-Dossier puk

Verwertungsgesellschaften

Zeitung des Deutschen Kulturrates

Nr. 06/07 • Nov. - Dez. 2007 www.kulturrat.de 3,00 € • ISSN 1619-4217 • B 58 662

Kulturpolitik der CDU Kulturelle Bildung Kultur und Kirche Verwertungsgesellschaften Kultur Kompetenz Bildung Welche Bedeutung hat die Kulturpo- Was ist kulturelle Bildung? Mit dieser Pater Friedrich Mennekes stellt die Verwertungsgesellschaften – Kultur Die Mitglieder der Kinderkommissi- litik in der CDU? Damit setzen sich Grundsatzfrage befasst sich Max Kulturarbeit der Gemeinde St. Peter vor oder Kommerz, dieser Frage wird im on des Deutschen Bundestags Mi- Christian Wulff, Bernd Neumann, Fuchs und zeichnet die Tradition des und macht dabei deutlich, dass zeitge- puk-Dossier nachgegangen. Es wird riam Gruß, Michaela Noll, Marlene Wolfgang Börnsen, Johanna Wanka, Begriffes nach. Kristin Bäßler berich- nössische Kunst ihren Ort auch in der die Geschichte von Verwertungsge- Rupprecht, Diana Golze und Ekin Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, tet vom Kongress des Deutschen Kul- Kirche finden kann. Olaf Zimmer- sellschaften vorgestellt, aktuelle Her- Deligöz stellen ihre Arbeit vor. In den Jörg-Dieter Gauger und Hans-Jörg turrates bei der Games Convention mann setzt sich mit den Worten Kar- ausforderungen geschildert und nach kommenden Monaten wird sich die Clement auseinander. Gabriele und Christoph Schäfer schreibt über dinal Meisners zur Eröffnung des Ko- der Zukunft der Verwertungsgesell- Kommission vor allem mit dem The- Schulz kommentiert die Beiträge. Leser und Nicht-Leser. lumba-Museums in Köln auseinander. schaften gefragt. ma Kinder und Kultur befassen. Seiten 1 bis 9 Seiten 10 bis 12 Seiten 16 bis 17 Dossier Seiten 1 bis 32 Beilage Seiten 1 bis 4

Editorial Eine Kulturpolitik für die Chancengesellschaft Turbokinder Von Christian Wulff ie Anforderungen an Kinder „Nur wer seine Vergangenheit kennt“, Grundlage für wirtschaftliche Ent- D und Jugendliche steigen un- wusste bereits Wilhelm von Hum- wicklung wie für Integration und So- aufhörlich. Spätestens nach dem boldt, „hat eine Zukunft“. Vergangen- lidarität. Eine breit angelegte Kultur- vermeintlichen PISA-Test-Desaster heit und Zukunft, Vielfalt und Identi- politik ist mitentscheidend, um den wurde die Leistungsschraube ange- tät spiegeln sich in der Kultur eines Zusammenhalt in unserer Gesell- zogen. Für Gymnasiasten die neu- Landes. Deutschland ist eine euro- schaft zu bewahren und zu festigen. erdings in acht Jahren zum Abitur päische Kulturnation. Geschichte und Es gibt kein staatliches oder ge- gescheucht werden, ist eine Wo- Schicksal der Deutschen lassen sich sellschaftliches Handeln ohne histo- chenarbeitszeit für den Unterricht nicht vom europäischen Kontext tren- rischen Kontext. Gesellschaftlicher und die Erledigung der Hausaufga- nen. Deutschland ist weltoffen, Zusammenhalt braucht gemeinsa- ben von bis zu 50 Stunden keine Aus- Deutschland ist Integrationsland. me, Identität stiftende Werte, Nor- nahme mehr. Eine um die Kultur sich mühende men und Symbole. Wir bekennen Schon im Kindergarten wird Eng- Politik muss diesen Spannungsbogen uns daher zur Leitkultur in Deutsch- lisch gelernt, das letzte Kindergar- ausloten und der Kultur dienen – nicht land. Sie umfasst die Grundwerte tenjahr heißt Vorschule und soll zu- der Politik. des Grundgesetzes und die Verant- nehmend schon Schule sein, in der wortung aus unserer Geschichte. Grundschule fallen immer mehr ür die CDU ist klar: Eine Chan- Für das Kulturkapitel im Entwurf Kinder auf, die dem Leistungsdruck F cengesellschaft wächst auf dem des neuen Grundsatzprogramms der nicht nur wegen der immer frühe- Boden möglichst gerecht verteilter CDU, das soll an dieser Stelle erwähnt ren Einschulung nicht mehr stand- Lebenschancen. Eine Chancenge- werden, gab es Anerkennung vom halten und schon in der ersten Klas- sellschaft braucht starke Bürger- Deutschen Kulturrat, der dafür be- se Angst davor haben, sich durch innen und Bürger und den Beitrag kannt ist, gut und gerne reinen Wein schlechte Leistungen ihren Weg in aller, um auf Dauer Solidarität und einzuschenken. Prominent platziert eine weiterführende Schule zu ver- Zusammenhalt zu bewahren. Dies sei die Kultur, lautete eine der loben- bauen. bedeutet, Verschiedenheit anzuer- den Anmerkungen. Bildungs- und Natürlich sind gerade diese kennen, Vielfalt zu achten und die Kulturpolitik stehen mit Bedacht vor Ängste eigentlich die Ängste der El- Potenziale jedes Einzelnen zu för- der Wirtschafts-, der Umwelt-, der Si- tern, aber die Kinder müssen mit ih- dern. Wir vertrauen in die Kraft der cherheits- und der Außenpolitik, weil nen leben. Und, mit fünf Jahren ein- Menschen, aus ihrem Leben etwas es hier um die Entfaltung der Persön- geschult, mit 17 das Abitur in der zu machen. Dafür muss sich der lichkeit, um Orientierung, Sinn und Tasche, werden sie im Turbotempo, Staat an einigen Stellen zurückhal- Kreativität geht. Wer Antworten auf Bachelor und Master sei Dank, ihr ten, an anderen zupacken und, wo die Herausforderungen der Wissens- Christian Wulff. Foto: CDU Niedersachsen Studium abschließen, um ohne immer es geht, vor allem Hilfe zur gesellschaft geben will, muss bei Kul- jemals den geraden Weg verlassen zu Selbsthilfe geben. tur und Bildung ansetzen. Kreative de Voraussetzung für die Entfaltung kulturellen Sozialisation. haben, dem Arbeitsmarkt zur Verfü- Kulturpolitik ist nicht nur Bil- Werke bieten Deutungsangebote, sie der schöpferischen Potenziale in Weltweite digitale Vernetzung und gung stehen. dungspolitik, sondern auch ein Fak- sind innovative Impulsgeber. Kunst unserer Gesellschaft. Die Lebendig- einfache Reproduktionsmöglichkei- Und dann wollen wir, dass diese tor für Wachstum und Wohlstand. und Kultur verbinden Tradition und keit der Kunst hängt ab vom Frei- ten formen einen neuen Kulturkon- Turbokinder auch noch, am besten Die Beschäftigung mit Kunst und Innovation. Die CDU hat dies stets raum, den eine Gesellschaft ihren sum, während die Grundfähigkeiten alle, ein Instrument lernen. Wann Kultur fördert Innovationen und hervorgehoben. Künstlerinnen und Künstlern zur kulturellen Wissens insgesamt eher sollen sie das denn noch machen? stärkt Fähigkeiten, die gesellschaft- Kunst in Deutschland ist frei. So Lust am Experimentieren ermög- abnehmen. Was auf der einen Seite Wenn ein Instrument spielen liche Teilhabe und Eigenverantwor- will es das Grundgesetz, so wollen licht. Kultur ist nie statisch. Kultur an Chancen hinzukommt, darf auf können nicht nur eine weitere Zu- tung fördern. Sie bietet sowohl eine wir es. Freiheit ist eine entscheiden- und Fortschritt hängen eng mitein- der anderen nicht durch Unkenntnis satzqualifikation sein soll, weil Mu- ander zusammen. Künstler müssen verloren gehen. Deshalb müssen wir sik die Synapsen im Gehirn auf herausfordern, provozieren und bis- der Vermittlung von Kunst und Kul- wunderbare Weise so ordnen soll, weilen Tabubrüche begehen, um tur einen höheren Stellenwert bei- dass noch mehr und noch schnel- Neues zu schaffen. Die kulturelle messen. ler, der allgemeine Schulstoff hin- Kultur-Mensch Avantgarde war immer ein Teil bür- Kultur braucht Liebhaber. In je- einpasst, brauchen die Kinder Claudia Lux gerlicher Freiheit und damit der bür- der nachwachsenden Generation Muße. Freie Zeit, auch Nichtstun gerlichen Kultur. Die CDU steht in muss die Lust auf Kunst und Kultur gehört zur Persönlichkeitsbildung Dem internationalen Bibliotheksver- der bürgerlichen Tradition der Welt- sowie auch die Freude an künstleri- ebenso dazu, wie die Beschäftigung band IFLA (The International Federa- und Zukunftsoffenheit. scher Betätigung geweckt und be- mit Lernstoff und auch mit der tion of Library Associations and Ins- Kunst ist eine besondere Form wahrt werden. Ob in der Musik oder Kunst. Ein Instrument zu erlernen, titutions) steht seit diesem Jahr eine der Auseinandersetzung mit der beim Tanz, überall gilt: Wer Heraus- Musik zu erfühlen, Kunst zu ma- Frau, die Direktorin der Berliner Zen- Wirklichkeit. Sie lebt von Neugier forderungen annimmt, kann Höchst- chen, braucht viel Zeit. tralbibliothek Claudia Lux, vor. Clau- und Wagnis. Der Wunsch der Men- leistungen akzeptieren. Die Begeg- Hören wir auf, unsere Kinder im- dia Lux widerlegt mit ihrer Persönlich- schen, sich ein eigenes Stück Kultur nung mit Kunst und Kultur stärkt die mer mehr zu überfordern. „Jedem keit und mit ihrer Arbeit in der Berli- zu gestalten, ist riesengroß. Ich bin Persönlichkeitsentwicklung, die Aus- Kind ein Instrument“ ist eine wun- ner Zentralbibliothek das Image der mir sicher, dass wir uns heute über bildung einer stabilen Identität und derbare Idee, wenn damit die Lust Bibliothekarinnen als „graue Mäuse“. den Wert und die Vielfalt unserer ein vertieftes Verständnis vom Le- auf Musik, die Lust auf die eigene Äußerst agil, kompetent und elo- kulturellen Ausdrucksfähigkeiten ben. Kreativität gefördert wird. Die Forde- quent tritt Claudia Lux für Bibliothe- zunehmend bewusst werden. Doch Ohne Kultur entsteht keine Bil- rung „Jedem Kind ein Instrument“ ken als Bildungs-, Wissenschafts- mancher Zugang, darunter auch der dung, ohne Bildung wächst keine kann, sollte nicht gleichzeitig eine und Forschungseinrichtungen ein. Bi- zur religiösen Dimension unserer Kultur. Wir brauchen die Bildung in Rücknahme des Leistungsdrucks in bliotheken versteht sie als Dienstlei- Kultur, ist brüchig. Klassische und Naturwissenschaften und Sprachen der Schule eingefordert werden, ster und fordert von der Politik die vor allem moderne Musik haben es ebenso wie die musische, literari- aber auch eine weitere Zumutung entsprechenden Rahmenbedingun- schwer bei den Zuhörern, die bilden- gen. „Bibliotheken auf die Tagesord- für überforderte Jugendliche und de Kunst dagegen besitzt einen bes- Weiter auf Seite 2 ihre Eltern sein. nung“ ist das Motto ihrer IFLA-Präsi- seren Draht zum Publikum – zumin- dentschaft. Dies gilt mit Sicherheit dest legen es erfolgreiche Ausstel- Olaf Zimmermann, nicht nur für die internationale, son- Foto: Zentral- und Landesbiblio- lungen und Messen moderner und Herausgeber von dern auch die nationale Ebene. thek Berlin zeitgenössischer Malerei nahe. Par- politik und kultur allel vollzieht sich ein Wandel der 4:V;r KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 2

ner Sicht ist die Verantwortung für und Sponsoring weiter verbessern. Instrument. Daher müssen wir die turelle Inseln zurückziehen. Dies Fortsetzung von Seite 1 Kultur aber nicht nur eine öffentli- Kultur lebt vom Austausch und Arbeit der Auslandsschulen, Wissen- setzt ein offenes Verständnis für Kul- che Aufgabe. Vielmehr haben öffent- gewinnt aus diesem Wechselspiel schaftseinrichtungen und die kultu- tur voraus. Die CDU hat einen wei- Eine Kulturpolitik für die liche Hände, Unternehmen und pri- ihre Kraft. Der Dialog mit anderen rellen Mittlerorganisationen auch in ten Kulturbegriff, der künstlerische Chancengesellschaft vate Förderer eine gemeinsame Ver- Kulturen fördert das Verständnis für Zukunft stärken. Spitzenleistungen und die Breiten- pflichtung für den Erhalt und Aus- die eigenen Lebensumstände, die Kulturpolitik muss breit angelegt kultur umfasst, tradierten Formen sche und künstlerische Bildung. Die bau unserer Kulturlandschaft. Diese Demokratie und die Menschenrech- sein und sie muss in den großen na- und populären Ausdrucksmöglich- kulturelle Bildung muss stärker in Verantwortung ist nicht allein Ersatz te. Interesse an Deutschland als Kul- tionalen Debatten sichtbar werden. keiten Raum bietet und die Beiträge die Breite streben. Auch die frühe für ausbleibende öffentliche Förde- turnation bereitet den Boden für Sie darf sich nicht auf das Feuilleton von Zuwanderern ebenso schätzt Musik-, Kunst- und Bewegungserzie- rung in den mageren Jahren. Sie ist enge und vertrauensvolle Beziehun- beschränken, sondern muss im Le- wie das kulturelle Erbe des deut- hung sind elementare Bestandteile Voraussetzung für eine insgesamt gen. Für die CDU ist wichtig, ein vi- ben stehen. Wenn sie es ernst meint schen Ostens und der Vertriebenen. unseres Bildungswesens. Daneben verbesserte Akzeptanz von Kultur. tales Bild von Deutschland im Aus- mit einem Beitrag für die Chancen- Scheuklappen vertragen sich damit gilt es, Kindern und Jugendlichen Zwischen Kulturförderung und land zu zeichnen, das der kulturel- gesellschaft, dann ist es ihre Aufga- nicht. Lust auf Kultur zu machen. Kulturelle Wirtschaftsentwicklung besteht ein len Vielfalt unseres Landes gerecht be, Bildung und Wissenschaft, Ju- Bildung vermittelt nicht nur Schlüssel- elementarer Zusammenhang. Kultur wird. Die auswärtige Kultur- und Bil- gend, Familie und bürgerschaftli- Der Verfasser ist Stellvertretender kompetenzen, sondern fördert auch ist ein harter Wirtschaftsfaktor, die dungspolitik ist ein zentrales Feld ches Engagement zu verbinden. Vor CDU-Bundesvorsitzender und den Zusammenhalt unserer Gesell- Kulturwirtschaft ein bedeutender unseres weltweiten Engagements allem darf sie keine Berührungs- Ministerpräsident des Landes schaft. Standortfaktor mit hohen Wachs- und ein wertvolles außenpolitisches ängste zeigen und sich nicht auf kul- Niedersachsen Kultur ist Heimat, Zugehörigkeit tumspotenzialen. Kultur wird heute und Teilnahme. Die Deutsche Spra- in vielfältigen Formen wirtschaftlich che ist nicht nur das Medium des relevant – nicht zuletzt als Kulturtou- Alltags, sondern ein Teil des einigen- rismus. Auch das Image von Städten, den Bandes unserer Gesellschaft. Regionen oder Ländern, die von ei- Keine anderen Einflüsse haben die nem reichhaltigen Kulturangebot Kulturpolitik der Parteien staatliche Einheit Deutschlands geprägt sind, kann im regionalen, In der Ausgabe 4/2007 von politik und den Ländern auseinander, Jörg-Dieter litik und kultur Olaf Zimmermann hin- mehr befördert als die gemeinsame europaweiten oder globalen Wettbe- kultur wurde mit einer Reihe zur Kul- Gauger stellt die kulturpolitische Arbeit terfragte in einem Kommentar die Kul- Sprache und Kultur. werb entscheidend sein. Oftmals ist turpolitik der Parteien begonnen. Es der Konrad-Adenauer-Stiftung vor und turpolitik der SPD. Kultur ist kein Luxus, sondern ein ein solches Image ausschlaggebend wurde die Frage aufgeworfen, ob sich Hans-Jörg Clement stellt dar, welche In der Ausgabe 5/2007 erläuterte der menschliches Grundbedürfnis. Wenn für die Investitionsentscheidungen die Kulturpolitik tatsächlich so sehr Akzente in der Künstlerförderung ge- Vorsitzende der FDP Guido Westerwel- wir Kultur wieder stärker im Bewusst- von Unternehmen. ähnelt, wie es manchmal den An- setzt werden. Gabriele Schulz kom- le die Grundsätze liberaler Kulturpoli- sein der Menschen verankern wol- In einem Land ohne nennens- schein hat, ob in der Kulturpolitik weit- mentiert die Kulturpolitik der CDU. tik, Hans-Joachim Otto stellte das Li- len, dann müssen wir vor allem die werte Bodenschätze muss die Stär- gehend übereinstimmende Positio- In der Ausgabe 4/2007 von politik und berale Kulturforum vor, Christoph weltweit einzigartige Vielfalt unserer kung kreativer Potenziale Vorrang nen bestehen und diese gegenüber kultur kam die älteste deutsche Partei, Waitz berichtete von der Verankerung Kulturlandschaft erhalten. Allerdings erhalten. Dazu brauchen wir Ver- anderen Fachpolitikern vertreten die SPD, zu Wort. Auskunft gaben der der Kulturpolitik in der FDP-Bundes- wird es nicht möglich sein, den ge- trauen in die Möglichkeiten des Ein- werden müssen oder ob die Partei- Vorsitzende Kurt Beck, der Vorsitzende tagsfraktion, Ruth Wagner setzte sich samten kulturellen Bestand zu si- zelnen, Bürgersinn und eine staat- en eigene kulturpolitische Profile des Kulturforums der Sozialdemokra- mit den freiheitlichen Grundsätzen der chern und gleichzeitig zu erweitern, lich gesicherte Grundstruktur für ausbilden. tie , die kulturpoliti- FDP und der Kulturpolitik auseinander dafür müssen wir mit allen Beteilig- Ehrenamt und Freiwilligkeit. Mit der In dieser Ausgabe kommt der Stell- sche Sprecherin der SPD-Bundestags- und Wolfgang Gerhardt stellte die kul- ten geeignete Modelle entwickeln: weiteren Stärkung des bürgerschaft- vertretende Vorsitzende der CDU fraktion Monika Griefahn, der für die turpolitische Arbeit der Friedrich-Nau- Die CDU bekennt sich zur Förderung lichen Engagements haben wir ein Christian Wulff zu Wort und erläu- auswärtige Kulturpolitik verantwortliche mann-Stiftung vor. Der Herausgeber von Kunst und Kultur als einer öffent- Zeichen gesetzt. Der Staat verzichtet tert die Grundsätze der Kulturpolitik Bundesaußenminister Frank-Walter von politik und kultur Theo Geissler lichen Aufgabe von Kommunen, Län- auf jährliche Steuereinnahmen von der Union, Kulturstaatsminister Bernd Steinmeier, der Regierende Bürger- kommentierte die Kulturpolitik der dern und Bund. Staatliche Kulturför- rund einer halben Milliarde Euro, Neumann stellt die Akzente seiner meister von Berlin Klaus Wowereit, der FDP. derung muss verlässlich sein und von um bürgerschaftliches Engagement Kulturpolitik vor, Wolfgang Börnsen den Leitantrag zur Kulturpolitik für den In der nächsten Ausgabe stehen den öffentlichen Haushalten als in Vereinen und gemeinwohlorien- berichtet von der Verankerung der SPD-Parteitag im Dezember 2007 mit Bündnis 90/Die Grünen im Mittel- Pflichtaufgabe begriffen werden. Für tierten Stiftungen zu unterstützen. Kulturpolitik in der FDP-Bundestags- vorbereitet hat, und Uwe-Karsten Heye punkt, danach folgen Die Linke und die CDU ist Kulturförderung keine Dabei sollten wir nicht stehen blei- fraktion, Johanna Wanka und Hans- als Chefredakteur des Vorwärts, der zum Schluss die CSU. Subvention. Sie ist eine Investition, ben, sondern die Rahmenbedingun- Heinrich Grosse-Brockhoff setzen eine stärkere kulturpolitische Ausrich- und zwar eine Investition in ein le- gen für private Kulturförderung sich mit der Kulturpolitik der CDU in tung anstrebt. Der Herausgeber von po- Die Redaktion benswertes Deutschland. Aus mei- durch Stiftungen, Mäzenatentum Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL KULTURELLE BILDUNG Geistreich in den Beruf BEILAGE KULTUR KOM- Kultur ist wie der ganze Mensch lebt Turbokinder Was ist kulturelle Bildung? Von Stefanie Ernst 18 PETENZ BILDUNG – Projekte der Kinder- und Jugend- Von Olaf Zimmermann 1 Von Max Fuchs 10 arbeit als Form von Kulturarbeit be- greifen KULTURREGIONEN Die Kinderkommission – Das öffent- Von Diana Golze 3 KULTUR-MENSCH Die Frage nach einer Jugendkultur Jüdische Regionalkultur in Franken liche Augenmerk auf die Interessen Claudia Lux 1 Von Kristin Bäßler 11 Von Andrea Kluxen 20 der Kinder richten Das Recht auf Kultur gilt auch für Von Miriam Gruß 1 Leuchtturm oder Hüpfburg? – Jedem Von PlattArt zum Landeskulturfest Kinder – Kinder als Künstler und Re- KULTURPOLITIK zipienten von Kultur stärker wahr- Kind ein Instrument – ab 2008 auch Von Michael Brandt 21 Die Chancen und Risiken der Medi- DER CDU nehmen in Hamburg ennutzung – Computerspiele sind Eine Kulturpolitik der Chancenge- Von Ekin Deligöz 4 Von Udo Petersen 12 EUROPA ein Teil der Alltagskultur von Kin- sellschaft Europa und die Kultur dern Von Christian Wulff 1 Wir sind alle Literaturpapst... Von Barbara Gessler 21 Von Michaela Noll 2 Von Christoph Schäfer 12 Eine Allianz für die Kultur Stellungnahme des Deutschen Kul- Kinder und Jugendliche als kulturel- PUK-DOSSIER Von Bernd Neumann 3 KULTURGROSCHEN 2007 turrates zur Mitteilung der EU-Kom- le Akteure – Junge Kultur braucht ein VERWERTUNGSGESELLSCHAF- Medien und Politik – zwei Seiten ei- mission „Eine europäische Kultur- erweitertes Blickfeld TEN: KULTUR ODER KOMMERZ Kulturpolitik will Entfaltungsfreiheit ner Medaille agenda im Zeichen der Globalisie- Von Marlene Rupprecht 2 1–32 Von Wolfgang Börnsen 4 Von Monika Grütters 13 rung“ 22 Kultur braucht Vielfalt in Freiheit – Gemeinsames Eintreten für kulturel- und Erinnerung KULTURELLES LEBEN Geißlers Kultur-Amok le Vielfalt Von Johanna Wanka 5 Viel gelesen und viel gescholten, die Lauf 1 - Ein Messebesuch Von Max Fuchs 14 Presse Kultur setzt das Schöpferische im Von Georg Ruppelt 23 Es hätte auf jeder Musikmesse passieren können – gerade bot sich die ansonsten Politik, Medien und Kultur – Grund- höchst erfolgreiche und sympathische MY MUSIC in Friedrichshafen an: Musikmesse ist Menschen frei pfeiler des Erfolgs von Fritz Pleitgen BUNT und STRESS. Men- Von Hans-Heinrich Astrid Lindgren – ein Jahrhunderter- schen, Instrumente, Sen- Von Bernd Neumann 14 Grosse-Brockhoff 6 eignis sationen – darunter die Von Birgit Dankert 24 größte Bassgitarre der Hemmungslosigkeit für Kultur Welt aus China der Marke Kultur im Entwurf des neuen Grund- Martin Maria KlingKlong, Von Fritz Pleitgen 15 satzprogramms „Grundsätze für Wer ist ein Künstler? das Panzerfahrzeug des Von Karlheinz Schmid 26 Heeres-Musik-Corps und Deutschland“ 6 ein Harmonika-Ritt über KULTUR UND KIRCHE den Bodensee – all dies Kultur im Grundsatzprogramm der Neue Kunst in alter Kirche: PORTRAIT und noch viel mehr zu Die Kunst-Station Sankt Peter in besichtigen in: Theo CDU „Freiheit in Verantwortung“ 7 Neues Amt, neue Chance für Geißlers Kultur-Amok- Köln die Künste lauf. Kunst und Kultur verpflichtet Von Friedhelm Mennekes 16 Von Andreas Kolb 26 Von Jörg-Dieter Gauger 8 Bilderverbot, Bilderkult, Bildersturm BUNDESTAGS- EHF 2010 – Fortsetzung eines Er- Von Olaf Zimmermann 17 DRUCKSACHEN 27 folgsprogramms Von Hans-Jörg Clement 9 ARBEITSMARKT KULTUR Gastkünstler an Theatern: Selbstän- KURZ-SCHLUSS Geschichtsverliebt – dige oder Angestellte Wie Ursula von der Leyen einmal auf Das Video exklusiv und kostenlos unter geschichtsvergessen? Rolf Bolwin und Hans Herdlein ant- eine nahezu geniale Idee kam www.nmzmedia.de Von Gabriele Schulz 9 worten politik und kultur 19 Von Theo Geißler 28 KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 3

Eine Allianz für die Kultur Deutschlands Verpflichtung als Kulturnation zieht Aufgaben nach sich • Von Bernd Neumann Deutschland ist eine Kulturnation. ale stärken, Innovation ermöglichen Diese Feststellung wird in der Öf- und Vielfalt fördern. Darum verste- fentlichkeit auf breite Zustimmung he ich mich als Anwalt für die Pro- stoßen. Doch was zeichnet eine bleme und Wünsche von Künstlern Kulturnation aus? Deutschland war und Kulturschaffenden, und darum nie ein Zentralstaat, sondern zual- ist es meine politische Überzeugung, lererst eine Gemeinschaft, die sich dass Kulturpolitik nur gelingen und durch Sprache und Kultur verbun- Wirkung entfalten kann, wenn sie im den fühlte, die grundlegende Werte steten Dialog gestaltet wird. Kultur- teilte aber darüber hinaus eine gro- politische Ziele dürfen nicht im El- ße Vielfalt regionaler kultureller fenbeinturm entstehen. Identitäten herausbildete. Die Ver- Gute Rahmenbedingungen für fassung der Bundesrepublik hat his- die Kultur sind nicht nur eine Sache torische Wurzeln; es gibt keine Al- des Geldes. Jedoch sagt der Etat für ternative zum Kulturföderalismus in die Kulturförderung viel über den Deutschland. Stellenwert aus, den eine Gesell- schaft der Kultur zumisst. In meiner och in einer von der Globalisie- Regierungszeit konnte der Kulturetat D rung und ihren Herausforde- kontinuierlich gesteigert werden. rungen geprägten Welt gibt es eine 2008 gibt der Bund 6,4 Prozent mehr Reihe von Aufgaben für den Bund, für die Kultur aus als bei meinem die aus Deutschlands Verpflichtung Amtsantritt Ende 2005. Es ist dies der als Kulturnation erwachsen. Dabei Erfolg beharrlicher politischer Über- haben drei Themenfelder besonderes zeugungsarbeit gegenüber dem Fi- Gewicht: Die kontinuierliche Weiter- nanzminister und des Austauschs entwicklung und Verbesserung der mit den Abgeordneten im Bundes- Rahmenbedingungen von Kunst und tag. Der Deutsche Filmförderfonds, Kultur, die Förderung von kulturel- aus dem pro Jahr 60 Millionen Euro len Einrichtungen und Projekten von in die Förderung des Filmstandorts nationaler und gesamtstaatlicher Deutschland fließen und dort ein Bedeutung und die Positionierung Mehrfaches an Erträgen generieren, Deutschlands in der internationalen ist in enger Zusammenarbeit mit Kulturpolitik. den Verantwortlichen der Filmwirt- CDU-Kongress in Hamburg 1964. Foto: ACDP/Konrad-Adenauer-Stiftung Leitend bei der Gestaltung aller schaft entstanden. Ganz ähnlich Themenfelder ist die Überzeugung, sieht es mit dem Förderschwerpunkt ters an, sich in wichtigen Politikfel- eminent wichtige Schutz des geisti- haben sie auf viele Schultern ver- dass unsere Gesellschaft auf die im Bereich der Kulturwirtschaft, der dern für die Interessen der Kultur gen Eigentums von Künstlern und teilt; das macht sie zukunftsfest und Denkanstöße durch Kunst und Kultur „Initiative Musik“ aus. Die Entwick- einzusetzen. So habe ich mich mit Autoren, der für mich bei der Novel- entlastet auch die Verwerter, indem nicht verzichten kann. Sie können je- lung und Stärkung der Kultur- und Erfolg dafür stark gemacht, dass der lierung des Urheberrechts im Mittel- der Abgabesatz zum dritten Mal in doch nur von einer Kunst ausgehen, Kreativwirtschaft ist ein wichtiger ermäßigte Mehrwertsteuersatz für punkt stand. Hier konnte ich durch Folge auf jetzt 4,9 Prozent für das die frei ist, die neugierig macht, die Baustein für Deutschlands Zukunfts- Kulturgüter von 7 Prozent beibehal- persönlichen Einsatz erhebliche Ver- Jahr 2008 gesenkt werden konnte. Außergewöhnliches wagt. Die Politik fähigkeit. Deshalb schaffen wir jetzt ten wird. besserungen erreichen wie beispiels- Kultur ist eine Gemeinschafts- hat die Aufgabe, die Kunst zu för- ein eigenständiges Referat für Kul- Die Kreativität des Menschen ist weise den Wegfall der Bagatell-Klau- aufgabe. Die Stärkung des bürger- dern, nicht sie zu reglementieren turwirtschaft, das den Dialog mit der unsere größte Ressource. Sie zu pfle- sel bei der strafbaren Verletzung von schaftlichen Engagements ist des- oder zu instrumentalisieren. Sie kann Wirtschaft vorantreiben soll. gen bedeutet auch, kreativ und Urheberrechten. Die Stabilisierung Rahmenbedingungen für Kunst und Ich sehe es als eine herausragen- künstlerisch tätigen Menschen Si- der Künstlersozialversicherung ist Kultur schaffen, die kreative Potenti- de Aufgabe des Kulturstaatsminis- cherheit zu geben. Dazu gehört der ein weiterer wichtiger Baustein. Wir Weiter auf Seite 4 KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 4

deutschen Erinnerungskultur jetzt gelungenes Beispiel für die notwen- Glaubwürdigkeit Deutschlands im derung der Vielfalt kultureller Aus- Fortsetzung von Seite 3 und für alle Zeiten eine unvergleich- dige Kooperation der verantwortli- Ausland. Eine der wichtigsten Stim- drucksformen“, dem Deutschland im lich hohe Bedeutung zukommen. chen staatlichen Ebenen innerhalb men für Toleranz und Menschen- März 2007 beigetreten ist. Es verankert Eine Allianz für die Kultur Verstärkt wird aber auch das Ge- des deutschen Kulturföderalismus. rechte im Ausland ist die Deutsche das Recht der Staaten auf eine eigen- denken an die SED-Diktatur und ihre Es unterstützt im Jahr 2007 heraus- Welle. Sie zu stärken bedeutet, Men- ständige Kulturpolitik. Das UNESCO- halb ein besonderes Anliegen der Opfer. Die historische Aufarbeitung ragende kulturelle Einrichtungen in schen weltweit die Informationen Übereinkommen über Maßnahmen Bundesregierung. Ich freue mich, soll zunehmender Verharmlosung Ostdeutschland mit rund 33 Millio- zur Verfügung zu stellen, die sie zu zum „Verbot und zur Verhütung der dass das Reformgesetz zur Gemein- und Bagatellisierung entgegen wir- nen Euro. Zu ihnen gehören unter mündigen Bürgern machen. Wir rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und nützigkeit die steuerliche Absetzbar- ken. Wir werden uns im kommenden anderem die Stiftung Preußische können uns unserer Verantwortung Übereignung von Kulturgut“ wurde keit von Mitgliedsbeiträgen deutlich Jahr unter anderem am Ausbau der Schlösser und Gärten Berlin-Bran- nicht entziehen, die uns auf unserem 2007 in deutsches Recht umgesetzt, verbessert und für die Kultureinrich- nationalen Gedenkstätte Berliner denburg, die Stiftung Bauhaus Des- eigenen langen Weg in eine freie und nachdem es mehr als 30 Jahre „auf Eis“ tungen verlässlich regelt. Auch die Mauer mit 6,5 Millionen Euro betei- sau sowie die Klassik Stiftung Wei- demokratische Gesellschaft erwach- lag. Die Bundesrepublik Deutschland Vielfalt unserer Kulturlandschaften ligen. Auch unterstützt der Bund die mar. Wie drängend der Erhalt unse- sen ist. gewinnt damit den Anschluss an den mit ihren Denkmälern lässt sich notwendigen Sanierungsmaßnah- res Kulturerbes ist, hat der verhee- Wir teilen diese Überzeugungen allgemeinen Standard internationalen heutzutage nur erhalten, wenn Staat men auf dem Gelände des ehemali- rende Brand der Anna-Amalia-Bibli- mit den Staaten der Europäischen Kulturgüterschutzes. und Gesellschaft gemeinsam dafür gen Untersuchungsgefängnisses des othek im Jahr 2004 gezeigt. Zum Wie- Union. Der Gründervater der Euro- Die Begegnung und Auseinander- eintreten. Seit über einem halben Ministeriums für Staatssicherheit in deraufbau hat die Bundesregierung päischen Gemeinschaft, Jean Mon- setzung mit Kunst und Kultur prägt Jahrhundert bekennt sich der Bund Berlin-Hohenschönhausen mit be- 8,5 Millionen Euro beigetragen. Wir net, hat rückblickend gesagt: „ Wenn Persönlichkeit und Identität. Wer sich zur Verantwortung für das baukultu- trächtlichen Mitteln. nehmen für die Klassik Stiftung Wei- ich Europa noch einmal machen seiner eigenen kulturellen Wurzeln relle Erbe und unterstützt die Län- Die Regierungskoalition bekennt mar, die in der ganzen Welt für un- müsste, würde ich bei der Kultur be- nicht sicher ist, wird alles Fremde der und Kommunen bei der Instand- sich zur gesellschaftlichen wie his- ser nationales deutsches Kulturerbe ginnen.“ In meine Amtszeit fiel die schnell als Bedrohung empfinden. haltung und Restaurierung hochka- torischen Aufarbeitung von Zwangs- steht, unsere Mitverantwortung deutsche EU-Ratspräsidentschaft, Der kulturellen Bildung als „Schule rätiger Kulturdenkmäler. Zu dieser migration, Flucht und Vertreibung. wahr, indem wir gemeinsam mit die gerade auf dem Gebiet der Kul- der Toleranz“ messe ich deshalb be- direkten finanziellen Förderung Wir wollen im Geist der Versöhnung Thüringen die institutionelle Förde- tur, des Medienrechts und der Kul- sonderen Wert für die Gestaltung un- kommen Steuererleichterungen für auch in Berlin ein sichtbares Zeichen rung in den kommenden Jahren um turwirtschaft wichtige Weichen ge- serer Zukunft bei. Sie macht beson- private Denkmaleigentümer. Als An- setzen, um an das Unrecht von Ver- 20 Prozent anheben. stellt hat. Bei aller Vielfalt steht Eu- ders deutlich, dass Kulturförderung erkennung und Ausgleich für Leis- treibungen zu erinnern und Vertrei- Der Bund hat aber auch ein star- ropa immer auch für eine kulturel- eine Investition in die Zukunft ist. tungen, die auch zugunsten der All- bung für immer zu ächten. Wir sind kes Interesse an einem attraktiven le Einheit. Sie kann nur erfahrbar Es freut mich, dass die Kulturpo- gemeinheit erbracht werden, sind dabei, in Berlins Mitte eine entspre- kulturellen Leben in der Hauptstadt werden, wenn möglichst viele Men- litik meines Hauses bisher auf weit- sie zu einem wesentlichen Instru- chende Dokumentations- und Infor- Berlin. Der Kulturstandort Berlin ist schen an dieser gemeinsamen Kul- gehende Zustimmung bei allen Frak- ment der indirekten Denkmalförde- mationsstätte zu realisieren. international eine Visitenkarte tur teilhaben. Deshalb unterstütze tionen des Deutschen Bundestages rung geworden. Diese steuerlichen Zum historischen Bewusstsein Deutschlands. Das gilt nicht nur für ich auch Gemeinschaftsprojekte stieß. Wir brauchen diese Allianz für Erleichterungen habe ich stets nach- gehört auch die Verantwortung für das UNESCO-Weltkulturerbe Muse- wie die Europäische Digitale Bibli- die Kultur, wir brauchen sie für ein drücklich unterstützt, denn sie mo- das nationale Kulturerbe. Seit der umsinsel, sondern auch für die In- othek. lebenswertes Deutschland – heute tivieren zu Investitionen in wertvol- Wiedervereinigung fördert die Bun- ternationalen Filmfestspiele, für das Der Bund sorgt auch für die Um- und in Zukunft. le Einzeldenkmale und Ensembles, desregierung gesamtstaatlich be- Jüdische Museum Berlin und die setzung völkerrechtlicher Normen in geben positive wirtschaftliche Im- deutsame Kultureinrichtungen in Berliner Festspiele, um nur einige deutsches Recht. Die Teilhabe an der Der Verfasser ist Staatsminister bei pulse und sichern Arbeitsplätze. den neuen Ländern in verschiedenen Beispiele herauszugreifen. Die Kultur- Kultur ist eines der bedeutenden der Bundeskanzlerin und Beauf- Am verantwortlichen Umgang Förderprogrammen. Das Leucht- politik des Bundes wirkt nach innen – Anliegen des UNESCO-Überein- tragter der Bundesregierung für mit Kulturgut werden uns zukünfti- turmprogramm ist ein besonders aber sie ist auch ein Gradmesser der kommens zum „Schutz und zur För- Kultur und Medien ge Generationen messen. Was einmal aus den Sammlungen der Museen verschwunden ist, was vernachlässigt und der Zerstörung preisgegeben wurde, ist unwiederbringlich verlo- Kulturpolitik will Entfaltungsfreiheit ren. Im Bewusstsein dieser Verant- Die Kulturpolitik in und mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion • Von Wolfgang Börnsen wortung habe ich interveniert, als Kulturgüter von nationaler Bedeu- Kulturpolitik – das ist mehr als die Kulturpolitik in der CDU/CSU-Bun- tung aus öffentlichen Museen ver- Förderung und Unterstützung der destagsfraktion zu gestalten, ist eine kauft werden sollten. Ich sehe es schönen Künste, mehr als Verhand- ausgesprochen erfreuliche Aufgabe. zudem als eine der drängenden Auf- lungen über Haushaltsmittel, und sie Die Fraktionsführung, insbesondere gaben an, in Fragen der Restitution definiert auch nicht, was unter Kunst unser Fraktionsvorsitzender Volker von Kulturgütern zu einem fairen und Kultur zu verstehen ist. Eine Kauder, MdB und der für uns zustän- Interessenausgleich zu kommen. seriöse Kulturpolitik geht in die Brei- dige Stellvertretende Fraktionsvor- Der erste Schritt dazu ist eine um- te der Gesellschaft, sie schafft Rah- sitzende Wolfgang Bosbach, MdB, fassende und solide Provenienzre- menbedingungen, unter denen sich haben nicht nur ein sensibles Auge cherche. Wir stellen Mittel in Millio- Kunst und Kultur am besten und in und Ohr für die Kulturpolitik, son- nenhöhe zur Verfügung, um gerade Freiheit entfalten können. Es gilt, die dern sind auch bereit zu handeln kleinere und mittlere Museen dabei Lebendigkeit und Vielfalt unseres und verhandeln, wenn es darauf an- zu unterstützen. kulturellen Lebens zu erhalten und kommt. Die Unterstützung der Frak- Kulturförderung muss sich der sich weiter entwickeln zu lassen. tionsspitze, die wir Kulturpolitiker eigenen Zeitgenossenschaft bewusst Daran messen wir Kulturpolitik. erfahren, ist ausgesprochen groß. sein – aber sie darf nicht jedem Trend So gelang es, dem Thema „Kul- nachlaufen und sich an jeden neu- ulturpolitik ist eine Quer- tur- bzw. Kreativwirtschaft“ einen en Diskurs klammern. Kultur ist K schnittsaufgabe. Sie macht hohen Stellenwert in der Gesamt- niemals voraussetzungslos; deshalb nicht vor anderen Politikfeldern halt: fraktion zu verleihen. In der Vergan- muss Kulturpolitik, will sie in der Rechtspolitik, Finanz- und Haus- genheit eher am Rande behandelt, Gegenwart wirken, in der Geschich- haltspolitik, Wirtschaftspolitik, Bau- ist die Kulturwirtschaft durch das te verankert sein. Eine der elemen- politik – mit all diesen Bereichen etwa Engagement der CDU/CSU-Bundes- taren Aufgaben einer gesamtstaatli- gibt es Überschneidungen, müssen tagsfraktion zu einem der Top-The- chen Kulturpolitik und ein erklärter im konkreten politischen Alltag Über- men in der Kultur- und Wirtschafts- Schwerpunkt meiner Politik ist es, einstimmungen und Lösungen ge- politik geworden. Eine fraktionsoffe- das Bewusstsein für die eigene Ver- funden werden. Kein Fachpolitiker ne Sitzung mit namhaften Gästen gangenheit zu pflegen. Die Aufarbei- agiert allein. So haben wir Kulturpo- verhalf zum Durchbruch und führte tung der eigenen Geschichte ist das litiker mit den Rechtspolitikern über sowohl zu einer breit angelegten par- Herzstück jeder verantwortungsbe- den effektivsten Schutz des geistigen lamentarischen Initiative als auch zu wussten Kulturpolitik und die unver- Eigentums bei der Novellierung des einer gründlichen Befassung auf Re- zichtbare Grundlage für eine tole- Urheberrechts verhandelt. Bei den gierungsebene, sowohl beim Beauf- rante und weltoffene Gesellschaft. Finanzpolitikern haben wir uns er- tragten der Bundesregierung für Kul- Ein besonderer Schwerpunkt folgreich für die beste steuerliche Lö- tur und Medien als auch im Bundes- meiner nunmehr fast zweijährigen sung für die Kulturförderung bei der wirtschaftsministerium. bisherigen Amtszeit ist die Fort- Förderung des bürgerschaftlichen Die Zahlen sprechen für sich: Der schreibung der Gedenkstättenkon- Engagements eingesetzt. Mit den Kol- Umsatz der Kulturwirtschaft liegt bei zeption des Bundes. Im Juli dieses legen aus der Wirtschaftspolitik ha- über 80 Milliarden Euro, mit einer Logo des Kulturpolitischen Kongresses der CDU/CSU 1969 in Bad Godesberg. Jahres konnte ich dem zuständigen ben wir eine fruchtbare und zielge- Bruttowertschöpfung von 36 Milliar- Foto: ACDP/KAS Ausschuss des Deutschen Bundesta- richtete Zusammenarbeit zur Stär- den Euro trägt sie 1,6 Prozent zum ges das Konzept „Verantwortung kung der Kultur- und Kreativwirt- Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und rung von Kreativität ist daher auch haben, in der Erinnerungspolitik an- wahrnehmen, Aufarbeitung verstär- schaft entwickelt. Mit den Baupoliti- mit rund 815.000 hat sie mehr Be- eine Stärkung des Standorts Deutsch- gemessen berücksichtigt werden, so ken, Gedenken vertiefen“ vorlegen. kern diskutieren wir über den Wie- schäftigte als das Kreditgewerbe land. Die Union wird dieses Thema unvergleichlich sie in der Sache auch Zur Realisierung dieses Konzepts sol- deraufbau des Berliner Stadtschlos- (786.000) und fast ebenso viele wie weiter intensiv verfolgen. Die zahlrei- sind. Diese Vergangenheit hat uns len bereits im nächsten Jahr 10 Milli- ses. Der intensiven und kollegialen der Fahrzeugbau (939.000). Kultur- chen Nachfragen aus dem gesamten eine besondere Verpflichtung für onen Euro zusätzlich zur Verfügung Kooperation mit den Haushaltspoli- wirtschaft ist eine flächendeckende Kollegenkreis zeigen, dass Kultur- Gegenwart und Zukunft auferlegt: gestellt werden. Ein zentraler Punkt tikern verdanken wir eine stete Stei- Boombranche, die sich in den letz- wirtschaft ein Anliegen aller ist, nicht Historische Zusammenhänge sind in der Gedenkstättenkonzeption ist gerung des Kulturetats der Bundesre- ten 20 Jahren so dynamisch wie allein der Kulturpolitiker. darzustellen, Verantwortung ist zu die Förderung der national bedeutsa- gierung seit der Regierungsübernah- kaum eine andere entwickelt hat. Ein weiterer Schwerpunkt unse- übernehmen und wahrzunehmen, men Gedenkstätten zur NS-Herr- me 2005. Ohne diese Vernetzung, Ihre Potentiale sind aber bei wei- rer Arbeit liegt in der Erinnerungs- das Gedenken muss gestärkt wer- schaft in den alten und neuen Bun- ohne die konstruktiven Diskussionen tem noch nicht ausgeschöpft. Daher politik. Wir nehmen diesen ge- den, Mahnungen müssen offen- desländern. Die Erinnerung an die und natürlich auch Auseinanderset- will die CDU/CSU-Bundestagsfrak- schichtspolitischen Auftrag ernst. sichtlich und begreifbar sein. Wir NS-Terrorherrschaft wird durch das zungen mit den anderen Sprechern tion die Kulturwirtschaft weiter stär- Dieser Auftrag umfasst ein breites wollen auch, dass es einen europä- Wissen um die Singularität des Ho- der Fraktion könnten wir eine erfolg- ken, um ihre großen Chancen noch Spektrum: Wir setzen uns dafür ein, isch ausgerichteten Erinnerungsort locaust bestimmt. Dem Völkermord reiche Kulturpolitik nicht umsetzen. besser zu nutzen. In Zeiten eines dass beide Diktaturen, die die Ge- für die Opfer gewaltsamer Flucht an den europäischen Juden als Das gilt auch für die Zielsetzung, die harten weltweiten Wettbewerbs wer- schichte Deutschlands im vergange- Menschheitsverbrechen bisher nicht Kultur bei der Staatszielbestimmung den nur die Länder bestehen, die die nen Jahrhundert geprägt und so vie- Weiter auf Seite 5 gekannten Ausmaßes muss in der zu berücksichtigen. kreativsten Köpfe haben. Die Förde- len Menschen Leid und Tod gebracht KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 5

Fortsetzung von Seite 4 Kultur braucht Vielfalt in Freiheit – und Erinnerung und Vertreibung als Folge des Zwei- Sich der Gesamtheit unserer Geschichte aufrichtig stellen • Von Johanna Wanka ten Weltkriegs gibt. Das gesamte Er- innern und Gedenken ist nach unse- Die Geschichte der Kulturpolitik in rem Verständnis Teil unserer Identi- der Bundesrepublik Deutschland tät. Eine Nation ist immer gut bera- lehrt uns, dass sie ihre besten Zei- ten, in und mit ihrer ganzen Ge- ten immer dann hatte, wenn sie schichte zu leben. nicht von ideologischen und partei- Daher wollen wir auch an die po- politischen Auseinandersetzungen sitiven Seiten unserer Geschichte er- geprägt war, sondern von einem gro- innern. Denn Deutschlands Vergan- ßen Umfang an Gemeinsamkeiten genheit besteht nicht nur aus den der kulturpolitischen Akteure. Die Schrecken der NS-Terrorherrschaft Kulturpolitikerinnen und Kulturpoli- und des SED-Unrechtsregimes. Un- tiker gelten nicht zu Unrecht als ein sere Geschichte kennt auch den star- „eigenes Völkchen“ in der politi- ken Willen zur Freiheit. Die Vormärz- schen Landschaft, weil bei ihnen Revolution von 1848 gehört ebenso der parteiübergreifende Konsens dazu wie die friedliche Revolution in oftmals leichter zu erzielen ist, als der DDR, die letztlich zu einem der wir das von anderen Politikfeldern größten Glücksfälle unserer Ge- gewöhnt sind. Es ist wohl die Kultur schichte geführt hat, der Wiederver- selbst – soweit sie eine Angelegen- einigung unseres geteilten Landes. heit der Kulturpolitik ist – die diese Die Erinnerung an das Streben nach besondere Sachorientierung des Freiheit und Einheit gilt es wach zu politischen Personals erzeugt, denn halten und mit der Errichtung eines die Kultur lässt sich nur als Aus- Freiheit- und Einheitsdenkmals zu ei- druck von Vielfalt und als ständiges nem Anliegen aller werden zu lassen, Spannungsfeld von Kontinuität und als Symbol einer lebendigen Demo- Wandel verstehen. Zudem sind die kratie. Inhalte unseres kulturellen Lebens Auch bei der Diskussion um eine keine Gestaltungsaufgabe der Poli- angemessene und umfassende Erin- tik. Die Kulturpolitik hat dafür zu nerungspolitik stehen wir Kulturpo- sorgen, dass die Rahmenbedingun- litiker in einem regen und fruchtba- gen für die Pflege des kulturellen ren Austausch mit der Fraktionsspit- Erbes und für die zeitgenössische Politik für die Zukunft – Reform des Bildungswesens. Kurt Georg Kiesinger 1969 beim Kulturpolitischen Kongress der Entwicklung des kulturellen Aus- ze und unseren Kollegen. Gedenken CDU in Bad Godesberg. Foto: ACDP/KAS wird als gesellschaftliche Aufgabe drucks möglichst günstig sind und aller verstanden, die spezielle Ver- dem Verfassungsgebot der Freiheit Sorge tragen, dass die Vermittlung Dabei ist moderne Nutzung histori- müssen wir allein schon um unserer antwortung in der Kulturpolitik an- der Kunst und – so in fast allen Lan- der Kunst der Teilhabe für alle offen scher Bausubstanz kein Wider- Demokratie willen in steter Erinne- erkannt und respektiert. desverfassungen – der kulturellen steht und die künstlerischen Hervor- spruch, sondern eine zukunftsge- rung behalten, aber ebensosehr zur Natürlich gehören noch viele an- Teilhabe gerecht werden. Diese bringungen als Ressource für die Bil- staltende Herausforderung, die die Ehre der Opfer. Der schwierige Weg dere Felder zu unserer Kulturpolitik: Grundsätze gelten für alle, die kul- dung genutzt werden können. So be- Kontinuität im Wandel verbürgt. der Aufarbeitung des Nationalsozia- Stärkung des Filmstandorts und des turpolitische Verantwortung tragen. darf die Kultur, und die Kunst im Be- Denkmalschutz und Denkmalpflege lismus ist weit fortgeschritten und es Musikstandorts Deutschland, breit sonderen, des Schutzes vor dem sind deshalb keine Last, sondern darf dabei auch heute kein Nachlas- angelegte Kulturdenkmalschutzpro- hristlich-demokratische Kultur- Druck der Ökonomisierung, der vie- eine große Chance. sen geben. Den Weg der Aufarbeitung gramme, Neugestaltung der Mitte C politik begründet sich einer- le Bereiches unseres Lebens ergriffen Erinnerungskultur bedeutet, sich der DDR-Diktatur haben wir erst be- unserer Hauptstadt und ihrer Muse- seits in der Eigenlogik des künstleri- hat. Zugleich aber muss die Kulturpo- der Gesamtheit unserer Geschichte, gonnen. Nicht deshalb also, weil hier enlandschaft, aber auch eine genaue schen Schaffens, also in deren Frei- litik dafür sorgen, dass auch in den von der ältesten bis zur jüngsten, Gewichte verschoben werden sollen, Austarierung der Berlinförderung heit und andererseits in den lokalen Kulturinstitutionen wirtschaftlich ef- aufrichtig zu stellen. Wie in keinem schon gar nicht, weil Unrecht gegen seitens des Bundes, kulturelle Bil- Gemeinschaften der Bürgerinnen fizient gearbeitet wird und die Künst- anderen Handlungsfeld muss die Unrecht aufzurechnen sei, sondern dung und Unterstützung der Laien- und Bürger, also in der Teilhabe. Dort ler in einen funktionierenden Markt Kulturpolitik hierbei den engen Kon- weil die Zeit (spätestens jetzt) dafür kultur, um nur einige Hinweise auf entwickeln sich zum einen die zeit- eintreten und sich bewähren können. takt zur Fachwissenschaft suchen. reif ist, setzt sich die CDU dafür ein, unser Arbeitsprogramm zu geben. genössischen Formen und Sprachen Kulturpolitik und Kulturwirtschaft Wissenschaft alleine genügt aber der die Geschichte der von Willkür ge- Unsere Erfolge in der Kulturpoli- der Kunst und zum anderen die Ba- sind deshalb aus der Sicht der CDU Erinnerungskultur nicht. Aufgabe prägten DDR in den Fokus der Erin- tik wären aber nicht möglich ohne sis kulturellen Interesses und kultu- gerade keine Gegensätze, sondern der Kulturpolitik ist es, die Vermitt- nerungskultur zu nehmen um Ver- die intensive und zielgerichtete Zu- reller Kompetenz. Den überörtlichen sich gegenseitig ergänzende und stär- lung historischen Wissens über die harmlosungen, die unsere Demokra- sammenarbeit mit unserem Frakti- Gemeinschaften, bis hin zur staatli- kende Sektoren unseres kulturellen Fachwissenschaft hinaus zu beför- tie gefährden, entgegenzutreten und onskollegen, Kulturstaatsminister chen Ebene der Länder, kommt die Lebens, synergieschaffender Koope- dern und in den Bereichen der jün- den Opfern ein Stück ihrer geraubten Bernd Neumann, MdB, der bereits Aufgabe zu, diese Impulse aufzuneh- ration zwischen ihnen müssen be- geren Zeitgeschichte einen Aus- Würde zurückzugeben. Wobei es ge- heute, ob von Kollegen oder auch men und eine kohärente regionale stärkt werden. Allerdings müssen wir gleich zwischen den wissenschaftli- rade für eine ostdeutsche Ministerin Medien, als ein erfolgreicher Inter- und länderspezifische Profilierung uns davor hüten, beide Sphären zu chen Befunden und den oftmals dringlich ist darauf hinzuweisen, dass essenvertreter der Kultur auf Seiten der Kultur zu ermöglichen. verwechseln oder gleichzusetzen. ganz anders motivierten Bedürfnis- so, wie die Aufarbeitung der Verbre- einer Bundesregierung bezeichnet Die Länder sind auf Grund der Kulturpolitik ist also Gradwande- sen von Erlebnisgenerationen und chen des Nationalsozialismus – wird. Wir haben das Glück, mit dem Dichte der kulturellen Infrastruktur in rung und Kulturpolitikerinnen und Betroffenen zu schaffen, insbe- entgegen der Propaganda der DDR – Präsidenten des Deutschen Bundes- Deutschland die geeignetste Ebene für Kulturpolitiker müssen der Kunst sondere dann, wenn es sich um Op- immer eine Angelegenheit aller Deut- tages, Dr. , MdB, ei- die überörtliche Koordination kultur- des Gradwanderns mächtig sein. fer der Geschichte handelt. schen gewesen ist, auch die DDR- nen der profiliertesten Kulturpolitiker politischer Entwicklungen. Eine zen- Zwischen dem weiten Tal der künst- Dies ist insbesondere im Um- Diktatur nicht nur einen Teil unseres der Union in unseren Reihen zu un- tralstaatliche Wahrnehmung dieser lerischen Autonomie und dem der gang mit den zwei deutschen Dikta- Volkes betrifft, sondern das Ganze. seren Ansprechpartnern zu zählen. Aufgabe würde den Bund allein wegen ebenso autonomen Artikulation des turen des 20. Jahrhunderts unabding- Und schließlich möchte ich die Ge- der Fülle überfordern und wäre auch Publikumsinteresses ist der Weg oft bar. Ihre Voraussetzungen und Fol- Die Verfasserin ist Ministerin für legenheit nutzen, meinen Kollegen in deshalb zum Schaden der Kultur. Was schmal, so dass kulturpolitische Rich- gen, die von ihnen begangenen Ver- Wissenschaft, Forschung und Kultur der Arbeitsgruppe Kultur und Medi- aber nicht bedeutet, dass der Bund tungsentscheidungen naturgemäß brechen und ihre Machtstrukturen des Landes Brandenburg en, insbesondere auch der Vorsitzen- keine legitimen kulturpolitischen Auf- behutsam und nur mit viel Empathie den der Enquete-Kommission „Kul- gaben in gesamtstaatlicher Verantwor- für beide Seiten getroffen werden tur in Deutschland“, Gitta Conne- tung hätte. Jedoch ist die kulturpoliti- können. Darin mag substantiell die mann, MdB, herzlich zu danken – für sche Verfassung in Deutschland auch vergleichsweise hohe Konsensfähig- ihrer aller Einsatz, ihre Sachkenntnis ein Ergebnis der Erfahrung national- keit in der Kulturpolitik begründet und ihren Mut, auch unbequeme sozialistischer Indienstnahme der Kul- sein. Die christlich-demokratische Defizite der Kulturpolitik auszuspre- tur für zentral gesteuerter Demagogie Kulturpolitik erhebt keinen Alleinver- chen und nachdrücklich zu vertre- und Propaganda. Diese grundlegende tretungsanspruch für die sich aus den ten. Erfahrung der Gefährdung der Kultur beschriebenen Paradoxien ergebe- Politik ist immer ein Gesamt- ist zudem nachhaltig in der DDR be- nen Notwendigkeiten hoher Sensibi- kunstwerk. Ihre Zusammenstellung stätigt worden: Keine Freiheit im So- lität im Umgang mit der Kultur. Sie ist nicht wahllos, ihre Bestandteile zialismus. kann aber ein besonderes Maß an ergänzen sich vielmehr zwingend. Christlich-demokratische Kul- Geltung für sich in Anspruch neh- So verhält es sich auch in der Kultur- turpolitik schützt deshalb die Sphä- men. Denn im Zentrum christlich- politik. Für ihr Gelingen wird das re des kulturellen Ausdrucks in all demokratischer Kulturpolitik steht Engagement aller gebraucht und ihrer Vielfalt vor freiheitsbeschrän- die unhintergehbare Verpflichtung doch wird – jedenfalls in der CDU/ kenden Zumutungen. So ist die Kul- zur Durchsetzung und Garantie kul- CSU-Bundestagsfraktion – ihre ganz tur vor den Zumutungen ihrer In- tureller Freiheit in Vielfalt. eigene Geltung nie in Frage gestellt. strumentalisierung auch für ver- Ein zentrales Feld der Kulturpo- Das gilt schließlich auch für die kul- meintlich noch so gute Zwecke ak- litik, dem sich die CDU in ganz be- turpolitische Aussage von Bundes- tiv zu schützen. Zugleich aber ist es sonderer Weise kulturpolitisch ver- kanzlerin Merkel in ihrer Regierungs- Aufgabe der Kulturpolitik, die kultu- pflichtet fühlt, ist die Erinnerungs- erklärung vom 30. November 2005: relle Vielfalt als Entwicklungsres- kultur, denn ohne ein tiefgreifendes Kulturförderung ist keine Subvention, source für unsere Gesellschaft und – Wissen über unsere Vergangenheit sondern eine Investition in ein le- ja auch – für unsere Wirtschaft zur werden wir die Zukunft nicht bewäl- benswertes Deutschland. Wirkungskraft zu bringen. So ist die tigen können. Der Denkmalschutz künstlerische Freiheit an kein Curri- und die Denkmalpflege gehören zu Der Verfasser ist der kultur- und culum gebunden und muss ihre den unablässigen Aufgaben ge- medienpolitische Sprecher der CDU/ Wege und Abwege nur sich selbst schichtsbewusster Kulturpolitik. Sie CSU-Fraktion im Deutschen verpflichtet gehen können. Zugleich bieten die Garantie, gelebte Ge- aber muss die Kulturpolitik dafür schichte heute erfahrbar zu machen. Kulturpolitisches Programm der CDU 1976. Foto: ACDP/KAS KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 6

Kultur setzt das Schöpferische im Menschen frei Kulturpolitik ist Kernaufgabe der NRW-Landespolitik • Von Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff Wer wissen will, wohin er gehen soll, nen, worum es eigentlich geht: Ne- muss wissen, woher er kommt. Nur ben der Bewahrung unseres kultu- wer seine Geschichte und Tradition rellen Gedächtnisses geht es vor mit ihren Werten kennt und sich mit allem auch um die Ermöglichung ihnen auseinandersetzt, nur wer des Neuen, des Unerhörten, des sich auf seine eigene Kultur besinnt womöglich Anstößigen, des Skan- und sie pflegt, ist auch in der Lage, dalösen. Nur dann wird auch das Werte und neue Ziele für die Zukunft Schöpferische freigesetzt. zu formulieren. - In einem Land wie Nordrhein- Westfalen, in dem sich der Wandel ie Landesregierung von Nord- von der Industrie- zur Informati- D rhein-Westfalen sieht daher onsgesellschaft wie in kaum einem die Kulturpolitik als eine Kernaufga- anderen Land bemerkbar macht be der Landespolitik. und strukturelle Veränderungen - In der Epoche der neuen Unüber- tiefgreifender Art erfordert, ist Kul- sichtlichkeit (Habermas) muss äs- tur die unabdingbare Vorausset- thetische Erziehung als Einübung zung wirtschaftlichen Prosperie- in einerseits Sehen und Wahrneh- rens und nicht etwa dessen ange- men und andererseits neue For- nehme Folge, auf die man verzich- men des Ausdrucks insgesamt ten kann, wenn der wirtschaftliche wieder absolut erste Priorität ha- Erfolg ausbleibt. Ein Land, das so ben. Heute stürmen an einem ein- sehr auf Innovation angewiesen ist, zigen Tag mehr Informationen, also braucht nichts nötiger als den Bilder, Zeichen, Töne, auf uns ein schöpferischen Einfallsreichtum als noch vor150 Jahren auf einen seiner Menschen. Diese schöpferi- durchschnittlichen Bürger in sei- sche Kraft speist sich sowohl aus tief nem ganzen Leben. Wir müssen reichenden Schichten unserer kul- wieder lernen, in unserer Wahrneh- turellen Substanz, als auch aus der mung das Wichtige zu erkennen. Neugier, der Gewitztheit, der Fä- Darauf sind wir nicht vorbereitet. higkeit Neues voraus zu denken Daher müssen wir uns mehr und und zu ahnen, ja aus der Frechheit mehr auf unsere eigene kulturelle und Kritikfähigkeit der aktuellen Herkunft und deren „Weitergabe“ – Kunstszene. Dr. Josef Hoffmann, MdL in Nordrhein-Westfalen, 1962 beim CDU-Kongress in Augsburg. Foto: ACDP/KAS sprich „Tradition“ – besinnen. - Wir brauchen keine Eventkultur, Kulturpolitik als Chefsache zwei Dingen festmachen: Es gibt in anstoßen soll. Das ist auch schon dung und Urteilskraft, um über die sondern gleichzeitig den Mut für Nordrhein-Westfalen einen aus- hervorragend gelungen: Beschäftigung und Auseinanderset- das Unerhörte. In einer Zeit, in der Für unsere Landeskulturpolitik be- schließlich für die Kultur zuständi- Ein Beispiel dafür ist unsere Zu- zung mit den großen Kunstwerken sich ein Event an das andere reiht deutet das: Wo Kulturpolitik Kern- gen Staatssekretär. Und: Der Kultur- sammenarbeit mit der Schulpolitik, einen Zugang zu unserer Kultur zu und unsere Kultureinrichtungen aufgabe ist, muss sie Chefsache sein. förderetat, der ihm zur Verfügung wo wir kreative Impulse setzen finden. Deswegen investieren wir in ständig unter dem ökonomischen Deshalb haben wir sie in die Staats- steht, wird sich bis zum Ende der konnten. Dahinter steht die Über- die Kreativität unserer Kinder und Druck stehen, genügend Besucher- kanzlei, also in das „Ministerium“ Legislaturperiode verdoppelt haben. zeugung, dass unsere Bildungspoli- Jugendlichen. Das ist eine Schlüssel- zahlen und damit Einnahmen zu des Ministerpräsidenten geholt. Kul- In der Zusammenarbeit mit den Mi- tik vom rein kognitiven zu den ästhe- qualifikation für die Zukunft. generieren, müssen wir uns gera- tur wird damit zu einer Quer- nisterkollegen am Kabinettstisch tischen Dimensionen unseres Wahr- de in der öffentlich finanzierten schnittsaufgabe, die alle Ressorts wirkt die Kultur als Impulsgeber, die nehmungsvermögens vordrin- Weiter auf Seite 7 Kultur wieder mehr darauf besin- angeht. Ihre Bedeutung lässt sich an Ideen und Konzepte anregen und gen muss. Es bedarf ästhetischer Bil- Kultur im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU „Grundsätze für Deutschland“

Die Diskussion und Beschlussfassung dingungen, unter denen Kunst und Kul- dervereinigung zu. Die Geschichte des Nur so können in Zukunft Angebot und internationale Wettbewerbsfähigkeit zum neuen Grundsatzprogramm der tur gedeihen können. Kunst ist eine Kommunismus in der DDR ist nicht Nachfrage für künstlerische Berufe und deutscher Medienanbieter an. Im In- CDU findet beim Parteitag vom 03.12. besondere Form der Auseinanderset- lediglich ein ostdeutsches Ereignis, Kultureinrichtungen nachwachsen. Kul- teresse der Unabhängigkeit der Medi- bis 04.12.2007 in Stuttgart statt.Im zung mit der Wirklichkeit. Sie lebt von sondern – wie die Geschichte des Na- turelle Bildung muss in der Familie be- en wie der Politik lehnen wir eine un- Folgenden wird das „Kulturkapitel“ Neugier und Wagnis. Die Stärkung kre- tionalsozialismus – Teil der deutschen ginnen und darf mit der Schule nicht mittelbare oder mittelbare finanzielle aus dem Entwurf des Grundsatzpro- ativer Potenziale ist entscheidend auch Nationalgeschichte wie der europäi- aufhören. Für die CDU ist kulturelle Bil- Beteiligung von politischen Parteien an gramms dokumentiert. für die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch- schen Geschichte. Das gilt auch für das dung ein unverzichtbarer Bestandteil Medien ab. Zur Vielfalt der Medienan- Die Redaktion lands. Die Kulturwirtschaft ist ein wich- Schicksal der Heimatvertriebenen. Das des öffentlich verantworteten und ge- gebote gehört auch das bewährte du- tiger Standortfaktor. Die CDU bekennt Gedenken an die Opfer der Vertreibung förderten Bildungssystems. ale System von öffentlich-rechtlichem IV. Bildungs- und Kulturnation sich zur Förderung von Kunst und Kul- und ihr kulturelles Erbe gehören in den und privatem Rundfunk. Medienpoli- Deutschland – Antworten auf die Wis- tur als herausragende öffentliche Auf- Erinnerungsbogen des ganzen Volkes. Die deutsche Sprache ist mehr als ein tik muss dafür sorgen, dass zwischen sensgesellschaft gabe für Bund, Länder und Kommunen. Ebenso wenig werden wir die großarti- Mittel der Verständigung. Sie ist ein her- privatem und öffentlich-rechtlichem Das gilt für die Bewahrung des kulturel- ge Aufbauleistung und die Integration ausragendes Merkmal der Kultur unse- Rundfunk ein fairer Wettbewerb statt- 3. Kultur: Ausdruck nationaler len Erbes ebenso wie für die Förderung der Vertriebenen und Flüchtlinge nach res Landes. Sie prägt unser Denken und finden kann, der beiden Systemen Identität und Weltoffenheit der zeitgenössischen Kunst. Hierzu zäh- dem Zweiten Weltkrieg vergessen. Ein ist ein die Gesellschaft einigendes Band. angemessene Entwicklungschancen len künstlerische Spitzenleistungen angemessenes würdiges Gedenken an Deshalb haben wir eine besondere Ver- gewährt. Der öffentlich-rechtliche Deutschland ist eine europäische Kul- ebenso wie die Breitenkultur, tradierte die Freiheits- und Widerstandsbewe- antwortung für den sorgfältigen Umgang Rundfunk muss vor allem eine Grund- turnation, geprägt vor allem durch die ebenso wie populäre Ausdrucksmöglich- gungen, die Friedens- und Versöh- mit der deutschen Sprache. versorgung mit Bildung, Kultur und In- christlichjüdische Tradition und die keiten sowie Beiträge der Vertriebenen, nungsbeiträge und die wirtschaftlichen formation gewährleisten. Er ist damit Aufklärung. Kunst und Kultur formen der Spätaussiedler und von Zuwanderern. und politischen Aufbauleistungen ist Die auswärtige Kultur- und Bildungspo- Kulturförderer und Kulturproduzent nicht nur die Identität des Einzelnen, Kulturförderung ist keine Subvention, nicht nur für einen ehrlichen Umgang litik dient der Vermittlung deutscher zugleich. Ihm kommt ebenso eine be- sondern auch die unserer ganzen Na- sondern eine unverzichtbare Investition mit der eigenen Geschichte unverzicht- Sprache und Kultur und soll den Dia- sondere Verantwortung für die Integra- tion. Wir wollen das reiche kulturelle in die Zukunft unserer Gesellschaft. bar, sondern auch konstitutiv für das log der Kulturen der Welt ebenso för- tion und Repräsentation von Men- Erbe unseres Landes bewahren, das Selbstverständnis der Nation und ihre dern wie die Demokratie und Men- schen mit Migrationshintergrund und geprägt ist durch die Vielfalt seiner Neben der staatlichen Verantwortung demokratische Traditionsbildung. Dazu schenrechte. Die Arbeit von Auslands- ihrer Lebenswirklichkeit zu. Länder und Regionen. ist bürgerschaftliches Engagement in gehört insbesondere die Ablehnung jeg- schulen und Wissenschaftseinrichtun- der Kulturförderung unersetzlich. Wir licher Form von totalitären und dikta- gen sowie kultureller Mittlerorganisati- Medienanbieter und Journalisten sind Kulturelle Vielfalt gehört zur Lebendig- wollen die Rahmenbedingungen für torischen Systemen. Vor allem Bildung onen für ein authentisches Bild unse- angesichts ihrer besonderen Einfluss- keit unserer Gesellschaft, trägt zur Le- private Kulturförderung durch Stiftun- und Wissenschaft, Literatur und Kunst res Landes im Ausland muss gestärkt möglichkeiten in hohem Maße mit- bensqualität in Deutschland bei und gen, Mäzenatentum und Sponsoring sind aufgerufen, zum Bewusstsein und werden. Auswärtige Kulturpolitik fördert verantwortlich für das gesellschaftli- fördert die Bereitschaft, Neues zu wa- weiter verbessern. zur Auseinandersetzung mit der ganzen das Ansehen Deutschlands in der Welt che und kulturelle Leben. Die Vermitt- gen. Unser kulturelles Leitbild ist ein deutschen Geschichte beizutragen. und die Zusammenarbeit Deutschlands lung einer grundlegenden Medien- weltoffenes Deutschland, das auf der Lebendige Erinnerung ist Teil unserer mit seinen internationalen Partnern kompetenz als Orientierungshilfe ge- Grundlage seiner Traditionen aufge- Kultur und umfasst für uns die gesam- Ohne Kultur entsteht keine Bildung, auch im wirtschaftlichen Bereich. hört zum Bildungs- und Erziehungs- schlossen ist für die Begegnung mit te deutsche Geschichte mit allen Hö- ohne Bildung wächst keine Kultur. Kul- auftrag von Familie, Kindergarten und anderen Kulturen. Die kulturelle Vita- hen und Tiefen. Prägend für die Bun- turelle Bildung ist unerlässlich, um dem Freie Medien sind ein wesentliches Ele- Schule. Medienanbieter haben eine lität und Attraktivität Deutschlands be- desrepublik Deutschland sind die Er- Einzelnen zu helfen, seine Persönlich- ment unserer demokratischen Ordnung, Verantwortung vor allem gegenüber ruht bis heute auch auf dem Austausch fahrungen aus der Zeit des National- keit zu entfalten und an Demokratie und ein besonders schützenswertes Kultur- jungen Menschen. Dieser müssen sie mit anderen Völkern und Kulturen. sozialismus, insbesondere die Singu- Gesellschaft teilzuhaben. Die kulturel- gut und ein bedeutender Wirtschaftsfak- durch entsprechende Selbstverpflich- larität des Holocausts. Einen besonde- le Dimension ist eine wesentliche Vor- tor mit einer herausgehobenen Verant- tungen gerecht werden. Der Jugend- Wir bekennen uns zur Freiheit der Kunst. ren Rang besitzt auch die Aufarbeitung aussetzung zur Vermittlung von Orien- wortung. In einer sich schnell wandeln- schutz muss für die jeweiligen Alters- Staat und Politik sind nicht für die der SED-Diktatur. Herausragende Be- tierung und Wissen. Insbesondere jun- den Medienwelt kommt es vor allem auf stufen stetig weiterentwickelt, seine Kunst, ihre Ausdrucksformen oder In- deutung kommt der friedlichen Revo- ge Menschen müssen frühzeitig an die Sicherung der Vielfalt und Qualität Maßstäbe präziser gesetzt und Ver- halte zuständig, wohl aber für die Be- lution vom Herbst 1989 und der Wie- Kunst und Kultur herangeführt werden. der Medieninhalte, aber auch auf die stöße spürbar geahndet werden. KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 7

sungen, wie wir bei der Neugestal- Fortsetzung von Seite 6 tung ehemaliger Industriebrachen mit Architektur und Kunst Zeichen Dazu gehört auch eine entspre- setzen können. Wir möchten Orte chende Hochschul- und Innovati- schaffen, in denen sich Kreativität onspolitik. Unsere Hochschulen sind entwickeln kann, in denen Wissen- Kultureinrichtungen par excellence. schaftler mit Künstlern und Wirt- Das kulturelle Gedächtnis Europas schaftsleuten zusammen arbeiten hat hier seinen ausgezeichneten Ort. können. Dabei geht es auch um Le- Sachwalter der Kultur sind in beson- bensqualität unserer Städte: Men- derem Maße die Geisteswissen- schen werden sich dort niederlas- schaften. Die Geisteswissenschaften sen, wo es sich leben und arbeiten müssen ihren Beitrag für ein ange- lässt. Deshalb müssen wir gemein- messenes Selbst- und Werteverständ- sam mit Städteplanern, Investoren, nis des Menschen selbstbewusst leis- Architekten, Denkmalschützern und ten und hervorheben können. Sie unseren Bürgerinnen und Bürgern dürfen nicht einer falsch verstande- dafür sorgen, dass unsere Stadtbilder nen Ökonomisierung zum Opfer fal- menschlich bleiben. len. Eine herausragende Rolle bei der Zusammen mit dem Wirtschafts- Entwicklung von Künstlerpersönlich- ministerium setzen wir auf kreative keiten spielen die Kunst- und Musik- Ökonomie. Innovationen gibt es hochschulen. Sie sind eigenständige dort, wo sich die Kreativität der Men- Einrichtungen. Deshalb erhalten sie schen entfalten kann. Dabei spielen jetzt wieder ein eigenes Kunsthoch- die mittelbar oder unmittelbar mit schulgesetz. der Kultur verbundenen Wirtschafts- Auch die Integrationspolitik ist ge- bereiche eine große Rolle: z.B. Me- Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung an Daniel Kehlmann 2006 in Weimar. Foto: ACDP/KAS fordert. Hier muss zusammen mit Kul- dien, Film, Design, Architektur, In- tur, mit Schule und anderen Ministe- formationstechnologien, Verlagswe- Schwerpunkte der Programm „Kultur und Schule“ ho- Künstlerinnen und Künstlern werden rien darüber nachgedacht werden, sen. Wir starten einen Wettbewerb Kulturpolitik len wir seit zwei Jahren Künstlerin- dabei gefördert. Besonders wichtig ist wie man in den jeweiligen Bereichen zur kreativen Ökonomie und betrei- nen und Künstler aller Sparten der uns, dass wir an den Schulen alle Kin- Integrationspolitik neu betrachten, ben eine entsprechende Marketing- Daraus ergeben sich für unser Land Kultur in die Schulen. In diesem Be- der und Jugendlichen unabhängig neu konzipieren und umsetzen kann. Strategien, um Kultur in Verbindung weitere Schwerpunkte in der Kultur- reich investieren wir mehr als vier Gemeinsam mit dem Bereich mit der Kreativwirtschaft gezielt för- politik, wobei ich ein paar Bereiche Millionen Euro im laufenden Schul- Städtebau sucht die Kultur nach Lö- dern zu können. exemplarisch herausgreife: Mit dem jahr. Etwa 1.100 Projekte mit 914 Weiter auf Seite 8 Kultur im Grundsatzprogramm der CDU „Freiheit in Verantwortung“

