Rohres stand. Bayern um 1866 Hersteller: H. Rath, München Hersteller: H. Rath, München Zielvorgang mit Hilfe der Skala am Boden Neusilber, Messing, 26,5 x 7,8 x 2,8 cm Der verstellbarer Arm des Quadranten Messing, Glas, 11,3 x 11,2 x 2,2 cm des Aufsatzes ausgeglichen werden. Den Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. D 898 besaß eine Röhrenlibelle, also eine Art Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 723 223 Kriegsausbruch

Der Krieg war ein Kampf um die Hegemonie in Deutschland. Aus preußischer Perspek- tive ging es darum, Österreich aus Deutschland zu verdrängen, während Wien seine historische Stellung in Deutschland verteidigte. Ausgangspunkt des Konflikts war der Streit über die Verwaltung der „Elbherzogtümer“ (Schleswig und Holstein), die bis 1864 der dänischen Krone unterstanden und nach dem Krieg mit Dänemark unter preußische und österreichische Kontrolle geraten waren. Der Streit um die Zukunft dieser Gebiete ließ die Spannungen zwischen Preußen und Öster- reich zum Krieg eskalieren. Bayerns Interesse war es, den Bund zu erhalten und den Krieg zu vermeiden. Wenn das nicht gelang, mussten auch die Mittelstaaten und mit ihnen Bayern Stellung beziehen. Das konnte nur an der Seite Wiens sein, denn Österreich setzte sich für die bestehende Ordnung ein. Die lockere Struktur des Deutschen Bundes bot den Mittelstaaten weit mehr Entfaltungsmöglichkeiten als der drohende nationale Einheitsstaat unter Berliner Führung.

Landung preußischer Truppen auf der Insel Alsen, 29. Juni 1864

1864 führten Österreich und Preußen die dänische Widerstandskraft gebrochen. gemeinsam Krieg gegen Dänemark um Am 30. Oktober 1864 wurde in Wien der den Besitz von Schleswig und Holstein. Friedensvertrag unterzeichnet, in dem der Mit der Einnahme der Düppeler Schanzen dänische König auf seine Rechte an den am 18. April 1864 erzielte die preußische Elbherzogtümern verzichtete. Armee einen großen Erfolg. Die dänische Hauptarmee zog sich auf die Insel Alsen zurück. Gemälde von V. von Falckenstein, Öl auf Am 29. Juni landeten die Preußen auf Malpappe, Bildmaß 33,2 x 42,7 cm Alsen und besetzten die Insel. Damit war Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0771-1991 224 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 225

Ludwig II. (1845-1886) König von Bayern

Die in Preußen erschienene Karikatur ihm Ludwig II. auf den Thron. Für diese zeigt Ludwig als weltfremden Träumer, Aufgabe war er noch nicht hinreichend der sich der Musik Richard Wagners hin- vorbereitet. Aber auch ein energischer gibt, statt zu regieren. und erfahrener König auf dem bayeri- Ein schöner Soldat: Der junge Ludwig II. hatte Wagner 1864 nach Mün- schen Thron hätte den gewaltsamen Aus- Ludwig II. chen geholt. Das selbstbewusste Auftreten trag des preußisch-österreichischen Kon- des Komponisten und sein Einfluss auf flikts und die Verwicklung Bayerns in die Obwohl Ludwig schon als Kronprinz re- den König führten zu heftigen öffentli- Niederlage an der Seite Österreichs kaum lativ wenig Interesse für das Militärwesen chen Auseinandersetzungen. Unter die- verhindern können. hatte, trat er selbstverständlich meist in sem Druck sah sich Ludwig im Dezember Uniform auf. 1865 gezwungen, den verehrten Meister Hier ist er als Inhaber des 2. Ulanen-Re- aus München zu entfernen. giments zu sehen, das ihm noch als Kron- Ludwig II. in der Uniform des 2. Ulanen-Regi- König Maximilian II., Ludwigs Vater, war Illustration von J. Ehrentrant, aus: Nathan Jacob ments, Gemälde von Ludwig Behringer, Anders, Der Krieg von 1866 im Guckkasten. Hei- prinz gleich nach dessen Errichtung im Öl auf Leinwand, im Rahmen 70 x 48,5 cm 1864 völlig überraschend gestorben, erst 55 tere Bilder in ernster Zeit, Berlin 1866. Jahr 1863 verliehen worden war. Bay. Armeemuseum Inv.-Nr. B 5649 Jahre alt. Im Alter von nur 18 Jahren folgte Bay. Armeebibliothek, Sign. B14 / An7 226 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 227

Waffenrock Ludwigs II. als Inhaber Tschako Ludwigs II. als Inhaber des 2. Infanterie-Regiments eines österreichischen Regiments In der bayerischen Armee bekleidete Lud- auch das 1. Infanterie-Regiment den Bei- Es war allgemein üblich, befreundeten schen 13. Infanterie-Regiments (Friedens- wig II. bis 1864 die Oberst-Inhaber-Stelle namen „König“. Dessen Oberst-Inhaber Monarchen und Prinzen die Ehrenstellen standort Ingolstadt). des 2. Infanterie-Regiments „Kronprinz“. blieb aber formal der zurückgetretene Kö- als Regiments-Inhaber der eigenen Armee Nach der Thronbesteigung legte er diese nig Ludwig I. (der Großvater Ludwigs II.), zu verleihen. So wurde Ludwig II. nach Ehrenstelle nieder. bis zu seinem Ableben 1868 seiner Thronbesteigung 1864 zum Inhaber Dafür übernahm er die Inhaberstellen des des 5. Ungarischen Infanterie-Regiments 4. Chevauleger-Regiments „König“, die ernannt. Tschako für einen Oberst der österreichischen vorher sein Vater Maximilian II. innege- Waffenrock M/1860 eines Obersten des 2. Infante- Infanterie, getragen von Ludwig II., 1864, rie-Regiments, getragen von Ludwig II. als Kron- Umgekehrt war Kaiser Franz Joseph I. be- Filz, Leder, Metall habt hatte, und des neu errichteten 2. Ula- prinz, Bayern 1860-1864, Wolltuch, Metall reits seit 1851 Oberst-Inhaber des bayeri- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 3635 nen-Regiments „König“. Daneben führte Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1705 228 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 229

Otto von Bismarck (1815-1898) Preußischer Ministerpräsident Helmuth von Moltke (1800-1891) Preußischer General und Chef des Bismarck wurde 1862 zum preußischen das Zeitfenster für Einmischungen von Generalstabs Ministerpräsidenten ernannt. Seine Politik außen rasch schloss. brachte Bewegung in die deutsche Frage, Vier Jahre später, 1870, führte der Krieg Helmuth von Moltke gehört zu den be- arbeit, die den Blick aufs Ganze mit größ- die er im „kleindeutschen“ Sinn, also un- zwischen Frankreich und den deutschen deutendsten Feldherrn des 19. Jahrhun- ter Sorgfalt im Detail verband. Prägend für ter Ausschluss Österreichs, lösen wollte. Staaten unter Führung Preußens zur derts. Seine Erfolge begründeten das Pres- den von Moltke begründeten deutschen Der nationalpolitische Aktivismus war Gründung des Deutschen Reiches. Als tige des preußischen Generalstabs. Führungsstil war die Zuweisung großer für Bismarck ein Mittel, die preußische Reichskanzler leitete Bismarck bis 1890 Die Feldzüge des Jahres 1866 und des Krie- Handlungsspielräume an die Unterführer Machtstellung zu festigen und auszuwei- dessen Geschicke. ges gegen Frankreich 1870/71 endeten mit („Auftragstaktik“). ten. Dass es ihm gelang, die europäischen spektakulären Erfolgen der preußischen Großmächte von einer Intervention in bzw. deutschen Armeen. Moltke hatte die- den preußisch-österreichischen Konflikt se Operationen geplant und mit sicherer abzuhalten, lag einerseits an seinem dip- Holzstich von Richard Brend’amour nach einer Hand durchgeführt. „Generalstabsmäßig“ Stahlstich von August Weger „nach einer Photo- Portraitzeichnung von Hans Scherenberg, graphie“, Verlag der Dürr‘schen Buchhandlung, lomatischen Geschick, andererseits an der in: Julius von Pflugk-Harttung, Krieg und Sieg wurde zu einem Synonym für makellose, Leipzig ca. 1867, 20,3 x 14,9 cm Schnelligkeit des preußischen Sieges, der 1870-71, Berlin 1896 alle Eventualitäten bedenkende Planungs- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2054 230 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 231

Wilhelm I. (1797-1888) König von Preußen Franz Joseph I. (1840-1916) Wilhelm I. vertrat seit 1858 seinen regie- Minister, als sich abzeichnete, dass ihre Kaiser von Österreich rungsunfähigen Bruder Friedrich Wilhelm Politik aktiv die Lösung der deutschen IV. als Regent und bestieg nach dessen Frage betrieb. Die Revolution des Jahres 1848 führte zur zwangen den Rückzug Österreichs aus Tod im Jahr 1861 den preußischen Thron. Nach dem Sieg über Frankreich wurde Abdankung Kaiser Ferdinands und zur Italien. Nach der Niederlage gegen Preu- Wilhelm war als Soldat erzogen worden, Wilhelm 1871 im Spiegelsaal von Ver- Thronbesteigung seines erst 18-jährigen ßen war Franz Joseph I. gezwungen, auch und der Armee galt seine besondere Auf- sailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen, Neffen Franz Joseph, dem es mit harter die historische Verbindung Österreichs merksamkeit. Eine seiner ersten Regie- eine Würde, die ihm wohl weniger bedeu- Hand gelang, die Monarchie wieder zu mit Deutschland zu lösen. rungshandlungen war die Modernisie- tete als der preußische Königsthron. Sein stabilisieren. Im „Ausgleich“ des Jahres 1867 musste rung der preußischen Armee. Über die Enkel Wilhelm II., der letzte deutsche Kai- Die Zurückdämmung der nationalen Franz Joseph I. den Forderungen der Un- Finanzierung dieser kostspieligen Neu- ser, verehrte den Großvater und versuch- Spannungen im Innern und die Veranke- garn nachgeben, die in ihrer Reichshälfte organisation kam es zu einem schweren te, ihn als „Wilhelm den Großen“ im deut- rung des Reichs in (Nord-)Italien und eine weitgehende Autonomie durchsetzen Konflikt mit dem Abgeordnetenhaus. Das schen Geschichtsbild zu etablieren, was Deutschland blieben zentrale Ziele der konnten. Aus dem Kaiserstaat Österreich führte zur Berufung Otto von Bismarcks indes nicht gelang. Wiener Politik. Franz Joseph I. war ent- wurde die „Doppelmonarchie“ Öster- zum Ministerpräsident, der als ebenso schlossen, die führende Stellung Öster- reich-Ungarn. kompromisslos galt wie sein königlicher Stahlstich von August Weger „nach einer Photo- reichs im Deutschen Bund zu erhalten. graphie“, Verlag der Dürr’schen Buchhandlung, Herr. Leipzig ca. 1867, 19,5 x 14,4 cm Die Niederlage im Krieg gegen Frankreich Fotografie um 1870, 10,4 x 6,3 cm Populär wurden Wilhelm und sein erster Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 613.9 und Sardinien-Piemont im Jahr 1859 er- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 169.28 232 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 233

Ludwig von Benedek (1804-1881) Ludwig von der Pfordten Österreichischer General (1811-1880) Bayerischer Ministerpräsident Der gebürtige Ungar Benedek befehligte meen zu verhindern. Die Niederlage von 1866 die österreichische Armee in Böh- Königgrätz machte allen Hoffnungen auf Der Jurist von der Pfordten gestaltete die weit auseinander, andererseits waren sie men. Am 3. Juli 1866 erlitt er bei König- einen günstigen Ausgang des Feldzugs ein bayerische Politik des Jahres 1866. nicht bereit, den von Bayern wie selbstver- grätz die entscheidende Niederlage gegen Ende. Von der Pfordten war von 1849 bis 1859 ständlich erhobenen Führungsanspruch die preußische Armee. Nach dem Krieg machte man Benedek und dann wieder von 1864 bis 1866 Staats- hinzunehmen. Im Krieg von 1859 war Benedek einer der zum Sündenbock. Eine kriegsgerichtliche minister des Königlichen Hauses und des In der Krise des Jahres 1866 versuchte von wenigen österreichischen Generäle, die Untersuchung wurde zwar eingestellt. Äußern und damit zugleich Vorsitzender der Pfordten, so lange wie möglich den erfolgreich gekämpft hatten. Das empfahl Doch wurde Benedek die Verpflichtung im Ministerrat, also Ministerpräsident. Krieg zu vermeiden, doch war Bayern zu ihn für höhere Aufgaben, obwohl ihm die auferlegt, über diese Vorgänge zu schwei- Seine leitende Idee war die Zusammen- schwach, um den Lauf der Dinge aufhal- militärwissenschaftliche Bildung zur Lei- gen, so dass er sich nie öffentlich rechtfer- fassung der Mittelstaaten des Deutschen ten zu können. Bismarck nannte von der tung komplexer Großoperationen fehlte. tigen konnte. Bundes zu einem handlungsfähigen Kör- Pfordten in seinen Erinnerungen „einen Benedek war sich dieses Mangels bewusst. per neben den Großmächten Preußen und ehrlichen und gelehrten, aber politisch 1866 wurde er trotz seines Widerstre- Österreich. nicht geschickten deutschen Professor.“ bens zum Oberkommandierenden der Diese als „Trias-Idee“ bekannte Schaffung Armee in Böhmen ernannt. Es gelang ihm Stahlstich von August Weger „nach einer Photo- eines „Dritten Deutschland“ erwies sich graphie“, Verlag der Dürr’schen Buchhandlung, Fotografie um 1860, nicht, die Vereinigung der getrennt in Leipzig ca. 1867, 31,2 x 21,3 cm als nicht realisierbar: Die Interessen der Wikipedia, abgerufen am 3. Juni 2016 Böhmen einrückenden preußischen Ar- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2056 potentiellen Mitglieder lagen einerseits zu (gemeinfrei) 234 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 235

Prinz Carl von Bayern (1795-1875) Bayerischer Generalfeldmarschall

Carl war der jüngere Bruder König Lud- über hinaus wurde ihm am 27. Juni 1866 Offiziersdegen des Prinzen Carl wigs I. und somit Großonkel König Lud- der Oberbefehl über die im VIII. Bundes- wigs II. Er erhielt eine militärische Ausbil- Armeekorps vereinten Truppen des deut- Die Offiziere der bayerischen Armee tru- des Degens genannt: „Johann Strobelber- dung und nahm als junger Mann noch an schen Südwestens übertragen. gen seit 1799 einen Degen, der jedoch erst ger, Schwert-, und engl. Platir-Fabrikant in den Feldzügen der Jahre 1813/15 teil. 1841 Es wurde also kein unabhängiges Ar- 1818 genauer definiert wurde. Da Offiziere München“. Die Klinge stammte aus Solin- wurde er zum Generalfeldmarschall er- mee-Oberkommando geschaffen. In der damals ihre Ausrüstung und Uniformen gen aus der berühmten Klingenschmiede nannt und war seit 1848 Generalinspektor Doppelstellung als Korps- und Armee- selbst bezahlen mussten, waren ihre Aus- Weyersberg. Der Degen kam bereits 1880 des bayerischen Heeres. Er kannte dessen befehlshaber war ein Interessenkonflikt rüstungsstücke häufig auch aufwändiger in das Armeemuseum. Eine damals noch Mängel, konnte sie aber nicht beheben, angelegt. gestaltet. Dieser Degen wurde von Prinz vorhandene verzierte Lederscheide ist im weil es am Geld fehlte. Die Aussichten der Carl getragen. Laufe der Jahrzehnte leider verloren ge- Süddeutschen in einem Krieg mit Preußen Die Klinge ist aus Damaststahl gearbeitet gangen. beurteilte er mit berechtigter Skepsis. und mit einer leichten Ätzung verziert. Als ranghöchstem Soldat der bayerischen Die Gravur in Form von Kriegstrophä- Armee stand Carl der Oberbefehl über die en und floralen Motiven ist teilweise, das Offiziersdegen, Bayern, Hersteller: Johann Stro- Portraitbüste von Christoph Roth 1876, Bronze- belberger, München, Gesamtlänge 100,5 cm, bayerische Armee zu, und er wollte diese guss, 50 x 44 x 26 cm Gefäß vollständig vergoldet. Auf dem mu- Klingenlänge 84 cm Aufgabe auch selbst wahrnehmen. Dar- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6333 schelförmigen Griffblatt ist der Hersteller Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1622 236 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 237

Uniformrock des Prinzen Carl Prinz Carl von Bayern, 1862

Diese Uniform trug Prinz Carl als Inha- Verdienstorden der Bayerischen Krone Das Gemälde zeigt den 67-jährigen Prin- ber des 1. Kürassier-Regiments. Obwohl (Ritterkreuz); Ludwigs-Orden; Bayerisches zen in der bayerischen Feldmarschalls- er als Feldmarschall einen höheren Rang Militärdenkzeichen für 1813, 1814 und Uniform. Diesen höchsten Rang in der Ar- einnahm, zeigte er sich bei dem Regiment, 1815; mee nahm er seit 1841 ein. das seinen Namen trug, nur in der Uni- Kaiserlich-königlich österreichischer Mili- Der Kragen zeigt eine reiche Silbersti- form eines Obersten. Dies war so üblich. tär-Maria-Theresien-Orden (Ritterkreuz); ckerei, die Knöpfe sind mit gekreuzten Auf der Brust befindet sich eine Schnalle Kaiserlich russischer Orden des heiligen Marschallstäben geprägt. Auf der Brust mit verkleinerten Ausführungen von Or- Georg IV. Klasse (Ritterkreuz). trägt er die Ordensschnalle, die an seiner den und Ehrenzeichen, die der Prinz zu- erhaltenen Kürassieroffiziers-Uniform im meist schon zur Zeit der Befreiungskriege Original zu sehen ist, sowie den Stern des Waffenrock eines Obersten des 1. Kürassier- Gemälde von Joseph Bernhardt 1862, Öl auf erhalten hatte (von links nach rechts): Regiments, Wolltuch, Silber Wittelsbacher Hausordens vom Heiligen Leinwand, Maße im Rahmen 91 x 75,5 cm Militär-Max-Joseph-Orden (Ritterkreuz); Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1616 Hubertus. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0121-2006 238 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 239

Alexander von Hessen-Darmstadt (1823-1888) Österreichischer General Ludwig von der Tann (1815-1881) Bayerischer General Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt Kontingenten sich sein Korps zusammen- diente seit 1852 in der österreichischen Ar- setzte. Auf ihren Gehorsam konnte er sich Ludwig von der Tann-Rathsamhausen war zugebracht. Für die Stellung als Chef eines mee. 1866 wurde er zum Befehlshaber des nicht unbedingt verlassen. 1866 als „Chef des Stabes“ der wichtigste Stabes fehlten ihm Schulung und Neigung. VIII. Bundes-Armeekorps ernannt. Alexander hatte 1851 in morganatischer militärische Berater des Prinzen Carl. Nach der Niederlage sah er sich heftigen 1859 hatte Alexander den modernen Ehe die Gräfin Julia von Hauke geheiratet, Von der Tann war 1833 in die Armee ein- Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt, Krieg bereits als Truppenführer in Italien die von Alexanders Bruder, Großherzog getreten. 1848 nahm er an den Kämpfen die aber seine Karriere nicht aufhielten. kennengelernt. Sein Wunsch, als öster- Ludwig III., zur Fürstin Battenberg erho- gegen Dänemark als Führer eines Frei- Bekannt und populär wurde er als Kom- reichischer General auf dem böhmischen ben wurde. Diesen Namen führten fortan korps teil, 1849/50 als regulärer bayeri- mandierender General des I. bayerischen Kriegsschauplatz Verwendung zu finden, die Prinzen und Prinzessinnen, die aus scher Offizier und 1864 als Beobachter. Armeekorps im Deutsch-Französischen blieb unerfüllt. dieser Verbindung hervorgingen. Der eng- Dort gewann er die Überzeugung von der Krieg von 1870/71. Alexanders Stellung als Befehlshaber des lische Zweig der Familie anglisierte seinen Überlegenheit der preußischen Armee VIII. Bundes-Armeekorps war schwierig. Namen 1917 zu Mountbatten. und insbesondere ihrer Bewaffnung mit Wohl war er dem Prinzen Carl unterstellt, dem Zündnadelgewehr. Stahlstich von August Weger „nach einer Photo- er empfing aber auch Weisungen von der graphie“, Verlag der Dürr’schen Buchhandlung, Lithografie von Eduard Kaiser, 1849 Seine militärische Laufbahn hatte von der Leipzig ca. 1867, 16,7 x 12,5 cm. Bundesversammlung in Frankfurt und 42,1 x 30,5 cm Tann als Truppenführer und im Hofdienst Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 4783 den Regierungen der Länder, aus deren Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 63.51 240 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 241

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Albert von Suckow (1828-1893) Prinz Wilhelm von Baden Württembergischer Offizier (1829-1897) Badischer General Suckow brachte den Feldzug als Verbin- wie sein bayerischer Kollege Siegmund dungs-Offizier des VIII. Armeekorps beim von Pranckh aus professioneller Einsicht Wilhelm von Baden kommandierte wäh- schied er aus dem aktiven Dienst in der Stab des Feldmarschalls Prinz Carl zu. in die Überlegenheit des norddeutschen rend des Feldzugs die badische Division. preußischen Armee aus. Von 1865 bis 1867 Nach 1866 stieg er in der württembergi- Modells, sondern aus nationalpolitischer Er tat das mit großer Zurückhaltung, wohl stand er an der Spitze der badischen Ar- schen Armee rasch auf. Überzeugung: Suckow war ein glühender deshalb, weil der badische Großherzog mee. Den Weg vom Major (1866) zum General- Anhänger der deutschen Einigung unter Friedrich I., sein Bruder, mit einer Tochter Wilhelms Führungsverhalten im Feldzug major legte er in nur vier Jahren zurück. preußischer Führung. Diese Haltung war des preußischen Königs Wilhelm I. verhei- des Jahres 1866 löste heftige Kritik aus, Rasch wurde er Adjutant des Kriegsmi- in Württemberg nicht unumstritten. Sei- ratet war. von „badischem Verrat“ war die Rede. Im nisters, dann Chef des württembergischen nen Lebensabend verbrachte Suckow in Wie viele nachgeborene Prinzen ohne Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 Generalstabs und schließlich Kriegsminis- Baden. Aussicht auf die Thronfolge hatte auch führte er eine Brigade, also einen kleineren ter (1870). Wilhelm die militärische Laufbahn ein- Truppenkörper als 1866. Suckow betrieb die Reorganisation der geschlagen. 1849 war er in preußische Fotografie um 1870 württembergischen Armee nach dem Vor- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Inv.-Nr. M 703_R573 Dienste eingetreten und brachte es dort in Holzstich, aus: Julius von Pflugk-Harttung, Krieg bild der preußischen. Das tat er nicht nur Nr 1 der Artillerie bis zum Generalmajor. 1863 und Sieg 1870-71, Band 1, Berlin 1896 242 | Kriegsausbruch – Handelnde Personen Kriegsausbruch – Handelnde Personen | 243

Eduard Vogel von Falckenstein (1797-1885) August Karl von Goeben Preußischer General (1816-1880) Preußischer General Eduard Vogel von Falckenstein wurde kämpft und mit der Einnahme Frankfurts Anfang Juli 1866 zum Oberbefehlshaber ein wichtiges politisches Ziel erreicht. Zu Goeben befehligte eine der drei preußi- Die von Goeben energisch und aggressiv der preußischen Truppen auf dem west- Beginn des Feldzugs hatte Falckenstein al- schen Divisionen auf dem westdeutschen geführte 13. preußische Division erlebte lichen Kriegsschauplatz ernannt. Er führ- lerdings mehrfach gegen klare Weisungen Kriegsschauplatz. Er galt als einer der bes- 1866 die intensivste Gefechtstätigkeit (Zel- te die „Mainarmee“ bis zum Einzug in des Großen Hauptquartiers verstoßen. ten Generäle der Armee. la, Roßdorf, Kissingen, Laufach, Aschaf- Frankfurt. Moltke war nicht gesonnen, solche Ei- 1866 konnte Goeben bereits auf ein beweg- fenburg) von allen Divisionen der Mainar- Falckenstein konnte auf eine lange militä- genmächtigkeiten zu dulden und ersetzte tes Leben zurückblicken. Spielschulden mee. Bekannt und populär wurde Goeben rische Laufbahn zurückblicken. Er hatte Falckenstein als Oberkommandierenden hatten ihn 1835 gezwungen, den preußi- als Kommandierender General des VIII. als Freiwilliger bereits an den Befreiungs- der Mainarmee durch General von Man- schen Dienst zu verlassen und in die spa- preußischen Armeekorps im Deutsch- kriegen 1813/15 teilgenommen. Kurz vor teuffel. nische Armee einzutreten. In den Karlis- Französischen Krieg 1870/71. Ausbruch des Krieges erreichte er mit der tenkriegen wurde er fünfmal verwundet Ernennung zum Kommandierenden Ge- und verbrachte mehrere Jahre in Gefan- neral des VII. Armeekorps in Münster eine genschaft. 1841 kehrte er völlig verarmt der höchsten Stellen der Armee. Stahlstich von August Weger „nach einer Photo- nach Deutschland zurück, wo er wieder graphie“, Verlag der Dürr’schen Buchhandlung, Unter Falckensteins Führung hatten die Leipzig ca. 1867, 28,5 x 20,5 cm. in die preußische Armee eintrat und rasch Fotografie nach 1864, ca. 10 x 6 cm preußischen Divisionen erfolgreich ge- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0120-2016 aufstieg. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3457 245 Die Schlacht von Königgrätz

Der Krieg des Jahres 1866 wurde in Böhmen entschieden. Dort boten Österreich und Preußen die Masse ihrer Streitkräfte auf. Die Ausgangslage war für Österreich insofern günstig, als es sein Heer konzentriert auf- stellen konnte, während die Preußen ihre Armee aufteilen mussten, um in der gebotenen Eile die schwer passierbaren Grenzgebirge nach Böhmen zu überwinden. Das bot den Österreichern die Möglichkeit, die preußischen Truppen, so, wie sie aus den Gebirgspässen heraustraten, nacheinander mit vereinter Kraft und somit starker Überle- genheit anzugreifen. Diese Chance blieb aber ungenutzt. Der preußischen Führung unter der Leitung des Generals Helmuth von Moltke gelang es, die getrennt anmarschierenden eigenen Armeen am 3. Juli 1866 bei Königgrätz zu einem vereinten Schlag zusammenzuführen und den Österreichern sowie den an ihrer Seite fechtenden Sachsen eine schwere Niederlage zuzufügen. Sie konnten sich zwar an der Donau neu formieren, aber die Aussichten, den Kampf mit Erfolg wieder aufnehmen zu können, waren gering, so dass es zu einem Friedensschluss kam, in dem Österreich der Auflösung des Deutschen Bundes zustimmen musste.

Siegesmeldung von Königgrätz

Dank der modernen Telegrafie konnten westen des Schlachtfeldes. Unter diesem die preußischen Behörden den Sieg bereits Namen ist die sie im französischen und einen Tag nach der Schlacht bekannt ge- englischen Sprachraum bekannt. ben. Die Schlacht wird in dieser Meldung bei Flugblatt, Letterndruck, Papier, 20 x 25 cm Sadowa lokalisiert, einem Dorf im Nord- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0705-1993 246 | Die Schlacht von Königgrätz Die Schlacht von Königgrätz | 247

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Österreich: Geschützrohr eines Achtpfünders M. 1863

Die österreichische Artillerie hatte sich te die österreichische Artillerie die völlige Granate eines Achtpfünders beim Übergang zu gezogenen Rohren für Zertrümmerung des geschlagenen Heeres, das Vorderladerprinzip entschieden. 1866 indem sie unter großen Opfern dessen Die Granaten des österreichischen Ge- führte die österreichische Feldartillerie Rückzug deckte. schützsystems waren mit einem Mantel ausschließlich gezogene Geschütze. aus weichem Metall umgossen, der genau Der Achtpfünder war die schwere Va- in das Laufprofil passte. Der Zünder Österreich um 1866 riante. Er machte etwa 20 Prozent der Ge- brachte die Granate beim Aufschlag zur Gusseisen, Zinn-Zink-Legierung, schützausrüstung aus. Die übrigen waren Österreich 1864 Detonation. Achtpfündige Granaten ent- Durchmesser: 11 cm (Führungsleisten), Kaliber: 10 cm (Feldkaliber), Länge 170 cm Höhe 22 cm, Gewicht: 6,1 kg „leichte“ Vierpfünder. Heeresgeschichtliches Museum Wien, hielten eine Ladung von 438 g Schwarz- Heeresgeschichtliches Museum Wien, In der Schlacht von Königgrätz verhinder- Inv.-Nr. 0000/33/NI81800 pulver und zersprangen in ca. 60 Splitter. Inv.-Nr. NI 2041a 248 | Die Schlacht von Königgrätz Die Schlacht von Königgrätz | 249

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Der Sieg „Der Traum des Erfinders des Zündnadelgewehrs“ Während die preußische Armee im Hin- tergrund des Bildes auf die geschlagenen Die Stärkung der Feuerkraft durch das Das Blatt erschien am 1. November 1866, Österreicher eindringt, huldigt ein preu- Zündnadelgewehr wurde allgemein als also zu Allerheiligen in der französischen ßischer Offizier seinem siegreichen König Grund für den preußischen Erfolg angese- Zeitschrift Charivari. Mit dem wirklichen als treuer Lehnsmann mit einem Hand- hen. Die französische Karikatur verurteilt Erfinder, Nikolaus von Dreyse, hat die kuss, während ein Mannschaftssoldat den die neue Waffe: Der Erfinder, mit totenko- Darstellung keine Ähnlichkeit. Steigbügel hält. Wilhelm I. und sein Stab auf dem Schlachtfeld pfähnlichem Schädel, zeigt seine Befrie- Links von Wilhelm I. erkennt man die Ar- von Königgrätz, Ölgemälde von Otto Heyden, digung angesichts der Leichenfelder, die (Reproduktion), 143 x 189,5 cm (Bildmaß des Ori- Lithografie von Honoré Daumier 1866, Bildgröße chitekten des Erfolgs: Moltke, Bismarck ginals) seine Waffe auf den Schlachtfeldern hin- 23,8 x 20,4 cm und Roon. Deutsches Historisches Museum, Inv.-Nr. 10.104 terlassen hat. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0590-2015 251 Der Feldzug in Franken

Preußen begann den Feldzug in Westdeutschland mit der Besetzung von Hannover und Kurhessen. Damit war die Landbrücke zwischen dem westlichen und östlichen Teil Preußens geschlossen. Die hannoversche Armee, die sich den Süddeutschen anschließen wollte, wurde in Thüringen abgefangen und am 29. Juni zur Kapitulation gezwungen. Die Süddeutschen waren in eine westliche Gruppe bei Frankfurt (VIII. Bundesarmee- korps) und eine östliche in Nordbayern (VII. Bundesarmeekorps, die bayerische Armee) getrennt und brachten ihre Vereinigung nicht zuwege. Die preußische Armee, die sich nun „Mainarmee“ nannte, operierte zunächst gegen die isolierte östliche Gruppe und schlug die Bayern am 10. Juli bei Kissingen und Hammel- burg an der Fränkischen Saale. Danach wandte sie sich nach Westen und besetzte Frank- furt am Main. Das VIII. Armeekorps hatte nicht ernsthaft versucht, den preußischen Vormarsch zu ver- hindern und suchte endlich den Anschluss an die bayerische Armee. In der Mainschleife westlich von Würzburg versammelten sich die süddeutschen Korps, doch gelang es ihnen nicht, ihre zahlenmäßige Überlegenheit zur Geltung zu bringen. In mehreren hef- tigen Gefechten drangen die Preußen bis Würzburg vor, wo dann ab dem 28. Juli Waf- fenruhe eintrat.