Das Grundsatzprogramm der CDU Freiheit und Unabhängigkeit bestimmen Private Sender stehen ebenso in der - Jeder Bürger muss einen gesetzlich Ansehen Deutschlands in der Welt „Freiheit in Verantwortung“ wurde die privatwirtschaftliche Organisations- Verantwortung für die Demokratie. Wir geregelten Schadensersatzanspruch bei. beim Parteitag 21. bis 23.02.1994 form der gedruckten Medien wie Zei- sind für ein plurales Angebot und leh- gegen Presseorgane, Rundfunk und in Hamburg verabschiedet. In diesem tung, Zeitschrift und Buch. Wir lehnen nen deshalb jede Form von Übermacht Fernsehen für den Fall erhalten, dass Kulturaustausch und deutsche Grundsatzprogramm werden kultur- Aushöhlungen des Tendenzschutzes in Druck- und elektronischen Medien über ihn eine Tatsachenbehauptung Minderheiten im Ausland unter- und medienpolitische Grundaussagen ebenso ab wie die Beeinträchtigung der ab. Wir wenden uns gegen Medienkon- öffentlich verbreitet worden ist, es sei stützen in folgenden Kapiteln getroffen: Im bestehenden publizistischen Freiheit. zentrationen im nationalen und inter- denn, dass die behauptete Tatsache Kapitel „Unsere Kultur – Ausdruck na- nationalen Bereich, welche die Plurali- erweislich wahr ist. Wir wollen den internationalen Kultur- tionaler Identität und Weltoffenheit“ Wir setzen uns für die Einführung me- tät der Meinungen und den Erhalt des austausch fördern, der für das umfas- finden sich Aussagen zur Medienpo- dienkundlicher Unterrichtsinhalte an Wettbewerbs gefährden. Neue techni- Freiheit der Kunst sende Wissen um die Lebensumstän- litik sowie zur Freiheit der Kunst. Im den Schulen ein. Zu einem wirksamen sche Entwicklungen werden bei den de, Wünsche und Interessen, Menta- Kapitel „Unsere Verantwortung für die Jugendschutz gehört eine qualifizierte elektronischen Medien die Programm- Wir bekennen uns zur Freiheit der Kunst litäten und Sitten anderer Menschen eine Welt“ wird auf die Auswärtige Medienerziehung bereits vom Kinder- angebote in Zukunft noch vergrößern. und zum Grundsatz öffentlicher Kultur- und Völker notwendig ist. Auswärtige Kulturpolitik sowie die Förderung gartenalter an. Ziel ist, dass der ein- Der Satellitenrundfunk überwindet Län- förderung. Kunst ist eine eigene Weise Kulturpolitik ist ein notwendiger Bei- deutscher Minderheiten im Ausland zelne den eigenverantwortlichen Um- dergrenzen, lässt die Welt enger zusam- der Auseinandersetzung mit der Wirk- trag zum friedlichen und solidarischen eingegangen. Im Folgenden werden gang mit den Medien lernt und ihre menkommen und führt zu einem erhöh- lichkeit. Sie hat Bedeutung für die Ent- Zusammenleben der Völker und inte- die entsprechenden Abschnitte doku- positiven Impulse nutzen kann. ten Wettbewerb auf internationaler wie faltung der schöpferischen Kräfte des graler Bestandteil unserer Außen-, Ent- mentiert. europäischer Ebene. Diese Entwicklung Menschen und damit für die Kreativi- wicklungs- und Europapolitik. Eine der Wir wenden uns gegen eine verharm- enthält Chancen, aber auch Gefahren. tät unserer ganzen Gesellschaft; in der Aufgaben muss es sein, deutsche Die Redaktion losende und immer hemmungslosere Der gemeinsame europäische Markt für Begegnung mit ihr gewinnt der Mensch Sprachkenntnisse und Kultur sowie ein Darstellung von Gewalt in Massenme- Rundfunk-, Fernseh- und neue Informa- ein vertieftes Verständnis vom Leben. Bild von Deutschland im Ausland zu Medien – Freiheit in Verantwortung dien, in Videofilmen und Computerspie- tionssysteme muss durch das Prinzip Das kulturelle Leben unserer Demo- vermitteln. Ebenso können wir durch wahrnehmen len, gegen Pornographie sowie entwür- des freien Informationsflusses und der kratie reicht von der Vergegenwärti- das Erlernen fremder Sprachen, Aus- digende Darstellungen in der Werbung. wechselseitigen Anerkennung von Sen- gung unseres kulturellen Erbes über landsaufenthalte und Patenschaften Wir treten für die Freiheit und Vielfalt Vor allem bei Kindersendungen muss de- und Einspeisungsgenehmigungen die traditionelle Volkskunst bis hin zu andere Kulturen verstehen lernen. der Medien ein. Freie Medien ermög- auf Gewaltdarstellungen verzichtet wer- gestaltet werden. Dabei sind der Schutz neuen Formen des künstlerischen lichen die Bildung einer öffentlichen den. Wir fordern die Verantwortlichen der Menschenwürde, der Jugend und Schaffens und ist Gradmesser für den Die Heimatvertriebenen und deut- Meinung und tragen durch einen ver- im Bereich der Medien auf, sich einer des fairen Wettbewerbs der Program- geistigen Reichtum unseres Gemein- sche Volksgruppen im Ausland erfül- antwortlichen Gebrauch der Presse- wirksamen freiwilligen Selbstkontrolle, me sicherzustellen. wesens. Wir wollen allen die aktive und len eine wichtige Brückenfunktion freiheit zur wirksamen Kontrolle staat- die bestehende Aufsichtsgremien er- passive Teilhabe am kulturellen Leben zwischen den Nationen. Insbeson- licher Macht bei. Sie wirken mehr gänzt, zu unterziehen. Darüber hinaus Wir fordern und unterstützen eine ge- ermöglichen und unsere vielfarbige dere die Deutschen, die in ihrer Hei- denn je zuvor auf die Meinungsbildung sind alle Aufsichtsmöglichkeiten aus- sellschaftliche Verständigung über eine Kulturgesellschaft fortentwickeln. För- mat im Osten geblieben sind, können ein. Die Medien sind selbst ein politi- zuschöpfen, die sowohl für den öffent- Medienethik. In ihrem Mittelpunkt derung von Spitzenbegabungen und bei der Zusammenarbeit mit unseren scher Faktor und tragen angesichts lichrechtlichen als auch für den priva- muss die Ehrfurcht vor dem Leben, die qualifizierte Breitenförderung ergänzen östlichen und südöstlichen Nachbarn ihrer vielfältigen Einflussmöglichkeiten ten Rundfunk vorhanden sind. Entspre- Unantastbarkeit der Würde des Men- sich. helfen, so wie die Heimatvertriebenen ein hohes Maß an Verantwortung für chend ihrer Verantwortung muss die schen, Toleranz und Bereitschaft zum für den Wiederaufbau in Deutschland unser Gemeinwesen. Dieser Bedeu- Ausbildung in journalistischen und an- Dialog stehen. Eine so verstandene Kulturförderung ist nicht allein staatli- und die Versöhnung zwischen den Völ- tung müssen sie im Umgang mit In- deren Medienberufen hochwertig sein. Medienethik fordert Unparteilichkeit, che Aufgabe. Die Grundsubstanz insti- kern einen unverzichtbaren Beitrag ge- formationen und in der Art ihrer Ver- Einer auf den Dienst am Menschen Offenheit, Selbstkritik, Fairness und tutioneller Kultur zu gewährleisten und leistet haben. Die Deutschen, die einst mittlung gerecht werden. bezogenen Medienethik ist in der Aus- Wahrhaftigkeit. Sie machen den Kern die Kunst unserer Gegenwart zu unter- dort gelebt haben, haben besondere und Fortbildung ein erhöhter Stellen- publizistischer Verantwortung bei der stützen ist Pflicht der öffentlichen Hand. Bedeutung in der Pflege gutnachbar- Freiheit und Unabhängigkeit gelten wert beizumessen. Wahrnehmung der Dienstleistungsauf- Die subsidiäre Förderung von einzelnen schaftlicher Beziehungen zu diesen gleichermaßen für die gedruckten wie gabe Information aus. Initiativen, von Künstlerinnen und Völkern. Wir haben gegenüber den für die elektronischen Medien. Das Wir treten für die Beibehaltung des Künstlern muss in Zukunft verstärkt deutschen Volksgruppen im Ausland Grundrecht der Meinungs- und Pres- dualen Systems von öffentlichrechtli- Zur Wahrung des Persönlichkeitsschut- werden. Wir wollen die Rahmenbedin- aufgrund der deutschen Geschichte sefreiheit ist ein konstituierendes Ele- chem und privatem Rundfunk ein. Un- zes setzen wir uns ein: gungen für private Fördervereine, eine besondere Verantwortung. Durch ment der Demokratie. Zu dieser Frei- verzichtbare Aufgabe des öffentlich- - Jeder Bürger muss einen gesetzlich Künstlerinitiativen, Mäzene und Spon- Verträge mit den betreffenden Staa- heit gehört die Verantwortung; der rechtlichen Rundfunks ist es, seiner geregelten Auskunftsanspruch gegen soren verbessern. ten und durch vielfältige direkte Hilfe Wahrung der verfassungsmäßigen besonderen kulturellen, föderalen und Presseorgane, Rundfunk und Fernse- tragen wir dazu bei, die Lebensbedin- Ordnung, insbesondere des Persön- gesellschaftspolitischen Verantwortung hen über die ihn betreffenden gesam- Kommunen und Länder haben nach gungen der deutschen Minderheiten, lichkeitsschutzes, sowie der Rück- gerecht zu werden und dadurch einen melten Informationen erhalten. Bei den Prinzipien von Föderalismus und ihre Volksgruppenrechte und kulturel- sichtnahme auf sittliche, religiöse und Beitrag für die Qualität unserer Medi- nachgewiesener Unrichtigkeit muss er Subsidiarität die Hauptzuständigkeit le Eigenständigkeit zu verbessern. Un- weltanschauliche Überzeugungen enkultur zu leisten. Zur Erfüllung die- einen Berichtigungsanspruch haben, der öffentlichen Kulturförderung und sere Politik kann dazu beitragen, ih- kommt dabei eine besondere Bedeu- ses Auftrages ist nicht die Beibehaltung der im Extremfall in einen Löschungs- können mit unterschiedlichen Akzent- nen ein Bleiben zu ermöglichen, so- tung zu. Unser Land hat die Pflicht, der Vielzahl von öffentlich-rechtlichen anspruch übergehen kann. setzungen ihr eigenes kulturelles Profil fern sie dies wünschen. Wir fördern die sich dem weltweit gewachsenen In- Sendern und Programmen notwendig, - Das Gegendarstellungsrecht der Be- prägen. Die Kulturförderung des Bun- Pflege ihrer Sprache, Lebensformen teresse an Deutschland, seiner Spra- sondern mehr Wirtschaftlichkeit und die troffenen ist zu erweitern. Kommen- des muss angesichts der Wiederverei- und kulturellen Traditionen und setzen che und Kultur zu stellen. Deshalb tre- Bereitschaft zur Reform durch effizien- tierende, glossierende oder inhaltli- nigung den Erfordernissen der Kultur- uns für den Erhalt der in Jahrhunder- ten wir dafür ein, die Informationen te und kostengünstige Organisations- che Anmerkungen der Redaktion sind nation Rechnung tragen. Mit der aus- ten gewachsenen deutschen Kultur in über Deutschland zu verstärken. formen. gesetzlich zu verbieten. wärtigen Kulturpolitik tragen wir zum diesen Regionen ein. KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 8

Fortsetzung von Seite 7 Kunst und Kultur verpflichtet Kultur setzt das Schöpfe- Die kulturpolitische Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung • Von Jörg-Dieter Gauger rische im Menschen frei Hans Magnus Enzensberger hat von ihrer sozialen Herkunft erreichen. 1988 einmal formuliert, der Dialog In diesen Kontext fügt sich auch das zwischen Kultur und Politik sei „eine Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, urdeutsche Spezialität, unergiebig das im August dieses Jahres mit 34 wie das Sauerkraut oder der Karne- Musikschulen an 223 Grundschulen val zu Mainz“. Das ist schon histo- im Ruhrgebiet mit gut 7.300 Kindern risch zweifelhaft, denn diesen „Dia- gestartet ist. Wir führen es gemein- log“ gab es zu allen Zeiten, wenn sam mit der Kulturstiftung des Bun- man dieses Spannungsverhältnis in des und der Zukunftsstiftung Bil- der ganzen Breite seiner Möglichkei- dung in der GLS Treuhand durch. Je- ten würdigt: Kunst und Kultur als Re- des Kind soll während der Grund- präsentation, als Affirmation, als schulzeit die Möglichkeit haben, ein Seismograph, als Kompensation, als Instrument seiner Wahl kennenzu- Kritik, als Bildungsgut. Und wozu lernen und zu spielen. Das Pro- sonst „Kulturpolitik“? Offensichtlich gramm wird in den nächsten Jahren bedarf Politik der Kultur, aber auch weiter wachsen und bis zum Kultur- Kunst und Kultur bedürfen der Poli- hauptstadtjahr 2010 allen Grund- tik, wenn man Kulturpolitik als den schülerinnen und -schülern im Versuch versteht, die Rahmenbedin- Ruhrgebiet angeboten werden. Um gungen für die freie Entfaltung von der Nachhaltigkeit willen wird das Kunst und Kultur möglichst optimal Projekt über 2010 hinaus fortgeführt. zu gestalten, zumal der Kultursek- Unsere kulturellen Einrichtun- tor („creative industries“) auch als gen, z.B. unsere Landestheater, kom- Wirtschaftsfaktor steigende Bedeu- munalen Theater und Museen, wer- tung gewinnt. Dazu bedarf es des den dann noch einmal speziell geför- Dialogs. dert, wenn sie sich im Bereich der kulturellen Bildung für unsere Kin- ie Beteiligung an der kulturpo- der und Jugendlichen engagieren. D litischen Debatte ist ausdrück- Mit unserem Schwerpunkt Sub- lich in der Satzungsaufgabe der Kon- stanzerhalt wollen wir dazu beitra- rad-Adenauer-Stiftung (KAS) einge- gen, das kulturelle Gedächtnis des schlossen, Kunst und Kultur zu för- Landes zu bewahren. In unseren Ar- dern. Die Grundsätze, die uns dabei Von der Konrad-Adenauer-Stiftung Geehrte: Jutta Lampe und Adolf Muschg . © Henning Lüders/KAS chiven, Magazinen und Depots la- leiten, lassen sich nachlesen in: J.-D. gern wertvollste Akten, die von per- Gauger./G. Rüther, Kunst und Kultur abteilung „Politik und Beratung“ hat Plum, 2007; mit Beiträgen u.a. von sche und Schweizer Gegenwartslite- sönlichen Schicksalen, regionalen verpflichtet (2006). Daraus nur ein das Potsdamer Gespräch als offenes, Max Fuchs und Gerhard de Haan). ratur, 2002-2005; Europa im Wandel. Geschichten oder gar Ereignissen Zitat: „Kunst und Kultur spiegeln die daher auch der parteiübergreifen- Flankiert werden kulturpoliti- Literatur, Werte, europäische Identi- mit internationaler Bedeutung zeu- Ganzheitlichkeit menschlicher Exis- den Konsensbildung unter den Kul- sche Maßnahmen durch eine Fülle tät, 2002-2007: publizierte Tagungen gen. Es geht dabei immer auch um tenz, verweisen auf Geheimnis und turpolitikern dienendes Diskussi- weiterer Aktivitäten, die den Dialog in Prag, Danzig, Budapest, Riga) und unsere eigene Geschichte. Diese Ge- Nicht-Erklärbares, bilden ein Wider- onsforum zum Ziel, Künstler und zwischen Politik und Kultur vertiefen einer Soirée-Reihe (Hommage) die schichte ist durch Säurefraß bedroht, lager zur fortschreitenden Ökonomi- Repräsentanten führender Kultur- sollen, durch eine Förderpolitik im aus den unterschiedlichen Kultur- ja es besteht die Gefahr, dass diese sierung der Lebensbezüge, verdeut- reinrichtungen und -verbände mit Bereich unserer Hauptabteilung Be- sparten herausragende Persönlich- kulturelle Substanz für immer verlo- lichen, dass Leben mehr ist als „Brot Politikern auf kommunaler, Landes- gabtenförderung und Kultur, die keiten (u.a. Adolf Muschg, Jutta Lam- ren geht. Deshalb handeln wir jetzt. allein“, verweisen auf die Ambivalenz und Bundesebene zu einem jeweils ausdrücklich junge Nachwuchs- pe, Günther Uecker) ehrt. Mit ihrer Gemeinsam mit den beiden Land- der Fortschritts.“ Wenn es darum aktuellen Schwerpunktthema zu- künstler unterstützt, durch ein eige- Arbeit will die Konrad-Adenauer- schaftsverbänden (Westfalen-Lippe geht, die Zukunft Deutschlands und sammenzuführen und damit eine nes Stipendienprogramm (EHF, Stiftung zugleich auch einen Beitrag und Rheinland) sorgen wir dafür, dass Europas zu gestalten, dann brauchen ebenfalls aktuelle Übersicht über Else-Heiliger-Fonds) für die Unter- dazu leisten, dass die Kulturpolitik pro Jahr mindestens 1 Million Blatt wir mehr als nur politische Lösungs- Tendenzen der Kulturpolitik in stützung bedürftiger Künstler mit der christlichen Demokratie sich ih- Papier durch maschinelle Entsäue- vorschläge, mehr als nur einen wett- Bund, Ländern und Kommunen zu einem Schwerpunkt auf der bilden- rer Leistung entsprechend präsen- rung gerettet werden. bewerbsfähigen Wirtschaftsstandort, verbinden. Dabei reicht das The- den Kunst, das 2009 in ein bürger- tiert, die sie entgegen mancher, auch Weiterer Bestandteil dieser Lan- mehr als nur technologischen Fort- menspektrum von Kulturföderalis- schaftlich motiviertes Trustee-Pro- bewusst gepflegter Vorurteile im Ver- desinitiative Substanzerhalt ist ein schritt. Eine wahrhaft humane Zu- mus, Urheber- und Stiftungsrecht gramm EHF 2010 überführt wird, gleich vorzuweisen hat; daher wurde Programm, das Museen und Samm- kunft kann es nur geben, wenn wir (2001; u.a. mit Julian Nida-Rümelin durch eine Fülle von Ausstellungen 2004 eine eigene Tagung der Kultur- lungen bei den ebenfalls notwendi- das existentielle Bedürfnis des Men- und Hans Joachim Meyer) über den (Berlin), durch internationale Kultur- politik der Ära Kohl gewidmet; die gen Restaurierungsarbeiten an Ge- schen nach Lebenssinn ernstneh- Sinn und Nutzen von Kulturfestivals abende (u.a. mit den USA, Israel, Beiträge u. a. von Norbert Lammert, mälden und Skulpturen unterstützen men. Neben der Religion sind Litera- (2002; u.a. mit Gérard Mortier und nordischen Staaten), durch die För- Anton Pfeifer und Oscar Schneider soll. tur und Kunst bedeutende Sinnstifter Joachim Sartorius), die Enquete- derung von Literatur durch einen wurden in den „Historisch-Politi- Außerdem wollen wir mit einem unserer Zeit. Eine zukunftsfähige Kommission „Kultur in Deutsch- jährlich vergebenen Literaturpreis schen Mitteilungen 12/2005 publi- eigenen Wettbewerb „Archiv und Ju- Kulturpolitik muss diese sinnvermit- land“ (2003; u.a. mit Gitta Conne- (Weimar; Publikation der Reden in ziert; dem aktuellen Austausch dient gend“ junge Menschen in die Archi- telnde und wertorientierende Aufga- mann), Kulturpolitik in den neuen jährlicher Dokumentation 1993- die seit 1996 mindestens einmal jähr- ve holen. Sie sollen dazu ermutigt be der Literatur und der Kunst in Ländern (u.a. mit Johanna Wanka), 2007), in Werkstätten mit Stipendia- lich erscheinende „Kulturpolitische werden, die regionale Geschichte Rechnung stellen und auch als poli- kulturelle Bildung (u.a. mit Annette ten und Literaten in Cadenabbia (die Umschau/Im Gespräch“ (v.a. über In- oder auch die Familiengeschichte als tischen Auftrag verstehen. Daher ist Schavan), über die Lage der Museen Beiträge von über 20 Schriftstellern ternet verbreitet), die kulturpolitische spannendes Kapitel zu entdecken, für eine an christlichen Werten ori- (2005; u.a. mit Peter-Klaus Schuster sind gesammelt in der Anthologie Initiativen mit einer intensiven Pres- um ein Bewusstsein für Geschichte entierte politische Stiftung der Dia- und Peter Raue) bis hin zur Auswär- „Cadenabbia als literarischer Ort“ seauswertung verbindet (verantwort- zu entwickeln. log mit der Kultur auf verschiedenen tigen Kulturpolitik ( 2006; u.a. mit (Hg. Bernhard Vogel, 2006). Zwei in- lich: Jörg-Dieter Gauger). Wenn wir also von der Verdopp- Ebenen geradezu gefordert, sowohl Wilfried Grolig und Hans-Georg ternationale Tagungsreihen befassen lung des Kulturhaushalts innerhalb auf der kulturpolitischen Ebene im Knopp); die Gesprächsrunde zu sich mit dem europäischen Kultur- Der Verfasser ist wissenschaftlicher der laufenden Legislaturperiode von engeren Sinne als auch auf der Ebe- jeweils aktuellen kulturpolitischen und Literaturdialog (Österreich- Mitarbeiter der Konrad-Adenauer- 2005 bis 2010 reden, heißt eben nicht, ne konkreter Förderung von Kunst Entwicklungen wird von profilierten ische, Niederländische, Französi- Stiftung dass mit der Gießkanne jedes Jahr 20 und Kultur und sichtbarer Präsenz in Kulturpolitikern wie dem Staatsmi- Prozent mehr übers Land gegossen der Kulturszene. Erstere konzentriert nister für Kultur und Medien, Bernd werden. Das zusätzliche Geld dient sich im Bereich „Politische Bildung“ Neumann, bestritten. Einen inhalt- der Profilierung der kulturellen Land- (Eichholz) auf intensiv nachgefragte lichen Eindruck vermittelt die Bro- schaft im Land Nordrhein-Westfalen. Themenseminare zur kommunalen schüre „Erinnerungskultur“ (Hg. Es gibt auf der Welt kaum eine Kulturpolitik, die auch die Kultur- Norbert Lammert, 2004), die mit Bei- andere Region, die so reich an kultu- wirtschaft einbeziehen (2006 er- trägen unter anderem von Bernhard reller Substanz ist wie Nordrhein- schien: M. Söndermann, Kulturwirt- Vogel, Christian Meier, Hermann Westfalen. Nirgendwo sonst auf der schaft. Das unentdeckte Kapital der Schäfer, Richard Schröder, Günter Welt gibt es auf so engem Raum so Kommunen und Regionen), in der Nooke und Jörg Schönbohm das 4. viele Sammlungen, so viele öffentli- Abteilung Kultur (Berlin) auf die Potsdamer Gespräch (2004) zusam- che und private Museen, so viele The- jährliche Musikfachtagung mit ei- menfasst. Im Rahmen der bildungs- ater, Opernhäuser, Konzertsäle, Or- nem musikwirtschaftlichen Schwer- politischen Arbeit der KAS, die sich chester und eine derart lebendige punkt, das ebenfalls jährliche Denk- ebenfalls an einem ein ganzheitlich- freie Kulturszene als in Nordrhein- malforum und vor allem auf das jetzt personalen Ansatz orientiert, liegt Westfalen. 7. Potsdamer Gespräch zur Kultur- ein besonderer Schwerpunkt auf der Dabei stammt unsere kulturelle politik unter Leitung des Stellvertre- Kulturellen Bildung am Beispiel des Substanz nur zu einem geringeren tenden Vorsitzenden der KAS und Musikunterrichts, für den ein „Kern- Teil aus königlicher, fürstlicher bzw. Bundestagspräsidenten Norbert curriculum“ vorgelegt wurde (s. J.-D. adeliger Tradition, sondern von ei- Lammert, der auch als Herausgeber Gauger [Hg.], Bildung der Persön- nem sich vor allem im 19. und 20. und Mitautor zweier Kompendien lichkeit, 2006), das eine intensive Jahrhundert emanzipierenden Bür- zur Kulturpolitik hervorgetreten ist Debatte über Ziel und „Kanonbil- gertum. Unser kultureller Reichtum (Alles nur Theater? Beiträge zur De- dung“ für die Schule auslöste; diese wurde erarbeitet. Mit diesen Pfunden batte über Kulturstaat und Bürgerge- Diskussion wird weitergeführt. In können und wollen wir wuchern. sellschaft [2004]; Verfassung, Patrio- diesen Kontext gehört auch die zu- tismus, Leitkultur: was unsere Ge- sammen mit der UNESCO-Kommis- Der Verfasser ist Staatssekretär für sellschaft zusammenhält [2006]). sion publizierte Schrift „Kulturelle Kultur des Landes Nordrhein- Im Jahr 2001 initiiert und organi- Bildung und Bildung für nachhalti- Westfalen satorisch angebunden an die Haupt- ge Entwicklung“ (Hg. A. Leicht/J. Ludwig Erhard auf dem CDU-Kongress 1964 in Hamburg. Foto: ACDP/KAS KULTURPOLITIK DER CDU politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 9

EHF 2010 – Fortsetzung eines Erfolgsprogramms Seit 1994 vergibt der Else-Heiliger Fonds (EHF) Stipendien an Künstler • Von Hans-Jörg Clement Die Förderung von Kunst und Kul- binden. Sie trägt diesem Gedanken men und hat den Nachlasserlös als tur ist Satzungsaufgabe der Konrad- mit einer Künstlerförderung Rech- Sondervermögen angelegt, einen Adenauer-Stiftung. Sie fühlt sich nung, die den Stipendiaten fördert Fonds eingerichtet und ihm den Na- dem Gebot von der Freiheit der und begleitet, den interdisziplinären men der Stifterin gegeben. Seit 1994 Kunst verpflichtet und glaubt an Austausch zwischen Bildender Kunst, erstmals aus dem Else-Heiliger-Fonds deren identitätsstiftende Wirkung Literatur und zeitgenössischer Kom- (EHF) Stipendien an Künstler und und seismographisches Potenzial: position stärkt und sich nicht auf die Schriftsteller vergeben wurden, sind Kunst und Kultur geben Auskunft finanzielle Zuwendung beschränkt. die drei Buchstaben zu einem Güte- über Prozesse, die sich erst subku- Die Stipendiaten haben die Möglich- siegel geworden, das bereits beginnt, tan vollziehen, sie dokumentieren keit, in Programme der Konrad-Ade- internationale Wirkung zu entfalten. und reflektieren Lebensformen und nauer-Stiftung eingebunden zu wer- Else Heiliger verfügte eine zeitna- -entwürfe und eröffnen dadurch den, die das Gespräch zwischen Po- he Verwendung ihres Vermögens. Um phantasievolle und kreative Blick- litik und Kultur anvisieren. Auch das renommierte Künstlerstipendium winkel auf diese Welt. Die Arbeit der nach Ablauf des Stipendiums be- über das Jahr 2009 hinaus zu sichern Stiftung – und die Politik insgesamt müht sich die Konrad-Adenauer- und die Idee des bürgerschaftlichen – profitiert von einem so initiierten Stiftung (KAS) im Rahmen einer Engagements für die Kunst weiter zu kontroversen Dialog, der streitbare Nachbetreuung um die Vermittlung tragen, wurde das Trustee-Programm und streitwerte Positionen vorstellt der Geförderten in Projekte, Galeri- EHF 2010 ins Leben gerufen. Bürger- und diskutiert. Kunst und Kultur ha- en, Ausstellungen und Verlage. schaftlich engagierte Trustees haben ben eine gesellschaftspolitische Di- Im September 1993 verstarb Else mit Einlagen den nahtlosen Fortbe- mension, die in einer verantwor- Heiliger im Alter von 91 Jahren. Schon stand des Stipendienprogramms ab Eröffnung der Ausstellung Christian Hahn in der KAS. © Henning Lüders/KAS tungsvollen politischen Bildungsar- zehn Jahre zuvor hatte die Aachener 2010 gesichert. Zusätzlich haben sich beit berücksichtigt werden muss. Bürgerin entschieden, die KAS zur ehemalige Träger des EHF-Stipendi- Bereichen Literatur, eines für Kompo- Schäfer, Nezaket Ekici, Veronica Kelln- Alleinerbin ihres Vermögens zu ma- ums in außergewöhnlichen Benefit- sition und eines in der Sparte Tanz. dorfer, Christian Hahn, Michael Kalki er Konrad-Adenauer-Stiftung chen, um damit besonders befähig- ausstellungen am Trustee-Programm Viele der jungen deutschen Kunststars und Ruprecht von Kaufmann. Die D ist es ein besonderes Anliegen te und bedürftige Künstler und beteiligt. EHF 2010 setzt sein Schwer- wurden frühzeitig durch EHF unter- Kunstausstellungen der KAS gehören diesen Aspekt mit der Idee des bür- Künstlerinnen zu unterstützen. Die gewicht auf die Bildende Kunst, ver- stützt, darunter Jorinde Voigt, Henning inzwischen zum festen Kulturkalender gerschaftlichen Engagements zu ver- KAS ist diesem Auftrag nachgekom- gibt aber auch zwei Stipendien in den Kles, Martin Dammann, Albrecht der Hauptstadt – wie sich insgesamt das Kulturprogramm mit den Schwer- punkten Bildende Kunst und Literatur als ein Aushängeschild der Stiftung Geschichtsverliebt – geschichtsvergessen? erwiesen hat, auf das sie stolz ist. Der Verfasser ist Leiter Kultur der Das Geheimnis der Kulturpolitik der Union • Von Gabriele Schulz Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin, Kurator und Geschäftsführer des Wer seine politische Sozialisation Teilen der Regierung nach Berlin zu ver- Dies alles geschah, ohne dass es an die schrei der Länder provoziert hätte. Und Else-Heiliger-Fonds (EHF) Anfang der 80er Jahre des letzten legen, wurden und die Region – große Glocke gehängt wurde und auch selbst die harten Auseinandersetzungen Jahrhunderts erlebte, dem wird in auch in der Kulturförderung – großzügig die Länder beschwerten sich nicht, um das umstrittene sichtbare Zeichen Erinnerung bleiben, wie Bundes- entschädigt. Die Bundeskunsthalle und schließlich hätten sie ansonsten in vie- der Erinnerung an Flucht und Vertrei- kanzler Kohl von der mächtigen Wir- das Haus der Geschichte in Bonn sind in len Fällen die Finanzierung von Einrich- bung sind verstummt. Ruhig, bedäch- kung der Geschichte, ausgespro- Stein geronnene Erinnerung der Kultur- tungen oder Projekten übernehmen müs- tig, Anregungen von vielen Seiten auf- Geschichte chen im unverwechselbaren Pfälzer förderpolitik der Ära Kohl. Die Künstler- sen. In den Antworten der CDU auf die nehmend hat Kulturstaatsminister Neu- Idiom, sprach. Mit den Jahren immer sozialversicherung – im Jahr 1983 der Fragen des Deutschen Kulturrates zur mann sein Gedenkstättenkonzept dem rührseliger werdend, wurde von ersten Legislaturperiode der Regierung Bundestagswahl 1998 breitete die CDU Parlament zur Diskussion vorgelegt und der CDU Bundeskanzler Kohl die Geschichte Kohl, ihre Tätigkeit aufnehmend – konn- erstmals aus, welche Aufgaben in der da liegt es nun. Und selbst die emotio- Juni 1945 beschworen als Grund für den eu- te ihre Arbeit machen, Vorstöße des Bun- Kulturpolitik sie in den vergangenen Jah- nal geführte Debatte um die Leitkultur Gründung in Berlin und im ropäischen Einigungsprozess, desrechnungshofes, den Bundeszu- ren übernommen hatte und welche Vor- erscheint in einem anderen Licht, wenn Rheinland musste sie herhalten für die Wie- schuss abzusenken, wurden abgewehrt. haben sie plante. Dies alles nützte ihr der Stellvertretende Vorsitzende der 1945 bis 1949 dervereinigung und wurde schließ- Die Gründung von Bundeskulturverbän- wenig, der charismatische, designierte CDU, Christian Wulff, in dieser Zeitung Organisation der CDU in den lich abgelegt und wohlsortiert dem den wurde unterstützt, wenn nicht gar for- Kulturstaatsminister Michael Naumann schreibt: „Sie (die Leitkultur) umfasst deutschen Ländern und Besat- Deutschen Historischen Museum ciert. Die Zusage zur Errichtung eines fegte über diese verdienstvolle Kärrner- die Grundwerte des Grundgesetzes und zungszonen und dem Haus der Geschichte über- Denkmals für die ermordeten Juden Eu- arbeit hinweg. Er repräsentierte den in- die Verantwortung aus der Geschichte.“ 1950 Zusammenschluss auf Bundes- antwortet. Über all dem waberte der ropas in Berlin wurde höchstselbst vom tellektuellen Diskurs und die Auseinan- Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. ebene Begriff der geistig-moralischen Bundeskanzler ausgesprochen, der sich dersetzung mit der Geschichte, die von Ist Leitkultur also doch nichts Anderes Ziel der CDU war es, alle christ- Wende. Eine Wende wurde tatsäch- auch kräftig in die Gestaltung einmischen der Union – und speziell ihrem Kanzler als Verfassungspatriotismus? lich orientierten Kräfte in einer lich vollzogen, eine Wende, die ein- wollte. Die Kulturförderfonds wurden ins dem Historiker Helmut Kohl – eingefor- Was ist das Geheimnis der Kulturpolitik „Union“ zu sammeln. Damit un- herging mit einer stärkeren Ökono- Leben gerufen. Aus der Taube Deutsche dert wurde. Die Revision der Erinnerungs- der CDU? Ist sie revisionistisch? Ein Ein- terscheidet sich die CDU von ei- misierung, mit einer Entwertung der Nationalstiftung wurde immerhin der kultur war daher eines der ersten großen druck, der entstehenden könnte, liest ner ihrer Vorgängerparteien, Geisteswissenschaften, mit einem Spatz Kulturstiftung der Länder, zur Hälf- Vorhaben der rot-grünen Bundesregie- man die vielen Einlassungen in den dem Zentrum. Grundverständ- utilitaristischen Denken – ein Wider- te finanziert vom Bund. Vorschläge aus rung. Naumann stand auch für den Glanz Beiträgen der Unionspolitiker in dieser nis der CDU war, das staatliche spruch zum Anspruch der geistig- dem Haus von Finanzminister Waigel, an und Glamour des Kulturbereiches. Anders Ausgabe von politik und kultur. Nein, Leben auf christlicher, demokra- moralischen Wende? Oder war die- der Kulturförderung des Bundes zu spa- als Innenminister Kanther, der bei der dass ist sie nicht, sie nimmt zu den tischer und föderaler Grundla- ser Begriff letztlich nur eine Wort- ren, wurden vom Tisch gefegt. Der Spon- Vergabe der deutschen Filmpreise stets Vertriebenen lediglich ein inzwischen ab- ge aufzubauen. hülse? soring-Erlass wurde bei einer Karnevals- etwas deplaziert wirkte und sich sicht- gelagertes Desiderat der historischen Erster Parteivorsitzender war sitzung en passent zwischen Finanzmi- lich unwohl fühlte, wurde Naumann ab- Auseinandersetzung auf. Kurz bevor die Konrad Adenauer, prägende Betrachtet man die Kulturpolitik der Ära nister Theo Waigel und dem Vorsitzen- genommen, dass er ein kunstsinniger letzte Generation derer verstirbt, die Persönlichkeiten der CDU wa- Kohl nüchtern und ohne den verbrä- den des Deutschen Kulturrates August Mensch ist. Weggefegt wurde auch der Flucht und Vertreibung nach dem Zwei- ren u.a. Ludwig Erhard (Vater menden Überbau wird deutlich, dass Everding für die Kultur passig gemacht. klammheimliche Konsens zwischen Bund ten Weltkrieg erlebt haben, und jeder der sozialen Marktwirtschaft) nach der Vereinigung der beiden deut- Bundeskanzler Kohl hielt seine letzte kul- und Ländern, dass der Bund im Kultur- geneigt ist, dieser Generation einen Er- und Helmut Kohl (europäische schen Staaten die Bundeskulturpolitik turpolitische Rede im Deutschen Bundes- bereich fördert, so lange alle Länder an- innerungsort zu geben, wird das Thema Integration und Wiedervereini- eine Aufwertung erfuhr wie kaum zuvor. tag zu einer avisierten Reform des Stif- gemessen bedacht werden und dass der angefasst. Ist sie geschichtsverliebt, weil gung). Im Einigungsvertrag, ausgehandelt vom tungsrechts und begründete diese Re- Bund auf europäischer Ebene die Stim- so viel von Erinnerungskultur die Rede Wichtiges Ziel der CDU ist seit auch für Kultur zuständigen Bundes- form kulturpolitisch. Und und und… All me erhebt, so lange die Fassade des Prä ist? Nein, die Erinnerungskultur ist ein ihrer Gründung die europäische innenminister Wolfgang Schäuble, wur- dieses wurde klug und unauffällig vom der Länder aufrechterhalten wird. Die Transmissionsriemen für Intellektualität. Integration und die Westbin- de in Artikel 35 zugesichert, dass die Bundesministerium des Innern, hier Bundeskulturpolitik der rot-grünen Bun- Ist sie geschichtsvergessen, weil die dung in die europäische Ge- Kultur in den neuen Ländern keinen besonders von den Abteilungsleitern Kul- desregierung war vielleicht auch wegen Leistungen der Ära Kohl nicht hervor- meinschaft sowie die Nato. Schaden nehmen darf. Dieser Artikel tur, und vom Bundeskanzleramt, beson- der Aufkündigung dieses stillen Konsen- gehoben und die jetzigen Erfolge eher Die CDUD wurde in der sowje- bot und bietet nach wie vor die Grund- ders von Staatsminister Anton Pfeifer, ge- ses durch so viele Aufgeregtheiten ge- bescheiden vorgetragen werden? Nein, tischen Besatzungszone ge- lage für die Förderpolitik des Bundes in steuert. Die Arbeit wurde von den Uni- prägt. sie ist nur geschickt, das stille Wirken gründet und gehörte in der DDR Ostdeutschland. In den 90er Jahren hat ons-Abgeordneten des Deutschen Bun- In einer unionsgeführten Bundesregie- ruft keine Neider hervor. Ist sie kunst- zur Nationalen Front. der Bund Aufgaben in der Kulturförder- destags unterstützt. Im Bereich der kul- rung werden heute wieder ruhige Fahr- fern? Nein, denn betrachtet man die 1990 Zur Volkskammerwahl im März politik in Ostdeutschland übernommen, turellen Bildung setzten die Parlamenta- wasser betreten. Ganz selbstverständlich Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, so 1990 trat die CDU zusammen die während der Regierung Schröder rischen Staatssekretäre im Bundesbil- nimmt Kulturstaatsminister Bernd Neu- ist Künstlerförderung ein konstitutives mit dem „Demokratischen Auf- jeden CDU-Ministerpräsidenten min- dungsministerium Anton Pfeifer, Norbert mann die Vertretung der deutschen In- Merkmal. Ist sie von Ideen geleitet? Nein, bruch“ und der „Deutschen destens vor das Bundesverfassungsge- Lammert und Bernd Neumann ihre Ak- teressen im EU-Kulturministerrat wahr, die Kulturpolitik der CDU ist vor allem Sozialen Union“ im Wahlbünd- richt hätte ziehen lassen. Die Stadt zente. Die Staatliche Ballettschule in Ber- obwohl nach der Föderalismusreform I pragmatisch, es werden Themen aufge- nis „Allianz für Deutschland“ an. Bonn erhielt, so lange sie noch Sitz von lin wurde in eine neue Struktur überführt, die Länder in vielen Punkten am Zuge griffen die en vogue sind, wie z.B. aktu- West-CDU und Ost-CDU verei- Regierung und Parlament war, eine ein großes Weiterbildungsprogramm für wären. Die Kulturminister der unionsge- ell die Kulturwirtschaftsdiskussion. Und nigten sich am 1./2.10.1990 Kulturförderung, die alle anderen Kom- Künstler und Mitarbeiter der kulturellen führten Länder unternehmen keinerlei ansonsten werden mit „ruhiger Hand“, zur CDU. munen hätte erblassen lassen müssen, Bildung in Ostdeutschland wurde in den sichtbare Versuche sich in die EU-Kul- ohne viele Auseinandersetzungen Fak- In den 90er Jahren während der galt es doch den dort ansässigen Be- neunziger Jahren aufgelegt. Bereits in den turpolitik des Bundes massiv einzumi- ten geschaffen, an denen hinterher nie- Koalition CDU/CSU und FDP Er- amten und ihren Familien sowie den achtziger Jahren wurden die neu entste- schen. Der Etat von Kulturstaatsminister mand mehr vorbeikommt. Und hierbei richtung der Kunst- und Ausstel- Angehörigen der Botschaften ein Kul- henden Strukturen der kulturellen Bildung Neumann steigt im Jahr 2008 voraus- ist die Union sehr erfolgreich. lungshalle der Bundesrepublik turprogramm von Weltniveau – und die- durch Modellvorhaben des Bundes un- sichtlich das dritte Jahr in Folge. Die Kul- Deutschland sowie der Stiftung ses in einer mittleren Großstadt – zu terstützt. Wer dazu gehörte, wurde finan- turstiftung des Bundes konnte mit „Je- Die Verfasserin ist wissenschaftli- Haus der Geschichte in Bonn. bieten. Nach der Bundestagsentschei- ziell bedacht. Man könnte es auch den dem Kind ein Instrument“ ein Projekt lan- che Mitarbeiterin des Deutschen Stärkung der Bundeskulturpoli- dung, den Sitz des Parlaments und von kölschen Klüngel in Bonn nennen. cieren, dass zu rot-grünen Zeiten den Auf- Kulturrates tik durch die Unterstützung der Kultur in den neuen Ländern. KULTURELLE BILDUNG politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 10

Was ist kulturelle Bildung? Wege zur Begriffsklärung • Von Max Fuchs Vielen Menschen wird die Frage, die schen künstlerischen Praxis – und in der Überschrift formuliert ist, dies rezeptiv und produktiv – zu tun einigermaßen unsinnig vorkommen. haben. Man findet aber auch Kinder- Vielleicht haben sie selbst eine Mu- museen und Zirkuspädagogik, man sikschule besucht oder in einer findet zudem medienpädagogische Theater-AG mitgewirkt. Vielleicht Organisationen und dies sowohl in kennen sie jemanden, der in einem der Schule als auch im außerschuli- Chor singt oder an der Volkshoch- schen Bereich. „Kulturelle Bildung“ schule einen Malkurs besucht, der ist offensichtlich in der Praxis nicht unter der Rubrik „kulturelle Bildung“ bloß ein Sammelbegriff, es ist auch ausgeschrieben war. Sehr viele ein Sammelbegriff, der offen ist für Menschen, so ein erster Eindruck, immer neue Praxisformen. Dies kann nutzen Angebote, die unter die Ru- man erkennen, wenn man die Mit- bik „kulturelle Bildung“ fallen, und glieder der BKJ im Zehnjahresab- sehr viele Menschen gestalten sol- stand vergleicht. che Angebote. Wo sollte also ein Die BKJ führt unsere Suche noch Problem liegen? Nun: Man kann die ein Stück weiter. Zum einen kann Frage in der Überschrift durchaus man danach fragen, wie sich eine häufiger hören oder lesen, etwa in solche Organisation finanziert. Hier- Überschriften von großen Tagungen, bei stößt man auf das Jugendminis- die eine Klärung des Begriffs ver- terium und dort auf einen Haus- suchen. Man hört sie auch gele- haltstitel „Kulturelle Bildung“ im gentlich in politischen Kontexten, Kinder- und Jugendplan des Bundes wenn etwa neue Förderschwerpunk- (KJP), der sich zudem auf ein Gesetz te oder Interessensgebiete entwi- stützt, nämlich das Kinder- und Ju- ckelt werden. Es lohnt sich also gendhilfegesetz (KJHG) und dort auf durchaus, einige Überlegungen an- den § 11, in dem die Förderung der zustellen und Hinweise zu geben, „kulturellen Bildung“ als eine Aufga- wie man diesen Begriff inhaltlich be der Jugendhilfe formuliert wird. füllen kann. Der KJP formuliert für sein Pro- gramm 2 „kulturelle Bildung“ wie in erster Weg wurde dabei bereits folgt: in dem ersten Abschnitt be- „Kulturelle Bildung der Jugend E Podiumsdiskussion bei der Fortbildungsveranstaltung Kultur Games Bildung. Max Fuchs, Gunnar Lott, Staatsministe- schritten: Man sucht nach Aktivitä- soll jungen Menschen eine Teilhabe rin Eva Maria Stange, Bernd Schorp, Thomas Zeitner, Roland Wöller, Arne Busse und Hartmut Warkus (v.l.n.r.). ten, die unter diese Rubrik fallen. Ich am kulturellen Leben der Gesell- Foto: Kristin Bäßler gebe es zu: Ganz so einfach ist dies schaft erschließen. Sie soll zum dif- nicht. Denn selbst bei den oben ge- ferenzierten Umgang mit Kunst und in der KJP-Definition von einem „dif- hört zu diesem Angebot. Die Anthro- nis durchaus kompatibel mit der obi- nannten Beispielen kann es passie- Kultur befähigen und zu einem ge- ferenzierten Umgang mit Kultur“ die pologie ist deshalb eine naheliegen- gen anthropologischen Skizze. ren, dass der Musikschulbesucher stalterisch-ästhetischen Handeln, Rede. Wer nur ein wenig Erfahrung de Disziplin, weil es bei der kulturel- Der Bildungsdiskurs der letzten von musikalischer (und nicht von insbesondere in den Bereichen Mu- mit Debatten über Kulturbegriffe len Bildung um die Beziehung des Jahre hat daher versucht, diese Ge- kultureller) Bildung spricht, dass der sik, Tanz, Spiel, Theater, Literatur, hat, wird spätestens an dieser Stelle Menschen zu sich und zur Welt geht. danken der produktiven Lebensbe- Dozent im Malkurs das Wort „künst- Bildende Kunst, Architektur, Film, aufstöhnen. Denn die Anzahl dieser Für mich sind die Arbeiten von Hel- wältigung mit verschiedenen, lerische Bildung“ bevorzugt und Fotografie, Video, Tontechnik anre- Begriffe dürfte heute in die Hunder- mut Plessner und Ernst Cassirer hilf- vielleicht suggestiveren Begriffen zu man im Zusammenhang mit dem gen.“ te gehen (vgl. Fuchs, Kultur macht reich bei dem Verständnis der Rede illustrieren. Man sprach von Lebens- Theater vielleicht eher von theatra- Die „Definition“ bringt Bekann- Sinn, 2007, i.E.). Bei „kultureller Bil- vom Menschen als kulturell verfass- kompetenzen oder von Lebenskunst. ler Bildung hört. Halten wir daher als tes, nämlich eine additive Aufzäh- dung“ wären also aufgrund der Viel- tem Wesen. Helmut Plessner entwi- Eine solche Bildung ist übrigens erstes Bestimmungsmerkmal fest: lung bestimmter kultureller Praxen, zahl der Kulturbegriffe ebenfalls eine ckelte in den zwanziger Jahren des auch Voraussetzung für jede Form „Kulturelle Bildung“ ist offensicht- die offengehalten ist. Sie spricht entsprechende Vielzahl unterschied- letzten Jahrhunderts den Gedanken, von Teilhabe (man erinnere sich: ein lich ein Sammelbegriff für Prozesse zudem von Teilhabe am kulturellen licher Definitionen zu erwarten. dass der Mensch zum Menschen Menschenrecht). und Aktivitäten in unterschiedlichen Leben, kurz: von kultureller Teilhabe. Spätestens hier sollten wir die dadurch wurde, dass er die Fähigkeit „Kulturelle Bildung“ könnte vor Sparten. Dabei stellen sich zumin- Dies wiederum ist ein Begriff aus der pragmatische Annäherung an den entwickelte, neben sich selbst treten diesem definitorischen Hintergrund dest zwei Probleme: Zum einen kann Allgemeinen Erklärung der Men- Begriff beenden. Immerhin haben und sich zum Gegenstand von Refle- leicht als sprachliche Doppelung man ganz andere Sammelbegriffe schenrechte (Art. 26). Man findet ihn wir einige Bestimmungen gefunden, xionen machen zu können. Daraus desselben Inhalts verstanden wer- finden, z. B. Kulturarbeit, Soziokul- zudem in der UN-Kinderrechtskon- die eine gewisse Klarheit bewirken. entstand Bewusstheit des Handelns, den. Wie geht man mit diesem Pro- tur oder musische Bildung. Zum an- vention oder in dem Pakt für sozia- Man weiß zumindest, dass man entstand die Fähigkeit und Notwen- blem um? Nun: Es verläuft die Bil- deren gibt es Unsicherheiten in der le, ökonomische und kulturelle nicht unbedingt den Begriff neu er- digkeit, die Führung des Lebens in dung von Begriffen für einen öffent- Praxis: Gehört die Mitwirkung in ei- Rechte. Offensichtlich ist kulturelle finden muss: Es gibt eine reichhalti- die eigenen Hände nehmen zu kön- lichen Gebrauch nicht immer nach nem Zirkus- oder Medienprojekt Teilhabe ein Menschenrecht, wobei ge Praxis, es gibt eine lange Traditi- nen. Ernst Cassirer zeigte in seiner dem Lehrbuch von Sprachtheoreti- überhaupt zur kulturellen Bildungs- es oft gemeinsam mit sozialer, poli- on und es gibt sogar gesetzliche Ab- Philosophie der symbolischen For- kern. Man muss weitere Quellen hin- arbeit? Ist es „kulturelle Bildung“, tischer und ökonomischer Teilhabe sicherungen. men, wie der Mensch unterschiedli- zuziehen. Eine gute Quelle ist stets wenn man ins Theater geht oder ein zusammen aufgeführt wird. Es wird Versuchen wir als zweiten Weg che Weisen der Welterfassung entwi- der Kulturdiskurs der UNESCO. Buch liest oder darf man diesen Be- zudem eine erste inhaltliche Füllung der Begriffsklärung einen theoreti- ckelte: Sprache, Mythos und Religi- Spätestens seit der Mexiko-Konfe- griff nur verwenden, wenn man ak- angeboten: differenzierter Umgang schen Zugang. Auch hierbei wird on, Wissenschaft und Kunst, aber renz im Jahre 1982 ist hier der „wei- tiv eine entsprechende Tätigkeit aus- mit Kunst und Kultur und gestalte- man durchaus fündig in der Litera- auch Wirtschaft, Technik und Politik. te Kulturbegriff“ im Gespräch. Etwas übt? risch-ästhetisches Handeln. Der dif- tur. Ein besonders bemerkenswertes Diese Zugangsweisen nannte er salopp kann man sagen: Kultur ist Halten wir zunächst einmal fest, ferenzierte Umgang mit Kunst (ge- Buch hat vor einigen Jahren der Kul- symbolische Formen, deren Summe demzufolge Kunst plus Lebensweise. dass es durchaus konkurrierende Be- meint ist offensichtlich „Kunst“ als turwissenschaftler Volker Steenblock er „Kultur“ nannte. Die Welt des Beide Kulturbegriffe (nämlich Kultur grifflichkeiten für dieselbe Aktivität Pluralitätsbegriff, der alle Künste er- (Theorie der kulturellen Bildung, Menschen ist eine gemachte Welt, = Kunst und Kultur = Lebensweise) gibt, wobei man feststellen kann, dass fasst) soll zunächst einmal als 1999) vorgelegt. Gerade im Jahr der und indem der Mensch die Welt ge- lassen sich sinnvoll auf den Begriff die verwendete Begrifflichkeit gele- halbwegs plausibel hingenommen Geisteswissenschaften lohnt sich ein staltet, gestaltet er sich selbst (vgl. der kulturellen Bildung beziehen: gentlich mit der Region bzw. dem werden, obwohl die Frage danach, Blick in ein solches Werk. Es geht in Fuchs, Mensch und Kultur, 1998). Zum einen hat kulturelle Bildung wie Kontext oder mit der Tradition des was denn eigentlich „Kunst“ ist, diesem Buch um eine Rehabilitation Viele traditionsreiche Bestim- Bildung generell es mit dem „Projekt Anbieters zu tun hat. durchaus zu sehr ausufernden De- der „Geisteswissenschaften als un- mungen von Bildung können auf des guten Lebens“ zu tun (Kultur als Immer noch auf der pragmati- batten führen kann. (Fuchs, M.: Auf- verzichtbare Orientierungshilfe in diese Grundidee bezogen werden: Lebensweise). Man kann sie von an- schen Suche nach Abgrenzungs- und baukurs Kulturpädagogik, Bd. II: einer unübersichtlich gewordenen Bildung als wechselseitige Erschlie- deren Möglichkeiten der Entwick- Bestimmungsmöglichkeiten kommt Kunst und Ästhetik in der Kulturar- Zeit“. „Bildung“ ist Reflexionskom- ßung von Mensch und Welt (Hum- lung von Bildung durch die spezifi- der Rechercheur heutzutage sicher- beit, 2005; vgl. auch A. Gethmann- petenz, zielt auf eine „Kultivierung boldt); Bildung als subjektive Seite sche Art ihrer Entwicklung unter- lich schnell auf die Idee, in einer der Siefert: Einführung in die Ästhetik, des Alltags“ (Liebau), ist also nicht von Kultur und Kultur als objektive scheiden: Nämlich durch einen Um- Suchmaschinen im Internet zu su- 1995). Denn auch hierbei wird man nur Wissen, sondern auch Handeln, Seite von Bildung (Adorno). Bildung gang mit den Künsten. „Künste“ chen. Dort stößt man dann auch schnell feststellen, dass neben dem bezieht sich auf eine besondere Qua- ist aktive Lebensbewältigung, ist die müssten allerdings hier in einem bald auf Organisationen und Institu- traditionellen Kanon der klassischen lität des Subjekts in seiner Stellung subjektive Disposition, die Welt zu weiten Verständnis begriffen wer- tionen, die „kulturelle Bildung“ in ih- Musen (auf die die etwas veraltete zur Welt. Insbesondere nennt Steen- gestalten. „Bildung“ heißt dann den, das die im ersten Abschnitt ge- rem Namen führen. Eine gute Refe- Rede von der „musischen Bildung“ block immer wieder die Auseinan- auch: Aneignung der genannten nannten Praxisformen einschließt: renz wird man dabei dann vermu- zurückgeht) immer wieder neue Pra- dersetzung mit den Künsten (wobei symbolischen Formen, die man Kulturelle Bildung wäre demnach ten, wenn es sich um den zentralen xisformen entwickelt werden, denen die Erkenntnisse der zugehörigen durchaus als „Kanon“ betrachten Allgemeinbildung, die durch die ge- Dachverband handelt: Die Bundes- man irgendwann das Etikett „Kunst“ Kunstwissenschaften genutzt wer- kann. Wenn Johannes Rau dem sei- nannten kulturpädagogischen Me- vereinigung Kulturelle Kinder- und verleiht. Dies können virtuelle Ob- den sollen). Im Unterschied zu der nerzeitigen „Forum Bildung“ als thoden entwickelt wird. Da Cassirer Jugendbildung (BKJ). jekte wie etwa bei der „Kunst im im ersten Teil entfalteten Begrifflich- Grundlage ein Verständnis von Bil- als Ziel der kulturellen Entwicklung Zwar bezieht sich dieser Verband Netz“ sein, es können aber auch ba- keit spielen eigene künstlerisch-kul- dung mit auf den Weg gab, das Bil- die „zunehmende Selbstbefreiung offensichtlich nur auf Kinder und nale Alltagsgegenstände wie Urina- turelle Aktivitäten bei ihm keine Rol- dung als Persönlichkeitsentwicklung, des Menschen“ nennt, hätte man Jugendliche, so dass die Frage nach le sein, die Duchamps als Kunstwer- le. Aber immerhin zeigt dieser be- als Fähigkeit zur politischen Partizi- hier auch ein allgemeines Ziel der kultureller Bildung von Erwachse- ke in einer Ausstellung unterge- achtliche Entwurf, dass man auch in pation sowie zur ökonomischen Le- kulturellen Bildung gefunden. Dies nen und Senioren noch offen blei- bracht hat. Spätestens ab diesem Hinblick auf Theorien kultureller Bil- bensgestaltung verstand und somit ist durchaus kompatibel mit weite- ben muss. Aber immerhin erlaubt Zeitpunkt war eine „Wesensdefiniti- dung durchaus fündig wird. das Recht des Einzelnen auf eine ren Vorschlägen zur Präzisierung das Mitgliederspektrum der BKJ ei- on“ von Kunst, dass man etwa Kunst- Nun ist Theorienbildung ein plu- optimale Entwicklung und die Not- dieses schwierigen Begriffs. Ich nen- nen weiteren Aufschluss darüber, werke stets an einer Gestaltqualität rales Geschäft, bei dem unterschied- wendigkeit, mit der Gesellschaft zu- ne hier nur Hartmut von Hentigs wie der Begriff ganz praktisch gefüllt erkennen könne, unmöglich gewor- liche Ansätze miteinander konkur- rechtkommen zu müssen gleicher- wird. In der Tat findet man Organi- den. Auf diese Debatte sei hier nur rieren. Auch die folgende Skizze ei- maßen berücksichtigt hat, dann ist Weiter auf Seite 11 sationen, die es mit einer spezifi- am Rande hingewiesen. Es ist zudem nes anthropologischen Zugangs ge- dieses moderne Bildungsverständ- KULTURELLE BILDUNG politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 11

Teilhabe wird auch in der Kulturpo- Umgangs mit Musik, Tanz, Theater, Kampf um die Mediennutzung tobt, kann es also nur begrüßen, wenn Fortsetzung von Seite 10 litik diskutiert, allerdings eher unter Literatur etc. Einiges kommt in Bewe- da wohlmeinende Wissenschaftler kulturelle Bildung zur Zeit eine ge- dem Aspekt des Publikums und der gung in dem gesamten Feld kulturel- glauben, Totalverbote wären die bes- wisse Konjunktur erlebt. Denn man Buch (Bildung, 1996), der sechs Nutzung der Angebote. „Kulturver- ler Bildungsarbeit durch diese Frage te Medienpädagogik. Hochspan- weiß, dass ohne Kunst menschliches Maßstäbe formuliert, an denen sich mittlung“ – ein Begriff aus diesem nach Wirkungen und ihrer Erfassung. nend könnte zudem der Ansatz wer- Leben ein unvollständiges Leben ist. jegliche Bildungsarbeit messen las- Diskussionskontext – ist hier eine Die Debatte reicht von der polemisch den, mit der „schwachen Anthropo- Ein niedriges Einkommen in diesem sen muss: Abscheu und Abwehr von Sammelbezeichnung für unter- geführten Diskussion über die Wir- logie“, die Amartya Sen und Martha prekären Arbeitsmarkt wird so durch Unmenschlichkeit; Wahrnehmung schiedliche Strategien, das Publikum kung von Computerspielen bis zu den Nussbaum entwickelt haben, kon- das starke Gefühl kompensiert, et- von Glück; die Tätigkeit und der Wil- für Kulturangebote zu vergrößern. etwas ruhiger geführten Debatten sensfähige Dimensionen des was überaus Sinnhaftes für sich und le, sich zu verständigen; Bewusstsein Dazu gehören von Werbung und nach möglichen Bildungswirkungen Menschseins zur Verfügung zu ha- andere zu tun. Man muss sich daher von der Geschichtlichkeit der eige- Marketing über eine entsprechende von Kunst, ihrer Erfassung und „Mes- ben. Dimensionen, die man bis hin nicht darüber wundern, dass neue nen Existenz; Wachheit für letzte Fra- Programmgestaltung bis hin zu ge- sung“. Einen neuen Schwung haben zu einer sachgerechten Evaluation Akteure und neue Interessenten auf- gen; Bereitschaft zur Selbstverant- zielten theater-, museums- etc. -pä- diese Debatten durch PISA bekom- operationalisieren kann („capability tauchen und für sich ein spannen- wortung und Verantwortung in der dagogischen Maßnahmen. Kulturel- men. Denn nicht nur die Frage nach approach“). Forschungsfragen also des Arbeitsfeld entdecken. Damit Polis. le Bildung entsteht bei einer solchen Evaluierbarkeit, auch die Idee einer ohne Ende! (vgl. Fuchs, Kulturelle tauchen allerdings auch nicht son- So ähnlich formuliert finden sich erfolgreichen Kulturvermittlung na- Ganztagsschule als politische Konse- Bildung, 2008 i.V.) Nicht zuletzt muss derlich notwendige Debatten aus zudem Bildungsziele und -begriffe in türlich auch (Mandel, Kulturvermitt- quenz von PISA wirbelt die Diskurse man sich bei Fragen kultureller Bil- den siebziger Jahren des letzten Jahr- zahlreichen Schulgesetzen, in der lung, 2005). ganz schön durcheinander, da nun- dung für Einrichtungen, Strukturen, hunderts wieder auf, z. B. ob Künst- Jugendpolitik und auch in internati- Es gibt zudem unterschiedliche mehr Schule, Kultur- und kulturpäd- Organisationen und die entspre- ler oder Kunstpädagogen die besse- onalen Dokumenten. Gerade die in- fachliche und spartenspezifische Zu- agogische Einrichtungen mitein- chenden Fördermöglichkeiten inte- ren Vermittler seien. Sei es drum. ternationale Dimension ist in der gangsweisen. So findet zur Zeit eine ander kooperieren müssen. ressieren. Die Konzeption Kulturelle Man kann es außerdem angesichts kulturellen Bildungsarbeit wichtig besonders lebendige Diskussion in Ebenso dynamisch wie diese Pra- Bildung III (Berlin 2005) des Deut- der Fülle von Erfahrungen und Dis- geworden. So hat es sich bei der ers- der Theaterpädagogik und in der xis ist dabei auch die Theorienbil- schen Kulturrates ist hierfür die zur kussionen in dem traditionsreichen ten Weltkonferenz zur kulturellen Kunsterziehung statt. Verschiedene dung. Eckart Liebau in Erlangen geht Zeit umfassendste Darstellung der Feld kultureller Bildung fast schon Bildung im März 2006 in Lissabon Auffassungen von Theater bzw. von – ebenso wie dieser Text – den Weg politischen Rahmenbedingungen verstehen, wenn einige dieser neu- gezeigt, dass zwar die Auffassungen (bildender) Kunst führen zu recht un- einer anthropologischen Fundie- mit all ihren Problemen. en Akteure all diese Erfahrungen ig- von Kunst weltweit stark differenzie- terschiedlichen Konzeptionen von rung von kultureller Bildung. Ande- Kulturelle Bildung – man ahnt es norieren wollen und lieber von der ren (wenn etwa Körbeflechten und kultureller Bildung. Und natürlich re beziehen sich stärker auf die Lo- – ist ein weites Feld. Von subtilen Annahme ausgehen, sie hätten Stelzenlaufen in einigen Regionen müssen auch alle postmodernen, gik der Künste. Neue Kooperationen Theoriefragen rund um die Künste selbst einen neuen Kontinent ent- als seriöse Kunstformen gelten), die poststrukturalistischen und dekons- und Abgrenzungen zu dem besser und den Menschen über Fragen der deckt. Dabei gehört es zum kulturel- Probleme jedoch so ähnlich sind, truktivistischen Thesen vom Ende aufgestellten Feld der Jugendhilfe- gesellschaftlichen Entwicklung bis len Reichtum Deutschlands, eine dass man sich auf eine „Roadmap“ des Subjekts, der großen Metaerzäh- forschung ergeben sich. Es stellt sich hin zu Problemen der Politik, der Fi- zwar entwicklungsfähige und ver- (zu finden auf der Homepage der lungen etc. in den nunmehr zahlreich zudem die Frage, inwieweit die Me- nanzierung, des Managements und besserungsbedürftige, aber trotz- Deutschen UNESCO-Kommission entstehenden Dissertationen auch thoden der kulturellen Jugendbil- nicht zuletzt zu Fragen des Arbeits- dem gut entwickelte Infrastruktur und des Deutschen Kulturrates) ge- im Felde der Kulturpädagogik erprobt dung auch in der Seniorenkulturar- marktes Kulturpädagogik/Kulturver- der kulturellen Bildung zu haben. einigt hat (siehe meinen Artikel „Rü- werden. beit funktionieren. Interkultur ist ein mittlung reicht das Spektrum (vgl. ckenwind für kulturelle Bildung“ in Insbesondere interessiert heute wichtiges Stichwort, das gerade für Zacharias, Kulturpädagogik 2001; Der Verfasser ist Vorsitzender des puk 03/2006). die Frage nach den Wirkungen eines die Kulturarbeit hochrelevant ist. Ein Fuchs, Kultur lernen, 1994). Man Deutschen Kulturrates Was also ist kulturelle Bildung? Auf diese Ausgangsfrage muss man – so zeigen es die vorausgegangenen Ausführungen – nicht sprachlos blei- ben. Dabei ist die hier vorgestellte Die Frage nach einer Jugendkultur Skizze nur eine Möglichkeit unter Eine Fortbildungsveranstaltung auf der Games Convention fragt nach Kultur-Games-Bildung • Von Kristin Bäßler vielen anderen, zu einer Begriffsbe- stimmung zu kommen. Ein guter Am Anfang gab es nur eine Idee und Weg, Einseitigkeiten zu vermeiden die Frage: Alle sprechen von kultu- (etwa die Tendenz in der Kulturpoli- reller Bildung und Alltagskultur, aber tik, den Menschen zugunsten einer warum wissen Medienpädagogen, Kunstorientierung aus dem Blick zu Lehrer und politische Entscheidungs- verlieren oder einen Blick auf den träger letztendlich so wenig über die Menschen, der ausschließlich Be- Freizeitkultur von Kindern und Ju- nachteiligung und Defizite sieht, gendlichen und stigmatisieren die wozu die Jugendpolitik oft neigt), ist Welt der Computerspiele, die mitt- eine Sichtweise aus der Perspektive lerweile einen großen Teil der Frei- einer integrativen Kultur-, Jugend- zeitbeschäftigung von Kindern (bzw. Senioren-) und Bildungspolitik, und Jugendlichen ausmacht, ins so wie sie der Deutsche Kulturrat Unermessliche? und die BKJ schon aufgrund ihrer heterogenen Mitgliederschaft anzu- ine Fortbildungsveranstaltung legen gezwungen sind. Eauf der Games Convention, dem Auf dieser Grundlage kann man Tatort des Computerspielens, sollte nunmehr einige aktuelle Fragen auf- die Chance bieten, Lehrer und Kultur- greifen. So wird der Beobachter bei pädagogen mit Experten zusammen einer näheren Betrachtung feststel- zu bringen und ihnen differenzierte len, dass kulturelle Bildung in den Informationen über Computerspiele verschiedenen Politikfeldern wie zu vermitteln. So trafen sich Vertreter etwa Schul-, Jugend-, Kultur- oder des Deutschen Kulturrates, der Uni Seniorenpolitik durchaus unter- Leipzig, der Bundesvereinigung kultu- schiedlich diskutiert wird. Dies reller Kinder- und Jugendbildung, der hängt zum einen mit unterschiedli- Landesvereinigung kultureller Kinder- chen pädagogischen Kulturen und und Jugendbildung Sachsen, der Leip- Traditionen zusammen (z. B. in Hin- ziger Messe, der Sächsischen Landes- blick auf die Unterscheidung von anstalt für privaten Rundfunk und formaler oder nonformaler Bildung). neue Medien (SLM), der Bundeszen- Es hängt auch mit unterschiedlichen trale für politische Bildung und des Zugangsweisen zum Menschen und Kinderhilfswerks bereits 2006 und zur Kunst (im weitesten Sinn) zu- konzipierten gemeinsam eine Veran- Vier ausrangierte Computer spielen Mensch ärgere dich nicht. Das Computerspielemuseum Berlin zeigte auf der dies- sammen. In der Jugendhilfe etwa staltung zum Themenkomplex Com- jährigen Games Convention Kunst in der Halle der GC Family. Foto: Kristin Bäßler steht der junge Mensch im Mittel- puterspiele. Das Ziel sollte sein, „Fach- punkt, oft genug unter der Perspek- Fremde“ aus den Bereichen der Kin- tierenden Vorurteilen der Erwachse- gen wirken soll. Doch trotz der be- nes Computerspieles vorgehen, wel- tive der Beeinträchtigung seiner Ent- der- und Jugendbildung, der Politik nen entgegen zu treten, wurde den stehenden Gesetze, könnte, laut che verschiedene Genres es gibt, ob wicklungsmöglichkeiten. In der Kul- und aus den Kulturinstitutionen an Teilnehmern der zweitätigen Fortbil- der im Juni vom Hans-Bredow-Ins- es sich um Arcade-Spiele oder Rol- turpolitik geht es dagegen oft genug das Thema heranzuführen und über dungsveranstaltung neben AGs zum titut vorgestellten Studie, „Das deut- lenspiele handelt, und welche Krite- in erster Linier um „Kunst“ und de- für die rechtlichen und pädagogischen Jugendmedienschutz, zu Fragen zu sche Jugendschutzsystem im Be- rien angesetzt werden, um eine Al- ren Vermittlung. In einer jugendpo- Aspekte von Computerspielen zu in- Spiele-Genres und Spieleplattformen, reich der Video- und Computerspie- tersbestimmung festzulegen. Bei der litischen Perspektive rückt das Pro- formieren. Kein leichtes Unterfangen, zur Kunst der Spielentwicklung und le“, die Akzeptanz und Nachvollzieh- Diskussion kam die Frage auf, was blem der Benachteiligung und – wenn man bedenkt, dass allein das zum Lernen mit Computerspielen barkeit des Jugendschutzes im Be- eigentlich bei der darstellung von daraus folgend – eine oft unzurei- Wort „Computerspiele“ fast schon zu auch die Möglichkeit geboten, selbst reich der Video- und Computerspie- Gewalt problematischer sei: die Ge- chende Möglichkeit der Teilhabe in einem Schimpfwort mutiert ist, das zu spielen – und das unter Anleitung le durch eine transparentere Praxis waltverherrlichung oder die Gewalt- den Mittelpunkt (Münchmeier, Bil- semantisch alle Gefahren für Kinder von Studierenden der Medienpädago- durchaus verbessert werden. Welche verharmlosung. Konsens bestand, dung und Lebenskompetenz, 2002). und Jugendliche impliziert. Um so gik der Uni Leipzig. Nur durch das Institutionen sich um den Jugend- dass es grundsätzlich wichtig sei, die Der Sozialpolitikforscher Franz Xa- wichtiger, sich dem Thema Compu- Miterleben und Mitspielen kann Ver- medienschutz kümmern, wie Com- unterschiedlichen Spielweisen von ver Kaufmann hat gezeigt, dass die terspiele von einer anderen Perspek- ständnis entstehen, und da, wo es von puterspiele bezüglich des Jugend- 12- oder 16-Jährigen zu berücksich- Realisierung von Teilhabe von einzu- tive aus zu nähren: Nöten ist, auch präventive Maßnah- medienschutzes behandelt und wel- tigen. Während ein 16-Jähriger eher haltenden Bedingungen abhängt: 1. als ein Alltagsphänomen von Kin- men gegen den Missbrauch von Spie- che Aufgaben dabei die freiwillige mit einem reflektierten Verhalten an nämlich von finanziellen, rechtli- dern und Jugendlichen, len herausgearbeitet werden. Selbstkontrolle spielen kann, disku- die Spiele und deren Inhalte heran- chen, bildungsmäßigen und geogra- 2. als ein kulturelles Phänomen, Welche Rolle spielt in diesem tierten der Rechtsanwalt Marc geht, steht bei dem 12-Jährigen phischen Voraussetzungen. Bildung, 3. als ein Phänomen, dass medien- Zusammenhang der Jugendmedien- Liesching und Jürgen Hilse von der zumeist noch ein voyeuristisches so kann man daher sagen, ist eine pädagogisch und jugendschutz- schutz? Entgegen vieler Meinungen Obersten Landesjugendbehörde bei Moment im Vordergrund. Je mehr Bedingung für gelingende Teilhabe. rechtlich eine Herausforderung gibt es in Deutschland bereits recht- der Unterhaltungssoftware Selbst- Gewalt dargestellt wird, desto gefes- Es gilt aber auch die Umkehrung: darstellt. liche Instrumente wie das Jugendme- kontrolle (USK). Durch eine intensive Teilhabe ent- Um den Berührungsängsten, der dienschutzgesetz, dass dem Miss- Marek Klingelstein, ebenfalls von Weiter auf Seite 12 steht Bildung. Unwissenheit und den daraus resul- brauch von Computerspielen entge- der USK, erklärte wie die Tester ei- KULTURELLE BILDUNG politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 12

zu verteufeln, sollte man die positi- ren, war für die Teilnehmer, so die dagogik integraler Bestandteil der oder die E-Sport Competitions an, Fortsetzung von Seite 11 ven Potentiale von Computerspielen einhellige Meinung, eine interessan- Lehrerbildung werden. Darüber hin- dann unterscheidet sich das wenig beispielsweise für die pädagogische te Erfahrung. Nicht nur aufgrund der aus betonte Fuchs, dass es sinnvoll sei, von der wochenendlichen Bundesli- Games Convention Arbeit nutzbar machen. Dazu bedarf gewonnenen Spielerfahrung, son- nicht nur Negativlisten von den Com- ga-Euphorie. Dennoch, dass sei auf es der Verbesserung der flächendeck- dern auch aufgrund der Einblicke in puterspielen anzulegen, die beson- jeden Fall festzuhalten, kommt es selter sind die jüngeren Spieler. Die- enden Medienpädagogik und des ge- die heutige Jugendkultur. ders gewaltverherrlichend sind, son- immer auch auf die Quantität des ses Kriterium muss bei der Altersfrei- naueren Blicks, wer wo warum welche Den Abschluss der zweitätigen dern im Gegenteil Positivlisten, wie es Spielens an: Wenn ein Jugendlicher gabe immer berücksichtigt werden. Spiele spielt. Ein Ziel sollte die „digi- Veranstaltung bildete eine Podiums- das Kinder- und Jugendfilmzentrum zehn Stunden am Tag ununterbro- Dass Computerspiele nicht nur zum tale Integration“ der Eltern sein und diskussion, an der neben dem Vorsit- in Deutschland bereits erstellt. Dieser chen vor dem Computer sitzt, ist dies Spielen geeignet sind, sondern auch der enge Kontakt zwischen Medienpä- zenden des Deutschen Kulturrates, Ansatz könnte zum einen die Spiele nachweislich nicht förderlich für sei- Lernpotentiale in sich bergen, zeigte dagogen und den Jugendlichen. Max Fuchs, auch die Staatsministerin stärker ins Blickfeld rücken, die päda- ne Entwicklung. Da ist es dann auch die Arbeitsgruppe „Lernen mit Com- Zudem sollte der Markt verstärkt dar- für Kunst und Wissenschaft des Lan- gogisch wertvoll gemacht sind, zum zweitrangig, ob es sich dabei um ein puterspielen“. So diskutierten Hans- auf achten, dass Spiele angeboten des Sachsen, Eva-Maria Stange, sowie anderen ein höheres Maß an Verständ- Strategiespiel oder einen Ego-Shooter Jürgen Palme von Studio im Netz SIN werden, die wirklich den Interessen Gunnar Lott, Chefredakteur des Zeit- nis für die Jugendkultur erwirken. handelt. und der Medienpädagoge Hartmut der Jugendlichen entsprechen: Dies schrift „GameStar“, Roland Wöller, Als Erwachsener, der nie ein Com- Durch die Fortbildungsveranstal- Warkus unter der Moderation von sind vielfach nicht, wie stets befürch- der medienpädagogische Sprecher puterspiel gespielt hat, der nie bei ei- tung konnten Vorurteile und Berüh- Arne Busse, welche Möglichkeiten tet, die Ego-Shooter, sondern Strate- der CDU-Fraktion im Sächsischen ner LAN-Party gewesen ist, mag die rungsängste abgebaut und Unwissen- Computerspiele in Hinblick auf das giespiele, die ein hohes Maß an Taktik Landtag, der Vorstandsprecher des Vorstellung dieser begeisterten Com- heit über den Jugendmedienschutz Lernen darstellen, welche Inhalte von und Konzentration erfordern. Bundesverbandes Interaktive Unter- puterspieler tatsächlich befremdlich ausgeräumt werden. Das ist ein erster Computerspielen zum Lernen ge- Während sich der erste Tag mit haltungsmedien (BIU), Thomas Zeit- bleiben. Das liegt aber zunächst we- und vor allem wichtiger Schritt, um braucht werden und wie man grund- grundsätzlichen Fragen zum Thema ner, und Arne Busse von der Bundes- niger an dem Medium selbst, als an sich diesem bereits sehr hochgekoch- sätzlich überhaupt mit dem Compu- Computerspiele beschäftigte, konn- zentrale für politische Bildung teil- der fehlenden Zeit oder dem fehlen- ten Thema noch einmal von einer an- ter lernen kann. ten die Teilnehmer am zweiten Tag nahmen. Sie diskutierten über die den Interesse vieler Erwachsener. Wie deren Perspektive aus zu nähren. Was Mit der Frage, ob Computerspiele selber spielen. Zur Auswahl standen Frage nach dem Verhältnis zwischen ein Buch, dass man zur Hand nimmt aber vielleicht noch viel wichtiger ist: als Kunst zu werten sind, befasste sich „Anno 1701“ und „Counter-Strike“: Kultur, Bildung und Computerspie- und vorliest, erfordern auch Compu- Die Fortbildung trug dazu bei, ein Ver- eine weitere Arbeitsgruppe. Unter der Ein Strategiespiel und ein Ego-Shoo- len. Grundsätzlich, und das wurde terspiele Zeit und Konzentration, und ständnis für die heutige Jugendkultur Moderation von Olaf Zimmermann ter, das in einem separaten Raum ge- von allen Rednern unterstrichen, sei die muss aufgebracht werden, will zu entwickeln – ob man diese im Ein- legten Andreas Lange vom Computer- spielt wurde. Der Inhalt des Spiels es wichtig, einen reflektierten und man wissen, was die eigenen Kinder zelnen teilt oder nicht. Denn nur mit spiele Museum Berlin und Mathias „Counter-Strike“ kann relativ schnell verantwortlichen Umgang mit Com- spielen. Wenn man über die gegen- einem gewissen Maß an Verständnis, Nock, Game Designer bei Related De- zusammengefasst werden: „Gut ge- puterspielen zu vermitteln. Dazu wärtige Jugendkultur reden will, dann können Probleme benannt und Maß- signs (Produktionsfirma der legendä- gen Böse“. „Anno 1701“ erforderte da können zum einen die Familien sel- gehören Computerspiele dazu. Der nahmen zum Schutz von Kindern und ren ANNO Spiele) dar, in welchen Ar- schon mehr taktische Überlegungen, ber beitragen. Zum anderen müsse Vorwurf, dass sich das Empathie- und Jugendlichen ergriffen werden. beitsschritten ein Computerspiel ent- um in der Welt des beginnenden 18. sich aber auch die Schule mit dem Sozialverhalten durch Computerspie- steht und welche künstlerischen Ele- Jahrhunderts bestehen zu können. Phänomen „Computerspiele“ aus- le langsam zurückentwickele, konnte Die Verfasserin ist wissenschaftliche mente sich in Computerspielen Wirklich einmal vor einem dieser einandersetzen. Dazu, dies hob die man bei der Games Convention nicht Mitarbeiterin des Deutschen wieder finden lassen. Während Mathi- Spiele zu sitzen und sie auszuprobie- Ministerin hervor, müsse Medienpä- feststellen. Sieht man sich die LANs Kulturrates as Nock anschaulich darstellte, dass beispielsweise für das Spiel „Anno 1701“ Texter, Schauspieler, Musiker, Dramaturgen und Designer ans Werk gehen, spannte Andreas Lange den Leuchtturm oder Hüpfburg? Bogen etwas weiter und versuchte Jedem Kind ein Instrument – ab 2008 nun auch in Hamburg • Von Udo Petersen anhand des bereits zum Mythos ge- wordenen Videospiels „PONG“ zu zei- Auf einer Pressekonferenz am 9.10. noch – zu selten eingestellt. Ohne die die über die notwendigen Fähigkei- eine echte Chance darstellen könn- gen, wie sich im Laufe der Zeit die 2007 haben die Hamburger Bil- Betreuung durch Musiklehrer vor Ort ten und Methoden des Instrumental- te, als Luftnummer der Vorwahlzeit Computerspiele weiter entwickelt ha- dungssenatorin Alexandra Dinges- in den Schulen bleibt der Leuchtturm unterrichts in den geplanten Grup- herausstellte. Der angerichtete Scha- ben und welche ästhetischen Einflüs- Dierig, die Kultursenatorin Karin von eine Hüpfburg, das Projekt ein Wahl- pengrößen verfügen. Diese sind auch den wäre bedeutend höher als der se sie auch auf den Film ausüben. Die Welck und der Wissenschaftssena- kampfgeplänkel. nur längerfristig zu erlernen. Es ist Kauf von 600 Instrumenten heute ei- Machinima Filme belegen das an- tor Jörg Dräger bekannt gegeben, 2. Instrumentalspiel ist nur ein – völlig unklar, wo in der Weise qualifi- nen Nutzen darstellt. Es wäre zynisch schaulich; mit Hilfe von so genannten dass im August 2008 ein sponsoren- wenn auch wesentlicher – Baustein zierte Instrumentallehrer in der be- den Kindern, den Wählern und auch Game-Engines, dem Grundgerüst für gestütztes Projekt zur musikalischen des Musikunterrichts. Ohne Singen, nötigten Anzahl herkommen sollen, den Mäzenen gegenüber, wenn es jedes Computerspiel, werden in der Breitenförderung gestartet werden Tanzen, Hören, ohne Konzertbesu- die für die Durchführung des Projekts hier nur um den Gewinn einiger Wäh- Ästhetik von Computerspielen Filme soll. Unter dem Motto „Jedem Kind che fehlen den Kindern wesentliche notwendig ist. Ist die landesweite lerstimmen ginge. in Echtzeit produziert. Seit 2002 gibt ein Instrument – JeKi“ soll irgendwann Erfahrungen. Auch dieser Aspekt Umsetzung überhaupt wirklich ge- sogar Festivals, die die besten Machi- einmal jedes Hamburger Grundschul- muss Berücksichtigung finden. plant? In Kenntnis der Politik der ver- Der Verfasser ist Landesvorsitzender nimas auszeichnen. kind Gelegenheit zum Erlernen eines 3. Schön, dass so viele Instrumente gangenen Jahre zweifeln wir daran. des Arbeitskreises für Den Abschluss des Workshops bil- Musikinstruments bekommen – ein angeschafft werden sollen. Es gibt Es wäre sehr schade, wenn sich das Schulmusik (AfS) Hamburg/ dete der Vortrag der Direktorin des ähnliches Projekt wird in Nordrhein- die Instrumentallehrer aber nicht, Projekt „JeKi“, das aus unserer Sicht Schleswig-Holstein JFF-Instituts für Medienpädagogik Westfalen bereits seit längerer Zeit Helga Theunert. Sie gab Einblicke in erprobt. die konvergente Medienwelt von Kin- dern und Jugendlichen. Womit be- en Arbeitskreis für Schulmusik Wir sind alle Literatur-Papst … schäftigen sich Kinder und Jugendli- D (AfS) freut das sehr. Setzt er chen und vor allem wie beschäftigen sich doch seit vielen Jahren für die Von Christoph Schäfer sie sich? Theunert machte zum einen Rechte der Kinder auf eine musika- deutlich, dass die Art des Umgangs mit lische Bildung ein. Allerdings ist ei- „Was, du hast noch nie in den be- terarische Diskurs, das Sich-Äußern Computerspielen sehr häufig etwas niges nötig, damit das Projekt „JeKi“ rühmten Löchern im Buch „Die Klei- über Bücher. Mit viel Ironie und Eleganz mit dem Bildungshintergrund der zu einem Leuchtturm wird. Ein ne Raupe Nimmersatt“ rumgebohrt?“ zieht er gegen die Vorstellung zu Felde, Kinder und Jugendlichen zu tun hat. Leuchtturm benötigt ein stabiles Finn senkt den schamroten Kopf zu dass man Bücher gelesen haben müs- Je umfangreicher der Bildungsgrad, Fundament. Im Moment sieht das einem Nicken. Und spürt die verächt- se, um über sie reden zu dürfen. Doch desto kreativer und pragmatischer Projekt eher wie eine Hüpfburg aus: lichen Blicke von Laura, Alexander und Bayard geht noch weiter: Wurzel allen wird das weite Spektrum der Medien außen mächtig, innen heiße Luft. den anderen aus der Kita-Gruppe. Übels sei der „Zwang zu lesen“ in einer genutzt. Zum anderen gewährte sie 1. Der Kauf von Instrumenten alleine Finn hat sich als unbelesener Dumm- Gesellschaft, in der „Lektüre noch immer Einblicke in die Ergebnisse einer Be- macht noch kein gelungenes Projekt. kopf bloß gestellt – noch bevor von Gegenstand einer Form von Sakralisie- fragung, die das JFF durchgeführt hat- Mit 600.000 Euro kann man etwa 700 ihm überhaupt erwartet wurde, das rung ist“. te und die aufzeigt, wie unterschied- Instrumente kaufen (etwa drei pro ABC zu beherrschen. Zugegeben: lich die Motivation der Jugendlichen Grundschule). Zugegeben, das ist Noch ist eine solche gruppendynami- PISA-Schock und Trash-Kultur legen die ist, Computerspiele zu spielen. Wäh- schon ein Anfang, aber Hamburg steht sche Grenzerfahrung im Knirpsalter, Frage nahe: Bekämpft Bayard nicht ei- rend für den einen das Spielen mit an- vor ganz anderen Herausforderungen: in der Nicht-Kenntnis eines Buches nen Popanz, den er selbst aufgebaut Christoph Schäfer. deren und seine daraus erzielten Er- Noch nicht einmal die Grundversor- eine schlimmere Demütigung bedeu- hat? Kommt er, wenn er „Sakralisierung Foto: Stiftung Lesen folge im Vordergrund stehen, nutzt ein gung der Grundschüler mit Musikun- tet als die falsche Turnschuhmarke, von Lektüre“ quasi als kollektive Zwangs- anderer die Spiele, um sich kreativ und terricht ist gesichert. Die weitaus pure Fiktion: Kein Leseförderungs- neurose kurieren möchte, nicht histo- aller Finns dieser Welt. Das Extrem der ästhetisch auszuleben, indem er eige- meisten erhalten bisher gar keinen Multiplikator hat je von einem „Fall risch viel zu spät? Nüchtern betrachtet laxen Variante endet im großen Rha- ne Filme über die Spielabläufe seiner Musikunterricht, da an den Grund- Finn“ berichtet. Doch warum sollte – nein. Die Säkularisierung der Lesekul- barber, in dem das Präsentieren von Freunde produziert und diese auf ei- schulen zu wenige ausgebildete Mu- eigentlich ausgerechnet in diesem tur ist nicht abgeschlossen. Denn von Büchern im Regal, das Verschenken ner bestimmten Internet-Plattform siklehrer arbeiten. Ohne die Musikleh- Punkt die Erwachsenenwelt von ihrem der Pottermania über den Nimbus des von attraktiven Bänden und das Zitie- präsentiert. Ein drittes Beispiel zeigte rer vor Ort ist keine kontinuierliche Drang absehen, ihre Verhaltens-, Nobelpreises bis hin zur Dramaturgie ren von prominenten Expertenurteilen ein junges Mädchen, dass durch ihren Betreuung der Instrumente und ihrer Dress- und sonstigen Selektionsco- einer „Autorenbegegnung“ an einer ganz über Neuerscheinungen ganz vom tat- Freund zum Spielen gekommen ist Spieler an den Schulen gegeben. Es des immer früher an die nachfolgen- normalen Schule: Inszenierung von Li- sächlichen Lesen der Bücher entkop- und die davon so fasziniert war, dass bleibt bei der isolierten Maßnahme de Generation weiterzugeben? teratur kennt zahlreiche Riten – und vie- pelt ist. Ein möglicher Ausweg aus die- sie nun in der Jungen-dominierten „Instrumentalunterricht“, die sich len von ihnen haftet, mehr oder weni- sem Dilemma? Die Wiederentdeckung Computerspielwelt bestehen und mit- leider schnell erledigt, denn ohne dass Dem wenn auch fiktiven, so dennoch ger bewusst, der Charakter einer Re- der ursprünglichen Intimität, die zwi- halten kann. Allen Beispielen ist die die Kinder ihr Instrument auch außer- bemitleidenswerten Finn wäre viel er- Sakralisierung an. Offenbar gilt für Lite- schen Leser und Lektüre herrscht: Ob Suche nach sozialer Einbettung in ihre halb des Instrumentalunterrichts im spart geblieben, hätte er, wenn schon raturproduzenten, -vermittler und auch man einen Text durchgelesen, quer Peer-Groups gemein und das Streben Klassenmusizieren benutzen, also nicht Eric Carles Kinderbuchklassiker, Konsumenten, ob sie wollen oder nicht: gelesen, oder ganz und gar wieder ver- nach Dazugehörigkeit. ohne dass der Instrumentalunterricht so doch zumindest den aktuellen Es- „Wir sind alle Literatur-Papst“. gessen hat, das sollte man einzig und Theunert machte deutlich, dass in ein musikpädagogisches Konzept say des Literaturwissenschaftlers und allein zwischen sich und dem betref- die Gewaltbereitschaft von Jugendli- der Schulen eingebunden ist, verlie- Psychoanalytikers Pierre Bayard als Sakralisierung wiederum hat einen pa- fenden Buch ausmachen. Ansonsten chen nicht primär im Spielen von ge- ren die Kinder schnell die Lust. Erst die Lektüre in petto gehabt: „Wie man über radoxen Effekt: Sie wirkt zum einen mis- geht es keinen etwas an, ob man „was waltdominierten Computerspielen Musiklehrerin, der Musiklehrer vor Ort Bücher spricht, die man nicht gelesen sionarisch-vereinnehmend – und zum miteinander hatte“. zu suchen ist, sondern, dass vielmehr kann die Motivation sichern und so hat“. Bayard rüttelt an den Axiomen andreren sektierisch-ausgrenzend. Auf nach pädagogischen und sozialen Kontinuität herstellen. Diese werden dessen, was „Lesekultur“ zu einem die Lesekultur bezogen führt sie bei der Der Verfasser ist Pressesprecher der Zusammenhängen gefragt werden aber zu wenig ausgebildet, die ausge- nicht geringen Teil ausmacht – der li- strengsten Observanz zur Verketzerung Stiftung Lesen muss. Anstatt Computerspiele per se bildeten Musiklehrer werden – immer KULTURGROSCHEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 13

Medien und Politik – zwei Seiten einer Medaille Kulturgroschen 2007 geht an Fritz Pleitgen • Von Monika Grütters Als Hausherrin hier am Pariser Platz Inzwischen hält der vierte (!) Staats- 7 darf ich Sie alle im Namen der minister für Kultur und Medien heu- Stiftung Brandenburger Tor ganz te hier die Festrede. Wenn das kein herzlich begrüßen. Der Kulturrat Erfolg ist! zeichnet heute den langjährigen Und ein anderer ganz großer WDR-Intendanten Fritz Pleitgen mit Kommunikator ist Fritz Pleitgen, der dem Kulturgroschen 2007 aus – es nicht nur 12 Jahre an der Spitze des ist die 15. Verleihung dieser Aus- größten ARD-Senders gestanden zeichnung für ein herausragendes hat, sondern sich vor allem durch kulturpolitisches Engagement, und sein kulturelles Engagement aus- sie geht an einen Medienmann – an zeichnet. Als WDR-Intendant setzte einen Medienmann, der wie nur we- sich Fritz Pleitgen besonders für das nige für den öffentlich-rechtlichen, Kulturleben in Nordrhein-Westfalen politischen Journalismus in Deutsch- ein, durch seine Konzerte und die land steht. Unterstützung von Festivals förder- te der Sender die Kultur in den Regi- edien und Politik – das sind oft onen sowie insbesondere auch die M zwei Seiten einer Medaille, zeitgenössische Kunst. Und das ist – und nicht immer harmonieren sie so lassen Sie mich das als Kulturpoliti- richtig miteinander. So sieht man kerin sagen – das vor allem ist lo- eben auch immer nur eine Seite der bens- und auszeichnenswert! Denn jeweiligen Medaille, je nachdem, wel- die Zeitgenossen unter den Künst- che gerade nach oben schaut. lern haben es naturgemäß schwerer, Wie wichtig aber beide Seiten Verständnis und Unterstützer zu fin- füreinander sind, das konnten wir den. Dabei ist es eben dieses Ele- zuletzt in dem Film von Jürgen Lei- ment deutscher Kulturpolitik, das nemann sehen, der in der vergange- uns so ein hohes Ansehen in der Welt nen Woche leider sehr spät abends beschert: Dass die öffentliche Da- in der ARD zu sehen war und den seinsfürsorge für die Kultur in vielsagenden Titel „Politik. Macht. Deutschland eben nicht nur dem Sucht“ trug. Jürgen Leinemann hat kulturellen Erbe gilt, so schützens- sich, den Journalisten, dort durchaus wert dieses auch sei, sondern dass als ein gleichwertiges, gleich verant- wir mit der öffentlichen Kulturfinan- wortliches und gleichermaßen ge- zierung eben auch das Avantgardis- Die Hausherrin Monika Grütters bei der Begrüßung. Foto: Stefanie Ernst fährdetes Mitglied im Spiel der poli- tische möglich machen. Das schließt tischen Kräfte gesehen und darge- die Möglichkeit des Experimentie- stitutionen ist unsere operative Stif- mittlerweile weltbekannten Berliner Projekte zu ermöglichen. Die Aus- stellt – den Film sollte man allen Po- rens ein, daher auch das Risiko des tung auch einmal mehr für das Ber- Künstlerprogramm. Heute mag ein stellung „Beyond the Wall“ ist in die- litikern als Pflichtprogramm verord- Scheiterns. Aber nur so kann Avant- liner Künstlerprogramm des DAAD kulturpolitisches Instrument wie so sem Sinne ein best practice-Beispiel nen, meine ich. Er ist es wert. garde gelingen – und sie ist es, die – Sie sehen es an den herrlichen Ex- ein Stipendienprogramm uns allen für ppp – public private partnership. Politik und Medien also. Und die der gesellschaftlichen Wirklichkeit ponaten hier: geläufig sein, aber damals, vor 44 Der Kulturrat hat das übrigens in Kultur und die Medien? Seien wir doch vorausgeht, auch der Wirtschaft. Die Beyond the Wall – jenseits der Jahren, war diese Idee geradezu vi- seiner September-Oktober Ausgabe mal ehrlich: In den Parteien spielt die Vordenker kommen aus der Wissen- Mauer, das sind gleich zwei Perspek- sionär. von politik und kultur gewürdigt – Kulturpolitik nicht gerade eine Haupt- schaft und aus der Kultur – ihnen tiven, aus denen die Stiftung Bran- Man muss sich das nur noch mit einem Artikel und mit einer gan- rolle, Karriere macht man innen und müssen wir Freiheiten einräumen, denburger Tor der Frage nach dem einmal vorstellen: Als Antwort auf zen Serie von Abbildungen der hier außen besser mit anderen Themen. und das geht nur mit staatlicher För- Blick auf Berlin und aus Berlin nach- den Mauerbau (!) haben die Ameri- gezeigten Werke. Danke dafür auch Aber man darf die Wirkung der Kultur derung. geht, mit dieser Ausstellung, einem kaner, also eine der alliierten Besat- an Sie, lieber Herr Zimmermann. in der Politik und der Gesellschaft Kultur ist keine Ausstattung, kei- großzügigen Begleitprogramm, ei- zungsmächte, den Berlinern nicht So wie der Deutsche Kulturrat dann doch nicht unterschätzen: Sie ist ne Dekoration, die eine Gesellschaft ner Musikreihe, die die Akademie etwa Care-Pakete geschenkt, son- den Interessen der Kultur und der zwar klein im Budget, aber groß in der sich leistet, Kultur ist vielmehr eine der Künste ausrichtet, und mit einer dern ihnen Geld für einen Künstler- Künstler eine Stimme verleiht, so öffentlichen Bedeutung. Dass sie eine Vorleistung, die allen zugute kommt. Literaturkonferenz in Zusammenar- austausch gegeben – und nicht ge- sind eben auch Einrichtungen wie strategische Größe ist, hat sie nicht Und eben diese braucht Unterstüt- beit mit dem Literarischen Colloqui- rade wenig übrigens: Mit der damals diese Stiftung Brandenburger Tor zuletzt ihrem genuin kommunikati- zer wie Fritz Pleitgen, wie die jour- um Berlin vom 24. bis 26. Oktober. riesigen Summe von fast 1 (einer) Akteure in dem großen Politik-Kul- ven Charakter zu verdanken. Und nalistische Begleitung, wie große Im Jahr 1963 von der Ford Foun- Million Dollar konnte das Literari- tur- und Mediengeflecht in Deutsch- immerhin: In jeder Zeitung gibt es ein Partner, wie den WDR. dation als Antwort auf den Mauer- sche Colloquium am Wannsee er- land. Feuilleton. So kann die Kultur sich Wir von der Stiftung Brandenbur- bau gegründet, ist seither das „who richtet werden, und es wurden Sti- Seit nunmehr zehn Jahren sind doch immer wieder neu öffentlich ger Tor sind stolz darauf, dass wir ist who“ der jüngeren Kunstge- pendien für bildende Künstler, für wir operativ in den Bereichen Bil- Gehör verschaffen. auch gelegentlich Partnerin sein schichte auf Einladung des DAAD für Literaten, Musiker und Filmemacher dung, Wissenschaft und Kultur tätig. Ein ganz großer Kommunikator können – zum Beispiel für den Deut- einige Monate zu Gast in Berlin ge- gegeben, die sich ein Jahr in Berlin Mehr als 350.000 Menschen haben auf dieser Bühne ist der Deutsche schen Kulturrat, der hier seinen Kul- wesen. Und da bin ich mir ganz si- aufhalten sollten. seit unserem Einzug Mitte 2000 die- Kulturrat. Als der Deutsche Kulturrat turgroschen heute schon zum sechs- cher: Die grenzüberschreitende Mo- Mehr als 1.000 Künstler sind mitt- ses Haus besucht, acht große Aus- 1981 gegründet wurde, steckte die ten Mal verleiht. bilität, die zum Markenzeichen der lerweile hier in Berlin gewesen, stellungen, Wissenschaftswork- Kulturpolitik, zumindest auf Bun- Partnerin und eben nicht Kon- Stadt geworden ist, wurzelt zu einem beinahe ein Drittel von ihnen ist län- shops, 30 Publikationen und acht desebene, noch in den Anfängen. kurrentin der öffentlichen Kulturin- nicht geringen Teil in eben diesem ger geblieben. Laszlo Lakner konnte bundesweite Jugendwettbewerbe dem kommunistischen Ungarn den sollen eben auch die kulturelle Ver- Rücken kehren und ist Professor an antwortung unterstreichen, die Un- der Kunstakademie in Essen gewor- ternehmen und ihre Stiftungen in den, Matt Mullican hat an der Hoch- der Bürgergesellschaft tragen, am schule der Künste hier in Berlin ge- besten als Partner der etablierten lehrt, Bernhard Frize hat sein Atelier Einrichtungen. hier in Berlin, der Nomade Jimmie Medienpartner bei unserer Aus- Durham war bis vor kurzem lange stellung ist übrigens der Tagesspiegel Jahre hier, und Ayse Erkmen hat zwei – sicher nicht zuletzt deshalb, weil wir Wohnsitze: einen in Istanbul, einen mit „Beyond the Wall“ ein staatlich in Berlin. gefördertes Kulturprogramm feiern. Dass es jetzt die private Stiftung Kultur und Medien liegen hier Brandenburger Tor ist, die diesem also ganz nah beieinander, und da- Berliner Künstlerprogramm eine Art mit die Kultur-Politik und die Medi- Zwischenbilanz nach 44 Jahren in en heute nicht zu kurz kommen, hö- Form einer Ausstellung und eines ren wir nach der Begrüßung durch großen Literaturauftritts ermöglicht, den Vorsitzenden des Deutschen liegt zum einen an der Begeisterung Kulturrates, Prof. Dr. Max Fuchs, den für die Qualität der Künstler und ih- Staatsminister für Kultur und Medi- rer Arbeiten, die in Berlin einfach en, Bernd Neumann, der die Lauda- mal konzentriert gezeigt werden tio halten wird. sollten. Zum anderen ist es aber Genießen wir heute also einfach auch der kulturpolitische Blick auf eine schöne Koexistenz von Politik, dieses Programm und seine Leistung Kultur und Medien – in diesen Räu- für die einzelnen Künstler wie für die men Max Liebermanns und der Stif- Stadt: Es lohnt sich eben doch, Struk- tung Brandenburger Tor, an diesem turen wie diese in der Kulturnation historischen aber auch aktuell nati- Deutschland zu pflegen – die staat- onal bedeutsamen Kultur-Ort in der liche Kunstförderung treibt gele- Hauptstadt. Ihnen und uns allen gentlich ganz hervorragende Blüten. wünsche ich einen angenehmen und Und dann entspricht es eben erfolgreichen Abend! auch dem Selbstverständnis unserer operativen Stiftung, nicht als Kon- Die Verfasserin ist Vorstand kurrentin zu den etablierten hoch- der Stiftung Brandenburger Tor Dr. Claudia Schwalfenberg, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, Fritz Pleitgen, Prof. Dr. Max Fuchs, Olaf Zimmer- klassigen Kulturinstitutionen in Ber- und Mitglied des Deutschen mann und Christian Höppner (v.l.n.r.). Foto: Stefanie Ernst lin aufzutreten, sondern gemeinsam Bundestags KULTURGROSCHEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 14

Gemeinsames Eintreten für kulturelle Vielfalt Zur Zusammenarbeit zwischen Deutschem Kulturrat, dem WDR und anderen öffentlich-rechtlichen Sendern • Von Max Fuchs Wir vergeben heute zum fünfzehn- hung und Verabschiedung der Kon- ten Mal den Kulturgroschen hier bei vention zur kulturellen Vielfalt im Ihnen und wir sind froh darüber, Kontext der UNESCO. Sie wissen es: dass wir das an diesem schönen Es geht darum, dass ein rein markt- und geeigneten Ort tun dürfen. Vie- wirtschaftliches Denken bei be- len Dank an die Stiftung Branden- stimmten Feldern der Daseinsvor- burger Tor und Sie, liebe Frau Grüt- sorge nicht die geeignete Denk- und ters, für die Gastfreundschaft. Handlungsform ist. Wir kämpfen daher seit Jahren darum, dass der ch begrüße Sie ganz herzlich zur Bereich der Medien und der Kultur I Verleihung des Kulturgroschens aus dem GATS-Abkommen, das eine des Deutschen Kulturrates an Fritz rigorose Liberalisierung und Dere- Pleitgen. Wie in jedem Jahr hat sich gulierung der entsprechenden Fel- auch in diesem Jahr die Jury, die wir der betreiben will, ausgeschlossen für die Auswahl einer geeigneten bleibt. Kulturelle Güter und Dienst- Persönlichkeit berufen haben, unter leistungen, und hierzu zählen auch der Leitung von Christian Höppner die Medien, haben gemäß der Kon- zusammengesetzt, um sich der Qual vention zur kulturellen Vielfalt einen der Auswahl zu unterziehen. Ich ver- Doppelcharakter, nämlich neben ei- rate sicherlich kein Staatsgeheimnis, ner ökonomischen Dimension ha- wenn ich Ihnen nunmehr erzähle, ben sie auch eine kulturelle Dimen- dass die Sitzung der Jury dieses Jahr sion. Dies ist der entscheidende ausgesprochen kurz war. Denn so- Grund dafür, dass sie nicht als bloße bald der Name Fritz Pleitgen in die ökonomische Produkte behandelt Runde geworfen worden ist – und werden dürfen. dies geschah gleich am Anfang die- Bei dieser Auseinandersetzung ser Sitzung –, war es für jedes Jury- hat Fritz Pleitgen eine etwas längere mitglied klar, dass damit auch schon Vorgeschichte als ich. Denn er war die Entscheidung gefallen ist. Nun bereits bei dem legendären Minis- mag sich der kultur- und medienpo- terratstreffen der Welthandelsorga- litisch unbedarfte Mensch – den es nisation WTO in Seattle dabei, wo in diesem Kreise sicherlich nicht ge- sich zum ersten Mal ein etwas um- ben wird – fragen: Warum Fritz Pleit- fangreicherer öffentlicher Protest gen? Nun, alle diejenigen, die es gegen diese gnadenlose Ideologie Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates. Foto: Stefanie Ernst nicht wissen sollten, werden es spä- einer puren Marktwirtschaft in allen testens in der Laudatio von Herrn Gesellschaftsfeldern artikuliert hat. Krokodil mit ausgesprochen hungri- lich ist dies gut gelungen. Deutsch- onskonzept, das im Rahmen einer Minister Neumann erfahren. Ich darf Bei dem nächsten Ministerratstref- gen Augen beobachtet hat. Dieses land gehörte zu den ersten Staaten, Selbstverpflichtung eine Leitlinie Herrn Minister Neumann ganz herz- fen in Cancun waren wir schon ge- Krokodil ist insofern ein biologisches die diese Konvention ratifiziert ha- sowohl für das interne Management lich danken, dass er sich sofort be- meinsam aktiv. Wir haben eine Wo- Wunder, als es bei jeder erneuten ben. Nunmehr wird es darum gehen, dieses großen Betriebes, als auch für reit erklärt hat, diese Laudatio zu che in Cancun verbracht, haben sehr Erzählung etwa einen Meter länger sie in die Praxis umzusetzen. Ich bin die Programmgestaltung dient. Die- übernehmen. viele Treffen mit Politikern, mit wird. sicher, dass es auch hierbei zu vie- ses Konzept ist so gut, dass ich es Ich selber will nur einige Punkte Gleichgesinnten, aber auch mit Wi- Auch auf nationaler Ebene haben len fruchtbaren Kooperationen kom- mittlerweile als Grundlage für Lehr- aus der inzwischen mehrjährigen dersachern durchgeführt, um Bünd- wir sehr viele Aktivitäten gemeinsam men wird, wenn sich in der Praxis veranstaltungen an der Hochschule Zusammenarbeit des Deutschen nispartner für unsere gemeinsame durchgeführt. So haben wir regelmä- der Kulturpolitik und der kulturellen verwende. Kulturrates mit den öffentlich-recht- Angelegenheit zu finden. Dies ist ßig Parlamentarier und Parlamentar- Einrichtungen zeigen muss, welchen Sie merken schon, meine Damen lichen Rundfunkanstalten, mit dem recht gut gelungen. Insbesondere ierinnen eingeladen, um für unser Wert kulturelle Vielfalt hat. Unsere und Herren, dass für mich die Wahl WDR und speziell mit Fritz Pleitgen haben wir in dem internationalen Anliegen zu werben. Dabei ging es letzte Kooperation fand im Rahmen von Fritz Pleitgen eine Selbstver- an dieser Stelle anführen. Die Ge- Netzwerk zur kulturellen Vielfalt zum einen darum, Widerstand gegen eines Kongresses statt, den Sie, lie- ständlichkeit war. Lieber Herr Pleit- schichte dieser Zusammenarbeit ist (INCD) einen handlungsfähigen die Liberalisierungswünsche im ber Herr Pleitgen, als Präsident der gen, ich danke Ihnen sehr für die recht typisch für das Vorgehen des Partner gefunden, mit dem wir Rahmen des GATS-Abkommens European Broadcasting Union (EBU) gute Zusammenarbeit und ich kann Deutschen Kulturrates. Denn alles seither eng zusammen arbeiten. Ich deutlich zu machen. Später ging es im Essen im November vergangenen mir vorstellen, dass sich diese Zu- begann mit einer kritischen Stel- habe außerdem noch in sehr guter darum, die Konvention zur kulturel- Jahres veranstaltet haben. Auch hier sammenarbeit im Rahmen Ihrer lungnahme des Kulturrates zur Pro- Erinnerung ein Treffen mit Abgeord- len Vielfalt in ihrer Entstehung zu ging es um die Umsetzung kulturel- neuen Aufgabe rund um die Kultur- grammgestaltung der ARD. Es ging neten des Deutschen Bundestages begleiten. Und schließlich ging es ler Vielfalt. Der WDR konnte sich hauptstadt Europas 2010 fortführen seinerzeit darum, dass das Kultur- und des Europa-Parlamentes bei ei- darum, eine gute Stimmung für eine dort als vorbildliche Anstalt präsen- wird. magazin Titel, Thesen, Tempera- nem Abendessen, das nur dadurch rasche Ratifizierung dieses Abkom- tieren. Denn er hat nicht bloß einen mente nach hinten verschoben wer- ein wenig gestört wurde, dass in ei- mens bei den Parlamentariern zu Integrationsbeauftragten, sondern Der Verfasser ist Vorsitzender des den sollte, um Platz zu schaffen für nem viel zu kurzen Abstand uns ein erzeugen bzw. zu erhalten. Bekannt- er hat auch ein sehr gutes Integrati- Deutschen Kulturrates die neue Sendung von Sabine Chris- tiansen. Wir haben dagegen protes- tiert, dass wieder einmal die Kultur den Kürzeren ziehen sollte, auch wenn wir selbstverständlich nichts Politik, Medien und Kultur dagegen haben, dass qualifiziert Grundpfeiler des Erfolgs von Fritz Pleitgen • Von Bernd Neumann über Politik diskutiert wird. Wir ha- ben nun erzählt bekommen, dass Als ich hörte, dass sich der dies- Bonheur: selbst zu bestimmen, was beachtet, sondern gelebt und prakti- nanzierte Fernsehen immer wieder der Kreis der Intendanten diese kri- jährige Empfänger des „Kulturgro- über einen erzählt und geschrieben ziert. durch die Qualität seiner Programme tische Stellungnahme des Kulturra- schens“ mich als Laudator wünscht, wird – davon können Politiker nur Deshalb ehrt ihn der Deutsche legitimieren muss. tes sehr wohl zur Kenntnis genom- habe ich mich geehrt gefühlt und träumen. Ich meinerseits rede gerne Kulturrat heute mit der Verleihung Politik, Medien und Kultur: Es men hat, sich sicherlich auch dar- mit Freude zugesagt. Denn eine Gutes über Fritz Pleitgen. Wir hatten des „Kulturgroschens“. Der Preis soll sind diese drei Pfeiler, auf denen Sie über gewundert hat, wer denn hier Rede auf den „Alten Fritz“ zu hal- – er als Medienmanager, ich als Me- aber auch die Verdienste würdigen, Ihren beruflichen Erfolg gründeten. die Stimme erhebt. Interessant ist, ten, so nennt man ihn inzwischen dienpolitiker – im Lauf der Jahrzehn- die Sie sich als führender Kopf der Sie pflegten Umgang mit den Großen dass die Intendanten sich nicht dazu beim WDR, ist allemal erfreulicher te mehrfach miteinander zu tun. Da- ARD und als Präsident der Europäi- der Welt und hielten doch immer Dis- entschieden haben, entweder sang- und heiterer, als eine aktuelle Stun- her weiß ich, dass uns – bei aller Un- schen Rundfunk Union im europäi- tanz zu ihnen. und klanglos über diese Kritik hin- de im Deutschen Bundestag zu be- terschiedlichkeit unserer Biografien schen und internationalen Rahmen Ihre Reportagen aus der Sowjet- weg zu gehen oder möglicherweise stehen. Es ist aber auch eine Her- und unseres beruflichen Weges – ei- schon erworben haben und sich als union, der DDR und den USA brach- selber kritisch zu reagieren. Man hat ausforderung: Denn Fritz Pleitgen nige Grundüberzeugungen verbin- Promoter, Organisator und Geschäfts- ten uns die Weltpolitik zu Zeiten des sich vielmehr entschieden, diesen ist in jeder Hinsicht unübertrefflich den. führer des Kulturprojekts „RUHR Kalten Krieges ins Haus, aber es gab eigenartigen Kulturrat etwas näher – auch bei der Würdigung der eige- Erstens glauben wir, dass Kultur 2010“ sicher noch erwerben werden. von Ihnen auch wunderbare Berich- kennen lernen zu wollen. Und diese nen Person. Sie sollen ja schon mit kein x-beliebiges Wirtschaftsgut ist, Mit dieser Auszeichnung, lieber Herr te über das kulturelle Leben in New Entscheidung war der Beginn einer 14 Jahren im westfälischen Bünde mit dem man handelt, wie mit Autos Pleitgen, werden Sie in einer Reihe York und schließlich – nach dem Ein- inzwischen mehrjährigen vertrau- als Reporter für die „Freie Presse“ oder Waschmaschinen. Zweitens wis- von Politikern, Kunst- und Kultur- sturz der Mauer – spannende Inter- ensvollen Zusammenarbeit. Heute geschrieben und dabei vor allem sen wir, dass „kulturelle Vielfalt“ ge- schaffenden zu nennen sein, wie Da- views und Filme aus der untergehen- sitzt ein Vertreter der ARD in unse- Ihre eigenen genialen Spielzüge nauso geschützt werden muss, wie niel Barenboim, Johannes Rau, Rita den DDR und dem zerfallenden So- rem Medienausschuss, der sich zur beim FC Bünde gelobt haben. das Klima oder die Artenvielfalt, dass Süssmuth oder William Forsythe. wjetimperium. Zeit mit einer ganz wichtigen Frage sie nicht dem Spiel freier Marktkräf- Herzlichen Glückwunsch dazu. Ihre WDR-Kollegen haben Sie als des öffentlich-rechtlichen Rund- nd weil sich dieses Prinzip of- te überlassen werden darf und dass Sie waren Korrespondent, Chef- durchsetzungsstarkes Arbeitstier in funks befasst, nämlich mit der Digi- U fenbar bewährt hat, haben Sie die Förderung auch scheinbar un- redakteur, Hörfunkdirektor, Inten- Erinnerung: „Dieser Kraftprotz bolz- talisierung. Herr Schächter, der In- es auch mehr als ein halbes Jahrhun- wirtschaftlicher kultureller Dienst- dant des WDR, 44 Jahre lang, das te mit ruppiger Durchsetzungsfähig- tendant des ZDF, hat uns angeschrie- dert später wieder angewandt. Als leistungen eine öffentliche Aufgabe prägt. „Ohne den öffentlich-rechtli- keit, die vor nichts zurückschreckte. ben, dass er in Zukunft ebenfalls der WDR den Abschiedsfilm über Sie ist. Drittens sind wir uns darin einig, chen Rundfunk“, sagten Sie einmal, Er stampfte durch dick und dünn, gerne einen Vertreter in diesen Me- machte, erzählten Sie der Süddeut- dass das Privileg öffentlich-rechtli- „gäbe es in Deutschland eine emp- auch wenn es darum ging, den eige- dienausschuss entsenden möchte. schen: „Wir drehen meinen Nachruf. cher Medien, sich über Gebühren zu findliche Informations- und Kultur- nen Beitrag, der wegen aktueller The- Die Zusammenarbeit ist also inzwi- Schließlich muss von jeder Person finanzieren, die Verpflichtung ein- störung“ – eine Einschätzung, die menverlagerung auf der Kippe stand, schen institutionalisiert. Besonders der Öffentlichkeit ein sendefähiger schließt, qualitativ hochwertige Pro- auch von den Verfassungsrichtern in ins Programm zu boxen.“ So be- eng wurde unsere Zusammenarbeit Nachruf vorliegen, für alle Fälle. Da gramme anzubieten. Fritz Pleitgen Karlsruhe geteilt wird, wie sich gera- schrieb Sie Ihr Kollege Werner Filmer. rund um die Debatte über das will ich bei dem meinem selber mit- hat diese Prinzipien in allen Stationen de vor wenigen Tagen erst zeigte. Dienstleistungsabkommen GATS machen, da hat man im Griff, was seines beruflichen Lebens im öffent- Freilich haben Sie ebenso darauf be- Weiter auf Seite 15 und in der Folgezeit um die Entste- später über einen erzählt wird.“ À la lich-rechtlichen Rundfunk nicht nur standen, dass sich das gebührenfi- KULTURGROSCHEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 15

Mal die „TRIDEM 2005“ veranstalte- Rucksack voller Argumente durch die Fortsetzung vvon Seite 14 ten, eine Kulturrallye von polnischen, mexikanische Stadt gezogen und ha- französischen und deutschen Ju- ben für den Erhalt der „kulturellen Und so habe auch ich Sie erlebt: Als gendlichen durch drei Länder, haben Vielfalt“ geworben. Die brauche, so einen zielstrebigen und geradlini- uns der WDR und besonders Sie, Herr argumentierten Sie, genauso unseren gen, aber auch taktisch versierten Pleitgen, tatkräftig unterstützt. Ihnen Schutz, wie die Umwelt und das Kli- und ziemlich ausgebufften Medien- haben wir es zu verdanken, dass sich ma. profi. über 1000 Jugendliche in der Zeche Die EU hat sich der eindimensi- Unvergessen die Berichte und In- Zollverein zu einem spektakulären onalen WTO-Sichtweise widersetzt terviews mit literarischen Persönlich- Fest treffen konnten. Wieder ein Bei- hat und das ist auch Ihr Verdienst. keiten wie Lew Kopelew oder Günter spiel für Ihre Gabe, die Menschen in Unsere gemeinsamen Bemühungen Grass, die Sie geschickt dazu nutzten, Europa durch Kultur zu begeistern. haben schließlich dazu geführt, dass politisch brennende Fragen anzu- Ich sprach eingangs bereits von die UNESCO-Konvention zum sprechen, ohne den Künstler und unserer gemeinsamen Grundüber- Schutz und zur Förderung der Vielfalt sein Werk aus den Augen zu verlieren. zeugung, dass Kunst und Kultur nicht kultureller Ausdrucksformen verab- Ohne Sie wäre aber auch die Sendung auf ihre Wirtschaftlichkeit reduziert schiedet wurde, die im Frühjahr die- mit der Maus nicht das geworden, werden können. Die Bewahrung der ses Jahres in Kraft trat. was sie ist: Ein hervorragendes Bei- kulturellen Vielfalt ist eine öffentliche Damit hat sich die internationa- spiel für qualitätsvolles Kinderfernse- Aufgabe und auch mein zentrales, le Staatengemeinschaft erstmals auf hen, das bekanntlich auch ganz viele politisches Anliegen. Sie waren allzeit ein rechtsverbindliches Instrument Erwachsene fasziniert, z. B. auch die dafür ein unermüdlicher Mitstreiter. geeinigt, das diesen Schutz garantiert Bundeskanzlerin, wie kürzlich zu le- Die Kundigen unter uns wissen, und die GATS-Philosophie durch- sen war. Wer von uns könnte sich dem was das Kürzel GATS bedeutet: „All- kreuzt. Kommerzialisierungsbestre- Charme von Käpt’n Blaubär entzie- gemeines Abkommen über den Han- bungen im Kultur- und Medienbe- hen! Leider ist es Ihnen als Intendant, del mit Dienstleistungen.“ In Ver- reich werden nämlich jetzt, bei aller Durchsetzungskraft, nie ge- handlungen mit der EU will die World zumindest auf WTO-Ebene, erheb- lungen, den Schlusskommentar beim Trade Organization (WTO) die globa- lich schwieriger. Außerdem sichert „Presseclub“ von Hein Blöd sprechen len Märkte liberalisieren. Das ist an das UNESCO-Übereinkommen zu lassen. sich wünschenswert. beispielsweise die Filmförderung in Kulturelle Vielfalt, ich sagte es Aber die WTO und vor allem die Deutschland, wie auch den gebüh- bereits, ist unser gemeinsames Ziel. Amerikaner betrachten auch kultu- renfinanzierten öffentlich-rechtli- Sie, lieber Herr Pleitgen, haben es relle Dienstleistungen wie Radio, chen Rundfunk. Über beides freue schon als WDR-Hörfunkchef und Fernsehen, Film und Musik als nor- ich mich, wie Sie sich sicherlich vor- später auch als Intendant umgesetzt. male Wirtschaftsgüter und bedrän- stellen können, besonders. Auf Ihren Mit der Regionalisierung des Senders gen die EU, ihre Märkte zu liberali- Anteil an diesem Meilenstein der Kul- sorgten Sie dafür, dass sich die Viel- sieren, Subventionen zu streichen turpolitik, lieber Fritz Pleitgen, kön- falt der Regionen und deren Interes- und den gesamten Kulturbetrieb dem nen Sie zu Recht stolz sein. sen im öffentlich-rechtlichen Rund- freien Spiel des kommerziellen Wett- Von der internationalen Kultur- Kulturstaatsminister Bernd Neumann hält die Laudatio auf Fritz Pleitgen. funk stärker widerspiegeln. bewerbs zu überlassen – eben das, was und Medienpolitik in Cancún und Foto: Stefanie Ernst Besonders freut mich als zustän- für den deutschen und den europäi- Brüssel zurück in Ihre Heimat, ins digen Staatsminister natürlich Ihr schen Kulturbetrieb unannehmbar Ruhrgebiet: Seit Kurzem laufen bei ren und mutigen Entscheider freuen aus, das er anlässlich des 50-jährigen Engagement für die Deutsche Welle. wäre. Denn wenn Kultur nicht mehr Ihnen die Fäden für ein kulturelles und wird sich auch sicher bald an das Jubiläums des WDR mit einem Auf- Sie sind der Spiritus rector jener Ver- nach Qualität, sondern nur noch nach europäisches Großprojekt zusam- ganz eigene Tempo eines Fritz Pleit- tritt in der „Lindenstraße“ bereits un- waltungsvereinbarung, mit der wir Rendite fragt, wäre dies das Ende der men. Ich rede von der europäischen gen gewöhnen: die „fritzmäßige“ Er- ter Beweis gestellt hat. Ich glaube die Zusammenarbeit des Auslands- „kulturellen Vielfalt“. Kulturhauptstadt Essen beziehungs- ledigung von Aufgaben ist im WDR nicht, dass wir noch lange auf ein sender mit ARD und ZDF auf eine Sie, lieber Herr Pleitgen, haben als weise der Ruhr 2010 GmbH, deren längst ein geflügeltes Wort geworden. neues Buch oder wunderbare Filme neue Grundlage gestellt haben, und überzeugter Anhänger des öffentlich- Geschäftsführer Sie seit dem 1. April Meine Damen und Herren: Bei ei- von Ihnen warten müssen: Ich jeden- man kann ohne Übertreibung sagen, rechtlichen Rundfunks sehr früh die- sind. Mit diesem Posten haben Sie nem Mann, der die Rastlosigkeit selbst falls freue mich schon. dass es ohne Ihren Einsatz nicht zu se Risiken erkannt und sind in die sich viel vorgenommen. Es ist eine als seinen Hauptcharakterzug be- dieser Kooperation gekommen wäre. Offensive gegangen. ganz besondere „Agenda 2010.“ Und zeichnet, dürfen wir sicher noch mit Der Verfasser ist Staatsminister bei Dafür möchte ich Ihnen herzlich dan- Als 2003 im mexikanischen Can- einen besseren Organisator hätte einigen Überraschungen rechnen. der Bundeskanzlerin und Beauf- ken. cún über GATS verhandelt wurde, man dafür nicht finden können. Ihr Vielleicht baut Fritz Pleitgen ja tragter der Bundesregierung für Um dieses zügig zu realisieren, sind Sie unermüdlich mit einem Team kann sich über einen visionä- noch sein schauspielerisches Talent Kultur und Medien habe ich vorgesehen, dass die Deut- sche Welle im Haushalt 2008 die Glo- bale Minderausgabe (- 6 Mio. Euro) nicht erbringen muss, im Gegenteil sogar eine Erhöhung von 4 Mio. Euro Hemmungslosigkeit für Kultur erfolgt. Ansporn durch den gewonnenen Groschen: Dankesrede des Preisträgers • Von Fritz Pleitgen Die Kultur zu den Menschen zu bringen, lieber Herr Pleitgen, das war Ich habe mich sehr zu bedanken – immer Ihr Anliegen. Für vermeintlich beim Deutschen Kulturrat für die schwer vermittelbare Kunst sogar in hohe Auszeichnung, bei Herrn Staats- der so genannten Provinz ein inter- minister Neumann für die wunderba- essiertes Publikum zu finden: das war re Laudatio und bei Ihnen, verehrte Ihre Idee. Sie erfanden die „Kultur- Gäste, für Ihre Geduld, all die loben- partnerschaften“ des WDR mit Kul- den Worte in Solidarität und Würde tureinrichtungen in Nordrhein-West- ertragen zu haben. falen. Und dies ist einer der ausdrück- lich genannten Gründe, warum Ih- as ich heute erlebe, bestätigt nen der Deutsche Kulturrat heute den Wmeine bisherige Erfahrung: Kulturgroschen verleiht. Altern kann schön sein. Je mehr ich Die etwa 50 „Kulturpartnerschaf- in die Jahre komme, desto ehrenvol- ten“ des WDR haben gezeigt, dass ler werden die Preise und desto qualitativ hochwertige und manch- freundlicher und nachsichtiger die mal auch schwierige Kultur nicht nur Laudatoren. Ich darf mich ebenfalls in den großen Metropolen stattfindet. im Namen des kürzlich pensionier- Ich verweise hier nur beispielhaft auf ten Intendanten des Westdeutschen die Tage „Alter Musik“ in Herne oder Rundfunks bedanken, der ja – wie die „Wittener Tage“ für neue Kam- den Erklärungen des heutigen Tages mermusik. zu entnehmen ist – einen gewissen Das Prinzip ist einfach: das Kul- Anteil zu dieser Ehrung beigetragen turradio des WDR ruft die Theater, hat. Auch wenn ich jetzt Manager der Konzerthäuser und Museen das Lan- Kulturhauptstadt Europas 2010 bin, des auf, ihre Projekte vorzustellen. fühle ich mich autorisiert, in seinem Aber auch andere Kultur-Organisato- Namen und in seinem Geiste weiter ren können sich bewerben. Die bes- zu reden. ten Projekte werden ausgesucht, und Das Erfreulichste an einer Alli- im WDR publik gemacht. Im Gegen- anz ist der gemeinsam errungene Er- zug weisen die lokalen Veranstalter folg. Besonders schön, wenn dieser mit Logos auf das Programm des Erfolg nicht zu erwarten war und von WDR hin. international grundsätzlicher Be- Die Kultureinrichtungen freuen deutung ist. Der Deutsche Kulturrat sich über messbar gestiegene Besu- und der Westdeutsche Rundfunk für Fritz Pleitgen bei seiner Dankesrede im Anschluss an die Verleihung des Kulturgroschens. Foto: Stefanie Ernst cherzahlen; der WDR über mehr Hö- die ARD haben das geschafft. Sie rer und mehr Präsenz in Nordrhein- waren wesentlich an der Schaffung nen zu überrollen drohte, den öf- im ARD-Verbindungsbüro Brüssel, Ein Lob gibt das andere. Dabei Westfalen und das Publikum über der Unesco-Konvention zur kulturel- fentlich-rechtlichen Rundfunk in- ewige Verdienste erwarb. Nun kön- erlaube ich mir, weiter vor der eige- mehr Information über Kultur und len Vielfalt beteiligt, was ihre Part- klusive. Die drohende Liberalisie- nen sich internationale Handelsab- nen Tür zu kehren, denn zu loben Kulturveranstaltungen. Eine klassi- nerschaft zu einer besonderen rungswalze schien nicht auszuhal- kommen nicht über die Kultur hin- habe ich – strikt nach Faktenlage – sche win-win-Situation, für die Sie, macht. ten zu sein, zumal sie mit Entschlos- wegsetzen und der öffentlich-recht- meinen früheren Sender, den West- Herr Pleitgen, den Grundstein gelegt Die Konvention entstand als ein senheit von den USA gesteuert wur- liche Rundfunk hat obendrein eine deutschen Rundfunk. Bei ihm wird haben, herzlichen Glückwunsch. Traum zur Abwehr gegen ein welt- de. Doch es gelang, ein globales zweite internationale Absicherung Auch mein Haus hat hiervon weites Handelsregime, das die kul- Bündnis dagegen aufzubauen, wo- im Wert des legendären Amsterda- Weiter auf Seite 16 schon profitiert. Als wir zum ersten turellen Identitäten der Weltregio- bei sich Verena Wiedemann, damals mer Protokolls erhalten. KULTUR UND KIRCHE politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 16

Stunden non stop Belletristik aus al- das zu, nachdem die kommerziellen entdeckt. „Cultur comes before eco- schaft und vitaler Wissenschaft. Im Fortsetzung von Seite 15 ler Welt vorgetragen wird. Ähnliches Anbieter mit dem Investoren-Blick nomy“, erklärte EU-Präsident Juan Ruhrgebiet leben 5,3 Millionen Men- dürfte auch für andere Sender der auf die Rendite nach der Qualität Manuel Barroso, um in einer ande- schen, sie repräsentieren 140 Natio- Hemmungslosigkeit ARD in ihren jeweiligen Ländern gel- nun auch noch die Quote sausen las- ren Rede hinzuzufügen: „Europe nalitäten. Integration ist deshalb für der Kultur ten. Hier zahlt sich das Gebührenpri- sen. Eine „Prager Botschaft“ macht hinges on culture“. Jean Monnet, ei- uns ein zentrales Thema, das wir mit vileg für die Gesellschaft bestens aus. da noch keinen Kultur-Sommer. ner der Väter der Europäischen Uni- den Mitteln der Kunst und Wissen- Kultur nach wie vor groß geschrie- Nun ist mir nicht entgangen, dass von Das Urteil des Bundesverfas- on, hatte dies schon vorher erkannt. schaft angehen. Auf die Kultur, so ben, ganz im Sinne des Programm- der ARD mehr Engagement für die sungsgerichts ist nicht nur als eine „Wenn ich es noch einmal zu tun meinen wir, sollte auch die Integra- auftrages. Das bedarf keiner Anwei- Kultur gefordert wird. Die Kritik rich- Bestätigung für den öffentlich-recht- hätte, würde ich Europa mit der Kul- tionsinitiative der Bundesregierung sung von oben, erst recht keines tet sich gegen das Erste, wobei im lichen Rundfunk anzusehen, son- tur beginnen“, stellt er fest. setzen. Drucks des Intendanten. Das steckt weit gefassten Goethe’schen Kultur- dern auch als eine Ermutigung, in Nun habe ich das Glück, die Kul- Die Kulturhauptstadt Europas ist im Haus von Anfang an, seit Böll und verständnis auch in diesem Pro- der Prime Time noch mehr auf an- turhauptstadt 2010 managen zu dür- keine regionale Sache, sondern ein Grass, Stockhausen und Henze am gramm viel Gutes zu finden ist. spruchsvolle Programme zu setzen fen. Getreu dem Wort des Kultur- Auftritt für ganz Deutschland. Der Wallraffplatz ein- und ausgingen. Am Sonntagabend haben sich als bisher, wobei besonders die Kul- sammlers Ernst-Karl Osthaus „Kultur „Kulturgroschen“, die Auszeichnung An dieser Einstellung hat sich bei der Politik-Talk und die Tagesthe- tur ins Blickfeld rückt. durch Wandel – Wandel durch Kul- heute, ist für mich ein zusätzlicher heute nichts geändert, mit schönem men als Bereicherung erwiesen. Wer auf Kultur setzt, geht kein tur“ wollen wir das Image des Ruhr- starker Ansporn. Herzlichen Dank Ergebnis. Der WDR ist im Land Nord- Unglücklicherweise ist dadurch das Risiko ein, denn Kultur ist stark im gebiets verändern. Es ist nicht, wie dafür! Sie können weiterhin mit mir rhein-Westfalen der stärkste Kultur- attraktive Kultur-Magazin „Titel, Kommen. Die Europäische Union es immer noch im In- und vor allem rechnen. Glückauf! vermittler und Kulturentwickler, ob in Thesen, Temperamente“ in den sehr wurde als Montanunion, als Wirt- im Ausland geglaubt wird, das Abbild der Musik oder in der Literatur. Die späten Abend zurückgedrängt wor- schaftsgemeinschaft gegründet. Von einer niedergegangenen Schwerin- Der Verfasser ist Preisträger des Programme im Hörfunk und WDR- den. Ich will mich nicht damit her- der Kultur keine Spur, auch nicht 200 dustrie mit abgewrackten Städten Kulturgroschens des Deutschen Fernsehen, neuerdings auch im Inter- ausreden, dass ich seinerzeit dage- in den Lissabonner Zielen, mit deren und verseuchter Natur. Kulturrates 2007. Er ist Geschäfts- net, legen davon Zeugnis ab. Die gen war, aber man könnte so meine Hilfe die EU zur wettbewerbsstärks- Wir werden das Ruhrgebiet dar- führer der RUHR 2010 GmbH Hemmungslosigkeit, mit der sich der ich – die Kultur durchaus offensiver ten Weltregion aufsteigen will. stellen, wie es ist und immer mehr zur Kulturhauptstadt Europas Kultur hingegeben wird, zeigt sich im Flaggschiff-Programm des Ersten Doch nun hat die Europäische wird: eine der reichsten Kulturregi- 2010 und war bis April 2007 beim Lese-Marathon, bei dem 24 vertreten. Die Konkurrenzlage lässt Union die Kultur als Standortfaktor onen Europas mit innovativer Wirt- Intendant des WDR Neue Kunst in alter Kirche Die Kunst-Station Sankt Peter in Köln • Von Friedhelm Mennekes

Was soll die Kunst in den Kirchen? diese aber jeweils zeitlich bedingt Was kann sie, was nicht? – Das sind sind, ebenso. Viele Tausende von Be- Fragen, die viele in der Kölner Ge- legen sind uns dafür aus der Kunst meinde Sankt Peter bewegen. Sie bekannt. Je qualitätsvoller allerdings setzt sich damit praktisch und initi- diese Werke, desto weniger ging der ativ seit 1987 auseinander, indem Glaube darin auf. Die großen Künst- sie ihre Kunst-Station gründete und ler verhandelten neben dem Glau- sich damit in einen permanenten ben eben immer auch die Kunst Diskurs stellte. Ausstellungen fin- selbst, ihre Fragen nach der Kunst. den hier statt, auf höchstem inter- Das gilt beispielsweise für Fra Ange- nationalen Niveau und in großem lico ebenso wie für Michelangelo, für Ernst, auf Seiten der Kirche wie der Matthias Grünewald wie für George Künstler, mit wachem Interesse des Rouault, für Henri Matisse wie für Erzbischofs und der Kunstkritik. Gerhard Richter. Dabei ist der Ausgangspunkt für Die Kunst lehnt in einer weit ver- Antworten auf die eingangs gestell- breiteten Haltung spätestens seit dem ten Fragen die Fraglichkeit der Beginn ihrer modernen Epoche un- Kunst selbst und natürlich der Kunst wirsch die immer wieder eingeengte in der Kirche. Für diesen Nullpunkt Frage nach den Inhalten und den Il- sorgt bereits die Bibel. Die Devise lustrationen des Glaubens ab. Wenn Kein Bild! führt in die frühe christli- wichtige Künstler sich in der Kirche che Praxis. Bilder von Gott und Bil- selbst nicht mehr ernst genommen der in Gotteshäusern sind proble- fühlen und entsprechende Aufträge matisch. Daran wird in geradezu und alle Gespräche drumherum ab- rhythmischer Wiederkehr – allen lehnen, dann mag das von Seiten der zwischenzeitlichen Bildeuphorien Kirche zwar zu bedauern sein, aber zum Trotz – in allen Zeiten des Um- etwas anderes als dies zu respektieren, bruchs erinnert, und dies nicht nur bleibt ihr nicht übrig. Will die Kirche zu den Zeiten großer Reformatio- der Kunst begegnen, muss sie sich auf nen, sondern auch in den vielen sie einlassen. Dies allerdings lohnt kleinen Initiativen einer ecclesia sich, denn mit der Ablehnung der Kir- semper reformanda. Nicht als ver- che geht nicht die des Glaubens lören dann jegliche Bilder ihre Chan- einher. Das belegt das reiche Spek- cen, aber ihr Wert wird neu bedacht, trum vieler religiös bedingter oder ihr Sinn neu entdeckt; dafür stehen motivierter Kunstwerke gerade in der schließlich alle Gegenreformationen Moderne. Doch diese sind stilistisch – und viele Heilige, von Bernhard und inhaltlich anderer Art als die der über Franziskus und Bonaventura früheren Kunst. Darum findet auch bis hin nicht nur zu Ignatius. der Aufruf, die Kirchen weitgehend leer zu räumen, nicht seinen Sinn in or jeglicher Frage nach der Kunst der Leere selbst, sondern in der Frei- V und ihrem Verhältnis zum Glau- heit für eine neue Auseinandersetzung ben steht die nach dem Raum, dem zwischen Kunst und Glaube. Entschei- sakralen Ort, an dem eine liturgische dend bei einem neuen Umgang mit Feier stattfinden soll. Sein Charakter der Kunst ist der Respekt der Kirche ist – ob architektonisch oder litur- vor der beanspruchten Selbständig- gisch betrachtet – zunächst die Lee- keit der Kunst und die Suche nach re. Der heilige Raum ist für die Men- neuen Wegen der Begegnung inner- schen aller Zeiten zunächst unge- halb eines gemeinsamen Kulturfeldes. wohnt karg. Seine Qualität bezieht er Das bedeutet die Infragestellung der eher von der Topographie oder den dominant illustrativen Funktion der Geschichten, die sich um ihn herum Kunst in der Kirche und die Relativie- ranken, als von seiner konkreten rung der traditionellen Ikonographie; Ausstattung. das heißt aber auch: Öffnung zur Form Je mehr sich der Blick des Besu- als solcher und zum kreativen Um- chers auf solche Räume selbst rich- gang mit ihr. Als Fazit ergeben sich aus tet, umso stärker ist er bei sich selbst, dem Dargelegten sieben Grundsätze das ist eine Erfahrung. Der Grund, für einen neuen Umgang mit der einen solchen Raum aufzusuchen, Kunst in der Kirche: liegt eben in seinen Fragen und Nö- 1. Der Geschichte der christlichen ten und Ahnungen. Der sakrale Ikonographie als Illustration des Raum hat ein inneres Echo im Men- Glaubens ist abgelaufen. schen selbst; erst dieser Einklang 2. Nur die Leere kann dem Kunst- macht ihn zu seinen Raum; denn der werk die Chance eröffnen, in den innere Raum des Menschen ist sei- Raum hinein zu wirken. ne Freiheit. Hier ordnet er seine Er- 3. Der Sinn neuer Kunst besteht in fahrungen, hier kann er am Ende einer atmosphärischen Aufla- selbst-entfaltend wohnen. dung des sakralen Raums. Dass die Kunst eindrucksvoll Glaubensinhalte gestalten kann, ist Weiter auf Seite 17 ein unbestrittener Tatbestand. Dass Kirche Sankt Peter in Köln. Foto: Kunst-Station Sankt Peter Köln KULTUR UND KIRCHE politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 17

hochgradig reflektierten Barockzeit leicht über 100 Taufen jährlich. Dann setzung, sie fragten nach der eigenen sionalen Bild, um nicht zu sagen, zu Fortsetzung von Seite 16 beispielsweise war es vielmals der brachen die Zahlen ein: 1943: 54, Identität, nach den Erinnerungen einer existentiellen Bühne werden. Malerei in Kirchen darum gegangen, 1944: 6, 1945: 0. Nach dem Krieg gab aus der Vergangenheit und ihre Be- Die in dieser Kirche aufgestellten 4. Neue Kunstwerke sollten nur zeit- die Menschen durch sinnliche Erfah- es bis Ende der 50er Jahre nicht mehr deutung für jetzt und für die Zu- Kunstwerke sollen dem Menschen lich begrenzt in die Kirche Ein- rungen eindringlicher in den Glau- als 4-6 Taufen. Erst als die Jesuiten kunft. Das sei genau die Chance, keine Antworten auf ungestellte Fra- gang finden. ben einzubinden. Nicht zuletzt des- in der zerbombten Gemeinde eine welche die Kirche und die Kunst den gen liefern, sondern Wege zu einem (Georg Baselitz: Bilder, die nicht wegen wurden zu bestimmten Fes- Stadtseelsorge begannen, schwan- Menschen auf ihren Wegen mitge- persönlichen Glauben und zum Fra- neu sind, sieht man nicht!) ten eigens Künstler beauftragt, eine gen sich die Taufzahlen nach und ben könnten – wenn sie intensiver gen selbst erwecken. Letztlich wei- 5. Jedes neue Werk braucht die Ver- Kirche zu einem bestimmten Fest nach bis heute jährlich gegen 70 bis und füreinander sensibler zusam- sen derart geöffnete Kirchenräume mittlung einer kritischen Ausein- besonders auszugestalten. 80 Taufen auf. Das machten u.a. die menwirken würden. dem Gläubigen wie dem interessier- andersetzung. Christian Boltanski sieht sich mit kleinen Zettel an der Wand anschau- Kunst und Glaube sind heute ten Betrachter Spuren des unvor- 6. Kunst und Glaube sollten sich ge- dieser Ausstellung ausdrücklich in lich. Als Stolz? Als Memoria? zwei voneinander unabhängige Fak- stellbaren Gottes in dieser Welt. Im genseitig in Frage stellen, eher ro- diese Tradition. Auch er versteht sich Im Gotteshaus selbst roch es in toren des kulturellen Lebens. Den- Leben und in der Botschaft Jesu sind bust als zimperlich. als Maler, wenn auch nicht im tra- diesem Mai stark nach Heu. Doch noch berühren oder überlagern sie diese Wege vorgezeichnet, im Kir- 7. Im erneuerten Sehen hat die dierten Sinn als einer, der mit Farben niemand hielt das für möglich und sich auf ganz verschiedenen Ebenen, chenraum werden sie in verschiede- Kunst ihr Ziel, nicht im Besitz ei- und Pinseln seine Bilder entwirft. Er transformierte den Eindruck in ei- so regelmäßig wie verblüffend, ohne nen Weisen ausgelegt. Ob der Mensch nes oder mehrer Werkes. stellt in seinen Arbeiten Gegenstän- nen undefinierbaren Geruch. Viel- dabei ineinander aufzugehen oder von heute ihre Wahrheit entdeckt Ein konkretes Beispiel aus der mehr de zusammen, die er als visuelle Ele- leicht ein neuer Weihrauch? Erst der sich gegenseitig illustrierend in oder berührt, hängt allerdings von als zwanzig Jahre lang anhaltenden mente begreift. Es sind Alltagsobjek- Gang auf die Empore identifizierte Dienst zu nehmen. Das zeigte sich den eigenen Bewegungen ab, in de- theoretischen und praktischen Aus- te, die Erinnerungen wachrufen, und den ersten Eindruck mit der Wirk- später in Sankt Peter bei der Suche nen er solchen Fingerzeigen nach- einandersetzung mit den angespro- solche, an denen sich symbolische lichkeit. Dort waren mehr als 20 gro- nach einem neuen Altar ebenso wie geht. Die Kirche und ihre ästhetische chenen Problemen sei im Folgenden Bedeutungen entfalten. Damit ver- ße Heuballen auf dem Boden ver- in dem Bedürfnis nach zeitgemäßen Gestaltung selbst versuchen nur, die angesprochen. Es ist die Interventi- ändert er die Sichtweise von Men- teilt. Wie auf einer Wiese konnte man und künstlerisch anspruchsvollen li- Atmosphäre zu verdichten. Der sa- on im sakralen Raum von Sankt Pe- schen. Das zeigte sich in seiner sehr durch das etwa 20 cm hohe Heu wa- turgischen Gewändern, um nur zwei krale Raum lässt Hinweise aufstrah- ter durch Christian Boltanski (geb. in vielgestaltigen Intervention. ten. Woche für Woche wurden bunte weitere Beispiele für mögliche Be- len, Hinweise auf das Göttliche. Aber Paris 1944). Eine Ausstellung nicht Der Weiße Sonntag und die Erst- Blumenblüten ins Heu verstreut. Die rührungen zwischen Kunst und Li- der Betrachter muss ihnen nachge- für die Kölner Kunstszene wolle er kommunion der Gemeinde waren Leute brachten sie aus ihren Gärten turgie zu nennen. hen. Erst dann werden sie lebendig. machen, sondern für die Menschen, gerade vorbei. Die 35 in weißen Kut- mit und verteilten sie am Wochen- Generell gesehen lässt das ästhe- Sankt Peter versucht hier, eine Hilfe- die in Sankt Peter zur Messe gehen, ten, von den Kindern während der ende, bis die bunten Rhododend- tische Bemühen um die rechte Ge- stellung zu geben. sagte der Franzose bei der Planung Vorbereitung auf das Fest wie kleine ron-, Tulpen-, Rosenblütenblätter staltung sakraler Räume die Kirchen zu seiner Installation. Er habe ganz Mönche sonst Woche für Woche ge- ihre Farben verloren und dann selbst unter bestimmten Voraussetzungen P. Friedhelm Mennekes SJ., persönliche Zugänge zur Liturgie tragen, hingen wieder in den Schrän- zu Heu wurden. Auch hier wurden selbst wieder zu einem mehrdimen- Kunst-Station Sankt Peter Köln und zur Religion. Sein Vater war ein ken und warteten auf den nächsten Erinnerungen aufgeworfen, an die aus Polen stammender Jude, seine Kurs. Jetzt holte sie der Künstler Heuernte, an Heuballen, Heuscho- Mutter eine korsische Katholikin. hervor und verteilte sie in unter- ber ... Frühling über Frühling? Auf dieser biographischen Basis schiedlicher Höhe unter der goti- Über die 16 Lautsprecher der Kir- wollte er durch seine Arbeit die Men- schen Decke in den Seitenschiffen. che war ein permanentes Geflüster in schen zu einer sinnlicheren Erfah- In den Netzgewölben hatten sie ih- unterschiedlichen Sprachen aus allen rung des sakralen Ortes und zum ren Raumbezug, in unsichtbaren Kontinenten akustisch zu vernehmen. besonderen Charakter einer liturgi- Drähten ihren Halt. Um die Hänge- Kein Wort war deutlich zu hören. Nur schen Zeit bringen. Darum gehörte vorrichtung der Bügel drapierte er wenn der Besucher neugierig und lan- Die Kirchen für ihn neben der konkret gewählten die Kapuzen, so dass die kleinen ge genug sein Ohr an einen der Laut- Kirche auch ein bestimmter Zeit- weißen Textilien wie schwebende sprecher geduldig hielt und wartete, punkt. Es sollte der Mai sein, die Zeit Wesen aussahen, zwar nicht in Reih bis eine Sprache erklang, deren er Die unbekannte des Frühling, des Mariengedenkens und Glied, aber doch durch die mächtig war, konnte er den erregt und und all dessen, was sich sonst noch schmalen Seitenschiffe wie zu einer geheimnisvoll geflüsterten Anfang ei- in dieser Zeit in einer Kirche ereig- Prozession geordnet. Wohin? ner Liebesbeziehung hören, die an die kulturpolitische Macht net, wie Messe, Muttertag, Hochzeit, Die Kirche besitzt eine lange 100 Kunststudenten auf Bitte des Taufe, Beichte, Trauer, Fragen etc. Tauftradition, seit 1140. Der laufen- Künstlers erzählen sollten. Als gestan- Die Kirchen sind eine weitgehend unbekannte kulturpolitische Kirchen seien Orte des Fragens, de Band des Taufbuches beginnt im denes Geheimnis? der entscheidenden Fragen, so der Jahre 1941. In die romanische Tauf- Boltanski nahm mit solchen und Macht in Deutschland. Dabei wenden sie immerhin rund 20 Künstler. Dadurch unterscheiden sie kapelle heftete Boltanski die kopier- anderen Arbeiten die Kirche als Ort Prozent ihrer Kirchensteuereinnahmen und Vermögenserlöse, sich von anderen Orten, etwa denen ten und auseinander geschnittenen des Fragens ernst. Durch seine Aus- insgesamt 4,4 Milliarden Euro im Jahr, für die Kulturförderung der Kunst. Fragen eindringlicher zu Eintragungen an die Wand. 2.373 stellung sollten die Menschen im stellen helfen, das sei sein Ziel als Namen weist dieses Urkundenbuch Bild das Leben stärker erspüren. Bil- ein. Im Buch werden Beiträge aus politik und kultur Künstler. Diese Einstellung ist aber bis Ende 2007 auf. In den beiden der seien Spiegel, sagte er. Sie gäben nachgedruckt, in denen die Kirchen und ihr Verhältnis zu durchaus nichts Neues, denn in der Kriegsjahren 1941/42 waren es noch Impulse zur eigenen Auseinander- Kunst und Kultur ausführlicher vorgestellt und diskutiert werden. Ziel des Buches ist es, dass in der Zukunft die Kirchen Bilderverbot, Bilderkult, Bildersturm bei kulturpolitischen Fragen öfter mitgedacht werden. THEMEN SIND: Ein kardinales Machtwort und die zeitgenössische Kunst Ein Kommentar von Olaf Zimmermann · Kirche und Kultur · Kirche und kulturelles Leben Der Kölner Kardinal Joachim Meisner Doch die Frage drängt sich auf, ist hin- Kunst reicht das 2000-jährige wech- · Kirche und Kunst hat sich innerhalb weniger Wochen ter der verbalen Entgleisung vielleicht selhafte Verhältnis zwischen Kirche gleich zweimal deutlich in der Wort- doch mehr als nur ein Fünkchen Wahr- und Kunst. · Daten und Fakten zum Kulturengagement der Kirchen wahl vergriffen. Vor einigen Wochen heit zu finden. Kardinal Meisner hat war im Kölner Dom ein neues von Ger- in einer Art Richtigstellung in der Frank- Das Wesen der Kunst in unserer Zeit MIT BEITRÄGEN VON hard Richter gestaltetes Fenster ein- furter Allgemeinen Zeitung seinen hef- ist die auftragslose Freiheit. Eine Frei- geweiht worden. Kardinal Meisner war tig kritisierten Satz umformuliert: „Dort, heit, die sich viele Künstler durch öko- dem Festgottesdienst ferngeblieben wo die Kultur – im Sinne von Zivilisati- nomische Bedrängnis erkaufen. Es · Petra Bahr und hatte später das Kunstwerk scharf on – vom Kultus – im Sinne der Got- geht den meisten Künstlern nicht um · Johannes Friedrich kritisiert. Dieses passe eher in eine tesverehrung – abgekoppelt wird, er- Illustration, ihre Werke sind nicht für · Max Fuchs Moschee als in den Dom, da es nicht starrt der Kultus im Ritualismus, und den Kult geschaffen. Und auch das den christlichen Glauben widerspiege- die Kultur nimmt schweren Schaden. neue Fensterbild von Gerhard Richter · Katrin Göring-Eckardt le. Bei dem Festgottesdienst im Köl- Sie verliert ihre Mitte.“ im Kölner Dom ist in diesem Sinne · Wolfgang Huber ner Dom zur Eröffnung des Kunstmu- keine religiöse Auftragsarbeit, son- · Jakob Johannes Koch seums Kolumba in Köln sagte er kur- Nun könnte man es sich einfach ma- dern eine ästhetische Antwort auf ei- ze Zeit später: „Dort, wo die Kultur vom chen und sagen, dass in einer weitge- nen kultischen Raum, was seine an- · Karl Kardinal Lehmann Kultus, von der Gottesverehrung ab- hend säkularisierten deutschen Gesell- dächtige Wirkung nicht schmälert. · Markus Lüpertz gekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ri- schaft die „Mitte“ sowieso nicht mehr Dass im Angesicht dieses Werkes · Friedhelm Mennekes tualismus und die Kultur entartet“. vom Kultus bestimmt wird und die besonders die katholische Kirche · Ingo Metzmacher Mahnungen des Kardinals damit ins wieder einmal um die Frage ringt, Bei der Bewertung von Kunst gibt es Leere laufen. Doch die von Kardinal welche Rolle Kunst bei der Verkündi- · Heinrich Mussinghoff glücklicherweise oft unterschiedliche Meisner belebte Diskussion richtet sich gung einnehmen soll, ist legitim und · Olaf Zimmermann und anderen Meinungen. An Kardinal Meisners in Wahrheit gar nicht an die Gesell- auch notwendig. Letztlich zeigt die Art kulturellen Rundumschlägen ist des- schaft, sondern ist eine Mahnung an und Weise, wie diese Diskussion ge- Die Kirchen, die unbekannte kulturpolitische Macht. halb nicht seine Meinung zur Kunst die eigene Kirche. Für was braucht man führt wird, aber auch eine Angst vor zu kritisieren, sondern seine, für ei- Kunst in der katholischen Kirche? Kar- der unkontrollierbaren Kraft der Kunst, Hg. von Olaf Zimmermann und Theo Geißler. Aus politik und nen hohen Würdenträger der katholi- dinal Meisner hat keinen Hehl daraus die sich glücklicherweise auch durch kultur 2. Berlin 2007. 108 Seiten. ISBN: 978-3-934868-14-4, schen Kirche, erstaunlich unbedach- gemacht, dass er statt des abstrakten ein kardinales Machtwort nicht bän- ISSN:1865-2689. Preis: 9,00 (+ 2,50 Porto und te Wortwahl. Doch das Wichtigste ist, Fensterbildes von Gerhard Richter lie- digen lässt. Hier sind sich Religion dass der Kardinal das Richter-Fens- ber eine figürliche Visualisierung der und Kunst, in ihrem Absolutheitsan- Verpackung). Das Buch kann unter http://www.kulturrat.de/ ter im Kölner Dom nicht verhindern biblischen Geschichte und der Heiligen spruch ähnlich und deshalb nur sel- shop.php bestellt werden. Das Buch ist auch über jede konnte. Das ärgert ihn offensichtlich im Kölner Dom gesehen hätte. Und hier ten „ein Herz und eine Seele“. Buchhandlung beziehbar. so sehr, dass er das richtige Maß bei lodert der alte Kulturkampf des Chris- seiner Kritik verloren hat. Kardinal tentums wieder auf. Vom Bilderverbot Der Verfasser ist Geschäftsführer Meisner steht mit seiner Kritik auch über den Bilderkult, über den protes- des Deutschen Kulturrates und Deutscher Kulturrat e.V. Chausseestraße 103, 10115 Berlin, in der katholischen Kirche erkennbar tantischen Bildersturm bis zur müh- Herausgeber von politik und Telefon: 030/24728014, Fax: 030/24721245, E-Mail: auf verlorenem Posten. samen Anerkennung der Autonomie der kultur [email protected] ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 18

Geistreich in den Beruf Kongress des Deutschen Kulturrates im Jahr der Geisteswissenschaften • Von Stefanie Ernst Vom 26. und 27. September 2007 fand in der Französischen Friedrich- stadtkirche zwei Tage lang der Kon- gress des Deutschen Kulturrates „Kultur als Arbeitsfeld und Arbeits- markt für Geisteswissenschaftler“ statt. Unterstützt wurde die Tagung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Gerda Hen- kel Stiftung; Kooperationspartner war das Kulturbüro der EKD. Die 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses setzten sich aus Multiplikatoren der Kultur- und Bil- dungspolitik, Studierenden und Gra- duierten, Verantwortlichen aus Kul- tur- und Bildungseinrichtungen, Ex- perten aus der kulturellen Bildung sowie aus geisteswissenschaftlich Interessierten und Journalisten zu- sammen. Besonders erfreulich war, dass vor allem junge Akademiker und Studierende den Weg in die Fried- richstadtkirche gefunden hatten. So konnte der Kongress seinem Ziel gerecht werden und jungen Histori- kern, Ethnologen, Germanisten und anderen Geisteswissenschaftlern berufliche Perspektiven in der Spar- te Kultur aufzeigen. Vier thematische Schwerpunkte standen im Zentrum der Veranstaltung: klassische Ein- satzfelder der Geisteswissenschaft- ler, Chancen und Tücken freiberuf- licher Arbeit, Erwachsenenbildung und Qualifizierung sowie Berufs- chancen von Absolventen bestimm- ter geisteswissenschaftlicher Fä- Olaf Zimmermann, Dr. Michael Hanssler und Bundesbildungsministerin Dr. . Foto: Stefanie Ernst cher. gerloh, generell vorausgesetzt; eine die Wissen zu einem Erlebnis wer- Macchiato trinkt und fast beiläufig, Warum kulturelle Bildung als achdem Max Fuchs (Deutscher Promotion in der Mehrzahl der Fäl- den lassen, besucherfreundlich und da inspiriert durch die angenehme Schlüsselkompetenz der Kulturge- NKulturrat), Petra Bahr (Kultur- le ebenso. So gab der Generaldirek- somit zukunftsfähig sind. Atmosphäre, einen Beitrag auf sei- sellschaft angesehen werden muss, büro der EKD) und Michael Hanss- tor einen sehr offenen Einblick in die Zu Beginn des zweiten Themen- nem Laptop schreibt, auf. Die Reali- erläuterte Karl Ermert. Der Direktor ler (Gerda Henkel Stiftung) die Begrü- Einstellungspraxis großer Kulturein- bereichs, dessen Schwerpunkt auf tät sieht anders aus: Etwa 25.000 freie der Bundesakademie für kulturelle ßungsworte gesprochen hatten, er- richtungen. Unbeschönigend schil- der freiberuflichen Tätigkeit lag, Journalisten sehen sich in Deutsch- Bildung Wolfenbüttel stellte den An- öffnete Bundesbildungsministerin derte er die Ist-Situation und das sprach Olaf Zimmermann über den land mit einer unsicheren Auftrags- wesenden zu Beginn die Fülle der Annette Schavan den Kongress. Sie „Luxusproblem“, dem er und seine Arbeitsmarkt Kulturwirtschaft. Der lage und einer oftmals nicht adäqua- Möglichkeiten der Arbeitsplatzsu- unterstrich in ihrer Rede den hohen Mitarbeiter gegenüberstehen, wenn Geschäftsführer des Deutschen Kul- ten Entlohnung konfrontiert. Der che im Bereich der kulturellen Bil- Nutzen der Geisteswissenschaft für sie Wäschekörbe voll von Bewerbun- turrates veranschaulichte in seiner psychische Druck sei zum Teil gewal- dung vor. Einen speziellen Ausbil- die Gesellschaft. Geisteswissen- gen zur Besetzung einer Volontärs- Rede alle Facetten dieser boomen- tig. Unbeschönigend gewährte Ta- dungsweg, um in diesem Bereich tä- schaftler, so Schavan, müssen sich stelle durchsehen müssen. Eine Tat- den Branche, die in der Politik aber mara Tischendorf tiefe Einblicke in tig zu werden, gäbe es jedoch nicht. keineswegs hinter Ingenieuren oder sache, das merkte man im Verlauf auch darüber hinaus längst zu einem den Alltag einer freien Journalistin Die meisten in der kulturellen Bil- Absolventen anderer technischer- der ersten Podiumsdiskussion, die Trendthema avanciert ist. Anhand und gab praktische Tipps zur Bewäl- dung tätigen Personen blicken auf oder naturwissenschaftlicher Studi- bei den anwesenden Teilnehmern von Zahlenmaterial zeigte er auf, tigung der beruflichen Situation: Wie einen Patchworklebenslauf zurück. engänge verstecken. Vielmehr sollten verständlicherweise auf Unbehagen dass die Kulturwirtschaft ein Markt kommt man an Aufträge, welche Während die fachlichen Kompeten- sie ihre Stärken, die vor allem im Be- stieß. Auf der anderen Seite, so Dor- der Zukunft sei, der jedoch Schwan- Möglichkeiten der Zusammenarbeit zen in der Regel durch ein zuvor ab- reich der sprachlichen und interkul- gerloh, ist diese Bewerbungsflut kungen unterliegt und von den Geis- gibt es unter Freiberuflern, wer sind solviertes Studium vorhanden sind, turellen Kompetenz zu finden sind, auch für die Institutionen nicht un- teswissenschaftlern, die dort Fußfas- die potenziellen Arbeitgeber und werden die pädagogischen Fähigkei- selbstsicher vortragen. Eine der problematisch. Er problematisierte, sen wollen, einiges abverlangt. Zwar welche Form der sozialen Absiche- ten oftmals erst während der Tätig- Schwierigkeiten für Geisteswissen- dass befristete Projektförderungen spiele dort eine Promotion eine eher rung kommt in Frage? Freiberufli- keit selbst erworben. Von einer Pro- schaftler liege unter anderem darin, den Wissenstransfer erschweren, da untergeordnete Rolle, so Zimmer- ches Arbeiten ist extrem abwechse- fessionalisierung des Weiterbil- dass es keinen vorgezeichneten Weg die Mitarbeiterinnen und Mitarbei- mann, jedoch werde den dort Täti- lungsreich, so ihr Fazit, man muss dungssektors kann, so Ermert, bis- in den späteren Beruf gebe wie zum ter nach Abschluss eines Projektes – gen ein langer Atem und ein nicht dieser besonderen Art des Broter- her noch nicht gesprochen werden. Beispiel bei Elektrotechnikern. Be- notgedrungen – anderweitig be- unerhebliches Maß an Risikobereit- werbs jedoch gewachsen sein. Einen weiteren, vielleicht bislang sonders Studierenden und jungen schäftigt sind. schaft abverlangt. Zum einen stellt Dass die Arbeit fern der gängigen weniger bekannten Bereich, in dem Absolventen geisteswissenschaftli- Ähnliche Maßstäbe an die Kom- sich ökonomischer Erfolg oftmals Arbeitsplätze für Geisteswissen- Geisteswissenschaftler arbeiten, stel- cher Fächer wurde, dies hob auch petenzen der (zukünftigen) Mitar- erst nach Jahren ein. Zum anderen schaftler auch im „Kollektiv“ sehr er- len die katholischen Akademien dar. Bundesbildungsministerin Schavan beiter legte auch Simone Eick als Di- besteht momentan ein Problem der folgreich sein kann, veranschaulich- Peter Reifenberg, Direktor des Erba- lobend hervor, durch die Tagung ein rektorin des Deutschen Auswand- sozialen Absicherung. Denn freibe- te Beate Schreiber. Die studierte His- cher Hofes, sprach über die Aufgabe Forum gegeben, um sich über den erhauses Bremerhaven an. Am Bei- rufliche Geisteswissenschaftler, die torikerin und Germanistin ist Mitbe- und das Selbstverständnis der Akade- Arbeitsmarkt „Kultur“ zu informie- spiel ihres Hauses veranschaulichte nicht künstlerisch oder journalis- gründerin des Historischen For- mien. Die katholischen Akademien ren. sie, vor welchen besonderen Heraus- tisch tätig sind, ist der Zugang zur schungsinstituts Facts & Files Berlin. begreifen sich als lebendige Kultursta- Im ersten Teil der Tagung wurden forderungen Museen in der Provinz Künstlersozialkasse verwehrt. Eine Facts & Files ist einer von circa 35 tionen, als Orte der dialogischen Prä- die so genannten klassischen Be- stehen. Dass solche Herausforde- solche Absicherung in gesetzlich- Anbieter historischer Dienstleistun- senz und der offenen Auseinanderset- schäftigungsfelder für Geisteswis- rungen, begreift man sie als Chance sozialen Sicherungssystemen ist gen in Deutschland und als solcher zung mit der Gesellschaft. Sie fungie- senschaftler angesprochen. Hartmut und tritt ihnen selbstbewusst ent- mithin nicht möglich. Aus berufs- 2005 mit dem Grimme Online Award ren als notwendige Denkwerkstätten Dorgerloh berichtete in seiner Funk- gegen, letztlich zu großem Erfolg perspektivischer Sicht stellen die ausgezeichnet worden. Dies zeige, der Bistümer. Auch in ihnen sind Geis- tion als Generaldirektor der Stiftung führen können, beweist die Aus- neuen Dienstleistungsberufe einen dass Geisteswissenschaftler – in die- teswissenschaftler in hoher Zahl ver- Preußische Schlösser und Gärten zeichnung des Museums mit dem Lichtstreifen am Horizont dar. Im sem Falle besonders die Historiker – treten. So finden sich unter den Stu- Berlin-Brandenburg über die Aufga- Europäischen Museumspreis in die- Bereich der Computerspiele zum sehr wohl etwas anzubieten haben: dienleitern der einzelnen Akademien benfelder, die benötigten sozialen sem Jahr. In strukturschwachen Ge- Beispiel ist ein steigender Bedarf an Expertise, Orientierung und Kontro- abgesehen von Theologen auch His- und fachlichen Qualifikationen der bieten, so Eick, müsse die Politik Geisteswissenschaftlern zu erken- versen. Auf den Punkt gebracht: His- toriker, Filmwissenschaftler, Germa- Bewerber sowie über die Bewerber- neue Wege gehen. So setzt man nun nen. Bei der Konzeption von histo- torische Dienstleister beantworten nisten oder Ethnologen. Die Rekrutie- situation aus Sicht des Arbeitgebers. auch in Bremerhaven seit einigen risch angelegte Spielen, hier sei er- die Fragen der Anderen mit hoher rung erfolgt allerdings oftmals weni- Am Beispiel der Sanierung des Jahren verstärkt auf den Tourismus- innert an das Strategiespiel „Anno fachlicher Kompetenz. Dazu recher- ger über offene Stellenausschreibun- Schlosses Schönhausen zeigte er auf, sektor. Das Auswandererhaus ist Teil 1701“, ist geisteswissenschaftliches chieren sie in Archiven, verfassen gen als vielmehr über Empfehlungen wie komplex diese Arbeit ist. Dort tä- dieses Konzeptes. Die Arbeit in einem Know-how gefragt. wissenschaftliche Gutachten, über- von Seiten nahe stehender Studien- tige Geisteswissenschaftler müssen Museum, das privatwirtschaftlich ge- Wie der Alltag von Freiberuflern nehmend das Drehbuchlektorat ge- werke, wie dem Cusanuswerk oder der offen für die Belange ihrer Kollegen führt wird, unterscheidet sich inso- aussieht, darüber gab Tamara Ti- schichtlicher Fernsehbeiträge und Studienstiftung des Deutschen Volkes. sein, die zum Beispiel als Architek- fern von öffentlich geförderten Insti- schendorf eindrucksvoll Auskunft. Sie vieles mehr. Die Beschäftigungslage Wichtig sei, dass sich die dortigen Mit- ten oder Gärtner an dem jeweiligen tutionen, da hier eine noch stärkere selbst arbeitet seit fünf Jahren als freie zeigt, dass eine solche Arbeit durch- arbeiter ständig weiterbilden und sich Projekt beteiligt sind. Eine hohe So- Ziel- und Besucherorientierung vor- Kulturjournalistin, Veranstaltungs- aus gefragt sei. Die Zukunftschancen nicht auf ihrem bereits angesammel- zialkompetenz, sprachliches Aus- liegt. Darüber hinaus haben die Vo- moderatorin und Redakteurin für in diesem Marktsegment sieht Beate ten Wissen ausruhen. Zudem müssen drucksvermögen sowie ausgezeich- lontäre die Möglichkeit und die be- ARD-Hörfunkprogramme, Deutsch- Schreiber trotz, oder gerade aufgrund die Mitarbeiter in der Lage sein, so- nete kommunikative Fähigkeiten nötigte zeitliche Freistellung, neben landradio und für ausländische Auf- von „offenen“ Internetwissensporta- wohl auf hohem fachlichen Niveau sind bei der Arbeit ebenso wichtig, ihrer dortigen Arbeit eine Promoti- traggeber. Zu Beginn ihres Vortrags len wie Wikipedia als sehr positiv an, Texte zu schreiben und Gespräche mit wie Konfliktfähigkeit und Lösungs- on fertig zu stellen. Erfahrungsbe- räumte sie mit dem althergebrachten da durch die immense Wissensflut und Kostenorientierung. Eine sehr richte aus dem Plenum bestätigen, Klischee des Freiberuflers, der ge- gesichertes Wissen immer attraktiver Weiter auf Seite 19 gute Fachkenntnis wird, so Dor- dass diese neuen Museumsmodelle, nüsslich im Cafe sitzt, einen Latte werde. ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 19