Karte des Kriegsschauplatzes

Diese Karte des Kriegsschauplatzes wurde von Joseph Heyberger angefertigt. Hey- berger war Unterlieutenant im Topogra- Topographisch-statistische Staats- und Kirchen- fischen Büro des Generalquartiermeister- Karte des Königreiches Bayern, München 1858, Karte im Maßstab 1: 400.000, 2 Blätter, Stabes, wie der bayerische Generalstab je 66 x 55 cm, (Ausschnitt), 2. Blatt ohne Abb. hieß. Bayerisches Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2067 252 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 253

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Preußischer Infanterist Bayerischer Infanterist Ausbildung in letzter Stunde Das Foto zeigt den jungen Soldaten eines Dieser Soldat der bayerischen Linien- Vor dem Feldzug wurde die 4. bayerische preußischen Linien-Infanterie-Regiments Infanterie präsentiert sich in feldmäßiger Division bei Schweinfurt versammelt. Die mit seiner Pickelhaube in voller Ausrüs- Ausstattung, wie die Truppe 1866 auszog. Soldaten waren in Zelten untergebracht. In tung. Die Mütze wird mit dem Kinnriemen ge- wenigen Tagen versuchte man, die Mängel Die Munition des Zündnadelgewehrs halten, der Mantel befindet sich gerollt in der Friedensausbildung auszugleichen: trägt er in zwei Patronentaschen am Gür- einem Überzug auf dem Tornister. Er trägt 6 bis 8 Uhr: Schießen telkoppel, der Mantel wurde so gerollt, die Patronentasche weit vorn am Gürtel. 8 bis 9 Uhr: Exerzieren in offener dass er schräg über dem Oberkörper ge- Gefechtsordnung tragen werden konnte. 3 bis 5 Uhr: Übungen nach eigenem Ermessen der Truppenteile Lithografie und Fotografie auf Karton, 5 bis 6 Uhr: abwechselndes Spielen der Stadtarchiv Schweinfurt Fotografie um 1866, ca. 10 x 6 cm Fotografie um 1866, Originalgröße ca. 10 x 6 cm Musikkorps der Division Familienarchiv Sattler-Gademann, o. S. Sammlung Wolfgang Hanne Wehrgeschichtliches Museum Rastatt, Archiv 254 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 255

Daheim zurückgelassen: Der Raupenhelm

Obwohl der Raupenhelm zum besonde- Konsequenz. Bereits im Mai 1866 wies er Billiger Lückenbüßer: Die Mütze ren Traditionsträger des bayerischen Mili- die gesamte Infanterie an, die Raupenhel- der Infanterie tärs stilisiert wurde, war er bei den Solda- me beim Ausmarsch nicht mitzunehmen. ten wenig beliebt. Wiederholte Versuche, Nur die Chevaulegers und die Artillerie Seit 1838 waren einfache blaue Schirm- wenig zweckmäßig. Sie boten im Gefecht ihn leichter zu machen und zu verbessern, trugen den Helm im Feld. mützen die Alltagsbekleidung in der bay- keinerlei Schutz, waren im Sommer zu brachten wenig. Vor allem sollten die vor- erischen Armee. Sowohl Mannschaften warm und trockneten nur langsam, wenn handenen Helme umgebaut werden, um wie Offiziere trugen den Raupenhelm so sie einmal durchnässt waren. möglichst wenig neue Stücke anschaffen selten wie möglich. zu müssen. Die Folge war, dass alte und Auf dem Feldzug 1866 trug die Infanterie neue Helme bei den Truppen gemischt Raupenhelm für Mannschaften der Infanterie, ausschließlich die bequemen Mützen aus Modell 1845 mit Initiale „L“, Trageweise ab 1864, Schirmmütze für die Mannschaften der Infanterie, und oft in schlechtem Zustand waren. Bayern um 1865 Wolltuch. Allerdings waren diese „als al- Bayern um 1860, Wolltuch, Leder Prinz Carl von Bayern zog daraus die Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 15298 leinige Kopfbedeckung im Felde“ auch Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1819 256 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 257

Gefecht bei Langensalza, 27. Juni 1866 Aufklärungsgefecht bei Wasungen, Die Preußen besetzten das Königreich noveraner dabei ihre Munition weitge- 2./3. Juli 1866 Hannover gleich zu Beginn des Feldzugs. hend verbraucht. Die hannoversche Armee war zu schwach, Zwei Tage danach mussten sie vor den Nachdem die Rettung der Hannoveraner Bayern verloren 3 Tote und 11 Verwunde- um das zu verhindern, und marschierte Preußen, die sich inzwischen erheblich misslungen war, wandte sich die bayeri- te. Das Bild zeigt eine dramatische nächt- zur Vereinigung mit den Bundestruppen verstärkt hatten, die Waffen strecken. sche Armee nach Westen, um sich mit dem liche Szenerie. nach Süddeutschland. VIII. Bundesarmeekorps zu vereinigen. Bei Langensalza in Thüringen wurde sie Dabei kam es in der Nacht vom 2. zum 3. von der preußischen Armee gestellt, be- „Gefecht bei Langensalza“, Kolorierte Lithografie, Juli 1866 bei Wasungen im südlichen Thü- „Recognoscirungs-Gefecht bei Wasungen“, erschienen bei Eduard Kolorierte Lithografie von Anton Kraus, Verlag hauptete aber in einem hitzigen Gefecht das Gustav May in Frankfurt/M., 28 x 39,5 cm ringen zum ersten Zusammenstoß baye- Max Ravizza, München 1866, 31,5 x 45 cm Schlachtfeld. Allerdings hatten die Han- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0372-1981.a rischer und preußischer Abteilungen. Die Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1451 258 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 259

Leben im Feld

Alle Ausrüstungsgegenstände, die der Soldat auf einem Feldzug für seinen persönlichen Bedarf benötigte, musste er mit sich führen. Das belastete vor allem jene Soldaten schwer, die zur Fortbewegung allein auf ihre Beine angewiesen waren. Das waren in erster Linie die Infanteristen, die außerdem noch ihre Bewaffnung samt Munition schleppen mussten. Die Traglast eines bayerischen Infanteristen wog einschließlich der Bekleidung ca. 26 kg. Nach Möglichkeit brachte man die Truppen zur Nächtigung unter Dach. Dabei stopfte man soviel Menschen wie irgend möglich in Gebäude aller Art. Eine Strohschütte als Unterlage bildete das Maximum an Komfort. Wenn das nicht möglich war, mussten die Truppen „biwakieren“, also unter freiem Himmel lagern. 1866 besaßen die Soldaten keine tragbaren Zeltausrüstungen. Als Witterungsschutz und Zudecke gab es bloß den Mantel. Feldküchen wurden erst im 20. Jahrhundert eingeführt. Die Zubereitung warmer Mahlzeiten und Getränke geschah, angefangen mit der Beschaffung des Brennholzes, durch die Mannschaften selbst.

Gefecht bei Roßdorf, 4. Juli 1866

In der thüringischen Rhön kam es am Kaffeemühle mit Umhängeriemen 4. Juli zu mehreren Gefechten zwischen und Kurbel bayerischen und preußischen Truppen. Es gab keinen eindeutigen Sieger, da beide „Gefecht bei Roßdorf“, Kolorierte Lithografie Vor dem Ausmarsch 1866 wurden die von Anton Kraus, Verlag Max Ravizza, München Bayern 1866. Stahlblech, verzinnt, Leder, Holz, Seiten darauf verzichteten, den Kampf bis 1866, 31 x 45cm Truppen mit Kaffeemühlen ausgestattet. 24 x 6 x 5 cm zur Entscheidung durchzufechten. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1452 Auf je zehn Mann kam ein solches Gerät. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2034 260 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 261

Bayerischer Infanterist in Feldausrüstung 1866

Diese Figurine zeigt, wie ein bayerischer Füsilier 1866 ins Feld zog: Alle Ausrüs- tungsstücke sind original und entstam- men der Sammlung des Bayerischen Ar- meemuseums. Nur die ledernen Stiefel wurden nach einer zeitgenössischen Vor- lage rekonstruiert.

Ausstattung eines Soldaten in der Uniform des 10. Infanterie-Regiments, Bayern um 1866 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nrn: H 13001 (Waffenrock), H 12272 (Hose), B 1376 (Mütze), 0002-2016 (Stiefel), B 2181 (Brotsack), B 2099 (Feldflasche), B 1537 (Tornister), B 1538 (Mantelrolle), B 1827 (Menagegeschirr), N 3170 (Koppel), N 3171 (Seitengewehr mit Scheide, sog. Infanteriesäbel M/38), N 3172 (Bajonett mit Scheide), N 3169 (Patronentasche) 262 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 263

Mannschaftsmantel

Der Mantel war dem Soldaten unentbehr- Dieser Mantel entspricht dem seit 1848 in lich: Er schützte gegen Nässe und Kälte, der Armee getragenen Muster. Wie die diente im Biwak als Schlafunterlage und Farbmarkierung auf der Innenseite des Zudecke. Auf dem Marsch wurde er in rechten Ärmelaufschlags zeigt, wurde er einen weißleinernen, hellblau gestreiften im Juni 1866 in Gebrauch genommen, also Überzug verpackt, der oben auf dem Tor- bei Ausbruch des Krieges. nister festgeschnallt war. Um die Montur gleichmäßig abzunützen, konnte der Mantel links und rechts ge- Bayern 1866, Wolltuch, Leinen, tuchbezogene knüpft werden. Natürlich wurde das je- Holzknöpfe weils befohlen. Bay. Armeemuseum, Inv-Nr. B 1375 264 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 265

Tornister M/60 Kochgeschirr M/1828 Der gepackte Tornister wog ca. 13 kg. Der gerollte Mantel wurde in einem Über- Dieser Feldkessel war das eigentliche Er sollte enthalten: zug auf dem Tornister festgeschnallt. Kochgerät der Infanterie. Er fasste 9-10 Notverbandszeug, Leibbinde, wollene „Maß“ (1 bayerisches Maß = 1,07 Liter) Handschuhe, Tuchhose, Schuhsohlen mit und erlaubte die Zubereitung einer war- Fleck, 1 Paar Ersatzstiefel, 1 Paar Socken, men Mahlzeit für ebenso viele Soldaten. 1 Unterhose, 1 Hemd, 1 Handtuch, 1 Hals- Auf dem Marsch wurde das Kochgeschirr binde mit 3 Streifen, 1 Sacktuch, Essbe- Bayern um 1860. Eisenblech, verzinnt, Bayern, um 1865. Kalbfell, Leder, Holz, Eisen, von den Mannschaften abwechselnd ge- 28,5 x 35 x 18,5 cm steck, 4 Päckchen Patronen, Zündhütchen, 34 x 41 x 15 cm tragen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1338 eiserner Bestand (Verpflegung). Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1825 266 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 267

Infanteriesäbel M/38 Brotsack Der Infanteriesäbel (auch als „Jägersäbel“ bezeichnet) war nicht so sehr Waffe als Der Brotsack war eine praktische Umhän- vielmehr Feldwerkzeug. Gebraucht wie getasche für allerlei Kleinteile, die der Sol- Bayern um 1850. Stahl, Messing, Gesamtlänge eine Machete, diente er vor allem zum 60,5 cm, Klingenlänge 47,2 cm dat rasch zur Hand haben wollte (Pfeife, Bayern um 1860. Zwillich, Leder, Bein, 28 x 31 cm Holzmachen für Lager- und Kochfeuer. Bay Armeemuseum, Inv.-Nr. H 3077/1 Tabak usw.). Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 3445 268 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 269

Strapazen des Feldzugs

Feldflasche M/49 mit Trinkbecher Die Zeichnungen Leoprechtings schildern M/64 eindringlich die Strapazen des Feldzugs: Regenwetter, anstrengende Märsche, Kam- Lithografien nach Zeichnungen von Marquard Der besseren Haltbarkeit wegen hatte die pieren und Kochen unter freiem Himmel von Leoprechting, aus: Ders., Skizzen aus dem gläserne Feldflasche einen Lederüberzug. („Bivouac“), verwanzte Quartiere. Leo- Feldzuge 1866. Seiner Königlichen Hoheit dem Der Trinkbecher war erst 1864 eingeführt prechting kannte diese Dinge aus eigener Prinzen Carl in tiefster Ehrfurcht gewidmet. worden. Erfahrung, denn er hatte als Offizier im 4. München 1866, ca. 22 x 31 cm. Bayern um 1865. Glas, Leder, Eisenblech Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 195.c.9; Flasche und Becher fassten jeweils eine (verzinnt), Kork, 22 x 14 x 8 cm Jäger-Bataillon aus München an diesem G 195.c.11; G 195.c.17; G 195.c.19; G 195.c.22; halbe bayerische Maß (ca. 0,5 Liter). Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2065 Feldzug teilgenommen. G 195.c.25 270 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 271 272 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 273

Lagerleben: Offiziere im Biwak

Diesen preußischen Offizieren sieht man Boden, zeugt von einer gewissen Locke- bereits die Anstrengungen des Feldzugs rung der äußeren Disziplin, wie sie „im an. Tisch und Stühle, die man von irgend- Felde“ unvermeidlich war. woher zusammengetragen hat, bieten ei- nen relativen Komfort. Fotografie 1866 Dass ein Mannschaftssoldat in Gegenwart 18,5 x 26,4 cm der Offiziere sitzt, wenn auch nur auf dem Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0846-2007 274 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 275

Helm für Kürassiere Panik der Kürassiere bei Hünfeld, 4. Juli 1866 Der in Stahl und Messing blitzende Helm der Kürassiere erinnerte stark an das noch Beim hessischen Hünfeld geriet die Spitze und konnten erst nach mehreren Tagen deutlich höhere Vorgängermodell, das die der bayerischen Kavallerie überraschend wieder gesammelt werden. ersten bayerischen Kürassiere von 1815 in einen preußischen Feuerüberfall, der in getragen hatten. einer Kettenraktion zum eiligen Rückzug Er war zwar leichter (1,25 kg statt 2,0 kg) der sieben Regimenter starken Reserveka- Holzstich nach einer Zeichnung von Ludwig und niedriger geworden, zeigte aber im- Kürassierhelm für Mannschaften Modell 1842, vallerie führte. In der folgenden Nacht lös- Burger, aus: Theodor Fontane, Der deutsche mer noch den mächtigen Kamm, der an Bayern, Trageweise bis 1848 und ab 1864 mit Krieg von 1866. Der Feldzug in West- und Mittel- der Initiale „L“, Stahl, Messing, Rosshaar, ten sich zwei Kavallerieregimenter ohne deutschland, Berlin 1871, S. 84 die Helme der Griechen und Römer erin- Höhe ca. 32 cm erkennbare äußere Ursache panikartig auf Bay. Armeebibliothek, Sign. A 50338 nern sollte. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 833 276 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 277

Kürass: Brust- und Rückenpanzer

Vom Wortsinn waren Kürassiere „Pan- trug etwa 9,5 kg. In jedem Fall benötigten zerreiter“. Diesen Namen behielten die die Kürassier-Regimenter besonders kräf- Einheiten der schweren Reiterei seit dem tige Soldaten und große Pferde. Mantel für Kürassiere 17. Jahrhundert bei. Gegen die Langgeschosse der neuen Hin- Neue Kürasse aus Stahl nach französi- terladergewehre boten die Kürasse nur Der lange weiße Mantel sorgte selbst bei schem Vorbild wurden ab 1841 aus Elber- noch auf große Entfernung ausreichenden schlechtem Wetter dafür, dass die stolzen feld bezogen, dann 1844 in der Gewehrfa- Schutz; 1876 wurden sie abgeschafft. bayerischen Kürassiere auffielen. Dieser brik Amberg hergestellt. Sie wurden zur Mantel trägt eine Ausgabekennzeichnung Prüfung aus einem Infanteriegewehr mit vom Juli 1866 – wurde also unmittelbar Kürass, Vorder- und Hinterstück Modell 1845, Mantel für Mannschaften der Kürassiere, Bayern einer Bleikugel beschossen, was an der Bayern, Höhe ca. 48 cm vor dem Feldzug an die Truppe ausgege- 1866, Wolltuch Delle vorn zu sehen ist. Ihr Gewicht be- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 5865.1-2 ben. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 1659 278 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 279

Pallasch für Kürassiere Marsch der Preußen über die Rhön

Kurz nach seinem Regierungsantritt glie- Die etwa einen Meter lange Klinge weist Die preußische Armee wandte sich nach derte König Ludwig I. im Rahmen seiner zwei Hohlkehlen auf und war nur an der den ersten Gefechten in Thüringen gegen Sparmaßnahmen das von seinem Vater, Spitze, dem Ort, zweischneidig geschlif- die bayerische Armee. Dazu musste sie die Max I. Joseph, gegründete Regiment Gar- fen. Damit war sie für den Stich vom Pferd Rhön durchqueren. de du Corps in ein normales Kürassier- besonders gut geeignet. Der Marsch durch diese karge, an Lebens- Regiment ein. Damit einher ging auch eine mittelvorräten arme Landschaft bedeutete weniger prunkvolle Ausstattung. So blieb für die preußischen Truppen eine große der Pallasch zwar als Blankwaffe erhal- Anstrengung, zumal das Überwinden be- „Marsch über die hohe Rhön am 9. Juli 1866“, ten und hatte am Gefäß immer noch drei trächtlicher Höhenunterschiede für diese Farblithografie von Ludwig Burger, aus: Bayern, Stahl, Messing, Gesamtlänge (mit Schei- Erinnerungs-Blätter aus dem Feldzuge der Main- Messingspangen, verlor jedoch das ovale de) 116 cm, Klingenlänge 97 cm Männer und Pferde aus der Tiefebene un- Armee 1866, Originalblatt 29,5 x 38 cm Schild mit eingeprägtem Löwen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1631 gewohnt war. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.6 280 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 281

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7 5 1 Gefecht von Kissingen, 10. Juli 1866 4 Die Preußen überqueren die Saale Prinz Carl hatte das VIII. Bundesarmee- korps am 5. Juli angewiesen, sich mit dem Die Fränkische Saale bei Kissingen bildete bayerischen Korps südlich der Rhön zu ein wichtiges Geländehindernis im Weg vereinigen. Doch Alexander von Hessen der preußischen Offensive. Bayern ignorierte diese Anweisung und blieb im Die Bayern hatten vom Steg bei der süd- Raum Frankfurt stehen. Als die Spitzen lich von Kissingen gelegenen Lindesmüh- 5 Preußen der preußischen Mainarmee am 10. Juli le nur den Belag entfernt, die tragende 3 gegenüber der Fränkischen Saale aus der Struktur aber belassen. So gelang es den Rhön heraus traten, standen ihnen die Preußen, den Übergang mit behelfsmäßi- Bayern allein gegenüber. Bei Kissingen gen Mitteln wie Türen und Tischplatten griff die preußische Division Goeben an. wieder benutzbar zu machen. Hier verfügte Prinz Carl innerhalb weni- ger Marschstunden über eine beträchtli- che Übermacht. Es gelang der bayerischen 2 4 6 Führung aber nicht, diese Truppen ein- 17.00 Uhr ab 10.00 Uhr 13.00 - 14.00 Uhr bayer. Gegenangriff stehendes die Preußen nehmen Kissingen mit vorübergehenden heitlich ins Gefecht zu führen. Die schlecht Feuergefecht und den Friedhof Erfolgen koordinierten bayerischen Abteilungen 09.00 09.3010.00 10.30 11.00 11.30 12.00 12.30 13.00 13.30 14.00 14.30 15.00 15.30 16.00 16.30 17.00 17.30 18.0018.30 19.00 19.30 20.00 wurden von den energisch angreifenden „Kampf an der Brücke bei der Lindesmühle in Preußen nacheinander geschlagen. Ein Kissingen am 10. Juli 1866“, Farblithografie von ab 09.30 Uhr 11.00 Uhr 14.00 Uhr 19.30 Uhr stehendes die Preußen die Bayern ziehen sich entscheidender Ludwig Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus Feuergefecht überschreiten die Saale von der Saale zurück preußischer Gegenstoß überraschender letzter Angriff der Bayern bei der Lindesmühle dem Feldzuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J., 1 3 5 7 am Abend erzielte nur einen vorüberge- Originalblatt 29,5 x 38 cm henden Erfolg. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.8 282 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 283

Leichter Feld-Zwölfpfünder „Achenthal“

Der „leichte Feld-Zwölfpfünder“ war der Resultat auf dem linken Schildzapfen ein- letzte Versuch, ein kriegsbrauchbares Feld- graviert: 1.028 (bayerische) Pfund (= 560 g). geschütz mit glattem Rohr zu konstruie- Die Lafette vom Muster 1836 wurde be- ren. Solche Geschütze hatten kürzere und reits 1848 gefertigt. leichtere Rohre als die bisherigen Zwölf- Zwei Drittel der bayerischen und etwas pfünder. Statt Vollkugeln verschossen sie mehr als 40 Prozent der preußischen Ge- Granaten, also pulvergefüllte Eisenku- schützausrüstung waren 1866 leichte Feld- geln. Zwölfpfünder. Der Verlauf des Feldzugs Bronzerohre erhielten nach dem Guss ei- zeigte allerdings, dass sie den gezogenen nen individuellen Namen. Diesem 1861 Geschützen an Reichweite und Treffsi- Bayerische leichte Feld-Zwölfpfün- erzeugten Rohr gab man den Namen cherheit hoffnungslos unterlegen waren. der an der Saalebrücke bei Kissin- „Achenthal“, nach einem Gefecht in Ti- Unmittelbar danach verschwanden sie aus gen rol aus dem Jahr 1809, und es trägt das der Bewaffnung. gekrönte Monogramm von König Maxi- Die steinerne Brücke bei Kissingen war milian II., in dessen Regierungszeit (1848- der wichtigste Saaleübergang. Den hatten 1864) es entstand. die Bayern mit Infanterie und glattläufi- „Aus dem Kampfe in Kissingen“, Kolorierte Der rechte Schildzapfen ist mit der Rohr- Bayern 1861, Hersteller: Gieß- und Bohrhaus Lithografie von Anton Kraus, Verlag Max Augsburg (Rohr), Kaliber 11,7 cm, Rohrlänge 178 gen Vorderladergeschützen wirkungsvoll Ravizza, München 1866, 31,5 x 45 cm nummer markiert: 83. Nach der Fertigstel- cm, Gleisweite 156 cm, Raddurchmesser 144 cm gesperrt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1455 lung wurde das Rohr gewogen und das Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. D 283 284 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 285

Querschnitt durch eine exzentri- sche Sprenggranate Exzentrische Sprenggranate mit Die exzentrische Sprenggranate war ein nen Brennzünder: Das war eine mit dem Kartuschbeutel (Treibladung) Splitter der Granate eines leichten neuartiges Geschoss, speziell für den Zündsatz gefüllte hölzerne Röhre, die in Feld-Zwölfpfünders leichten Feld-Zwölfpfünder entwickelt. den Granatkörper eingetrieben war. Die Der aufgemalte Pfeil zeigte den Schwer- Aufgrund des exzentrischen Schwer- Pulvergase setzten den Zündsatz beim punkt an. Zwei Vertiefungen erlaubten Dieses Sprengstück wurde auf dem Ge- punkts setzte sich die leichtere Seite des Abschuss in Brand, der nach einer fest- es, seine Lage im Rohr mit Hilfe eines ga- fechtsfeld von Kissingen gefunden. Es Geschosses unter dem Anstoß der Pul- gelegten Zeit die Pulverladung im Innern belförmigen Ansetzers beim Laden zu be- stammt von den Geschützen der Batterie vergase zuerst in Bewegung, wodurch die zündete. stimmen. zu Rhein, die zwischen der Oberen Saline Granate in Rotation um ihre Querachse und dem Sinnberg aufgefahren war. geriet. Das sollte ihre Flugbahn stabilisie- ren. In der Praxis versagte dieses System. Bayern um 1865 Stahlstich, aus: Karl Theodor von Sauer, Eisen, Wollstoff, 11,4 x 25 cm, Die Entzündung der Granate erfolgte Grundriss der Waffenlehre, München 1866 Gewicht (Granate) 4,13 kg Bayern 1866. Gusseisen, 23 x 60 x 60 mm nicht durch Aufschlag, sondern durch ei- Bay. Armeebibliothek, Sign. A 29231 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. D 743 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0139-2013 286 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 287

Infanteriegefecht westlich von Kissingen

Nachdem die Preußen die Saale bei der Lindesmühle überquert hatten, versuchte Infanteriegefecht im Kissinger das bayerische 6. Jäger-Bataillon vergeb- Kurgarten lich, ihr weiteres Vordringen aufzuhalten. Die bayerische Verteidigung in Kissingen Bei der Einnahme der Stadt durch preu- war nach Westen zur Saale hin ausgerich- ßische Truppen kam es auch im Kurgar- tet. Sie konnte nicht verhindern, dass die „Gefecht bei Kissingen“, Kolorierte Lithografie, ten zu heftigen Gefechten. Eigentlich war „Kampf im Kissinger Kurgarten“, Kolorierte, Druck bei Ed. Gust. May, Frankfurt, getönte Lithografie nach einer Zeichnung von Preußen von Süden in die Stadt eindran- Originalblatt 28 x 39,5 cm diese Anlage der Pflege der Gesundheit Carl Offterdinger, Stuttgart 1866, 33 x 45 cm gen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0372-1981.c gewidmet. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 971 288 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 289

Granatsplitter Briefbeschwerer Die Granaten der gezogenen Geschütze besaßen Aufschlagzünder, die in der Ge- Granatsplitter gaben auch ein beliebtes schossspitze eingeschraubt waren. An die- und dabei preiswertes Material für die sem Sprengstück kann man noch das In- Herstellung von Souvenirs ab. Dieses soll Bayern 1866. Gusseisen, Marmor, nengewinde zur Aufnahme des Zünders Deutsch 1866. Gusseisen, 57 x 83 x 45 mm an das Gefecht bei Kissingen am 10. Juli 48 x 132 x 79 mm erkennen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0137-2013 1866 erinnern. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 8886 290 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 291

Tod des Generals Zoller, 10. Juli 1866

Generalleutnant Oscar Freiherr von Zol- ler (1809-1866) fiel am frühen Nachmittag durch die Splitter einer preußischen Gra- nate. Der Tod hoher Offiziere erregte zu allen Zeiten Aufsehen, und so wurde die- ses Ereignis von mehreren Künstlern dar- gestellt. „Treffen bei Kissingen (Tod des General Zoller)“, Da keiner der Künstler Augenzeuge des getönte Lithografie von P. Haustetter nach einer „Heldentod des Generallietenant von Zoller im Geschehens war, ergeben sich drei recht Zeichnung von Cajetan Schweitzer, Verlag von Gefechte bei Kissingen am 10. Juli 1866“ Mey und Widmeyer, München o.J., Kolorierte Lithografie, Druck und Verlag von Carl unterschiedliche Szenerien des „Helden- Blattmaß 35,5 x 48,5 cm, Bildmaß 22,5 x 32 cm Ziepfl, München 1866, 28,5 x 31 cm todes“. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 970 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2462 292 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 293

Geschosse des Podewilsgewehrs (Bodenfunde)

Die Pulvergase trafen beim Schuss in den wurden nicht mehr wie die früheren Ku- Hohlraum des Geschossbodens und be- geln gegossen, sondern zur Erhöhung der wirkten eine Aufweitung des Projektils, Fertigungsgenauigkeit aus Bleistangen damit dieses die Züge des Laufs ausfüllte. gepresst. Der exakte metrische Durchmes- Wie die Abdrücke der Züge des Rohrin- ser eines neu erzeugten Geschosses betrug nenprofils zeigen, wurden diese Bleipro- 13,6 mm. jektile verschossen. Die meisten wurden beim Auftreffen stark deformiert. Bayern 1866. Blei, Durchmesser 13,8-14 mm Die Geschossform war das Ergebnis jah- (äußere Geschosse) „Tod des Generals Zoller in Kissingen“, relanger Versuche, in denen sie und das Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0129-2013 Kolorierte Lithografie von Anton Kraus, Verlag Zugprofil des Laufes in ein optimales Ver- Max Ravizza, München 1866, Skizze aus: Wilhelm von Ploennies, Neue Studien Blattmaß 31,5 x 46,5 cm, Bildmaß 23,5 x 32,8 cm hältnis gebracht wurden, um eine mög- über die gezogene Feuerwaffe der Infanterie, 2. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1454 lichst hohe Trefffähigkeit zu erreichen. Sie Band, Darmstadt, Leipzig 1864, S. 215 294 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 295

Mehr Kopfputz als Kopfschutz

Die Pickelhaube der preußischen Armee deshalb waren bequeme Mützen bei den war sicher in vieler Hinsicht besser zu tra- Soldaten meist beliebter. gen als so manche frühere Kopfbedeckun- Dieser Helm kam 1922 aus Privatbesitz ins Schädel mit Schussverletzungen gen. Sie setzte sich aber eher wegen ihrer Bayerische Armeemuseum; er soll vom optischen Wirkung durch als wegen ihrer Schlachtfeld von Kissingen stammen. Das medizinisch-chirurgische Friedrich- von Präparaten, die Verletzungen durch Tauglichkeit als Kopfschutz. Wilhelm-Institut in Berlin war die Aus- Waffen aller Art zeigten. Die ledernen Infanteriehelme boten Schutz bildungsanstalt für die preußischen Mi- gegen von oben geführte Säbelhiebe. Ge- litärärzte. Umgangssprachlich war sie als Sanitäts-Bericht über die Deutschen Heere im gen Gewehrkugeln und Granatsplitter Helm mit Spitze für Mannschaften der Linien- „Pépinière“ (frz. für „Baumschule“, also Kriege gegen Frankreich 1870/71, Bd. 4, Infanterie, Modell 1860, Preußen 1860-1867, Die physikalische Wirkung der Geschosse, waren sie wirkungslos. Das galt aber für Leder, Messing. Pflanzstätte für Militärarzte) bekannt. Dort Berlin 1884, Tafel IV alle Helme der damaligen Armeen. Auch Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 11278 gab es auch eine umfangreiche Sammlung Bay. Armeebibliothek, Sign. H 10, KM 1 296 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 297