nete fachliche Kenntnisse. Ihre Karri- Als krönenden Abschluss des Kon- Fortsetzung von Seite 18 eren verlaufen über verschlungene gresses fasste Stephan Schaede, The- Wege, enden zum Teil – und das kann ologischer Referent und Arbeitsbe- den unterschiedlichsten Persönlich- ein wenig beruhigen – auch in Füh- reichsleiter „Religion und Kultur“ an keiten führen, als auch ihre Anliegen rungspositionen, wie Studien belegen. der FEST Heidelberg, die Veranstal- für jedermann verständlich in Worte Einblicke in ein sehr begehrtes, tung in äußerst brillanter und poin- und in Sprache zu kleiden. Einen sol- aber nicht minder hart umkämpftes tierter Art und Weise zusammen. Er chen Spagat zu meistern, zeichne die Berufsfeld gab der Hörfunkdirektor entließ die Teilnehmer mit dem ein- Wissenschaftler an den Akademien des WDR Wolfgang Schmitz. Auch dringlichen Appell, sich zusammen- aus. hier sprechen die Zahlen für sich: Auf zuschließen und Bündnisse einzuge- Welche Anforderungen und Er- zehn ausgeschriebene Rundfunkvo- hen. Es liege nun an den kommen- wartungen an Stellen in der Kultur- lontariate kommen 700 Bewerbun- den Generationen politische Unter- wirtschaft gestellt werden, erläuter- gen. 85% der Programmvolontäre der stützung einzufordern. te Karin Drda-Kühn anhand des Bei- letzten fünf Jahre haben ein geistes- Wie positiv die jeweiligen Vorträ- spiels des Serviceportals www. wissenschaftliches Studium absol- ge von den Anwesenden aufgenom- vertikult.de. Durch das Dienstleis- viert. Germanisten, Historiker, Kul- men wurden, zeigte die überaus rege tungsportal können im Internet Jo- turwissenschaftler prägen folglich Beteiligung des Plenums an den vier bangebote und -gesuche im Kultur- das Programm des Westdeutschen Podiumsdiskussionen. Moderiert bereich sowie umfangreiche Infor- Rundfunks, indem sie zum Beispiel wurden die Podiumsdiskussionen von mationen zum Thema Arbeit, Be- als Redakteure oder Autoren arbei- Max Fuchs, Andreas Kolb, Christian schäftigung und Weiterbildung ab- ten. Ohne eine studienbegleitend Höppner sowie von Claudia Schwal- gerufen werden. Ihre Auswertungen gesammelte Praxiserfahrung im Be- fenberg. haben ergeben, dass die Chancen auf reich der Medien seien Volontariate Die Nützlichkeit einer Tagung eine Anstellung in den Bereichen Kul- jedoch längst nicht mehr zu bekom- liegt unter anderem in der Schaffung turtourismus, Medien oder im Wis- men. Die Ausbildungen der Geistes- eines Bewusstseins bei den jungen senschaftsmanagement aussichts- wissenschaftler könnte nach Mei- Geisteswissenschaftlern, dass sie reicher sind als andernorts. Zu beob- nung von Wolfgang Schmitz aller- sich den harten Realitäten des Mark- achten sei allerdings, dass die Anfor- dings weiter verbessert werden. So tes stellen müssen. Allerdings muss derungen bei Bedarf und Nachfrage schlug er vor, dass in Seminaren sich einer solchen Realität niemand stark auseinanderdriften. Zusätzlich nicht ausschließlich wissenschaftli- alleine stellen. Freiberufler, so konn- zur vorausgesetzten fachlichen Qua- ches Schreiben gelehrt und erlernt te man erfahren, können beispiels- lifikation erwarten Arbeitgeber wird. Vielmehr sollte verstärkt pra- weise Bürogemeinschaften gründen. oftmals Zusatzqualifikationen, wie xisorientiert gearbeitet werden. Der Aufruf von Stephan Schaede zur Kenntnisse im Kultur- oder Projekt- Denn in den außeruniversitären Be- „Zusammenrottung“, zur Netzwerk- management, Nachweise besonderer rufen komme nicht darauf an, um- bildung, zur Bündelung der jungen Sprachkenntnisse, Erfahrungen in fangreiche Abhandlungen mit aufge- Geisteswissenschaftler untereinan- der Drittmittelakquisition oder der blähten Fußnotenapparaten zu der kann nur ausnahmslos unter- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. schreiben. Vielmehr benötigten die stützt werden. Anforderungsprofile, die nicht nur Fernseh- und Rundfunkanstalten unrealistisch sind, sondern bei den wie der WDR Absolventen, die die Die Verfasserin ist wissenschaftliche meisten Jobsuchenden, so Dr. Drda- Fähigkeit mitbringen, verständliche Mitarbeiterin des Deutschen Bundesbildungsministerin Annette Schavan eröffnet den Kongress. Kühn, auch die Gefahr der Überfor- und gut lesbare Texte zu schreiben. Kulturrates Foto: Stefanie Ernst derung bergen. Nachfrage und Ange- bot, so das Resümee, passen in Deutschland bislang nicht zusam- men. Lohnenswert erscheint bei der Berufssuche den Blick offen zu hal- Gastkünstler an Theatern ten für eine Arbeit in europäischen Selbstständige oder Angestellte? • Fragen an Rolf Bolwin und Hans Herdlein Nachbarländern oder in den USA. Aufbauend auf den allgemeiner Am 7. Februar dieses Jahres hat der rückgeführt werden. Kontinuierliche Neuzugänge – das darf ohne Über- Entscheidung als „Ausreißer“ quali- gehaltenen Thesen über die Berufs- Fünfte Senat des Bundesarbeitsge- Aufbauarbeit und Ensemblepflege treibung gesagt werden – in ihrem fizieren, zögert jedoch im Hinblick chancen der Geisteswissenschaftler richts in seinem Urteil 5 AZR 270/ werden dadurch immer schwieriger, Bestand gefährdet. auf den politischen Nachdruck, mit ging Roland Kanz, Lehrstuhlinhaber 06 geurteilt, dass bei gastierenden wenn nicht gar unmöglich. Für die Den Bühnenverwaltungen kommt dem die Selbständigkeit gefördert am Kunstgeschichtlichen Institut der Künstlern in Theatern keine ins Ge- Gastkünstler bringt dieser Status- diese Rechtsprechung entgegen, wird, wie sie im „Gesetz zur Förde- Universität Bonn, auf die Chancen wicht fallende Weisungsgebunden- wechsel zum Selbständigen erhebli- weil damit eine Verringerung der So- rung der Selbständigkeit“ vom 20. und Probleme der Kunsthistoriker ein. heit besteht. Gastkünstler werden che Nachteile mit sich, da sie die ar- zialabgaben verbunden ist – man Dezember 1999 und in der „Hartz- Verdrängungswettbewerbe auf dem daher als Selbständige und nicht beits- und sozialversicherungsrechtli- muss für die auf dieser Grundlage Gesetzgebung“ Ausdruck gefunden Markt sowie die drohende Pauperisie- mehr als abhängig Beschäftigte chen Schutzregelungen als Arbeitneh- Beschäftigten nur noch eine gerin- hat. rung der Akademiker sieht er als drän- betrachtet. politik und kultur hat mer verlieren. gere Künstlersozialabgabe an die „Jedem Kenner des Arbeits- und gende Themen unserer Zeit. Nicht den Direktor des Deutschen Büh- Künstlersozialkasse entrichten. Es Sozialrechts ist es dabei augenfällig, zuletzt der Bologna-Prozess habe nenvereins, Rolf Bolwin, für die Ar- puk: Wie schätzen Sie die Zukunft kommt auf eine kulturpolitische Ent- dass die radikalste ‚Deregulierung’, durch einen damit verbundenen un- beitgeber und den Präsident der des Ensembletheaters ein? Hat es scheidung der Rechtsträger der The- nämlich das vollständige Heraus- geheuren bürokratischen Aufwand Genossenschaft deutscher Bühnen- eine Zukunft oder werden künftig in ater an, ob sie bereit sind, an dem in drängen der Erwerbspersonen aus zur Folge, dass die Lehre und die Aus- angehöriger, Hans Herdlein, für die vermehrtem Umfang Gastkünstler der Bundesrepublik Deutschland dem Status des Arbeitnehmers, dabei bildung dahinter zurückstehen. Wei- Arbeitnehmer gefragt, wie sie das eingesetzt, da für sie die geringere vorherrschenden Prinzip des En- viel kostengünstiger und rechtlich teres Manko der neuen Studiengänge Urteil einschätzen. Künstlersozialabgabe und keine „üb- sembletheaters festzuhalten. viel einfacher ist, als vom Gesetzge- sei, dass die Mehrheit der Studieren- lichen“ Arbeitgeberkosten für die ber und von den Tarifvertragspartei- den, die auf eine Nebentätigkeit ange- puk: Wie wirkt sich Ihres Erachtens Sozialversicherung anfallen? puk: Haben Sie den Eindruck, dass en angebotene Flexibilisierungsfor- wiesen sind, das vorgeschriebene das Urteil des Fünften Senats des Rolf Bolwin: In der Gesellschaft muss sich der Beruf des darstellenden men, die sich innerhalb des Arbeits- straffe Studienpensum nur schwerlich Bundesarbeitsgerichts zum Status der Stellenwert des deutschen En- Künstlers insgesamt stärker zu ei- rechts halten, wie z. B. Teilzeitarbeit, erfüllt werden könnte. Auch die Defi- von Gastkünstlern aus? Welche Aus- semble- und Repertoiretheaters wie- nem Beruf entwickelt, der als Selb- kapazitätsorientierte variable Ar- nition der Bezahlung der zukünftigen wirkungen hat es für die Künstler der stärker verankert werden, damit ständiger ausgeübt wird oder ist die- beitszeit, Leiharbeit und befristete BA-Absolventen gelte es nun festzule- und welche für die Theater? die Bereitschaft erhalten bleibt, die- ses Urteil eine Ausnahme von der an- Arbeitsverträge.“ (LAG Köln, Urt. v. gen. Trotz der tief greifenden Refor- Rolf Bolwin: Ob das Urteil in der ses Theatersystem auskömmlich zu sonsten geltenden Rechtspraxis? Wel- 30.06.1995 – 4 SA 63/95). men rief er die Anwesenden zu mehr Praxis relevante Auswirkungen für finanzieren. Denn es ist künstlerisch che Auswirkungen hat in diesem Zu- Die Verkürzung der Rahmenfrist Selbstvertrauen. Ihr Studium habe Gastkünstler haben wird, kann man und wirtschaftlich besonders erfolg- sammenhang die seit letztem Jahr für den Bezug von Arbeitslosengeld großen gesellschaftlichen Wert. Aller- augenblicklich noch nicht seriös be- reich. Gerade deshalb setzt sich der geltende Verkürzung der Rahmenfrist I nach dem SGB III hat sich dings werden nur jene den zugege- ruteilen. Soviel lässt sich aber sa- Deutsche Bühnenverein bereits seit für den Bezug von Arbeitslosengeld I? insgesamt nachteilig auf die frei- benermaßen schwierigen Einstieg in gen: Die Auswirkungen bleiben für Jahren nachdrücklich für dieses The- Rolf Bolwin: Die Urteilsbegründung schaffend tätigen darstellenden das Berufsleben meistern, die ihn als Theater und Künstler gering, soweit atersystem ein. Bezüglich des zwei- des Bundesarbeitsgerichts deutet Künstlerinnen und Künstler ausge- Herausforderung und nicht als Zumu- die Theater auf der Grundlage eines ten Teils Ihrer Frage muss ich darauf darauf hin, dass das Urteil nicht als wirkt. Es ist diesem Beschäftigten- tung begreifen. Ensemble- und Repertoiresystems hinweisen, dass das Urteil keine un- Einzelfallentscheidung zu verstehen kreis nicht zu vermitteln, dass sie Als Vertreter des größten geistes- arbeiten und überwiegend Künstler mittelbaren Auswirkungen auf die ist. Unabhängig davon wird ein En- Beiträge an die Arbeitslosenversi- wissenschaftlichen Faches der Ger- mit Spielzeitverträgen beschäfti- steuer- und sozialversicherungs- semble- und Repertoiretheater seine cherung entrichten und daraus we- manistik sprach Ingo H. Warnke von gen. rechtliche Beurteilung von Gast- darstellenden Künstler auch weiterhin gen der verschärften Anspruchsvor- der Universität Bayreuth über den in Hans Herdlein: Mit diesem Urteil künstlern hat. Sowohl das Bundesfi- überwiegend auf der Grundlage von aussetzungen keine Leistungen er- den letzten Jahrzehnten von statten weicht das Bundesarbeitsgericht von nanzministerium als auch die Sozial- spielzeitbezogenen Arbeitsverträgen halten. Stattdessen fallen sie sofort gegangenen Prestigeverlust des Fa- seiner bisherigen Rechtsprechung versicherungsträger lehnen eine Än- beschäftigen. Eine derartige Praxis in das Arbeitslosengeld II nach dem ches bei gleich bleibender fachlicher ab, nach der gastierende Bühnen- derung ihrer bisherigen Beurtei- führt automatisch dazu, dass solche SGB II ab und werden als professio- Qualifikation. Insgesamt 4,5 Prozent künstler auf der Grundlage von Ar- lungspraxis ab, nach der die meisten Künstler die Anforderungen für ei- nelle Künstler mit dem minderen aller Studierenden an deutschen beitsverträgen beschäftigt werden Gastengagements als abhängige Be- nen Bezug von Arbeitslosengeld I er- Status ungelernter Kräfte gleichge- Hochschulen belegen das Fach und demzufolge als Arbeitnehmer schäftigung qualifiziert werden. füllen. Deshalb rufen wir die Politik setzt. Sie verlieren dadurch die not- Deutsch/Germanistik. Damit ist die gelten. Mit der jetzt getroffenen Ent- Hans Herdlein: Nachdem der Anteil auf, das Ensemble- und Repertoir- wendige Beweglichkeit, sich um ein Germanistik das drittgrößte Studien- scheidung gibt das Bundesarbeitsge- gastierender Bühnenkünstler gegen- theater zu erhalten – auch aus sozi- Anschlussengagement zu bemühen fach an deutschen Hochschulen. Ger- richt seine jahrzehntelange, gefestig- über den Festengagierten zunimmt, alpolitischen Gründen. und fürchten um ihre künftige beruf- manisten seien, so Warnke, in erster te Rechtsprechung auf. In seiner recht- wird diese Statusänderung folgen- Hans Herdlein: Die künstlerische Ar- liche Existenz im künstlerischen Be- Linie Spezialisten. Als solche bringen lichen Beurteilung qualifiziert das schwere Auswirkungen auf den Zu- beit in einer Theaterproduktion ist ruf. sie Textkompetenz, Variationskompe- BAG Gastvertragsverhältnisse nun- gang von Versicherten in die Versor- Ensemblearbeit – also keine Kumu- tenz, Analytische Kompetenz, Struk- mehr als Dienstvertragsverhältnisse gungsanstalt der deutschen Bühnen lation von Selbständigen, in der je- Rolf Bolwin, Direktor des turbewusstsein, Befähigungen kom- und definiert sie in selbständige um. (VddB) haben. Der bisherige Zugang der im Rahmen der vom Bundesar- Deutschen Bühnenvereins plexer Informationserschließung so- Das Ensembletheater wird in dem an Versicherten wird in die Künstler- beitsgericht judizierten „schwachen wie ein historisches Bewusstsein mit. Maße weiter geschwächt, in dem die sozialkasse umgeleitet und künftig in Weisungsgebundenheit“ seine eige- Hans Herdlein, Präsident der Germanisten seien keine „Softskillkas- Festengagements wegen zunehmen- der VddB fehlen. Auf diese Weise ne Vorstellung von künstlerischer Genossenschaft deutscher traten“, sondern besitzen ausgezeich- der variabler Personalbestandteile zu- wird die VddB wegen der fehlenden Freiheit realisiert. Man könnte diese Bühnenangehöriger KULTURREGIONEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 20

Jüdische Regionalkultur in Franken Aufgabe regionaler Kulturarbeit • Von Andrea M. Kluxen Regionale Kulturarbeit wird in Bay- Russland. So konnten Juden gerade ern institutionell von den Bezirken in den kleinteiligen reichsritter- als dritter kommunaler Ebene be- schaftlichen Territorien in Franken trieben. Diese haben es sich zur und Schwaben in Landgemeinden Aufgabe gemacht, das kulturelle ansässig werden und häufig bis zum Erbe zu bewahren, zu erforschen Nationalsozialismus bleiben, wobei und der Öffentlichkeit zugänglich zu Dörfer mit etwa der Hälfte jüdischer machen. Durch Konzipierung und Bevölkerung keine Seltenheit waren. Förderung regionaler Kulturaktivitä- Daher ist die Geschichte der Juden in ten soll angesichts hoher Mobilität Franken auch fränkische Geschichte, regionale Kultur erhalten und vermit- Teil der Vergangenheit dieser Region telt werden, der Zugang zu Kultur und damit Teil der nichtjüdischen niederschwellig und kostengünstig Geschichte und Gegenwart. bleiben und damit auch hinsichtlich Nach den ungeheuerlichen der kulturellen Aktivitäten gleichwer- Gräueltaten des nationalsozialisti- tige Lebensbedingungen innerhalb schen Regimes brach die deutsch- der Region geschaffen werden. Die jüdische Tradition jedoch fast gänz- Bewahrung und Förderung jüdischer lich ab, so dass sich heute umso ein- Regionalkultur ist dabei fundamen- dringlicher die Frage nach dem Um- taler Bestandteil der Kulturarbeit und gang mit Geschichte und Kultur der bewegt sich stets im Spannungsfeld Juden, unserer Erinnerungskultur zwischen Forschung, Geschichte, Ge- und dem Verhältnis zwischen Juden genwart, lebendigem Judentum und und Nichtjuden stellt. Antisemitismus. Im Bewusstsein und in der Ver- antwortung vor der Geschichte för- rundlegend beim Umgang mit dert und unterstützt der Bezirk Mit- G jüdischer Geschichte ist die Er- telfranken daher in vielfältiger Wei- innerungskultur, denn kollektive Er- se Erhalt, Erforschung und Pflege innerung hat prägende Kraft für des jüdischen Erbes: so ist er einer Denkformen und Mentalitäten, sie der Hauptträger des Jüdischen Mu- vergegenwärtigt die Geschichte, ap- seums Franken, mit der Bezirkshei- pelliert an die Gegenwart und wirkt matpflege kompetenter Ansprech- Baseball-Chanukkia, Jüdisches Museum Franken Foto: Jüdisches Museum Franken in die Zukunft, da sie Werte, Ideen, partner zu jüdischer Geschichte und Traditionen und kollektives Be- Kultur und fördert zudem Projekte, ne Judaica-Sammlung und ein be- tigkeit sind. Denn Kultur als wesent- te und Kultur finanziell, etwa bei der wusstsein bzw. gesellschaftliche Forschung und Veranstaltungen zu eindruckender Synagogenkomplex licher Faktor der Kommunalpolitik Denkmalpflege, bei Ausstellungen, Identität stiftet. jüdischen Themen. das Leben jüdischer Landgemein- benötigt gerade im ländlichen Raum Inventarisierungsmaßnahmen, For- den eindrucksvoll vor Augen. Die ehrenamtlich Tätige und Multiplika- schungsprojekten usw. Beispiele Jüdische Regionalkultur Das Jüdische Museum Gründung dieses Museums war lan- toren, die immer wieder Grundla- hierfür sind etwa die Inventarisie- in Franken Franken ge Zeit ein Desiderat, da gerade re- genarbeit für die fränkisch-jüdische rung jüdischer Friedhöfe, die Her- gionale Museen Kristallisations- Lokalgeschichte leisten. Ortschroni- ausgabe der Synagogengedenkbän- Gerade in Franken nimmt die Be- Das Jüdische Museum Franken wur- punkte regionaler Identität und all- ken, Denk- und Mahnmale sowie de Bayern oder auch die Erforschung schäftigung mit jüdischer Geschich- de 1990 als erste Einrichtung dieser gemeinen Geschichtsverständnisses Gedenkfeiern – die die Präsenz von des jiddischen Dialekts Lachou- te und Kultur einen gewichtigen Teil Art in Bayern durch den Bezirk Mit- sind, in denen die Verflechtungen Geschichtlichem in der Öffentlich- disch, den es nur noch in Schopfloch regionaler Kulturarbeit ein, da Fran- telfranken, die Stadt Fürth, den mit politischen, sozialen und kultu- keit garantieren und damit zur his- im Landkreis Ansbach gibt. ken mehr als andere Landstriche Landkreis Nürnberger Land und die rellen Faktoren in einem überschau- torischen Wahrnehmung der Gegen- Dieses Engagement des Bezirks Deutschlands von einer reichen jü- Marktgemeinde Schnaittach ge- baren Raum besonders deutlich so- wart führen – sind ohne ehrenamtli- Mittelfranken sichert nicht nur das dischen Überlieferung geprägt ist. gründet, um regionale jüdische Ge- wie individuelle und kollektive Erin- che Kulturarbeit nicht denkbar. Die überkommene jüdische Erbe, son- Hier waren die historischen Voraus- schichte und Kultur zu thematisie- nerungen geschaffen werden. Bezirksheimatpflege unterstützt sol- dern ist auch Voraussetzung für ei- setzungen für eine dauerhafte An- ren. Das Museum präsentiert Ge- Darüber hinaus entsteht im Jüdi- che Aktivitäten durch fachliche Bera- nen dauerhaften Fortbestand jüdi- siedlung von Juden und eine mit- schichte und Kultur der Juden, dient schen Museum Franken das „Netz- tung, Fortbildung u.a. Hilfestellun- schen Lebens und der wieder wach- unter durchaus erfolgreiche Ent- aber auch als Forschungseinrich- werk jüdisches Franken“, eine Ver- gen. senden jüdischen Gemeinden sowie wicklung des Verhältnisses zwischen tung und Lernort, wo Regionalge- netzung musealer Stellen, die sich Vor diesem Hintergrund hat sich ein unverzichtbarer Beitrag zur Kul- Juden und Nichtjuden ungleich schichte erforscht, Geschichtsbilder mit jüdischer Geschichte und Kultur der Bezirk Mittelfranken im letzten tur unseres Landes. Denn Judentum günstiger. Bereits im Frühmittelalter korrigiert, Stereotypen aufgebro- befassen, zur besseren Verankerung Jahr auch entschlossen, die erfolgrei- bedeutet nicht nur Historie, musea- sind Juden auf dem Gebiet des heu- chen und so Positionen in der Ge- der Thematik in der ganzen Region. che Veranstaltungs- und Publikati- le Darstellung oder Mahnmale und tigen Deutschland nachweisbar und genwart neu bestimmt werden kön- In diesem Zusammenhang ist auch onsreihe „Franconia Judaica“ zu be- Gedenktage. Es gibt ja ein durchaus waren seitdem stets Verfolgung, Ver- nen. Das Museum besitzt bisher die Einrichtung einer Stiftungspro- ginnen, die die vielfältige und kom- lebendiges Judentum, so dass zur treibung und Vernichtung ausge- zwei Häuser, eines in Fürth und ei- fessur an der Universität Erlangen- plexe Geschichte und Kultur der Ju- Erinnerungskultur auch die lebendi- setzt. Angesichts der territorialen nes in Schnaittach. Die Stadt Fürth Nürnberg geplant, die ihren Sitz im den in Franken beleuchtet. Hier wer- ge Begegnung gehört wie bei Zeit- Zersplitterung auf dem Gebiet des wurde gewählt, weil dort bis ins 19. Jüdischen Museum haben soll. den Kontinuitäten und Brüche, posi- zeugengesprächen, aktuellem jüdi- Hl. Römischen Reiches Deutscher Jh. die größte Ansiedlung von Juden tive wie negative Ereignisse, Erfolgs- schen Gemeindeleben u.ä. Den Zu- Nation kam es hier jedoch nie zu ei- in den Grenzen des heutigen Bayern Bezirksheimatpflege geschichten und Rückschläge, fried- sammenhang und die Kontinuität ner vollständigen Vertreibung wie in war. Und in Schnaittach führen eine liches Miteinander, Verfolgung und von Erinnerung, Traditionsbildung, Frankreich, England, Spanien oder sehr bedeutende, erhalten gebliebe- Mit der Bezirksheimatpflege haben Diskriminierung erforscht und der Identität und Gegenwart deutlich zu die bayerischen Bezirke jeweils eine Öffentlichkeit zugänglich gemacht. machen, ist dabei immer wieder von regionale Anlaufstelle für Fragen der neuem genuine Aufgabe regionaler Regionale Kulturpolitik – Kulturpolitik in den Regionen Kultur geschaffen, so auch der jüdi- Kulturförderung Kulturpolitik und Kulturarbeit. schen Kultur. Angeboten werden Ver- Die kulturpolitischen Debatten kon- Main vor. In Ausgabe 3/2007 berich- mittlung, Netzwerke, Beratung, Vor- Die bayerischen Bezirke unterstüt- Die Verfasserin ist Kulturreferentin zentrieren sich oftmals auf die Kul- tete Werner Kraus von der gesetzli- träge und Tagungen, die gerade für zen aber auch Maßnahmen und Pro- und Bezirksheimatpflegerin des turpolitik in den Metropolen. Die gro- chen Verankerung der Bayerischen Ehrenamtliche von eminenter Wich- jekte Dritter zu jüdischer Geschich- Bezirks Mittelfranken ße Städte in Deutschland wetteifern Bezirke und ihrem Kulturförderauftrag. darum, wer die meisten Besucher in Karin Hanika und Wiebke Trunk stell- den Museen hat, welches Theater an ten ein Fotografieprojekt der Kultur- der Spitze liegt, welches Orchester region Stuttgart vor. In der Ausgabe einen besseren Klang hat. Kultur fin- 4/2007 stellte Wolfgang Kalus das det aber eben nicht nur in den Me- Sächsische Kulturraumgesetz am tropolen, sondern auch in den Regio- Beispiel des Kulturraum Mittelsachsen nen statt. vor und Monika Kania-Schütz berich- tete über das Freilichtmuseum Glen- In fünf Ausgaben von politik und kul- leiten. In der Ausgabe 5/2007 stand tur wurde daher bereits Beiträge in das Pfalztheater Kaiserslautern, vorge- der Reihe „Regionale Kulturpolitik“ stellt von Regina Reiser und die Medi- veröffentlicht. Den Anfang dieser Rei- enarbeit des Landschaftsverband he machten in der Ausgabe 1/2007 Westfalen, dargestellt von Markus Olaf Martin vom Landschaftsverband Köster, im Mittelpunkt. Südniedersachsen, der den Arbeits- kreis der Kulturregionen vorgestellt In dieser Ausgabe berichtet Michael hat, und Roswitha Arnold vom Land- Brandt von den Aktivitäten der Olden- schaftsverband Rheinland, die über burgischen Landschaft, speziell dem ein europäische Projekt zur Garten- Festival PlattArt und dem Landeskul- kunst informierte. In der Ausgabe 2/ turfest der Oldenburgischen Land- 2007 setzte sich Peter Fassl, Bezirk schaft. Andrea Kluxen befasst sich in Schwaben, mit dem Begriff Region ihrem Beitrag mit der jüdischen Re- beziehungsweise Kulturregion ausein- gionalkultur in Franken als Aufgabe ander. Sabine von Bebenburg, Kultur- der regionalen Kulturarbeit. Region Frankfurt RheinMain, stellte die Route der Industriekultur Rhein- Die Redaktion Museumspädagogik im Jüdischen Museum Franken: Hebräisch Schreiben lernen für Kinder Foto: Jüdisches Museum Franken KULTURREGIONEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 21

Von PlattArt zum Landeskulturfest Oldenburgische Landschaft beschreitet neue Wege in der Vermittlung regionaler Kultur in Niedersachsen • Von Michael Brandt Nein, hinter dem Namen „Oldenbur- sich als Sprecherin für die Kultur sämt- kumsschlager wie dem Varieté gion arbeiten hier eng zusammen, um und „Niedersachsen Sound Orches- gische Landschaft“ verbirgt sich we- licher Sparten in der Region und tritt „Traumschiff Gloria“ ins Plattdeut- zu zeigen, was im Oldenburger Land ter“. Mit den „Happy German Bagpi- der ein Gartenbauverein noch ein insofern gegenüber den Kommunen sche waren es vor allem die schwie- an Kultur zuhause ist. Dabei liegt ein pers“ aus dem küstennahen Jade und geografischer Begriff! Tatsächlich ist und dem Land auf, sie repräsentiert rigeren Veranstaltungen wie zum besonderer Schwerpunkt auf der Er- einem „Very British“ betitelten Pro- die „Landschaft“ ein als Körper- darüber hinaus die Region nach außen Beispiel „Brookstükken“ – die platt- schließung neuer Kulturakteure, mit gramm der Bläserphilharmonie Sen- schaft des öffentlichen Rechts kon- und versteht sich in besonderem deutsche Annäherung an eine KZ- denen es zuvor keinen oder wenig za Replica aus dem friesischen Varel stituierter Kommunalverband für Maße als Bündelungsorgan der regio- Gedenkstätte – oder das Improvisa- Kontakt gab. Das Landeskulturfest ist wurde auch ein Blick über den Kanal Kultur und Wissenschaft, dessen ge- nalen kulturellen Bestrebungen. tionstheater der Theaterschule Neu- also als eine Art „Leistungsschau der auf die britischen Inseln geworfen. setzlicher Auftrag die Förderung von enburg „Zukunft?! Tokunft un torü- regionalen Kultur“ zu verstehen. Der Stargast war am Samstagabend der Kultur, Wissenschaft, Natur und PlattArt ck?!“, die dem Festival zum Erfolg Einladung, die kulturelle Vielfalt in der bundesweit bekannte, aus Delmen- Umwelt im Gebiet des ehemaligen verhalfen. Der Erfolg war groß, aller- Region zu zeigen, folgen nicht nur die horst stammende und heute in Hude Landes Oldenburg ist. Ihr Wirkungs- Das bis 1946 selbständige Oldenbur- dings weniger in den Besucherzah- traditionell hier beheimateten Kultur- lebende Chansonnier Tim Fischer. Die bereich umfasst mit der Region zwi- ger Land hat sich auch in der Gegen- len – hier muss über eine andere vereine, wie zum Beispiel Volkstanz- Besucherresonanz konnte sich mit schen der Nordseeinsel Wangeroo- wart ein ausgeprägtes kulturelles örtliche Verankerung des Festivals gruppen, sondern in zunehmenden rund 27.000 wieder sehen lassen. Ne- ge und dem Dümmer See im Nord- Selbstverständnis bewahrt. Teil die- nachgedacht werden; außerdem gab Maße auch Künstler und Kulturakteu- ben dem musikalischen und tänzeri- westen Niedersachsens ein Gebiet, ses Selbstverständnisses ist die platt- es ein offenkundig ablehnendes, an re mit Migrationshintergrund, die in schem Bühnenprogramm finden im das doppelt so groß ist wie das Saar- deutsche Sprache – übrigens eine Boykott grenzendes Verhalten eini- der Region eine neue Heimat gefun- nahe gelegenen Schloss und in den land und mit etwas mehr als 1 Milli- der vier in der Bundesrepublik aner- ger lokaler Plattdeutschfunktionäre den haben oder dabei sind, hier eine umliegenden Theatern auch etwas on Einwohnern fast dreimal so viel kannten Minderheiten- bzw. Regio- – als vielmehr in der Zustimmung im solche zu finden. Alle Akteure treten ruhigere Veranstaltungen wie Lesun- Einwohner hat wie das Bundesland nalsprachen. Das Plattdeutsche wird gesamten plattdeutschen Raum. ohne Honorar auf und erhalten nur gen – hier natürlich bevorzugt in der Bremen. von vielen häufig als rückwärtsge- „Endlich – darauf haben wir schon die Anfahrts- bzw. Transportkosten Regionalsprache Niederdeutsch – und wandte, romantisierende oder hei- lange gewartet“ und ähnliche Zu- erstattet sowie ein einfaches Catering. Theateraufführungen statt. Daneben usammen mit den kommunalen mattümelnde Kulturform begriffen. stimmung war allenthalben zu hö- Für sie bietet das Fest einen Auftritts- bieten die beiden in der Nähe des Z Kulturämtern tritt die Oldenbur- Dass dem nicht so ist, machte das ren. Dieses spiegelte sich auch im und damit Marketingrahmen, den sie Schlossplatzes gelegenen Landesmu- gische Landschaft für die kulturellen erstmals 2006 von der Landschaft regionalen und überregionalen Me- sonst nicht erreichen könnten. seen Sonderführungen und einen Tag Belange der Menschen in ihrem Ge- veranstaltete Festival für neue nie- dienecho. PlattArt soll denn auch Immerhin konnten schon 2005 beim der offenen Tür an. Alle Veranstaltun- biet ein. Vom Land Niedersachsen ist derdeutsche Kultur „PlattArt“ deut- fortgeführt werden, für Herbst 2008 ersten Landeskulturfest über 20.000 gen werden unter der gemeinsamen ihr die staatliche Kulturförderung in lich. Junge, avantgardistische nie- ist das zweite Festival geplant. Besucher begrüßt werden. Dachmarke „Landeskulturfest“ be- der Region übertragen worden. Vorbe- derdeutsche Künstlerinnen und „Oldenburg und die Welt!“ So lau- worben, der Eintritt zu den meisten haltlich des für November 2007 zu er- Künstler zeichneten ein neues, für Landeskulturfest tete das Motto des diesjährigen Lan- Veranstaltungen ist kostenlos. Regio- wartenden Landtagsbeschlusses wird manchen alt Gedienten oder „Be- deskulturfestes, das vom 23. bis zum nale Spezialitäten und Produkte, die die regionale Kulturförderung für 2008 rufsplattdeutschen“ unbekanntes Ein zweiter innovativer Ansatz in der 24. Juni auf dem Schlossplatz und in auf dem Schlossplatz in Pavillons an- um rund 68 % aufgestockt, ein Beweis und geradezu unerhört modernes Erschließung und Vermittlung der den Theatern der Stadt Oldenburg geboten werden, sorgen für das leibli- für die gute Arbeit, die die Oldenbur- Bild plattdeutscher Kultur. Rund 300 regionalen Kultur im Oldenburger stattfand. Anknüpfend an den großen che Wohl der Gäste und vermitteln ei- gische Landschaft zusammen mit den Mitwirkende verliehen dem aktuel- Land ist das Landeskulturfest, das in Erfolg des 1. Landeskulturfestes (mit nen Einblick auch dieses Teils der re- 12 anderen Landschaften und Land- len plattdeutschen Lebensgefühl in diesem Frühjahr bereits zum zwei- rund 1000 Akteuren in 60 Veranstal- gionalen Kultur. Der Erfolg der beiden schaftsverbänden in den vergangenen Theater, Literatur, Musik, Film, Hör- ten Mal stattgefunden hat. Zusam- tung) boten in diesem Jahr gut 600 bisher durchgeführten Landeskultur- Jahren in Niedersachsen geleistet hat. spiel, in Diskussionen, Vorträgen men mit den Partnern Staatstheater Akteure aus dem gesamten Oldenbur- feste und die schon jetzt bereits vor- Kulturförderung mit Finanzmit- und Workshops Ausdruck. Neben Oldenburg, den freien Bühnen, den ger Land in über 40 Veranstaltungen liegenden Anfragen von Künstlern teln allein macht aber nicht glücklich plattdeutschen Zugpferden wie dem Landesmuseen und der Landesbibli- ein ungewöhnliches Kulturerlebnis. „Wann gibt es ein nächstes Mal, ich und hilft der Kultur in der Region nur Hamburger Ohnsorg Theater oder othek in der Stadt Oldenburg wird in Dabei wurde auch über den regiona- will unbedingt dabei sein“ lassen ein Stück weit! Die Landschaft versteht der Übertragung regionaler Publi- einem zweitägigen Marathon von len Tellerrand geschaut und es wurde kaum eine Wahl: 2009 geht’s wieder Darbietungen zwischen Samba, klar, dass Oldenburg z.B. eine Hoch- los! Volkstanz, Shanty und Kammersin- burg des brasilianischen Samba ist fonie das Panorama einer lebendi- und das es in der relativ kleinen Ge- Der Verfasser ist Geschäftsführer der gen Kulturlandschaft präsentiert. meinde Bösel gleich zwei Bigbands Oldenburgischen Landschaft Akteure aus dem Profi-, dem Semipro- mit zumindest niedersachsenweiter Weitere Informationen unter fi- und dem Amateurbereich der Re- Ausstrahlung gibt: „Big Band Bösel“ www.oldenburgische-landschaft.de Europa und die Kultur Kulturagenda-Prozess gerät in Schwung • Von Barbara Gessler Vor der offiziellen Beratung durch Verbesserung des Umfelds für eine werden müssen. Der erfahrene Be- die Kulturminister der Mitgliedstaa- höhere und effektivere Mobilität von richterstatter für das Europäische ten in ihrer Sitzung von Mitte No- Kreativen ist in der Kommission an- Parlament hat in seinem Entwurf vember hat in den verschiedensten gekommen. Die Studie, die sie zu die Mitteilung als sehr positive und Foren die Diskussion um die Mittei- diesem Zweck ausgeschrieben hat, nachhaltige Initiative begrüßt, aber lung der Kommission über eine Eu- soll dabei nicht nur die existierenden zusätzliche spezifische Programme ropäische Agenda für Kultur in ei- Mobilitätsprogramme auf allen zu Kultur 2007 gefordert. Gleichzei- ner globalisierten Welt an Tempo Ebenen unter die Lupe nehmen, tig wünscht er eine aktive Einbezie- zugenommen. Ein wichtiger erster sondern auch Empfehlungen dar- hung des Europäischen Parlaments Schritt, der in der Agenda angekün- über vornehmen, wie auch die Hin- in die Methode der offenen Koordi- digt wird, wurde mit dem Kulturfo- dernisse in den anderen Bereichen nierung. rum in Lissabon im September be- wie Sozial- oder Steuergesetzen vor Zur weitergehenden Lektüre reits realisiert. Der strukturiertere diesem Hintergrund überwunden empfiehlt sich allen Interessierten Dialog mit den Kulturschaffenden ist werden können. Eine weitere Studie die neue Studie über „Europäische dort begonnen worden und soll nun soll dazu beitragen, den Beitrag der Kulturelle Werte“ (http://ec.europa. alle zwei Jahre wiederholt werden. Kultur zur Kreativität näher zu un- eu/culture/eac/sources_info/stu- Dabei hat Kommissionspräsident tersuchen und dabei insbesondere dies/eurobarometer_en.html), die José Manuel Barroso verdeutlicht, unterschiedliche Definitionen und im Frühjahr dieses Jahres erhoben wie wichtig der Kommission der ak- Konzepte beleuchten, aber auch und im September vorgelegt wurde. tive Beitrag der Kreativen ist, und mithilfe von best practices konkrete Sie belegt, welchen besonderen Stel- zwar nicht nur im Sinne einer ech- Vorschläge zur Stimulierung von lenwert die Europäerinnen und Eu- ten Partizipation, sondern grund- Kreativität im allgemeinen. ropäer der Kultur beimessen und legend mit Blick auf den inhaltlichen Ebenso angekommen auf der eu- zeigt eindrücklich, wie sehr sie sich Input. Gleichzeitig hat er in Lissabon ropäischen Ebene ist die ebenfalls wünschen, dass Kultur im europäi- auf die Chancen hingewiesen, die die lang anhaltende Forderung nach schen Integrationsprozess eine grö- Öffnung und Durchlässigkeit, wie sie mehr Berücksichtigung der Rolle der ßere Rolle spielen möge. Interessant die Globalisierung mitbringen, für die Bildung für die Kultur. Im geplanten sind besonders auch die differen- europäische Kultur und mit ihr den „Jahr der Innovation und Kreativität zierten Aussagen über gemeinsame Menschen, die sie gestalten, brin- durch Bildung und Kultur 2009“ soll europäische Werte und inwiefern sie gen können. Schutzreflexe und neue diesem Aspekt besondere Aufmerk- sich etwa von den globalen Werten Grenzen könnten nicht die Antwort samkeit geschenkt werden. unterscheiden. Eindeutig wird der auf diese neuen Herausforderungen Auch das Europäische Parla- Wunsch formuliert, dass mehr Mit- sein. ment und der Ausschuss der Regio- tel für den Austausch auf allen Ebe- nen haben sich inzwischen intensiv nen zur Verfügung gestellt werden an Figel wiederum hat in seiner mit der Mitteilung beschäftigt. Der sollen: Hierüber scheint also nicht J Rede klar gestellt, dass der infor- deutsche Berichterstatter für die nur unter und mit den Kulturschaf- melle und rege Austausch mit den Regionen, Gerd Harms, begrüßt die fenden selbst Übereinstimmung zu Kulturschaffenden in keiner Weise Mitteilung und hebt besonders po- herrschen, sondern muss nun nur die formellen und institutionellen sitiv hervor, dass sie explizit die Rol- noch Widerhall bei der Haushaltsbe- Abstimmungsprozesse ersetzen kön- le der Regionen und Kommunen hörde finden! ne, sie jedoch wesentlich ergänzen würdigt. Gleichzeitig trifft er sicher müsse. Die in der vergangenen Zeit den Nerv, wenn er fordert, dass bü- Die Verfasserin ist Leiterin mit lauter Stimme nicht nur vom Eu- rokratische, Berichts- und Verwal- der Vertretung der Europäischen Plakat PlattArt Foto: Peter Kreier © Oldenburgische Landschaft ropäischen Parlament geforderte tungspflichten in Grenzen gehalten Kommission in Bonn EUROPA politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 22

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Mitteilung der EU-Kommission „Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“

Berlin, den 19.09.2007. Der Deut- der Koordinierung vereinbart werden alle anderen Fördermöglichkeiten, müs- Vor dem Hintergrund der Unterzeichnung organisiert hat, besteht mit einer von sche Kulturrat, der Spitzenverband der sollen. Darüber hinaus ist es nicht er- sen auch kleineren kulturellen Trägern des „UNESCO-Übereinkommens über der EU-Kommission forcierten Struktu- Bundeskulturverbände, begrüßt die an sichtlich, wie die Umsetzung der „offe- zugänglich gemacht werden. Zu fordern den Schutz und die Förderung kulturel- rierung zum jetzigen Zeitpunkt die Ge- das Europäische Parlament, den Rat, nen Methode der Koordinierung“ erfol- ist daher auch, dass auf nationaler Ebe- ler Ausdrucksformen“ fordert die EU- fahr, dass es zu einer Harmonisierung den Europäischen Wirtschafts- und gen soll und welche Akteure auf euro- ne ein Fonds zur Risikoabsicherung ein- Kommission in ihrer Mitteilung die sys- und Zentralisierung der kulturpolitischen Sozialausschuss und den Ausschuss päischer als auch auf nationaler Ebe- gerichtet wird, der insbesondere für die tematische Eingliederung der kulturel- Organe auf europäischer Ebene kommt. der Regionen gerichtete Mitteilung ne mit in den Konsultationsprozess ein- kleineren Träger bestimmt ist. Zum an- len Dimension und Komponenten in alle Eine Strukturierung darf nicht erzwun- „Eine europäische Kulturagenda im bezogen werden sollen. deren müssen Visum-Bestimmungen Maßnahmen, Projekte und Programme gen werden, sondern muss sich mittel- Zeichen der Globalisierung“, die die sowie das Steuer- und Sozialversiche- der Außenbeziehungen zwischen der EU fristig entwickeln. Um diese Vielfalt der EU-Kommission am 10. Mai 2007 vor- · Der Deutsche Kulturrat fordert daher, rungsrecht für Künstlerinnen und Künst- und anderen Ländern und Regionen als kulturellen Organisationen zu ermögli- gelegt hat. Die Mitteilung proklamiert im Vorfeld den inhaltlichen Rahmen ler verbessert werden, um so einen un- Mittel zur Stärkung der Qualität der di- chen und damit eine selbstorganisier- die zentrale Rolle der Kultur im euro- der „offenen Methode der Koordinie- bürokratischen kulturellen Austausch zu plomatischen Tätigkeit. Dazu gehört u.a. te Strukturierung voranzutreiben, bedarf päischen Integrationsprozess und rung“ für den Kulturbereich zu klären gewährleisten. der Ausbau des politischen Dialogs mit es der finanziellen Unterstützung von schlägt zudem eine Kulturagenda für und die beteiligten kulturpolitischen allen Ländern und Regionen im Kultur- kulturellen Netzwerken. Europa sowie für die Beziehungen Eu- Akteure klar zu benennen. · Der Deutsche Kulturrat fordert, wirk- bereich, die Förderung des kulturellen ropas zu Drittländern vor. Damit wird same kulturpolitische Instrumente zur Austauschs zwischen der EU und ande- · Der Deutsche Kulturrat fordert, dass zum ersten Mal in der Geschichte der · Der Deutsche Kulturrat fordert weiter, Förderung kultureller Vielfalt, die in ren Länden und Regionen sowie die Nut- den politisch legitimierten zivilgesell- Europäschen Union die zentrale Rolle die Kooperation mit der Zivilgesellschaft den einzelnen europäischen Ländern zung der Außenbeziehungen und der schaftlichen Institutionen Mitgestal- der Kultur im europäischen Integrati- als ersten Schritt der Konsultation in entwickelt werden, systematisch zu- Entwicklungspolitik zum Schutz und zur tung ermöglicht wird. Dabei ist es onsprozess hervorgehoben. Es kommt besonderer Weise hervorzuheben. sammenzustellen und einer Nutzung Förderung der kulturellen Vielfalt durch notwendig, die repräsentativen kul- nunmehr darauf an, dass auf der Ebe- zugänglich zu machen. Dazu gehört finanzielle und technische Unterstützung turellen Selbstorganisationen in Eu- ne der EU die Respektierung des Ei- · Die Rechtgrundlage der europäischen auch die Nutzung der vielfältigen Er- bei Erhaltung des kulturellen Erbes. So ropa finanziell zu unterstützen. genwertes von Kunst und Kultur eine Kulturpolitik ist und bleibt Artikel 151 fahrungen der europäischen Institu- schlägt die EU-Kommission die Errich- zentrale Orientierung der Politik ist. des EG-Vertrags von Amsterdam. Der tionen wie dem Europarat oder dem tung eines EU-AKP-Kulturfonds vor, mit · Der Deutsche Kulturrat fordert dar- Deutsche Kulturrat fordert daher, dass Europäischen Parlament. dem spezifische kulturelle Aktionen und über hinaus den Erhalt der Vielfalt Im Gegensatz zu einer EU-Richtlinie ist in allen Aktivitäten der EU-Kommissi- Veranstaltungen unterstützt werden sol- und Heterogenität der kulturellen Ak- die Form der Mitteilung nur eine Emp- on die Wahrung des Subsidiaritätsprin- Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass len. Dieser Kulturfonds soll bis 2013 mit teure auf europäischer Ebene, weil fehlung ohne rechtsbindende Wirkung. zips gewahrt bleiben muss, wonach die der Kultur auf europäischer Ebene ein 30 Mio. Euro zur Förderung der Kultur sie die kulturelle Vielfalt Europas re- EU die Maßnahmen der Mitgliedstaa- wichtiger Stellenwert zugesprochen in den AKP-Ländern (Afrika, Karibik, Pa- präsentieren und widerspiegeln. Drei konkrete Ziele werden in der Mit- ten unterstützt und ergänzt, nicht aber wird. Er weist darauf hin, dass es zifik) beitragen. teilung genannt, die zusammen den ersetzt. Das bedeutet insbesondere, bereits zahlreiche Programme auf eu- 2. Einbeziehung der Kultur in andere Entwurf einer Kulturstrategie der eu- dass der Harmonisierung der Rechts- ropäischer Ebene gibt, die die Kultur · Der Deutsche Kulturrat begrüßt die betroffene Politikbereiche ropäischen Mitgliedstaaten, der Insti- und Verwaltungsvorschriften enge als Motor und Ressource gesellschaft- Einrichtung eines EU-AKP Kulturfonds. tutionen und des kulturellen und kre- Grenzen gesetzt werden. licher Entwicklungen nutzen und unter- Wichtig ist, dass mit diesem Fond Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass ativen Sektors bilden. stützen. Zu nennen sei hier vor allem nicht nur Austauschprojekte zwischen die Kommission in Hinblick auf Arti- A. Ziele der europäischen das Programm „Kulturhauptstadt Eur- der Europäischen Union und den AKP- kel 151 Absatz 4 des EG-Vertrags von 1. Förderung der kulturellen Vielfalt opa“. Wichtig ist es, diese bestehen- Staaten, sondern auch die regiona- Amsterdam für Ausgewogenheit zwi- und des interkulturellen Dialogs Kulturagenda den Programme weiter zu fördern und len und lokalen Kulturproduktionen schen den verschiedenen politischen 2. Förderung der Kultur als Katalysa- zu unterstützen. Zum kulturellen Erbe innerhalb der jeweiligen Länder ge- Zielen sorgen möchte, zu denen auch tor der Kreativität 1.Förderung der kulturellen Vielfalt und Europas gehört auch die Vielfalt der fördert werden, da sie überhaupt erst die Förderung der kulturellen Vielfalt 3. Förderung der Kultur als Bestand- des interkulturellen Dialogs europäischen Sprachen. Diese ist ge- die Grundlage für einen Austausch zählt. Damit wird ein weites Verständ- teil der internationalen Beziehun- rade im Kontext der Europäischen Uni- darstellen. Es ist darauf hin zu wei- nis von Kulturpolitik vertreten, das die gen der Europäischen Union Mit dem Vorschlag der EU-Kommissi- on zu pflegen und zu fördern. sen, dass die Kultur- und Außenpoli- hohe kulturpolitische Relevanz kultur- on zur Förderung der kulturellen Viel- tik auch die anderen Weltregionen fremder Ressorts betont. Grundsätzliches Handlungsinstrument falt und des interkulturellen Dialogs, 2. Förderung der Kultur als Katalysa- nicht außer Acht lassen darf. zur Ereichung dieser Ziele ist die „of- wird den Zielen der „UNESCO-Konven- tor der Kreativität im Rahmen der Lis- · Der Deutsche Kulturrat fordert, dass fene Methode der Koordinierung“. tion über den Schutz und die Förde- sabon Strategie für Wachstum und Be- · Der Deutsche Kulturrat fordert weiter, die Rahmenbedingungen, wie sie im rung der Vielfalt kultureller Ausdrucks- schäftigung dass Kunst und Kultur auch in der Au- Steuer-, Arbeits- und Sozialversiche- Einrichtung einer offenen Koordinie- formen“ Rechnung getragen, die kul- ßenpolitik der EU ihren Eigenwert be- rungs- sowie im Urheberrecht gestal- rungsmethode (OMK) turelle Vielfalt und den interkulturellen In Hinblick auf die wachsende Bedeutung hält und nicht von Politikbereichen, wie tet werden, kulturverträglich sein Dialog auch innerhalb Europas zu för- der so genannten creative industries als beispielsweise der Wirtschafts- oder müssen. Die Formulierung „offene Methode der dern und den kulturellen Reichtum Eu- Wirtschaftsfaktor fordert die EU-Kommis- Außenpolitik, in Dienst genommen Koordinierung“ (OMK) wurde das erste ropas auf europäischer Ebene besser sion in ihrer Mitteilung die Förderung der wird. · Der Deutsche Kulturrat fordert wei- Mal beim Lissabon Gipfel 2000 als zur Geltung zu bringen. Dazu gehört Kreativität in der allgemeinen Bildung. ter, über die Beachtung der Kultur- Koordinierungsmethode zwischen den auch die Förderung der Mobilität von Dazu gehört auch die Förderung von Kul- B. Umsetzungsmaßnahmen verträglichkeit des Handelns kultur- Regierungen vorgeschlagen. Sie ist ein Künstlern und Beschäftigten im Kultur- tur und Künsten in der non-formalen und fremder Ressorts hinaus, konstruk- Prozess, in dem auf EU-Ebene gemein- bereich, die Verbreitung künstlerischer formalen Bildung. Um die soziale und zur Erreichung der Ziele tiv die Integration kultureller Impulse same Ziele/Leitlinien festgelegt und Ausdrucksformen über nationale Gren- wirtschaftliche Wirkung von Investitionen in allen Politikbereichen der EU zu be- mittels vereinbarter Indikatoren die Fort- zen hinweg sowie die Förderung des in die Kultur und Kreativität zu verstär- Um diese drei Kernziele zu realisieren, treiben. Die auf europäischer Ebene schritte gemessen sowie bewährte grenzüberschreitenden Verkehrs von ken, schlägt die EU-Kommission den Auf- schlägt die EU-Kommission, neben der vertraglich zugesicherte Kulturverträg- Praktiken identifiziert und verglichen Kunstwerken und anderen künstleri- bau kreativer Partnerschaften zwischen Einrichtung der „offenen Methode zur lichkeitsprüfung muss bei allen Ge- werden. Sie ist ein eigenständiges po- schen Ausdrucksformen. Darüber hin- dem Kultursektor und anderen Sektoren Koordinierung“, u.a. zwei weitere Um- meinschaftspolitiken der Europäi- litisches Verfahren, welches den ge- aus sollen interkulturelle Kompetenzen wie beispielsweise der Forschung oder setzungsmaßnahmen vor. schen Union konsequent angewandt meinschaftsrechtlichen Gesetzge- und der interkulturelle Dialog gefördert der Informations- und Kommunikati- werden. Dazu bedarf es auch der bungsprozess ergänzt. Bisher wird die und gestärkt werden. Dies soll durch onstechnologienbranche (IKT) vor. Dies 1. Aufbau eines strukturierten Dialogs stärkeren Einbindung des EU-Kom- offene Methode der Koordinierung in die Entwicklung von Schlüsselkompe- soll zu mehr Wachstum und Arbeitslät- mit dem Kultursektor missars für Kultur und Bildung in die den Bereichen Beschäftigung, Sozial- tenzen, wie bewusster Umgang mit den zen führen. Debatten anderer Politikbereiche, wie schutz, Bildung und Jugend angewandt. Kulturen in einer Gesellschaft, soziale Da der Kultursektor, von der Sache und beispielsweise dem Sozial-, Wirt- Die EU-Kommission ist der Ansicht, Kompetenzen und das Erlernen von · Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass seiner Geschichte her, sehr heterogen schafts- und Urheberrechtsbereich. dass die offene Methode der Koordi- Fremdsprachen erzielt werden. die Kommission die Bedeutung des strukturiert ist, sieht die EU-Kommissi- nierung auch einen geeigneten Rahmen kulturellen Potentials für alle Bereiche on die Kartografierung des Kultursektors C. Forderungen an die für die Zusammenarbeit zwischen den · Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass von Gesellschaft und Politik feststellt vor, mit dem Ziel die Gesamtheit der Mitgliedstaaten im Kulturbereich bietet, mit dieser Forderung auch die Einbe- und insbesondere die Kultur in ihrer kulturellen Organisationen (Berufsver- nationale Kulturpolitik da diese den unverbindlichen Aus- ziehung von Kultur in die Bildungsin- Rolle als Motor der Kreativität gestärkt bände, kulturelle Institutionen, Nichtre- tausch zwischen den Regierungen über halte einhergeht und dadurch Kultur werden soll. Um aber die kulturelle Pro- gierungsorganisationen, Stiftungen und Die europäische Politik wird auch geplante Maßnahmen und gemeinsa- und kulturelle Bildung stärker in der duktivität und die Kreativität nachhal- europäische und nichteuropäische Netz- durch die Regierungen der Mitglied- me Aktionen ermöglicht. Absicht ist es, Bildungspolitik der EU-Politik verankert tig zu gewährleisten, bedarf es der Si- werke) zu ermitteln und besser verste- staaten gesteuert. Es kommt daher kulturpolitische Ziele zu vereinbaren, werden. Wichtig ist dabei, von einem cherung der sozialen Lage für Künst- hen zu können. Darüber hinaus plant darauf an, dass eine kohärente Inte- Fortschritte zu prüfen und Verfahren und Kulturbegriff der Vielfalt auszugehen. ler. Wesentlich ist hierbei die Gestal- die EU-Kommission ein Kulturforum ein- ressensvertretung der Bundesrepub- Daten zwischen den Staaten auszutau- tung der Rahmenbedingungen im zurichten, das den Organisationen aus lik Deutschland in Brüssel auch im schen. · Der Deutsche Kulturrat begrüßt zu- Steuer-, Arbeits- und Sozialversiche- dem Kulturbereich die Möglichkeit bie- europäischen Kontext stattfindet. dem den Vorschlag der EU-Kommis- rungs- und im Urheberrecht. tet, sich auf europäischer Ebene mit · Der Deutsche Kulturrat begrüßt das sion, den Austausch und den Dialog ihren spezifischen Anliegen Gehör zu · Der Deutsche Kulturrat fordert da- Vorhaben, die kulturpolitische Zu- zwischen den Künstlern zu fördern. · Kunst und Kultur haben eine wach- verschaffen und damit den kulturpoliti- her Bund und Länder auf, sich aktiv sammenarbeit zwischen den EU- Um aber eine Kontinuität dieses Dia- sende wirtschaftliche Bedeutung. Der schen Dialog zu ermöglichen. an der Ausgestaltung der Kultur- Staaten zu stärken und damit den logs zu gewährleisten, fordert der Deutsche Kulturrat fordert, dass der agenda zu beteiligen. Um auch die Austausch von Erfahrungen und In- Deutsche Kulturrat zum einen die Ein- Eigenwert von Kunst und Kultur obers- Mit Sorge nimmt der Deutsche Kultur- nationalen Interessen auf europäi- formationen zu fördern. richtung eines Mobilitätsfonds für te Priorität haben muss. rat die Forderung nach einer stärkeren scher Ebene zu vertreten, ist es not- Künstler auf europäischer Ebene, um Strukturierung des Kultursektors zur wendig, dass Vertreter von Bund und Unklar ist aber, welche konkreten damit den finanziellen Rahmen für 3.Förderung der Kultur als wesentlicher Kenntnis. Da sich der Kultursektor auf Ländern stärker und vor allem ein- Maßnahmen und kulturpolitischen den interkulturellen Austausch sicher Bestandteil der internationalen Be- europäischer Ebene in seiner Vielfalt heitlicher als bisher diesen Prozess Ziele genau in der offenen Methode zu stellen. Dieser Fonds, ebenso wie ziehungen der Union bisher teilweise noch nicht hinreichend inhaltlich begleiten und steuern. KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 23

Viel gelesen und viel gescholten, die Presse Flugblatt, Intelligenzblatt, Generalanzeiger, Lizenzpresse – Gedanken zur Zeitung • Von Georg Ruppelt Sie hat ihren festen Platz in unse- Gewalt bezeichnet. Sie bietet über- des je gegenwärtigen Lebens und rem Tageslauf, sei es am Frühstücks- dies ein hohes Maß an Hintergrund- Geschehens. Diesen hält sie aber tisch oder in der U-Bahn, in der Mit- wissen, das man sich in Ruhe und nicht nur für die unmittelbare Ge- tagspause oder am Schreibtisch, im völlig unkompliziert zum mehrfach genwart bereit, sondern auch für die Ohrensessel oder im Strandkorb; sie wiederholten Male aneignen kann. Zukunft. Damit aber ist die Zeitung ist so selbstverständlich wie das täg- Einmal ganz abgesehen vom Infor- jederzeit eine Quelle für die Beschaf- liche Brot: die Tageszeitung. Noch, mations- und Unterhaltungswert ei- fung von Informationen aller Art, ist man geneigt hinzuzufügen, denn ner Tageszeitung, bietet die regiona- auch aus vergangenen Zeiten. In die- seitdem unzählige Fernsehsender le Zeitung auch etwas, das in Zeiten sem Sinne kann man dem Sprich- rund um die Uhr Nachrichten und einer globalisierten Welt immer wort „Nichts ist so alt wie die Zeitung Unterhaltung anbieten, seitdem das wichtiger wird: Sie bietet dem Leser von gestern“ durchaus auch eine Internet seinen weltweiten Sieges- nämlich die Möglichkeit, sich über positive Bedeutung zumessen. Vor- zug angetreten hat und seit Mitte der die eigene Region zu informieren, sie aussetzung ist allerdings, dass die 90er Jahre des vergangenen Jahr- besser kennenzulernen. Der Leser Zeitung auf Dauer aufbewahrt, er- hunderts elektronische Zeitungsan- kann sich auf diese Weise mit seiner halten, erschlossen und zur Verfü- gebote auf dem Markt sind, seitdem Heimat identifizieren, mit den Men- gung gestellt wird. Welche Instituti- hat die Tageszeitung gegen eine schen, die dort wohnen, mit den on aber könnte dies besser als eine starke Konkurrenz zu bestehen, Schönheiten der Natur und ganz be- Bibliothek, denn das sind deren ge- nicht nur in der Übermittlung von sondere auch mit dem kulturellen nuine Aufgaben. Nachrichten, sondern auch in Hin- Angebot. Die Zeitung bietet ihm die In Deutschland sind es vor allem blick auf das Existenz sichernde Möglichkeit, sich über die regionale wissenschaftliche Bibliotheken, die Anzeigen- und Werbegeschäft. Wäh- Politik, die Wirtschaft, die Kultur zu das sogenannte Pflichtexemplar- rend es für die Generationen, die in freuen oder sich über sie zu ärgern, recht besitzen, in denen man Zeitun- den ersten zwei Dritteln des zwan- jedenfalls an ihr zumindest passiv gen längst vergangener Epochen fin- zigsten Jahrhunderts geboren wur- teilzunehmen. den kann. Wir werden später darauf den, selbstverständlich war, mit Gerade aber die Vielfalt der Nach- zurückkommen. In anderen Län- Gründung eines eigenen Hausstan- richten, das schnelle Angebot, die dern, beispielsweise den USA, halten des auch eine Tageszeitung, ins- Zeitverhaftetheit und auch die ver- kommunale Bibliotheken ihre örtli- besondere auch eine Regionalzei- schwindend geringe Auswahl an In- chen Zeitungen als Papierausgabe tung, zu abonnieren, kehren die Tei- formationen, wenn man sie in Rela- oder als Mikrofilm vor. Unzählige le jüngsten Generationen dem ge- tion zum gesamten Geschehen in ei- Kriminalromane oder -filme be- druckten Wort in Zeitung oder Buch ner Kommune, in einem Land, ei- schreiben, wie der Detektiv bei sei- mehr und mehr den Rücken. nem Staat oder gar der Welt setzt, hat nen Recherchen ältere Zeitungsjahr- die Zeitungslektüre immer wieder in gänge durchforstet und immer, wirk- enn es stimmt, dass für jeden Misskredit gebracht, hat die Presse lich immer – die Beschreibung einer W gestorbenen Leser ein Fern- wie den Journalismus scharfer Kri- fruchtlosen Recherche wäre auch sehkonsument geboren wird, wie Jo- tik und Verachtung ausgesetzt. Inter- langweilig – einen entscheidenden nathan Franzen meint, so sähe die essanterweise ähnelt diese Kritik in Hinweis findet, der ihn der Lösung Zukunft in der Tat schwarz aus für gewisser Hinsicht dem Vorwurf, den des Falles näher bringt. die Schwarze Kunst. Doch das Ende man heute dem Fernsehen (zapping) Zeitungen sind eine unverzicht- des Buches und der Zeitung wurde und dem Internet (zu viele Informa- bare Quelle für die historische For- seit dem 19. Jahrhundert vorausge- tionen, zu oberflächlich) macht, etwa schung. Wenn auch die jeweiligen sagt, und zwar immer dann, wenn wenn Christian Morgenstern (1871 – Zeitumstände, die Frage nach Zen- sich ein neues Medium etablierte. 1914) der Meinung ist: „Darum kön- sur und Einflussnahme berücksich- Aber weder das Telefon noch das nen Zeitungen so sehr schaden, weil tigt werden müssen, so bieten Zei- Radio, weder das Fernsehen noch sie den Geist so unsäglich dezentrie- tungen doch häufig die einzige Mög- Erstausgabe des Aviso, der zweitältesten gedruckten, periodischen Zeitung der Computer haben den gedruck- ren, recht eigentlich zerstreuen.“ lichkeit, sich über bestimmte Ereig- der Welt. Foto: Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek ten Papiermedien bisher den Garaus Und auch der Satz des polnischen nisse zu informieren, wenn diese machen können. Im Gegenteil: Noch Schriftstellers Stefan Napierski (1899 nicht Eingang in die Archive oder in einigen bürgerlichen Zeitungen, an dieser Stelle seine Beschreibung nie wurden weltweit so viele Bücher – 1940): „Zeitungen ersetzen das Le- mediale Dokumentationen gefun- besonders in der „Deutschen Allge- beendet, so wären die Sätze sicher- produziert wie in der Gegenwart, ben. Deshalb ihre Popularität“ erin- den haben. meinen Zeitung“ und in der „Frank- lich gefährlich für ihn geworden. und jährlich werden es mehr. Die als nert doch sehr an heutige Bedenken Die Berichterstattung in Zeitun- furter Zeitung“, auch in dieser Dik- Doch er zieht seinen Kopf geschickt Konkurrenten aufgefassten neuen gegenüber der virtuellen Welt des gen kann dem recherchierenden tatur vor allem im Kulturteil be- aus der Schlinge mit dem etwas un- Medien haben die Angebotspalette Internets. Historiker sogar dann bestimmte stimmte Botschaften „zwischen die glaubwürdigen Nachsatz: „ [...] denn der Informationsvermittlung und Die Zeitverhaftetheit der Presse Aufschlüsse geben, wenn diese Zei- Zeilen“ geschrieben, also sprachlich die Gestalt Napoleons betrat erst Unterhaltung vermehrt, sie sind und ihre Beeinflussbarkeit wurden tungen in der Zwangsjacke einer camoufliert werden, um sie an ein etwa zwei Jahrzehnte später die eu- durchaus Konkurrenten der her- besonders von Goethe kritisiert, der Diktatur erscheinen müssen. So hat aufnahmebereites Lesepublikum zu ropäische Bühne.“ kömmlichen Medien und ergänzen, aus seiner Abneigung gegen Zeitun- der Verfasser beispielsweise für Re- senden. So besprach beispielsweise Dem Verfasser dieses Beitrages aber sie sind nicht deren Todfeinde gen keinen Hehl machte, etwa in cherchen zu seinem Buch „Schiller am 6. April 1940 Bruno E. Werner in haben Zeitungen bei vielen Publika- oder ihr Ersatz. dem folgenden Gedicht „Zeit und im nationalsozialistischen Deutsch- der Deutschen Allgemeinen Zeitung tionen als unverzichtbare Quellen- Gegenüber den elektronischen Zeitung“: „A. Sag mir, warum dich land. Der Versuch einer Gleichschal- eine „Fiesko“-Inszenierung des grundlage gedient, so z.B. auch bei Medien bieten die Papiermedien er- keine Zeitung freut“/ B. Ich liebe sie tung“ (Stuttgart: Metzler, 1979) Staatstheaters Berlin und zeichnete einer annalistischen Darstellung der hebliche Vorteile: Sie sind überall nicht, sie dienen der Zeit.“ sämtliche Ausgaben des „Völkischen darin ein Charakterbild des Titelhel- Stadt Wolfenbüttel für die Jahre 1902 und jederzeit ohne technische Hilfs- Nein, ein Zeitungsfreund war Beobachter“ (Norddeutsche Ausga- den, das unschwer auch als Charak- bis 2002 („Wolfenbütteler Album. mittel zu lesen, sie benötigen keine Goethe ganz gewiss nicht, obwohl in be) von 1933 bis zum Februar 1945 terbild Adolf Hitlers erkennbar war. Wolfenbüttel: roco-druck, 2002). Elektrizität, jedenfalls nicht bei Tage; einigen der folgenden Zitate durch- durchgesehen, und zwar vollständig Noch heute ist man überrascht vom Auch in diesem Zusammenhang bo- ihre Handhabung ist denkbar ein- aus eher Kritik an der Politik des sonst den Kulturteil. In der Regel umfass- Wagemut dieses Theaterkritikers, ten Nachrichten aus der gleichge- fach; sie haben ihre Nachhaltigkeit in seinen Äußerungen doch eher po- te dieser in den Friedensjahren des und es stockt einem der Atem, wenn schalteten „Wolfenbütteler Zeitung“ und Dauerhaftigkeit seit über 500 litisch zurückhaltenden Goethe an- „Dritten Reiches“ eine halbe eine er am Ende der Charakterschilde- durchaus einen Einblick in das All- Jahren unter Beweis gestellt. Wer klingt: „Bei dem Narrenlärm unserer Seite. Nach Kriegsausbruch bis 1943 rung des „Fiesko“ schreibt: „Dies al- hingegen ist heute noch in der Lage, Tagesblätter geht es mir wie einem, gestaltete der „Völkische Beobach- les scheint fast wie ein Stück Zu- Weiter auf Seite 24 seine Amiga-, Atari- oder C-64-Dis- der in der Mühle einschlafen lernt, ter“ seinen Kulturteil wenig attrak- kunftsmusik, [...]“. Hätte der Kritiker ketten zu lesen? Die Archivierung ich höre und weiß nichts davon.“ (An tiv, viele Ausgaben verzichteten ganz elektronischer Informationen ver- Zelter, 31.12.1817). auf diese Rubrik, die sich zunächst schlingt in den Nationalbibliotheken „Die herrlichste Kur aber und die „Kunst, Wissenschaft und Unterhal- gewaltige Finanzsummen, denn die kräftigste Bestätigung für den Men- tung“ und später „Kulturspiegel“ gespeicherten Daten müssen immer schen, der sich in den Kreis seiner nannte. Nach Verschlechterung der Herausforderung Kulturwirtschaft – wieder auf die jeweils neuesten Spei- Tätigkeit zurückzieht, ist der Spaß, Kriegslage wurde der Anteil der kul- chertechniken konvertiert werden. einen Jahrgang von 1826 gebunden turellen Berichterstattung jedoch Kulturpolitische Antworten Bücher und Zeitungen sind über- zu lesen, wie ich mir ihn jetzt mache, wieder größter; 1944 umfasste der und Strategien dies zutiefst demokratische Medien, wo so klar ist, daß ich durch diese „Kulturspiegel“ oft mehrere Seiten, wenn sie auch einer Zensur ausge- Tagesblätter zum Narren gehalten und die Berichterstattung wurde setzt sein können; letzteres gilt wurde und daß weder für uns noch politisch neutraler. Kultur, dies das allerdings auch für elektronische die Unsrigen, besonders im Sinne Fazit aus der – schier unerträglichen Berliner Tagung vom 8. bis 9. November 2007 Medien. Doch wie kann beispiels- einer höhern Bildung, daher auch – Lektüre von Tausenden Seiten des Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin – Haus Potsdamer Platz weise ein Überwachungsstaat je- nicht das Mindeste abzuleiten war.“ Nazi-Blattes: Kultur hatte nun der mandem nachweisen, wann und wie (An Zelter, 5.10.1831.) Ablenkung von dem grauenhaften BETRACHTUNG DER KULTURWIRTSCHAFT AUS KULTURPOLITISCHER PERSPEKTIVE oft er ein gedrucktes Buch, eine Zei- „ [...] ich meine die Zeitung, und Kriegsgeschehen und weniger der 50 Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft widmen sich den Chancen tung oder eine Zeitschrift gelesen sage dir redlich, / Sie ist die gefähr- politischen Indoktrination zu die- und Risiken, welche sich durch ein Erstarken der Kulturwirtschaft für den öffentlichen hat? Der Zugang zu Datennetzen lichste Schrift, indem sie die Tollheit, nen. Kulturbetrieb ergeben. Sie diskutieren Fragen nach der Nutzbarkeit von Synergien zur hinterlässt hingegen Spuren, die in / Die Verruchtheit der Menschen, Trotz aller Gleichschaltung blieb Bewältigung kulturpolitischer Aufgaben sowie einzuleitende Maßnahmen. der Regel mit technischen Mitteln zu den Leichtsinn, die Dummheit und die bürgerliche Presse in ihren Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. dem zurückverfolgt werden können, / Was nur jeden Plan der Vernunft Kunstkritiken aber in gewisser Wei- Eine Veranstaltung der Kulturprojekte Berlin GmbH der die Spuren hinterlassen hat. zerstört, so deutlich darlegt.“ (Ent- se eigenständig, und dies auf eine VERBINDLICHE ANMELDUNG UNTER auf Initiative der Kulturverwaltung des Landes www.kulturprojekte-berlin.de Berlin, in Kooperation mit dem Beauftragten der Die Presse war und ist ein we- würfe zur zweiten Epistel) Weise, die Goebbels 1936 veranlass- Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). sentliches Konstituens einer freiheit- Aber ja, selbstverständlich ist die te, jegliche Kunstkritik zu verbieten; INFOS UND KONTAKT lichen Demokratie. Nicht ohne Zeitung ihrer Zeit verhaftet, wie soll- gestattet war von da an nur mehr der [email protected] 1 Grund wird sie neben Legislative, te es auch anders sein! Sie ist ein „Kunstbericht“ oder die „Kunstbe- Tel. 030/24 74 9 –731 bzw. –701 Exekutive und Judikative als vierte Fenster zu ihrer Zeit, ein Ausschnitt trachtung“. Nachweislich konnten in KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 24

so etwa die „Einbecker Morgenpost“, die vornehmlich über den Anzeigen- Pressefreiheit garantiert, allerdings aber bereits 1945 lizenzierten sie ei- Fortsetzung von Seite 23 die „Lingener“ oder die „Meppener teil finanziert wurden. versuchten verschiedene Regierun- nige Neugründungen. Tagespost“. Eine Ausbreitung des Pressewe- gen durchaus, Zeitungen zu gängeln. Zur Information der Bevölkerung Viel gelesen und viel In der ersten Hälfte des 18. Jahr- sens ergab sich aus der „Franzosen- Mit dem deutsch-nationalen Hugen- in den besetzten Gebieten dienten gescholten hunderts erschienen die ersten von zeit“. Das Bedürfnis nach lokaler berg-Konzern entstand eine Presse- zunächst Mitteilungsblätter, die die der Obrigkeit ins Leben gerufenen Kommunikation zeigte sich in einer konzentration in bisher nicht ge- Besatzungsmächte herausgaben tagsgesicht des Lebens im „Dritten sogenannten Intelligenzblätter. Vielzahl von Zeitungsgründungen in kanntem Ausmaße. 1933 setzten die und kontrollierten; die Texte wurden Reich“. Die Zeitung berichtet etwa Darunter war allerdings mitnichten der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Nationalsozialisten dann sofort jede meist von deutschen Mitarbeitern 1934, dass eine Erpresserin verurteilt eine Zeitung etwa für Intellektuelle derts. Pressefreiheit außer Kraft. geschrieben. Von den Alliierten her- worden sei, die, unter dem Vorwand, im heutigen Sinne zu verstehen. Der Das Jahr 1848 brachte dann pres- Die Errichtung des Reichsminis- ausgegebene regional begrenzte Zei- sie sammle für das Winterhilfswerk, Begriff „Intelligenzblatt“ leitet sich sepolitisch gesehen die „Erlösung“ teriums für Volksaufklärung und Pro- tungen erschienen sehr schnell nach Geschäftsleute betrogen habe. Ihrer unmittelbar vom lateinischen intel- und offenbarte das latent vorhande- paganda und der Reichspressekam- der Besetzung der jeweiligen Region Forderung habe sie Nachdruck ver- legere ab, was „Einsicht nehmen“ be- ne Bedürfnis nach freier Kommuni- mer in der Reichskulturkammer so- und auch schon vor der Gesamtka- liehen dadurch, dass sie enge Bezie- deutet. „Intelligenzblätter“ waren kation. Die „Göttingensche Wochen- wie das Schriftleitergesetz (alle 1933) pitulation. hungen zur örtlichen NS-Spitze vor- also Periodika, in die man zu be- zeitung für Stadt und Land“ wollte waren die ersten und wichtigsten Schon bald darauf kam es zum gegaukelt habe. Sie behauptete, dass stimmten Zwecken Einsicht nahm, mit ihrer Berichterstattung dafür Schritte auf dem Wege zur Gleich- sogenannten Pressewunder, näm- sie auf Listen für das Konzentrati- weil diese Blätter nämlich Anzeigen Sorge tragen, dass „wir nicht von schaltung der Presse. Der schnelle lich zur Ablösung der alliierten Mili- onslager die Namen der erpressten enthielten. „Intelligenzblätter“ sind Fürsten, Militair und Polizei be- Zugriff der nationalsozialistischen tärzeitungen und zur Gründung Geschäftsleute gesehen hätte. Bei entstanden aus dem sogenannten wacht, wiederum einen drei und Führung, die Maßnahmen gegen deutscher Lizenzpresse. Die erste entsprechender Spendenwilligkeit „Intelligenzwesen“, dessen Ur- dreißigjährigen Schlaf schlafen“. missliebige Zeitungsleute und die Lizenz wurde im Juni 1945 an die aber würde sie dafür Sorge tragen, sprung in Frankreich lag. Gegen Zah- Herrschaft und Obrigkeiten waren ständige Ausweitung des NSDAP- „Aachener Nachrichten“ erteilt, im dass der Name des Erpressten gestri- lung einer Gebühr konnte man in aufgefordert, sich zu legitimeren, Zentralverlages Franz Eher durch August folgte die „Frankfurter Rund- chen würde. An anderer Stelle wird einem Büro Angebote und Wünsche, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Ankauf von aus politischen und schau“. Zwischen 1945 und 1949 li- in der Zeitung berichtet, dass das z.B. Stellenanzeigen oder An- und In vielen Städten wurden gleich wirtschaftlichen Gründen geschlos- zenzierten die drei Westmächte 155 Landeshauptarchiv besonders stark Verkaufswünsche, in Listen eintra- mehrere Zeitungen gegründet. Der senen Verlagen zu einem riesigen neue Tageszeitungen. mit Nachweisen über arische Ab- gen lassen. Die Einsichtnahme in Großteil konnte sich jedoch nur sehr Pressetrust hatten zur Folge, dass In der amerikanischen Zone er- stammung beschäftigt sei. diese Listen kostete wiederum eine kurze Zeit halten. Ein Grund dafür sich in kürzester Zeit keine offen re- hielt die „Süddeutsche Zeitung“ in Zeitungen bieten also einen Blick Gebühr. dürfte das noch unterentwickelte gimekritische Stimme mehr in der München bereits 1945 eine Lizenz. in ihre Zeit, auch für Leser in der Ursprünglich war das „Intelli- politische Bewusstsein im lokalen Presse vernehmen ließ. Eine Zensur Die erste Nummer der „Süddeut- Zukunft, sie bieten Einblicke in das, genzwesen“ eine private Einrich- Raum gewesen sein und natürlich im Sinne einer Vor- oder Nachzen- schen Zeitung“, deren Redaktions- was tatsächlich geschehen ist oder tung, aber die Staaten erkannten noch eine Scheu vor der Öffentlich- sur musste nicht mehr stattfinden, stab konsequent mit Redakteuren auch in das, was die Herausgeber bald, dass sich ihnen damit eine keit. da die Anweisungen, was wie zu besetzt wurde, die unter dem Nazi- und Journalisten möchten, was der sprudelnde Einnahmequelle er- Ende des 19. Jahrhunderts dräng- berichten sei, direkt aus dem Goeb- Regime verfolgt worden waren, wur- Leser als Wahrheit erkennen soll. schloss. Jede Annonce musste zuerst te ein neuer Typ von Massenzeitun- bels-Ministerium kamen. Regional de unter Verwendung eines beson- Zeitungen sind eine Quelle der Ge- im „Intelligenzblatt“ erscheinen. gen auf den Markt. Der sogenannte wurde die Berichterstattung in der deren Materials gedruckt. Die Wo- schichtsschreibung, auch durch ihre Besonders einträglich war auch der Generalanzeiger war politisch neu- Lokalpresse durch den Nationalso- chenschau „Welt im Film“, Nr. 24 eigene Geschichte. sogenannte Bezugszwang, mit dem tral, finanzierte sich größtenteils zialistischen Gaudienst (NSG) ge- vom 26.10.1954 berichtete ausführ- bestimmte Personen und Institutio- durch Anzeigen und konnte so für lenkt. lich, dass die Gießerei für die Her- Eine kurze Geschichte der nen wie etwa Anwälte, Apotheker, einen geringen Bezugspreis oder gar Nach 1945 kam es zu einem ra- stellung der Platten zum Druck der Zeitung Ärzte, Geistliche, Handwerker, Wir- kostenlos abgegeben werden. Die dikalen Bruch mit der Vergangenheit ersten freien Zeitung Bayerns die te, Zünfte und auch Behörden ver- 1874 für das Deutsche Reich einge- im Pressewesen. 1932 waren in bleierne Gussform von Adolf Hitlers Zeitungsgeschichte ist ein seit vielen pflichtet wurden, diese Blätter zu führte Pressefreiheit hatte einen Auf- Deutschland, dem damals zeitungs- „Mein Kampf“ eingeschmolzen hat- Jahrzehnten etabliertes Forschungs- abonnieren. In Preußen wurde der schwung an Zeitungsgründungen reichsten Land der Welt, 4.705 Tages- te. gebiet innerhalb der Publizistik und Bezugszwang 1810 aufgehoben. Aus zur Folge. Nach dem Fall des Sozia- zeitungen erschienen. Im Januar der Medienwissenschaften. Eine den „Intelligenzblättern“ entwickel- listengesetzes (1878–1890) erschien 1945 existierten noch 850, freilich Der Verfasser ist Direktor der Fülle von Publikationen, darunter ten sich dann später die Lokalzeitun- nun auch eine Reihe von sozialde- seit langem gleichgeschaltete Zei- Gottfried Wilhelm Leibniz Biblio- einige Standardwerke, können heu- gen oder auch die sogenannten Ge- mokratisch orientierten Zeitungen. tungen. Die Alliierten verboten thek – Niedersächsische Landesbi- te die vielfältigsten Fragen beant- neralanzeiger – Massenzeitungen, In der Weimarer Republik war die sämtliche deutschen Zeitungen, bliothek worten, die an die allgemeine Pres- segeschichte oder die Geschichte einzelner Periodika gestellt werden. Das Wort „Zeitung“, so belehren uns etymologische Lexika, ist um Astrid Lindgren – ein Jahrhundertereignis 1300 als zidunge im Raum von Köln Biografische Stationen einer literarischen Legende • Von Birgit Dankert zuerst bezeugt und stammt aus dem mittelniederdeutschen tidinge, was Am 14. November 2007 wäre Astrid so viel wie Nachricht bedeutet. Bis Lindgren 100 Jahre alt geworden. ins 1900 Jahrhundert hinein wurde Sie starb 94-jährig am 28. Januar „Zeitung“ im Sinne von „Nachricht 2002, war aber schon zu Lebzeiten von einer Begebenheit“ gebraucht. zu einer Legende geworden – einer Synonym für Zeitungen im Allgemei- Legende, die mit der allgegenwär- nen wird oft der Begriff „Presse“ be- tigen Multimedia-Präsenz von Lind- nutzt, dessen Herkunft leicht zu er- gren-Texten zunehmend den Blick schließen ist; er geht auf die guten- auf Leben und Werk dieser außer- bergsche Erfindung des Buchdrucks gewöhnlichen Frau verstellt. Nach mit Hilfe einer Presse zurück. dieser Legende ist die erfolgreichs- Die Zeitung ist Kind eines unru- te und bekannteste Kinderbuch- higen Jahrhunderts, ihre Vorläufer Autorin der Welt eine alters- und sind die Flugschriften vor allem der zeitlose Inkarnation der Kindheit mit Reformationszeit. Am Vorabend des einer lücken- und nahtlos in Litera- Dreißigjährigen Krieges erscheinen tur aufgehenden Biographie, die dann die ersten Zeitungen in unse- selbst durch Astrid Lindgrens spä- rem Sinne. Als erste gedruckte Aus- te politische Aktionen keinen spür- gabe einer Zeitung überhaupt wird baren Bruch von Leben, Programm, die sogenannte Straßburger „Relati- Botschaft und Texten erkennen on“ angesehen, die wohl bereits lässt. 1605 erschienen ist. Die älteste er- haltene Ausgabe der „Relation“ uch in der Kinder- und Jugend- stammt allerdings aus dem Jahre A literatur ist das bestenfalls eine 1609. Als zweite regelmäßig in deut- Wunschvorstellung. Was sich jedem, scher Sprache erschienene Wochen- der Astrid Lindgren persönlich kann- zeitung, die aber in den ersten Jah- te, mitteilte, haben Forschung und ren vollständig erhalten ist, muss der von der Familie inzwischen tolerier- „Aviso“ gelten, der erstmals 1609 in te Einblicke in ihren Lebensablauf Astrid Lindgren. Foto: Roine Karlsson, © Verlag Friedrich Oetinger Wolfenbüttel erschien. Die Gottfried bestätigt. Astrid Lindgren hat sich Wilhelm Leibniz Bibliothek in Han- den Zugang zur Kinderliteratur über land den größten Büchermarkt au- „Pippi Langstrumpf“-Bände erwarb, einen Verlag veröffentlicht. Wer die nover besitzt die weltweit einzig voll- viele Jahre literarischer Versuche ßerhalb Schwedens und der in drei das Werk Astrid Lindgrens. Er verlegt sorgfältige Aufbereitung ihrer Texte, ständig erhaltenen ersten beiden hart erarbeitet, schrieb ihre heiteren Generationen heranwachsenden inzwischen auch die von Astrid- die digitalen Auskunftsmöglichkei- Jahrgänge. wie traurigen Geschichten zu Trost deutsche Leser- und Medienge- Lindgren vom Beginn ihrer schrift- ten für Kinder und Erwachsene, die Von den 34 Anfang des 17. Jahr- und Stärkung auch ihrer eigenen meinde einen mühelos übernehm- stellerischen Tätigkeit an forcierten kontinuierliche Diskussion um ihr hunderts nachgewiesenen Zeitungs- Person und focht einen vornehmlich baren literarischen Kinderkosmos, und betreuten Medien-Adaptionen Werk, das funktionstüchtige Verlags- druckorten lagen 23 nördlich des literarischen Kampf für Kinderrech- der so kongenial übersetzt und illus- ihrer Texte. Neben Hörspielen, The- Archiv betrachtet, kann nur dankbar Mains. Gedruckt wurde in Handels- te, Frieden und Gewaltlosigkeit. triert wurde, dass viele Leser – schon aterstücken, Filmen, CD-ROMs und sein, auch wenn man sich zentren, von denen eine schnelle Als Geheimnis Astrid Lindgrens vor Öffnung der EU-Grenzen und Software gibt es inzwischen in manchmal eine gesunde Konkurrenz und vielfältige Verbreitung der Zei- gilt in erster Linie die schwer erklär- IKEA-Filialen – ihre Bücher, Hörspie- Schweden auch Lindgren-Vergnü- im Ringen um die beste Präsentati- tungen zu erwarten war. Positiv auf bare Faszination, die ihre Texte auf le und Filme gar nicht mehr als Im- gungsparks, die Zugang zu Astrid on der Autorin wünschte. die rasche Verbreitung der Zeitungen Kinder in aller Welt ausüben – ein port wahrnahmen. Zudem fand sie Lindgrens Welt bieten. Besonders an ihrem Welterfolg wirkte sich zudem aus, dass seit trotz enger geographischer Zuord- in ihrem deutschen Verlag eine bei- Mit ganz wenigen Ausnahmen „Pippi Langstrumpf“, eben nicht nur Ende des 16. Jahrhunderts regelmä- nung offensichtlich global wirkender spiellose, wenn auch sicher nicht (zum Beispiel Beiträge in Schulbü- als Unterhaltung ihrer kranken Toch- ßig bediente Poststationen in den Schatz der Kinderkultur. (West-) uneigennützige Unterstützung. chern, Buch-Club-Ausgaben und ter, sondern auch im Kriegsjahr 1944 wichtigen Handelszentren einge- Deutschland spielt für das zwischen Der Oetinger Verlag betreut seit Blindenbüchern sowie einige Ta- im neutralen Schweden unter dem richtet worden waren. Einige Zei- 1942 und 1992 entstandene Werk 1949, als Friedrich Oetinger für sei- schenbuch-Ausgaben bei dtv) wird tungsnamen erinnern noch heute an eine besondere Rolle. Der Autorin nen jungen Hamburger Verlag in Astrid Lindgren im deutschsprachi- Weiter auf Seite 25 diesen ursprünglichen Vertriebsweg, Astrid Lindgren bot (West-)Deutsch- Stockholm die Rechte für die drei gen Raum ausschließlich in diesem KULTURELLES LEBEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 25