Chevauleger-Säbel, M/26

Chevaulegers-Regimenter gab es in Bay- wurde an den Blankwaffen der Chevau- Pistole M/43 ern seit 1788. Es handelt sich um leichte leger-Regimenter seit der napoleonischen Reiterei, die in etwa den Dragonern an- Zeit relativ wenig verändert. Der etwa ei- Als einzige Schusswaffe führte die baye- Feldposten als Signalgerät zur Alarmie- derer deutscher Staaten entsprach. „Für nen Meter lange Korbsäbel weist einen ge- rische Kavallerie 1866 – und noch 1870 – rung ruhender Truppen. Bayern hatte der Name Chevauleger von rippten Griff und eine Griffkappe auf, die einschüssige Vorderladerpistolen: Reiter Bayern hatte in Belgien 7.000 Pistolen M/43 jeher einen guten Klang gehabt, da sich sich bis zur Parierstange herunterzieht. sollten hoch zu Ross mit der blanken Waf- erzeugen lassen. Das war etwa ein Viertel mit ihm die schönsten Erinnerungen an Der Haupt- und die beiden gekrümmten fe kämpfen. Ihre Verwendung als Schüt- des Bestandes an solchen Waffen. alle die glänzenden Waffenthaten wäh- Griffbügel sollten die Hand des Reiters im zen war noch nicht vorgesehen. rend der napoleonischen Kriege verknüp- Kampf schützen. Die Treffsicherheit und damit das Ver- fen“ schrieb Oberstleutnant Karl Müller in trauen der Soldaten in diese Waffe, die als Bayern um 1850, Stahl, Leder, Bayern 1851, Hersteller: Joseph Pierre Lemille, seinem Werk über die bayerische Armee. Gesamtlänge 103 cm, Klingenlänge 89,5 cm Schlag- und Wurfgerät verspottet wurde, Lüttich, Kaliber: 17, 8 mm, Länge 38 cm Anders als bei den Kürassier-Regimentern Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 42 war gering. Immerhin eignete sie sich für Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1662 298 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 299

Mit blankem Säbel: Bayerische Chevaulegers bei Kissingen Ehrenzeichen für die Chevaulegers

Beim Kampf um den Kissinger Friedhof Von Egloffstein erhielt als erster bayeri- Rittmeister Freiherr von Egloffstein (3. der Chevauleger Neumüller die silberne ritt die 1. Eskadron des 4. Chevaulegers- scher Soldat den neun Tage nach Kissingen von links) mit Oberleutnant Freiherr von Tapferkeitsmedaille. Regiments unter Rittmeister Maximilian gestifteten Militär-Verdienstorden. Außer- Rothberg (5. von links) und den fünf be- Alle tragen außerdem das Armeedenkzei- Freiherr von Egloffstein mehrere Attacken dem wurde er 1867 mit dem Militär-Max- sonders ausgezeichneten Soldaten seiner chen für die Teilnahme am Feldzug von gegen preußische Infanterie. Josephs-Orden dekoriert, der höchsten Eskadron. 1866. Das Bild entstand 1867 oder noch Der taktische Wert solcher Vorstöße lag bayerischen Tapferkeitsauszeichnung. Auf Für ihren Einsatz bei Kissingen wurden später, einige tragen bereits die Abzeichen vor allem in der kurzfristigen Entlastung dem Gemälde reitet er einen Schimmel. die beiden Offiziere mit dem neu geschaf- höherer Dienstgrade. bedrängter eigener Infanterie. fenen bayerischen Militärverdienstorden, Das Bild zeigt, wie bei einem dieser An- hier dem Ritterkreuz I. bzw. II. Klasse aus- griffe dreizehn preußische Soldaten des gezeichnet. Seconde-Wachtmeister Weiß, Infanterie-Regiments Nr. 55 (nicht Nr. 35 Corporal Kufmüller und Chevauleger Gemälde von Hermann Anschütz, um 1875 wie auf dem Bild dargestellt) in Gefangen- Öl auf Leinwand, 60 x 84 cm Brandner erhielten das Militärverdienst- Fotografie, wohl 1867,19 x 23,3 cm, schaft gerieten. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6125 kreuz, der Gefreite Franz die goldene und Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0222-1984 300 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 301

Beute: Zündnadelgewehre M/41

Am Abend des 10. Juli 1866 wurde die 10. Kompanie des preußischen Infanterie- Erstürmung der Nüdlinger Höhen Regiments Nr. 19 bei Nüdlingen von ei- nem Angriff überlegener bayerischer In- Nachdem die Schlacht für die Preußen fanterie überrascht. Dabei sind den Bay- schon gewonnen schien, versuchte Prinz ern mehrere Gewehre M/41 in die Hände Carl, ihr mit einem Gegenangriff frischer gefallen. Die Einheit war auf dem Umbug Reserven noch eine Wendung zu geben. der Kolbenplatte der Waffen eingraviert: Preußen 1848, Einschüssige Hinterlader für Dieser Vorstoß, ausgeführt durch das In- „Erstürmung der Nüdlinger Höhen durch das Zuerst die Kompanie (10.), dann das Re- Patronen mit Papierhülse, Drehzylinderverschluss fanterie-Leibregiment, die Elitetruppe der k. b. Inf.-Leib-Regiment“. Kolorierte Lithografie giment, zu dem diese Kompanie gehörte Hersteller: Nikolaus von Dreyse, Sömmerda von Anton Kraus, Verlag Max Ravizza, Kaliber: 15,43 mm, Länge mit Bajonett 192,5 cm bayerischen Infanterie, überraschte die München 1866, 31,5 x 42,5 cm (19.) und zuletzt die laufende Nummer Bay. Armeemuseum, Inv.-Nrn. B 1849; E 1368; Preußen und hatte zunächst Erfolg. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2146 des Gewehrs in der Kompanie. N 2064 302 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 303

Tod des Majors Rohdewald Jakob von Hartmann (1795-1873) Bayerischer General Die überraschten preußischen Truppen gewannen rasch ihre Fassung zurück und Hartmann hatte bereits an den Napoleo- zugunsten der bayerischen Seite hätte ent- wiesen den bayerischen Abendangriff ab. nischen Kriegen teilgenommen und war scheiden können. Dabei fiel Major Rohdewald, Komman- „Tod des Major Rodewald, Commandeur des damals mit dem Kreuz der französischen deur des Füsilier-Bataillons Lippe, des Lippe’schen Füsilier-Bataillons, bei Kissingen, Ehrenlegion dekoriert worden. auf preußischer Seite kämpfenden Bun- den 10. Juli 1866“, Farblithografie von Ludwig Seine Rolle beim Gefecht von Kissingen deskontingents des Fürstentums Lippe- Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus dem gibt Rätsel auf. Obwohl sich seine Divisi- Stahlstich von August Weger „nach einer Feldzuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J., Photographie“, Verlag der Dürr’schen Detmold. Sein Grab befindet sich auf dem Originalblatt 29,5 x 38 cm on in der Nähe des Gefechtsfeldes befand, Buchhandlung, Leipzig ca. 1867, 31,2 x 22,1 cm Kissinger Kapellenfriedhof. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.9 griff sie nicht in den Kampf ein, den sie Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1844 304 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 305

Einschiffung von Marschgepäck, 12. Juli 1866 Gefecht vor dem Herstaller Tor Nach dem Sieg bei Kissingen setzten die in Aschaffenburg, 14. Juli1866 Preußen zur Überraschung und Erleichte- rung der Bayern nicht zur Verfolgung an, Bei Aschaffenburg erzwang die Division sondern wandten sich nach Westen, um „Einschiffung des preußischen Gepäcks vor dem Goeben den Übergang über den Main. Frankfurt am Main zu besetzen. Bis Lohr Marsch der Division Göben auf Lohr, am Abend Auf dem Bild wird das Tor von österreichi- am Main – auf diesem Abschnitt waren des 12. Juli 1866“, Farblithografie von Ludwig schen Soldaten verteidigt, die schwarz-rot- noch keine Gefechte zu erwarten – trans- Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus dem Feld- goldene Armbinden tragen. Zur 4. Divi- „Gefecht vor Aschaffenburg“, Kolorierte zuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J. Lithografie, Druck und Verlag von Reichard & portierten Mainschiffe das Marschgepäck Originalblatt 29,5 x 38 cm sion des VIII. Bundesarmeekorps gehörte Co., Frankfurt am Main, Bildmaß 34 x 22,5 cm der preußischen Division Goeben. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.11 eine österreichische Brigade. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 958 306 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 307

Abbildung wegen Bildrechten Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe nur in der Printausgabe

Entwaffnung der Österreicher in Aschaffenburg

Die österreichische Brigade verlor in Österreichische Gefangene in Aschaffenburg 2.000 Gefangene, nachdem Aschaffenburg es den Preußen gelungen war, die Stadt- brücke über den Main unter Feuer zu neh- Gut zu erkennen sind die weißen Waffen- Fotografie, Aschaffenburg 1866 Fotografie, Aschaffenburg 1866 men, was den Österreichern den Rückzug Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, röcke und grauen Mäntel der österreichi- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, verwehrte. Inv.-Nr. 02020142 schen Infanteristen. Inv.-Nr. 02020151 308 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 309

Einzug des Generals von Falcken- stein in Frankfurt, 16. Juli 1866

Die Besetzung Frankfurts, Sitz des Deut- Bundesfarben als Erkennungs- schen Bundes, war ein wichtiges poli- zeichen tisches Ziel Preußens. Die Bürgerschaft musste für die Versorgung der Soldaten Von den Soldaten des aus vielen Kontin- Juli 1866 in Frankfurt am Main stationierte aufkommen: genten bunt gemischten VIII. Bundes-Ar- bayerische Bataillon trug die „deutschen Jeder Mann erhielt „Morgens Kaffee mit dem meekorps wurden als Erkennungszeichen Farben“ am Arm. nöthigen Imbiß, Mittags ½ Pfund Fleisch mit „Einzug des Generals von Falckenstein in Frank- schwarz-rot-goldene Armbinden angelegt. Gemüse, außerdem ½ Flasche Wein oder 1 furt a. M., am Abend des 16. Juli 1866“, Farbli- Dies half bei der Vielzahl unterschiedli- Maaß Bier, Abends ¼ Pfund Fleisch mit Ge- thografie von Ludwig Burger, aus: Erinnerungs- Blätter aus dem Feldzuge der Main-Armee 1866, cher Uniformen, Freund und Feind aus- Schwarz-rot-goldene Armbinde, 43 x 7 cm müse und ½ Maaß Bier, wobei wir wahrhaftig Berlin o.J., Originalblatt, 29,5 x 38 cm einanderzuhalten. Auch das im Juni und Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 5333 keine Noth zu leiden hatten.“ Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.17 310 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 311

Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe

Preußische Soldaten 1866

Für diese Studioaufnahme sind Solda- offenbar zu den Truppen, die Frankfurt ten verschiedener Waffengattungen der am Main besetzt hatten, wo dieses Bild Edwin von Manteuffel (1809-1885) preußischen Armee „ganz zwanglos“ zu entstand. Preußischer General einem Gruppenbild arrangiert worden: In der weißen Uniform zwei Kürassiere, Manteuffel führte zu Beginn des Feldzugs dazu zwei Linien-Infanteristen und ein eine preußische Division. In Frankfurt er- Jäger, dessen Tschako vorne rechts auf hielt er seine Ernennung zum Nachfolger Stahlstich von August Weger „nach einer Photographie“, Verlag der Dürr’schen dem Marschgepäck liegt, sowie ein Ulan Fotografie von Ph. Hoff, Frankfurt 1866 Vogel von Falckensteins als Oberbefehls- Buchhandlung, Leipzig ca. 1867, 19,8 x 15,2 cm mit der typischen Tschapka. Sie gehörten Wehrgeschichtliches Museum Rastatt, Archiv haber der preußischen Mainarmee. Bay. Armeemuseum, Inv-Nr. N 2052 312 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 313

Gemünden Schweinfurt

M a i n

Karlstadt M a i n i a M

25. u. 26. Juli 26. Juli 26. Juli Uettingen 27. Juli Hettstadt Roßbrunn Würzburg VII. Bundes- Marienberg Gefechte in der Mainschleife west- Helmstadt Armeekorps lich von Würzburg, 25.-27. Juli 1866 Angriff der 25. Juli Als sich die preußische Armee auf Frank- preußischen 25. Juli Kitzingen Mainarmee furt zu bewegte, zog es Alexander von Hessen vor, die Begegnung mit ihr zu ver- Tauber zu verwehren. Nach mehreren 23. Juli Gerchsheim Hundheim meiden und sein Korps mit den Bayern bei Niederlagen zog es sich nach Würzburg 24. Juli Würzburg zu vereinen. Endlich sollten die zurück und rettete sich auf das östliche M a i n Wertbach beiden süddeutschen Korps gemeinsam Mainufer. Dadurch wurde die linke Flan- VIII. Bundes-Armeekorps operieren, wodurch sie ihre zahlenmäßi- ke des weiter nördlichen stehenden VII. ge Überlegenheit hätten ausspielen kön- Armeekorps des Prinzen Carl entblößt, 24. Juli Tauberbischofsheim nen. Geplant war eine Offensive gegen die das so in eine gefährliche Lage geriet. Carl Preußen durch den Spessart. Dazu hatte hatte es unterlassen, der bedrohlichen Ent- Tauber Prinz Carl bereits große Teile seines Korps wicklung im Süden die Aufmerksamkeit in nördlicher Richtung bei Lohr versam- zu widmen, zu der er als Oberbefehlsha- melt. Indessen waren die Preußen weiter ber eigentlich verpflichtet war. im Süden dem Korps des Prinzen Alexan- Das bayerische VII. Korps erlitt in einer der durch den Odenwald gefolgt und er- Reihe heftiger Gefechte mehrere Niederla- griffen wie gewohnt die Initiative. Für die gen und musste sich ebenfalls hinter den Süddeutschen, deren Aufklärung wieder Main zurückziehen. Eine kurze Beschie- einmal versagt hatte, kam dieser Vorstoß ßung des Festung Marienberg durch preu- überraschend. ßische Feldartillerie beendete den Feldzug Alexanders VIII. Korps versuchte vergeb- in Unterfranken. Ab dem 28. Juli herrschte lich, den Preußen das Überschreiten der Waffenruhe. 314 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 315

Gefecht bei Helmstadt, 25. Juli 1866 Katholischer Feldgottesdienst bei den Preußen In der Mainschleife westlich von Würz- „Ertheilung der Absolution an katholische burg kam es ab dem 25. Juli zu einer Reihe Drei der fünf preußischen Infanterieregi- Soldaten der Division Beyer vor dem Gefecht bei heftiger Gefechte zwischen Preußen und menter sowie das Kavallerieregiment der Helmstadt am 5. Juli 1866“, Farblithografie von Bayern. Gegen die konzentriert operieren- Division Beyer stammten aus dem Rhein- Ludwig Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus den Preußen zogen die schlecht koordi- „Aus dem Gefecht bei Helmstatt“, Kolorierte dem Feldzuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J. Lithografie von Anton Kraus, Verlag Max land, enthielten also viele Soldaten katho- Originalblatt, 29,5 x 38 cm nierten bayerischen Verbände durchweg Ravizza, München 1866, 31 x 46 cm lischen Glaubens. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.21 den Kürzeren. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1458 316 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 317

Verwundung des Prinzen Ludwig bei Helmstadt

An die Stelle des gefallenen Generalleut- Gefecht bei Uettingen am nants von Zoller an der Spitze der 3. bay- 26. Juli 1866 erischen Division trat Prinz Luitpold, ein Onkel König Ludwigs II. Bei Uettingen kam es zum Kampf um ei- Sein Sohn Ludwig, der spätere König Lud- nen Waldrand. wig III., diente bei ihm als Ordonnanz-Of- Waldränder boten einen guten Anhalt fizier. In einem unübersichtlichen Wald- Lithografie nach einer Zeichnung von Marquard für eine Verteidigungsstellung. Wenn der gefecht wurde er von einer preußischen von Leoprechting, aus: Ders., Skizzen aus dem Verteidiger aber seine Position räumen „Gefechte bei Üttingen am 26. Juli 1866“, Gewehrkugel in den linken Oberschenkel Feldzuge 1866. Seiner Königlichen Hoheit dem und zurückgehen musste, löste sich der Kolorierte Lithografie, Druck und Verlag von Prinzen Carl in tiefster Ehrfurcht gewidmet. Reichard & Co., Frankfurt am Main, getroffen. Das Geschoss konnte nie opera- München 1866, ca. 22 x 31 cm. Zusammenhalt seiner Verbände im Wald Blattmaß 36,5 x 51 cm, Bildmaß 23 x 34 cm tiv entfernt werden. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 195.b.14 meist auf. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1564 318 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 319

Preußischer Säbel M/52 Preußischer Dragoner-Helm

Im November 1852 führte man in Preußen Die preußischen Dragoner waren als mit- einen einheitlichen Säbel für Dragoner, telschwere Kavallerie das Gegenstück zu Husaren und Ulanen ein. Üblicherweise den Chevaulegers in Bayern. Ihr Helm wies die Klinge eine breite Hohlkehle auf, entsprach zu dieser Zeit noch dem der wobei die Bandbreite der Sonderformen Infanterie. Erkennbar war er am beson- bei diesem Modell sehr groß war. Es gab ders gestalteten „Dragoner-Adler“. Dieses sogar Kindersäbel, die bis auf die nicht ge- Preußen, nach 1852, Stück ist noch zusätzlich durch ein aufge- Stahl, Holz, Leder, Gesamtlänge (mit Scheide) Helm mit Spitze für einen Reserve-Offizier der schliffene Klinge und die Größe mit dem 105,5 cm, Klingenlänge 86,5 cm legtes „Landwehrkreuz“ als Helm eines Dragoner, Preußen um 1860, Leder, Messing Vorbild identisch waren. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1542 Reserve-Offiziers gekennzeichnet. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1078 320 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 321

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Bayerische Chevaulegers gegen preußische Husaren bei Helmstadt 26. Juli 1866: Ehrenrettung der Bei Helmstadt kam es am 25. Juli 1866 den Bayern die Eroberung des Feldzei- Kürassiere zu heftigen Zusammenstößen zwischen chens gelungen, befände sich die preußi- mehreren Eskadronen des bayerischen sche Standarte als Trophäe wohl heute im Im Gefecht an den Hettstädter Höfen am Der Verlag hat die Darstellung nach Ort 2. Chevauleger-Regiments und des 2. Rhei- Bayerischen Armeemuseum. 26. Juli 1866 schlug die schwere bayerische und Zeit falsch beschriftet. nischen Husaren-Regiments Nr. 9, bei de- Kavallerie die preußische Reiterei in die nen sich die Standarte dieses Regiments Flucht. befand. Diese Attacke der bayerischen Kürassiere Dass es den preußischen Husaren gelang, Gemälde von Emil Hünten, 1869 war psychologisch wichtig, um sich von „Kuirassier-Angriff im Gefechte bei Roßbrunn“ Öl auf Leinwand, 125 x 188 cm Kolorierte Lithografie von Anton Kraus, Verlag ihre Standarte zu verteidigen, gab Anlass Wehrgeschichtliches Museum Rastatt, dem Makel zu befreien, den ihr Zusam- Max Ravizza, München 1866, 31,5 x 46,5 cm zu dem monumentalen Gemälde. Wäre Inv.-Nr. 007799 menbruch bei Hünfeld hinterlassen hatte. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 1457 322 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 323

Beute: Zündnadelkarabiner M/57

Dieser Karabiner wechselte bei dem Ka- dabei empfindliche Verluste. Tag und Ort valleriegefecht bei den Hettstädter Höfen des Gefechts sind auf dem Kolben eingra- am 26. Juli 1866 den Besitzer. viert. Beschießung Würzburgs, Die preußische leichte Kavallerie – Husa- 27. Juli 1866 ren und Dragoner – war mit dem Zündna- delkarabiner bewaffnet. Er hatte das glei- Am 27. Juli beschossen die Preußen die che Kaliber wie das Gewehr, doch war die Feste Marienberg bei Würzburg mit Feld- Patrone schwächer geladen. Preußen 1859, Einschüssiger Hinterlader für artillerie. Wenn es auch gelang, das Dach Dieser Karabiner trägt auf dem Kolben- Patronen mit Papierhülse, Drehzylinderverschluss des Zeughauses in Brand zu schießen, blech den Truppenstempel des preußi- Hersteller: Nikolaus von Dreyse, Sömmerda war es doch ausgeschlossen, der Festung „Beschiessung Würzburgs, am 27. Juli 1866“, schen Husaren-Regiments Nr. 9. Diese Kaliber: 15.43 mm, Länge 81 cm mit leichten Feldgeschützen beizukom- Farblithografie von Ludwig Burger, aus: Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. VF 837 Erinnerungs-Blätter aus dem Feldzuge der Main- Einheit wurde bei Hettstadt von bayeri- (Leihgabe des Vereins der Freunde des men. Die Aktion diente allenfalls der Ein- Armee 1866, Berlin o.J., Originalblatt, 29,5 x 38 cm schen Kürassieren angegriffen und erlitt Bayerischen Armeemuseums) schüchterung. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.25 324 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 325

Gefecht von Seybothenreuth, 29. Juli 1866 Die Preußen in Nürnberg Als die Kämpfe westlich von Würzburg begannen, drang von Hof her ein weiterer Am 1. August 1866 erreichten die Preußen „Die II. Reserve-Armee. Gefecht bei Seybothen- preußischer Verband in Bayern ein, das reuth, Rittmeister von Boddien sprengt mit Nürnberg. Auf der Burg wehten jetzt die neu formierte II. Reservekorps. Ihm konn- Mecklenburgischen Dragonern ein Bairisches preußischen Farben Schwarz und Weiß. ten nur noch geringe bayerische Kräfte Carré, am 29. Juli 1866“, Farblithografie von Als Burggrafen von Nürnberg hatten die „Die Burg von Nürnberg im August 1866.“ entgegengestellt werden. Bei Seybothen- Ludwig Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus Hohenzollern ihre große Laufbahn begon- Farblithografie von Ludwig Burger, aus: dem Feldzuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J., Erinnerungs-Blätter aus dem Feldzuge der Main- reuth in der Nähe von Bayreuth kam es zu Originalblatt, 29,5 x 38 cm nen. Burgers Darstellung vermittelt eine Armee 1866; Berlin o.J., Originalblatt 29,5 x 38 cm einem kurzen Gefecht. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.27 romantisch-mittelalterliche Atmosphäre. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.29 326 | Der Feldzug in Franken Der Feldzug in Franken | 327

Waffenstillstand auf der Mainbrücke Heimkehr der Kürassiere Unmittelbar nach der Beschießung Würz- burgs trat eine Waffenruhe ein, die am Am 13. September 1866 kehrte das 1. Kü- allerdings gar nicht zum Einsatz gekom- 2. August in einen förmlichen Waffenstill- rassier-Regiment in seine Friedensunter- men. stand überging. Die Feste Marienberg und kunft zurück, die „Neue Isarkaserne“ in Das Gebäude wurde 1953 für den Neubau das Mainviertel blieben von bayerischen München. des Deutschen Patentamts abgerissen. Truppen besetzt, die Stadt rechts des „Auf der Mainbrücke in Würzburg während des Der Bau ist prächtig geschmückt, die Bür- Mains von den Preußen. Waffenstillstandes, August 1866“, Farblithografie gerschaft begrüßte „die tapferen Fech- Preußische und bayerische Posten stehen von Ludwig Burger, aus: Erinnerungs-Blätter aus ter von Uettingen und Helmstatt“, die „Rückkehr der k. bayr. Cuiraßiere vom dem Feldzuge der Main-Armee 1866, Berlin o.J. Schlachtfelde“, kolorierte Lithografie, Verlag von sich auf Ludiwg Burgers Lithografie fried- Originalblatt, 29,5 x 38 cm auch „mehrere erbeutete Pferde mit sich“ Lucas Singer, München, 26 x 37 cm lich gegenüber. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.26 brachten. Bei Uettingen war das Regiment Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3386 329 Die Sorge für die Verwundeten

Im Sommer 1864 lud der Schweizer Bundesrat zu einer internationalen Konferenz, um dort zu beraten, wie das Los der Verwundeten im Krieg erleichtert werden könne. Das sollte auf dreierlei Weise geschehen:

1) Unterstützung der Hilfsorganisationen. 2) Neutraler Status von Lazaretten und Sanitätspersonal. 3) Schaffung eines gemeinsamen Erkennungszeichens für das „Gesundheitspersonal aller Heere“.

Von den deutschen Staaten unterzeichneten zunächst nur Preußen, Württemberg und das Großherzogtum Hessen das am 22. August 1864 beschlossene Dokument. Bayern hielt sich zunächst fern, weil das Königreich Italien zu den Unterzeichnern gehört hatte, das von Bayern noch nicht anerkannt worden war. Nachdem dieses Hindernis entfallen war und 1866 der Krieg vor der Tür stand, hatte man es mit dem Beitritt allerdings sehr eilig. Am 30. Juni richtete Bayern einen entspre- chenden Antrag an den Schweizer Bundesrat, der mit Schreiben vom 6. Juli 1866 die Zugehörigkeit Bayerns zum Kreis der Unterzeichnerstaaten bestätigte.

Das Rote Kreuz auch für Bayern

Als der Beitritt Bayerns zur Genfer Kon- vention im Regierungsblatt „zur allgemei- nen Kenntniß gebracht“ wurde, befand sich das Land schon seit Wochen im Krieg. „Bekanntmachung, Uebereinkunft zur Die Bestimmungen der Konvention wur- Verbesserung des Looses der im Kriege den allerdings bereits geachtet, wie das verwundeten Militärs betr.“, in: Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern, Nr. 42, 18. Juli 1866, Tragen der Rot-Kreuz-Armbinde wäh- 23 x 43 cm rend des Feldzugs zeigt. Bay. Armeebibliothek, Sign. PB 4200, 1866 330 | Die Sorge für die Verwundeten Die Sorge für die Verwundeten | 331

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Dr. Karl Lotzbeck (1832–1907), Rot-Kreuz-Armbinde Bayerischer Militärarzt Im Krieg von 1866 trug das Sanitätsper- Lotzbeck (ab 1881 Ritter von Lotzbeck) sonal beider Seiten zum ersten Mal diese nahm am Krieg des Jahres 1866 als Stabs- Armbinde. Ihre Träger galten als neutral, arzt teil. Er beendete seine Laufbahn als durften weder angegriffen werden noch Generalstabsarzt der Armee und Chef sich selbst an Kampfhandlungen betei- der Militär-Medizinalabteilung im bayeri- ligen. Diese Armbinde wurde von Karl schen Kriegsministerium. Lotzbeck getragen; mit anderen persön- Seelsorge und Verwundetenpflege Das Bild zeigt ihn im Rang eines General- lichen Erinnerungsstücken kam sie nach arztes 2. Klasse, den er 1877 erreichte. seinem Tode 1907 ins Bayerische Armee- Das Foto zeigt einen katholischen Ordens- museum. geistlichen mit Rotkreuz-Armbinde, dem neu gestifteten Militär-Verdienstkreuz und Fotografie von Lechleitner & Küster, München dem Armeedenkzeichen für den Feldzug nach 1877 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. IV, Bayern 1866, Baumwolle, 7 x 38 cm 1866. In der Hand hält er eine militärische Fotografie, Bayern 1867, 9,1 x 5,2 cm Kriegsarchiv, Inv.-Nr. P I_7057 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 4760 Kappe. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0006-2016 332 | Die Sorge für die Verwundeten Die Sorge für die Verwundeten | 333

Feldamputationsbesteck Erste Hilfe „Verbandplatz“, Lithografie nach einer Zeichnung Die Amputation war während des ganzen zin oft keine andere Alternative, wenn das In unmittelbarer Nähe der Kampflinie von Marquard von Leoprechting, 19. Jahrhunderts eine der häufigsten feld- Leben des Verwundeten erhalten werden wurden Hilfsplätze angelegt, auf denen die aus: Ders., Skizzen aus dem Feldzuge 1866. chirurgischen Maßnahmen. Bei starken sollte. Erstversorgung von Verwundeten statt- Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Carl in Gewebezerstörungen ohne Aussicht auf tiefster Ehrfurcht gewidmet. München 1866, Bayern um 1870. Hersteller: Katsch, München, fand. Das Sanitätspersonal trägt bereits ca. 22 x 31 cm Heilung oder angesichts heftiger Infektio- 40 x 56 cm (geöffnet) das Rote Kreuz. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 195.b.16 nen blieb beim damaligen Stand der Medi- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 2066 334 | Die Sorge für die Verwundeten Die Sorge für die Verwundeten | 335

Verwundete im Kursaal zu Kissingen

Diese Darstellung zeigt bereits einen gere- Verwundetenpflege im Kissinger gelten Lazarettbetrieb, wie er als vorbild- Kurpark lich gelten konnte: Jeder Verwundete hat ein sauberes Bett, und es steht ein ebenso „Verwundete im Kursaale zu Kissingen“, Der Arkadenbau am Kissinger Kurpark „Im Curgarten zu Kissingen den 12. Juli 1866“, zahlreiches wie aufmerksames medizini- Farblithografie von Ludwig Burger, aus: Kreidelithografie von Cajetan Schweitzer, Erinnerungs-Blätter aus dem Feldzuge der Main- bot zahlreichen Verwundeten ein notdürf- 26 x 33 cm sches, aber auch geistliches Pflegepersonal Armee 1866, Berlin o.J., 29,5 x 38 cm tiges Obdach. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2265 zur Verfügung. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 3151.10 336 | Die Sorge für die Verwundeten Die Sorge für die Verwundeten | 337

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Rekonvaleszenz

Nach den Kämpfen wurde aus der Kur- stadt Bad Kissingen eine Lazarettstadt. Fotografien (Reproduktionen) 1866 9,4 x 13,7 / 10,1 x 13,7 / 9,4 x 13,7 cm 1.289 gezählte Verwundete wurden dort Stadtarchiv Bad Kissingen, Sammlung versorgt. Josef Bötsch 339 Erinnerung