„borderline“-Erlebnis beim Toben, Brüder Löwenherz“ „Madita“ und Fortsetzung von Seite 24 Springen, als Seiltänzerin, Detektiv, „Michel aus Lönneberga“) schrieb Kämpfer für das Gute und in der Astrid Lindgren selbst und willigte Eindruck des Existenzialismus ver- Nähe des Todes; später auch in Trick-Filme ein. Die fasst, lässt sich nachvollziehen, dass - der Trost, zu finden in Tagträumen, frühen deutschen Hörspiel-Insze- Astrid Lindgren mit ihrer Kunst Pro- Helfern aus anderen Welten, Offen- nierungen des NWDR und die vor- jektionsflächen schuf, auf denen barungen von Liebe und Fürsorge; gelesenen Texte, Vorformen der Hör- sich Generation um Generation mit - die Einheit von Kraft, Mut, Erfolg; bücher, besitzen Kult-Charakter. Mit eigenen Träumen und Programmen - die Balance vom Leben in der wenigen Ausnahmen ist die multi- wiederfinden konnten. Für die deut- Gruppe und als Einzelner; mediale Welt der Lindgren noch schen vielfach vater- und orientie- - die Wortspiele. nach europäischer, nicht US-oder asi- rungslosen Kinder der Nachkriegs- Wer diese Elemente einsetzt und atischer Bilderästhetik geschaffen. zeit verwirklichte das omnipotente, unterstützt, ist näher an den litera- Warum die so langsam erzählten Tex- allein lebende Mädchen ein positi- rischen Qualitäten Astrid Lindgrens, te Astrid Lindgrens die Beschleuni- ves Erfolgsprogramm. Für die 68iger als die vielfältigen Unterrichtsmo- gung selbst in digitale, interaktive Me- konnte sie als Inbegriff der antiau- delle, Leseprojekte und Aktions-Mo- dien vertragen, gilt es als neues Ge- toritären Erziehung gelten. Die Vor- dellen der letzten Jahre vermuten heimnis des Genies von Astrid Lindg- kämpferinnen der Frauenemanzipa- lassen. Astrid Lindgrens 100. Ge- ren noch zu untersuchen. Die vierte tion interpretierten Pippi Langst- burtstag ist ein guter Anlass zu der Lindgren-Generation erkämpft sich rumpf als „starkes Mädchen“. Ande- Vermutung, dass sie als wirksamer ihren audiovisuellen Zugang zu „Karls- ren galt sie als Bild der „Hexe“, der Teil der Kinderliteratur nur dort son vom Dach“ und „Lotta zieht um“ von allen gesellschaftlichen Autoritä- überleben wird, wo man ihr den his- ebenso unbefangen, wie seinerzeit die ten gefürchteten Autarkie der Weib- torischen Charakter zugesteht – wie literatur-pädagogischen Bedenken ge- lichkeit. das bei Spyris „Heidi“ und Kästners gen das schlechte Beispiel einer „Pip- Es sind diese zeitbedingten, ver- „Emil und die Detektive“ ebenso der pi Langstrumpf“ missachtet wurden. gangenen Rezeptions- nicht Text- Fall ist. Der Umbruch in diese Phase Nach anfänglicher Skepsis wur- Varianten, die Pippi Langstrumpf für der Lindgren-Rezeption hat gerade de Astrid Lindgren mit literarischen Kinder von heute zunehmend „alt“ begonnen. Vielleicht werden wir sie und kulturpolitischen Ehrungen aussehen lassen, wenn die Literatur- eines Tages auch als frühes Beispiel überhäuft. Auch hier spielte figur beim Vorlesen oder Nachspie- – vor Rowlings „Harry Potter“ – für Deutschland, dessen Sprache sie gut Die Brüder Löwenherz. © Verlag Friedrich Oetinger len durch Mütter, Tanten und Lite- das Phänomen begreifen, wie Kin- sprach und verstand, zu dem sie aber raturpädagogen mit der Program- derbücher zur Erwachsenen-Lektü- seit Nazi-Zeiten kein ungetrübtes hältnis von Astrid Lindgrens Biogra- und wissenschaftlicher Sekundärli- matik früherer Lese-Generationen re werden und nicht umgekehrt. Verhältnis hatte, eine besondere Rol- phie zu ihrer Dichtung, die Gender- teratur schafft die Datenbank neue befrachtet wird. Der Höhepunkt des „Medien- le. Die Verleihung des Friedensprei- Orientierung ihrer Literaturfiguren, Zugänge zum Gesamtwerk Astrid Antiautoritäre Kinderläden, die hype“ steht allerdings noch aus. ses des Deutschen Buchhandels an durchgehende Wertvorstellungen in Lindgrens, zur deutschen Astrid- Friedenserziehung, christliche Ju- Astrid Lindgrens Werk bietet dafür die Astrid Lindgren 1978 im Vorfeld des ihren Fiktionen und die angewand- Lindgren-Forschung, zur Rezepti- gendarbeit, emanzipatorische Mäd- besten Voraussetzungen. Sie war eine UNO-Jahrs des Kindes war ein Hö- te Forschung für Lesepädagogik, Le- onsgeschichte und zum Markt der chenerziehung, Trauer-Seminare der ersten Autorinnen, die den Me- hepunkt ihrer literarischen Karriere, seförderung und Sozialarbeit. multimedialen Produkte unter ih- und Trainingskurse für hyperaktive dien-Switch von Texten wagte. „Kal- der Lindgren-Begeisterung in Eine zum 100. Geburtstag zu- rem Namen. Die Datenbank (www. Kinder haben Lindgren-Texte mit le Blomquist“ gab es im schwedi- Deutschland und eine Sternstunde sammengestellte Datenbank zu Tex- biu.haw-hamburg.de) strebt Voll- Erfolg eingesetzt. Für soziales Ler- schen Rundfunk als Hörspiel und der gesellschaftlicher Wertschätzung ten von und über Astrid Lindgren ständigkeit an und wird kontinuier- nen im Vorschul-Alter eignen sich Film fast synchron mit der Buchaus- der Kinder- und Jugendliteratur in gibt Auskunft über alle in Deutsch- lich ergänzt. Sie gehört zum öffent- ihre Texte ebenso wie für Vorlesen gabe. Das Kinderbuch „Ferien auf Politik, Wissenschaft und Pädagogik. land erschienenen Werke und Me- lich zugänglichen Informationspool und erfolgreiche Leseförderung. Was Saltkrokan“ ist nach dem Film-Dreh- Ihre erste Leser-Generation war dienadaptionen sowie über die ge- des Departments Information in der berührt erfahrungsgemäß Kinder in buch geschrieben. Die Funk-Serie erwachsen und nicht zufällig begann samte Fachliteratur zu Astrid Lindg- Fakultät Design, Medien, Informa- ihren Texten am meisten? „Rasmus, Pontus und der Schwert- nun die inzwischen weite und diffe- ren in deutscher Sprache. Seit 1949 tion der Hochschule für angewand- - das Gefühl der Geborgenheit in den schlucker“ basiert ebenfalls auf ei- renzierte Astrid-Lindgren-For- sind aus den etwa 70 von ihr ge- te Wissenschaften Hamburg (HAW). Kindheitsparadiesen Bullerbü, Katt- nem Drehbuch und wurde erst im schung. Neben Schweden besitzt schriebenen Texten mehr als 1100 hult, Krachmacherstraße, Klein- dritten Anlauf ein gedrucktes Buch. Deutschland die reichste Literatur Ausgaben, Neuauflagen, audiovisu- Die Verfasserin ist Professorin an köping und Birkelund; Die Dreh-Bücher zu den Filmen zu der Autorin. Vier Interessenkrei- elle Bearbeitungen geworden. Auch der Hochschule für angewandte - die Grenzüberschreitungen, das nach ihren Kinderromanen (wie „Die se lassen sich ausmachen: das Ver- mit den 850 Titeln journalistischer Wissenschaften Hamburg KULTURELLES LEBEN/PORTRAIT politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 26

Wer ist ein Künstler? Ein Essay von Karlheinz Schmid

Was muss er tun, der Künstler (natür- bei Roman Signer? Oder reicht ein war- ben, hochkarätige Flankenschützer zu fin- Befehl von ganz oben, wie das einst lich sind immer auch die Künstlerinnen mes Süppchen, wie es Rirkrit Tiravanija den). Jeder Promotor achtet zudem dar- Sigmar Polke so wunderschön formu- gemeint!)? Wie muss er sich präsen- kocht? Apropos: Ist der spanische Mole- auf, dass sein potenzieller Schützling vi- liert hat? Die Antwort indes gibt es nicht, tieren, wie sollen seine Werke ausse- kular-Koch Ferran Adrià ein bildender tal erscheint, gesundheitlich fit ist, eine wie es scheint; es gibt statt dessen viele hen, um vom Markt angenommen zu Künstler, weil er auf der documenta-Teil- nicht allzu bescheidene Produktion ver- Statements, die durchaus allesamt ihre werden? Soll nach wie vor gut Verkäuf- nehmerliste stand? Und was ist mit dem spricht (von Neo Rauch könnte sein Ga- Berechtigung haben. „Es geht darum, liches entstehen, also die bekannte fla- Grenzgänger Christoph Schlingensief? lerist Judy Lybke im Jahr allemal ein paar in der Kunst Machtverhältnisse darzu- che Ware, auch Flachware genannt, die Video- und Filmemacher, Theaterregis- hundert Bilder verkaufen, doch meist stellen, die sonst nicht abgebildet wer- sich kurzerhand in die Depots schie- seur, Bildhauer, Installationskünstler, muss er sich mit etwa 30 begnügen. Die den“, sagt der Künstler, Kurator und ben lässt, Aktien auf Keilrahmen ge- Konzept-Genie, Literat oder Animateur? hohen Preise gleichen hier freilich aus). Autor Andreas Siekmann, der 2007 in spannt? Oder darf es auch sperriger Oder alles in einem? Und nicht zuletzt spielt das Alter eine Kassel und in Münster auf den Groß- sein, eine vielteilige Installation etwa, Rolle. Louise Bourgeois, die große alte ausstellungen documenta und skulp- die in zahlreichen Kisten transportiert Muss Kunst heute spartenübergreifend Dame der amerikanischen Kunstszene, tur projekte vertreten war. Für den wird und dann konsequent reichlich sein? Muss man/frau Titten zeigen (Elke stellt zweifelsfrei eine Ausnahme dar; sie ebenfalls in Münster aktiven Kollegen Lager-Kubikmeter beansprucht? Aber Krystufek) oder mit Blut spritzen (Her- kam erst mit über sechzig Jahren ins Ge- Marko Lehanka geht’s ums permanen- gibt es nicht auch Sammler, die mann Nitsch)? Soll man sich, van Gogh spräch. Galeristen suchen meist junge, te Scheitern: „Das ist mein Lebens- mittlerweile Konzepte in die Schubla- lässt grüßen, ein Ohr abschneiden – oder kraftvolle, fleißige, ideenreiche Künstler, sinn.“ Martin Kippenberger sprach de legen, sich über das erworbene wenigstens den eigenen Penis malträtie- die sich besser im Markt etablieren las- gerne vom „Augen-Shopping“, wenn er Recht freuen, nach genauen Hand- ren, wie es der verstorbene Rudolf sen als bereitwillige, womöglich müde gefragt wurde, was Kunst sei. Die Por- lungsanweisungen des Künstlers eine Schwarzkogler bevorzugte? Nach wie vor Senioren, mögen sie noch so talentiert no-Produzentin Teresa Orlowski bringt’s Performance inszenieren zu dürfen (Tino einsame Solisten-Arbeit, die künstleri- erscheinen (schon Peter Paul Rubens Karlheinz Schmid. Foto: Moosburger aufs Pekuniäre: „Solange es Leute gibt, Sehgal beispielsweise)? Wer also ist der sche Arbeit? Oder dürfen nun alle, War- regte sich über die Faulheit von Adam die Geld dafür bezahlen, nenne ich es Künstler, wo hat er sich im Laufe der hol sei Dank, in eigener Factory die Mit- Elsheimer auf). Schließlich geht es um Dann gibt es aber auch den Fall, dass Kunst.“ Oder ist’s Kunst, wenn Ausstel- Jahrzehnte positioniert, und wie sieht arbeiter tanzen und ausführen lassen? eine durchaus folgenreiche Investition: In frühe, beinahe lebenslange Erfolge satt lungsbesucher nach der Betrachtung das Künstlerbild aus? Muss er provo- Eigene Handschrift noch ein Thema, den ersten Jahren wird der Galerist mit und träge machen – und sich die Künst- eines Ruthenbeck-Raumes mit diszipli- zieren, schockieren, unbedingt unter die wenn Gerhard Schröders Kanzleramts- seinem neuen Künstler noch nicht allzu ler selbst aus dem Markt katapultieren. nierten Papier- und Aschehaufen im Gürtellinie zielen, weil Körper-Themen porträt von Immendorff-Vasallen, nicht viel verdienen, wenn überhaupt; die Kos- Gotthard Graubner ist ein Maler, der einst Museum für Moderne Kunst in Frank- schon immer ihre Kundschaft gefunden vom Meister selbst gemalt wurde? Und ten – etwa für Messestände, Transporte an der vordersten Front im Einsatz war. furt am Main vor die Tür eilen, um sich haben? Darf er konkret, mithin nüch- dann selbstverständlich die entscheiden- und Kataloge – werden jedoch hoch sein. Heute fragt der Nachwuchs, wer, bitte, zu übergeben, ja, übergeben, wie der tern bleiben, einfache farbige Rechte- de Frage, wer sagt, wer ein Künstler ist? Um den Einsatz zu rechtfertigen, muss ist »Graubner«? Oder denken wir an Jo- Ruthenbeck-Kollege Hans-Peter Feld- cke oder minimal gebrochene Stelen Der Künstler selbst, weil er, nach eige- der neue Galerie-Künstler mithin tüch- chen Gerz, zwar nach wie vor präsent mann berichtet? liefern? Oder geht’s stets um den jüngs- ner Einschätzung, Kunst macht? Oder tig arbeiten und auch noch eine stattli- (dank seiner weltweiten Projekte im öf- Dass so mancher Kunstfreund schon ten Trend? Am besten Malerei, schön malist’s nicht vielmehr ein oftmals un- che Zahl von Lebensjahren vor sich ha- fentlichen Raum), doch eher selten auf gekotzt hat, wenn er mit den Arbeiten farbig und gegenständlich, am besten durchschaubarer Vermittler-Klüngel, der ben. Es gilt also, mit spätestens 30 oder den Kunstmessen oder in den Auktions- von Hardlinern wie Paul McCarthy, Wim asiatisch anmutend, denn China ist sein Freizeichen gibt? Aber wer gehört 35 Jahren den Eintritt in den (internati- häusern zu finden. Somit beantwortet Delvoye, Mike Kelley oder Hermann angesagt? dazu? Wen muss der angehende Künst- onalen) Kunstmarkt gefunden zu haben. sich eine weitere Ratgeber-Frage: Ja, Nitsch konfrontiert wurde, verwundert Wer ist ein Künstler? Der, der es schafft, ler überzeugen, um sich anschließend die Sonst wird’s schwierig. Aber auch Brü- Künstler kann auch sein, wer nicht im nicht. Aber bei Ruthenbeck? Das Bei- sämtliche Tabus zu brechen, Spielre- zeitraubende Basisarbeit zu sparen? Wer che in der eigenen Biographie und/oder klassischen Markt verankert ist, wem spiel zeigt freilich, dass Kunst, von Haus geln auf den Kopf zu stellen, alles zu zählt zur Netzwerk-Spitze, und wie funk- im Gesamtwerk können Probleme ver- Galerie-Kontakte grundsätzlich oder aus subjektiv, bei jedem Rezipienten riskieren? Oder genügt es, sensibel dem tioniert das Genie-Melde-System, die ursachen. Neuanfang für John Baldes- allemal die umschwärmten Top-Adres- etwas anderes auslöst, für jeden etwas Leben nachzuspüren, zu dokumentie- Eintrittskarte in den internationalen sari in den siebziger Jahren zum Bei- sen fehlen. Zu diesen Selbstvermarkt- anderes bedeutet. So entzieht sich die ren, zart zu skizzieren, wie Visionen sein Kunstbetrieb, wo das große Geld ge- spiel, nachdem er sein Frühwerk ver- ern gehört beispielsweise Ottmar Hörl, Frage in ihrer Beantwortung verbindli- könnten, wie die Menschheit unbescha- macht wird, wo gekoonst und gerichtert brannte (die Reste kamen in eine Urne). Präsident der Nürnberger Kunsthoch- cher Definition. Der Begriff ist offen, die det auch ins vierte Jahrtausend kom- wird – auf Teufel komm raus? Radikaler Wechsel bei Raimer Jochims, schule. Zwar stellt er immer wieder in Kunst ist frei. Alle Versuche, sie festzu- men könnte? Hammer-Methode oder Monochromie-Guru, der sich dem eige- Galerien und auf Messen aus, doch ei- zurren, zu begrenzen, müssen zwangs- Zucker-Brot? Provo oder Bravo? Die Nichts ist unmöglich, beinahe alles geht, nen Diktat nicht länger beugen moch- gentlich interessieren ihn das Multiple läufig scheitern. Einzig Kippenbergers Identitätsfrage trifft jeden Kunststuden- so die Kurz-Antwort, weil in der Tat viele te. Oder: Jeff Koons, der sein bisheri- und die Eroberung sämtlicher Wohnun- Spruch „Kunst ist Futter für die Seele ten schon im ersten Semester. Wer bin Karrieren im Dunst freundschaftlicher ges Lebenswerk in zwei Depots sortie- gen. Irgendwann, so träumt der Künst- oder für den Kopf“ werden wohl alle un- ich? Was will ich? Was kann ich? Was Gelage gebastelt werden. Doch ohne die ren kann, nämlich vor und mit Ciccioli- ler, hat jeder seinen Hörl im Wohnzim- terschreiben. Den Rest regelt jeder für darf ich? Was muss ich? Wohin möch- Erfüllung allgemein gültiger Grund-Krite- na sowie nach Chicciolina – vom Rausch mer stehen. sich selbst, mögen noch so viele Dis- te ich? Wie erreiche ich das Ziel? Und rien blockiert das System B wie Bezie- sexueller Höhenflüge zur Neuen Harm- kussionen und Bücher die Fragen stel- wer oder was hilft mir? Ist’s das verwe- hung. Voraussetzung für den Schmierst- losigkeit aus dem Kinderzimmer. Aus- Wer ist nun ein Künstler? Einer, der len: Was ist Kunst? Wer ist ein Künst- gene Outfit? Lange Haare und Adidas- off-Einsatz einflussreicher Kuratoren, wirkungen auf den Markt hatte jede die- überall seine Duftmarke hinterlassen ler? Streifenjacke wie Jonathan Meese? Galeristen, Museumsdirektoren, Samm- ser Karriere-Geschichten, mal so, mal hat? Einer, der richtig leidet, von Krise zu Oder besser feine Anzüge, teure Schu- ler oder Kritiker ist, wie früher schon, ein so. Beispielhaft ist freilich der Wieder- Krise purzelt? Ein Genie, das radikal mit Auszug aus dem Buch: Karl Karl- he, Gehstock und Einstecktuch wie klar erkennbares Gesamtwerk, das sich aufstieg von Koons, der in den Neun- allen Traditionen bricht und die Innovati- heinz Schmid: Traum-Karriere Markus Lüpertz? Immer laut sein, alle beispielsweise durch eine unverwechsel- zigern – dem Jahrzehnt seiner Trennung on schlechthin kommuniziert? Oder ist‘s Künstler – Auf dem Weg zum Su- Aufmerksamkeit auf sich lenken, wie bare Handschrift auszeichnet, das aber von seiner großen Liebe und Mutter sei- der solide Arbeiter, der Tag für Tag ins perstar. Regensburg 2007. 144 das Kippenberger gemacht hat, oder auch Hoffnung auf Entwicklung macht nes Sohnes – fast völlig vom Markt ver- Atelier geht, um seine Leinwände zu be- Seiten, mit Farbfotos ISBN 978-3- lieber im Stillen werkeln – Stichwort (wer sein Werk inhaltlich und formal zu schwunden war, um dann ein fantasti- pinseln – dank eigener Intuition, nach 929970-69-2. Buchreihe „Ratgeber Amelie von Wulffen? Soll’s krachen wie schmal angelegt hat, wird Probleme ha- sches Comeback zu feiern. Gutdünken oder Auftrag oder sogar per Kunst, Band 2“

Neues Amt, neue Chance für die Künste Regine Möbius, Beauftragte für Kunst und Kultur bei ver.di • Von Andreas Kolb Nachdem die Mauer gefallen war, der DDR geprägt waren. „Viele steller, Schriftsteller und literarischen fühlten sich viele Künstler aus der Schriftsteller waren enttäuscht“, sagt Übersetzer. DDR orientierungslos. Gegen die Möbius, „dass nun keine Abrechnung „Ich werde mit zwei Dingen anfan- Mauer hatte man angeschrieben, begann, bei dem die Systemkriti- gen: Zum einen werde ich das Amt über sie hinwegkomponiert. Künstler schen belohnt und die „Mitläufer“ und dessen Ziele vorstellen und pro- fühlten sich dem westlichen Kunst- bestraft wurden. Das Erleben der Ne- pagieren, um Verbündete in der brei- markt, in dem Bilder als Wandaktien gativsituation in dieser Auseinander- ten kulturellen und politischen Öffent- fungierten, schutzlos ausgeliefert. setzung, das in vordergründigen lichkeit zu finden. Zum anderen wer- Die Autorin und Publizistin Regine Schuldzuweisungen gipfelte, war der de ich in Zusammenarbeit mit der AG Möbius reagierte anders. Befreit pro- Impuls für mich, in den Verband deut- Kunst und Kultur, dem zugehörigen bierte sie Neues aus und experimen- scher Schriftsteller (VS) zu gehen und Findungs- und Arbeitsgremium, ei- tierte auch im journalistischen Be- Verbündete zu suchen.“ Gemeinsam nem Projekt starten, das mir schon reich. Von 1990 bis 1997 war sie als mit Kollegen baute sie den VS Lan- lange am Herzen liegt: Die allgemei- Sachsen-Korrespondentin für das desverband-Sachsen auf. ne Bildungssituation hat gezeigt, dass Börsenblatt des deutschen Buchhan- vorhandene Kapazitäten gebündelt, dels tätig. In diesen sieben Jahren as war 1994. Inzwischen ist Re- ausgebaut und ergänzt werden müs- knüpfte sie nicht nur viele Kontakte, D gine Möbius seit 10 Jahren sen. Vielerorts gibt es ermutigende sondern lernte auch die nötige stellvertretende Bundesvorsitzende Anzeichen dafür, dass in unserer Ge- Schreibdisziplin, ohne die man bei des Verbandes deutscher Schriftstel- sellschaft ein langsames Umdenken Regine Möbius. Foto: ver.di dem zweimal wöchentlich erschei- ler, und Anfang Oktober wählte der begonnen hat und immer mehr Men- nenden Blatt verloren gewesen wäre. ver.di-Bundeskongress in Leipzig die schen über die Notwendigkeit ästhe- Impulse einbringen. Nur durch früh- abzurufen. Einige Bundesländer ha- Regine Möbius gab nach dem Fall der Autorin zur Kunst- und Kulturbeauf- tischer Erziehung für Kinder und Ju- zeitige Heranführung an die bilden- ben bereits partiell solche Aktivitäten Mauer an Fachschulen Unterricht, tragten der Dienstleistungsgewerk- gendliche diskutieren. Wir als Künst- den Künste, an Musik und Theater, an gestartet. Ich hoffe, dass die Künstler arbeitete an Hochschulen und war in schaft. Möbius hat in dieser Funkti- ler in ver.di werden ermutigende Literatur können aus Kindern und Ju- in ver.di aus ihrer Position heraus und der Erzieherausbildung tätig. Sie be- on keinen Vorgänger, das Amt wurde künstlerische Projekte entwickeln, gendlichen kreative und innovations- mit Hilfe der Gewerkschaft den Wert obachtete, wie in den künstlerischen neu installiert. Das sieht sie als eine diese in den Schulen vorstellen und freudige Menschen werden. Ich wer- kultureller Bildung für Kinder und Ju- Verbänden eine Auseinandersetzung bedeutende Chance für die in ver.di versuchen, sie in Lehrpläne und Un- de Partner suchen und mich an die begann, die von vielen subjektiven organisierten Maler, Bildhauer, Mu- terrichtsprogramme zu integrieren Kultusministerien der Länder wen- Weiter auf Seite 27 Faktoren und durch Erfahrungen in sikschullehrer, Bühnenarbeiter, Dar- und sie durch Künstler als innovative den, um dort finanzielle Ressourcen BUNDESTAGSDRUCKSACHEN politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 27

Bundestagsdrucksachen Im Folgenden wird auf Bundestags- entwurfs der Bundesregierung drucksachen mit kulturpolitischer - Drucksachen 16/5200, 16/5926 – Relevanz hingewiesen. Berücksich- Entwurf eines Gesetzes zur weiteren tigt werden Kleine und Große Anfra- Stärkung des bürgerschaftlichen gen, Anträge, Entschließungsanträ- Engagements ge, Beschlussvorlagen sowie Bun- destagsprotokolle. Alle Drucksachen Drucksache 16/5930 (04.07.2007) können unter folgender Adresse aus Bericht des Haushaltsausschusses dem Internet heruntergeladen wer- (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Ge- den: http://www.dip/bundestag.de/ schäftsordnung zu dem Gesetzent- parfors/parfors.htm. wurf der Bundesregierung – Drucksache 16/5200 – Berücksichtigt werden Drucksachen Entwurf eines Gesetzes zur weiteren zu folgenden Themen: Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements · Auswärtige Kulturpolitik, Drucksache 16/5985 (05.07.2007) · Bildung, Bericht des Finanzausschusses (7. · Bürgerschaftliches Engagement, Ausschuss) · Daseinsvorsorge, a) zu dem Gesetzentwurf der Bun- · Erinnern und Gedenken, desregierung · Europa, – Drucksache 16/5200 – · Informationsgesellschaft, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren · Internationale Abkommen mit Stärkung des bürgerschaftlichen kultureller Relevanz, Engagements Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag · Kulturelle Bildung, b) zu dem Antrag der Abgeordneten · Kulturfinanzierung, Dr. Volker Wissing, Sibylle Lau- – Drucksachen 16/1828, 16/5939 – – Drucksache 16/1828 – „Zukunft Bildung und Betreuung“ · Kulturförderung nach § 96 Bun- rischk, Frank Schäffler, weiterer Ab- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur (Ganztagsschulprogramm) desvertriebenengesetz, geordneter und der Fraktion der Regelung des Urheberrechts in der Regelung des Urheberrechts in der · Kulturpolitik allgemein, FDP Informationsgesellschaft Informationsgesellschaft Kulturpolitik allgemein · Kulturwirtschaft, – Drucksache 16/5410 – b) zu dem Antrag der Abgeordneten · Künstlersozialversicherungs- Mehr Freiheit wagen – Zivilgesell- Drucksache 16/5971 (04.07.2007) Sabine Leutheusser-Schnarrenber- Drucksache 16/6156791 (26.07.2007) gesetz, schaft stärken Entschließungsantrag ger, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Antwort der Bundesregierung · Medien, c) zu dem Antrag der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Christian Ahrendt, weiterer Abge- auf die Kleine Anfrage der Fraktion · Soziale Sicherung, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Ka- NEN ordneter und der Fraktion der FDP DIE LINKE · Steuerrecht mit kultureller Rele- trin Kunert, weiterer Abgeordneter zu der dritten Beratung des Gesetz- – Drucksache 16/262 – – Drucksache 16/6056 – vanz, und der Fraktion DIE LINKE. entwurfs der Bundesregierung Die Modernisierung des Urheber- Musikveranstaltungen der extre- · Stiftungsrecht, – Drucksache 16/5245 – – Drucksachen 16/1828, 16/5939 – rechts muss fortgesetzt werden men Rechten im zweiten Quartal · Urheberrecht. Stärkung des bürgerschaftlichen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur 2007 Engagements Regelung des Urheberrechts in der Drucksache 16/5972 (04.07.2007) Bürgerschaftliches Informationsgesellschaft Entschließungsantrag Drucksache 16/6182 (31.07.2007) Engagement Urheberrecht der Fraktion der FDP Antwort der Bundesregierung Drucksache 16/5939 (04.07.2007) zu der dritten Beratung des Gesetz- auf die Kleine Anfrage der Fraktion Drucksache 16/5981 (04.07.2007) Drucksache 16/5944 (04.07.2007) Beschlussempfehlung und Bericht entwurfs der Bundesregierung DIE LINKE. Entschließungsantrag Entschließungsantrag des Rechtsausschusses (6. Aus- – Drucksachen 16/1828,16/5939 – – Drucksache 16/6027 – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Fraktion DIE LINKE. schuss) Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Finanzielle Probleme von KZ-Ge- NEN zu der dritten Beratung des Gesetz- a) zu dem Gesetzentwurf der Bun- Regelung des Urheberrechts in der denkstätten zu der dritten Beratung des Gesetz- entwurfs der Bundesregierung desregierung Informationsgesellschaft Drucksache 16/6502 (21.09.2007) Bildung Kleine Anfrage schäftigung mit den Expressionisten In diese Zeit fällt auch ihre erste Ver- der Fraktion DIE LINKE. Fortsetzung von Seite 26 dazu. Die Lyrik Benns, Trakls oder der öffentlichung „Käferhain. Chronik ei- Drucksache 16/6138 (25.07.2007) Ausleihe der Büste der Nofretete Lasker-Schüler, die Erzählkunst Kaf- nes Dorfes“, in dem es um den Abbau Antwort der Bundesregierung nach Ägypten gendliche wirksam umsetzen kön- kas oder Werfels beunruhigten sie. eines ganzen Ortes ging. auf die Kleine Anfrage der Fraktion nen.“ Früh las sie Autoren der Gruppe 47, „Ich habe in diesen Jahren auch DIE LINKE. Drucksache 16/6281 (09.08.2007) „Wer, wenn nicht wir?“, über- soweit sie in der DDR verfügbar wa- die Erfahrung gemacht, dass Manus- – Drucksache 16/6053 – Unterrichtung durch die Bundesre- schreibt Möbius einen Text über die ren. Heinrich Böll wurde mehrfach kripte von mir, die zunächst zum Bei- Kritik am aktuellen Bildungsfödera- gierung Verbindungslinien zwischen Gewerk- aufgelegt, Celan und die Bachmann. spiel vom Verlag Volk und Welt mit gro- lismus und Perspektiven einer bun- Der Nationale Integrationsplan schaft, Kunst und Kultur (Zeitschrift Die Hörspiele von Eich bekam man ßem Interesse wahrgenommen wur- desländerübergreifenden Bildungs- Neue Wege – Neue Chancen „Kunst und Kultur“, September 2007). unter dem Ladentisch, vereinzelt auch den, nach Installierung eines Außen- strategie Sie ist überzeugt davon, mit Tarifpoli- Grass, Härtling oder Walser. „Die ers- lektors plötzlich gestorben waren. In Medien tik allein kann man heute weder Mit- te frühe Prägung“, das betont Regine diesem Land war das nicht selten so. Drucksache 16/6172 (30.07.2007) glieder halten, geschweige denn neue Möbius insbesondere ihm Hinblick Man musste sich darauf einstellen. Kleine Anfrage Drucksache 16/6485 (18.09.2007) Mitglieder gewinnen. „Die Gewerk- auf ihre heutigen bildungspolitischen Verständigt und verstanden haben wir der Fraktion DIE LINKE. Kleine Anfrage schaften müssen die Menschen in ih- Ambitionen, „erfuhr ich durch einen uns in Gruppierungen, die die glei- Zukunft des Investitionspro- der Fraktion DIE LINKE. ren Interessen […] aufsuchen. Die Er- sehr guten Deutschlehrer, der uns chen Bücher lasen, für eine bestimm- gramms „Zukunft Bildung und Be- Digitalstrategien von ARD und ZDF weiterung des kulturellen Mandats nicht Dichtung vermittelte, sondern te Musik brannten und ähnliche Le- treuung“ (Ganztagsschulpro- und neuartige Empfangsgeräte halte ich im Augenblick für das Vor- Literatur mit uns in unterschiedlichs- bensentwürfe hatten. Bücher von gramm) dringlichste.“ Nur über Kunst und Kul- ten Ausprägungen lebte.“ Und weiter: Christa Wolf oder Hanns Cibulka wur- Föderalismus tur können alle Gesellschaftsgruppen „Solange ich zuhause wohnte, haben den beispielsweise gleich Kassibern Drucksache 16/6226 (16.08.2007) erreicht werden. „Der Grund liegt da- meine Eltern und ich uns immer über weitergegeben. Für mich war Antwort der Bundesregierung Drucksache 16/6499 (19.09.2007) rin, dass sich die Tätigkeitsfelder ver- die Literatur unterhalten, die wir ge- besonders der kirchliche Raum ein Ort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Große Anfrage ändert haben. Wir müssen unseren rade lasen. Etwas, das heute kaum gleicher Gesinnung.“ DIE LINKE. der Fraktion der FDP Mitgliedern und denen, die wir für uns noch vorstellbar ist. Daher ist das, was Ursprünglich war der Verband – Drucksache 16/6172 – Auswirkungen der ersten Stufe der gewinnen wollen, dorthin folgen, wo- im Elternhaus als informelles Ge- deutscher Schriftsteller in der IG Me- Zukunft des Investitionsprogramms Föderalismusreform hin sie gehen. Das sind wechselnde spräch geführt wird, vermutlich prä- dien organisiert. Für Regine Möbius, Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit, Freibe- gender als die in der Schule vermittel- wie für viele Schriftsteller aus der ruflichkeit und eine sich zunehmend te Literatur.“ DDR, war es ein Lernprozess zu be- konsumieren möchte), er kann nicht „Auch literarisch“, so Regine Möbius, verändernde Freizeitgestaltung. Dar- Unter den Künstlern der DDR hat- greifen, warum ein Künstlerverband anders als künstlerisch zu arbeiten, „sind für mich politische Themen, auf muss die Gewerkschaft reagieren.“ ten es Schriftsteller aus einleuchten- in einer Gewerkschaft organisiert sein sein innerer Auftrag treibt ihn. Die Ar- beziehungsweise kulturpolitische Regine Möbius wurde 1943 in den Gründen am schwersten. Einer muss. Aus der DDR hatte sie eine na- beit ist ein gänzlich unentfremdeter eine spannende Herausforderung. In Chemnitz geboren. Ihr Vater war In- Schriftstellerkarriere stand Regine türliche Skepsis gegenüber Gewerk- Teil seines Lebens. Und doch muss er meinem letzten Buch „Panzer gegen genieur und hätte gerne gesehen, Möbius bald ihr deutlich kirchliches schaften mitgebracht, die dort offen- honoriert werden, um leben zu kön- die Freiheit“ berichtete ich in Porträts wenn die Tochter in seine Fußstapfen Engagement im Weg. Ihre Mitglied- sichtlich der verlängerte Arm politi- nen. Das impliziert nicht, dass Kunst über die schicksalhaften Tage von getreten wäre und ein naturwissen- schaft in der Jungen Gemeinde Leip- scher Strukturen war. Heute hat sie marktgefällig sein muss. Kunst wird Zeitzeugen des 17. Junis 1953, jenem schaftliches Fach ergriffen hätte. Als zig machte der Jugendlichen viele Din- ihre Meinung geändert und konsta- immer einen Schritt vorausgehen. Wir ersten Volksaufstand in der DDR. Zur seine Tochter dann 1960, siebzehnjäh- ge unmöglich. Germanistik zu studie- tiert: „Der VS hat über die Anbindung sehen in allen Bereichen der Kunst ein Zeit arbeite ich an einem Buch über rig, eine Lehrausbildung zur Chemie- ren ging nicht, also blieb ihr nur der an die Gewerkschaft viel erreicht.“ Ungleichgewicht zwischen marktfähi- das politische und kulturpolitische laborantin anfing und sich drei Jahre Weg ins Ingenieursstudium. Sie ging In ihrer Antrittsrede nach der Wahl ger Kunst, das heißt die bewusst ver- Engagement des Schriftstellers Erich später für ein Fachschulstudium Che- diesen Weg über die Station Chemie- zur Kunst- und Kulturbeauftragten marktet wird und der Kunst, die sich Loest, dessen spannende Biographie mische Verfahrenstechnik einschrieb, laborantin, dann schloss sich das Ab- wies die Schriftstellerin auf die einer Marktzirkulation verweigert.“ geprägt ist durch siebeneinhalb ent- war er glücklich. Was er nicht bedach- endstudium Chemische Verfahrens- schwierige soziale Lage der Künstler Verglichen mit Österreich und der würdigende Jahre im Zuchthaus Baut- te: Bereits als Teenager brannte seine technik an. „Die ganze Sache war in hin. Es sei ein Skandal, dass in einem Schweiz ist Kulturpolitik in Deutsch- zen, durch kulturpolitische Auseinan- Tochter für die Dramen Friedrich vielerlei Hinsicht prägend “, erinnert reichen Land wie der Bundesrepublik land zur Mangelverwaltung defor- dersetzungen, durch gesellschaftli- Schillers und die Gedichte Rilkes. Ers- sie sich. „Beispielsweise habe ich dort Deutschland das durchschnittliche miert. Dazu Regine Möbius: „Ich fin- ches Engagement, eine Vielzahl wich- te eigene Schreibversuche hatten meinen Mann kennen gelernt, mit Jahreseinkommen von Künstlern und de, dass Kultur ein Staatsauftrag und tiger Bücher, drei Jahre Bundesvorsit- schon stattgefunden. Bestanden die dem ich schon seit 39 Jahren verhei- Autoren 11.000 Euro im Jahr betrage. ein Staatsziel sein muss und nicht not- zender des VS und vieles, was es jetzt, der Schülerin noch darin, große ratet bin. Dazu gehören die zwei wun- Nach ihrer Position zum Urheberrecht wendige Ergänzung in Ministerre- bei meinen Nachforschungen zu ent- Schriftsteller in ihrem Schreibstil zu dervollen Töchter Julia und Sybille.“ gefragt, meint Möbius: „Kunst und den.“ Dieser Satz könnte am Ende ste- decken gibt. Auch dazu muss, trotz des kopieren, Brecht etwa oder Hermann Letztlich konnte sie 1984 am Lite- Kultur können prinzipiell nicht Ware hen, aber die Frage nach der momen- neuen Amtes, noch Zeit bleiben, denn Hesse, kam dann in der literarischen raturinstitut „Johannes R. Becher“ sein, denn ein Künstler produziert tanen literarischen Arbeit gehört die Kollegen haben eine Schriftstelle- Auseinandersetzung die intensive Be- Leipzig ein Fernstudium aufnehmen. nicht nur, um auszutauschen (da er ebenso zwingend dazu. rin gewählt.“ DAS LETZTE politik und kultur • Nov. – Dez. 2007 • Seite 28

Zeichnung: Dieko Müller

Kurz-Schluss Impressum Wie Ursula von der Leyen einmal auf eine nahezu geniale Idee kam anchmal gebiert der Horror ja tivem extrafamiliärem Anschein. aus der ehemaligen DDR mit jeder M das Gute – zumindest fast: Spontan rief sie ihren väterlichen Menge Erfahrung in der Jugend- Solch eine Story soll nach höchst un- Freund und Berater, den ehemaligen Konditionierung – und wenn Dir das zuverlässigen Gerüchten der genia- niedersächsischen Justizminister zu heiß ist: Ich hab auch noch drei Zeitung des Deutschen Kulturrats gute Bekannte aus dem alten Reichs- len Erfindung von Kinder-Polizisten Christian Pfeiffer an. Der hatte sich Deutscher Kulturrat durch unsere Ministerin für Jugend, gerade mit seiner Forderung nach sicherheits-Hauptamt – die fallen ja Bundesgeschäftsstelle Familie – und was es in unserer Ge- der Todesstrafe für Computerspiel- eh in Dein Ressort, HoHoHo.“ Chausseestraße 103 sellschaft sonst noch an offensicht- Entwickler einen guten Namen ge- „Danke, keine schlechte Idee“ – 10115 Berlin lich Unwichtigem gibt – also: durch macht und war voll der feinsten replizierte die Ministerin elegant in Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 Ursula von der Leyen – zugrunde lie- Empfehlungen: ihr Nokia 95. „Aber meinst Du nicht, Internet: www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected] gen: „Du musst diese Banditen mit man sollte schon aus kosmetischen Herausgeber Eines Nachts, so das Gerücht – ihren eigenen Waffen schlagen, mit Gründen auch flankierend ein biss- Olaf Zimmermann und Theo Geißler gegen halb Fünf, wurde eine kürzlich Täuschung, Heimtücke und Raffi- chen was machen: Eine Aufklärungs- Redaktion volljährig gewordene Tochter der nesse. Kinder-Prostitution, Kinder- kampagne zum Beispiel – oder eine Olaf Zimmermann (verantwortlich), Gabriele Schulz, Andreas Kolb Verankerung des Rauch- und Alko- Ministerin sturzbesoffen von einem Killer-Computerspiele, Kinder-Alko- Redaktionsassistenz Taxifahrer zuhause abgeliefert. Zu- holismus und -Nikotinsucht: All die- holverbots im Bildungskanon von Stefanie Ernst dem stank sie nach Rauch. Natürlich sen Schweinereien kommst Du nur Kindergärten und allgemeinbilden- Anzeigenredaktion ein ausgedehnter Disko-Besuch. bei, wenn Du die Opfer zu Tätern den Schulen zum Beispiel?“ Martina Wagner, Tel: 0941/945 93 35, Fax: 0941/945 93 50 Weil diese Tochter aber – dank der machst, zu Kindersoldaten der Ge- „Rausgeworfenes Geld, nützt E-Mail: [email protected] pflegenden Fürsorge mehrerer Nan- rechtigkeit – genauer: zu Handeln- doch alles nix! Wann wirst Du end- nys im Rahmen ihrer Erziehung und den, zu Handlungsbevollmächtig- lich erwachsen?“ – raunzte Christi- Verlag ConBrio Verlagsgesellschaft mbH mehrerer Aufenthalte auf einschlä- ten. Schaff eine TSS, eine Teenie- an Pfeiffer zurück. „Und dann kom- Brunnstraße 23, 93053 Regensburg gigen Reiter-Höfen – allenfalls aus- Schutz-Staffel gegen diese Gangster. men auch gleich wieder die Födera- E-Mail: [email protected] sieht wie eine Zwölfjährige, war die Wenn Du Ausbilder brauchst: Ich lismus-Fetischisten mit ihrem Kul- Herstellung turhoheits-Gesabbel. Mit meinem zufällig anwesende Frau Mama doch kenn’ da noch so ein paar Verdeckte Petra Pfaffenheuser, ConBrio Verlagsgesellschaft ein wenig irritiert. Bei einer routine- Freund Beckstein könnte ich schon mäßigen Zimmer-Kontrolle am Vor- reden – und der Oettinger macht so- Druck Gießener Anzeiger Verlags GmbH und Co KG, Gießen abend hatte sie nämlich entdeckt, wieso was ich sage – aber die Ande- dass der töchterliche Personalaus- ren? Vielleicht solltest Du doch Dei- Erscheinungsweise weis dem unterm Hippo-Kopfkissen ne Werbeagentur beauftragen: Ein 6 Ausgaben im Jahr schlecht verborgenen Tagebuch als paar TV-Spots und Plakate mit Dir Preis/Abonnement Lesezeichen diente. Wie hatte ihr und Deiner Tochter, quasi ein Betrof- 3,00 Euro, im Abonnement 18,00 Euro, inkl. Porto im Jahr Kind nur die Türkontrollen des Tanz- fenen-Appell – so was kommt doch Aboverwaltung/Bestellmöglichkeit: palastes passieren können? Wie war immer gut. Und dass Dein Spross PressUP GmbH, Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg sie an die elf Sorten Alco-Pops ge- schon über achtzehn ist sieht man Tel. 040/414 48-466 kommen, die im Mageninhalt des weder ihr noch Dir an. Wirklich [email protected] Töchterleins bei einer semi-ministe- hübsch, die neue Frisur“. Neckisches puk ist im Abonnement, in Bahnhofsbuchhandlungen, großen riellen Sofortuntersuchung durch Kichern auf beiden Seiten und: Ende Kiosken sowie an Flughäfen erhältlich. Beamte des BND festgestellt werden des von chinesischen Hackern mit- mussten? Und: Wer hatte die Zigaret- geschnittenen oder inszenierten Te- Alle Ausgaben von politik und kultur können von der Homepage des Deut- ten gekauft? Eine Stange polnischer lefonates. schen Kulturrates (http://www.kulturrat.de) heruntergeladen werden. Marlboros befand sich nämlich in Dass sich dann doch noch ir- Ebenso kann der kostenlose Newsletter des Deutschen Kulturrates Tochters modischem Prada-Bag- gendwo Widerstand gegen diese (2-3mal die Woche) unter http://www.kulturrat.de abonniert werden. pack, einem Namenstags-Geschenk Kinderpolizei-Phantasie auftat, Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir von Großvater Ernst Albrecht. stimmt froh. Jetzt wird das Thema keine Haftung. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich ge- am Runden Tisch diskutiert. Gabs schützt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die „Elende Schlamperei“, dachte Meinung des Deutschen Kulturrates e.V. wieder. die Mutter. Und die Ministerin: Ein den nicht schon mal? klarer Verstoß gegen das Gesetz – zu- Theo Geißler, Herausgeber von politik Gefördert aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mindest ein potentieller nach objek- und kultur Theo Geißler kultur kompetenz bildung KONZEPTION KULTURELLE BILDUNG

November – Dezember 2007 Regelmäßige Beilage zu politik & kultur Ausgabe 13

Die Kinderkommission Miriam Gruß Das öffentliche Augenmerk auf die Interessen der Kinder richten

Unsere Kinder sind die Zukunft unserer Ge- Außerdem hat die kulturelle Bildung noch nicht sellschaft. Für sie setzt sich die Kinderkom- den Stellenwert in der Gesellschaft erreicht, den mission des Deutschen Bundestages ein. Sie sie verdient. Das Bewusstsein für kulturelle Bil- ist ein Unterausschuss des Ausschusses für Fa- dung ist zwar vorhanden und wird in letzter Zeit milie, Senioren, Frauen und Jugend des Deut- auch immer stärker gefördert, jedoch fehlt es an schen Bundestages. Als „Anwalt der Kinder“ der konkreten Umsetzung. will sie die Politik und die Gesellschaft für Deutschland stellt an sich den Anspruch, ein Kul- die Bedürfnisse und die Anliegen der nach- turstaat zu sein. Vor diesem Hintergrund sollten folgenden Generationen sensibilisieren. Um auch alle Kinder das entsprechende Rüstzeug mit dieses Ziel zu erreichen, kann sich der Un- auf den Weg bekommen. Die wenigsten Kinder terausschuss verschiedener Instrumente be- schnuppern jedoch zuhause Kulturluft. Auch in der dienen. Die Mitglieder können öffentliche An- Schule werden die kulturellen Kompetenzen nicht hörungen zu wichtigen kinderpolitischen As- immer vermittelt. Es ist allgemein bekannt, dass pekten veranstalten. Nichtöffentliche Exper- die kulturelle Bildung in den letzten Jahren zu tengespräche dienen dazu, Standpunkte zu Gunsten der natur- und geisteswissenschaftlichen relevanten Debatten zu entwickeln. Das wich- Fächer zu kurz gekommen ist. Fachlehrermangel tigste Mittel ist die Öffentlichkeitsarbeit zu und ausfallender Musikunterricht gehören mittler- Themen, die Kinder direkt betreffen. Die Kin- weile zum Schulalltag. Das Resultat dieser unbe- derkommission macht auf Bereiche aufmerk- friedigender Situation ist, dass immer weniger Kin- sam, bei denen sie politischen Handlungs- der und Jugendliche singen, musizieren, tanzen bedarf sieht und gibt Stellungnahmen ab, die oder ins Museum oder Theater gehen. dem Hauptausschuss, wie auch den betrof- Als Vorsitzende der Kinderkommission möchte ich fenen Ressorts zugehen. Dadurch soll die mich dafür einsetzen, dass kulturelle Bildung zu Meinungsbildung bzw. -findung erleichtert einer Selbstverständlichkeit für alle, das heißt für und das Augenmerk auf die Interessen der die Kommunen, die Lehrer, die Eltern und die Kinder gerichtet werden. Kinder, wird. Dies kann erreicht werden, indem einerseits kulturelle Bildung ein fester Bestand- Die Kommission setzt sich aus je einem Mitglied teil der Schule und der Kindergärten wird. der fünf im Parlament vertretenen Fraktionen zu- Andererseits durch die verstärkte Zusammenar- sammen. Jedes Mitglied übernimmt den Vorsitz beit zwischen Bildungsinstitutionen und Partnern turnusgemäß für neun Monate. Vom 31. Juli 2007 aus dem kulturellen Sektor. bis zum 24. April 2008 habe ich den Vorsitz über- Voraussetzung ist das Verständnis dafür, wie ele- nommen. Zu Beginn der Legislaturperiode konn- mentar kulturelle Bildung für das Leben unserer te jeder von uns drei Schwerpunktthemen für sei- Kinder ist. Der Dirigent Sir Simon Rattle hat es ne Vositzzeit definieren. Ich habe mich für die mit seinem Projekt „Rhythm is it!“ vorgemacht: Themen Kinder und Kultur, Kinder und Mobilität Musik, Tanz und Theater haben auf Kinder und sowie Kinder und Alltag entschieden. Das Thema Jugendliche einen ganz besonderen Einfluss! Kinder und Kultur liegt mir besonders am Herzen. Kultur legt Grundsteine für eine umfassende Per- sönlichkeitsbildung, für die die Kinder vor allem Mein Schwerpunktthema Kinder in jungen Jahren sehr empfänglich sind. Durch und Kultur aktive, wie auch passive Beschäftigung mit Kunst und Kultur erlangen Kinder Schlüsselkompeten- Für das Thema Kinder und Kultur habe ich mich zen wie Kreativität, Durchhaltevermögen, Flexi- aus persönlichen wie auch aus gesellschaftspoliti- bilität, Selbstbewusstsein, Toleranz, sozialverträg- Pippi Langstrumpf. © Verlag Friedrich Oetinger schen Gründen entschieden. Kulturelle Bildung liches Verhalten oder Teamgeist. Diese kulturel- hatte in meinem Elternhaus immer einen hohen len Fähigkeiten helfen den Kindern, ihr Leben den zusammenarbeiten, die im Bereich Kinder die sie später angewiesen sein werden, um in Aus- Stellenwert. Als Kind besuchte ich mit meinen El- erfolgreich zu meistern. und Kultur schon viele Erfahrungen gesammelt bildung und Beruf, in der Familie, im Freundeskreis tern regelmäßig Kindertheater und Museen. Au- Als Vorsitzende der Kinderkommission möchte ich und sich wertvolles Fachwissen angeeignet ha- und im Alltagsleben erfolgreich zu sein. Ein zen- ßerdem spielte ich lange Klavier. Aus meiner eige- das Bewusstsein für dieses wichtige Thema er- ben. Positive Beispielprojekte wollen wir mit der trales Anliegen ist somit eine flächendeckende Ver- nen Erfahrung weiß ich, dass es Kindern manchmal weitern. In Expertenanhörungen werden Sach- Kinderkommission auch vor Ort besuchen und sorgung mit Einrichtungen kultureller Bildung, wie schwer fällt, sich für Kultur zu begeistern. Doch ich verständige der Kinderkommission darlegen, was uns über die Erfolge, aber auch über die Schwie- Musik- und Kunstschulen. Jedes Kind, unabhängig bin davon überzeugt, dass die kulturell geprägte getan wird, um eine umfassende Bildung voran- rigkeiten informieren. vom sozialen Hintergrund, soll die Möglichkeit ha- Erziehung mein heutiges Interesse für Oper, Thea- zutreiben, wo konkreter Handlungsbedarf besteht Mein Schwerpunktthema „Kinder und Kultur“ ben, kulturelle Erfahrungen zu sammeln. ter und Kunst stark beeinflusst hat. Ich werde also und welche Bereiche verstärkt an die Öffentlich- wird mit einer Stellungnahme abgeschlossen. Die Neben der Vermittlung von Schlüsselkompeten- versuchen, auch meinen Sohn so früh wie möglich keit getragen werden müssen. Zum anderen Ergebnisse der verschiedenen Anhörungen und zen, ist die kulturelle Bildung nicht nur im Um- mit der kulturellen Welt vertraut zu machen. werden wir eng mit verschiedenen Fachverbän- der internen Beratungen, wie auch die Empfeh- gang mit der immer größer werdenden media- lungen der Kinderkommission werden in einem len Informationsflut von zentraler Bedeutung, Papier zusammengestellt, das an den Familien- sondern auch die Voraussetzung dafür, dass die Zu den Bildern dieser Beilage ausschuss, an alle Fachpolitiker und an die be- nächsten Generationen für unsere kulturellen Er- treffenden Ressorts weitergeleitet wird. rungenschaften empfänglich sind. Die staatliche Eigentlich ist es so, als würde sie noch leben, immer, „man muss nur einfach selbst Kind ge- Aufgabe, das kulturelle Erbe zu bewahren, ist be- denn ihre Figuren sind uns weiterhin präsent: wesen sein – und sich daran erinnern, wie das Kulturelle Bildung in den deutungslos, wenn nicht dafür gesorgt wird, dass ob Pippi Langstrumpf, Karlsson vom Dach oder war.“ Vordergrund rücken die zugrunde liegenden Ideen vermittelt und wei- Michel aus Lönneberga. Kaum jemand, der sich Neben ihrer Tätigkeit als Autorin und Lektorin tergetragen werden. Da es mit zunehmendem nicht in die schwedische Landschaft hineinge- engagierte sie sich intensiv für die Rechte der Nicht nur das Arbeitsprogramm der Kinderkommis- Alter immer schwerer wird, den Wert der Kultur träumt hat: ob nun auf eine der vielen kleinen Kinder, und setzt sich für Gewaltlosigkeit und sion deutet darauf hin, dass Kultur wieder eine zen- zu vermitteln, müssen unsere Kinder bereits in schwedischen Inseln oder in die Schwedische den Tierschutz ein und wurde damit auch eine trale Rolle spielt. Sie beginnt auch Einzug in die jungen Jahren dafür begeistert werden. Hauptstadt Stockholm, wo der kleine Lillebror politische Autorin. politischen Programme und Initiativen einiger Par- Der Startschuss für eine Gesamtoffensive kultu- mit seinem Freund Karlsson vom Dach lebt. Aus Protest gegen die in den 70er Jahren ver- teien zu halten. Kultur ist in meiner Fraktion zum rellen Engagements war deutlich zu hören. Es geht Astrid Lindgrens Geschichten und Abenteuer abschiedeten Steuergesetze der Sozialdemo- Schwerpunktthema des Jahres 2007 gemacht wor- darum, sich auf allen Ebenen, in allen gesellschaft- faszinieren und begleiten Kinder und Erwach- kraten, schrieb sie das Märchen „Pomperipos- den. Unser kulturpolitisches Engagement wird lichen und politischen Bereichen und insbesondere sene seit nunmehr fast 60 Jahren und sind da- sa in Monismanien“. Es wird gesagt, dass sie durch eine gezielte Kampagne zur verstärkten För- in dem Grundlagen schaffenden Bereich der kul- bei so zeitlos wie kaum andere. damit 1976 maßgeblich zur Abwahl der sozi- derung von Kunst und Kultur nachhaltig weiter turellen Bildung verstärkt für Kultur einzusetzen. Es gibt wohl kaum eine Autorin, die so verbin- aldemokratischen Regierung beitrug. belebt. Kultur braucht Freiheit und die Herausfor- John F. Kennedy hat einmal gesagt: „Es gibt nur dend zwischen Großeltern, Eltern und Kindern Am 14. November 2007 wäre die große Ge- derungen der Zukunft können nur gemeistert wer- eine Sache auf der Welt die teurer ist als Bildung: wirkt wie Astrid Lindgren. Sie vereinigt mit ih- schichtenerzählerin 100 Jahre alt geworden. den, wenn sich die schöpferischen und geistigen Keine Bildung!“ Für mich bezieht sich dieser Satz ren zeitlosen Geschichten die Zeit von damals Die Bilder in dieser Beilage zeigen die im Oe- Kräfte in der Gesellschaft voll entfalten können. auch auf die kulturelle Bildung. Mit diesem um- mit der von heute. Wie sie das schafft? Sie tinger Verlag erschienen Buchtitel der schwe- Damit auch unsere Kinder für diese Herausforde- fassenden Verständnis möchte ich mich als Vor- schreibt aus Sicht der Kinder, nicht belehrend dischen Erzählerin. rungen gewappnet sind, setze ich mich für eine sitzende der Kinderkommission für die jüngsten oder anbiedernd, sondern ehrlich und manch- In politik und kultur stellt Birgit Dankert, eine der Aufwertung und Intensivierung der Förderung kul- Generationen einsetzen. mal auch ein bisschen frech. „Es ist überhaupt herausragenden Astrid-Lindgren-Kennerinnen tureller Bildung von Kindern und Jugendlichen ein. nicht nötig, eigene Kinder zu haben, um Kin- Deutschlands, die Autorin und ihr Werk vor. Kinder sollen schon möglichst früh ein Gespür für DIE VERFASSERIN IST VORSITZENDE DER derbücher schreiben zu können“, betonte sie DIE REDAKTION Kunst und Kultur entwickeln. So können sie sich KINDERKOMMISSION DES DEUTSCHEN leichter die kulturellen Kompetenzen aneignen, auf BUNDESTAGS kultur kompetenz bildung politik und kultur • NOV. – DEZ. 2007 • SEITE 2

Die Chancen und Risiken der Mediennutzung Michaela Noll Computerspiele sind Teil der Alltagskultur von Kindern

Kinder und Jugendliche wachsen heute in ei- haben die Pflicht, ihre Kinder vor negativen Ent- ner Welt auf, in der Informationstechnologi- wicklungen und Einflüssen zu schützen. en allgegenwärtig sind. Handy, Internet und Wiederum ist es Aufgabe von Land und Bund, Kin- Computerspiele gehören zur Alltagskultur der und Jugendliche vor gefährlichen Medienin- selbstverständlich dazu. Ich möchte daher in halten zu schützen. Wir haben deshalb mit dem meinem Beitrag auf die Chancen und Risiken Land Nordrhein-Westfalen, das den Vorsitz bei dieser Mediennutzung eingehen. Zunächst sei diesem Thema in der USK innehat, im Frühjahr darauf hingewiesen, dass sich die Kinderkom- 2007 ein Sofortprogramm zum wirksamen Schutz mission im Jahr 2006 intensiv mit dem The- von Kindern und Jugendlichen vor extrem ge- ma „Kindern und Medien“ auseinanderge- walthaltigen Computerspielen ins Leben gerufen. setzt hat. Die entsprechende Stellungnahme Dieses Programm basiert auf vier Säulen: ist unter www.kinderkommission.de abrufbar. 1.die Verschärfung des Jugendschutzgesetzes 2.die Verbesserung des gesetzlichen Vollzuges – Es wird uns nicht gelingen, Kinder und Jugendli- was im Gesetz steht, muss vor Ort auch umge- che vom Computerspielen gänzlich abzuhalten setzt werden – oder ihnen einzureden, Computerspiele seien 3.die Verbesserung der Qualitätssicherung bei etwas Schlechtes, sie sollten lieber draußen auf den Jugendschutzentscheidungen – dazu gehö- der Straße mit ihren Freunden spielen. Die Er- ren die Fragen: was wird auf den Index gesetzt, fahrung lehrt, dass Kinder beides tun, mit dem wo erfolgt eine Altersbegrenzung und was wird Computer und mit ihren Freunden spielen. freigegeben?; da müssen wir genauer hinschau- Mit dem Spaß, den Kinder dabei empfinden, hört en – und schließlich es allerdings bei jugendgefährdenden Inhalten 4.die verbesserte Information von Eltern, aber auf. Die Kinder müssen vor gewaltverherrlichen- auch von Händlern darüber, wie das Gesetz den Darstellungen geschützt werden. Zuletzt hat gestrickt ist und wie Verstöße geahndet wer- die Debatte um Gewaltvideos auf Handys gezeigt, den. dass der rasante technische Fortschritt immer Das ist das eine. Auch die Hersteller und Provi- wieder Lücken in den Jugendschutz reißt. Wir der sind gefragt, ihrer Verantwortung für die In- können auf bekannt gewordene Probleme rea- halte entsprechend gerecht zu werden. Auch sie gieren; aber von vornherein alle Risiken auszu- sehen, dass Jugendschutz ein Markenzeichen ist, schließen, wird unmöglich sein. auf das die Kunden achten. Der beste Jugendschutz ist, dass Kinder und Ju- Aber angesichts all dieser Maßnahmen müssen gendliche einen verantwortungsvollen Umgang wir uns über eines trotzdem im Klaren sein: Kein mit den neuen Medien erlernen, dass sie über Schutz wird alle Schlupflöcher schließen können. Gefahren Bescheid wissen und damit umgehen Die öffentliche Diskussion über Gewaltdarstel- können. Zum Teil zeigt sich, dass Eltern vermut- lungen auf den Handys von Kindern und Jugend- lich selbst noch einen Nachholbedarf in Sachen lichen hat dies gerade erst wieder gezeigt. Die Medienkompetenz und Mediennutzung haben. Inhalte kommen letztlich aus dem Internet und Eltern müssen wissen, wie sie ihre Kinder schüt- wandern meistens ohne große Umwege in die zen können. Dazu brauchen sie Informationen Hosen- und Schultaschen der Kinder. Dies ist ein zu den verfügbaren Schutzmechanismen, aber grundsätzliches Problem, das technisch längst auch den Willen, sie einzusetzen. Eines sollte noch nicht gelöst ist. Der Jugendschutz hat dort allen klar sein: Eltern sind die Hauptverantwort- noch immer seine Grenzen. lichen. Alle anderen Akteure können lediglich Wir können keine „Firewalls“ um die Computer unterstützend tätig werden. in den Kinderzimmern ziehen. Deshalb brauchen Auch die Eltern sind in der Pflicht, sich damit zu wir die Partnerschaft mit den Anbietern, damit beschäftigen, was ihre Kinder am Computer ei- jugendgefährdende Inhalte möglichst gar nicht gentlich spielen. Wie wir von Zuwanderern ver- erst online gehen. Wenn es unser Ziel ist, Kin- langen, dass sie Deutsch lernen, damit sie ihren dern und Jugendlichen eine Kultur der Medien- Kindern helfen können, so müssen wir von El- kompetenz zu vermitteln, dann müssen wir sie tern erwarten, dass sie sich mit den Medien be- in ihrer gesamten Persönlichkeit stärken. Karlsson vom Dach. © Verlag Friedrich Oetinger schäftigen, um Kindern auf diesem komplizier- Der beste Kinder- und Jugendschutz sind starke ten Feld Rat zu geben. Ich will die Eltern in diese und medienkompetente Kinder und Jugendliche. Wir brauchen eine Bildungspolitik, die Kindern und DIE VERFASSERIN IST FÜR DIE CDU/CSU-FRAK- Verantwortung ausdrücklich einbeziehen. Sie Wir brauchen eine Familienpolitik, die der der- Jugendlichen die Möglichkeiten schafft, ihre Fähig- TION MITGLIED DER KINDERKOMMISSION DES dürfen nicht vor der Technik kapitulieren. Sie zeitigen gesellschaftlichen Situation gerecht wird. keiten und Fertigkeiten zu entfalten und zu leben. DEUTSCHEN BUNDESTAGS

Kinder und Jugendliche als kulturelle Akteure Marlene Rupprecht Junge Kultur braucht ein erweitertes Blickfeld

„Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung“ Dabei geht es unter anderem um die Entfaltung integriert, bilden diese das Grundgerüst kulturel- Möglichkeiten, neben den fachlichen Inhalten (Art. 26 (1)) – Dieser Grundsatz aus der All- der Persönlichkeit, die Achtung der Menschen- ler Arbeit. Die Angebote dabei sind vielfältig, so zusätzlich kulturelle Fähigkeiten zu vermitteln. gemeinen Erklärung der Menschenrechte ist rechte, der eigenen sowie fremder Kulturen und dass spezifische Neigungen und Fähigkeiten der Dafür ist es allerdings nötig, die Lehrstrategien in der Bundesrepublik Deutschland in ers- die Vorbereitung „auf ein verantwortungsbewuss- Kinder geformt und gefördert werden können. grundsätzlich zu überdenken oder wenigstens ter Linie – und auch im Sinne der Erklärung tes Leben in einer freien Gesellschaft“ (Art. 29d). Gerade die Vielfalt ist sehr wichtig, um verschie- zusätzliche Chancen für die Aktivierung der Schü- – durch ein komplexes Schulsystem geregelt. dene Dinge ausprobieren zu können. Schließlich ler anzubieten. Wo sich jedoch die Schule als Bildungsin- Kindergerechte Präsentations- bilden Kinder und Jugendliche nach den Beob- Beispiele hierfür sind Projektarbeiten im Team stanz vorwiegend damit beschäftigt, die formen entwickeln achtungen von Kultursoziologen in der Zeit bis und Möglichkeiten der Entfaltung außerhalb des spätere Arbeitsmarktfähigkeit von Kindern zum 16. Lebensjahr vor allem in der Auseinan- Lehrplans. Albert Fußmann hat Recht, wenn er und Jugendlichen durch die Vermittlung von All dies kann natürlich nicht in der Schule allei- dersetzung mit Jugend- und Erwachsenenkultu- bemerkt, dass das alte Bild „in der Schule für „Lernstoff“ zu erzwingen, werden allgemei- ne vermittelt werden. Hierbei sind andere ge- ren die eigene Persönlichkeit aus. Darüber hin- später zu lernen“ überholt ist. Viel wichtiger sei ne Kulturtechniken zwar vorausgesetzt, ge- sellschaftliche Instanzen nötig, die alle die Sozi- aus lehrt die Mitgliedschaft in Vereinen und die es eben auch den Schulalltag wirklich zu erle- raten jedoch im täglichen Kampf um Zen- alisation des Kindes betreffen. Gerade in den Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen ben und dieses „Leben“ nicht auf die Zukunft zu suren und Auslese leicht aus dem Blickfeld. ersten Lebensjahren ist das Elternhaus von vor- und kulturell definierten Gruppen Grundlagen verschieben. Kulturelle Projekte können den Doch sind es gerade diese, die die Basis rangiger Bedeutung. Schon in diesem frühen sozialen Zusammenlebens wie kulturelle Integra- Schulalltag hierbei entscheidend bereichern. Das unseres Zusammenlebens bilden und eben- Lebensabschnitt werden die Grundlagen geschaf- tion, Selbststilisierung und Identitätsbildung. Interesse dafür ist zweifelsohne vorhanden, oft so wie wirtschaftliche Aspekte zum Erfolg der fen, wie man sich im kulturellen Umfeld bewegt. Gerade im jugendkulturellen Umfeld bewegen fehlen jedoch Zeit und Mittel dafür. gesamten Gesellschaft beitragen. Kinder sollten dabei möglichst viel Freiheit er- sich die Heranwachsenden oft erstmals ohne El- In diesem Bereich ergibt sich die Aufgabe der Po- halten, um ihre kulturellen Fähigkeiten zeigen tern oder Lehrer in der Gesellschaft, sind also litik von selbst, wenngleich die Föderalismusre- Der Kulturpädagoge Albert Fußmann weißt in und entwickeln zu können. An dieser Stelle ist für sich selbst verantwortlich. form bundesweite Initiativen für kulturelle Bildung diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Politik gefragt, Angebote in der Kultur auch Die Aufgabe der Politik muss es hierbei sein, gerade auch im Schulbereich sehr erschwert hat. gerade „[d]ie moderne Gesellschaft mit ihren jungen Menschen zugänglich zu machen. Viele Angebote etablierter wie subkultureller Einrich- Kinderrechte müssen ins Grundgesetz raschen Wandlungsprozessen, ihren Verwerfun- Einrichtungen wie Museen und Theater sind oft tungen in ihrer Vielfalt zu fördern und dabei Auch zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen gen, ihrer Betonung auf dem Wissen und ihrer auf Kinder und Jugendliche als Publikum zu we- insbesondere alle Arten von kinder- und jugend- als kulturelle Akteure ist die Aufnahme der Kin- offenen Zukunft […] mehr denn je auf die kultu- nig eingerichtet. Hier sollten für Familien und kulturellen Entwicklungen zu berücksichtigen. derrechte ins Grundgesetz ebenfalls eine wichti- relle Bildung angewiesen“ ist. Kulturelle Techni- Kinder interessante Präsentationsformen gefun- Zusätzlich ist es unabdingbar, die Teilhabe von ge Maßnahme. Kinder und Jugendliche werden ken sind dabei sehr vielfältig: Angefangen vom den werden, um vor allem zur Hochkultur even- Kindern und Jugendlichen im Sinne eines um- dann nicht mehr nur als Konsumenten der von einfachsten kommunikativen Rahmen und der Art tuelle Hemmschwellen zu senken. fassenden emanzipatorischen Ansatzes zu ge- Erwachsenen gestalteten Kultur gesehen, son- der Weitergabe von Informationen gehören zu währleisten. dern als Bevölkerungsgruppe, die selbst in un- ihnen auch die Ebenen der Sinnsuche und der Persönlichkeitsbildung durch terschiedlichster Form neue Kultur schafft! Ethik. Jugendkulturen Schule muss aktivieren Die Konvention über die Rechte des Kindes er- DIE AUTORIN IST KINDERBEAUFTRAGTE DER wähnt – im Gegensatz zum Grundgesetz und der Ein weiteres wichtiges Segment der Einbindung Die traditionelle Bildungseinrichtung Schule ist SPD-BUNDESTAGSFRAKTION UND MITGLIED allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – von Kindern und Jugendlichen in die Kulturland- bei der Entwicklung kultureller Fähigkeiten DER KINDERKOMMISSION DES DEUTSCHEN solche Bildungsziele bereits konkret in Artikel 29: schaft sind die Verbände. Fest in die Gesellschaft keineswegs auszunehmen. Auch hier bestehen BUNDESTAGS kultur kompetenz bildung politik und kultur • NOV. – DEZ. 2007 • SEITE 3

Madita. © Verlag Friedrich Oetinger Michel aus Lönneberga. © Verlag Friedrich Oetinger

Kultur ist wie der ganze Mensch lebt Diana Golze Projekte der Kinder- und Jugendarbeit als Form von Kulturarbeit begreifen

Der Begriff Kultur umfasst nach unserem Wissenserwerb in der Schule – begrenzt auf die tiative „Kulturelle Bildung - Kultur für Kinder“ verschiedene interessante und förderungswürdi- Verständnis mehr als die Künste und die tra- sogenannten „Hauptfächer“. Bildung betrifft den einsetzen. Lukrezia Jochimsen, kulturpolitische ge Projekte der kulturellen Bildung in den Län- ditionell als kulturell wertvoll anerkannten ganzen Menschen und hat auch eine kulturelle Sprecherin der Fraktion, hatte schon im vergan- dern, die es wert wären, sie zu verstetigen und Institutionen der sogenannten „Hoch-Kul- und kommunikative Dimension. Der kulturellen genen Jahr die Idee für eine Kampagne „Kultur bundesweit nachzunutzen. Welche Möglichkeiten tur“ (wie Oper, Theater, Orchester, Museen Bildung sollte künftig verstärkte Aufmerksamkeit, für Kinder“ entwickelt, für die wir nun parteiüber- es dafür gibt, darüber wollen wir uns in einem und Bibliotheken). Im Sinne des UNESCO- sowohl in der „formellen“ Bildung in Kindergar- greifend Verbündete suchen. Es geht uns darum, von der Bundestagsfraktion veranstalteten Kultur- Kulturbegriffs verstehen wir darunter die ten und Schule wie auch in der „informellen“ die Möglichkeiten des Bundes zur Unterstützung forum zur Kulturellen Bildung am 30. November Gesamtheit der unverwechselbaren geisti- außerschulischen Bildung geschenkt werden. Die der Länder bei der kulturellen Bildung auch nach und 1. Dezember 2007 mit Kulturschaffenden gen, materiellen, intellektuellen und emo- Ganztagsschule bietet besondere Chancen der der Föderalismusreform zu erhalten und weiter- sowie Politikerinnen und Politikern der verschie- tionalen Eigenschaften, die eine Gesellschaft Verknüpfung von „formeller“ und „informeller“ zuentwickeln. So sollten Projekte wie z.B. „Jedem denen Ebenen und Ressorts verständigen. oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, Bildung in der Zusammenarbeit mit Jugend-, Kind ein Instrument“ (derzeit ein Modellprojekt der also auch Lebensformen, Formen des Zu- Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Kulturstiftung des Bundes und des Landes NRW) DIE VERFASSERIN IST FÜR DIE FRAKTION DIE LIN- sammenlebens, Wertesysteme, Traditionen Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen ebenso wie auch in anderen Ländern – im Einvernehmen mit KE. MITGLIED DER KINDERKOMMISSION DES und Überzeugungen. Wenn wir über Kultur Praktikerinnen und Praktiker sind sich heute weit- diesen – durch den Bund gefördert werden. Es gibt DEUTSCHEN BUNDESTAGS und Kinder reden, geht es demzufolge um gehend einig, unter kultureller Bildung eine Sei- die Gesamtheit der Lebensbedingungen von te der Allgemeinbildung zu verstehen, die mit- Kindern und ihre Entwicklungsmöglichkei- tels Kunst, Spiel und Medien an verschiedenen ten. Orten und Institutionen (von Schulen und Bil- dungsstätten über Kultureinrichtungen bis hin zu Streitfall Computerspiele Die Fraktion DIE LINKE. setzt bei den sozial-öko- Projekten der Kinder- und Jugendarbeit) vermit- nomischen Verhältnissen an. So fordern wir z.B. telt wird. Diesem Verständnis folgend ist für Die Von der Provokation zur Debatte eine Anhebung des Kinderzuschlages und eine LINKE. kulturelle Bildung ein Querschnittsthema auf allen politischen Entscheidungsebenen, das deutliche Verbreiterung des Kreises der berech- In dem Buch „Streitfall Computerspiele“ sind die in den Ausgaben März – April, Mai – tigten Familien, um Kinderarmut wirksam zu be- neben der Kultur- und Medienpolitik vor allem Juni und Juli – August dieses Jahres in der Zeitung des Deutschen Kulturrates politik und kämpfen. Zunehmender sozialer Ungleichheit in die Bildungspolitik, Jugendpolitik und Kommu- dieser Gesellschaft zu begegnen, ist für uns die nalpolitik berührt. kultur erschienen Beiträge zum Streitfall Computerspiele versammelt. Die Beiträge zeigen entscheidende Voraussetzung dafür, allen Kin- Meiner Auffassung nach ist es an der Zeit, Ju- zuallererst, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema Computerspiele auf einer dern gleiche Entwicklungsbedingungen und Teil- gendarbeit nicht mehr nur vornehmlich als Sozi- sachlichen Ebene möglich und notwendig ist. Und sie zeigen die Komplexität des Themas habe am materiellen und kulturellen Reichtum alarbeit, sondern auch als Form der Kulturarbeit auf. Für das Buch wurden die Beiträge nach fünf Themenblöcken geordnet. dieser Gesellschaft zu ermöglichen. zu begreifen. Es gilt unbedingt dem Trend zum · Computerspiele: Zensur oder öffentliche Förderung Zweifellos ist Bildung zu einer Schlüsselfrage der Abbau von kommunalen Einrichtungen der Kin- · Computerspiele: Blicke in die Forschung Entwicklung jedes einzelnen, wie der gesamten der- und Jugendarbeit im kulturellen Bereich · Computerspiele: Herausforderung für die Bildung Gesellschaft geworden. Die Lebenschancen ei- gegenzusteuern. ner und eines jeden hängen heute mehr denn je Auf den Anfang kommt es an. Wie in der Bil- · Computerspiele: Nicht nur Teil der Jugendkultur vom freien Zugang zu Informationen und Wis- dung insgesamt, so muss auch in der kulturellen · Computerspiele: Marktsegment der Kulturwirtschaft sen ebenso ab wie von der Möglichkeit sich kul- Bildung im frühen Kindesalter begonnen werden. MIT BEITRÄGEN VON: Günther Beckstein, Max Fuchs, Hans-Joachim Otto, Christian turell zu bilden und mit den Künsten wie den Zu achten ist hier insbesondere auf die kulturel- Pfeiffer, Olaf Zimmermann und anderen. Medien umzugehen. Das Recht auf eigene Kul- le Situation der bildungsfernen Schichten und tur, auf Bildung, Informationsfreiheit, Spiel und sozialen Randgruppen. Hier vor allem ist es wich- STREITFALL COMPUTERSPIELE: COMPUTERSPIELE ZWISCHEN KULTURELLER BILDUNG, Freizeit ist im Range eines Menschenrechts zu tig, dass kulturelle Bildungsarbeit mit ihren künst- KUNSTFREIHEIT UND JUGENDSCHUTZ. Hg. v. Olaf Zimmermann und Theo Geißler. 108 sehen (so in der UN-Kinderrechtskonvention von lerischen, medialen und spielerischen Angebo- Seiten. ISBN 978-3-934868-13-7, ISSN: 1865-2689. Preis: 9,00 Euro (+ 2,50 Porto und 1989 festgehalten). DIE LINKE. fordert dieses ten Kindern und Jugendlichen ein Betätigungs- Verpackung). Das Buch kann unter http://www.kulturrat.de/shop.php bestellt werden. Recht für alle ein. feld zur Erprobung schöpferischer Kräfte bietet Das Buch ist auch über jede Buchhandlung beziehbar. DIE LINKE. engagiert sich für eine demokratische, und sie bei der Aneignung der Kulturtechniken sozial gerechte und emanzipative Bildung für alle der Gegenwart unterstützt. Deutscher Kulturrat e.V. Chausseestraße 103, 10115 Berlin, Telefon: 030/24728014, Fax: – von Anfang an. Wir wenden uns gegen eine Weil uns dieses Thema besonders wichtig ist, wird 030/24721245, E-Mail: [email protected] Verengung der bildungspolitischen Debatte auf sich meine Fraktion für eine überparteiliche Ini- kultur kompetenz bildung politik und kultur • NOV. – DEZ. 2007 • SEITE 4

Die Kinder aus Bullerbü. © Verlag Friedrich Oetinger Lotta aus der Krachmacherstraße. © Verlag Friedrich Oetinger

Das Recht auf Kultur gilt auch für Kinder Ekin Deligöz Kinder als Künstler und Rezipienten von Kultur stärker wahrnehmen

„Kinder haben ein Recht auf Kultur“ – diese ten Kinderführungen im Repertoire sind. In Sachen scheidende Feld, um jungen Menschen frühe Zu- Forderung der Kinderrechtskonvention gilt Kindgerechtigkeit – im ganz praktischen techni- gängen zu Kultur zu eröffnen. Die Erwartungen es ausdrücklich zu unterstützen. Dabei sind schen Sinne – existieren noch vielfach Defizite: Zu von Kindern, Jugendlichen und Eltern sowie auch zwei grundsätzliche Aspekte zu berücksich- hoch angebrachte Exponate, für Kinder unzuläng- von Pädagogen sind schon längst geweckt – tigen. Zum einen muss Kindern ermöglicht liche interaktive Stationen, zu lange Formate usw. ebenso die Bereitschaft, sich bestmöglich zu en- Impressum werden, selbst kreativ zu sein. Sich auszu- Sowohl in punkto eigener künstlerischer Erfahrun- gagieren. Das wird aber ohne verbesserte struk- probieren und künstlerisch auszudrücken, gen, aber auch der Kulturvermittlung existiert ein turelle und finanzielle Rahmenbedingungen nicht kultur · kompetenz · bildung zu gestalten, zu experimentieren, neugie- Zugangs- und Infrastrukturproblem. Abwande- den erwünschten Erfolg zeitigen – besonders für rig zu sein, der Phantasie freien Lauf zu las- rung gerade aus peripheren Regionen droht Kinder aus bildungsfernen und anregungsarmen sen – all dies sind Vorgänge, die für die in- genauso wie ein selektives Bildungssystem vielen Familien. Zu fragen ist auch, wie materielle Hür- kultur · kompetenz · bildung erscheint als dividuelle Persönlichkeitsentwicklung eine Menschen einen gerechten Zugang zu musischer den abgebaut und Zugänge zu kulturellen und regelmäßige Beilage zur Zeitung politik & entscheidende Rolle spielen. Künstlerische und ästhetischer Bildung zu verbauen. Zudem darf musischen Angeboten nachhaltig gesichert wer- kultur, herausgegeben von Olaf Zimmer- Prozesse fördern das Erfahren von Toleranz, die Fülle des Geldbeutels nicht über die kulturelle den sollen. Hier sind zielgenaue Leistungen, mann und Theo Geißler Neugier und Selbstvertrauen in die eigene Bildung unserer Kinder entscheiden. Deshalb plä- möglicherweise in Form von Gutscheinen, seitens Kreativität und erlauben Kindern eine an- dieren wir für die Teilhabe für alle am „kulturel- der staatlichen Hilfesysteme notwendig. Deutscher Kulturrat dere Form der Kommunikation. len Kapital“, unabhängig von Geschlecht, sozia- Auch stärkere Kooperationen von Kultur- und Bil- Chausseestraße 103 lem Status oder ethnischer Herkunft. Den aktuel- dungsträgern bergen hinsichtlich der Zugangspro- 10115 Berlin Nicht erst seit gestern wissen wir, dass Gestaltungs- len Diskussionen auch und gerade um Qualitäts- bleme ein hohes Potenzial. So forderten wir im Tel: 030/24 72 80 14 und Wahrnehmungsprozesse wie z.B. gemeinsa- verbesserungen in Kindertagesbetreuung und Rahmen der Ganztagsschul-Debatte, dass die Fax: 030/24 72 12 45 mes Musikmachen, Theaterspielen, Tanzen, Schulen müssen konkrete Taten folgen. Denn hier Schule als offenes Haus zu verstehen sei, das Kin- Internet: www.kulturrat.de Schreiben und Malen einen spezifischen Einfluss liegt ein, wenn nicht das neben der Familie ent- dern und Jugendlichen außerschulische Lerner- E-Mail: [email protected] auf die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen fahrungen und Anregungen bieten soll. Eine Ein- besitzen. Kulturelle und ästhetische Bildung für beziehung von Musik- und Kunstschulen sowie von Kinder sind also zweifelsohne ein Muss für unsere Kunstschaffenden ist hier unerlässlich. In schrump- Redaktion Kultur-, aber auch unsere Bildungseinrichtungen. fenden Regionen könnten darüber hinaus mobile Olaf Zimmermann (verantwortlich), Schließlich wirkt sich die Beschäftigung mit Kultur Strukturen wie Bücherbusse, Theatermobile Ver- Gabriele Schulz, Andreas Kolb, „en passant“ positiv auf die Lernbereitschaft so- sorgungslücken schließen. Kristin Bäßler wie den Lernprozess von Schülerinnen und Schü- Der Bund stößt im Bereich der Kultur immer wieder lern aus. So hat Royston Maldoom, Choreograph an die Grenzen des Föderalismus, dennoch seine des Tanzprojektes Rhythm is it, erklärt: „Vor einem Möglichkeiten hat er bisher keineswegs ausge- Verlag Publikum wird Adrenalin für eine 200%ige Steige- schöpft. Die Bundeskulturstiftung beispielsweise ConBrio Verlagsgesellschaft mbH rung der Leistungsstärke freigesetzt.“ könnte mehr Projekte fördern, die sich der kultu- Brunnstraße 23 Zum anderen spielt neben der künstlerischen Ei- rellen Bildung der heranwachsenden Generation 93053 Regensburg genproduktion die Rezeption von Kultur und die widmen. Die Einrichtung einer eigenständigen Internet: www.conbrio.de Kulturvermittlung eine gewichtige Rolle. Die Kin- Sparte „Kinder- und Jugendkulturprojekte“ wäre E-Mail: [email protected] der unserer Gesellschaft müssen frühestmöglich an ebenfalls zu prüfen. Gleiches gilt für den Haupt- Kultur und Kunst herangeführt werden. Mit Kultur stadtkulturfond. Wir plädieren also für eine Kin- Herstellung, Layout: können Normen und Werte für das friedliche Zu- der- und Kulturpolitik, die Kinder als Künstler und ConBrio Verlagsgesellschaft sammenleben in unserer Gesellschaft vermittelt Rezipienten von Kultur stärker wahrnimmt. Petra Pfaffenheuser werden. Kinder sind von den Kulturinstitutionen Lassen Sie mich mit einem Zitat von Friedrich Schil- nicht nur als zukünftiges, sondern als jetziges Pu- ler schließen: „Kunst ist die Tochter der Freiheit!“ – blikum zu begreifen. Wichtiger als der Schokola- genau diese dürfen wir unseren Kindern nicht ver- Gefördert vom Bundesministerium für denwagen oder das Gesichterbemalen vor dem wehren. Bildung und Forschung Museum sind etwa qualitätsvolle, kreative, inter- aktive kulturpädagogische Angebote. Selbstver- DIE VERFASSERIN IST FÜR DIE FRAKTION BÜND- ständlich ist das noch nicht, so dass ich mich NIS 90/DIE GRÜNEN MITGLIED DER KINDERKOM- beispielsweise immer freue, wenn in kleineren Städ- Pippi Langstrumpf. © Verlag Friedrich Oetinger MISSION DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS politik & kultur puk-Dossier VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN

Verwertungsgesellschaften – unverzichtbar für die kulturelle Vielfalt Von Olaf Zimmermann Die Verwertungsgesellschaften stehen heute an einer Weggabelung: Gehören sie eher zur Kultur oder eher zum Kommerz, sind sie ganz normale Unternehmen wie tausende andere auch, sind sie Unternehmen besonde- rer Art, weil sie in besonderer Weise sozialen und kultu- rellen Zwecken verpflichtet sind oder sind sie Selbsthil- feeinrichtungen der Künstler, die auch wirtschaftliche Zwecke verfolgen?

is vor wenigen Jahren war die Stellung der Verwer- Btungsgesellschaften im Kulturbereich und in der Po- litik unangefochten. Urheber und Rechteinhaber haben sich in Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen, damit für die Rechte, die von einem Einzelnen nicht ge- wahrt und wahrgenommen werden können, Vergütungen erhoben werden. Geradezu legendär sind die Anfänge der musikalischen Verwertungsgesellschaften in Frankreich und in Deutschland. Und in der Tat ist die Gründung der Ver- wertungsgesellschaften und die Verankerung des Prinzips der kollektiven Rechtewahrnehmung eine große kulturpo- litische und solidarische Leistung der Gründerväter. Die Grundprinzipien aus den Anfängen der Verwertungsgesell- schaften wie ihre Verpflichtung, dass die Schöpfer kulturell bedeutsamer Werke einen besonderen Vorzug bei der Ver- gütung erhalten sollen und dass auf einen Teil der Vergü- tung verzichtet wird, damit diese sozialen Zwecken zuge- führt werden, tragen noch heute. Dennoch, bei allen Ver- diensten der Verwertungsgesellschaften, ist ihre Position nicht mehr so gefestigt, wie noch vor einigen Jahren.