Die militärischen Auseinandersetzungen bewogen König Ludwig II. am 19. Juli 1866, einen Militär-Verdienstorden ins Leben zu rufen, mit dem besondere Kriegsverdienste gewürdigt werden konnten. Die Auszeichnung war in fünf Klassen unterteilt und gliederte sich in Großkreuze, Groß- komture, Komture, Ritter sowie die Militär-Verdienstkreuze. Diese Aufteilung entsprach in etwa den Führungsebenen im Heer mit den Generalen (Großkreuz und Großkomtur jeweils mit Stern), den Brigadekommandeuren und Angehörigen höherer Stäbe (Kom- turkreuz) sowie den übrigen Stabs- und Subalternoffizieren (Ritterkreuz). Die Verlei- hung des Ordens in einer bestimmten Klasse war somit an Stand und Rang des Beliehe- nen gebunden. Da die ersten vier Klassen den Offizieren vorbehalten waren, wurden an verdiente Un- teroffiziere und Mannschaften das dem Militär-Verdienstorden angeschlossene Militär- verdienstkreuz ausgegeben. Das am 25. August 1866 ebenfalls von König Ludwig II. gestiftete Armee-Denkzeichen wie auch das am 20. September 1866 vom preußischen König Wilhelm I. gestiftete Erin- nerungskreuz für 1866 fallen unter die Kategorie Denk- und Erinnerungszeichen, da sie lediglich aufgrund der Teilnahme an den kriegerischen Ereignissen und unabhängig von persönlichen Verdiensten verliehen wurden. Abbildung wegen Bildrechten nur in der Printausgabe

Veteranen des Feldzugs

Die Gruppenaufnahme zeigt Offiziere, Der Major als Kommandeur des Batail- Unteroffiziere und Soldaten eines bayeri- lons ist von seiner Frau und drei Töchtern schen Jäger-Bataillons. Fast alle tragen das umringt; vielleicht wurde sein Geburtstag Armee-Denkzeichen von 1866, haben also gefeiert. am Krieg teilgenommen. Wie meistens, sind Waffen und alle Arten von Ausrüstungsstücken um die Gruppe herum arrangiert. Pfeifen und Bierkrüge Fotografie, Bayern ab 1867 suggerieren eine entspannte Situation. Privatsammlung Stephan Benz 340 | Erinnerung Erinnerung | 341

Ein ausgezeichneter Offizier

Das Bild zeigt Maximilian von Doenniges am 20. Mai 1866 sein Patent als Unterleut- Ausgezeichnet mit dem Ritterkreuz 2. Klasse des Militär- nant beim 2. Infanterie-Regiment Kron- Verdienstordens und dem Armeedenkzei- prinz erhalten. Zum Zeitpunkt der Aufnah- Schon im September des Jahres 1866 gab chen von 1866. me 1869 war er Offizier im neu errichteten das Verordnungsblatt des bayerischen Den Orden erhielt er offenbar für sein tap- 9. Jäger-Bataillon Kriegsministeriums die ersten Träger des feres Verhalten in den Gefechten bei Würz- Verordnungs-Blatt Nr. 57, 11.9.1866 Fotografie von M. Pössenbacher, München 1869, soeben gestifteten Militär-Verdienstordens 21,5 x 29,5 cm burg und Roßbrunn am 25./26. Juli 1866, 10,2 x 6,1 cm bekannt. Bay. Armeebibliothek, Sign. MX 1549, 1866 wo er schwer verwundet wurde. Er hatte Bay. Armeemuseum, PSlg.1199 342 | Erinnerung Erinnerung | 343

Ritterkreuz 2. Klasse des Militär-Verdienstordens Kreuz der Großkomture und Komture des Mili- Ritterkreuz 1. Klasse des Militär-Verdienstordens, am Originalband in der für bay. Soldaten typi- Verdienstkreuz des Militär-Verdienstordens am tär-Verdienstordens, Gold, Emaille, 6,4 x 5,4 cm Gold, Emaille, 4,8 x 4,1 cm schen Trageweise, Gold, Emaille, ca. 9 x 4,1 cm Originalband, Silber, Emaille, 10,4 x 3,8 cm Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 3165 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 3085 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1169-1980 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 3070 344 | Erinnerung Erinnerung | 345

Preußisches Erinnerungskreuz in drei Varianten

Das preußische Erinnerungskreuz für 1866 gibt es in drei Ausführungen. Die Teilnehmer an der Schlacht bei König- grätz erhielten das Ehrenzeichen mit einer gleichnamigen Aufschrift, desgleichen die Angehörigen der Main-Armee. Kämpfer, die weder an der Schlacht bei Königgrätz teilgenommen noch der Main-Armee an- gehört hatten, bekamen ein Kreuz mit der Das besondere Armeedenkzeichen Aufschrift „Treuen Kriegern“ Das Trage- für Prinz Carl band war für alle drei Versionen gleich. Hier handelt es sich um eine nicht zeitge- Als Oberkommandierendem des VII. (bay- lichen Ausgang des Krieges legte Prinz nössische Zusammenstellung der drei Va- erischen Korps) und der süddeutschen Carl dieses Ehrenzeichen jedoch niemals rianten an einem Bandabschnitt Bundestruppen wurde dem Prinzen Carl an. ein fast doppelt so großes Armeedenkzei- chen als „besondere Auszeichnung“ von Bay. Armeedenkzeichen für den Feldzug 1866 am König Ludwig II. verliehen. originalen Band und in der für bayerische Solda- Preußen 1866 Armeedenkzeichen 1866 (Probe), Bronze, ten typischen Trageweise, Bronze, 8,5 x 3,6 cm Geschützbronze, 3,4 x 3,41 cm Es handelt sich dabei um eine Einzelferti- 6,19 x 6,19 cm, Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1168-1980 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 1094-1996 gung. Angesichts des für Bayern unglück- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. B 6901 346 | Erinnerung Erinnerung | 347

Suche nach den Schuldigen

Nach der Niederlage sahen sich einige der militärischen Führungsfiguren heftiger Kritik ausgesetzt. Die in Jahrzehnten entstandenen strukturellen Defizite der süddeutschen Ar- meen fanden zunächst weniger Beachtung.

Der katholisch-konservative „Volksbote“ richtete seine Angriffe gegen Ludwig von der Tann, den Stabschef des Prinzen Carl:

„Wäre nicht der Mangel an militärischer Einsicht und Umsicht dort, wo man sie zu fordern berechtigt ist, grenzenlos gewesen, so hätte man niemals den wesentlichen Theil der Führung der Armee in die Hände eines Generalstabschefs legen können, für dessen Unfähigkeit zu solch’ wichtigem Posten bereits die Erfahrung und öffentliches Zeugnis gedruckt vorlag, worum man sich aber wenig bekümmert zu haben scheint.“ Von der Tann verklagte den Herausgeber des „Volksboten“, Ernst Zander, wegen „Amtsehrenbeleidigung“. Zander, der die öffentli- che Meinung auf seiner Seite hatte, wurde aber freigesprochen.

Die Niederlage verschlechterte die Beziehungen der süddeutschen Staaten untereinan- der. In Württemberg war man über die bayerische Leistung im Feldzug enttäuscht. Die Führung der badischen Division durch den Prinzen Wilhelm sah sich sogar dem Vorwurf der bewussten Sabotage ausgesetzt. Der „badische Verrat“ wurde zum geflügelten Wort und hinterließ in Bayern einen anhaltenden Groll. Während alle süddeutschen Staaten nach 1866 das preußische Zündnadelsystem einführten, beschritt Bayern 1869 mit dem Werdergewehr einen Sonderweg. Der badische Gesandte in München versuchte, Bay- ern davon abzuhalten und verwies auf die Vorteile einer einheitlichen Bewaffnung. Die Reaktion des bayerischen Kriegsministers zeigte, dass der Zorn über das Verhalten Wil- helms noch nicht verraucht war: „Ich kann die Bemerkung nicht unterdrücken, wie es fast ironisch klingt, aus Baden, dessen Ar- meedivisions Commando bekanntlich am 25. Juli 1866 der zunächst gestandenen bayr. 3. Inf. Division jede erbetene Unterstützung verweigert hat, an die Vortheile gleicher Bewaffnung u. dadurch ermöglichten Munitions Austausches erinnert zu werden“.

Die bayerische Heerführung und der Chef des Generalstabes Generallieutenant Freiherr v.d. Tann vor den Geschworenen in der zehnstündi- gen öffentlichen Verhandlung des oberbayeri- schen Schwurgerichts vom 19. Oktober 1866 ge- gen den Redakteur des Volksboten Ernst Zander wegen „Amtsehrenbeleidigung (Vollständiger stenographischer Bericht)“, München 1866 Bay. Armeebibliothek, Sign. B 7, An 9 348 | Erinnerung Erinnerung | 349

Actenmäßige interessante Enthüllungen über Nochmals Der badische Verrath. Weitere Ent- den badischen Verrath an den deutschen Bundes- Mittheilung von Thatsachen zur Beleuchtung der hüllungen sowie Zurückweisung der wider die Badische Antwort auf das Pamphlet über den an- truppen in dem soeben beendigten preußisch- angeblichen „Enthüllungen“ über den badischen bekannte Broschüre erschienenen officiellen und geblichen bad. Verrath an den deutschen Bundes- deutschen Kriege, 2. Auflage, Wien 1866 Verrath, Karlsruhe 1866 officiösen Angriffe, Stuttgart 1866 truppen. Von einem Badener, Lahr 1867 Bay. Armeebibliothek, Sign. B 7/3, Ba 1 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 50444 Bay. Armeebibliothek, Sign. B 7/3, Ba 2 Bay. Armeebibliothek, Sign. A 50260 350 | Erinnerung

„Bravourstück eines bayerischen Soldaten“

Dieses „Bravourstück“ zeigte, wie es ei- gentlich nicht gewesen ist. Durch Hervor- hebung einer besonders „heldenhaften“ Einzelleistung sollte das für den Massen- Kolorierte Lithografie, Verlag Ludwig Singer in geschmack produzierte Blatt dem ver- München, 31 x 22 cm wundeten bayerischen Stolz aufhelfen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 2523 353 Preußen erreicht seine Ziele

Der Deutsche Krieg von 1866 führte zur Auflösung des Deutschen Bundes, und er ver- drängte Österreich aus Deutschland. Preußen annektierte die umstrittenen Elbherzogtümer Holstein und Lauenburg, das Königreich Hannover, das Herzogtum Nassau und das Kurfürstentum Hessen-Kassel sowie die Freie Stadt Frankfurt am Main. Die norddeutschen Länder schlossen sich im Norddeutschen Bund zusammen, der ein eigenes Parlament erhielt. Seine Verfassung nahm bereits die des 1870/71 begründeten Deutschen Reichs vorweg, und der Nord- bund trug bereits dessen Farben: Schwarz-Weiß-Rot sollte die künftige deutsche Triko- lore werden. Die süddeutschen Staaten kamen glimpflich davon. Bayern musste einen kleinen Land- streifen im Norden abgeben. Vor allem aber mussten die Süddeutschen mit Preußen sogenannte Schutz- und Trutzbündnisse abschließen, mit denen sich Preußen die Verfü- gung über die militärischen Ressourcen des Südens im Kriegsfall sicherte. Der Feldzug hatte die Überlegenheit der preußischen Heeresorganisation schlagend bewiesen, so dass alle süddeutschen Staaten daran gingen, ihr Heerwesen nach preußi- schem Vorbild zu reformieren.

Der „Eiserne Kanzler“

Franz von Lenbach malte Bismarck 1888 ßischer Ministerpräsident und später als im Überrock eines Offiziers im Magdebur- Kanzler des Deutschen Reichs entschieden gischen Kürassierregiment Nr. 7. Mit dem den Primat der Politik vor dem Militär Rang eines preußischen Generals der Ka- vallerie war Bismarck dem Regiment „à la suite“ zugeteilt, was ein reiner Ehrentitel war. Gemälde von Franz von Lenbach, Öl auf Sehr im Unterschied zu dieser militäri- Leinwand 1888, 108,5 x 81,5 cm. schen Pose behauptete Bismarck als preu- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0202-1990 354 | Preußen erreicht seine Ziele Preußen erreicht seine Ziele | 355

Siegmund von Pranckh Bayerischer Kriegsminister

Siegmund Freiherr von Pranckh (1821- schen Armee nach dem Vorbild Preußens 1888) zog als Kommandeur des Infanterie- und anschließend ihre Integration in das Leibregiments in den Krieg von 1866 und Heer des Deutschen Reichs. führte es am 10. Juli bei Nüdlingen. Das Foto zeigt von Pranckh als Oberst in Am 29. Juli wurde er zum Generalmajor der Uniform des Infanterie-Leibregiments. befördert und am 1. August zum neuen Kriegsminister ernannt. Er bekleidete die- Fotografie um 1865, moderner Abzug, ses Amt bis 1875. In dieser Zeit leitete er 14,1 x 8,8 cm zunächst die Reorganisation der bayeri- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0123-2016 357 Gewehrboom

Der Krieg von 1866 hatte gezeigt, dass die Zeit des Vorderladers endgültig vorbei war. Für die Konstrukteure und Fabrikanten von Militärgewehren begannen jetzt buchstäb- lich goldene Jahre. In wenigen Jahren rüsteten alle Staaten ihre Infanterie mit Hinterla- dern aus. Dazu wurden die vorhandenen Vorderlader für Rückladung umgebaut oder gleich Gewehre völlig neuer Konstruktion eingeführt. Österreich und Bayern taten beides in kurzem Abstand nacheinander. Die anderen süddeutschen Staaten bauten ihre Gewehre für das preußische Zündnadelsystem um. Bayern wählte aus politischen Gründen ein anderes Verschlusssystem, um den Abstand zu Preußen zu betonen. Vor 1866 hatten viele Militärs Hinterladergewehre abgelehnt, weil sie einen übermä- ßig hohen Munitionsverbrauch im Gefecht befürchteten. In Umkehrung der bisherigen Maßstäbe wurde es nun zu einem der wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung von Gewehren, wieviel Schuss in der Minute sie abfeuern konnten. Das Jahr 1866 sah das Zündnadelgewehr auf dem Höhepunkt seiner geschichtlichen Wirksamkeit. Technisch war es zu diesem Zeitpunkt bereits dabei, zu veralten. Gewehre mit kleinerem Kaliber und Patronen mit Metallhülsen traten nach 1870 an die Stelle des Zündnadelsystems.