Herausforderung Europa

Nicht zuletzt der europäische Einigungsprozess, der nach wie vor von der wirtschaftlichen Einigung geprägt ist, trägt dazu bei, dass sich sowohl die deutschen Verwertungs- gesellschaften als auch die nationale Politik neu positio- nieren müssen. Die EU-Kommission sieht die Verwertungs- gesellschaften unter rein ökonomischen Gesichtspunkten und stört sich, auf Grund ihres Grundverständnisses für mehr und vor allem für europaweiten Wettbewerb in al- Blick in einen der ersten Computer: komplizierte Verdrahtung. Foto: Stefanie Ernst len Wirtschaftsbereichen zu sorgen, an der faktischen Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften. Sie tewahrnehmung überhaupt noch zeitgemäß ist oder ob tags (1999-2003) als auch in der Enquete-Kommission Aufsicht und fordert die Verlagerung der Aufsicht an eine möchte für mehr Wettbewerb unter den Verwertungsge- die Zukunft nicht den Digital-Right-Management-Syste- „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags Regulierungsbehörde. Die Bestimmungen im Urheber- sellschaften sorgen. Ihr Ziel ist es, dass die Urheber frei men gehört. Die Verwertungsgesellschaften nehmen die- (2003-2007), in denen ich mitwirkte bzw. angehöre, war rechtswahrnehmungsgesetz zu den sozialen und kultu- wählen können, welche der Verwertungsgesellschaften ih- se Diskussion offen auf und stellen dar, dass sie für das die Arbeit der Verwertungsgesellschaften immer wieder rellen Zwecken der Verwertungsgesellschaften werden nen die besten Konditionen, sprich den größten Ertrag ver- digitale Rechtemanagement gerüstet sind und hohe Da- ein höchst strittiges Thema. von Artur-Axel Wandtke und Georgios Gounalakis be- spricht. Der „staatsentlastenden Funktion“ der deutschen tenschutzstandards hierbei gewährleisten können. Ver- Stellt man sich der Diskussion, kann zumeist, wenn leuchtet. Harald Heker, Tilo Gerlach, Reinhard Meyer und Verwertungsgesellschaften, die einen Teil ihrer Erlöse sozi- wertungsgesellschaften haben kein Interesse, Nutzern sich die erste temperamentvolle Aufregung gelegt hat, Franka Hellmannsberger stellen die Arbeit der verschie- alen und kulturellen Zwecken zuführen, messen sie keine bestimmte Produkte zu verkaufen, sie stellen daher kei- verdeutlicht werden, dass die Verwertungsgesellschaften denen Sozial- und Kulturwerke der Verwertungsgesell- Bedeutung zu. Im Vordergrund steht eine Betrachtung un- ne Nutzerprofile her und wären mithin ideale Institutio- die Rechte ihrer Mitglieder, der Künstler und Rechteinha- schaften vor. Mit den Tarifen für die Nutzung von Musik ter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die EU-Kommis- nen, um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ber, treuhänderisch wahrnehmen und dass Leistungen in setzen sich der Ernst Burgbacher, Präsident der Bundes- sion steht also eindeutig auf der Seite des Kommerzes. genau abzurechnen, ohne uns, die Nutzer, noch mehr zu unserer Gesellschaft, das heißt selbstverständlich auch vereinigung Deutscher Orchesterverbände und Jürgen Die Verwertungsgesellschaften stehen vor der Her- gläsernen Bürgern zu machen. künstlerische Leistungen, nicht umsonst zu haben sind. Becker, Vorstand der GEMA auseinander. Bernhard Roh- ausforderung, diese rein marktwirtschaftliche Betrach- leder, Hauptgeschäftsführer der BITKOM, und Ferdinand tung zu beantworten. Verstehen sie sich als Solidarge- Sicherung der kulturellen Vielfalt puk-Dossier Melichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG meinschaften, verweigern sie sich dem Wettbewerb und WORT, befassen sich mit der „Geräteabgabe“, der hef- suchen eher die Zusammenarbeit mit den, oftmals Verwertungsgesellschaften waren die ersten Selbsthilfe- Mit dem vorliegenden puk-Dossier „Verwertungsgesell- tig umstrittenen Kopierabgabe auf Speichermedien. ebenfalls konkurrenzlosen, Schwestergesellschaften in organisationen der Künstler. Künstler taten sich zusam- schaften“ sollen einige aktuelle Debatten zu Verwertungs- Welche Aufgaben die Verwertungsgesellschaften in der anderen Ländern oder gehen sie auf die Forderung nach men, damit sie gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sie gesellschaften aufgegriffen werden. Es soll deutlich ge- Zukunft wahrnehmen sollten, darüber geben Günter mehr Wettbewerb ein, beteiligen sie sich an Ausschrei- einen Ertrag aus der Nutzung ihrer kreativen Leistung zie- macht werden, dass Verwertungsgesellschaften keine Krings, MdB (CDU), Jörg Tauss, MdB (SPD), Wolfgang bungen und werden unter rein wirtschaftlichen Gesichts- hen können. Dieses ist das Grundprinzip der Verwertungs- „normalen“ Unternehmen sind, sondern es sich vielmehr Neskovich, MdB (DIE LINKE), Sabine Leutheusser-Schnar- punkten tätig? Die Voraussetzungen für die Antwort sind gesellschaften. Über die Einhaltung dieses Grundprinzips um Selbstorganisationen der Künstler handelt, die dazu renberger, MdB (FDP) und Undine Kurth, MdB (Bündnis sehr unterschiedlich, je nach vertretenen Rechten, nach wachen die staatliche Aufsicht aber auch die gewählten dienen, dass diese die ihnen zustehende angemessene 90/Die Grünen) Auskunft. In Interviews skizzieren Ha- dem Repertoire, das angeboten werden kann und nach Gremien. Grundlage der Verwertungsgesellschaften ist die Vergütung aus der Nutzung künstlerischer Leistungen rald Heker, Tilo Gerlach, Peter Zombik, Gerhard Pfennig dem eigenen Selbstverständnis. Solidarität der Künstler untereinander, speziell der wirt- erhalten. Es sollen aber auch die Kritiker der Verwertungs- und Ferdinand Melichar welche Aufgaben ihrer Ansicht Welche Antworten die Verwertungsgesellschaften schaftlich erfolgreichen mit den weniger erfolgreichen. gesellschaft zu Wort kommen und der Frage nachgegan- nach die von ihnen vertretene Verwertungsgesellschaft geben, sie werden nicht folgenlos bleiben. Neigen sie Dieses Grundprinzip widerspricht einem reinen Marktver- gen werden, ob die bestehenden Vergütungssysteme der in der Zukunft übernehmen wird. mehr dem Kommerz zu, wird es schwer sein, in der Poli- ständnis, es entstammt einer Philosophie, die sich für Verwertungsgesellschaften noch tragfähig sind. Mein Dank gilt Dr. Harald Heker (GEMA), Dr. Tilo tik weiterhin Bündnispartner zu gewinnen, die für die kulturelle Vielfalt einsetzt. Kulturelle Vielfalt bedeutet, dass Im Mittelpunkt des puk-Dossiers „Verwertungsge- Gerlach (GVL), Prof. Dr. Gerhard Pfennig (VG BILD- „Monopolstellung“ der Verwertungsgesellschaften strei- es neben der marktgängigen Kunst, die ihre Abnehmer sellschaften“ stehen die Arbeit der GEMA (Gesellschaft KUNST) und Prof. Dr. Ferdinand Melichar (VG WORT). ten. Wenden sie sich stärker der Kultur zu, besteht unter und Nutzer findet, auch Platz für künstlerische Ausdrucks- für musikalische Aufführungs- und mechanische Verviel- Sie haben die Erstellung dieses puk-Dossier finanziell Umständen die Gefahr, dass die Erlöse der wirtschaftlich formen geben muss, die bisher auf ein eher geringeres fältigungsrechte), der GVL (Gesellschaft zur Verwertung ermöglicht. Sie haben sich für eine unabhängige Beila- erfolgreichen Rechteinhaber sinken und diese die Frage Interesse beim Publikum treffen, aber dennoch kulturell von Leistungsschutzrechten), der VG BILD-KUNST (Ver- ge in einer kulturpolitischen Zeitung und gegen eine aufwerfen, warum für soziale und kulturelle Zwecke ihre wertvoll sind. Der Erhalt der kulturellen Vielfalt ist ein wertungsgesellschaft Bild-Kunst) und der VG WORT (Ver- Imagebroschüre entschieden. Sie stellen sich damit der eigene Ausschüttung gemindert wird. entscheidendes Argument, Kultur nicht der allgemeinen wertungsgesellschaft Wort). Kritik von Dritten und der kulturpolitischen Auseinan- Liberalisierung preiszugeben, sondern sich vielmehr für Eingangs schildert Albrecht Dümling die Geschich- dersetzung. Dieses ist ein positives Signal für Gesprächs- Herausforderung DRM Ausnahmetatbestände einzusetzen. Die Verwertungsge- te dieser vier Verwertungsgesellschaften. Danach stellt bereitschaft und Gesprächsfähigkeit der Verwertungs- sellschaften stehen mit ihren angestammten Geschäfts- Gabriele Schulz die rechtlichen Voraussetzungen, die gesellschaften. Ich hoffe sehr, dass das vorliegende puk- Den Verwertungsgesellschaften weht aber noch in wei- feldern für diesen Konsens: Erhalt der kulturellen Vielfalt. Möglichkeiten der Mitgliedschaft, die Organisationsform Dossier „Verwertungsgesellschaften“ zur Versachli- terer Hinsicht der Wind entgegen. Die neuen technischen Dafür lohnt es sich einzutreten. und Entscheidungsgremien dar. Mitglieder der Aufsichts- chung der Diskussion und zur besseren Einschätzung Möglichkeiten gestatten bereits jetzt, zwar noch unzurei- gremien der Verwertungsgesellschaften geben Auskunft der Verwertungsgesellschaften führt. chend, in naher Zukunft aber sicherlich technisch ausge- Kritik aus der Politik über ihre Arbeit. Die Möglichkeiten der Aufsicht werden reifter, die Erfassung und genaue Abrechnung der Nut- in einem Interview mit Senta Bingener und Jörg Port- DER VERFASSER IST HERAUSGEBER VON POLITIK UND zung urheberrechtlich geschützter Werke. Es wird daher Sowohl in der Enquete-Kommission „Zukunft des Bür- mann vom Deutschen Patent- und Markenamt darge- KULTUR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES DEUTSCHEN immer öfter die Frage aufgeworfen, ob die kollektive Rech- gerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundes- stellt. Gitta Connemann, MdB hinterfragt die bisherige KULTURRATES Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 2

Solidargemeinschaften für die Rechte der einzelnen Urheber Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften GEMA, GVL, VG WORT und VG BILD-KUNST I Von Albrecht Dümling Der Pariser Uhrmachersohn Pierre-Augustin Caron steck- te voller Ideen, auf die er stolz war und die er nicht einfach verschenken wollte. 1753 entdeckte er ein neues Hemmungsrad für Taschenuhren, die so genannte Un- ruh, welche die Laufpräzision entscheidend verbesser- te. Caron stellte dem königlichen Uhrmacher Jean-And- ré Lepaute seine Erfindung vor. Der Uhrenexperte er- kannte die Bedeutung der Neuheit sofort und veröffent- lichte in der Zeitschrift „Le Mercure de France“ einen Artikel, worin er sie als eigenen Fund deklarierte. Der junge Caron war über diesen Diebstahl seines geistigen Eigentums empört und pochte in einem offenen Brief umgehend auf seine Urheberschaft. Er rief die französi- sche Akademie an, die in einem Gutachten seine Priori- tät bestätigte. Caron hatte gesiegt, Lepaute war bla- miert. Schon ein Jahr später übernahm der gerade 22- jährige Erfinder die Stellung des Älteren als Hofuhrma- cher. Rasch stieg er dort dank seines Ideenreichtums und seiner Initiative auf. Er heiratete eine reiche Witwe, er- hielt dadurch Landbesitz, den Namen Beaumarchais und besseren Zugang zum Hof.

s blieb nicht bei den Uhren. Beaumarchais, wie man E ihn bald nannte, wurde Geheimagent, ein überaus erfolgreicher Kaufmann, der umfangreiche Waffenliefe- rungen in das damals von England sich lösende Nord- amerika organisierte (Lion Feuchtwanger widmete dem Thema einen Roman), und nicht zuletzt Bühnenautor. Viel Beifall fanden seine Komödie Le barbier de Séville und das sozialkritische Lustspiel La folle journée ou le mariage de Figaro, die Grundlage für Mozarts Oper. Die Theater wurden damals meist von Schauspie- lern geleitet, die häufig den Autoren Zahlungen schul- dig blieben oder falsche Angaben über ihre Einkünfte machten. Beaumarchais wollte sich diesen Betrug nicht gefallen lassen. Da auch andere Autoren betroffen wa- ren, suchte er nach einer grundsätzlichen Lösung. Am 3. Juli 1777 lud er Kollegen der schreibenden Zunft in sein Haus im Pariser Marais-Viertel ein. Bei diesem Treffen erläuterte er den versammelten Bühnenautoren, dass Teil des Verwaltungsgebäudes der GEMA in Berlin. Foto: GEMA man von Beifall allein nicht leben könne: „Man disku- tiert in den Foyers der Theater darüber, dass es für die ließen sich von der Rede ihres Gastgebers überzeugen te zum ersten Mal das geistige Eigentum unter gesetz- recht zu übertragen. Die im Gesetz immerhin erwähnte Autoren, die nach Ruhm streben, nicht vornehm sei, um und gründeten an jenem Sommerabend das „Bureau lichen Schutz. Drei Jahre später, am 13. Januar 1791, Möglichkeit zur Verwertung der Aufführungsrechte lie- die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu kämpfen. Man de Législation Dramatique“ – die erste Urheberrechts- trat in Frankreich das erste Urheberrechtsgesetz in Kraft. ßen die Urheber in der Regel ungenutzt. Sie ahnten hat vollkommen recht, der Ruhm besitzt eine große An- gesellschaft der Welt. Unter allen Besitztümern – so hieß es in dieser Verord- damals noch nicht, dass ihnen damit eine wesentliche ziehungskraft, doch leider wird vergessen, dass man Wie erwähnt besaß Beaumarchais enge Kontakte nung – seien die geistigen Werke des Schriftstellers die Einkommensquelle entging. 365mal in einem Jahr zu Mittag speisen muss, um sich nach Nordamerika, wo 1788 die Verfassung der Verei- heiligsten, unangreifbarsten und persönlichsten. Dem Um Werke deutscher Autoren auch im Ausland zu dieses Ruhmes ein Jahr lang zu erfreuen.“ Die Autoren nigten Staaten von Amerika verkündet wurde. Sie stell- gesetzlichen Schutz entsprechend wurde im März 1791 schützen, mussten internationale Vereinbarungen ge- das bisherige „Bureau de Législation Dramatique“ durch schlossen werden. Grundlegend war ein Abkommen, das ein „Bureau de Perception des droits d’auteurs et com- am 9. Juni 1886 in der Hauptstadt der Schweiz von neun positeurs“ ersetzt. Den Autoren standen damit die Kom- Ländern, von Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich, Inhaltsverzeichnis ponisten zur Seite, die über das neue Büro Gebühren für Großbritannien, Haiti, Italien, Liberia, der Schweiz und Aufführungen ihrer Bühnenwerke erhielten. An den Schutz Tunesien, unterzeichnet wurde und erstmals das inter- Verwertungsgesellschaften – unverzichtbar für die kul- Tarifverhandlungen mit Augenmaß – Das Verhältnis von anderer Komponisten dachte man damals noch nicht, da nationale Urheberrecht regelte. Die so genannte Berner turelle Vielfalt Verwertungsgesellschaften und Laienorchestern die Zahl der Konzerte unüberschaubar schien. 1798 sorg- Konvention schützte den Urheber eines Verbandslandes Von Olaf Zimmermann 1 Von Ernst Burgbacher 21 te die Gründung einer konkurrierenden Verwertungsge- in allen anderen Verbandsländern nach den jeweiligen sellschaft für Unruhe, bis sich schließlich im März 1829 nationalen Gesetzen wie ein Inländer. Deutsche Kom- Solidargemeinschaften für die Rechte der einzelnen Ur- Engagement für die Allgemeinheit – Förderung der beide Gesellschaften zu der bis heute bestehenden „So- ponisten genossen nun endlich auch in Frankreich den heber – Zur Geschichte der GEMA, GVL, VG WORT und Laienmusik durch die GEMA ciété des Auteurs et Compositeurs Dramatiques“ (SACD) dort geltenden Schutz, wie umgekehrt ihre französischen VG BILD-KUNST Von Jürgen Becker 22 vereinten. Auslöser der Bewegung war der selbstbewusste Kollegen östlich des Rheins nicht länger vogelfrei blie- Von Albrecht Dümling 2 Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais gewesen, dem ben. Die Berner Übereinkunft bewirkte zudem, dass die Vom digitalen Boom profitieren die Urheber direkt – Eine bis heute jeder Autor die Erkenntnis verdankt, „sich nicht Urheberrechtsregelungen der Unterzeichnerstaaten Verwertungsgesellschaften sind keine normalen Unter- Zukunftsvision und ihre Bedeutung für die Gegenwart nur zur Wehr zu setzen, um seine Interessen durchzuset- aneinander annäherten. Zu den Vätern dieser epoche- nehmen Von Bernhard Rohleder 22 zen, sondern auch aus Selbstachtung“. machenden Vereinbarung gehörte der Dichter und Ro- Von Gabriele Schulz 6 Das französische Gesetz schützte einheimische Au- mancier Victor Hugo; als Präsident der „Société des Verwertungsgesellschaften im digitalen Zeitalter – Di- toren, nicht aber die ausländischen, deren Werke Auteurs et Compositeurs Dramatiques“ hatte er 1878 Europäisches Soft Law – Gefahr für die kulturelle gital Rights Management-Systeme machen Verwer- weiterhin plagiiert wurden. Zu den Leidtragenden ge- im hohen Alter die „Association littéraire et artistique Vielfalt tungsgesellschaften nicht überflüssig hörte Carl Maria von Weber, dessen Freischütz-Oper in internationale“ (ALAI) mit dem Ziel begründet, den in- Von Olaf Zimmermann 11 Von Ferdinand Melichar 23 Paris in geänderter Form erklang – die Tantiemen kas- ternationalen Schutz der Autoren zu vervollkommnen. sierte der französische Bearbeiter. Das Allgemeine Preu- Als diese Gesellschaft im September 1895 einen Kon- Statements von Gremienmitgliedern der Verwertungs- Wettbewerb darf nicht zur Zweiklassengesellschaft führen ßische Landrecht von 1794 schützte zwar die Verleger, gress in Deutschland durchführte, wurde erstmals eine gesellschaften 6 Von Günter Krings 24 nicht aber die Autoren. Das änderte sich am 11. Juni deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungsrech- 1837, als Preußen das „Gesetz zum Schutz des Eigen- te gefordert. Ein aktiver Vorkämpfer solcher Bestrebun- Das Prinzip der Rechtewahrnehmung verteidigen Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung beibehal- tums an Werken der Wissenschaft und Kunst“ verab- gen war der Berliner Urheberrechtler Prof. Dr. Albert Interview mit Gitta Connemann 14 ten und stärken schiedete, damals das modernste Urheberrecht. 1841 Osterrieth, der 1897 zu den Gründern der „Internatio- Von Jörg Tauss 25 erhielt dieses Gesetz auch im Deutschen Bund Geltung. nalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz“ ge- Einsicht nehmen, prüfen, abstimmen, beaufsichtigen Wie in Frankreich waren auch in Deutschland die hörte. Aber es sollten weitere vier Jahre vergehen, bis Interview mit Senta Bingener und Jörg Portmann 15 Verwertungsgesellschaften in ihrem kulturellen Auftrag Schöpfer musikalischer Bühnenwerke Vorkämpfer des am 19. Juni 1901 das „Gesetz betreffend das Urheber- stärken Urheberrechts. Parallel zur Reichsgründung riefen sie am recht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ den Treuhänder der Kreativen – Zur kulturellen und sozia- Von Wolfgang Neskovic 26 16. Mai 1871 eine „Deutsche Genossenschaft dramati- Schriftstellern und Komponisten ausdrücklich die aus- len Dimension der Verwertungsgesellschaften scher Autoren und Komponisten“ ins Leben. Deren Sta- schließlichen Aufführungsrechte für die von ihnen ge- Von Artur-Axel Wandtke 16 Verwertungsgesellschaften sozial und kulturell in die tut berief sich auf das Gesetz für den norddeutschen schaffenen Werke zusprach. Damit waren auch in Pflicht nehmen Bund vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht Deutschland die gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen, Ein Missverständnis – Kulturförderung und Urheberrecht. Von Undine Kurth 27 an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompo- eine Anstalt für musikalische Aufführungsrechte einzu- Die besondere kulturelle und soziale Aufgabe der Ver- sitionen und dramatischen Werken. Das Deutsche Reich richten, wie sie sich in Frankreich, Italien und Österreich wertungsgesellschaften Die kollektive Rechtewahrnehmung hat Zukunft übernahm ein Jahr später dieses Gesetz, das allerdings bereits bewährt hatten. Von Georgios Gounalakis 17 Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 27 das Aufführungsrecht für Konzertwerke stiefmütterlich behandelte. Denn es schützte nur Aufführungen unge- Musikalische Aufführungsrechte – Der Markt allein zählt nicht – Die GVL fördert kulturell Rechte der Autoren gegen Global Player durchsetzen druckter Werke und gab alle anderen Stücke frei: „Mu- die GEMA bedeutende Leistungen Interview mit Harald Heker 28 sikalische Werke, welche durch Druck veröffentlicht Von Tilo Gerlach 18 worden sind, können ohne Genehmigung des Urhebers Ein einzelner Urheber kann unmöglich allein seine Auf- „Wir blicken besorgt nach Brüssel“ öffentlich aufgeführt werden, falls nicht der Urheber auf führungsrechte verwalten, kann er doch kaum je alle Stiftung Sozialwerk der VG Bild-Kunst – Unterstützung Interview mit Tilo Gerlach und Peter Zombik 29 dem Titelblatt oder an der Spitze des Werkes sich das Aufführungen der eigenen Werke überschauen und die in Notlagen, bei Berufsunfähigkeit und im Alter Recht der öffentlichen Aufführung vorbehalten hat.“ dafür nötigen Gebühren erheben. Auch einzelne Veran- Von Reinhard Meyer 19 „Eine Polarisierung ist Unsinn“ Diese Regelung entsprach dem Interesse der Verleger stalter und ausführende Künstler sind mit der Aufgabe Interview mit Ferdinand Melichar 30 an einem möglichst unkomplizierten Notenabsatz und überfordert, bei allen Rechteinhabern, deren Stücke sie Die sozialen und kulturellen Funktionen der VG WORT – einer weiten Verbreitung der Werke. Mit diesem Argu- aufführen, Genehmigungen und Aufführungsrechte ein- Drei Institutionen und ihre Aufgaben Offen an die künftigen Herausforderungen herangehen ment konnten sie die meisten Komponisten dazu bewe- Von Franka Hellmannsberger 20 Interview mit Gerhard Pfennig 31 gen, ihnen mit den Verlagsrechten auch das Aufführungs- Weiter auf Seite 3 Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 3

Fortsetzung von Seite 2 würden, wenn sie sich selbst dafür einsetzten. Zunächst organisierten sie mit Erfolg einen Boykott gegen die zuholen. Eine so komplexe Aufgabe kann nur von einer Leipziger Tantiemenanstalt. Sodann beteiligten sie sich darauf spezialisierten Verwertungsgesellschaft gelöst an der Neugestaltung des Urheberrechtsgesetzes, wo- werden. Diese verwaltet als Solidargemeinschaft treu- bei der juristisch gebildete Friedrich Rösch, ein Freund händerisch die Rechte „ihrer“ Urheber, vergibt gegen von Richard Strauss, die Führung übernahm. Das „Ge- Gebühr die notwendigen Genehmigungen und betreibt setz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Litera- anschließend das Inkasso der vereinbarten Gebühren. tur und Tonkunst“, das schließlich am 29. Juni 1901 Als weltweit erste Verwertungsgesellschaft für nicht- verkündet wurde, befriedigte die Komponisten nicht dramatische Musik war 1851 in Paris die „Société des wirklich. Dennoch bildeten sie auf dieser Grundlage am Auteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique“ (SACEM) 14. Januar 1903 als Solidargemeinschaft die „Genos- gegründet worden, die schon im ersten Jahr 350 Mit- senschaft Deutscher Tonsetzer“ (GDT), die einige Mo- glieder, Komponisten, Textdichter und Verleger vertrat. nate später im gleichen Gebäude in der Berliner Wil- Bei öffentlichen Aufführungen ihrer Werke mussten die helmstrasse eine eigene „Anstalt für Musikalisches Auf- Veranstalter durchschnittlich zwölf Prozent der Einnah- führungsrecht“ (AFMA) eröffnete. men an die SACEM abführen. Dieser hohe Satz entsprach Von Beginn an bemühte sich die AFMA um eine den Interessen der Unterhaltungskomponisten, auf de- gerechte Bewertung der geistigen Leistung. Anders als ren Initiative die Gesellschaft entstanden war. Gerade die französische SACEM unterschied sie zwischen erns- in Paris wurden im Unterhaltungssektor erhebliche Ein- ter und unterhaltender Musik, zwischen E- und U-Mu- künfte erzielt. Viele österreichische Autoren und Verle- sik, und entwickelte dabei ein differenziertes Punkte- ger hielten das französische Beispiel für nachahmens- system. Während bei Unterhaltungsmusik Musiktyp und wert, weshalb sie im Dezember 1897 in Wien die „Ge- Zeitdauer für die Punktzahl wesentlich waren, war es sellschaft der Autoren, Componisten und Musikverle- bei ernster Musik zusätzlich die Schwierigkeit der Be- ger“ (später abgekürzt AKM) gründeten. Es gab Bestre- setzung. Auf diese Weise sollte eine objektiv nachvoll- bungen, auch in Deutschland eine ähnliche Gesellschaft ziehbare Wertung erzielt werden. Bis heute wurde die- ins Leben zu rufen. Aber Komponisten ernster Musik wie ser Verteilungsplan immer weiter verfeinert. Auch die Richard Strauss, Eugen d’Albert, Engelbert Humperdinck kollektive Rechtewahrnehmung, das damals eingeführ- und Hans Sommer gaben zu bedenken, dass sich das te System der Berechtigungsverträge und Pauschalge- deutsche Musikleben von dem in Frankreich prinzipiell bühren, hat sich bis heute bewährt. unterscheide. Die rein wirtschaftliche Arbeitsweise der Komponisten und Verleger von Unterhaltungsmu- SACEM passe zur Vorherrschaft der Unterhaltungsmu- sik sahen sich durch das Punktesystem und den Vertei- sik in Frankreich, weniger dagegen zur Priorität ernster lungsplan der AFMA benachteiligt. Da für sie mehr als Musik in deutschen Konzerten. Eine pauschale Besteu- die geistige Leistung der durch Aufführungen erzielte erung der Konzerteinnahmen, so befürchtete man, wür- Umsatz zählte, gründeten sie 1915 eine eigene Tantie- de die Veranstalter vor geschützten zeitgenössischen menanstalt, die „Genossenschaft zur Verwertung musi- Werken zurückschrecken lassen. An deren Stelle wür- kalischer Aufführungsrechte“ (GEMA, heute „alte den noch mehr als bisher die Klassiker treten. GEMA“ genannt). Es verwundert nicht, dass es zu stän- Ein wichtiges Forum für solche Überlegungen war digen Konflikten zwischen beiden Gesellschaften kam. der Allgemeine Deutsche Musikverein. Hier diskutierte Angesichts der wirtschaftlichen Erfolge der GEMA, de- man verschiedene Modelle, wie das Aufführungsrecht ren Einkünfte die der AFMA rasch überflügelten, ver- vielmehr dazu benutzt werden könne, Aufführungen schärfte sich der Ton. In seinem Liedzyklus Krämerspie- neuer Musik zu fördern. So dachte man an eine Besteu- gel (nach Texten von Alfred Kerr) betonte Richard Strauss erung auch der älteren Werke, die dann den neuen Kom- 1918 noch einmal die Position der GDT, indem er sati- positionen zugute kommen sollte. Dazu sei allerdings risch zugespitzt die unterschiedlichen Interessen der eine Verlängerung der Schutzfrist unbedingt notwendig. Urheber und der Verleger gegenüberstellte. Immer Auch der verlegernahe Verein der Deutschen Musi- wieder gab es Einigungsversuche, die regelmäßig schei- kalienhändler wog die Vorteile und Nachteile von Auf- terten. Zu einer dauerhaften Lösung kam es erst im Sep- führungsgebühren ab. Im Schnellverfahren gründete er tember 1933, als Joseph Goebbels die Konkurrenten zur im Mai 1898 in Leipzig eine „Anstalt für musikalisches „Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung Aufführungsrecht“, die vor allem den Handel und die musikalischer Urheberrechte“ (Stagma) zusammenfass- Verleger begünstigte. Nachdem die Komponisten diesen te. Die neue Gesellschaft unterstand dem Propaganda- überraschenden Coup durchschaut hatten, forderten sie minister und hatte schon bald dessen judenfeindliche Partitur von „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss. Aus dem Buch „Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikali- eine eigene Tantiemenanstalt. Im Juli 1898 rief Richard Politik zu übernehmen. Nach dem „Anschluss“ Öster- sche Verwertungsgesellschaft in Deutschland“. ConBrio 2003 Strauss seine Kollegen in einem offenen Brief auf, sich reichs ging auch die dortige AKM in die reichsdeutsche bei der bevorstehenden Revision des Urhebergesetzes zu Stagma über. schon die AFMA ausgegangen war, entsprach der Auf- gestrichen. Die Ausrichtung an den kulturellen Werten, Wort melden. Die Leipziger Anstalt, die die Hälfte der Tan- Solange Richard Strauss Präsident der Reichsmu- fassung Adolf Hitlers. Während des Krieges aber siegte wie sie Richard Strauss und die Gründer der GDT ange- tiemen an die Verleger verteilte, sei untragbar. Vielmehr sikkammer war, waren die E-Musik-Komponisten im schließlich der Pragmatismus von Joseph Goebbels. strebt hatten, wich damit der Orientierung am wirt- sollten vor allem die Autoren, ohne die keine Musik exis- Vorteil. Denn die Stagma reservierte ein Drittel der Ein- Unterhaltungskomponisten hatten sich bei ihm darüber schaftlichen Erfolg. tieren würde, von den Aufführungstantiemen profitieren. künfte aus konzertmäßigen Aufführungen für sie, die- beklagt, dass sie mit ihren höheren Einkünften die erns- Im Krieg steigerten sich die Einnahmen noch, was Interesse und Solidarität der Komponisten wuchsen. ses „Ernste Drittel“ sollte ihnen eine Existenzgrundla- te Musik alimentierten. Auf Weisung des Propaganda- auch mit Gebietsgewinnen zusammenhing. So konnte Sie erkannten, dass sie nur dann ihr Recht erhalten ge bieten. Die höhere Bewertung der E-Musik, von der ministers wurde daraufhin 1940 das „Ernste Drittel“ die Stagma neue Bezirksleitungen in Straßburg, Posen und Krakau einrichten. 1943 betrugen ihre Einkünfte stattliche 16 Millionen Reichsmark. Im Februar 1945 wurde das Gebäude, wohin die Verwertungsgesellschaft während des Krieges ausgelagert war, bei einem Bom- benangriff total zerstört. Dennoch konnte die Stagma 1947 fast bruchlos in eine neue Gesellschaft überge- führt werden, die wiederum eine Monopolstellung be- saß und sich GEMA nannte. Die Abkürzung besaß nunmehr allerdings eine erweiterte Bedeutung: „Gesell- schaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“. Schon die Stagma hatte seit 1938 auch die so genannten mechanischen Rechte, die Rechte an Tonaufnahmen, vertreten. Seitdem tragen Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen ebenso zu den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft bei. Platten- hersteller haben an sie etwa zehn Prozent der Lizenz- basis eines Tonträgers für die mechanische Vervielfälti- gung abzuführen. Der fließende Übergang von der NS-Zeit zur bun- desrepublikanischen Wirklichkeit verdankte sich dem taktischen Geschick des ehemaligen Stagma-Mitarbei- ters und neuen GEMA-Generaldirektors Erich Schulze. Wegen der Berliner Blockade verlagerte er den Haupt- sitz der Gesellschaft nach München. Schulze bemühte sich andererseits um ein sachliches Verhältnis zur 1951 in der DDR entstandenen AWA (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte). Unter seiner Führung beteilig- te sich die GEMA maßgeblich an der Weiterentwicklung des Urheberrechts, vor allem des „Gesetzes über Urhe- berrecht und verwandte Schutzrechte“ vom 9. Septem- ber 1965, kurz Urheberrechtsgesetz (UrhRG). Es diente der „Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes“ und verpflichtete die Verwertungs- gesellschaften – wie dies schon für die Genossenschaft deutscher Tonsetzer und die AFMA gegolten hatte – zu einer Abgabe für kulturelle und soziale Zwecke. Als Schulze im Dezember 1989 nach 40-jähriger Tä- tigkeit als GEMA-Generaldirektor in den Ruhestand ging, hatte sich mit dem Fall der Mauer die politische Situation in Deutschland erneut verändert. Diesen Veränderungen trug sein Nachfolger Reinhold Kreile Rechnung. Er be-

Gebäude der GVL in Berlin. Foto: GVL Weiter auf Seite 4 Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 4

Fortsetzung von Seite 3 zum Sozialversicherungsrecht, zur Kulturpolitik und zur Entwicklung des Leistungsschutzrechts beitragen. Ge- Solidargemeinschaften schäftsführer Hermann Voss war in allen diesen Berei- chen aktiv. Er begründete die Zeitschrift „Das Orches- mühte sich um eine gerechte Einbindung der ostdeut- ter“, deren Schriftleiter er bis 1976 war, und gehörte zu schen Autoren und setzte den wirtschaftlichen Trends der den Vätern des Freiburger Tarifvertrages, der die Vergü- Zeit den kulturellen und sozialen Auftrag der GEMA tung der Musiker an den Gehaltsbewegungen im öffent- entgegen, der Gründungsidee von 1903 folgend. Die Ver- lichen Dienst orientierte. Schließlich war es auch sei- wertungsgesellschaft mit dem Pegasus als Symbolfigur nem Engagement zu verdanken, dass im März 1959 im vertritt in Deutschland heute das gesamte Weltrepertoire Zusammenwirken mit dem Verband der Tonträgerfirmen der urheberrechtlich geschützten Musik und gehört mit (IFPI) in Köln die „Gesellschaft zur Verwertung von Leis- über 60.000 Mitgliedern und Erträgen von zuletzt 874 tungsschutzrechten mbh“ (GVL) ins Leben gerufen wur- Millionen Euro weltweit zu den führenden Verwertungs- de. Es war eine Pioniertat, gab es doch in keinem ande- gesellschaften. Maßstäbe setzen auch ihre kulturpoliti- ren Land Vergleichbares. Die Gründung erfolgte in Er- schen Impulse. Nicht zufällig war bis zu diesem Sommer wartung eines bis dahin noch fehlenden Gesetzes. Aber der Komponist Christian Bruhn zugleich Vorsitzender des der Optimismus sollte sich lohnen: Als 1965 das neue GEMA-Aufsichtsrats und Präsident der CISAC (Confédé- Urheberrechtsgesetz verabschiedet wurde, schloss es ration internationale des Sociétés d’Auteurs et Composi- erstmalig auch den Leistungsschutz der ausübenden teurs), des internationalen Netzwerks der Urheberrechts- Künstler mit ein. Seitdem besitzen deutsche Interpreten gesellschaften, zu dem 217 Autorenverbände aus 114 eine herausragende urheberrechtliche Position: Der Ge- Ländern gehören. Beim Brüsseler Urheberrechtsgipfel der setzgeber gibt ihnen für die Dauer von 50 Jahren nach CISAC hob Bruhn am 30. Mai 2007 hervor: „Die Arbeit der Aufführung oder Aufzeichnung das Recht der Ver- der Autoren bildet die Quelle der Wertschöpfungskette. vielfältigung und Verbreitung von Vervielfältigungsstü- Ohne diese Arbeit gibt es keine Kreativwirtschaft, keine cken sowie deren öffentlicher Wiedergabe oder des Internetgeschäfte und keine Downloads.“ Obwohl der Weitersendens. Sie erhalten damit auch das Recht, be- Einfluss der E-Komponisten in der GEMA seit 1903 er- stimmte Nutzungen zu verbieten. Ähnlich wie den Ur- heblich gesunken ist, gilt der kulturelle Auftrag, dem sie hebern, wie Komponisten und Autoren, wird den ausü- ihre Berechtigung verdankt, unverändert. benden Künstlern damit die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen eine Entstellung ihrer Leistungen zu wehren. Leistungsschutzrechte – die GVL Es gab neben Zustimmung auch starken Widerstand gegen die neue Regelung, die bis heute nicht in allen Das Urheberrechtsgesetz von 1965 erwähnte neben den Ländern existiert. Verwerter wie die Rundfunkanstalten Rechten des Urhebers verwandte Schutzrechte, die es wollten nicht einsehen, warum sie für eine Musikein- als Leistungsschutz- oder Nachbarrechte bezeichnete. spielung, die sie bei der Produktion bereits honoriert Es schützt damit auch solche Leistungen, die nicht eine hatten, bei der Wiederholung erneut zahlen mussten. persönlich-geistige Schöpfung darstellen wie etwa eine Die GVL musste deshalb mehrere Zivilprozesse führen. musikalische Komposition, aber dennoch als schützens- Aber auch Komponisten fürchteten, die neue Regelung wert betrachtet werden. Dazu gehören die Leistungen könne dazu führen, dass ihre Werke weniger oft gespielt der ausübenden Künstler. Bereits seit 1910 genossen würden. Gebäude der VG WORT in München. Foto: Reiner Roos sie einen ähnlichen Urheberschutz wie Bearbeiter, ob- Inzwischen nimmt die GVL die Zweitverwertungs- wohl ein Komponist wie Hans Pfitzner dies für abwegig rechte nicht nur der ausübenden Künstler und der Ton- wendigen Außendienst ersparen. Da sie neben den bei- frühesten Verwertungsgesellschaften nicht der Litera- hielt: „Der schöpferische Interpret ist ein Widerspruch trägerhersteller wahr, sondern auch der Videoproduzen- den Geschäftsführern nur 35 Angestellte beschäftigt, ist tur gewidmet, sondern der Musik. Zur 1851 gegründe- in sich.“ Dieser Schutz kam in der Regel allerdings nur ten und Filmhersteller. Bei Tonträgersendungen der öf- der Verwaltungsanteil an den Kosten relativ gering. ten SACEM gehörten allerdings bereits Textdichter, die den Tonträgerherstellern und nicht den Künstlern zugute. fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Ver- Obwohl Mitglieder der Deutsche Orchestervereini- aber nur dann Tantiemen erhielten, wenn Musikstücke (Nicht anders hatten Jahrzehnte zuvor überwiegend die bände der privaten Sender schließt sie selbst die Verträ- gung unter den Wahrnehmungsberechtigten der GVL mit ihren Texten aufgeführt wurden. Diese Regelung gilt Verleger die Aufführungsrechte der Komponisten für sich ge und nimmt das Inkasso vor. Bei der sonstigen öffent- niemals die Mehrheit repräsentierten, waren beide Ver- in der GEMA bis heute. Autoren von Bühnentexten, so in Anspruch genommen.) lichen Wiedergabe von Tonträgern und Sendungen ge- bände von Beginn an eng miteinander verbunden (ähn- genannte „Dramatiker“, hatten sich schon 1871 in der Die 1952 in Düsseldorf gegründete Deutsche Orches- schieht dies durch die GEMA, die ohnehin für die Erst- lich wie zuvor die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer „Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponis- tervereinigung (DOV) hat sich von Beginn an solchen verwertung der mechanischen Vervielfältigungsrechte und ihre Tantiemenanstalt). Hermann Voss leitete DOV ten“ zusammengetan, um ihre Rechte zu erkämpfen. Fragen gewidmet. Sie wollte nicht nur eine Orchester- Gebühren erhebt. Für die GVL bedeutet dies einen er- und GVL von Düsseldorf aus, bis ihm 1976 der Urheber- Autoren anderer, nicht mit Musik verbundener literari- gewerkschaft sein, sondern neben der Tarifpolitik auch heblichen Vorteil, kann sie sich doch dadurch einen auf- rechtsanwalt Peter Girth nachfolgte. Da dieser schon scher Texte konnten dagegen vor der Entstehung des nach zwei Jahren die Intendanz des Berliner Philharmo- Rundfunks kaum Aufführungen oder sonstige Zweitnut- nischen Orchesters übernahm, wurde 1978 Rolf Dünn- zungen nachweisen, die sie hätten auswerten können. wald Geschäftsführer beider Verbände. Im Jahr 1982 zog Da erst das Radio neue Verwertungsmöglichkeiten schuf, die DOV zusammen mit der GVL von Düsseldorf nach gilt die 1926 gegründete „Gesellschaft für Senderechte Hamburg, dem damals wichtigsten Standort der deut- mbH“ als erste Verwertungsgesellschaft für literarische schen Musikindustrie. Gegen Ende des Jahres 2000 Urheberrechte. schied Dünnwald aus Altersgründen aus seinen Ämtern Anlass war Hugo von Hofmannsthals Einakter Der aus, womit zugleich die bisherige Personalunion in der Tor und der Tod, der ohne Genehmigung des Autors im Geschäftsführung endete. Zum Geschäftsführer der Or- Rundfunk gesendet worden war. Der durch seine Auto- chestervereinigung wurde Gerald Mertens gewählt. Die rengesellschaft vertretene Schriftsteller war vor Gericht Nachfolge Rolf Dünnwalds als Geschäftsführer der GVL gegangen und hatte Recht bekommen: am 12. Mai 1926 trat Tilo Gerlach an. entschied das Reichsgericht, dass die Sendung eines Nach der deutschen Wiedervereinigung traten die Sprachwerkes ohne Genehmigung gegen das ausschließ- ausübenden Musiker der ehemaligen DDR der Orches- liche Recht des Autors zur gewerbsmäßigen Verbreitung tervereinigung und der GVL bei. Es folgte 2003 der seines Werkes verstößt. Auf der Grundlage dieser Ent- Umzug beider Verbände (wie auch von Teilen der Mu- scheidung gründeten die Autoren und Verleger drama- sikindustrie sowie des Spitzenverbandes der phonogra- tischer Werke als Kontroll- und Inkassoinstitut die „Zen- phischen Wirtschaft) von Hamburg nach Berlin. Der tralstelle der Bühnenautoren und Bühnenverleger“, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrech- Autoren und Verleger nichtdramatischer Werke die schon ten gehören heute fast 120.000 ausübende Künstler und erwähnte „Gesellschaft für Senderechte mbH“. Sie über 6000 Tonträgerhersteller an. Der Zuwachs an Be- brachten die jeweiligen Senderechte in diese Gesell- zugsberechtigten führte zu einer Steigerung der Einnah- schaften ein, die daraufhin mit der Reichsrundfunkge- men, von 134 Mio. Euro im Jahr 2001 auf zuletzt (2006) sellschaft eine „Generallizenz“ gegen eine entsprechen- 163 Millionen. Die GVL ist damit international ebenso de Vergütung vereinbarten. Die gesendeten literarischen führend wie in ihrem Bereich die GEMA. Den größten Werke wurden nach Zeilen verrechnet und nach Abzug Anteil an ihren Einnahmen machen die Sendevergütun- einer Inkassogebühr von 30 % an Autoren (45 %) und gen für Tonträger aus, gefolgt von der Vergütung für die Verleger (25 %) verteilt. öffentliche Wiedergabe. Rückläufig sind dagegen die Im Dritten Reich wurde die privatrechtliche „Gesell- Einnahmen aus der Vervielfältigung zum privaten Ge- schaft für Senderechte“ aufgelöst und durch den „Deut- brauch, die von der ZPÜ (Zentralstelle für private Über- schen Verein zur Verwertung von Urheberrechten an spielungsrechte) eingezogen werden. Die Einnahmen Werken des Schrifttums“ ersetzt. Erst 1947 entstand in werden zu gleichen Teilen an die Künstler und Herstel- Berlin wieder eine „Zentralstelle für Senderechte mbH“, ler verteilt. Die Verteilung erfolgt dabei nicht nach Sen- die jedoch in den Westzonen keine Aktivitäten entfalte- deminuten, wie in anderen Ländern, sondern entspre- te. Nachdem dort die Verwertung literarischer Werke chend der Honorierung der Erstauswertung. Entschei- lange brachgelegen hatte, gründeten die Autoren im Jahr dend ist damit nicht die künstlerische Leistung, um de- 1955 zu diesem Zweck gleich zwei Gesellschaften. In ren Bewertung sich die GEMA bemüht, sondern der Hannover entstand die „Gesellschaft zur Wahrung lite- Marktwert des jeweiligen Interpreten. rarischer Urheberrechte mbh“ (GELU) und in München Entsprechend dem Gesetz war bei der Gründung der als ausdrückliche Gegengründung die „Verwertungsge- AFMA beschlossen worden, zehn Prozent ihrer jährli- sellschaft für literarische Urheberrechte“ (VLU). Ange- chen Ausschüttungssumme für soziale, kulturelle und sichts der Streitigkeiten zwischen beiden Gesellschaf- kulturpolitische Zwecke zu verwenden. Inzwischen ist ten, an denen Verleger nicht beteiligt waren, wurde am dieser Anteil bei allen Verwertungsgesellschaften nied- 17. Februar 1958 in München die „Verwertungsgesell- riger. Bei der GVL beträgt er bis zu fünf Prozent und schaft WORT“ gegründet. Ihr Ziel war es, die widerstre- wird vor allem für den künstlerischen Nachwuchs ver- benden Gruppen zusammenzufassen und auch Verleger wendet. Gefördert werden auch die Arbeitsphasen der ins Boot zu holen. Entsprechend zählten zu den 13 Grün- Jungen Deutschen Philharmonie und Projekte wie das dungsmitgliedern der VG WORT acht Schriftsteller und Konzert des Deutschen Musikrats. fünf Verleger. Nachdem die GELU schon im September 1958 in Konkurs gegangen war, blieb noch die VLU, die Literarische Urheberrechte – die VG Wort sich erst nach jahrelangen Verhandlungen auflöste und ihren Mitgliedern den Beitritt zur VG WORT empfahl. Die Allgemeine Musikzeitung behandelt in ihrer Ausgabe vom 15.11.1895 die Frage des musikalischen Urheberrechts. Obwohl der Theaterautor Beaumarchais zu den Pionie- Aus dem Buch „Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikalische Verwertungsgesellschaft in Deutschland“. ConBrio 2003 ren des künstlerischen Urheberrechts gehörte, waren die Weiter auf Seite 5 Verwertungsgesellschaften – Geschichte politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 5

Fortsetzung von Seite 4 schäftsjahr 2006 sanken die Einnahmen auf 86 Mio. Euro, was nicht zuletzt an geringeren Einkünften aus der Ko- Die Verwertungsgesellschaft WORT wollte Rechtsansprü- piergeräteabgabe lag. Leider führten die aufwändigen che bei der öffentlichen Wiedergabe im Rundfunk, bei Musterprozesse, welche die VG WORT in der Frage der der Vervielfältigung durch privates Überspielen von Ton- digitalen Vervielfältigungsgeräte führte, noch zu keinen trägern, bei der Filmvorführung, bei Verwendung in Leih- greifbaren Ergebnissen. Da zugleich die Zahl der Aus- büchereien und im öffentlichen Vortrag durchsetzen, was schüttungsempfänger auf einen neuen Höchststand angesichts der mangelnden gesetzlichen Grundlagen stieg, erhielten diese im Allgemeinen weniger als in den zunächst Schwierigkeiten bereitete. Problematisch war Jahren zuvor. auch, dass die Gesellschaft noch 1962 nur 430 Wahr- nehmungsberechtigte vertrat. Nachdem die ersten Jah- Diverse Bildrechte – die VG BILD-KUNST re fast ohne jede Einkünfte geblieben waren, brachte 1963 der Beitritt zu der von GEMA und GVL gegründe- Zu den jüngsten Verwertungsgesellschaften gehört die ten „Zentralstelle für private Überspielungsrechte“ VG BILD-KUNST, die bildende Künstler im März 1968 in (ZPÜ) einen ersten Aufschwung – die VG WORT war nun Frankfurt am Main als wirtschaftlichen Verein ins Leben beteiligt am Inkasso der Gebühren für die private Über- riefen. Nach dem Vorbild der Musikschaffenden und der spielung mittels Tonbandgeräten. 1966 betrugen ihre literarischen Autoren wollten nun auch sie ihre urhe- Einkünfte aus der Geräteabgabe bereits 640.000 DM, berrechtlichen Interessen wahrnehmen. Ihr Ausgangs- was ihr erstmals einen wirtschaftlichen Betrieb ermög- punkt war das so genannte Folgerecht. Es verpflichtete lichte. im Urheberrechtsgesetz von 1965 Galeristen und Auk- Ein weiterer Zuwachs der Einnahmen erfolgte, nach- tionäre, bei Weiterverkäufen von Kunstwerken ein Pro- dem 1967 ein Vertrag mit der „Vereinigung der Musik- zent der Erlöse an die Urheber oder ihre Erben zu zah- veranstalter e.V.“ abgeschlossen war, durch den Rechte len. Die Künstler, die ja ihre Werke nur einmal verkau- der öffentlichen Wiedergabe abgegolten wurden. Seit- fen können, waren damit an den Wertsteigerungen im dem waren die Gaststättenbetriebe verpflichtet, zwan- Kunstmarkt beteiligt. Die neue „Bild-Kunst Gesellschaft zig Prozent der an die GEMA zu zahlenden Vergütun- zur Wahrnehmung und Verwertung der Rechte und An- gen an die VG WORT zu entrichten. Noch positiver schlug sprüche bildender Künstler“ setzte sich zum Ziel, diese für die literarischen Autoren die so genannte kleine Ur- Regelung durchzusetzen und zu verbessern. Viele Künst- heberrechtsreform von 1972 zu Buche, brachte sie ih- lerkollegen reagierten auf entsprechende Rundschrei- nen doch die Bibliothekstantieme, die nach den Leihbü- ben positiv. Beim Frankfurter Künstlerkongress des Be- chereien nun auch sämtliche öffentliche Büchereien zu rufsverbandes Bildender Künstler im Juni 1971 bestä- entrichten hatten. Im Juni 1975 wurde ein entsprechen- tigten sie dies Interesse. der Pauschalvertrag mit Bund und Ländern geschlos- Widerstand kam dagegen vom Kunsthandel. Dieser sen, wodurch sich das bisherige Aufkommen der Ver- nahm noch zu, als die Urheberrechtsnovelle von 1972 wertungsgesellschaft verdoppelte. den Abgabesatz auf fünf Prozent erhöhte und den Händ- Neue Technologien führen zu neuen Verwertungs- lern außerdem strengere Auskunftsverpflichtungen auf- arten. So ermöglicht der Fotokopierer bequeme Verviel- erlegte. Einzelne Galeristen drohten Künstlern, die sich fältigungen aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. der neuen Verwertungsgesellschaft angeschlossen hat- Um Bücher vor dem unberechtigten Kopieren zu schüt- ten, sie nicht mehr zu vertreten. Einige prominente Mit- zen, führte der Börsenverein des Deutschen Buchhan- glieder ließen sich durch solche Drohungen zum Aus- dels 1955 einen Musterprozess vor dem Bundesgerichts- tritt bewegen. Dagegen protestierten Künstler wie Ger- hof. Auf der Grundlage der dort gefällten Entscheidung hard Richter aus anderen Gründen gegen das neue Ge- schloss der Börsenverein mit dem Bundesverband der setz. Richter hatte pauschale Abgaben gewünscht, wo- Deutschen Industrie ein Abkommen; der BDI verpflich- mit man auch jüngere Kollegen hätte fördern können. tete sich darin, für die in gewerblichen Unternehmen Dem stand das deutsche Urheberrecht entgegen, das aus wissenschaftlichen und Fachzeitschriften hergestell- nur individuelle Vergütungen erlaubte. ten Kopien eine Vergütung zu zahlen. Die zunächst ein- Die ersten Jahre waren magere Jahre. Der Verein gerichtete „Inkassostelle für Fotokopiergebühren“ wur- hatte seinen Sitz in der Wohnung des Frankfurter Ma- de nach dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes lers und Grafikers Paul Rötger und wuchs nur langsam. von 1965 in eine selbständige „Inkassostelle für urhe- Ende 1969 umfasste er 26 Mitglieder. Es gab noch kei- berrechtliche Vervielfältigungsgebühren GmbH“ umge- nerlei Einnahmen, dagegen Kosten, die durch einen Kre- wandelt. Diese wurde 1972, nach der Einführung der dit gedeckt werden mussten. Aber die Mitgliederzahl Bibliothekstantieme, zur Keimzelle der „Verwertungs- erhöhte sich auf ca. 2.000, als 1974 auch andere Bildur- gesellschaft Wissenschaft GmbH“. Die Bibliothekstan- heber wie Illustratoren, Fotografen, Grafikdesigner und tieme erforderte eine enge Zusammenarbeit mit der VG Bildagenturen hinzukamen. Sie gründeten in der VG WORT, was 1978 zur Verschmelzung beider Verwertungs- BILD-KUNST ihre eigene Berufsgruppe, die sich vor al- gesellschaften am Standort München führte. lem auf die zwei Jahre zuvor eingeführte Bibliotheks- Mehr als 340.000 Autoren und Übersetzer von tantieme konzentrierte. Dazu wurde 1975 ein Koopera- Gebäude der VG BILD-KUNST in Bonn. Foto: Hanno Thon schöngeistigen und dramatischen, journalistischen und tionsvertrag mit der VG WORT geschlossen. Die Einkünfte wissenschaftlichen Texten sowie über 8.000 Verlage aus der Bibliothekstantieme verbesserten endlich die an- der Bibliothekstantieme entstammte, mehr als 590.000 Mit den anderen deutschen Verwertungsgesellschaften haben bis heute Wahrnehmungsverträge mit der VG Wort gespannte Finanzlage der Verwertungsgesellschaft. Sie für Verwaltungskosten verwendet. Angesichts negativer arbeitet die VG BILD-KUNST eng zusammen. So verwal- abgeschlossen. Diese konnte im Jahr 2005 Einnahmen konnte Büros in München und Frankfurt eröffnen und Pressemeldungen stieg die Mitgliederzahl zunächst nur tet sie die Bibliothekstantieme in einer gemeinsam mit von rund 91 Millionen Euro erzielen. Rund 35 % davon damit beginnen, die Rechte ihrer Mitglieder auch ge- langsam (1978 auf 2.700, 1980 auf 3.400). Die Vorstel- der VG WORT und der GEMA gegründeten Zentralstelle. stammten aus der Kopiergeräteabgabe, 24 % von Rund- genüber Verlagen zu vertreten. lung, dass eine kollektive Wahrnehmung von Rechten Fast vierzig Jahre nach ihrer Gründung ist sie auf heute funk- und Fernsehsendern. Nach Abzug der Verwaltungs- Gegner der VG BILD-KUNST hielten dieser ihre un- sinnvoll sein könne, war den bildenden Künstlern au- ca. 39.000 Mitglieder angewachsen; seit 1985 gehören kosten, die 2005 bei 7 % lagen (2006 bei 8,95 %) wur- wirtschaftliche Arbeitsweise vor. Tatsächlich wurden ßerdem damals meist noch fremd. Eher tendierten sie zu ihr auch Szenenbildner, Kostümbildner und Filmar- den insgesamt 84 Mio. Euro ausgeschüttet. Im Ge- 1978 von den Erträgen von 838.000 DM, die vor allem dazu, die Verbreitung von Abbildungen ihrer Werke als chitekten. Im zurückliegenden Jahr 2006 betrug die Ge- Werbung anzusehen. Ähnlich wie zu den Gründungs- samtsumme ihrer Erlöse ca. 43,5 Millionen Euro, wobei zeiten der musikalischen Verwertungsgesellschaften, als die Videogeräte- und Leerkassettenabgabe einen Anteil Komponisten von den neuen Gebühren sinkende Auf- in Höhe von ca. 15 Mio. ausmacht, gefolgt von den Fo- führungszahlen befürchteten, meinten auch viele Bild- tokopiervergütungen (ca. 11,3 Mio.). Für Reproduktions- urheber, die neuen Geldforderungen würden die Verbrei- rechte in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern wurden tung ihrer Werke behindern. 3,9 Mio. Euro eingenommen, für die Folgerechte bilden- Zu den Gegnern der Verwertungsgesellschaft hat- der Künstler ca. 3,6 Mio. und für die Bibliothekstantie- ten neben den Galeristen zunächst auch die Verleger me etwa 380.000. Davon abzuziehen sind die Verwal- gehört. Aber schon 1977 kam es zu einer ersten Koope- tungskosten, die inzwischen bei einem mit anderen Ver- ration mit dem Börsenverein der Deutschen Buchhan- wertungsgesellschaften vergleichbaren Durchschnitt von dels. Bald erkannte man, dass die kollektive Wahrneh- 7-10 % liegen. mung von Bildrechten beiden Seiten Vorteile brachte. Für kulturelle und soziale Zwecke behielt die VG BILD- Ab 1982 wurden auch Filmurheber und Filmproduzen- KUNST zuletzt ca. 1 Mio. Euro ein, die fast ausschließlich ten in die VG aufgenommen, die dort eine dritte Berufs- der Stiftung Kunstfonds zugute kommen. Die Stiftung gruppe bildeten. Ihr Interesse entsprang aus der rapi- vergibt seit 1990 den HAP-Grieshaber-Preis, benannt den Zunahme privater Nutzungen durch Tonkassetten nach dem Grafiker, der sich besondere Verdienste um und Videogeräte. Aber auch bei anderen Gruppen der die Entwicklung der Verwertungsgesellschaft erwarb. bildenden Künstler führten neue Reproduktions- und Aus ähnlichen Gründen verleiht die GEMA die Richard- Vorführungstechniken zu einer Vergrößerung des Ver- Strauss-Medaille und die GVL einen Hermann-Voss-Kul- wertungsspektrums. turpreis. Trotz dieser Ausweitung ihres Aufgabenbereichs be- Wie für die anderen Verwertungsgesellschaften ist mühte sich die VG BILD-KUNST um eine schlankere Or- auch für die VG BILD-KUNST die Zusammenarbeit mit ganisationsstruktur, um die zunächst noch sehr hohen den internationalen Schwestergesellschaften selbstver- Kosten zu reduzieren. Die Verwaltung wurde vereinheit- ständlich. Schon 1973 war ein Gegenseitigkeitsvertrag licht und rationalisiert, dabei 1986 die Geschäftsstelle mit der französischen SPADEM zustande gekommen. weitgehend von München nach Bonn verlagert. Zu den Die zunehmend multimediale Nutzung erfordert au- treibenden Kräften dieser Reform gehörte Gerhard Pfen- ßerdem eine Zusammenarbeit von Autoren der ver- nig, der Bundesgeschäftsführer des Berufsverbandes schiedenen Sparten als Gegengewicht gegen die wirt- Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), der seit schaftlich weiterhin übermächtige Verwertungsindus- 1982 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG trie. Dem entspricht der Schulterschluss der Verwer- BILD-KUNST ist und diese Position bis heute mit großer tungsgesellschaften, um auf nationaler wie europäischer Sachkenntnis bekleidet. Seit 1995 ist die Bonner Haupt- Ebene die Rechte der Urheber abzusichern und weiter verwaltung mit ca. 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbei- zu entwickeln. tern im dortigen „Haus für Kultur“ untergebracht. Daneben verfügt die Verwertungsgesellschaft über ein DER VERFASSER LEBT ALS MUSIKWISSENSCHAFTLER Büro in Berlin; es sind die ehemaligen Räume des DDR- UND PUBLIZIST IN BERLIN UND HAT ZULETZT EINE GE- Karikatur: Dieko Müller eigenen „Büros für Urheberrechte“. SCHICHTE DER GEMA VERFASST Verwertungsgesellschaften – was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 6

Statements Keine normalen Unternehmen KLAUS-MICHAEL KARNSTEDT, MITGLIED IM AUF- Verwertungsgesellschaften I Von Gabriele Schulz SICHTSRAT DER GEMA: „Es liegt mir sehr am Herzen, mit dazu beizutragen, Die Verwertungsgesellschaften haben – wie Albrecht das Inkasso der GEMA zu stärken und in einigen Dümling in diesem Dossier dargestellt hat – zumeist eine Bereichen zu verbessern. Dieses betrifft auch die wechselvolle Geschichte hinter sich. Dass aller Anfang Tarifgestaltung im Bereich des mechanischen schwer ist, zeigt sich auch in ihrer Historie. Es galt Was tun Verwertungsgesellschaften? Rechts sowie die des gesamten Online-Geschäfts. zunächst die Urheber und andere Rechteinhaber „unter Ferner setze ich mich dafür ein, dass das internatio- einen Hut zu bringen“, eine Satzung zu entwickeln, die Was machen eigentlich Verwertungsgesellschaften? ten? Wie werden die Einnahmen verteilt? Wer enga- nale Erscheinungsbild der GEMA weiterhin Gremien zu bilden und schließlich musste das Inkasso Sind sie Unternehmen der Kulturwirtschaft? Gehören giert sich in Verwertungsgesellschaften? Und warum gepflegt und gegebenenfalls verbessert wird, gelingen. Die meisten Verwertungsgesellschaften krank- sie auf Grund ihres Umsatzes zu den großen Playern sind sie bereit dieses Ehrenamt zu übernehmen? Mit damit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ten zunächst an letzterem. Diese Anfangsprobleme sind im Kulturbereich und haben daher eine starke Positi- diesen Fragen befasst sich Gabriele Schulz im folgen- anderen Verwertungsgesellschaften garantiert jedoch längst überwunden. Die Verwertungsgesellschaf- on, oder sind sie eigentlichen sozialen und kulturellen den Kapitel. Mitglieder der gewählten Aufsichtsgre- bleibt und darüber hinaus die Transparenz der ten sind innerlich gefestigt. Die von ihnen wahrgenom- Zielen verpflichtet? Wer kann Mitglied einer Verwer- mien geben in Kurzstatements Auskunft, warum sie GEMA nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch menen Rechte werden im Urheberrecht benannt und im tungsgesellschaft werden? Besteht die Möglichkeit für sich dort engagieren. für die internationalen Autoren und Verleger Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ist die Aufsicht über jeden oder gibt es Abstufungen zwischen ordentlichen erhalten bleibt.“ die Verwertungsgesellschaften geregelt. Hier ist auch Mitgliedern und einfachen Wahrnehmungsberechtig- DIE REDAKTION festgelegt, dass ein Teil der Erlöse für soziale und kultu- relle Zwecke verwandt werden muss. Verwertungsgesellschaften verbieten also eine Gewinn- hen von Vervielfältigungsstücken. erwertungsgesellschaften bewegen sich also weder orientierung der Verwertungsgesellschaft. Grob gespro- Treuhänderisch nehmen die Verwertungsgesellschaften V im rechtsfreien Raum noch können sie nach Gut- chen gilt folgendes Prinzip: die Einnahmen werden ab- folgende Aufgaben wahr: dünken handeln. Ganz im Gegenteil, der vom Deutschen züglich der Verwaltungskosten und der Ausgaben für so- · Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Wiederga- Patent- und Markenamt wahrgenommenen Aufsicht ziale und kulturelle Zwecke an die Wahrnehmungsbe- be von Bildtonträgern, werden durch das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz rechtigten verteilt. Die erzielten Einnahmen werden also · Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Wiederga- Befugnisse erteilt, um die Arbeit der Verwertungsgesell- nicht gewinnbringend angelegt, in Aktien investiert oder be von Funksendungen. schaften effektiv zu kontrollieren. Dieses ist auch rich- ähnliches. Dieses ist ein wesentlicher Unterschied zu Die GEMA nimmt weiter die Vergütungsansprüche tig so, denn die jeweiligen Verwertungsgesellschaften normalen Unternehmen. Verwertungsgesellschaften aus der öffentlichen Aufführung von Musik wahr. Hierzu bilden de facto ein Monopol. Neben der staatlichen können sich daher an Projekten wie z.B. der Initiative steht in § 13a Urheberrechtswahrnehmungsgesetz: „(1) Aufsicht, der die Jahresabschlüsse, die Tarife, die Be- Musik nur im Rahmen ihrer kulturellen Zwecke enga- Veranstalter von öffentlichen Wiedergaben urheber- schlüsse der gewählten Gremien und die Satzungsän- gieren. Dabei handelt es sich dann um kein Engagement rechtlich geschützter Werke haben vor der Veranstal- derungen unverzüglich mitgeteilt werden müssen, be- der Musikwirtschaft, sondern um eine Beteiligung der tung die Einwilligung der Verwertungsgesellschaft ein- aufsichtigen die gewählten Gremien die Verwertungs- Urheber an diesem Vorhaben, denn sie müssen für die zuholen, welche die Nutzungsrechte an diesen Werken gesellschaften. Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen sozialen und wahrnimmt.“ Bei Live-Aufführungen von Musik ist die Klaus-Michael Karnstedt. Foto: GEMA Verwertungsgesellschaften sind Selbstorganisatio- kulturellen Zwecke auf einen Teil ihrer Vergütungen ver- GEMA allein zuständig, bei der Wiedergabe von Musik nen der Urheber und der Rechteinhaber. Die Delegier- zichten. auf Tonträgern erhalten die ausübenden Künstler eine WOLFGANG DICK, MITGLIED IM VERWALTUNGS- ten der Urheber und Rechteinhaber legen die Satzung Vergütung. Zuständige Verwertungsgesellschaft ist die RAT DER VG WORT: fest, sie bestimmen über die Tarife und sie entscheiden Wahrgenommene Rechte GVL. Das Inkasso wird im Auftrag der GVL von der GEMA Zu den traditionellen, vor allem auf dem Gutenberg- über die Verteilungspläne. Die Vorstände oder geschäfts- erledigt. Medium Druck basierenden Nutzungsarten von führenden Vorstandsmitglieder müssen mit den gewähl- Die Verwertungsgesellschaften nehmen vor allem die Bei der öffentlichen Aufführung von Musik wird Texten sind in den letzten Jahrzehnten neue, vor ten Gremien eng zusammenarbeiten. Bereits auf Grund gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber, Leis- besonders anschaulich, wie wichtig Verwertungsgesell- allem elektronische Nutzungsarten hinzugekom- ihrer Rechtsform unterscheiden sich viele Verwertungs- tungsschutzberechtigten und anderen Rechteinhaber schaften sind. Es ist weder dem Urheber noch dem Nut- men. So erfreulich dies ist, so dringlich ist es, dafür gesellschaften von „normalen“ Unternehmen. Noch wahr. Das sind zum Beispiel: zer urheberrechtlich geschützter Werke möglich, jede klare Regelungen im Urheberrecht zu schaffen und mehr gilt dies bezüglich der internen und externen Kon- · Vergütungsansprüche aus der Vervielfältigung zum pri- Nutzung nach zu halten. Man stelle sich vor, jeder Nut- in der Praxis durchzusetzen. Wie üblich gibt es auch trollen. vaten Gebrauch in Form der Geräte- und Speicherme- zer urheberrechtlich geschützter Werke müsste zuvor dazu gegensätzliche Positionen. Dem Schutzbedürf- Und noch ein weiteres Unterscheidungskriterium dienabgabe sowie der Fotokopierabgabe, beim Komponisten und beim Textdichter die Erlaubnis nis von Autoren und Verlegern stehen die Interes- darf nicht außer Acht gelassen werden. Verwertungsge- · Vergütungsansprüche aus der Kabelweitersendung, zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes einho- sen z. B. der Geräteindustrie gegenüber. Gefahr sellschaften sind sozialen und kulturellen Zwecken per · Vergütungsansprüche aus der Herstellung von Pres- len und einzeln mit ihm abrechnen. Hält man sich die- droht auch von der durch das Internet hergestellten Gesetz verpflichtet. Diesem gesetzlichen Auftrag wird sespiegeln, ses vor Augen, wird deutlich, dass die kollektive Rech- Globalisierung. Ohne wirksamen nationalen und in den Satzungen und in der Praxis entsprochen. · Vergütungsansprüche aus der öffentlichen Zugänglich- tewahrnehmung eine deutliche Vereinfachung und we- internationalen Schutz und ohne angemessene machung für Unterricht und Forschung, Entlohnung von Autoren und Wahrnehmungsberech- Rechtsformen · Vergütungsansprüche aus dem Vermieten und Verlei- Weiter auf Seite 7 tigten sind Bildung und Information auf höchstem Niveau und in Freiheit gefährdet. Deshalb engagiere Die Verwertungsgesellschaften GEMA, VG BILD-KUNST ich mich. und VG WORT sind wirtschaftliche Vereine. Damit un- terscheiden sie sich vom allgemein bekannten einge- tragenen Verein, der nicht auf wirtschaftlichen Ge- schäftsbetrieb ausgerichtet ist und der in das Vereinsre- gister der zuständigen Amtsgerichte eingetragen wird. Ein wirtschaftlicher Verein – auch rechtsfähiger Verein kraft Verleihung genannt – verfolgt einen wirtschaftli- chen Geschäftsbetrieb. Er erhält seine Rechtsfähigkeit durch die staatliche Verleihung. Die GVL hat die Rechts- form der GmbH gewählt. Gesellschafter sind die Deut- sche Orchestervereinigung und die Deutsche Landes- gruppe der IFPI (International Federation of the Phono- graphic Industry). In Deutschland unterliegen die Verwertungsgesell- schaften der Aufsicht des Deutschen Patent- und Mar- kenamtes. Zusammen mit dem Bundeskartellamt ent- scheidet das Deutsche Patent- und Markenamt zuerst Wolfgang Dick. über die Erlaubnis zum Betrieb einer Verwertungsge- Foto: Oldenbourg Schulbuchverlag GmbH sellschaft. Ebenso obliegt es dem Deutschen Patent- und Markenamt gegebenenfalls über den Widerruf einer Er- FRAUKE ANCKER, VORSTANDSMITGLIED DER VG laubnis zu entscheiden. Gitta Connemann und Sabine BILD-KUNST: Bingener setzen sich in diesem Dossier mit der Aufsicht Die Verwertungsgesellschaften sind wichtig für die über die Verwertungsgesellschaften auseinander. Urheber. Wer würde sonst die Erlöse aus der Zweit- verwertung für die Urheber einkassieren und an diese Gewinnorientierung oder Gemeinnutz verteilen? Wer würde sonst für die Abgabepflichtig- keit neuer Verwertungsformen kämpfen? Wer würde Obwohl die Verwertungsgesellschaften die Rechtsform sich in langwierigen und oft kostspieligen Urteilen des wirtschaftlichen Vereins haben, ist ihre Tätigkeit nicht für die Rechte der Urheber engagieren? Wer machte auf einen Gewinn ausgerichtet. So ist zum Beispiel in § die so notwendige Interessenpolitik für Urheber? 2 Satz 1 der GEMA-Satzung festgelegt: „Zweck des Ver- Zwar ist in Sonntagsreden unbestritten, dass die eins ist der Schutz des Urhebers und die Wahrnehmung Kulturschaffenden wichtig für unsere Gesellschaft seiner Rechte im Rahmen der Satzung. Seine Einrich- sind, sie sind unverzichtbar für den Fortschritt in tung ist uneigennützig und nicht auf die Erzielung von vielen Bereichen, sie sind das Salz in der Suppe. Gewinn gerichtet.“ In der Satzung der VG WORT steht Wenn es aber um das angemessene Honorar für diese in § 1 (III): „Zweck des Vereins ist es, die urheberrecht- Leistung geht, tauchen die meisten Sonntagsredner lichen Befugnisse seiner Mitglieder und Wahrnehmungs- ab und denken lieber an multimediale Vermarktungs- berechtigten treuhänderisch wahrzunehmen, die ihm möglichkeiten und Querfinanzierung anderer vertraglich diese Wahrnehmung anvertrauen.“ Und in Projekte als an die faire Teilhabe des Urhebers am § 1 (IV): „Die Einrichtung des Vereins ist gemeinnützig wirtschaftlichen Erfolg. und nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet.“ Bei Glücklicherweise vertreten auch Berufsverbände und der VG BILD-KUNST wird diese Grundaussage in § 2 Satz Gewerkschaften die Interessen der Urheber, aber die 3 der Satzung so getroffen: „Die Tätigkeit der VG BILD- Verwertungsgesellschaften haben den großen Vorteil KUNST ist nicht auf die Erzielung von Gewinn gerich- als neutraler zu gelten, nicht nur weil in einigen auch tet.“ In der Satzung der GVL ist unter § 5 nachzulesen: die Vermarkter inzwischen vertreten sind, sondern „Die Geschäftsführung ist entsprechend dem satzungs- weil es ganz sachlich um die Umsetzung existieren- gemäßen Zwecke der der Gesellschaft so einzurichten, den Rechtes geht, die Rechte, die der Gesetzgeber daß für die Gesellschaft keine Gewinne erzielt werden.“ den Urhebern zugestanden hat. Dies macht die Bereits die Satzungen der hier besonders vorgestellten Buchstabensetzen als Drahtseilakt. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 7

Fortsetzung von Seite 6 niger bürokratischen Aufwand darstellt. Dieses gilt auch Statements für die Rechteinhaber selbst. Sie haben überhaupt nicht Verwertungsgesellschaften politisch effizient. Es ist die Möglichkeit von jedem Nutzungsvorgang einzeln zu dieser Tage viel von Digital Rights Management (DRM) erfahren und dafür eine Vergütung zu erheben. Erst die die Rede, angeblich marktfähige Software, die die kollektive Rechtewahrnehmung macht es möglich, dass individuelle Abrechnung zwischen Vermarkter und die Urheber tatsächlich eine Vergütung für die Nutzung Urheber ermöglichen soll. Damit, so die Vertreter des ihrer Werke erhalten und diese Vergütung sollte für je- DRM, wären Verwertungsgesellschaften eigentlich dermann eine Selbstverständlichkeit sein. Handelt es sich überflüssig. Zunächst einmal stimmt die These nicht. doch bei Künstlern nicht um Hobbykomponisten oder Es gibt keine marktfähige Software in diesem Bereich. Hobbydichter, die ihre Werke jedermann zugänglich Zum anderen wäre damit das Ziel erreicht, die machen wollen und ihren Lebensunterhalt anderweitig Urheber, überwiegend kreative Individualisten, zu verdienen. Künstler leben von der Verwertung und Nut- atomisieren und sie eines gewichtigen Sprachrohrs zu zung ihrer Werke, daher müssen sie eine Vergütung er- berauben. Damit die Verwertungsgesellschaften weiter halten. für die Urheber tätig sein können, engagiere ich mich Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft, mit der in der VG BILD-KUNST. Ich habe von der Arbeit aber die „normalen“ Nutzer urheberrechtlich geschützter auch profitiert: Einerseits zwingt das Engagement Werke am direktesten in Kontakt kommen. Vereine, die dazu im Bereich des Urheberrechtes auf dem neuesten Musik aufführen oder bei ihren Festen spielen, müssen Stand zu bleiben, an politischen Entwicklungen, an die GEMA die Gebühren abführen. Gesetzgebungsvorhaben zugunsten der Urheber Eine ähnliche Vereinfachung der Rechtewahrneh- mitzuwirken, was meist ein zähes Geschäft ist, aber mung stellen zum Beispiel die Gesamtverträge über die auch Erfolge mit sich bringt. Zum anderen war und ist Bibliothekstantieme sowie den Kopiendirektversand dar. die persönliche Begegnung mit Urhebern interessant Diese Verträge werden zwischen den 16 Ländern und und bereichernd. Sie hilft über den eigenen Horizont den Verwertungsgesellschaften geschlossen. Laut § 27 hinauszublicken. Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ist für die Vermie- tung von Bild- oder Tonträgern und die Verleihung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines Werkes eine Vergütung an den Urheber zu zahlen. Auf den Ver- gütungsanspruch kann nicht verzichtet werden. Sie kön- nen laut Gesetz auch nur durch eine Verwertungsge- sellschaft geltend gemacht werden. – Es wäre auch weder dem einzelnen Künstler noch dem Nutzer zumut- bar, jeden einzelnen Verleih- oder Vermietvorgang zu kontrollieren und eine Gebühr zu erheben. – Auch hier stellt die kollektive Rechtewahrnehmung eine deutliche Vereinfachung dar. Denn auch in diesem Fall ist es für den Nutzer weder praktikabel noch zumutbar jeweils die Genehmigung vom Urheber einzuholen und dann die Vergütung zu entrichten. Aus gutem Grund hat da- her der Gesetzgeber festgelegt, dass diese Vergütungen Frauke Ancker. Foto: privat nur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden können. PETER HANSER-STRECKER, MITGLIED IM AUF- SICHTSRAT DER GEMA: Wahrnehmungszwang und Abschluss- Für mich ist es seit Jahrzehnten ein wichtiges persönli- zwang ches Anliegen, mich in der GEMA zu engagieren, und obwohl mit einigem Aufwand verbunden, möchte ich Die Verwertungsgesellschaften können sich ihre Wahr- Bestandteil des äußeren Erscheinungsbildes eines frühen Computers. Foto: Stefanie Ernst diese Arbeit auch in Zukunft gerne fortsetzen. Der nehmungsberechtigten nicht aussuchen. Sie sind gesetz- Grund ist einfach: Die Arbeit der GEMA ist für unser lich verpflichtet, mit jedem, der es möchte, einen Wahr- und Wahrnehmungsberechtigten. In § 6 Urheberrechts- den, die Werke der Musik aufgrund schriftlich im Sinne Unternehmen von existenzieller Bedeutung. Sie nehmungsvertrag abzuschließen. Hierzu ist in § 6 Urhe- wahrnehmungsgesetz ist geregelt, wie die Wahrneh- des geltenden Verlagsgesetzes geschlossener Verlagsver- unterstützt uns als Verlag dabei, Urheber angemessen berrechtswahrnehmungsgesetz formuliert: „(1) Die Ver- mungsberechtigten, die nicht Mitglied einer Verwer- träge vervielfältigt und verbreitet. Darunter sind nur die für ihre Arbeit zu entlohnen, indem sie elementare wertungsgesellschaft ist verpflichtet, die zu ihrem Tä- tungsgesellschaft werden können, in Entscheidungs- handelsübliche Herstellung und der handelsübliche Ver- Rechte unserer Autoren wahrnimmt. Sie schützt auch tigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche auf prozesse über eine gemeinsame Vertretung einbezogen trieb von Noten (auch als Mietmaterial) zu verstehen. unsere verlegerischen Leistungen. Verlangen der Berechtigten zu angemessenen Bedingun- werden müssen. Hier ist formuliert: „(2) Zur angemesse- Musikverlage, die in Form einer Gesellschaft geführt Im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung gen wahrzunehmen, wenn diese Deutsche im Sinne des nen Wahrung der Belange der Berechtigten, die nicht als werden, sind verpflichtet, die Beteiligungsverhältnisse ist es unser gemeinsames Ziel, den Schutz geistigen Grundgesetzes oder Staatsangehörige eines anderen Mitglieder der Verwertungsgesellschaft aufgenommen offenzulegen. Befinden sich Kapitalanteile unmittelbar Eigentums und seine Transformation in klingende Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines an- werden, ist eine gemeinsame Vertretung zu bilden. Die oder mittelbar in Händen einer anderen Gesellschaft, Münze durchzusetzen. So kommt jedes Engagement deren Vertragsstaates des Abkommens über den Euro- Satzung der Verwertungsgesellschaft muß Bestimmun- so erstreckt sich die Verpflichtung zur Offenlegung auch in der GEMA sowohl unseren Autoren als auch dem päischen Wirtschaftsraum sind oder ihren Wohnsitz im gen über die Wahl der Vertretung durch die Berechtigten auf diese.“ Unternehmen zugute und unterstützt darüber hinaus Geltungsbereich dieses Gesetzes haben und eine wirk- sowie über die Befugnisse der Vertretung enthalten.“ Voraussetzung für die ordentliche Mitgliedschaft ist das gesellschaftspolitische Anliegen des Urheber- same Wahrnehmung der Rechte oder Ansprüche anders Bei der GEMA wird eine Unterscheidung der Mitglieder zunächst die fünfjährige außerordentliche Mitglied- schutzes. nicht möglich ist. Ist der Inhaber eines Unternehmens in: schaft. Weiter müssen ordentliche Mitglieder ein be- Berechtigter, so gilt die Verpflichtung gegenüber dem · ordentliche Mitglieder, stimmtes Mindesteinkommen aus Vergütungen der Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Eu- · außerordentliche Mitglieder, GEMA erreichen, bevor sie die ordentliche Mitgliedschaft ropäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Ab- · angeschlossene Mitglieder erhalten. Dabei gelten laut § 7 der GEMA-Satzung fol- kommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.“ getroffen. Die Bedingungen für die außerordentliche und gende Bestimmungen: Genauso wie die Verwertungsgesellschaften mit je- ordentliche Mitgliedschaft der GEMA sowie der Status · Komponisten müssen in fünf aufeinander folgenden dem Wahrnehmungsberechtigten einen Wahrnehmungs- der angeschlossenen Mitglieder wird in der Satzung der Jahren ein Mindestaufkommen von mindestens vertrag abschließen muss, muss sie jedem, der es möchte, GEMA in den § 6 bis 8 beschrieben. § 9 geht auf die 30.677,5 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinander- zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrecht einräu- Beendigung der Mitgliedschaft ein. folgenden Jahren mindestens 1.840,65 Euro von der men. Dieser Abschlusszwang ist in § 11 Urheberrechts- Angeschlossene Mitglieder sind Wahrnehmungsbe- GEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentliche Mit- wahrnehmungsgesetz festgeschrieben. Hier steht: „(1) rechtigte, die mit der GEMA einen Berechtigungsvertrag glieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss ein Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, auf Grund geschlossen haben. Sie sind nicht Mitglied der GEMA Mindestaufkommen von mindestens 12.271,01 Euro der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf im Sinne des Vereinsrechts. Rechtliche Grundlage ist al- erreicht werden. Bei Komponisten, die der Sparte E Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungs- lein der Berechtigungsvertrag. Die außerordentliche zugerechnet werden, verringern sich die Beträge um rechte einzuräumen.“ Mitgliedschaft kann beim Vorstand beantragt werden. ein Drittel. Darüber hinaus wird den Verwertungsgesellschaf- Vor der Aufnahme muss der Antragsteller dem Aufnah- · Textdichter müssen ebenfalls in fünf aufeinander fol- ten per Gesetz auferlegt, Gesamtverträge zu angemes- meausschuss alle von ihm geforderten Auskünfte ertei- genden Jahren ein Mindestaufkommen von mindestens Peter Hanser-Strecker. Foto: Schott Music senen Bedingungen mit Nutzern urheberrechtlich ge- len. Gegebenenfalls müssen sich Antragsteller, die Ur- 30.677,5 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinander- schützter Werke oder Leistungen abzuschließen. Eine heber sind, einer Klausurprüfung vor dem Aufnahme- folgenden Jahren mindestens 1.840,65 Euro von der SUSANNE SCHÜSSLER, MITGLIED IM VERWAL- Ausnahme besteht lediglich, wenn der Verwertungsge- ausschuss unterziehen. Sollte der Vorstand den Antrag GEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentliche Mit- TUNGSRAT DER VG WORT: sellschaft diese Gesamtverträge auf Grund einer gerin- auf Aufnahme als außerordentliches Mitglied ablehnen, glieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss ein Schon vor der Aufnahme meines Germanistikstudi- gen Mitgliederzahl des Nutzes nicht zuzumuten sind (§ besteht die Möglichkeit beim Aufsichtsrat Beschwerde Mindestaufkommen von mindestens 12.271,01 Euro ums hatte ich in Verlagen gearbeitet und wusste, dass 12 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz). einzulegen. erreicht werden. Bei Textdichtern, die der Sparte E zu- ich dorthin zurückkehren würde. Also studierte ich Der doppelte Kontrahierungszwang, also der Wahr- Die außerordentliche und ordentliche Mitgliedschaft gerechnet werden, verringern sich die Beträge um ein das ungewöhnliche Nebenfach Urheberrecht, das ein nehmungszwang wie auch der Abschlusszwang, gepaart steht grundsätzlich laut § 6, 4 der GEMA-Satzung nur Drittel. späteres Präsidiumsmitglied der VG WORT, Prof. mit der Verpflichtung Gesamtverträge abzuschließen, folgenden Personenkreisen bzw. Unternehmen offen: · Musikverleger müssen in fünf aufeinander folgenden Gerhard Schricker, unterrichtete, und wurde mit der sofern es der Verwertungsgesellschaft zuzumuten ist, a) Komponisten und Textdichter, die die deutsche Staats- Jahren ein Mindestaufkommen von mindestens Notwendigkeit und der gesetzlichen Verankerung der beschreibt nochmals, wie stark die Arbeit der Verwer- angehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines Mit- 76.693,78 Euro insgesamt, jedoch in vier aufeinan- Verwertungsgesellschaften sowie ihrer großen tungsgesellschaften durch den Gesetzgeber reglemen- gliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen derfolgenden Jahren mindestens 4.601,63 Euro von Bedeutung für Urheber wie Verwerter gleichermaßen tiert wird. Diese Reglementierung liegt in der besonde- oder ihren steuerlichen Wohnsitz im Verwaltungsgebiet der GEMA bezogen haben. Für ehemalige ordentliche vertraut gemacht. So musste ich nicht lange ren Stellung der Verwertungsgesellschaft, eben dem des Vereins oder in einem Mitgliedstaat der Europäi- Mitglieder beträgt die Frist drei Jahre und es muss ein überlegen, als man mir antrug, Mitglied im Verwal- ausschließlich von ihnen vertretenen Repertoire, begrün- schen Gemeinschaft haben. Ausnahmen bedürfen der Mindestaufkommen von mindestens 30.677,51 Euro tungsrat zu werden. Als ich dorthin kam, hatte die det. Zustimmung des Aufsichtsrats. erreicht werden. Bei Musikverlegern, die der Sparte E Urheberrechtsnovelle viele Probleme aufgeworfen. b) Musikverlage, die ihren Sitz im Verwaltungsgebiet des zugerechnet werden, verringern sich die Beträge um Als Leiterin eines – auch 40 Jahre nach seiner Wahrnehmungsberechtigter oder Vereins oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen ein Drittel. Gründung – unabhängigen, linken Programmverlags Mitglied? Gemeinschaft haben und im Handelsregister eingetra- Die Mitgliedschaft als ordentliches Mitglied muss möchte ich mich dafür einsetzen, dass sich Autoren gen sind. Auf Verlangen des Vorstands sind die Firmen beim Vorstand beantragt werden. Der Vorstand entschei- und Verlage nicht als Gegner mit unterschiedlichen Aus dem Wahrnehmungszwang ergibt sich, dass jede verpflichtet, einen Handelsregisterauszug nach dem det im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat. Interessen begreifen, sondern dafür arbeiten, dass Verwertungsgesellschaft Urheber als Wahrnehmungsbe- neuesten Stand vorzulegen. Bestehende Mitgliedschaf- Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat ordentliche Mit- wir unsere Konflikte vernünftig beilegen und die rechtigte aufnehmen muss. Manche Verwertungsgesell- ten werden durch diese Bestimmungen nicht berührt. gemeinsamen Ziele in den Vordergrund stellen: Eine schaften unterscheiden allerdings zwischen Mitgliedern Als Musikverlag kann nur eine Firma aufgenommen wer- Weiter auf Seite 8 lobbystarke Geräteindustrie und eine öffentliche Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 8

Fortsetzung von Seite 7 Statements Verwertungsgesellschaften Meinung, die den Urheberschutz von Werken gering achtet, sind schwierige und mächtige Gegner, gegen glieder kooptieren, bei denen eine Mitgliedschaft aus die wir, die Autoren, Journalisten, Verlage, nur durch kulturellen Gründen wünschenswert ist. Hier kann also gemeinsame Anstrengung etwas bewirken können. der besonderen kulturellen Verpflichtung der GEMA Rechnung getragen werden und Wahrnehmungsberech- tigten, die die genannten Voraussetzungen nicht erfül- len, deren Mitgliedschaft aber aus kulturellen Gründen wünschenswert wäre, diese ermöglicht werden. Die GEMA hatte zum 31.12.2005 insgesamt 61.942 Mitglieder. Davon waren 2.953 ordentliche Mitglieder, 6.305 außerordentliche Mitglieder und 52.686 ange- schlossene Mitglieder. Wie die GEMA unterscheidet auch die VG WORT in Wahrnehmungsberechtigte und in Mitglieder. Wahrneh- mungsberechtigter kann werden, wer nachweislich In- haber von Urheberrechten und Nutzungsrechten an Sprachwerken ist. Bei Abschluss eines Wahrnehmungs- vertrags muss der Antragsteller sich einer der sechs Berufsgruppen zuordnen. Sollten die Voraussetzungen Susanne Schüssler. Foto: Christian Thiel erfüllt sein, ist die Mitgliedschaft in mehreren Berufs- gruppen möglich. Das aktive und passive Wahlrecht kann DAGMAR SIKORSKI, MITGLIED IM AUFSICHTSRAT allerdings nur in einer Berufsgruppe ausgeübt werden. DER GEMA: Die Berufsgruppen sind laut § 2 der Satzung der VG 62.690 Komponisten, Textdichter und Musikverleger WORT: bilden weltweit eine der wegweisendsten Solidarge- · Berufsgruppe 1: Autoren und Übersetzer schöngeisti- meinschaften. Trotz vieler Begehrlichkeiten, ger und dramatischer Literatur; ausgelöst durch neue Technologien und politische · Berufsgruppe 2: Journalisten, Autoren und Übersetzer Entscheidungen, hat es diese Gemeinschaft bisher von Sachliteratur; immer erreicht, eine angemessene Vergütung für die · Berufsgruppe 3: Autoren und Übersetzer von wissen- Nutzung der Werke ihrer Mitglieder zu sichern. Dafür schaftlicher und Fachliteratur; stehen vier Buchstaben: GEMA, Gesellschaft für · Berufsgruppe 4: Verleger von schöngeistigen Werken musikalische Aufführungs- und mechanische und von Sachliteratur; Vervielfältigungsrechte. Keine Behörde, sondern eine · Berufsgruppe 5: Bühnenverleger; flexible und international renommierte Verwertungs- · Berufsgruppe 6: Verleger von wissenschaftlichen Wer- gesellschaft, die mit ihrer professionellen Arbeit ken und von Fachliteratur. nicht nur das Inkasso von Lizenzen sicherstellt, Neben den Wahrnehmungsberechtigten gibt es noch sondern auch im politischen Bereich die Interessen Bezugsberechtigte. Als Bezugsberechtigte gelten Gele- der Urheber mit Nachdruck vertritt. Die GEMA war genheitsautoren (z.B. Graduierte, die ihre Dissertation und ist sich ihrer sozialen und kulturellen Verantwor- veröffentlichen). Sie nehmen nur an der Reprographie- tung stets bewusst. Über 50 Millionen Euro werden ausschüttung teil. Berechtigte können jederzeit einen jährlich für soziale Projekte und kulturelle Zwecke Wahrnehmungsvertrag abschließen. aufgewandt. Wahrnehmungsberechtigte der Berufsgruppen 1 Unter dem GEMA-Motto „Musik hat ihren Wert“ oder 2 können Mitglied werden, wenn sie mindestens kämpfe ich als Aufsichtsratsmitglied der GEMA und drei Jahre Wahrnehmungsberechtigte sind und wenn sie Präsidentin des Deutschen Musikverlegerverbandes in den letzten drei Kalenderjahren im Durchschnitt für diese Solidargemeinschaft, weil ich sonst keine mindestens 1.000 Euro pro Jahr oder als Autor oder Über- Blick durch eine Stereoskoplinse. Foto: Stefanie Ernst Chance sehe, die Rechte der Urheber so effektiv setzer schöngeistiger Literatur mindestens 500 Euro im durchzusetzen. Ohne die GEMA wären die Kreativen Jahr oder aus den Ausschüttungen der Bibliothekstan- · Musikregisseure: 1.520 Berechtigte, davon 266 außer- Sollten aus den Gruppen der Komponisten und Textdich- in ihrer Existenz gefährdet und der (Aus-)Nutzung tieme mindestens 500 Euro im Jahr erhalten haben. In ordentlich Berechtigte ter keine ausreichende Zahl an Rechtsnachfolgern für ihrer Werke zum Nulltarif gnadenlos ausgesetzt. den Berufsgruppen 4 und 5 muss die Ausschüttung · Chorsänger: 6.162 Berechtigte, davon 131 außeror- die Wahl zur Verfügung stehen, können auch andere mindestens 3.000 Euro im Jahr betragen haben. Der Sta- dentlich Berechtigte Mitglieder gewählt werden. tus als Wahrnehmungsberechtigter muss ebenfalls seit · Dirigenten: 1.258 Berechtigte, davon 69 außerordent- In der Mitgliederversammlung der ordentlichen drei Jahren bestehen. Wahrnehmungsberechtigte der lich Berechtigte Mitglieder haben die Delegierten der außerordentlichen Berufsgruppen 3 und 6 können Mitglied werden, wenn · Wortregisseure: 1200 Berechtigte, davon 7 außeror- und angeschlossenen Mitglieder die gleichen Rechte wie sie mindestens drei Jahre Wahrnehmungsberechtigte dentlich Berechtigte die ordentlichen Mitglieder mit der Ausnahme des pas- sind und „erwartet werden kann, dass der Ertrag seiner · Tänzer: 795 Berechtigte, davon 36 außerordentlich siven Wahlrechts. Die Delegierten können wie die or- Rechte die Wahrnehmung lohnt.“ Berechtigte dentlichen Mitglieder Anträge für die ordentliche Mit- Darüber hinaus können – ähnlich der GEMA – Wahr- Die ausübenden Künstler können mehreren Kategorien gliederversammlung stellen. nehmungsberechtigte als Mitglieder aufgenommen angehören. Die ordentlichen Mitglieder der GEMA wählen zu- werden, „die in besonderer Weise die Interessen, Auf- sammen mit den Delegierten der außerordentlichen und gaben und Ziele der VG WORT fördern oder deren kultu- Wer hat was zu sagen? angeschlossenen Mitglieder den Aufsichtsrat. Dem Auf- relle, künstlerische oder wissenschaftliche Bedeutung sichtsrat gehören laut § 13 der GEMA-Satzung die Aufnahme als wünschenswert erscheinen läßt.“ Auch Der unterschiedliche Status der Wahrnehmungsberech- · sechs Komponisten hier können also kulturelle Erwägungen also eine Rolle tigten wirkt sich bei der GEMA und bei der VG WORT · fünf Verlger bei der Mitgliedschaft spielen. Es wird eine Aufnahme- auf die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten aus. · vier Textdichter gebühr erhoben. Organe des wirtschaftlichen Vereins GEMA sind: an. Für jede Berufsgruppen können zwei Stellvertreter Die VG WORT zählt 218.316 Berechtigte (216.522 · die Mitgliederversammlung, der nur die ordentlichen gewählt werden. Dagmar Sikorski. Foto: GEMA Berechtigte Autoren, 1.794 Berechtigte Verlage) und 391 Mitglieder angehören, Der Aufsichtsrat hat weitreichende Aufgaben in der Mitglieder (217 Autoren und 74 Verlage). · der Aufsichtsrat, Vereinssteuerung. Zu diesen zählt: FRED BREINERSDORFER, MITGLIED DES VERWAL- Im Unterschied zur GEMA und zur VG WORT kennt · der Vorstand im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. · die Bestellung des Vorstands, TUNGSRATES DER VG WORT : die VG BILD-KUNST keine Unterscheidung zwischen Wahr- Der Mitgliederversammlung obliegen, die dem Verein · das Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand, der Auf- Kürzlich wurde mir von einer jungen Regisseurin ein nehmungsberechtigten und Mitgliedern. Mit dem Wahr- typischen Aufgaben wie: sichtsrat legt in seiner Geschäftsordnung fest, welche Vertrag zur Prüfung vorgelegt. Sie hat einem nehmungsvertrag wird die Mitgliedschaft erworben. Die · die Entgegennahme des Geschäftsberichts, Geschäftsvorfälle zustimmungsbedürftig sind, Verwerter von Urhebernutzungsrechten einen VG BILD-KUNST unterscheidet drei Berufsgruppen: · die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats, · die Zustimmung zu den Tarifen, interessanten Stoff angeboten. Der Verwerter · Berufsgruppe I: Bildende Kunst (9.877 Mitglieder) · die Wahl und die Abberufung der Aufsichtsratsmitglie- · die Entsendung von Mitgliedern im Ausschüsse und witterte ein gutes Geschäft. Der Verwerter wollte · Berufsgruppe II: Fotografie und Design (22.055 Mit- der sowie der weiteren Ausschüsse und Kommissionen, Gremien, Beschlüsse von Gremien und Ausschüssen deswegen optimale Lösung in den Vertrag schreiben glieder) · die Beschlussfassung über Satzungsänderungen, Än- können vom Aufsichtsrat aufgehoben werden. – ausschließlich für sich. In diesem Vertrag hatte · Berufsgruppe III: Film (7.080 Mitglieder) derungen des Berechtigungsvertrags, Änderungen des Die Tätigkeit im Aufsichtsrat, wie auch in den Kommis- sich der Verwerter deswegen gegen alles abgesichert, Die GVL kennt als GmbH keine Mitglieder. Sie hat Verteilungsplans, sionen und Ausschüssen, erfolgt ehrenamtlich. was er für risikoreich und gefährlich hielt. Ich zitiere zwei Gesellschafter und zwar die Deutsche Orchester- · die Beschlussfassung über die Auflösung des Vereins. In der Anhörung der Enquete-Kommission des Deut- die umfangreichste Klausel aus diesem Zusammen- vereinigung und die Deutsche Landesgruppe der IFPI. Jedes ordentliche Mitglied der GEMA hat in der schen Bundestags „Kultur in Deutschland“ wurde von hang im Wortlaut: Bei den Wahrnehmungsberechtigten gibt es im Bereich Mitgliederversammlung eine Stimme. Aus dem Kreis der Abgeordneten des Deutschen Bundestags kritisch ange- „Der Regisseur versichert und garantiert, dass er kein der Tonträgerhersteller und Veranstalter nur einen ein- außerordentlichen und angeschlossenen Mitglieder merkt, dass verglichen mit der großen Anzahl an ange- Mitglied einer Verwertungsgesellschaft oder einer heitlichen Berechtigtenstatus. Insgesamt gibt es in die- werden für die Mitgliederversammlung Delegierte ge- schlossenen Mitglieder nur eine kleine Minderheit an or- sonstigen berufständischen Vereinigung (z.B. der VG sem Bereich 6.077 Tonträgerhersteller und 23 Veranstal- wählt. Diese Wahl findet im Rahmen einer Versamm- dentlichen Mitglieder die wesentlichen Entscheidungen der BILD-KUNST, Directors Guild of America etc.) weder ter als Wahrnehmungsberechtigte. lung der außerordentlichen und angeschlossenen Mit- GEMA beeinflusst und aus deren Mitte der Aufsichtsrat innerhalb noch außerhalb Deutschlands ist und dass Bei den ausübenden Künstlern wird unterschieden, glieder in Verbindung mit der Mitgliederversammlung gewählt wird. Sie bemängelten ein Demokratiedefizit. Von dem Abschluss dieses Vertrages einschließlich der zwischen ordentlichen Berechtigten und außerordentli- statt. Die Versammlung der außerordentlichen und an- Seiten der GEMA wurde deutlich gemacht, dass die große Rechtseinräumung keine Kollektivvereinbarungen chen Berechtigten. Die ordentlichen Berechtigten haben geschlossenen Mitglieder wird vom Aufsichtsratsvorsit- Zahl der wirtschaftlich weniger erfolgreichen Mitglieder entgegenstehen oder zusätzlich zu den vertraglichen der GVL mit der Wahrnehmung ihrer weltweiten Rechte zenden geleitet. Der Vorstand leistet dieser Versamm- keine dominierende Stellung einnehmen sollte und dass Regelungen Anwendung finden. Sofern und soweit übertragen, die außerordentlich Berechtigten lediglich lung einen Geschäftsbericht und steht laut GEMA-Sat- die Interessen der außerordentlichen und angeschlossenen der Regisseur Rechte, die nach diesem Vertrag dem die Wahrnehmung der Rechte in Deutschland. Insgesamt zung § 12 zur Auskunftserteilung zur Verfügung. Die Mitglieder durch die gewählten Delegierten vertreten wer- Auftraggeber eingeräumt werden, einer Verwertungs- 115.875 ausübende Künstler haben mit der GVL einen Versammlung der außerordentlichen und angeschlos- den. Damit werde ein hohes Maß an Demokratie geleistet. gesellschaft eingeräumt hat, verpflichtet sich und Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Sie sind folgenden senen Mitglieder entsendet in die Mitgliederversamm- Der vom Aufsichtsrat bestellte Vorstand vertritt den Ver- garantiert der Regisseur gegenüber dem Auftragge- Kategorien zuzuordnen: lung der ordentlichen Mitglieder 34 Delegierte. Diese ein gerichtlich und außergerichtlich. Weiter hat der Vor- ber, sich diese Rechte von der Verwertungsgesell- · Instrumental- und Vokalsolisten: 69.788 Berechtigte, Delegierten müssen folgenden Berufsgruppen angehören: stand dem Aufsichtsrat vierteljährlich einen Geschäfts- schaft rückübertragen zu lassen und diese Rechte davon 3.674 außerordentlich Berechtigte · sechzehn Delegierte aus der Berufsgruppe der Kom- bericht vorzulegen. Der Vorstand ist hauptamtlich tätig. dem Auftraggeber einzuräumen, wobei nur die der · Orchestermusiker: 22.969 Berechtigte, davon 178 au- ponisten, davon mindestens sechs Rechtsnachfolger, Neben den erwähnten Gremien Mitgliederversamm- Verwertungsgesellschaft eingeräumten, aufgrund ßerordentliche Berechtigte · acht Delegierte aus der Berufsgruppe der Textdichter, lung, Aufsichtsrat und Vorstand, die die Geschäftspoli- Gesetzes allein von einer Verwertungsgesellschaft · Wortinterpreten: 12.173 Berechtigte, davon 147 au- davon mindestens vier Rechtsnachfolger, geltend zu machenden, nicht anderweitig übertragba- ßerordentlich Berechtigte · zehn Delegierte aus der Gruppe der Verleger. Weiter auf Seite 9 Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 9

Fortsetzung von Seite 8 Die Berufsgruppenversammlung tagt im Zusammenhang · und je ein Mitglied für die Gruppe der Dirigenten, mit der Mitgliederversammlung. Die jeweiligen Berufs- Instrumentalsolisten, Gesangs- und Tanzsolisten, Or- Statements tik und Positionierung der GEMA verantworten, gibt es gruppen schlagen der Mitgliederversammlung die fünf chester, Chor- und Ballettmitglieder, Studiomusiker, weitere Gremien, die für Probleme im Innenverhältnis Mitglieder sowie fünf Stellvertreter für den Verwaltungs- Schauspieler und künstlerisch Vortragende, Regisseu- ren Vergütungsansprüche von der Rückübertragung der Mitglieder bzw. zwischen Mitgliedern und GEMA rat vor. Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Verwal- re, Bild- und Tonträgerhersteller (Hersteller von Vi- ausgenommen sind.“ zuständig sind. Der Schlichtungsausschuss ist für Strei- tungsrat ist die Mitgliedschaft in der VG BILD-KUNST. deoclips), Veranstalter. Wir brauchen Verwertungsgesellschaften, weil tigkeiten zwischen GEMA-Mitgliedern und der Be- Als stellvertretende Mitglieder des Verwaltungsrates Als Beiratsmitglied kann nur gewählt werden, wer unfaire Verwerter sich vor der Macht der Verwer- schwerdeausschuss für Streitigkeiten zwischen der können von Berufsorganisationen auch Personen vor- an den drei aufeinanderfolgenden Verteilungen vor ih- tungsgesellschaften derartig fürchten. GEMA und ihren Mitgliedern zuständig. geschlagen werden, die der VG BILD-KUNST nicht an- rer Berufung oder Wahl teilgenommen hat. Weiter müs- Die Satzung der VG WORT weist den Organen Mit- gehören, aber über urheberrechtliche Qualifikationen sen sie ihren Sitz bzw. Wohnsitz in Deutschland haben gliederversammlung, Verwaltungsrat und Vorstand ähn- verfügen. Laut Satzung sollen die Vorschläge die reprä- oder ihre Einnahmen vorwiegend aus Verwertungen in liche Aufgaben zu wie die GEMA-Satzungen den Orga- sentative Vertretung der verschiedenen urheberrechtli- Deutschland beziehen. Herstellervertreter können laut nen der GEMA. chen Tätigkeiten der Mitglieder sichern. Dazu ist in der Satzung der GVL nur „Inhaber, Gesellschafter, Vorstands- Die Mitgliederversammlung hat unter anderem folgen- Satzung bereits festgelegt, dass aus den Berufsgruppen mitglieder, Geschäftsführer, Prokuristen oder Angestell- de Aufgaben: I (Bildende Kunst) und II (Fotografie und Design) te mit Handlungsvollmacht werden.“ · Entgegennahme und Erörterung des Geschäftsberichts, mindestens ein Verleger vorgeschlagen wird. Aus der Der Beirat hat unter anderem zu folgenden Punk- · Entlastung des Verwaltungsrats und des Vorstands, Berufsgruppe III (Film) soll ein Hauptregisseur, drei wei- ten eine Beschlussfassung zu treffen: · Wahl des Verwaltungsrates, tere Urheber (davon höchstens ein Regisseur) und ein · die Bedingungen zu denen Ansprüche und Rechte · Genehmigung und Änderung des Verteilungsplans, Filmproduzent genannt werden. Neben den Mitgliedern wahrzunehmen sind, · Beschlussfassung über Satzungsänderungen, für den Verwaltungsrat schlagen die Berufsgruppenver- · die Verteilungspläne. · Neufestsetzung des Mitgliedsbeitrags. sammlungen auch die ehrenamtlichen Vorstandsmitglie- Weiter berät der Beirat die Geschäftsführer unter An der Mitgliederversammlung können die Mitglie- der vor. anderem bei der Aufstellung der Tarife und dem Ab- der teilnehmen. Sie haben das aktive und passive Wahl- Der Verwaltungsrat hat die Aufgabe die Geschäfts- schluss von Gesamtverträgen. recht. Ähnlich der Versammlung der außerordentlichen führung zu überwachen. Der Verwaltungsrat beschließt Insgesamt muss festgehalten werden, dass in allen und angeschlossenen Mitgliedern der GEMA findet bei unter anderem: Verwertungsgesellschaften die gewählten Gremien Ein- Fred Breinersdorfer. Foto: Breinersdorfer der VG WORT eine Versammlung der Wahrnehmungs- · die Wahl und Abberufung des Vorstands sowie die fluss auf die Verteilung der Mittel nehmen. Dabei wer- berechtigten – hier laut Satzung der VG WORT § 8 – am Geschäftsordnung des Vorstands, den die unterschiedlichen Berufsgruppen in den Gremi- WERNER SCHAUB, VORSTANDSMITGLIED DER VG Vortag der Mitgliederversammlung statt. Der Vorstand · über Gegenseitigkeitsverträge mit anderen Verwer- en jeweils berücksichtigt. Die gewählten Gremienmit- BILD-KUNST: informiert die Wahrnehmungsberechtigten über den tungsgesellschaften, glieder arbeiten ehrenamtlich und engagieren sich da- Ich wurde im Juli 2007 neu in den Vorstand der Geschäftsbericht und gibt Auskünfte. Aus ihrer Mitte · über die Aufstellung von Tarifen, mit für die anderen Mitglieder bzw. Wahrnehmungsbe- Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst gewählt für die wählen die Wahrnehmungsberechtigten Delegiert für die · über die Errichtung und Aufhebung von Ausschüssen rechtigten. Sie nehmen Verantwortung in den Verwer- Berufsgruppe I in der Nachfolge von Hans Wilhelm Mitgliederversammlung und zwar: und Kommissionen. tungsgesellschaften wahr. Die starke Stellung der ge- Sotrop. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst als · aus den Berufsgruppen 1, 2 und 3 (Autoren, Überset- Der Vorstand besteht aus vier Mitgliedern. Drei wählten Gremien entspricht dem Prinzip der Selbstor- Institution, die über die Urheberrechte von visuellen zer und Journalisten) je fünf Delegierte, sowie fünf davon sind ehrenamtlich tätig. Sie entstammen den drei ganisation der Urheber, das der Gründungsimpuls der Produkten wacht, insbesondere aber darüber, dass Stellvertreter, Berufsgruppen. Das geschäftsführende Vorstandsmit- Verwertungsgesellschaften ist. die Künstlerinnen und Künstler zu ihrem Recht · aus den Berufsgruppen 4, 5 und 6 (Verleger) je drei glied ist hauptamtlich tätig. Der Vorstand führt die Ver- kommen, ist eine der effizientesten in Europa Delegierte sowie drei Stellvertreter. einsgeschäfte und informiert den Verwaltungsrat regel- Verteilung überhaupt. Deshalb ist es mir wichtig, mit meinem Die Delegierten der Wahrnehmungsberechtigten mäßig über die Entwicklung des Vereins. Engagement die VG BILD-KUNST in den nächsten haben während ihrer Amtszeit mit Ausnahme des pas- Die GVL unterscheidet sich von der GEMA, der VG Die Verteilung der Einnahmen erfolgt nach den Vertei- Jahren zu begleiten. siven Wahlrechts alle Rechte der Mitglieder. BILD-KUNST und der VG WORT insoweit, als dass sie lungsplänen, die von den gewählten Gremien beschlos- Von wesentlicher Bedeutung für die Geschicke der kein rechtsfähiger Verein kraft Verleihung sondern eine sen werden. Die Verwertungsgesellschaften haben dafür VG WORT ist der Verwaltungsrat. Er besteht aus: GmbH ist. Die GmbH wird durch zwei Geschäftsführer jeweils ausgeklügelte Verteilungspläne erarbeitet, die · fünf Mitgliedern der Berufsgruppe 1 (Autoren und vertreten. Die Berufung sowie die Abberufung der Ge- dazu beitragen sollen, dass einerseits die besondere Übersetzer schöngeistiger und dramatischer Werke), schäftsführer erfolgt durch die Gesellschafter. künstlerische Bedeutung eines Werkes gewürdigt wird · fünf Mitglieder der Berufsgruppe 2 (Journalisten, Au- Darüber hinaus wird ein Beirat gebildet. Dieser Bei- sowie selbstverständlich auch deren Nutzung. Allen Ver- toren und Übersetzer von Sachliteratur), rat besteht aus 24 Mitglieder. Davon werden wertungsgesellschaften ist gemeinsam, dass in den Sat- · vier Mitgliedern der Berufsgruppe 3 (Autoren und · 12 Mitglieder von den Gesellschaftern berufen, zungen verankert ist, bei den Verteilungsplänen die kul- Übersetzer von Sachliteratur), · davon werden 8 von der Deutschen Orchesterverei- turellen und sozialen Zwecke zu berücksichtigen. · drei Mitgliedern der Berufsgruppe 4 (Verleger von nigung Sowohl die VG WORT als auch die VG BILD-KUNST schöngeistigen Werken und von Sachliteratur), · und vier von der Deutschen Landesgruppe der IFPI haben in ihren Satzungen Grundsätze der Verteilung · zwei Mitgliedern der Berufsgruppe 5 (Bühnenverleger), berufen festgelegt. In der Satzung der VG WORT ist verankert, · zwei Mitgliedern der Berufsgruppe 6 (Verleger von · 12 Mitglieder werden von den Berechtigten durch Wahl dass bei den Nutzungen, bei denen der individuelle An- wissenschaftlichen Werken und von Fachliteratur). bestimmt, Der Verwaltungsrat hat unter anderem folgende · davon zwei Mitglieder für die Tonträgerhersteller Weiter auf Seite 10 Aufgaben: · Bestellung und Abberufung des Vorstands, Abschluss von Verträgen mit dem Vorstand, Werner Schaub. Foto: Franz Fischer · Weisungen an den Vorstand, Bestimmung der Rechte, die durch den Vorstand übernommen werden dürfen, JÖRG EVERS, GEMA-AUFSICHTSRAT, · Zustimmung zu Inkasso- und Kontrollverträgen, Zu- MITGLIED IM AUFSICHTSRAT DER GEMA: stimmung zu Tarifen und Tarifverträgen mit Verwert- Die Verwertungsgesellschaft GEMA schafft in der ern und Verbrauchern, Regel durch ihre Ausschüttungen das wichtigste · Errichtung, Überwachung und Auflösung von Kommis- Fundament der Existenzsicherung für uns Kompo- sionen, nisten und damit für unsere Kunst und die Musik- · Vorschlag über die Aufstellung eines Verteilungsplans, kultur. Das Aufsichtsratsmandat, welches mir meine Treffen von Beschlüsse, die nach den Verteilungsplä- Kollegen durch ihre Wahl übertragen haben, ist nen erforderlich sind, daher eine besondere vertrauensvolle Verpflichtung · Erlass und Änderung der Geschäftsordnung. zur effizienten Vertretung ihrer Interessen. Die Tätigkeit im Verwaltungsrat erfolgt ehrenamt- Nicht hoch genug zu schätzen ist für mich das lich. Neben dem Verwaltungsrat sind folgende Kommis- Gremium des Aufsichtsrats als Fokus der Kompe- sionen dauerhaft tätig: tenz, Erfahrung und Sachkunde. Der rege Gedan- · Satzungskommission ken- und Informationsaustausch auch mit den · Bewertungskommission, sie bereitet Änderungen und Vertretern der zwei anderen Kurien der Textdichter Ergänzungen des allgemeinen Verteilungsplans der VG und Verleger, wie natürlich mit den GEMA-Vor- WORT vor standsmitgliedern, ermöglicht es, in Kenntnis der · Kommission Wissenschaft, Beratung des Verwaltungsrats verschiedenen Perspektiven und Positionen zu einer in allen den Bereich Wissenschaft betreffenden Fragen. weitgehend objektiven Einschätzung eines Sachver- Der Vorstand besteht aus vier oder fünf Mitgliedern. halts zu gelangen. Diese bildet die Voraussetzung, Davon sind drei ehrenamtlich tätig. Ein Vorstandsmit- um angesichts einer sich ständig verändernden und glied sollte Verleger und eines Autor sein. Ein oder zwei immer komplexer werdenden Musiklandschaft die Mitglieder sind hauptamtlich geschäftsführend tätig. Der jeweils anstehenden, nötigen Entscheidungen zu Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergericht- treffen, bzw. miteinander Kompromissvorschläge zu lich. Er nimmt die Geschäfte der laufenden Verwaltung erarbeiten, welche dann auch durchsetzbar sind, wahr und gibt den Verwaltungsratsmitgliedern halbjähr- da sie von allen drei Kurien solidarisch getragen lich einen Geschäftsbericht. werden. Die VG BILD-KUNST kennt laut § 5 der Satzung vier Or- gane: · die Mitgliederversammlung, · die Berufsgruppenversammlung, · den Verwaltungsrat, · den Vorstand. Da die VG BILD-KUNST keine Unterscheidung in Wahrnehmungsberechtigte und Mitglieder kennt, haben alle Mitglieder in der Mitgliederversammlung eine Stim- me. Die Mitgliederversammlung hat unter anderem fol- gende Befugnisse: · Beschluss über den von den jeweiligen Berufsgrup- pen vorgeschlagenen Verteilungsplan, · Feststellung des Jahresabschlusses, Entlastung des Vorstands auf Vorschlag des Verwaltungsrates, · Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates, · Errichtung und Finanzierung von Vorsorge- und Un- terstützungseinrichtungen sowie von Einrichtungen zur kulturellen Förderung. Die Karte veranschaulicht, welche Radiosender empfangen werden konnten. Foto: Stefanie Ernst Jörg Evers. Foto: GEMA Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 10

Fortsetzung von Seite 9 freiberufliche Künstler gezahlt wird. Die Künstlersozial- · davon aus der zentralen Lizensierung von Tonträgern Statements abgabe beträgt im Jahr 2007 5,1% und sinkt im Jahr und Bildtonträgern 119,971 Mio. Euro Verwertungsgesellschaften 2008 auf 4,9%. Mitglieder der Ausgleichsvereinigung · für andere Verwertungsgesellschaften 87,365 Mio. Euro BERND SCHMIDT, MITGLIED IM VERWALTUNGS- Kunst zahlen statt Folgerechtsabgabe und Künstlerso- · sonstige Erträge 27,030 Mio. Euro RAT DER VG WORT: teil am Ertrag nicht festzustellen ist, neben dem Aus- zialabgabe einen jährlichen Pauschalbetrag, der sich Nach Sparten gegliedert stellen sich die Erlöse wie Die VG WORT habe ich als Wahrnehmungsberechtig- maß der Nutzung auch die kulturelle und künstlerische nach ihrem jährlichen Umsatz bemisst. Die Einnahmen folgt dar: ter durch meine Tätigkeit als Übersetzer, Journalist Bedeutung des Werkes in angemessenen Umfang zu werden jährlich in zwei „Töpfe“ geteilt. Aus dem einen · Lebende Musik 79,212 Mio. Euro und Herausgeber kennen gelernt. Mitte der neunzi- berücksichtigen ist. In der Satzung der VG BILD-KUNST wird die Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkas- · Tonfilm 8,657 Mio. Euro ger Jahre wurde ich von der Berufsgruppe 1, den finden sich ähnliche Regelungen. se abgeführt. Aus dem anderen erfolgt die Ausschüt- · Mechanische Musik 119,351 Mio. Euro Belletristen also, als Delegierter in die Mitgliederver- tung an die Künstler bzw. Erben, die folgerechtspflich- · Vergütungsansprüche nach § 27 UrhG 6,703 Mio. Euro sammlung entsandt. Seit 1999 bin ich Mitglied des Einnahmen und Ausgaben tig sind. · Tonträger- und Bildtonträgervervielfältigung 240,609 Verwaltungsrates, allerdings nicht in der Autorenku- Die VG WORT erzielte im Jahr 2006 Erlöse aus der Mio. Euro rie, sondern in jener der Bühnenverleger. Ich habe Die VG BILD-KUNST erzielte im Jahr 2006 43,5 Mio. Euro Wahrnehmung von Urheberrechten in Höhe von 85,9 · Inkassomandate für andere Verwertungsgesellschaf- also, wenn man so will, das Lager gewechselt. Was an Erträgen aus der Wahrnehmung von Urheberrech- Mio. Euro. Diese Erlöse verteilen sich auf die verschie- ten 52,786 Mio. Euro sich verschwörerisch anhört, zeigt hingegen, wie nah ten. Diese Erträge ergeben sich aus der Wahrnehmung denen Wahrnehmungsbereiche wie folgt: · Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG 34,935 Mio. Euro die Interessen von Urhebern und Verlegern in einer folgender Rechte: · Bibliothekstantieme 9,71 Mio. Euro · Rundfunk und Fernsehen 245,015 Mio. Euro Verwertungsgesellschaft liegen können. Bühnenverle- · Folgerecht der Bildenden Künstler (3,59 Mio. Euro) · Lesezirkel 0,08 Mio. Euro · Ausland 60,080 Mio. Euro ger nehmen – ebenso wie die VG WORT – die Rechte · Reproduktionsrechte (Kunst und Fotografie) (3,90 Mio. · Videovermietung 1,07 Mio. Euro · Sonstige Erträge 27,030 Mio. Euro der Urheber treuhänderisch wahr und sie partizipie- Euro) · Fotokopieren in Schulen 3,26 Mio. Euro Die Erlöse werden abzüglich der Verwaltungskosten so- ren am Erfolg wie auch am Misserfolg der von ihnen · Senderechte (622.000 Euro) · Kopiergeräteabgabe 28,60 Mio. Euro wie der Abführung für soziale und kulturelle Zwecke an vertretenen Urheber. Um erfolgreich agieren zu · Bibliothekstantieme (742.000 Euro) · Kopier-Betreiberabgabe 3,72 Mio. Euro die Urheber ausgeschüttet- können, muss man sich den Herausforderungen der · Fotokopier-Geräteabgabe (6.67 Mio. Euro) · Kopienversand 0,07 Mio. Euro digitalen Welt stellen und erkennen können, wo die · CD/DVD-Brenner-Abgabe (3,79 Mio. Euro) · Pressespiegel 3,85 Mio. Euro Demokratiedefizit? Durchsetzungskraft und Kontrollmöglichkeit des · Fotokopier-Betreiberabgabe (588.000 Euro) · Schulbuch 1,10Mio. Euro Einzelnen, ob Autor oder Verlag, endet, um eine · Fotokopierbetreiberabgabe an Schulen (311.000 Euro) · Hörfunk / Fernsehen 19,20 Mio. Euro Den Verwertungsgesellschaften wird oft ein Demokra- gemeinsame Lösung zu finden. Dies im fairen · Pressespiegel (149.000 Euro) · Kleine Senderechte + Sonstiges 0,73 Mio. Euro tiedefizit vorgeworfen. Es wird in Zweifel gezogen, ob Miteinander zu tun, ist der Grund für mein Engage- · Lesezirkel (55.000 Euro) · Kabelweiterleitung Inland 5,34 Mio. Euro die Künstler überhaupt etwas zu sagen haben oder nicht ment in der VG WORT. · Kabeleinspeisung Kunst/Foto, enthält auch die öffent- · Kabelweiterleitung Ausland 3,01 Mio. Euro vielmehr die hauptamtlichen Vorstände alleine die Ge- liche Wiedergabe (437.000 Euro) · Sonstige Auslandserlöse 6,15 Mio. Euro schicke bestimmen. Weiter wird die Frage gestellt, ob · Kabeleinspeisung Film, enthält auch die öffentliche An Verwaltungskosten fielen 8,95 % der Erlöse an. es überhaupt ausreichende Kontrollmechanismen gibt, Wiedergabe (7,20 Mio. Euro) Ausweislich des Geschäftsberichtes 2006 ist der Anstieg die sicherstellen, dass die Verwertungsgesellschaften · Vermietung von Videokassetten (401.000 Euro) der Verwaltungskosten im Vergleich zum Vorjahr (7%) die ihnen per Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahr- · Videogeräte- und Leerkassettenabgabe (15,05 Mio. unter anderem auf höhere Investitionen in die EDV zu- nehmen. Befasst man sich aber näher mit der inneren Euro) rückzuführen. Verfasstheit der Verwertungsgesellschaften und mit An die Berechtigten, im Fall der VG BILD-KUNST also an Als Problem stellt sich für die VG WORT nach wie den Aufgaben der Aufsicht wird deutlich, dass diese die Mitglieder, wurden 38,3 Mio. Euro ausgeschüttet. vor, dass die Vergütungsansprüche für digitale Verviel- Vorwürfe so nicht haltbar sind. Die geschäftsführen- Die Verwaltungskosten der VG BILD-KUNST lagen fältigungsgeräte auf dem Rechtsweg erstritten werden den Vorstände der Verwertungsgesellschaften unter- im Jahr 2006 bei 5,26% und erreichten damit den nied- müssen, da die Hersteller und Importeure nicht bereit liegen in doppelter Hinsicht der Aufsicht. Zum einen rigsten Wert seit der Gründung der VG BILD-KUNST. Im sind, ihre Zahlung zu leisten. der staatlichen durch das Deutsche Patent- und Mar- Jahr 2005 betrug der Verwaltungskostenanteil noch Die GEMA erreichte im Jahr 2006 Erlöse in Höhe von kenamt. Hier kann sicherlich angesichts schmaler per- 7,40%. 874,378 Mio. Euro. Davon wurden 752,705 Euro ver- soneller Ressourcen über Verbesserungen nachgedacht Ein Spezifikum der VG BILD-KUNST sind die Einnah- teilt. Die Verwaltungskosten beliefen sich auf 13,9 % werden. Zum anderen kontrollieren die gewählten Gre- Bernd Schmidt. Foto: privat men aus dem Folgerecht, die an die Ausgleichsvereini- und sind damit zum dritten Mal in Folge gesunken. Bei mien die Arbeit und treffen die wesentlichen Entschei- gung Kunst fließen. Das Folgerecht ist eine gesetzlich den Verwaltungskosten der GEMA ist zu berücksichti- dungen. In den Gremien sind die unterschiedlichen PETER RUZICKA, MITGLIED IM BEIRAT DER GVL: fixierte Abgabe (§ 26 Urheberrechtsgesetz), die anfällt, gen, dass sie im Unterschied zu den anderen Verwer- Berufsgruppen vertreten, so dass keine Gruppe die Als Komponist und Dirigent bin ich Mitglied der wenn ein Kunstwerk weiterveräußert wird und hieran tungsgesellschaften über einen Außendienst verfügt, der andere majorisieren kann. Verwertungsgesellschaften GEMA und GVL, in ein Kunsthändler oder Versteigerer beteiligt ist. Die Fol- sowohl die ordnungsgemäße Abführung der Vergütun- Es lohnt sich also, sich intensiver mit den Verwer- letzterer auch Mitglied in deren Beirat und dazu gerechtsabgabe fällt an, wenn der Preis des Kunstwerks gen kontrolliert als auch Ansprechpartner für Vergü- tungsgesellschaften und mit ihrer Arbeit zu befassen und Vorsitzender des Beschwerdeausschusses. Die 400 Euro übersteigt. Ab 400 Euro bis 50.000 Euro be- tungspflichtige ist. sich dabei stets vor Augen zu halten, dass sie Selbstor- Tätigkeit dieser Organisationen für die Urheber und trägt die Abgabe 4% des Verkaufspreises, danach sinkt Die Erträge stammen aus: ganisationen der Urheber und Rechteinhaber sind, de- Leistungsschutzberechtigten ist in unserer medial sie degressiv. · Aufführungs-, Vorführungs-, Sende- und Wiedergabe- nen es darum geht, dass die Urheber eine angemessene verwalteten Welt unverzichtbar. Die urheberrechtli- Grundlage der Ausgleichsvereinigung Kunst ist eine rechte 396,886 Mio. Euro Vergütung für die Verwertung ihrer Leistungen erhal- chen Verwertungsgesellschaften wirken „staatsentlas- Vereinbarung zwischen den Verbänden der Galeristen, · Vervielfältigungsrechte 201,488 Mio. Euro ten. Das ist der Kern der Arbeit der Verwertungsgesell- tend“, indem sie nicht nur eine Kontroll- und Abrech- Kunsthändler und Auktionäre sowie der VG BILD-KUNST. · davon aus Tonträgerlizenzen 102,471 Mio. Euro schaften und dafür lohnt es, sich einzusetzen. nungsfunktion ausüben, sondern sich auch kulturpoli- In der Ausgleichsvereinigung Kunst werden das Folge- · aus anderen Sparten 99,017 Mio. Euro tisch gestaltend und fördernd betätigen. Gerade der recht und die Künstlersozialabgabe gekoppelt. Grund- · Vergütungsansprüche 41,638 Mio. Euro DIE VERFASSERIN IST WISSENSCHAFTLICHE MITARBEI- letztere Gesichtspunkt führt dazu, dass manche lage der Künstlersozialabgabe ist das Honorar, das an · Inkassomandate 207,336 Mio. Euro TERIN DES DEUTSCHEN KULTURRATES Urheber, auch solche der E-Musik, von den Erträgnis- sen ihrer Werke und dem „Wertungszuschlag“ leben können. Ein Problem stellen freilich die jungen Künstler da. Hier wäre zu überlegen, ob die GEMA nicht etwa zinslose Kredite als Fördermaßnahmen im Vorgriff auf später zu erwartende Aufführungstantie- men leisten könnte. Sie dürfte es nach dem heute schon geltenden Verwertungsgesellschaftengesetz. Damit würde der Schritt in die berufliche Tätigkeit als freischaffender Urheber in einem entscheidenden Lebenszeitpunkt erleichtert, vielleicht sogar angeregt. Auch hier mag es also so etwas wie einen „Generatio- nenvertrag“ geben.

Peter Ruzicka. Foto: Anne Kirchbach

HARTMUT KARMEIER, MITGLIED IM BEIRAT DER GVL: Seit der Erfindung des Tonträgers vor mehr als 100 Jahren ist das Hören von Musik nicht mehr von Ort und Zeit abhängig. Die ständige Qualitätsverbesse- rung der Tonträger bis hin zur Digitalisierung hat es ermöglicht, einmal produzierte Musik quasi ohne Qualitätsverlust endlos zu kopieren. Die Musikkon- serve wird benutzt zur Gestaltung von Rundfunkpro- grammen, bei Tanzveranstaltungen, in Supermärk- ten, in Gaststätten und Restaurants etc. Die GVL bietet dem ausübenden Musiker die einzige Möglichkeit, angemessen an der Vermarktung seiner erbrachten Leistung teilhaben zu können. Durch die Bündelung der Rechte bei einer Wahrnehmungsge- sellschaft wird auch Nischenrepertoire abgesichert – ein wichtiger Beitrag zur kulturellen Vielfalt. Bestandteil des Transistorrechners Z 23 aus den 60er Jahren. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 11

Europäisches Soft Law – Gefahr für kulturelle Vielfalt Statements Von Olaf Zimmermann Am 18.10.2005 veröffentlichte Binnenmarktskommis- sar Charlie McCreevy die „Empfehlung der Kommission für die länderübergreifende, kollektive Wahrnehmung Verwertungsgesellschaften und Europa von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die Das Urheberrecht war und ist auch ein internationa- on sehr unterschiedlich geregelt. In Deutschland ist für legale Online-Musikdienste benötigt werden“ (2005/ les Recht. Die wesentlichen Grundaussagen zum das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz maßgeblich. 737/EG). Obwohl diese Empfehlung im engeren Sinne Schutz des geistigen Eigentums sind in internationa- zunächst nur die Online-Musikdienste betrifft, wird de- len Abkommen niedergelegt. Deutschland hat diese Bislang wurde die Arbeit der Verwertungsgesell- ren mögliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten der Abkommen ratifiziert. schaften auf der europäischen Ebene nicht normiert, Europäischen Union und vor allem deren Anwendung obwohl sich sowohl das Europäische Parlament als durch Unternehmen der Kulturwirtschaft erheblichen Im Zuge des europäischen Einigungsprozesses gewinnt auch die Europäische Kommission über einen län- Einfluss auf die kollektive Rechtewahrnehmung haben. die europäische Dimension des Urheberrechts an Be- geren Zeitraum mit dem Thema befasst haben. Das deutung. Im Jahr 2001 wurde die „Richtlinie zur Har- jüngste Ergebnis dieser Beschäftigung ist die Emp- iese Empfehlung, die laut EU-Terminologie ein monisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und fehlung der EU-Kommission zu Online-Musikdiens- D „Nicht veröffentlichungsbedürftiger Rechtsakt“ ist, der verwandten Schutzrechte“ verabschiedet, die seither ten, die auf einen stärkeren Wettbewerb der Ver- gehört zum so genannten Soft Law der EU-Kommission. in verschiedene Körbe aufgeteilt im Deutschen Bundes- wertungsgesellschaften untereinander abzielt. Olaf Ihr musste weder vom Rat noch vom Europäischen Par- tag diskutiert und mit dem „Zweiten Gesetz zur Rege- Zimmermann setzt sich mit der europäischen De- Hartmut Karmeier. Foto: privat lament zugestimmt werden, sie kann dennoch erhebli- lung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ batte zu Verwertungsgesellschaften unter dem Blick- che Wirkung entfalten. in diesem Jahr in nationales Recht umgesetzt wurde. winkel der kulturellen Vielfalt und des Wettbewerbs STEPHAN FRUCHT, MITGLIED IM BEIRAT Als Adressaten hat die Empfehlung „Diese Empfeh- auseinander. DER GVL: lung ist an die Mitgliedstaaten und an alle Marktteil- Das Recht der Verwertungsgesellschaften ist in den Neulich fragte ein Abgeordneter während einer nehmer, die auf dem Gebiet der Wahrnehmung von Ur- verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Uni- DIE REDAKTION Anhörung im Deutschen Bundestag: „Was wäre denn, heberrechten und verwandten Schutzrechten in der Ge- wenn es überhaupt keine Verwertungsgesellschaften meinschaft tätig sind, gerichtet.“ Sie kann also sowohl gäbe?“ Es war den meisten Anwesenden deutlich von den Mitgliedstaaten als auch von den Unterneh- anzumerken, dass sie in dieser Frage eine heimliche men aufgegriffen werden. sonsten den Webseiten der Verwertungsgesellschaften men für die Verwertungsgesellschaften im Bereich des Sehnsucht des Abgeordneten verorteten, noch einmal Die Empfehlung zu den Online-Musikdiensten steht zu entnehmen. Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte“ (2002/ genau erklärt zu bekommen, wozu es eine Verwer- am Ende einer längeren Beschäftigung der Europäischen In der Begründung zu diesem Bericht wird ausdrück- 2274 (Ini)) (P5_TA(2004)0036) angenommen. tungsgesellschaft eigentlich gibt. Vielen Menschen Institutionen mit der kollektiven Rechtewahrnehmung lich ausgeführt, dass die exklusive Stellung der Verwer- Diese Entschließung folgt in ihrer Grundausrichtung geht es so. Ich bin gewähltes Mitglied im Beirat der durch Verwertungsgesellschaften und vor allem markiert tungsgesellschaften ein Garant dafür ist, eine „weiter- dem Echerer-Bericht. Auch hier stehen die Künstler im GVL. Dort vertrete ich die Gruppe der Dirigenten und sie eine Abkehr von der vorherigen Beachtung der kultu- reichende Konzentration von geistigem Eigentum zu Mittelpunkt. Und auch hier wird darauf abgehoben, dass künstlerischen Produzenten. Die GVL sorgt dafür, rellen und sozialen Bedeutung der Verwertungsgesell- verhindern.“ „der Schutz und die Verwertung von Rechten an geisti- dass diese und andere Künstler nicht leer ausgehen, schaften. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Eu- gem Eigentum wichtige Faktoren zur Förderung der kul- wenn ihre Aufnahmen gesendet werden. Dies finde ropäischen Parlaments mahnte in seiner Stellungnah- turellen Kreativität und Beeinflussung der Zunahme der ich sehr sinnvoll. Schließlich ist doch das Radio ohne Echerer-Bericht me an, dass auch auf dem Gebiet des Urheberrechts der kulturellen und sprachlichen Vielfalt sind.“ Das Euro- Musiker so langweilig wie der Bundestag ohne Wettbewerb, wo immer es möglich ist, gestärkt werden päische Parlament verweist in der Entschließung „auf Abgeordnete. Im Dezember 2003 legte Mercedes Echerer, MdEP den sollte. Demgegenüber forderte der Ausschuss für Kultur, die Bedeutung der Realisierung eines Gleichgewichts „Bericht über einen Gemeinschaftsrahmen für Verwer- Jugend, Bildung, Medien und Sport des Europäischen zwischen den Rechten und Interessen der Künstler und tungsgesellschaften im Bereich des Urheberechts“ (2002/ Parlaments von der EU-Kommission bei der Prüfung der Inhaber von Rechten einerseits sowie der Notwendig- 2274/(INI) (Endgültig A5-0478/2003) dem Ausschuss für Verwertungsgesellschaften die kulturelle Dimension der keit, die optimale Verbreitung ihrer Werke zu Gunsten Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments vor. Verwertung von Rechten zu berücksichtigen. Deutlich ihre potenziellen Publikums zu gewährleisten“. Sie er- Der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäi- wird von diesem Ausschuss klargestellt, dass das Ge- kennt an, „dass in diesem Zusammenhang Verwertungs- schen Parlaments behandelte das Thema federführend, winnstreben mit dem Charakter von Verwertungsgesell- gesellschaften einen größeren Vorteil bei der Erleichte- der Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie der schaften unvereinbar ist. rung des Zugangs der Benutzer zu Inhalten und Verbrei- Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport tung der Werke zu Gunsten der gesamten Kette bieten“. des Europäischen Parlaments waren mitberatend und Entschließung des EP Das Europäische Parlament stellt fest, dass sich die haben jeweils eine Stellungnahme abgegeben. Verwertungsgesellschaften der verschiedenen EU-Mit- Im Echerer-Bericht wurde an verschiedenen Stellen Das Europäische Parlament hat auf der Grundlage des gliedstaaten unterscheiden und dieses in unterschiedli- auf die kulturellen und sozialen Aspekte der Verwer- Echerer-Berichts am 15.01.2004 die „Entschließung des tungsgesellschaften eingegangen. Es wurde festgestellt, Europäischen Parlaments zu einem Gemeinschaftsrah- Weiter auf Seite 12 „dass die de jure und de facto Monopole, die den Ver- wertungsgesellschaften in der Regel zukommen, dem Stephan Frucht. Grundsatz nach kein Wettbewerbsproblem darstellen, Foto: Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI sofern sie ihren Mitgliedern oder beim Zugang zu Rech- ten durch potentielle Kunden keine unangemessenen EBERHARD HAUFF, VORSTAND BERUFSGRUPPE Beschränkungen auferlegen.“ Es wird allerdings aner- FILMURHEBER DER VG BILD-KUNST: kannt, dass diese Monopole einer gewissen Regulierung Seit Jahrzehnten engagiere ich mich für die Rechte bedürfen. der Filmurheber. Die Honorare der meist freiberufli- Als eigentliche Herausforderung im Bereich der chen Werkschöpfer, insbesondere der Regisseure, Rechteverwertung wird im Echerer-Bericht die vertikale stehen in keinem Verhältnis zum Zeitaufwand und Medienkonzentration beschrieben und eine kritische zur Leistung. Umso wichtiger sind Vergütungen aus Auseinandersetzung der Kommission mit der vertikalen den immer vielfältigeren urheberrechtlichen Medienkonzentration gefordert. Nutzungen. Den Bestrebungen, die Ansprüche der Im Echerer-Bericht wird die Kommission klipp und Urheber den wirtschaftlichen Interessen von klar aufgefordert, die kulturelle Dimension der Verwer- Unterhaltungskonzernen zu opfern, treten die tung von Rechten bei der Befassung mit Verwertungs- Verwertungsgesellschaften zu Recht entschieden gesellschaften im Blick zu haben. entgegen. Es geht darum, die Position der Urheber Hinsichtlich der Verwertung im Musikbereich wird entscheidend zu stärken und einem um sich unterstrichen, dass die bestehende Praxis der Verwer- greifenden Raubtierkapitalismus Einhalt zu gebieten. tungsgesellschaften „über die Verteilungsregelung nicht Ohne den Zusammenschluss in Verwertungsgesell- kommerzielle, aber kulturell wertvolle Werke zu fördern, schaften wäre es für Kreative unmöglich, ihre zur Entwicklung der Kultur und zur kulturellen Vielfalt existentiellen Interessen durchzusetzen. beiträgt.“ Ebenso wird im Bericht „die kultur- und ge- sellschaftspolitische Tätigkeit der Verwertungsgesell- schaften, was sie auch zu Trägern hoheitlicher Funktio- nen macht“, anerkannt. Wesentlich an diesem in typischer EU-Parlament- sprache verfassten Bericht ist, dass hier die Künstler in den Mittelpunkt gestellt werden. Hier wird kein Zweifel daran gelassen, dass das Urheberrecht zuerst dazu dient, dass die Schöpfer künstlerischer Werke sowie die Leis- tungsschutzberechtigten einen wirtschaftlichen Ertrag aus der Verwertung ihrer Werke ziehen können müssen und dass die kollektive Rechtewahrnehmung durch Ver- wertungsgesellschaften ein wichtiger Baustein dafür ist. Auch wird an verschiedenen Stellen unterstrichen, wie wichtig die kulturellen und sozialen Aufgaben der Ver- wertungsgesellschaften sind. Diese Aussagen sind aber kein Freifahrtschein für Eberhard Hauff. Foto: privat Verwertungsgesellschaften. Im Gegenteil unmissver- ständlich wird ausgedrückt, dass in einigen EU-Mitglied- MARTIN BÖTTCHER, MITGLIED IM BEIRAT DER GVL: staaten die Aufsicht noch unzureichend ist. Eine Aus- Es gibt gigantische ökonomische Konglomerate, die weitung der Informationspflicht hinsichtlich der Veröf- vor aller Augen ungebremst enormen Einfluss auf fentlichung der Tarife, der Verteilungsschlüssel und der die Geschicke von Regionen, Staaten, der gesamten Jahresabschlüsse wurde angemahnt. – Mit Blick auf die Weltwirtschaft ausüben. Darum verstehe ich die deutschen Verwertungsgesellschaften ist jedoch anzu- Aufgeregtheit nicht, mit der momentan Praxis bzw. merken, dass sie einer Aufsicht unterstehen und dass sogar Daseinsberechtigung unserer Verwertungsge- sie verpflichtet sind, ihre Tarife und Jahresabschlüsse sellschaften hinterfragt werden. Ich kann dahinter im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Verteilungs- nur Eigeninteressen aus Profil und Profit vermuten. schlüssel sind teilweise per Satzung festgelegt und an- Große Reproduktionskamera, die auf einer hölzernen Balkenkonstruktion befestigt ist. Foto: Stefanie Ernst Ohne unsere VGen wäre meinen Kollegen und mir Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 12

Fortsetzung von Seite 11 tig sind, das gesamte Weltrepertoire anbieten können. der Kommission „Die Wahrnehmung von Urheberrech- Statements Die Verwertungsgesellschaften selbst werden aber nicht ten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt“ Europäisches Soft Law länderübergreifend tätig, sondern nur in ihrem Territo- jedoch noch weit hinaus. die angemessene Beteiligung (!) an der Nutzung rium. Dieses Territorialitätsprinzip wird von der Kom- Hier ist nicht mehr von Künstlern, von kultureller unserer Musik nie so sicher. Wenn Wirtschaftsriesen chen einzelstaatlichen Traditionen und Besonderheiten mission in der Mitteilung in Frage gestellt. Es wird un- Vielfalt, von künstlerischen Werken und sozialer Verant- sich in gleichem Maße staatlicher Aufsicht unter- historischer, juristischer, kultureller und wirtschaftlicher ter anderem der Vorschlag unterbreitet, eine Gemein- wortung die Rede, sondern nur noch von gewerblichen stellten wie wir, könnte nicht nur Winnetou ruhiger Art begründet ist. schaftsvorschrift zu erlassen, die bestimmt, „dass jede Nutzern und Rechteinhabern. Mit der Empfehlung soll schlafen. Wie bereits im Echerer-Bericht angelegt, werden Lizenz, die das Recht der öffentlichen Wiedergabe oder daher „für eine multiterritoriale Lizensierung gesorgt auch in der Entschließung des Europäischen Parlaments der Zugänglichmachung betrifft, zumindest für grenz- werden, um für gewerbliche Nutzer mehr Sicherheit für demokratische Strukturen sowie Transparenz der Verwer- überschreitende Tätigkeiten per definitionem Nutzungs- ihre Aktivitäten zu fördern und das Wachstum legaler tungsgesellschaften eingefordert. handlungen in der gesamten Gemeinschaft erlaubt. Das Online-Dienste zu fördern, wodurch sich wiederum die würde bedeuten, dass die öffentliche Wiedergabe oder Einnahmen der Rechteinhaber erhöhen würden.“ Mitteilung der Kommission die öffentliche Zugänglichmachung, wenn sie irgendwo Das Territorialitätsprinzip spielt in dieser Mitteilung in der Gemeinschaft genehmigt würde, auch in jedem keine Rolle mehr. Im Gegenteil, der Rechteinhaber soll Wenige Monate nach der Entschließung des Europäi- anderen Mitgliedstaat erlaubt wäre. Eine solche Rege- seine Online-Rechte ganz oder zum Teil einer Verwer- schen Parlaments erschien die „Mitteilung der Kommis- lung käme der teilweisen Abschaffung des Territoriali- tungsgesellschaft innerhalb der Europäischen Union sion an den Rat, das Europäische Parlament und den tätsprinzips gleich.“ übertragen können, die diese wiederum gemeinschafts- Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Die In Deutschland hat sich der Deutsche Kulturrat ge- weit lizensiert. Ziel ist es unter anderem, dass die Ver- Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten gen die Mitteilung der Kommission zur Wahrnehmung wertungsgesellschaften rationeller und transparenter Schutzrechten im Binnenmarkt“ (KOM(2004) 261 end- von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im arbeiten. gültig). Binnenmarkt positioniert. Er hat deutlich gemacht, dass In dieser Empfehlung findet die Tradition, dass bei Die Kommission wählt in ihrer Mitteilung bereits der Binnenmarkt durch die bestehenden Regelungen der Vergütung künstlerisch wertvolle Arbeiten, die un- eine andere Sprache. Zwar verweist sie an einer Stelle nicht beeinträchtigt wird. Der Deutsche Kulturrat hat die ter Umständen weniger verwertet werden, besonders auch auf die kulturelle und soziale Dimension der Ver- Bedeutung des Territorialitätsprinzips für die Verwer- gewertet werden, keine Berücksichtigung. Ganz im Ge- Martin Böttcher. Foto: privat (P.Gessing) wertungsgesellschaften. Ihre Zielrichtung ist aber eine tungsgesellschaften kleinerer Länder hervorgehoben, da genteil, dieser Solidaritätsgedanke spielt hier nicht nur andere. Die Kommission zeichnet mit der Mitteilung den sie eine große Bedeutung zur Sicherung der kulturellen keine Rolle mehr, er widerspricht der Grundintention der FRANK DOSTAL, MITGLIED IM AUFSICHTSRAT DER Weg eines stärker gemeinschaftsrechtlich geprägten Vielfalt haben. Ebenso wurde darauf verwiesen, dass Empfehlung zu den Online-Musikdiensten. GEMA UND IM BEIRAT DER GVL: Rechtsrahmens für Verwertungsgesellschaften vor. So auf Grund der Bestimmungen des Urheberrechtswahr- Die Anwendung dieser Empfehlung kann zu einer Wer den Wert und die Bedeutung des Schöpferischen bemängelt sie die erheblichen Unterschiede zwischen nehmungsgesetzes in Deutschland die Genehmigung Ausdifferenzierung der Verwertungsgesellschaften füh- für eine Gesellschaft erkennt, stärkt die Rechte des den Verwertungsgesellschaften der verschiedenen Mit- von und die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften ren. Auf der einen Seite gäbe es die, die multiterritorial geistigen Eigentums und unterstützt starke, gliedstaaten, sowohl was den gesetzlichen Rahmen als bereits verwirklicht ist. arbeiten und ein bestimmtes Repertoire anbieten, das Mitglieder-bestimmte VGen mit unüberhör- und auch was die Praxis betrifft. Hier schlägt sie eine stär- Der Deutsche Kulturrat hatte die deutsche Bundes- eben nicht an die Landessprache oder regionale kultu- sehbarem kulturellem und sozialem Auftrag. Nicht kere Harmonisierung vor. Dabei hat sie auch im Blick, regierung aufgefordert, sich im Rat dafür einzusetzen, relle Ausdrucksformen gebunden, sondern vielmehr bloße Inkasso-Dienstleistungs-Agenturen mit dem dass es einen gesetzlichen Rahmen für die Verwaltung dass die Mitteilung der Kommission „Die Wahrnehmung weltweit marktgängig ist. Das würde voraussichtlich auf heimlichen Zusatzauftrag, durch geschicktes der Verwertungsgesellschaften geben sollte. von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im eine weitere Vormachtstellung des angloamerikanischen Lobbying eine Nutzungs- und Zahlungsmoral sowie - Von Bedeutung auch mit Blick auf die im Jahr 2005 Binnenmarkt“ nicht weiter verfolgt wird. Repertoires an populärer Musik hinauslaufen. Es könn- Methoden zu schaffen, die VGen möglichst bald abgegebene Empfehlung von Binnenmarktkommissar te sein, dass sich ein Oligopol weniger Verwertungsge- überflüssig machen. Meine Wunsch-VG ist eine McCreefy ist die Aussage der Kommission, dass der Bin- Kommissionsempfehlung zu sellschaften bildet, das diese Rechte anbietet. Auf der berufsständische Selbsthilfeorganisation, die so nenmarkt durch das Territorialitätsprinzip der Verwer- Online-Musikdiensten anderen Seite müssten die Verwertungsgesellschaften, hilf- und segensreich ist, dass man auch dann tungsgesellschaften behindert würde. Zurzeit ist es so, die über diese Rechte nicht verfügen, um ihr Überleben Mitglied bleibt, wenn man sie gar nicht mehr dass die Verwertungsgesellschaft über ein Netzwerk an Die Empfehlung der Kommission zu den Online-Musik- braucht. Aus – Achtung: unmodernes Wort: – Gegenseitigkeitsverträgen in dem Land, in dem sie tä- diensten aus dem Jahr 2005 geht über die Mitteilung Weiter auf Seite 13 Solidarität mit Seinesgleichen.

Frank Dostal. Foto: GEMA

LUTZ HACKENBERG, VORSITZENDER DES VERWAL- TUNGSRATES DER VERWERTUNGSGESELLSCHAFT BILD- KUNST: Wem Dienstleisten zu wenig oder zu eng ist, wen es nach Selbstdarstellung und Selbstverwirklichung drängt, der soll sich in die Freie Kunst begeben. Dort weht allerdings ein schärferer Wind. Dort ist alles erlaubt und nichts erwünscht. Je besser, desto unerwünschter. Vor allem sind keine Nachahmer gefragt. Einerseits sichert das deutsche Urheberrecht die Existenz der geistig Schaffenden und reguliert die Vermittlung von Kulturgütern. Die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechtes ist unbestritten. Andererseits kopiert die ganze Welt vielfach Werke der bildenden und angewandten Kunst, des Films, der Literatur und der Musik. Auf der Nutzerseite besteht also nach wie vor wenig bis keine Bereitschaft, Rechte abzugeben. 1968 wollte die Gründungsversammlung der VG BILD- KUNST nachvollziehen, was Musikschaffenden und Literaten schon längst gelungen war: die Gründung einer Gesellschaft zur Wahrnehmung urheberrechtli- cher Interessen bildender Künstler. Dafür wurden sie als „Funktionärsclique aus Frankfurt“ beschimpft. Heute sorgen die Verwertungsgesellschaften dafür, dass Urheber nicht leer ausgehen, sondern dass sie über die von ihnen nicht selbst wahrzunehmenden Rechte eine angemessene Beteiligung an den Vergütungen für die Nutzung ihrer Werke erhalten. Nach 35-jähriger Tätigkeit der VG VG BILD-KUNST konnte der Vorstand 2003 über Erlöse in Höhe von 40,2 Mio. Euro berichten: Eine bemerkenswerte Entwick- lung, die ohne die engagierte Unterstützung der Berufsverbände und Organisationen der Bildurheber und deren Eintreten für die Anwendung geltender Gesetze und der Entwicklung der Gesetzgebung nicht möglich gewesen wäre: Der starke Anstieg der Erlöse war vor allem in der erstmaligen Auszahlung der CD- Brenner-Vergütung von 6,9 Mio. Euro begründet. Im Jahr 2005 betrugen die Ausschüttungen an die Urheber 38,4 Mio. Euro und 2006 (bei einem Verwal- tungskostensatz von 5,62 % und 39.012 Wahrneh- mungsberechtigten) 36,5 Mio. Euro. Karikatur: Dieko Müller Verwertungsgesellschaften – Was tun sie? politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 13

Fortsetzung von Seite 12 kämpfen. Zeitgenössische Künstler, die ernste Musik Statements schaffen, hätten noch mehr wirtschaftliche Probleme, Die Aufgaben der VG BILD-KUNST für die Jahre 2007 da sie nicht mehr von einer Quersubventionierung durch und 2008 werden sich schwerpunktmäßig auf die populäre Musik leben könnten. folgende Bereiche konzentrieren: Es steht weiter in Frage, ob die Nutzer auf lange - Analyse der Zahlungsströme innerhalb der Zentral- Sicht tatsächlich einen Gewinn hätten, wenn sie einem stelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) und europaweiten Oligopol gegenüberstehen oder ob die Neuorganisation der zufließenden Erträge (die ZPÜ bestehenden Verwertungsgesellschaften mit ihren Ge- ist die älteste und aus wirtschaftlicher Sicht genseitigkeitsverträgen dem Wettbewerb nicht zuträg- bedeutendste Form der Zusammenarbeit der licher sind. deutschen Verwertungsgesellschaften. Sie hat die Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass ähnliche Aufgabe, die Vergütungsansprüche gegenüber den Empfehlungen für andere künstlerische Sparten ausge- Geräteherstellern und -importeuren und gegenüber sprochen werden, so dass der gesamte Kultursektor er- den Leermedienherstellern und -importeuren geltend griffen würde. zu machen und das Vergütungsaufkommen an ihre Gesellschafter, den einzelnen Verwertungsgesell- Kulturverträglich? schaften, zu verteilen). - Abschluss von Verhandlungen zur zulässigen Es stellt sich die Frage, ob die Empfehlung zu Online- Zugänglichmachung von Werken in Universitäten und Musikdiensten einer Kulturverträglichkeitsprüfung im Sin- Hochschulen (Sinn und Zweck des § 52a UrhG ne des Art. 151, 4 des EG Vertrags standhalten würde. besteht in seiner Eigenschaft als Schrankenregelung. Diese Kulturverträglichkeitsprüfung besagt, dass Gemein- Er soll die Verwertungsrechte des Urhebers an seinen schaftspolitiken dahingehend geprüft werden müssen, ob schöpferischen Leistungen limitieren und den sie kulturverträglich sind. Die Empfehlung zu Online- Interessen der Allgemeinheit Rechnung tragen. Für Musikdiensten ist dieses sicherlich nicht. Sie begünstigt die öffentliche Zugänglichmachung ist eine angemes- lediglich die jetzt schon großen Verwertungsgesellschaf- sene Vergütung zu zahlen. Für die ursprünglich als ten, die unter Hintanstellung ihrer kulturellen und sozia- vergütungsfrei vorgesehene Verfügbarkeit für len Verpflichtungen vielleicht kurzfristig einen wirtschaft- Unterrichtszwecke muss die Pflicht zur Zahlung einer lichen Nutzen aus einem solchen Modell ziehen könnten. angemessenen Vergütung über die Verwertungsgesell- Auf Dauer besteht aber die Gefahr, dass sie verlieren, denn schaften beibehalten bleiben). auch die erfolgreiche populäre Musik braucht eine Basis, - Entwicklung von Verwaltungsmöglichkeiten für die auf der sie entwickelt werden kann. Abwicklung des Vergütungsanspruchs aus der Eigentlich hätte hier der EU-Kulturkommissar die Erschließung von Archivrechten gemäß § 137 l neuer Notbremse ziehen müssen, wenn ein solches Thema auf Fassung (in der Frage der Erschließung von „Archiv- die europäische Agenda gebracht wird. Das Instrument schätzen“ ist es den Rechtsinhabern gelungen, die des Soft Law bietet allerdings die Möglichkeit, quasi durch Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit der Vergütun- die kalte Küche, vollendete Tatsachen zu schaffen. gen für die Nutzung von bisher in Archiven verschlos- senen Werken durchzusetzen. Damit wird aus Sicht Kulturelle Vielfalt der VG BILD-KUNST die Voraussetzung dafür geschaffen, dass in diesen Situationen – der Aber noch in weiterer Hinsicht ist die Empfehlung der Aufnahme der Auswertung von Archivwerken – Kommission zu den Online-Musikdiensten bedenklich. zumindest eine angemessene Vergütung durch die Seit dem Jahr 2003 wird über die Konvention Kulturelle Verwertungsgesellschaften durchgesetzt werden Vielfalt debattiert. Nicht zuletzt ausgelöst durch die kann). GATS-Verhandlungen im September 2003 in Cancun Die VG BILD-KUNST hat sich – und dies entspricht (Mexiko) wurde von der UNESCO-Generalversammlung ebenso dem Willen der Mitglieder ihrer Gremien wie im Herbst 2003 in Paris beschlossen, eine Konvention dem Gesetz – nicht nur um die Wahrnehmung der zum Schutz der kulturellen Vielfalt zu erarbeiten. Dieses Bewegte Bilder: Der Film wird zum festen Bestandteil unserer Kultur. Foto: Stefanie Ernst Rechte und Ansprüche ihrer Mitglieder bemüht, erfolgte auch sehr rasch und bereits im Herbst 2005 sondern gleichzeitig Aufgaben im Interesse der wurde das „UNESCO-Übereinkommen über den Schutz auf. Es wurde befürchtet, dass die Liberalisierung zu turelle Vielfalt auch auf die Bedeutung des geistigen Gesamtheit der Urheberinnen und Urheber übernom- und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksfor- Lasten der kulturellen Vielfalt und zur weiteren Domi- Eigentums zur Sicherung der kulturellen Vielfalt einge- men: Sie gibt in die Kulturwerk GmbH einen men“ (kurz Konvention Kulturelle Vielfalt) verabschie- nanz der angloamerikanischen Kulturgüter führen könn- gangen. angemessenen Anteil ihrer Erlöse zur Förderung det. Im März 2007 trat die Konvention Kulturelle Viel- te. Die Konvention Kulturelle Vielfalt soll hierzu ein Obwohl die Konvention Kulturelle Vielfalt in Bezug kulturell bedeutender Werke aller Bereiche ihrer falt in Kraft, nachdem sie von mehr als 52 UNESCO- Gegengewicht bilden. Als völkerrechtliches Dokument auf die GATS-Verhandlungen entwickelt wurde, erschöpft Mitgliedschaft und trägt über die Stiftung Sozialwerk Mitgliedstaaten ratifiziert worden waren. Erforderlich kann sie in den GATS-Verhandlungen als Argument sie sich nicht darin. Sie entfaltet auch eine Bedeutung dafür Sorge, dass Künstlerinnen und Künstler waren lediglich 30. gegen eine Liberalisierung angeführt werden. Für die im nationalen Kontext. Die Unterzeichnerstaaten ver- finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten, die Die Konvention Kulturelle Vielfalt war eigentlich als Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhandelt die pflichten sich nämlich, auch in ihrem eigenen Land die durch die Maschen des Sozialnetzes der Kulturberufe völkerrechtliches Instrument gegenüber den GATS-Ver- EU bei den GATS-Verhandlungen. Die EU hat sich auch kulturelle Vielfalt zu gewährleisten. Darüber muss alle fallen. handlungen (Allgemeines Übereinkommen über den für die Konvention Kulturelle Vielfalt stark gemacht, vier Jahre Bericht erstattet werden. Bundesregierung und EG-Kommission haben bisher Handel mit Dienstleistungen) der Welthandelsorganisa- an den Verhandlungen mitgewirkt und sie bereits rati- großen Wert auf die Sicherung der Rechte der tion (WTO) gedacht. Im Rahmen der GATS-Verhandlun- fiziert. Mehr als heiße Luft Künstler und Bildautoren gelegt und die Autoren gen tauchte auch die Forderung nach einer Liberalisie- Neben den grundsätzlichen Aussagen zur Bedeu- auch über ihre Berufsverbände ermutigt, sich dieser rung der Märkte für Kulturgüter und -dienstleistungen tung der kulturellen Vielfalt wird in der Konvention Kul- Indem von der Europäischen Gemeinschaft die Konven- Rechte bewusst zu werden und sie zu nutzen. Die tion Kulturelle Vielfalt ratifiziert wurde, hat sie sich auch Sicherung der Urheberrechte im Bereich der verpflichtet, innergemeinschaftlich für kulturelle Vielfalt individuellen Vermarktung und zunehmend auch im Sorge zu tragen und das heißt mehr als – eher beschei- Bereich der kollektiven Wahrnehmung sowie den ausgestattete – Kulturprogramme aufzulegen oder Verteidigung dieser Rechte durch Verwertungsgesell- für Sprachenvielfalt einzutreten. schaften hat die „Funktionärsclique aus Frankfurt“ Kulturelle Vielfalt kann nur gesichert werden, wenn schon früh erkannt. dieser Gedanke in allen Politikfeldern berücksichtigt Einen Teil Freizeit für ein Engagement in Berufsorga- wird. Die Kulturverträglichkeitsprüfung wäre – konse- nisationen abzugeben ist nicht immer selbstverständ- quent angewendet – ein ideales Instrument um inner- lich, jedoch berufspolitisch geboten. Der persönliche halb der Europäischen Gemeinschaft sicherzustellen, Vorteil liegt im Vorsprung an Erfahrung: Wer das dass die kulturelle Vielfalt gewahrt wird. Leben nur als Schauplatz sieht, der muss Eintritt Die Empfehlung zu den Online-Musikdiensten weist zahlen! aber in eine andere Richtung. Hier zeigt sich, dass es allein um einen kurzfristigen Wettbewerb unter ökono- mischen Vorzeichen geht. Die Nutzer von Online-Mu- sikrechten sollen diese Rechte möglichst günstig erwer- ben können. Dabei wird nicht danach gefragt, wovon die Komponisten, Textdichter und Interpreten dieser Musik leben sollen und wie ein möglichst breites Re- pertoire sehr unterschiedlicher Musik – eben kulturelle Vielfalt – erhalten werden kann. Es kommt nun auf zweierlei an: Zum einen muss das Bewusstsein geschärft werden, dass die Konvention Kulturelle Vielfalt auch den nationalen bzw. europäischen Rechtsrahmen betrifft, die Konvention Kulturelle Vielfalt muss also mit Leben gefüllt werden. Zum anderen kommt Lutz Hackenberg. Foto: AGD es nun auf die Unternehmen und die Verwertungsgesell- schaften an, ob sie diese Empfehlung umsetzen. Gerade die Verwertungsgesellschaften aus dem Musikbereich haben hier eine große Verantwortung. Sie stehen tatsäch- lich vor der Frage: Kultur oder Kommerz? Je nachdem wie die Antwort ausfällt, wird auch der nationale Gesetzgeber reagieren müssen und wird ge- gebenenfalls in den Verwertungsgesellschaften die über viele Jahrzehnte bewährte Solidarität der Urheber in Frage stehen.