Gewehr M. 1858/67 I Gewehr M. 1858/67 IIII (ohne Abb.) Der bayerische Vorderlader wird ein Hinterlader

Die Umänderung musste in großer Eile geschehen, weshalb man am Prinzip der Patrone Bayern 1867 Bayern 1867 mit Papierhülse festhielt. Für die Entwicklung einer Metallhülse fehlte die Zeit. Die Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Unterschiede zwischen den drei Modellen der Podewilsgewehre blieben erhalten. Papierhülse, Drehkolbenverschluss Papierhülse Kaliber 13,9 mm, Länge 131 cm Kaliber 13,9 mm, Länge 120 cm Das Muster III, die Büchse, verlor allerdings den überflüssigen Stechabzug. Mit diesen Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1300 Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1295 Gewehren zog die bayerische Infanterie in den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. 358 | Gewehrboom Gewehrboom | 359

Gruppenfoto bayerischer Infanteristen nach dem Feldzug

Das Gruppenbild zeigt Soldaten und Of- Modells 1868. Ihre Gewehre sind bereits fiziere der bayerischen Landwehr-Infan- für Rückladung „aptiert“. terie; sie tragen Wings und dazu Achsel- Der Fotograf teilte die Soldaten in Grup- klappen an der Schulter. Die meisten sind pen auf, die er nacheinander vor seinem mit dem Armeedenkzeichen als Veteranen Atelier aufstellte. Durch Aneinanderfügen des Feldzugs von 1866 ausgezeichnet. Be- der Aufnahmen entstand ein panoramaar- merkenswert ist die Mischung verschiede- tiges Gesamtbild. ner Helme; zu erkennen sind Helme des Modells 1845, teils noch mit Beschlägen Fotografie, „Fotograf’sches Atelier v. Hägele“, aus der Regierungszeit von Maximilian nach 1868, 15,2 x 32,8 cm II., aber auch schon einige neue Stücke des Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0323-2015 360 | Gewehrboom Gewehrboom | 361

Württemberg: Zündnadelgewehr M. 1857/67 Österreich: Gewehr M. 1862/67 „Wänzelgewehr“ Württemberg, Baden und Hessen-Darm- die süddeutschen Armeen auch die preu- stadt änderten nach 1866 ihre Vorderlader ßischen Ausbildungsvorschriften überneh- Bei der Umänderung in Hinterlader er- gegen Witterungseinflüsse und Bestoßun- nach dem preußischen Zündnadelsystem men. hielten die österreichischen Gewehre ei- gen weit unempfindlicher als Papierhül- in Hinterlader um. Dabei wurde das Ka- nen Klappenverschluss, der sich nach sen. liber von 13,9 auf 15,43 mm vergrößert. vorn öffnete. Die ballistische Leistung der Gewehre ver- Franz Wänzel verwendete für seinen Ab- schlechterte sich dadurch. Württemberg 1867 änderungsvorschlag bereits Patronen mit Österreich 1867 Für Preußen war die Annahme seines Ge- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Metallhülsen. Solche Hülsen boten große Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Papierhülse, Drehzylinderverschluss Metallhülsen, Klappenverschluss wehrsystems im Süden militärpolitisch Kaliber 15,43 mm, Länge 142 cm Vorteile: Sie verhinderten das Entweichen Kaliber: 13,9 mm, Länge 133,5 cm wertvoll, denn mit dem Gewehr mussten Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3834 von Pulvergasen nach hinten und waren Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 4082 362 | Gewehrboom Gewehrboom | 363

Defensions-Zündnadelgewehre

1866 waren viele nahezu neuwertige Waffen der Kriegsgegner in preußische Hand ge- fallen, die für das Zündnadelsystem umgeändert wurden. Die Umbauten wurden an Suhler Betriebe übertragen. Dabei kam nicht das lange Gewehrschloss, sondern das kürzere Karabinerschloss zum Einsatz, das nur die Verwendung der schwächeren Karabinerpatrone zuließ. Es waren wohl wirtschaftliche Gründe, die zu diesem Kompromiss führten, denn um das lange Schloss verwenden zu können, hätte die Waffe einen neuen Schaft erhalten müssen. Auf- grund ihrer geringeren ballistischen Leistung kamen diese Gewehre zur Bewaffnung der Feldarmee nicht in Frage. Sie waren für Sicherungsverbände im rückwärtigen Heeresge- biet oder für Festungsbesatzungen bestimmt.

Defensions-Zündnadelgewehr B/M Defensions-Zündnadelgewehr Ö/M (bayerisches Modell) Preußen 1869 (österreichisches Modell) Preußen 1867 Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Nur 950 bayerische Gewehre wurden in Papierhülse, Drehzylinderverschluss Ca. 35.000 erbeutete österreichische Ge- Papierhülse, Drehzylinderverschluss Hersteller: Christoph Grüber & Co., Suhl Hersteller: Simson & Luck, Suhl Preußen mit einem Zündnadelsystem ver- Kaliber 15,43 mm, Länge 12,5 cm wehre wurden für das Zündnadelsystem Kaliber: 15,43 mm, Länge 132 cm sehen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1386 umgeändert. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3559 364 | Gewehrboom Gewehrboom | 365

England: Gewehr Snider-Enfield Mk. III

Der Klappenverschluss des britischen Um- Defensions-Zündnadelgewehr änderungssystems öffnete sich zur Seite. Na/M (nassauisches Modell) Solche Gewehre entstanden nicht nur durch Umänderung vorhandener Vor- Nassau wurde 1866 von Preußen annek- Preußen 1868 derladergewehre, sondern wurden auch Großbritannien 1869 tiert, das dabei auch dessen gesamte Be- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit wie die hier gezeigte Ausführung Mk. III Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit waffnung übernahm. Deshalb ist die Zahl Papierhülse, Drehzylinderverschluss neu erzeugt. Sie fanden im ganzen Empire Metallhülsen, Klappenverschluss Hersteller: Spangenberg & Sauer, Suhl Hersteller: Birmingham Small-Arms umgeänderter Gewehre – 4.500 Stück – re- Kaliber 15,43 mm, Länge 135 cm Verwendung. Die indische Armee führte Kaliber: .577 Snider (14,8 mm), Länge: 140 cm lativ groß. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1389 sie bis in die 1890er Jahre. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. H 2075 366 | Gewehrboom Gewehrboom | 367

Russland: Gewehr M. 1856/69 Belgien: Gewehr M. 1853/67

Der einfach gebaute Verschluss war eine Das neue belgische Infanteriegewehr mit Recht des Stärkeren. Da die vorhandenen Erfindung des österreichisch-tschechi- einem Klappenverschluss nach System Al- Waffen im Kaliber 17,5 mm ballistisch völ- schen Büchsenmachers und Waffenkonst- bini-Braendlin entstand durch Umbau der lig veraltet waren, vollzog Belgien bei der rukteurs Sylvestr Krnka. vorhandenen älteren Waffen, wurde aber Abänderung auch einen Kaliberwechsel. Nach dem in Russland gebräuchlichen auch neu erzeugt. Zollsystem wurden diese Waffen auch Russland nach 1869 In einem Brief an den Kriegsminister ver- als „Sechs-Linien-Gewehre“ bezeichnet Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit langte der belgische König im Juni 1866 Belgien nach 1867 (1 Zoll = 10 Linien). Ballistisch waren diese Metallhülsen, Blockverschluss die Modernisierung der Infanteriebewaff- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit Hersteller: Kaiserliche Waffenfabrik Tula Metallhülsen, Klappenverschluss großkalibrigen Gewehre den Konstruktio- Kaliber 15,24 mm, Länge 142 cm nung. Er begründete seine Forderung mit Kaliber 11,5 mm, Länge 136 cm nen der Zeit nach 1866 klar unterlegen. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3734 der Feststellung, in Europa herrsche das Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1324 368 | Gewehrboom Gewehrboom | 369

Frankreich: Gewehr M. 1866, „Chassepotgewehr“

1866 war die französische Armee mit Vor- Die Verkleinerung des Kalibers auf 11 mm derladergewehren des Kalibers 17,7 mm ergab eine ausgezeichnete ballistische ausgestattet. Der Erfolg des preußischen Leistung, die für ca. 20 Jahre den Maßstab Schweden: Gewehr M. 1867 Hinterladers hatte diese Bewaffnung ent- für Infanteriegewehre bildete. wertet. Um weiterhin eine bestimmende Der von Remington entwickelte Ver- Rolle in Europa spielen zu können, musste schluss war von großer Einfachheit und Frankreich schleunigst moderne Geweh- Frankreich 1869 dabei äußerst robust. Neben Schweden Schweden 1867 re beschaffen. Für die Entwicklung einer Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit und Dänemark beschafften auch viele an- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit geeigneten Metallhülse fehlte die Zeit, so Weichhülse, Drehzylinderverschluss dere Länder, darunter Spanien und eine Metallhülsen, Drehscheibenverschluss Hersteller: Manufacture Impériale de Mutzig Hersteller: Remington, USA dass man das eigentlich schon veraltete Kaliber: 11 mm, Länge: 131 cm Reihe südamerikanischer Staaten, Re- Kaliber: 12,17 mm, Länge: 135,5 cm Zündnadelsystem verwendete. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 1995 mingtongewehre. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 3857 370 | Gewehrboom Gewehrboom | 371

Bayern: Gewehr M/69 „Werdergewehr“

Die Umänderung der Podewilsgewehre wurde die bayerische Infanterie mit die- auf Rückladung war nur als Übergangslö- sen modernen Waffen vollständig ausge- sung gedacht. Erst das Werdergewehr soll- rüstet. Das Werdergewehr war die letzte te der bayerischen Infanterie eine wirklich von Bayern in eigener Regie eingeführte moderne Bewaffnung verschaffen. Militärwaffe. Das Herz des Gewehrs war der Ver- schluss, den Ludwig Werder entworfen Bayern 1870 hatte, der technische Leiter der Maschi- Einschüssiger Hinterlader für Patronen mit nenfabrik Nürnberg. In beschränkter Zahl Metallhülsen, Drehblockverschluss Hersteller: Gewehrfabrik Amberg kamen diese Gewehre bereits im Krieg Kaliber: 11 mm, Länge: 132 cm von 1870/71 zum Einsatz. Erst danach Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. E 1398 373 Denkmäler

Die Wunden, die der Krieg der Landschaft, den Dörfern und Städten geschlagen hatte, schlossen sich rasch. Zahlreiche Gräber und Denkmäler erinnern allerdings noch an die blutigen Ereignisse des Sommers 1866. Die Gräber von Mannschaftssoldaten blieben fast immer anonym: Es gab noch keine Erkennungsmarken, weshalb die Identifizierung der Toten nur in Ausnahmefällen mög- lich war. Der sommerlichen Hitze wegen mussten die Gefallenen rasch beigesetzt wer- den, was oft an Ort und Stelle geschah. Viele der Grabkreuze haben sich in der Land- schaft bis heute erhalten. Offiziere erhielten meist individuelle Gräber, die oft repräsentativ ausgestaltet wurden. Regimenter und Bataillone errichteten Denkmäler, um für Angehörige und Nachwelt ein bleibendes Zeugnis ihrer Teilnahme an diesen Kämpfen zu stiften. Dieses Bedürfnis ist typisch für die Zeit. Auch auf den Schlachtfeldern Böhmens, insbe- sondere bei Königgrätz, und wenige Jahre später auf den Schlachtfeldern des Deutsch- Französischen Krieges wurden zahlreiche Denkzeichen errichtet. Gräber und Denkmäler sind nicht immer in gutem Zustand, und man möchte sich wün- schen, dass ihnen die Nachwelt mehr Aufmerksamkeit zuteil werden ließe.

Orte des Kriegsgedenkens in Unterfranken

Diese Lithografie zeigt Kampffelder, Fried- höfe und Denkmäler Unterfrankens. Der Bayern „Erinnerung an das Kriegs-Jahr 1866. Gegenden von Unterfranken.“ Verkaufserlös des Blattes war für karitative Getönte, teilkolorierte Lithografie, 44,5 x 61,5 cm Zwecke bestimmt. Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. G 692 374 | Denkmäler Denkmäler | 375

Trauernde Germania

Dieses Denkmal wurde 1869 gegenüber schen und einen preußischen Offizier dar- dem 1866 hart umkämpften Kissinger Ka- gestellt. Sie verkörpern die zurückgekehr- pellenfriedhof eingeweiht. Die Germania, te deutsche Eintracht. Personifikation Deutschlands, trauert um die Opfer des Krieges, der allgemein als Bruderkrieg unter Deutschen empfunden Heutige Ansicht der trauernden wurde. „Die trauernde Germania. Denkmal der bei Germania Die Skulptur wurde von dem Kissinger Kissingen gefallenen Krieger“ Holzstich nach einer Zeichnung von C. Baum, um Bildhauer Michael Arnold entworfen. Der 1870, Bildmaß 24,5 x 16,5 cm Stecher hat im Vordergrund einen bayeri- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. 0183-2015 Foto: Dieter Storz, 2015 376 | Denkmäler Denkmäler | 377

Denkmal für die Gefallenen des preußischen Infanterie-Regiments Grabkreuz für einen unbekannten Nr. 19 auf der Passhöhe zwischen bayerischen Soldaten auf der Kissingen und Nüdlingen Feldflur bei Nüdlingen

Foto: Dieter Storz, 2015 Foto: Dieter Storz, 2015 378 | Denkmäler Denkmäler | 379

Denkmäler auf dem Uettinger Friedhof

Nach den Juligefechten wurden auf dem ten hielt der Ortsgeistliche eine Grabrede ein Uettinger Friedhof zahlreiche Gefallene Milität-Commando feuerte eine Salve ab über und an ihren Wunden Verstorbene in Mas- das Riesengrab und bald wölbte sich ein Hügel sengräbern beigesetzt. Dazu besitzen wir über Freund und Feind.“ den Augenzeugenbericht eines preußi- schen Soldaten: aus: Das Kriegstagebuch des preußischen Gefrei- „Von den hier befindlichen Verwundeten so- ten Albert Koch aus dem West- und Mainfeldzug wohl freundlicher als feindlicher Seits starben des Jahres 1866. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Hartwig Massen und wurden von der Commune vor Stein, Frankfurt am Main, Berlin, Bern u.a. 2009, dem Dorfe große Löcher gemacht die 20-30 S. 63 Heutige Ansicht des Uettinger Leichen aufnahmen. Fortwährend schleppten Friedhofs die Krankenträger neue Insassen hinzu. Eine Farb-Lithografie von Friedrich Mugler, Schicht Leichen, eine Schicht Erde dann Kalk Würzburg, 15 x 24 cm und sofort bis das Loch voll war; bei den letz- Bay. Armeemuseum, Inv.-Nr. N 5072 Foto: Dieter Storz, 2015 380 | Denkmäler Denkmäler | 381

Denkmal für die Gefallenen der Helmstadt: Denkmal zur Erinne- bayerischen Infanterie-Regimenter rung an die Verwundung des Nr. 4, 7 und 10 auf dem Vogelsberg Prinzen Ludwig am 25. Juli 1866 bei Roßbrunn

Foto: Dieter Storz, 2015 Foto: Dieter Storz, 2015 383 Abbildungsnachweis

sofern nicht anders angegeben S. 330 Bayerisches Armeemuseum Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München

S. 10, 46, S. 76, 210, 212, 283, 375, 376, 377, S. 336 und 337 379, 380 und 381 Stadtarchiv Bad Kissingen (Objekte Bayerisches Armeemuseum) Foto: Dieter Storz S. 338 Privatsammlung Stephan Benz S. 84, 135, 183, 217, 222, 250, 267, 342, 343, 344, 345, 361, 362, 366, 367 und 371 Karten auf den S. 280 und 312 (Objekte Bayerisches Armeemuseum) Wilhelm Birker Foto: Gert Schmidbauer Karten in den Umschlagseiten unterliegen S. 124 der GNU-Lizenz für Freie Dokumentation Germanisches Nationalmuseum, (de.wikipedia.org). Nürnberg Bearbeitung Wilhelm Birker

S. 147, 152, 253, 310 und 320 Wehrgeschichtliches Museum, Rastatt (Foto: Alexander Jordan)

S. 150, 246 und 247 Heeresgeschichtliches Museum, Wien

S. 211 und 240 Hauptstaatsarchiv Stuttgart

S. 233 Wikipedia (gemeinfrei)

S. 248 Deutsches Historisches Museum, Berlin

S. 252 Stadtarchiv Schweinfurt

S. 253 Sammlung Wolfgang Hanne

S. 306 und 307 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München