DER VERFASSER IST HERAUSGEBER VON POLITIK UND KULTUR UND GESCHÄFTSFÜHRER DES DEUTSCHEN Technik von heute, Design von gestern: Radio, CD-Player und Kassettenrekorder in einem. Foto: Kristin Bäßler KULTURRATES Verwertungsgesellschaften – Aufsicht politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 14

Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages schaft Deutschlands zu befassen. In verschiedenen An- Pflicht, darüber zu wachen, dass die Verwertungsgesell- denen sie Partei ist, der Aufsichtsbehörde zur Verfügung „Kultur in Deutschland“ wurde in der 15. Legislatur- hörungen der Enquete-Kommission wurden Fragen des schaft ihren Verpflichtungen nachkommt. Die Aufsichts- stellen, sofern dieses von der Aufsicht verlangt wird. periode erstmals mit dem Auftrag eingesetzt, dem Urheberrechts und des Urheberrechtswahrnehmungsge- behörde ist berechtigt an der Mitgliederversammlung der Darüber hinaus kann die Aufsichtsbehörde jederzeit Deutschen Bundestag konkrete Vorschläge zur Verbes- setzes angesprochen. Speziell zum Urheberrechtswahr- Verwertungsgesellschaft und, sofern ein Aufsichtsrat oder Auskunft über alle die Geschäftsführung betreffenden serung der Rahmenbedingungen für die Kultur in nehmungsgesetz hat die Enquete-Kommission eine ei- Beirat besteht, auch an seinen Sitzungen teilzunehmen. Angelegenheiten sowie die Vorlage der Geschäftsbü- Deutschland zu unterbreiten. Da die Enquete-Kommis- gene Anhörung durchgeführt, zu der unter anderem das Die Verwertungsgesellschaften müssen der Aufsichtsbe- cher und anderer geschäftlicher Unterlagen verlangen. sion aufgrund der verkürzten Legislaturperiode ihre Deutsche Patent- und Markenamt eingeladen wurde. Die hörde jede Satzungsänderung, die Tarife und jede Tarif- Arbeit nicht zu Ende führen konnte, wurde sie in der Enquete-Kommission wird auch zur Frage der künftigen änderung, die Gesamtverträge, die Vereinbarungen mit Bei der Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur in 16. Legislaturperiode erneut eingesetzt. Regelung der Aufsicht dem Deutschen Bundestag Vor- ausländischen Verwertungsgesellschaften, die Beschlüs- Deutschland“ kam zum Ausdruck, dass zwischen den schläge unterbreiten. se der Mitgliederversammlung, eines Aufsichtsrates oder Aufgaben, die die Aufsicht wahrnehmen soll und der Die Enquete-Kommission hat den Auftrag, sich mit dem Beirats und aller Ausschüsse, den Jahresabschluss, den Personalausstattung des Deutschen Patent- und Mar- Strukturwandel der öffentlichen und privaten Förde- Bislang obliegt der Aufsicht die Genehmigung einer Ver- Lagebericht und den Prüfungsbericht unverzüglich mit- kenamts für diese Aufgabe eine Diskrepanz besteht. rung von Kunst und Kultur, der wirtschaftlichen und wertungsgesellschaft sowie gegebenenfalls der Entzug teilen. Weiter muss eine Verwertungsgesellschaft Entschei- sozialen Lage der Künstler sowie mit der Kulturland- dieser Erlaubnis. Weiter hat die Aufsichtsbehörde die dungen in gerichtlichen oder behördlichen Verfahren, in DIE REDAKTION

Das Prinzip der kulturellen Rechtewahrnehmung verteidigen Interview mit MdB Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ politik und kultur (puk): Frau Connemann, warum be- im Vergleich zu der Betreuung geistiger Schutzrechte schäftigt sich die Enquete-Kommission „Kultur in nur einen sehr geringen Stellenwert ein. Nur fünf Mitar- Deutschland“ mit den Verwertungsgesellschaften? beiter bilden das Referat „Urheberrecht“, das die ge- Connemann: Die Enquete-Kommission wurde mit dem setzlich vorgeschriebene Aufsicht der Verwertungsge- Auftrag eingesetzt, eine Bestandsaufnahme über die sellschaften leisten soll. Diese Abteilung kann schon qua Situation von Kunst und Kultur in Deutschland zu er- Zuschnitt immer nur eine „Randerscheinung“ sein. Ich stellen und daraus Handlungsempfehlungen für den halte aber auch das Aufgabenverständnis des DPMA für Gesetzgeber abzuleiten. Dabei muss es natürlich auch problematisch. Es sieht sich nicht in der Pflicht, im kon- um die wirtschaftliche und soziale Lage der Kulturschaf- kreten Einzelfall einzugreifen. Es beschränkt sich fenden in Deutschland gehen, denn sie sind das Funda- lediglich auf eine abstrakte Evidenzkontrolle. Im Gesetz ment, auf dem unsere kulturelle Entwicklung ruht. steht aber an keiner Stelle, dass die Aufsichtsbehörde solche Einzelprüfungen nicht durchführen soll oder darf. puk: Verwertungsgesellschaften tragen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Künstlern bei. Dann puk: Was schlagen Sie vor? ist doch alles in Ordnung? Connemann: Aus meiner Sicht sollte die Aufsicht über Connemann: Damit Künstlerinnen und Künstler ihr die Verwertungsgesellschaften durch eine unabhängi- geistiges Eigentum verwerten können, brauchen wir das ge Institution erfolgen, die diese Tätigkeit als Schwer- Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung und zwar punkt ihrer Arbeit versteht. Ideal wäre eine Regulierungs- so, wie es vom Gesetzgeber im Urheberrechtswahrneh- behörde. Diese Aufsicht müsste zudem im Einzelfall kon- mungsgesetz ausgestaltet worden ist. Zu diesem Mo- trollieren, ob die Verwertungsgesellschaften ihren ge- dell gehören zwingend starke Verwertungsgesellschaf- setzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkom- ten. So wie die übrigen Mitglieder der Enquete-Kom- men. mission halte auch ich deren Arbeit im Grundsatz für notwendig und richtig. Dennoch glaube ich, dass spezi- puk: Wenn Sie mangelnde Aufsicht kritisieren, dann ell in diesem Bereich – der übrigens von der Politik bisher unterstellen Sie auch, dass die Verwertungsgesellschaf- noch nicht hinterfragt worden ist – Handlungsbedarf ten stärker kontrolliert werden müssen? gegeben ist und deutliche Verbesserungsmöglichkeiten Connemann: So wie es der Gesetzgeber ohnehin bereits bestehen – zugunsten der Künstlerinnen und Künstler. klar vorgegeben hat. Denn die Verwertungsgesellschaf- ten haben faktisch eine Monopolstellung. Es muss also puk: Was meinen Sie genau? eine Kontrolle stattfinden, um Missbrauch zu begegnen. Connemann: Da ist zunächst einmal die Frage der Auf- Nehmen Sie beispielsweise den doppelten Kontrahie- sicht. Im Januar diesen Jahres hat die Enquete-Kommis- rungszwang: Er besagt, dass eine Verwertungsgesell- Gitta Connemann. Foto: Deutscher Bundestag sion eine öffentlichen Anhörung durchgeführt, an der schaft jeden Künstler des von ihr vertretenen kulturel- Vertreter der Verwertungsgesellschaften, unabhängige len Bereichs auch tatsächlich aufnehmen muss und im ne-Rechten für einen Major gegründet, die in der stimmung mit vielen Verwertungsgesellschaften, die ja Experten und auch der Präsident des Deutschen Patent- Anschluss seine Rechte konsequent wahrzunehmen hat. Rechtsform einer GmbH agiert und deren Handeln da- nach der Gründung der CELAS ihre Sorgen europaweit und Markenamts (DPMA) teilgenommen haben. Aus mit auf rein wirtschaftliche Ziele gerichtet sein muss. geäußert haben. Daraus folgt für mich eine klare Auf- seiner Stellungnahme habe ich den Eindruck erhalten, puk: Aber so verstehen sich doch auch alle Verwertungs- Es greift weder der Abschluss- noch der Wahrneh- gabenteilung: Die Politik hat die Aufgabe, das Prinzip dass es dort an den personellen noch strukturellen Vor- gesellschaften in Deutschland? mungszwang. Diese Tochter kann sich also vorbehal- der kollektiven Rechtewahrnehmung zu verteidigen und aussetzungen fehlt, um eine effektive Aufsicht zu Connemann: Ja, das ist so – bislang. Es gibt jedoch ten, nur noch ausgesuchte Künstler zu vertreten und insoweit die Verwertungsgesellschaften vor Wettbewerb gewährleisten. Das DPMA beschäftigt ca. 2.600 Mitar- aktuelle Entwicklungen, die dieses Bild trüben. So hat bestimmte Vermarkter von der Verwertung auszuschlie- zu schützen. Diese Position sollten wir auch auf euro- beiter, die eine große Bandbreite an Aufgaben haben. die GEMA zusammen mit der MCPS CRS eine Tochter- ßen. päischer Ebene gemeinsam vehement vertreten. Im Ge- Die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften nimmt gesellschaft namens CELAS zur Wahrnehmung von Onli- genzug müssen sich aber die Verwertungsgesellschaf- puk: Man kann an diesem Punkt entgegen halten, dass ten darauf beschränken, ihren im Gesetz verankerten die Vorgaben und Richtlinien der EU-Kommission ex- Aufgaben nachzukommen, und nicht als Wirtschaftsun- akt diese wirtschaftliche Ausrichtung der Verwertungs- ternehmen tätig zu werden. Andernfalls wäre ihre fakti- gesellschaften fordern. Die GEMA reagiert doch nur sche Monopolstellung nicht mehr zu rechtfertigen. Dazu auf einen künstlich erzeugten Wettbewerb unter den gehört für mich auch, dass keine Tochterunternehmen Verwertungsgesellschaften, den die EU-Kommission gegründet werden, die auf den Datenbestand der Mut- entfacht hat. tergesellschaft zurückgreifen, aber wegen ihrer Rechts- Connemann: Wenn man sich der Meinung der EU-Kom- form nicht der Aufsicht unterworfen sind. mission anschließen wollte, wäre das in der Tat ein Pro- blem. Aber das ist genau die Frage. Hier stehen wir mei- puk: In welchen Bereichen sollte die Aufsicht außerdem ner Meinung nach an einem Scheideweg: Wollen wir noch verstärkt tätig werden? Verwertungsgesellschaften zukünftig nur noch als Rech- Connemann: Erforderlich ist aus meiner Sicht eine grö- temakler und Inkassounternehmen begreifen oder als ßere Transparenz. Beispielsweise muss jede Verwertungs- kulturnahe Einrichtungen? Sollen Verwertungsgesell- gesellschaft eine Vorsorge- und Unterstützungseinrich- schaften in Zukunft ausschließlich wirtschaftliche Inte- tung einrichten, an die ein bestimmter Prozentsatz des ressen verfolgen oder soll weiterhin ihre kulturelle und Gesamtaufkommens abgeführt werden muss. Diese So- soziale Verpflichtung im Vordergrund stehen? Kommerz zialwerke sollen Leistungen im Alter, bei Krankheiten oder Kultur. Das ist die Frage. Und die Antwort darauf etc. leisten. Es gibt nun aber nicht für jede Verwertungs- müssen wir selbst geben. Denn die EU-Kommission ist gesellschaft aussagekräftige valide Daten, ob und in bislang in ihren Bestrebungen auch auf EU-Ebene iso- welchem Umfang Mittel an die jeweiligen Sozialwerke liert. So vertritt zum Beispiel das EU-Parlament eine abgeführt werden. andere Auffassung. Und es ist mehr als fraglich, ob Bei der Tarifaufstellung sehe ich Defizite hinsicht- die EU-Mitgliedstaaten den von der Kommission ein- lich der Nachvollziehbarkeit. geschlagenen Weg tatsächlich mitgehen werden und Schließlich wirft die Mitwirkung bei der Verteilung der sollen. Einnahmen für mich Fragen auf. Das Gesetz schreibt vor, dass jeder Urheber angemessen für die Nutzung seiner puk: Ist das ein klares Bekenntnis zum kulturellen und Werke zu vergüten ist. Wenn aber der Verteilungsplan sozialen Auftrag der Verwertungsgesellschaften? innerhalb einer Verwertungsgesellschaft mit rund 60.000 Connemann: Ich kann und darf an dieser Stelle das Wahrnehmungsberechtigten nur von deren knapp 3.000 Ergebnis der Enquete-Kommission nicht vorwegnehmen. ordentlichen Mitgliedern aufgestellt wird, ist zu hinter- Aber meine persönliche Meinung ist klar und eindeutig: fragen, ob eine demokratische Teilhabe gewährleistet ist. Wir müssen an dem bisherigen System festhalten. Denn Schon an diesen ausgewählten Beispielen zeigt sich nur so ist dauerhaft kulturelle Vielfalt gewährt. Nur so sicherlich, dass eine starke Aufsicht im Sinne aller Kul- kommen auch diejenigen Künstlerinnen und Künstler turschaffenden in Deutschland ist. zum Zug, die nicht den großen wirtschaftlichen Erfolg Über die Wahlscheibe konnten europaweit Radiosender angewählt werden. Foto: Stefanie Ernst erzielen. Ich sehe mich da übrigens auch in Überein- DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VON MICHEL Verwertungsgesellschaften – Aufsicht politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 15

Einsicht nehmen, prüfen, abstimmen, beaufsichtigen Die Referatsleiterin der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), Senta Bingener, und der Vorsitzende der Schiedsstelle im DPMA, Jörg Portmann, über die Rolle und Aufgaben des DPMA politik und kultur (puk): Mit welchen konkreten Fra- sion „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundesta- gestellungen beschäftigt sich das DPMA im Rahmen sei- ges und müssen abgewartet werden. Dieses aufsichts- ner Rolle als Aufsicht über die Verwertungsgesellschaf- rechtliche Instrumentarium nutzt das DPMA derzeit aus ten? meiner Sicht grundsätzlich effizient. Allerdings würden Dr. Bingener: Nachdem die Tätigkeit einer Verwertungs- wir Beschwerden über Verwertungsgesellschaften gerne gesellschaft einer Erlaubnis bedarf, sind wir zunächst häufiger noch schneller bearbeiten, als wir dies aufgrund für die Prüfung und die Erteilung einer Genehmigung der personellen Ausstattung immer können. Rein wirt- zuständig. Ebenso ist das DPMA natürlich auch für den schaftlich stehen den Kosten der Aufsicht über die Ver- Widerruf dieser Erlaubnis zuständig, wenn die Voraus- wertungsgesellschaften beim DPMA von deutlich unter setzungen für die Tätigkeit als Verwertungsgesellschaft einer halben Million Euro Einnahmen der Verwertungs- nicht mehr vorliegen oder eine Verwertungsgesellschaft gesellschaften von deutlich über einer Milliarde Euro wiederholt ihren Verpflichtungen zuwiderhandelt. Den gegenüber. Schwerpunkt unserer Arbeit bildet aber die laufende Aufsicht über die existierenden Verwertungsgesellschaf- puk: Mit der Novellierung des Urheberrechts (2. Korb) ten, die eine Reihe von Prüfungen beinhaltet. Vor allem kommt der Schiedsstelle im DPMA eine wesentlich stär- kontrollieren wir dabei, dass die Verwertungsgesellschaf- kere Rolle zu, denn sie soll bei der Festlegung von Tari- ten einerseits die Rechte gegenüber den Urhebern zu fen zwischen den gegnerischen Parteien vermitteln. angemessenen Bedingungen wahrnehmen, also dass die Halten Sie diesen Weg für praktikabel? Kreativen eine angemessene Vergütung für die Nutzung Jörg Portmann: In der Tat soll die Schiedsstelle in Zu- ihrer Werke erhalten. Andererseits stellen wir sicher, dass kunft immer dann angerufen werden, wenn sich Ver- auch die Verträge mit den Nutzern zu angemessenen wertungsgesellschaften und Nutzer nicht sofort über Bedingungen geschlossen werden, also dass z.B. die einen Tarif zur Abgeltung urheberrechtlicher Leistungen Tarife in einem gesunden Verhältnis zur Nutzung ste- für Geräte und Speichermedien einigen können. Unsere hen. Aufgabe ist es dann, mithilfe eines unabhängigen Gut- Denn im Gegensatz zu einer privaten Rechteagen- achtens, das von uns in Auftrag gegeben wird, den tat- Senta Bingener. Foto: privat Jörg Portmann. Foto: W. Guth tur, die nicht dem staatlichen Einfluss unterliegt, muss sächlichen Umfang der urheberrechtlich relevanten Nut- eine Verwertungsgesellschaft tatsächlich jeden Urheber zung zu erfassen und danach eine Einigung herbeizu- des Gutachtens bis zur Aushandlung der Vergütungshö- puk: Was geschieht, wenn trotzdem keine Einigung aufnehmen. Außerdem ist sie verpflichtet, seine Rechte führen. Ich halte dieses Vorgehen grundsätzlich für sehr he in etwa sechs Monaten zu bewältigen ist. Zuvor muss zwischen den Parteien erzielt werden kann? nach Abschluss des Berechtigungsvertrags auch wahr- geeignet, eine realistische Komponente in die gesamte allerdings gemeinsam mit den Beteiligten der konkrete Jörg Portmann: Dann werden nach wie vor die Gerich- zunehmen und ihm nach Abzug der nötigen Verwal- Tarif-Diskussion einzubringen. Das neue System ist ge- Gutachterauftrag festgelegt werden. Hierfür dürften te angerufen, allerdings wurde eine Instanz aus dem tungskosten die im Gesetz verankerte „angemessene rechter, weil es auf realen Nutzungszahlen basiert und mindestens drei Monate erforderlich sein. Wenn wir rea- Prozess eliminiert. Das Verfahren geht direkt zum Ober- Vergütung“ auszuschütten. In der Praxis setzen wir un- nicht auf abstrakt im Gesetz verankerten Tarifen. listisch davon ausgehen, dass es mehrere Verfahren für landesgericht und dann zum Bundesgerichtshof. sere Aufsichtspflicht durch eine Vielzahl von Maßnah- Allerdings plädieren wir sehr stark dafür, dass im Rah- Drucker, Scanner, PC etc. geben wird, so wird die Frist von men um; wir haben zum Beispiel Einblick in die Ge- men der anstehenden Verhandlungen nach Möglichkeit zwei Jahren wohl gerade ausreichen, um die neuen Tarife DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VON schäftsbücher, nehmen an Mitgliederversammlungen überall dort, wo es möglich ist, Gesamtverträge abge- für alle Nutzungsformen verbindlich festzulegen. MICHEL und Sitzungen von Aufsichtsrat oder Beirat einer Ver- schlossen werden. Damit verringert sich das Prozessri- wertungsgesellschaft teil, prüfen neue Tarife auf Ange- siko für alle Beteiligten und die Schiedsstelle kann so messenheit, und stimmen uns mit den Geschäftsführun- genannte „Billigkeitsgründe“ geltend machen und so gen der Verwertungsgesellschaften bereits im Vorfeld beispielsweise Rabatte gewähren. Das wird nicht mög- über geplante Vorhaben ab. lich sein, wenn wir für jede Nutzungsart und jeden Ge- rätetyp mit jedem Hersteller, Importeur bzw. Händler puk: Ist das Kontrollinstrumentarium des DPMA Ihrer gesondert verhandeln müssen. Meinung nach ausreichend? Dr. Bingener: Das gesetzliche Aufsichtsinstrumentari- puk: Erwarten Sie also, dass mit Inkrafttreten der Ur- um, wie es seit der Gesetzesänderung durch das Gesetz heberrechtsnovelle schlagartig Frieden eingekehrt zwi- zur Regelung des Urheberrechtes in der Informations- schen Verwertungsgesellschaften und den Nutzern, und gesellschaft existiert, ist aus unserer Sicht weitestge- sich alle am Verhandlungstisch die Hände reichen? hend ausreichend: Es beinhaltet eine Generalbefugnis, Jörg Portmann: Nein, ganz so einfach wird es wohl die es dem DPMA ermöglicht, alle erforderlichen Maß- nicht gehen, wenngleich wir im Bereich der Nutzung nahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Ver- von Ruftonmelodien, Musikvideos und Tonträger/CDs wertungsgesellschaft ihre Pflichten erfüllt. Dazu gehö- bereits drei konkrete Verhandlungsergebnisse mit Ge- ren neben formlosen Hinweisen, formelle Abmahnun- samtvertragspartnern vor der Schiedsstelle aufzuweisen gen und der Erlass von Verwaltungsakten auch der Wi- haben, von denen sich zumindest zwei bis jetzt als trag- derruf der Erlaubnis und die Untersagung des Geschäfts- fähig für beide Seiten erweisen haben. Natürlich bin ich betriebes. Das mögliche Zwangsgeld wurde auf eine realistisch – in den kommenden zwei Jahren, die der Ge- Obergrenze von 100.000 Euro angehoben. Gesetzliche setzgeber als Übergangsfrist zur Festsetzung neuer Tarife Verbesserungsmöglichkeiten, die den Rechtsweg gegen gewährt, kommt gehörig Arbeit auf uns zu. Wir beantra- Entscheidungen des DPMA gegenüber einer Verwer- gen gerade zusätzliche Beisitzerkapazitäten und erstel- tungsgesellschaft betreffen, sind gegenwärtig Gegen- len erste Zeitplanungen. Demnach gehen wir davon aus, stand der Diskussion im Rahmen der Enquete-Kommis- dass ein solcher Einigungsprozess von der Beauftragung

Die Rolle des Deutschen Patent- und Markenamtes im Prozess der Rechteverwertung in Deutschland

Zum einen verschafft das gesetzliche Konstrukt, das tungsgesellschaften im Innenverhältnis zum wahrneh- die Beauftragung von Verwertungsgesellschaften mungsberechtigten Urheber sowie im Außenverhält- durch den Urheber mittels eines Berechtigungsver- nis zum Nutzer bedurfte jedoch nach Ansicht des Ge- trags vorsieht, den Verwertungsgesellschaften die setzgebers gleichzeitig eines Korrektivs. Dieses wur- Position eines Treuhänders der von ihnen vertrete- de durch die Konstitution einer staatlichen Aufsicht nen Urheber und Leistungsschutzberechtigten mit über die Verwertungsgesellschaften geschaffen – den einem nicht unerheblichen Handlungsspielraum. Da Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenam- die Verwertungsgesellschaften die ausschließlichen tes. Das DPMA ist dem für Fragen des Urheberrechts Nutzungsrechte der jeweils von ihnen vertretenen zuständigen Bundesjustizministerium (BMJ) nachge- Urheber an bestimmten Urheberrechten kollektiv, ordnet und ist als Bundesbehörde für die deutschland- also für viele Rechteinhaber, wahrnehmen, erlangen weite Aufsicht besonders geeignet. sie außerdem häufig ein faktisches Monopol für eine Vielzahl von gleichen Rechten. Existiert für eine be- Innerhalb des DPMA wird die Aufsicht durch ein Refe- stimmte Art von Urheberrechten – wie es oft der Fall rat wahrgenommen, das derzeit mit vier Juristen und ist – nur eine einzige Verwertungsgesellschaft, hat drei weiteren Mitarbeitern besetzt ist. Neben ihrer Zu- sie national das Monopol für alle Rechte dieser Art. ständigkeit für die Erlaubniserteilung als Verwertungs- Meistens hat sie zudem noch engmaschige Gegen- gesellschaft tätig zu sein, achtet die Bundesbehörde seitigkeitsverträge mit den Verwertungsgesellschaf- im Rahmen ihrer laufenden Kontrolle darauf, dass die ten anderer Länder, und verfügt insoweit sogar über Verwertungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflich- ein Weltmonopol. tungen nachkommen. Nicht Gegenstand der Aufsicht ist allerdings die Prüfung von Vergütungsforderungen Diese beiden Punkte waren vom Gesetzgeber des Ur- einer Verwertungsgesellschaft in konkreten Einzelfäl- heberrechtswahrnehmungsgesetzes im Jahr 1965 im len. An dieser Stelle kommt die Schiedsstelle beim DPMA Interesse einer ökonomischen Wahrnehmung gleich- ins Spiel, die in Streitfällen von den Nutzern der Vergü- artiger Rechte aus einer Hand zwar durchaus ge- tungstarife angerufen werden muss, bevor ein ordent- wünscht. Die darin angelegte Machtfülle der Verwer- liches Gerichtsverfahren angestrebt wird.

Erinnerungen an Gutenberg: Nachbildung einer hölzernen Presse aus dem 17.Jahrhundert. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 16

Treuhänder der Kreativen Zur kulturellen und sozialen Dimension der Verwertungsgesellschaften I Von Artur-Axel Wandtke Es wird immer wieder Kritik an den Verwertungsgesell- schaften geübt oder sogar deren Existenz als anachro- nistisch im digitalen Zeitalter bezeichnet. Dabei wird vergessen, dass sie in einem ganz bestimmten histori- schen Kontext entstanden sind und nur in Verbindung mit der Entwicklung des Urheberrechts betrachtet wer- den können.

enn in der Geschichte des Urheberrechts hat es D immer wieder Zeiten gegeben, in denen entweder von einem Wandel oder von einer Legitimationskrise des Urheberrechts gesprochen wurde. Manchmal hilft ein Blick in die Geschichte, um die kulturelle und soziale Dimension der Verwertungsgesellschaften zu verstehen. Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732- 1799), Autor der bekannten Bühnenstücke „Der Barbier von Sevilla“ und „Die Hochzeit des Figaro“, ließ am 20. Februar 1791 im „Le Moniteur“ die Verfassung der ers- ten Verwertungsgesellschaft der Welt (Die Gesellschaft dramatischer Autoren) veröffentlichen und seine Stücke und die der anderen Autoren durch diese verwalten (Jac- ques Boncompain, La révolution des auteurs, Paris 2002, S. 285). Mit dem Zusammenschluss der Bühnenautoren sollte deren Rechtsstellung gestärkt werden, weil die Autoren kaum eine individuelle Kontrolle über die Auf- führungen ihrer Stücke in Frankreich ausüben konnten. Das andere Motiv von Beaumarchais bestand da- rin, die Tyrannei der Comédie Française zu brechen, die die Bühnenstücke entweder unentgeltlich oder mit ei- nem geringen Entgelt aufführen ließ. Beaumarchais wollte den Zugang der Werke für jedermann erreichen. Im Gegenzug sollte der Verwerter eine angemessene Vergütung zahlen. Diese Forderungen gelten auch in der Gegenwart. Die im Laufe der Geschichte entstandenen Verwertungsgesellschaften in Deutschland stehen bis heute vor einem ähnlichen Problem. Die von den Urhe- bern und Leistungsschutzberechtigten gegründeten Ver- wertungsgesellschaften (z.B. VG Wort, VG BILD-KUNST, GVL, GEMA u.a.) sind gesetzlich berechtigt und ver- pflichtet, für die Nutzung der Werke eine gesetzliche angemessene Vergütung von dem Verwerter oder der Geräteindustrie zu verlangen. Die entsprechenden Ver- gütungen, die die Verwertungsgesellschaften nach ei- nem ganz bestimmten Verteilerschlüssel an die Urhe- ber, Verleger und Leistungsschutzberechtigten ausschüt- ten, beruhen auf Verteilungsplänen, die die Betroffenen eigenverantwortlich aufstellen. Die Verwertungsgesell- schaften als Verwaltungseinheiten sind im Grunde die Erfüllungsgehilfen der Kreativen. Ihre Aufgabe ist es, mit einem Teil des Gesamtaufkommens der Verwertungsge- Kamera mit Zoomobjektiv für Außenaufnahmen. Foto: Stefanie Ernst sellschaften kulturell bedeutende Werke und Leistun- gen zu fördern (z.B. Begabtenförderung oder Förderung hilfenfonds Wissenschaft der VG-Wort ausgezahlt. Da die Verteilung der Mittel vom Gesamtaufkommen das Prin- und soziale Zwecke fordert, degradiert die Verwertungs- ernster Musik). Verwertungsgesellschaften keine warenproduzierenden zip der Angemessenheit gewahrt werden muss, liegt auf gesellschaft zu reinen Geldeintreibungs- und Geldaus- In Zukunft gilt es mehr denn je die kulturelle Viel- Unternehmen sind, sondern Selbstverwaltungseinrich- der Hand. Für die Verwertungsgesellschaften besteht schüttungsmaschinen. Verwertungsgesellschaften müs- falt in Deutschland und Europa mithilfe der Verwertungs- tungen bzw. Treuhänder der Kreativen, bestimmen sie nicht die Frage, ob Mittel für kulturelle und soziale Zwe- sen im digitalen Zeitalter des 21. Jahrhunderts gestärkt gesellschaften zu fördern. Der Gesetzgeber selbst stellt den Inhalt und Umfang der Verteilung der Mittel. Die cke verteilt werden, sondern wie verteilt wird und wel- und nicht geschwächt werden. mit der rechtlichen Grundlage der Tätigkeit der VG den Mittelvergabe für kulturelle und soziale Zwecke ist des- cher Prozentsatz vom Gesamtaufkommen dafür verwen- unmittelbaren Zusammenhang zwischen kultureller und halb nicht nur zeitgemäß, sondern objektiv notwendig det wird. Über die Höhe lässt sich trefflich streiten. Wer DER VERFASSER IST HOCHSCHULPROFESSOR AN DER sozialer Wirkung derselben her. Die soziale Dimension und subjektiv von den Kreativen gewollt. Dass bei der die Verteilung unter Ausschluss der Mittel für kulturelle HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN der VG ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: 1. So soll über die gesetzliche Vergütung Innovation ge- fördert und damit zum kulturellen Reichtum beigetra- gen werden. Gleichzeitig ist die Vergütung ein Teil des Einkommens der Kreativen, deren Werke oder künstle- Soziale und kulturelle Zwecke rische Leistungen als Gegenleistungen der Allgemein- heit in der realen und virtuellen Welt zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. In der Vergütung spiegelt Verwertungsgesellschaften werden in ihrem Handeln ren. Des Weiteren wird moniert, dass unklar ist, wer gerade dem von der GEMA praktizierten unterschied- sich gleichsam die kulturelle und soziale Dimension bestimmte Restriktionen auferlegt. So können sie sich durch die Sozialwerke unterstützt wird und ob die Mit- lichen Wertungsverfahren ein komplexer Verteilungs- wieder. Deshalb waren im Zusammenhang mit der No- ihre Wahrnehmungsberechtigten nicht aussuchen, son- tel auch gerecht verteilt werden. schlüssel zugrunde liegt, der zu einer angemessenen vellierung des Urheberrechtsgesetzes (sog. Korb II) die dern sind gesetzlich verpflichtet, die Rechte und An- Vergütung beitragen soll. Tilo Gerlach, Geschäftsfüh- Verwertungsgesellschaften vor allem daran interes- sprüche der Wahrnehmungsberechtigten wahrzuneh- Georgios Gounalakis, Professor für Medienrecht an der rer der GVL, stellt am Beispiel der GVL heraus, dass siert, für die Kreativen eine gerechte Vergütungsrege- men. Ebenso ist ihnen ein Abschlusszwang auferlegt. Phillips-Universität Marburg, zieht die sozialen und kul- die Kulturförderung einer Verwertungsgesellschaft in lung gegenüber der Geräteindustrie durchzusetzen. Die Sie müssen also jedermann auf Verlangen und zu an- turellen Zwecke grundsätzlich in Zweifel. Seines Er- die Zukunft gerichtet sein kann. Die GVL fördert unter Praxis wird zeigen, ob dies mit den Neuregelungen gemessenen Bedingungen, wie es das Urheberrechts- achtens ist die soziale und kulturelle Verpflichtung der anderem besonders den musikalischen Nachwuchs. Die geschehen wird. wahrnehmungsgesetz vorschreibt, Nutzungsrechte ein- Verwertungsgesellschaften rechtssystematisch nicht heutigen tätigen Künstler verstehen sich also solida- 2. Die Verwertungsgesellschaften haben einen direk- räumen. Und noch in dritter Hinsicht hat der Gesetz- haltbar. Auch zweifelt er an, ob die Urheber tatsächlich risch mit der nachkommenden Generation. Am Bei- ten sozialen Auftrag durch den Gesetzgeber erhalten. geber den Verwertungsgesellschaften – und damit den die von ihnen verlangte Solidarität gerne erbringen oder spiel der Stiftung Sozialwerk der VG Bild-Kunst stellt Danach sollen die Verwertungsgesellschaften Vorsorge- Wahrnehmungsberechtigten – eine Pflicht auferlegt. ob es sich hier nicht vielmehr um ein tradiertes Missver- Reinhard Meyer, Verwaltungsdirektor der VG Bild- und Unterstützungseinrichtungen für die Inhaber der von Bei der Verteilung der Einnahmen muss beachtet wer- ständnis handelt, zumal eine Reihe von Wahrnehmungs- Kunst, dar, in welchem Volumen Mittel zur Verteilung ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprüche bilden. Die den, dass kulturell bedeutsame Werke und Leistungen berechtigten zwar auf Vergütungen verzichten muss, anstehen, wie differenziert nach den verschiedenen GEMA-Sozialkasse war für die gesetzliche Regelung Vor- besonders berücksichtigt werden (§ 7 UrhWG). Damit selbst aber nicht in den Genuss von Leistungen kom- Berufsgruppen die Mittel ausgeschüttet werden und bild. Die Unterstützung in Not geratener Urheber und wird ein Urgedanke der Verwertungsgesellschaften, men kann. Artur-Axel Wandtke, Professor für Urheber- in welcher Form die Ausschüttung erfolgt. Er unter- Leistungsschutzberechtigter bringt den Solidargedanken nämlich die Solidarität unter den Mitgliedern, in eine recht an der Humboldt-Universität zu Berlin, vertritt die streicht dabei die Bedeutung der sozialen Unterstüt- der Verwertungsgesellschaften zum Ausdruck. Es ent- Rechtsvorschrift gegossen. Der Gesetzgeber hat also gegenteilige Meinung. Er begründet die sozialen und zung für die Künstlerinnen und Künstler. Franka Hell- spricht deshalb auch dem Gebot der Sozialbildung, dass die geltende Praxis und Tradition zusätzlich gesetzlich kulturellen Verpflichtungen der Verwertungsgesellschaf- mannsberger, Geschäftsführerin des Sozialfonds der ein Teil des Aufkommens der Verwertungsgesellschaften abgesichert. Darüber hinaus sind die Verwertungsge- ten aus ihrer Geschichte. Seines Erachtens sind diese VG Wort, exemplifiziert, dass sowohl die Autoren als für soziale Zwecke verwandt wird. Der Abzug vom Auf- sellschaften verpflichtet, Vorsorge- und Unterstüt- Verpflichtungen zeitgemäß, gerade weil Verwertungs- auch die Verleger bzw. deren Hinterbliebene unterstützt kommen der Verwertungsgesellschaften für soziale Zwe- zungseinrichtungen für die Inhaber der von ihr wahr- gesellschaften mehr sind als Inkassounternehmen. Sie werden können. Sie verweist auch darauf, dass der So- cke ist eine gesetzliche Forderung und nicht ein Verfah- genommenen Rechte und Ansprüche einzurichten (§ sind Zusammenschlüsse der Urheber und Rechteinha- zialfonds der VG Wort neben der wichtigen finanziel- ren nach Gutdünken der Verwertungsgesellschaften. Dies 8 UrhWG). Die Sozial- und Unterstützungswerke der ber. Und diese brauchen die Unterstützung ihrer Kolle- len Bedeutung auch ein Ort der Anerkennung verdien- entspricht auch dem Interesse der betroffenen Urheber Verwertungswerke gründen also auf dieser gesetzli- gen. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, ter Autoren ist, was für diese von großer Bedeutung und ausübenden Künstler. Ob ein Verstoß gegen die Be- chen Verpflichtung. stellt am Beispiel der GEMA dar, wie den sozialen und ist. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft lange der Wahrnehmungsberechtigten vorliegt oder nicht, kulturellen Zwecken konkret nachgekommen wird. Sei- der VG Wort ist nach der Deutschen Forschungsgemein- unterliegt der staatlichen Aufsichtsbehörde (Deutsches Die sozialen und kulturellen Zwecke stehen aber auch ner Ansicht nach hat die Tätigkeit der Verwertungsge- schaft der zweitgrößte Zuschussgeber für wissen- Patent- und Markenamt). Als Mitglied der Sozialkommis- immer wieder in der Diskussion. Teilweise wird ange- sellschaften per se eine kulturelle und soziale Dimensi- schaftliche Werke. Seine Arbeit ist damit ebenfalls in sion der VG-Wort weiß ich, wie wichtig es ist, dass z.B. zweifelt, ob es überhaupt noch angemessen ist, dass on, da dank der GEMA die Nutzer unkompliziert Zugang die Zukunft gerichtet. zinslose Darlehen oder andere Zuwendungen an Berech- Verwertungsgesellschaften verpflichtet sind, einen Teil zu den Nutzungsrechten und die Urheber die ihnen zu- tigte vergeben werden. Ebenso werden Gelder für Druck- der Erlöse sozialen und kulturellen Zwecken zuzufüh- stehende Vergütung erhalten. Er macht deutlich, dass DIE REDAKTION kosten und Zuwendungen aus dem Förderungs- und Bei- Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 17

Ein Missverständnis – Kulturförderung und Urheberrecht Die besondere kulturelle und soziale Aufgabe von Verwertungsgesellschaften I Von Georgios Gounalakis Kulturelles Schaffen befriedigt ideelle und geistige Be- dürfnisse der Allgemeinheit. Ebensolche Bedürfnisse dürfen wir auch dem Schöpfer kultureller Erzeugnisse unterstellen. Der allerdings hat regelmäßig noch ein handfesteres Motiv: Er möchte für die Nutzung seiner Werke marktgerecht vergütet werden. Doch wie soll das gelingen, wenn Art und Ausmaß der Werknutzung durch die Allgemeinheit für den einzelnen Urheber gar nicht kontrollierbar sind? Angesichts der unüberschaubaren Möglichkeiten, ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu nutzen, ist der Urheber damit überfordert, für jede einzelne Nutzung Verträge abzuschließen und die ver- einbarten Entgelte einzuziehen.

n bare Münze verwandelt sich das geistige Eigentum I des Urhebers in solchen Fällen mit Hilfe der Verwer- tungsgesellschaften. Ist der Urheber etwa Komponist und Textdichter eines so mittelmäßigen wie erfolgreichen Schlagers, freut er sich darüber, dass die hierfür zuständi- ge Verwertungsgesellschaft GEMA die finanziellen Früchte seines Mittelmaßes einfährt und später an ihn abführt. Die GEMA wird dabei keinen Radiosender, keine Dorfdis- kothek und kein Altenheim aus ihren Inkassoaugen ver- loren haben. Und weil das so ist, treten Radiosender, Dis- kothekenbetreiber, Konzertveranstalter und alle anderen Nutzer urheberrechtlich geschützter Musikwerke bereits von sich aus an die GEMA heran, um die ihrer Nutzung entsprechenden Tarife an sie abzuführen. Die Tarife können sich freilich nicht an der tatsächli- chen Nutzung jedes einzelnen Werks orientieren. Pauscha- lierungen sind daher unumgänglich. Ebenso pauschaliert ist die Ausschüttung an die Urheber. Sie erfolgt nach ei- nem Verteilungsschlüssel der Verwertungsgesellschaft. Insgesamt haben wir es so mit einem System der kollek- tiven Wahrnehmung von Urheberrechten zu tun. Es tritt neben das System urheberrechtlicher Verwertungsrechte und verhilft diesen zur Durchsetzung. Urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte bilden zusammen mit der kol- lektiven Rechtewahrnehmung die beiden Säulen des Ur- heberrechtssystems. Aus rechtlicher Sicht ist diesem Ur- heberrechtssystem nichts hinzuzufügen. Dem verfassungs- rechtlichen Gebot der Eigentumsgarantie, den Urheber Innenleben des Z 23, einem der ersten Computer der Welt. Foto: Stefanie Ernst an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke angemes- sen zu beteiligen, kann nur mit Hilfe der Verwertungsge- Kultur die Vorherrschaft übernimmt: Hier setzt sich das über ter den Bedingungen eines funktionierenden Systems daritätsverhältnis noch weitere Absurditätsstufen hinzu- sellschaften entsprochen werden. Jahrtausende geistesgeschichtlich tradierte Primat des von Verwertungsgesellschaften weiterhin als Prämis- zufügen: So kommen nur ordentliche Mitglieder der GEMA Doch auch kulturpolitisch sollte gegen ein solches Geistes über den Körper fort und findet für den Fall der se zu unterlegen, gleicht einer Fiktion: Mit dem Funk- in den Genuss einer Sozialversicherung. Ordentliches System nichts einzuwenden sein. Schließlich ist eine viel- GEMA sein vorläufiges Ende in der dualistisch konstruier- tionieren des Systems ist die mangelnde Vergütung des Mitglied wird man allerdings nur, wenn man der GEMA fältige Kulturlandschaft ohne die wirtschaftliche Ver- ten Trennung von ernster Musik und Unterhaltungsmusik. Künstlers als Grundlage seiner Solidarität mit ande- Einnahmen in nicht minder ordentlicher Höhe beschert wertbarkeit kultureller Erzeugnisse nur unter größten Unser mittlerweile schon lieb gewonnener Schlagerkom- ren Künstlern entfallen. Der andere Künstler wird hat. Wer unter dem Grenzwert rangiert, bleibt bloßer Bei- Schwierigkeiten denkbar. Allerdings wollen sich die Ver- ponist verzichtet über den Weg dieser Unterscheidung auf wieder zu dem, was er grundsätzlich immer war: zum tragszahler. Insgesamt führt dies zum Ergebnis, dass we- wertungsgesellschaften mit einer rein kulturwirtschaft- Teile seiner Vergütung und bezahlt letztlich die kulturelle Konkurrenten. Die Homogenität der in den Verwer- nig erfolgreiche Künstler Sozialleistungen für ehemals lichen Aufgabenzuschreibung nicht zufrieden geben. Sie Corporate Identity der GEMA. tungsgesellschaften zusammengeschlossenen Gruppen erfolgreiche Künstler aufzubringen haben. Neben einem als Inkassounternehmen für Urheber und Rechteinha- Die kulturell-soziale Funktion der Verwertungsgesell- von Wahrnehmungsberechtigten ist eine über den Be- unvorstellbar hohen Ausmaß an Künstlersolidarität, ver- ber zu bezeichnen, käme ihnen einer Beleidigung gleich. schaften ist also zunächst ein rechtssystematisches Ver- griff der Künstlersolidarität erzwungene und per Ge- steht sich! Nach alldem dürfte kein Zweifel mehr beste- Überhaupt scheinen sie Begriffe wie Transparenz, Effi- sehen. Ein Versehen, das sich auch nicht unter Hinweis setz festgeschriebene Solidarität, die faktisch nicht hen: Die vielbeschworene originär kulturfördernde Auf- zienz und nutzungsorientierte Verteilungsschlüssel als auf die verfassungsrechtlich fundierte Sozialbindung des mehr besteht. Der Schlagerkomponist fühlt sich mit gabe der Verwertungsgesellschaften ist nicht nur ein kulturferne Neoliberalismen zu verabscheuen. Zugestan- Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG verschmerzen lässt, dem Komponisten so genannter ernster Musik nicht rechtssystematischer Fremdkörper. Sie ist insgesamt ein den, Inkassounternehmen genießen nicht den besten Ruf. wonach Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch dem solidarisch und beide zusammen werden wohl kaum unbesehen tradiertes Missverständnis. Aber wer wird denn gleich beleidigt sein, immerhin geht Allgemeinwohl dienen soll. Ein solcher Hinweis wäre eine Solidarität zu ihren Verlegern verspüren. Doch alle es doch um Kulturinkasso? Mehr Kultur, weniger Inkas- wenig überzeugend, müsste er doch erklären, was die gemeinsam finden sich in der GEMA vertreten. DER VERFASSER IST PROFESSOR FÜR MEDIENRECHT AN so, so antworten die Verwertungsgesellschaften. spezifische Sozialpflichtigkeit des Urhebers eigentlich Gerade die GEMA versteht es, diesem konstruierten Soli- DER PHILLIPS-UNIVERSITÄT MARBURG In der Tat gefallen sich die Verwertungsgesellschaf- ausmacht. Selbst wenn hierfür eine Begründung gelän- ten in der Rolle des unmittelbaren Kulturförderers ausge- ge, bliebe die Frage, was denn die sozialpflichtige Spe- sprochen gut. Es hat den Anschein, als wollten sie etwas zialität der kollektiven Rechtewahrnehmung gegenüber vom erhabenen Glanz des Kulturbetriebs abbekommen: der individuellen sei. Nimmt nämlich der Urheber seine Nicht bloß Geld einsammeln, sondern es nach eigenem Verwertungsrechte selbst, also ohne Einschaltung einer Die sozialen und kulturellen Gutdünken kulturbewusst einsetzen. Das macht etwas her: Verwertungsgesellschaft wahr, unterfällt er nicht der Modernes Mäzenatentum statt schäbiger Geldeintreibe- behaupteten Sozialpflichtigkeit seines Urheberrechts. rei. Und das Gesetz hilft bei der kulturellen Parfümierung Eine besondere Abgabe fällt hier nämlich nicht an. Und Verpflichtungen der GEMA kräftig mit: Gemäß § 7 S. 2 UrhWG sollen die Verteilungs- so bleibt es dabei: Die unmittelbar sozial-kulturelle Funk- Von Harald Heker pläne der Verwertungsgesellschaften dem Grundsatz ent- tion der Verwertungsgesellschaften fügt sich weder ver- sprechen, dass kulturell bedeutende Werke und Leistun- fassungs- noch urheberrechtlich in das Rechtssystem ein. Die GEMA kommt neben ihrer Kernaufgabe – der treu- teilung der Tantiemen, mit den verschiedenen so genann- gen besonders zu fördern sind. Und § 8 UrhWG sieht gar Brüche im Rechtssystem freilich bringen den Kul- händerischen Verwaltung der ihr zur Wahrnehmung über- ten Wertungsverfahren und der GEMA-Sozialkasse – die Einrichtung ganzer Vorsorge- und Unterstützungsein- turpolitiker noch nicht aus der Fassung, wenn sich nicht tragenen Urheberrechte – auch sozialen und kulturel- besondere Instrumente der sozialen Unterstützung und richtungen für Wahrnehmungsberechtigte vor. auch noch ein kulturpolitischer Bruch hinzugesellt. Doch len Verpflichtungen nach. Damit wird der in der GEMA kulturellen Förderung geschaffen. Von diesen Instrumen- Der Urheber, der von seiner Verwertungsgesellschaft gerade hier warten die Verwertungsgesellschaften grundlegende Gedanke der Solidargemeinschaft ver- ten soll hier die Rede sein. die Wahrnehmung seiner Verwertungsrechte erwartet, zumindest mit bröckelnden Fassaden auf. Die kulturelle wirklicht. Schon die Rechtsform der GEMA, die ein wirt- muss sich also einen prozentualen Abzug für soziale und Fassade der Verwertungsgesellschaften steht und fällt schaftlicher Verein gemäß § 22 BGB ist, zeigt die Be- Die Grundlagen der sozialen und kultu- kulturelle Aufgaben der Verwertungsgesellschaften ge- nämlich mit der immer wieder behaupteten Solidari- deutung der durch die Mitglieder in demokratischen rellen Verpflichtungen fallen lassen. Mehr noch: Erinnern wir uns an unseren tät der von den Gesellschaften vertretenen Künstler. Strukturen gestalteten Selbstorganisation der Rechte- mittelmäßigen aber erfolgreichen Schlagerkomponisten, Diese permanent beschworene Künstlersolidarität ist wahrnehmung. Die Mitglieder der GEMA, nämlich Kom- ie Tradition, dass Urheberrechtsgesellschaften auch hat es für ihn mit dem Abzug noch nicht sein Bewen- es, die einen langjährigen Vorstandsvorsitzenden der ponisten, Textdichter vertonter Texte und Musikverleger, D soziale und kulturelle Verpflichtungen übernehmen, den. Denn wenn die GEMA, was nicht überrascht, ande- GEMA von seiner Verwertungsgesellschaft als „Leucht- übertragen der Verwertungsgesellschaft GEMA durch ist in Deutschland so alt wie die GEMA selbst bzw. ihre re Musiksparten für kulturell bedeutsamer erachtet, turm der Kultur“ schwärmen ließ. Doch leider handelt Abschluss eines Berechtigungsvertrages ihre Urheber- Vorläufergesellschaften. Jürgen Becker hat die Aufgabe muss der Schlagerkomponist die finanzielle Umvertei- es sich bei der Solidarität der Künstler um ein histo- rechte zur kollektiven Wahrnehmung. Aufgrund ihrer der Verwertungsgesellschaften als Träger öffentlicher und lung der ihm urheberrechtlich zustehenden Einnahmen risch tradiertes Missverständnis. In ihm weht der post- besonderen Stellung unterliegen die Verwertungsgesell- privater Aufgaben im Handbuch „Recht und Praxis der über sich ergehen lassen. Hier konterkariert das Recht romantische Duft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. schaften in Deutschland einer staatlichen Aufsicht, die GEMA (Kreile, Becker, Riesenhuber 2005) ausführlich be- der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten das Einer Zeit, in der sich der Künstler in seinem Schaffen vom Deutschen Patent- und Markenamt und vom Deut- schrieben. Bereits die 1903 vom Komponisten Richard Urheberrecht selbst. Der systemische Bruch liegt darin, zwar von Kirche und Staat emanzipiert findet, sich seine schen Kartellamt ausgeübt wird. Bereits durch ihre Kern- Strauss und seinen Mitstreitern gegründete „Anstalt für direkte Kulturförderung im Urheberrecht zu verorten. Geldgeber aber nun auch unter den Rezipienten sei- aufgabe, das heißt in ihrer Mittlerposition zwischen den musikalische Aufführungsrechte“ sah vor, dass von den Dort allerdings hat direkte Kulturförderung rechtssyste- ner Werke suchen musste. Der Zusammenschluss frei- Inhabern der Urheberrechte und den Musiknutzern, hat Erträgen nach Abzug der Verwaltungskosten 10 % für eine matisch nichts verloren. Urheberrecht ist und bleibt nun beruflicher Künstler in den Vorläufern der heutigen die GEMA eine nicht zu unterschätzende soziale und Unterstützungskasse der Genossenschaft zur Verfügung mal Wirtschaftsrecht im weiteren Sinne und umfasst Verwertungsgesellschaften folgte also weniger ideel- kulturelle Bedeutung: Durch ihre Arbeit stellt die GEMA gestellt wurden. Albrecht Dümling stellt das in seinem allein die wirtschaftliche und damit indirekte Kompo- len Motiven, wie sie heute noch in den verklärten Vor- sicher, dass einerseits alle Musiknutzer unkompliziert Buch zum hundertjährigen Bestehen der GEMA (Musik nente der Kulturförderung. stellungen vom selbst- und mittellosen Künstler wie- Zugang zu den erforderlichen Nutzungsrechten haben hat ihren Wert, Regensburg 2003) heraus. Die Verwertungsgesellschaften selbst haben für rechts- derzufinden sind, sondern aus ganz rationalen Grün- und andererseits Komponisten und Textdichter ihren Im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) systematische Brüche freilich kein Schmerzempfinden. Wohl den: Der Künstler wollte für sein Urheberrecht vergü- gerechten Lohn für die Nutzung ihrer schöpferischen von 1965 wurde in § 7 festgeschrieben, dass die Vertei- aber, wenn an ihre dualistische Ordnung aus Kultur und tet werden. In nichts anderem bestand die Solidarität Arbeit bekommen. Darüber hinaus hat die GEMA – mit Kommerz gerührt wird, in der wie selbstverständlich die der Künstler untereinander. Diese Solidarität auch un- der Berücksichtigung kultureller Leistungen bei der Ver- Weiter auf Seite 18 Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 18

Fortsetzung von Seite 17 Mitgliederversammlung gewählt wird, über die Festset- Das Schätzungsverfahren der Bearbeiter entschädigt Ar- benen Ehepartner beziehungsweise, wenn es keinen zung der Punktziffern bzw. Abrechnungsfaktoren. rangeure dafür, dass Bearbeiter geschützter Werke, die im Ehepartner gibt, minderjährigen Waisenkindern von or- Die sozialen und kulturellen Zudem sind im Verteilungsplan für das Aufführungs- Auftrag von Rundfunk, Fernsehen, Tonträgerfirmen etc. dentlichen Mitgliedern gewährt. In Ausnahmefällen kann Verpflichtungen und Senderecht verschiedene Multiplikatoren vorgesehen, Arrangements erstellen, aufgrund der Verteilungsregeln im an eine langjährige Lebensgefährtin oder einen lang- mit denen unter anderem die Nutzungshäufigkeit eines mechanischen Vervielfältigungsrecht nicht unmittelbar am jährigen Lebensgefährten gezahlt werden. lungspläne der Verwertungsgesellschaften dem Grund- Werkes gewichtet wird. So wird beispielsweise bei der wirtschaftlichen Erfolg beziehungsweise am Lizenzaufkom- Die GEMA-Sozialkasse besteht aus drei selbständi- satz entsprechen müssen, dass kulturell bedeutende regelmäßig wiederkehrenden Sendung von Titel- oder men beteiligt sind. Die Schätzungskommission, ein ebenfalls gen Abteilungen (Komponisten, Textdichter, Musikver- Werke und Leistungen zu fördern sind. In § 8 UrhWG Erkennungsmusiken ab einer bestimmten Minutensum- von der Mitgliederversammlung gewähltes Gremium aus leger); jede dieser Abteilungen wird von einem Kurato- heißt es weiter, dass die Verwertungsgesellschaften Vor- me eine Reduktion bis zu einem Zehntel vorgenommen. fünf Bearbeitern, entscheidet über die Punktvergabe im rium mit jeweils drei Mitgliedern geleitet. Die Kurato- sorge- und Unterstützungseinrichtungen für die Inha- Eine Differenzierung nach Punktziffern und Minu- Einzelfall, vergibt ebenfalls Punkte für das Gesamtschaf- ren werden vom Aufsichtsrat gewählt. ber der von ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprü- tenwerten beziehungsweise eine Anwendung von Mul- fen und ggf. Beträge aus dem Ausgleichsfonds. Ebenfalls einen erheblichen Beitrag im Rahmen der che einrichten sollen. Dass dieses „Soll“ in der Rechts- tiplikatoren ist freilich nur im Aufführungs- und Sende- In den Anhängen zu den Wertungsverfahren sind kulturellen Förderung durch die GEMA leisten ihre Stif- vorschrift für die Verwertungsgesellschaften in Deutsch- recht vorgesehen. In den anderen Sparten, wie zum Bei- die Bedingungen für die Teilnahme an der Alterssiche- tungen. Die GEMA-Stiftung (gegr. 1976) „verfolgt aus- land eine Pflicht, ja ein „Muss“ bedeutet, ist immer spiel bei der Ausschüttung für Tonträgervervielfältigun- rung geregelt: Nach Erreichen des 60. Lebensjahres und schließlich und unmittelbar mildtätige und gemeinnüt- wieder festgestellt worden. Peter Lerche stellt diesen gen oder bei Filmmusik, wird die Musiknutzung ohne nach mindestens 20-jähriger ordentlicher GEMA-Mit- zige Zwecke […]“ (Satzung der GEMA-Stiftung, § 2). Sachverhalt in seinem Beitrag „Rechtsfragen der Ver- Unterscheidung von E und U an die beteiligten Urheber gliedschaft erhält ein Mitglied einmal jährlich die Al- Unterstützt werden bedürftige Komponisten, Textdich- wirklichung kultureller und sozialer Aufgaben bei der und Verleger abgerechnet. terssicherung, die sich aus früher erreichten Punkten in ter sowie Musikverleger und deren Angehörige durch kollektiven Wahrnehmung von Urheberrecht, insbeson- seiner Wertung errechnet. einmalige oder laufende Zuwendungen. Komponisten dere im Blick auf den so genannten 10%-Abzug der Die Wertungsverfahren der GEMA und Textdichter werden durch Ausbildungsbeihilfen, GEMA im GEMA-Jahrbuch 1997/98 dar. Die GEMA Sozialkasse durch zweckgebundene Zuwendungen für die mit künst- Der Dachverband der Verwertungsgesellschaften Dem Grundsatz der Förderung kultureller Werke und lerischen Tätigkeiten mittelbar oder unmittelbar zusam- CISAC (Confédération International des Sociétés Leistungen entspricht die GEMA durch ihre Wertungs- Die Satzung der GEMA Sozialkasse beginnt mit der pro- menhängenden Aufwendungen, durch zweckgebunde- d’Auteurs et Compositeurs) sieht in den Vertragstexten und das Schätzungsverfahren: grammatischen Präambel: ne Zuwendungen für musikalische Produktionen, Pilot- zur gegenseitigen internationalen Wahrnehmung von Da dem Wert der schöpferischen Leistungen eines projekte, Wettbewerbe und Publikationen sowie durch Urheberrechten vor, dass für Pensions-, Hilfs- und Un- I. Wertungsverfahren in der Unterhaltungs- Urhebers oder der verlegerischen Leistung eines Musik- die Verleihung von Preisen gefördert. terstützungskassen der Mitglieder oder zur Förderung und Tanzmusik verlegers nicht immer und automatisch ein adäquater Auch die Franz Grothe-Stiftung (gegr. 1960) „verfolgt der nationalen Künste auf die kassierten Tantiemen ein a) Berufsgruppe Komponisten Ertrag (Erlös aus der Verwertung des Urheberrechts) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mild- Abzug von höchstens 10 % vorgenommen werden kann. b) Berufsgruppe Textdichter entspricht, hat die GEMA durch ihre Mitgliederversamm- tätige Zwecke […]“ (Satzung der Franz Grothe-Stiftung, § Sowohl der CISAC-Mustervertrag sowie die die Vertei- c) Berufsgruppe Verleger lung neben den Differenzierungen des Verteilungspla- 2). Stiftungszweck ist – neben der Förderung der Tonkunst lung betreffenden Satzungsbestimmungen, die Vertei- II. Wertungsverfahren in der Sparte E nes und des Wertungsverfahrens die Errichtung einer – auch die Hilfe in Notfällen. Der Stiftungszweck wird vor lungspläne und die Geschäftsordnungen werden in der a) Berufsgruppe Komponisten sozialen Ausgleichskasse beschlossen. allem dadurch verwirklicht, dass befähigte und bedürftige Textsammlung des jährlich erscheinenden GEMA-Jahr- b) Berufsgruppe Textdichter Die GEMA-Sozialkasse sieht in ihrer Satzung sowohl Komponisten, Musikstudierende und eventuell auch in Not buch veröffentlicht. c) Berufsgruppe Verleger einmalige wie auch wiederkehrende Leistungen vor. Die geratene Berufsmusiker oder frühere Berufsmusiker und In den allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungs- III. Schätzungsverfahren der Bearbeiter Leistungen sind für Mitglieder vorgesehen, die das Künstler durch Zuwendungen unterstützt werden. plan der GEMA für das Aufführungs- und Senderecht ist 60. Lebensjahr vollendet haben, fünf Jahre ununterbro- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die festgelegt, dass aufgrund der zwischen den Urheber- Die Höhe der Leistung im Einzelfall errechnet sich aus Pa- chen der GEMA als ordentliche Mitglieder angehört Wahrnehmung kultureller und sozialer Aufgaben für die rechtsgesellschaften international abgeschlossenen Ge- rametern wie Dauer der Mitgliedschaft zur GEMA, Aufkom- haben und nachweisen können, dass ihre Einnahmen GEMA einen identitätsbestimmenden Grundkonsens genseitigkeitsverträge jeweils 10 % von der Verteilungs- men im Aufführungs- und Senderecht und Bewertung des (und die ihrer Ehepartner) zum Lebensunterhalt nicht darstellt. So hat die GEMA schon seit ihrer Gründung summe für soziale und kulturelle Zwecke bereitgestellt Gesamtschaffens und der künstlerischen Persönlichkeit. ausreichen. Die Altersbegrenzung kann entfallen, wenn Verantwortung in diesen Bereichen übernommen. Die werden. Zudem werden – sowohl im Bereich Auffüh- Die verschiedenen Wertungsverfahren werden von der Nachweis erbracht wird, dass eine komplette Pfle- GEMA agiert also für den Erhalt des Wertes der Musik rungs- und Senderecht wie auch im mechanischen Ver- Wertungsausschüssen durchgeführt, deren Besetzung gebedürftigkeit vorliegt. Ein Verlegermitglied kann auch unter steter Wahrung kultureller und sozialer Aspekte vielfältigungsrecht – anfallende Zinserträge, Aufnahme- von der Mitgliederversammlung bestimmt wird und die Verlagsangestellte in Führungspositionen als Empfän- und ermöglicht und sichert ihren Mitgliedern dadurch sowie Verwaltungsgebühren, Konventionalstrafen und unter anderem zuständig sind für die Vergabe von Punk- ger einer wiederkehrenden Leistung benennen. Leistun- die finanzielle Existenzgrundlage für ihre schöpferische andere unverteilbare Beträge gleichfalls diesen Zwecken ten für das Gesamtschaffen und für Zuweisungen aus gen der GEMA-Sozialkasse werden im Alter sowie bei und verlegerische Arbeit. zugeführt. In Erfüllung des sozialen Zwecks geschieht den Mitteln des Ausgleichsfonds für künstlerische Här- Krankheit, Unfall und sonstigen Fällen der Not gewährt. dies zugunsten der GEMA-Sozialkasse und der Alterssi- tefälle und erstmals ab 2007 auch für die Förderung Beim Tod eines ordentlichen Mitglieds wird ein Sterbe- DER VERFASSER IST VORSTANDSMITGLIED DER cherung. Im Übrigen werden die Mittel im Rahmen der des zeitgenössischen Musikschaffens. geld gezahlt. Leistungen werden auch dem hinterblie- GEMA verschiedenen Wertungs- und Schätzungsverfahren ver- teilt. Der Umfang und die Aufteilung der Der Markt allein zählt nicht sozialen und kulturellen Mittel Die GVL fördert kulturell bedeutende Leistungen I Tilo Gerlach Die GEMA hat für die fünf Geschäftsjahre 2001 bis 2005 durchschnittlich jährlich € 52,3 Mio. als soziale und kul- Das Wahrnehmungsgesetz verpflichtet die Verwertungs- turelle Zuwendungen zur Verfügung gestellt. Diese Sum- gesellschaften, in besonderem Maße kulturelle und so- me wurde verteilt auf: ziale Belange zu berücksichtigen. Bei den Lizenzierun- · die GEMA-Sozialkasse und die Alterssicherung, gen sollen nach § 13 Abs. 3 Wahrnehmungsgesetz die · die Wertungsverfahren in den Sparten E- und U-Mu- Tarife Rücksicht nehmen auf religiöse, kulturelle und sik, soziale Belange der Nutzer. Dem kommt die GVL in der · das Schätzungsverfahren der Bearbeiter. Praxis dadurch nach, dass beispielsweise die öffentlich- Die Mitgliederversammlung der GEMA hat in diesem rechtlichen Rundfunksender nur etwa die Hälfte dessen Zusammenhang festgelegt, dass die Zuwendungen in für die Tonträgersendung zahlen müssen wie kommer- der Sparte E 30,07 % der insgesamt für soziale und kul- zielle Privatsender, die öffentliche Wiedergabe von Mu- turelle Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel nach sik in Sozialeinrichtungen deutlich günstiger als in La- Abzug des für die Sozialkasse ermittelten Bedarfs nicht denlokalen ist und die Kabelweitersendungen in Kran- unterschreiten dürfen. kenhäusern deutlich günstiger als in Hotels sind. Im Verhältnis zu den Wahrnehmungsberechtigten berück- Die kulturelle Bewertung von Werken im sichtigt die GVL kulturelle und soziale Belange bereits Rahmen des Verteilungsplans der GEMA bei der Regelausschüttung im Rahmen der vom Beirat, dem Vertretungsorgan der Wahrnehmungsberechtigten, Die GEMA setzt das gesetzliche Gebot der sozialen und jährlich beschlossenen Verteilungspläne. Danach erhal- kulturellen Förderung zum Beispiel durch die Sozialkasse ten ordentliche Berechtigte eine Mindestausschüttung oder die Wertungsverfahren um. Darüber hinaus wirkt die von 110 Euro auch dann, wenn ihre Verteilungssumme Forderung in § 7 UrhWG, dass kulturell bedeutende Werke nach der Regelverteilung deutlich niedriger wäre. Ha- und Leistungen zu fördern sind, konkret in die Gestaltung ben also Musiker im Verteilungsjahr nur an einer Pro- des Verteilungsplans der GEMA für das Aufführungs- und duktion teilgenommen, wofür sich rechnerisch beispiels- Senderecht hinein. Oft diskutiert wird in diesem Zusam- weise eine GVL-Ausschüttung von 40 Euro ergeben menhang die Unterscheidung zwischen Werken der erns- würde, so erhalten sie zusätzliche 70 Euro für die Min- ten Musik und der Unterhaltungsmusik (E und U). Der Ver- destausschüttung. Umgekehrt unterliegt die Regelaus- teilungsplan der GEMA ist indes wesentlich differenzierter schüttung für Spitzenverdiener einer degressiven Staf- gestaltet: So wird bei der Abrechnung von Werkaufführun- felung. Dies hat zur Folge, dass auch Spitzenverdiener gen, sowohl in der Sparte E wie auch in U, jedem aufge- von der GVL im Verhältnis nur einen geringeren Anteil führten Werk eine Punktziffer zwischen 12 und 2400 Punk- erhalten, wohingegen die Anteile der geringer Verdie- ten zugeordnet. Der geltende Punktwert – das heißt der nenden entsprechend steigen. Hiermit berücksichtigt die finanzielle Wert eines Abrechnungspunktes – wird jährlich GVL die Vorgaben nach § 7 des Wahrnehmungsgeset- aufgrund der in den einzelnen Abrechnungssparten erwirt- zes, dass bei der Verteilung kulturell bedeutende Leis- schafteten Erträge ermittelt. Bei der Abrechnung von Hör- tungen zu fördern sind, sind es häufig doch gerade die- funk- und Fernsehsendungen ist ein jährlich errechneter se, die im Markt weniger erfolgreich sind. Minutenwert die Grundlage der Abrechnung; in diesem Bereich kommt ein werkbezogener Faktor zwischen 1 und arüber hinaus gibt es satzungsgemäß die Möglich- 2 ½ zur Anwendung. Die Kriterien für die Vergabe der Punkt- D keit von kulturellen und sozialen Zuwendungen von ziffern bzw. Faktoren werden an den musikalischen Merk- bis zu 5 % der Verteilungssumme, um den Vorgaben von malen der einzelnen Werke festgemacht: Berücksichtigt § 8 Wahrnehmungsgesetz nachzukommen. Danach soll werden unter anderem die Spieldauer, die Besetzung, die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstüt- die Gattung und die stilistische Einordnung der Werke. zungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten. Auf So wird beispielsweise zeitgenössischer konzertanter dieser Grundlage beschließt der Beirat der GVL jährlich Jazz, der eine besondere künstlerische Bedeutung hat, die Zuwendungsrichtlinien, in denen die Einzelheiten für bei der Aufführung höher abgerechnet als Tanzmusik. die sozialen und kulturellen Zuwendungen festgelegt Ein weiteres Beispiel: Die Verrechnung der Hörfunksen- sind. Diese Leistungen sind rechtlich nicht verselbstän- dung eines Popsongs erfolgt mit dem Faktor 1, während digt, sondern erfolgen innerhalb des regulären Betriebs. ein großes Orchesterwerk aus dem Bereich der ernsten Es gibt also keine GVL-Stiftung oder dergleichen. Musik mit Faktor 2 ½ eingestuft wird. In Zweifelsfällen entscheidet der Werkausschuss der GEMA, der von der Weiter auf Seite 19 Grammophon. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 19

Fortsetzung von Seite 18 Ausübende Künstler, die langjährig an der Verteilung der ler nicht selten auch unterstützt durch die Nachwuchs- nanziert, dass bestimmte Erlösanteile beispielsweise aus GVL teilgenommen haben und deren Verdienst rückläu- förderung der GVL den Einstieg in das Berufsleben ge- der Leermedien- und -geräteabgabe für die private Ver- Für soziale Zuwendungen wurden im Jahr 2006 insge- fig ist, unterstützt die GVL im Rahmen der so genann- schafft. vielfältigung qua Gesetz für diese Zwecke einbehalten samt 283.000 Euro aufgewandt. Die sozialen Leistun- ten Treueregelung, die 2006 1,308 Mio. Euro betrug. Bedauerlich ist es, dass diese notwendige, staats- werden und gar nicht erst zur Verteilung an die Verwer- gen für Wahrnehmungsberechtigte umfassen u. a. Hilfe Danach erhalten sie ihre durchschnittliche GVL-Aus- entlastende Förderung innerhalb Europas keineswegs tungsgesellschaften gelangen. So sind die zur Vertei- bei unverschuldetem Verdienstausfall im Krankheitsfall schüttung trotz rückläufiger Einnahmen weiter in bis- selbstverständlich ist. In vielen Mitgliedstaaten der Eu- lung zur Verfügung stehenden Mittel zum Teil deutlich oder durch Unfall, Zuschüsse zu Krankheitskosten, die heriger Höhe. Davon profitieren ca. 1.000 Künstler. Zu- ropäischen Union fehlen Regelungen wie diejenigen des stärker reduziert als dies in Deutschland nach Abzug der nicht durch Versicherungen abgedeckt sind, Teilkosten- sätzlich zu den geschilderten Individualförderungen deutschen Wahrnehmungsgesetzes. Ansätze der Euro- durch die Gremien beschlossenen Zuwendungsmittel der übernahme bei Zahnbehandlungen, Zuschüsse bei be- gewährt der Beirat auch Zuwendungen an institutionelle päischen Kommission, die Verwertungsgesellschaften in Fall ist. Dennoch erhalten die Wahrnehmungsberechtig- rufsbedingter Anschaffung von Brillen, Beihilfen bei Träger für kulturelle und kulturpolitische Zwecke. 2006 Europa in den Wettbewerb um die Künstler treten zu ten wegen der ungeschmälerten Weiterleitung den irri- Kuren oder therapeutischen Behandlungen etc. sowie betrugen diese 300.000 Euro. Hierzu zählen beispiel- lassen, erscheinen nicht nur vor diesem Hintergrund gen Eindruck, ihre Vergütungen würden nicht für sozia- Unterstützung in Notlagen oder bei Bedürftigkeit. Deut- weise die Unterstützung des Deutschen Musikrats und hochproblematisch. Denn ohne entsprechende Harmo- le und kulturelle Zwecke reduziert werden. Mangels lich höher sind die kulturellen Zuwendungen. Sie der „Initiative Musik“, der gemeinsamen Initiative des nisierung der in Deutschland gesetzlich gebotenen Auf- harmonisierter Rahmenbedingungen fehlt es also an betrugen 2006 insgesamt 1,864 Mio. Euro. Hierunter fällt Staatsministers für Kultur und Medien (BKM) und der wendungen für den Zuwendungsbereich ergeben sich einem fairen Wettbewerb zu gleichen Bedingungen zwi- die finanzielle Unterstützung für die Weiterbildung – Musikwirtschaft zur Förderung der Popularmusik. für die deutschen Verwertungsgesellschaften deutliche schen den europäischen Verwertungsgesellschaften. Das so in Form von Kursen, Seminaren, Workshops, Auslands- Insgesamt wendete die GVL also ca. 3,570 Mio. Euro im Wettbewerbsnachteile, wenn ein Künstler wählen soll, Europäische Parlament hat dies erkannt und misst studien, Orchesterlehrgängen (Jugendorchester) oder Jahre 2006 für die kulturellen und sozialen Zuwendun- ob er beispielsweise durch die britische Verwertungs- besonders auch den sozialen und kulturellen Aufgaben Einzelunterricht. Außerdem unterstützt die GVL finanzi- gen auf. Innerhalb des Beirats besteht ein breiter Kon- gesellschaft, die solche Abzüge nicht kennt, 1.000 Euro der Verwertungsgesellschaften eine besondere Bedeu- ell die Teilnahme ihrer Wahrnehmungsberechtigten an sens über die Notwendigkeit dieser Fördermaßnahmen, erhält oder über die GVL wegen der gesetzlich gebote- tung zur Sicherung der kulturellen Vielfalt bei. Es bleibt Wettbewerben auf nationaler und internationaler Ebe- verstehen sich die Mitglieder – und das betrifft ausü- nen Zuwendungen nur 950 Euro. Von einer europäischen zu wünschen, dass diese Stimme sich gegenüber der EU- ne. Darüber hinaus erhalten Wahrnehmungsberechtigte bende Künstler, Tonträgerhersteller und Veranstalter Harmonisierung kann in diesem Bereich noch keine Rede Kommission durchsetzen wird. Ausbildungsbeihilfen zum Beruf des ausübenden gleichermaßen – doch als Teil einer Solidargemeinschaft sein. So werden zum Teil in anderen Ländern entspre- Künstlers für ihre Kinder. und haben die im Beirat vertretenen ausübenden Künst- chende soziale und kulturelle Förderungen dadurch fi- DER VERFASSER IST GESCHÄFTSFÜHRER DER GVL Stiftung Sozialwerk der VG BILD-KUNST Unterstützung in Notlagen, bei Berufsunfähigkeit und im Alter I Von Reinhard Meyer Die Gründung der Verwertungsgesellschaften im Bildbe- reich Ende der 60er Jahre stand im engen Zusammen- hang mit zwei neu ins Urheberrecht eingeführten Ansprü- chen: Neben dem anfangs sehr schwierig durchzusetzen- den Folgerecht war dies vor allem die Bibliothekstantie- me; für den „Bibliotheksgroschen“ hatte sich damals insbesondere Heinrich Böll stark gemacht. Diese Biblio- thekstantieme, also die von den Bibliotheken zu zahlen- de Gebühr für die Ausleihe von urheberrechtlich noch geschützten Büchern, hatte der Gesetzgeber mit einer starken sozialen Begründung eingeführt, die dann in der Folge auch die Verwertungsgesellschaften verpflichtete, Teile der Vergütung nicht nur nach der Teilhabe an den tatsächlichen Ausleihen in den öffentlichen Büchereien, sondern auch nach sozialen Kriterien zu verteilen.

iese Sozialverpflichtung galt natürlich auch für den Drelativ kleinen Anteil an der Tantieme, der auf Bild- urheber, also auf Fotografen, Designer und Bildende Künstler entfiel. Zur Umsetzung dieser sozialen Aufga- ben innerhalb der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst gründeten die damals noch getrennt operierenden Grup- pen der Fotografen und Designer sowie die der Bilden- den Künstler zwei Sozialfonds, die sich später als Sozi- alwerk der VG BILD-KUNST zum eigenständigen Verein verbanden. Das Spektrum dieses Vereins wurde 1985 erweitert, als auch Filmurheber zur VG BILD-KUNST stie- ßen. Auch die neu ins Gesetz aufgenommenen Vergü- tungen wie die Vergütungen für das private Kopieren unterlagen der Sozialverpflichtung aus dem Wahrneh- mungsgesetz, sodass sich die Erträge und die Ausga- ben des Sozialwerks im Laufe der Zeit erheblich vergrö- ßerten. Von den zwischen 1975 bis 2006 zur Verfügung stehenden 17,4 Mio. Euro wurden 16,3 Mio. Euro für Hilfeleistungen verbraucht; der durchschnittliche Verwal- tungskostensatz betrug 6,5 %. Anfang 2003 wurden die Aufgaben des Vereins in die „Stiftung Sozialwerk der VG BILD-KUNST“ überführt, die seither die sozialen Aufgaben erfüllt, zu denen das Wahrnehmungsgesetz die Verwertungsgesellschaften Platine eines heutigen Computers. Foto: www.pixelio.de verpflichtet. Das Stiftungskapital der Stiftung Sozialwerk wurde über mehrere Jahre von der VG BILD-KUNST ein- dern der VG BILD-KUNST; Geschäftsführer der Stiftung Aufkommens werden für einmalige Beihilfen ver- besitzungen der zuständigen Beiräte; in dringenden Fäl- gezahlt und betrug Anfang 2007 rd. 4,4 Mio. Euro. ist das hauptamtliche Vorstandsmitglied der VG BILD- braucht. len können aber ausnahmsweise Sofortentscheidungen Die Stiftung Sozialwerk gewährt – im Rahmen ihrer KUNST. Entscheidungen über Förderungen werden aber Die Vergabe von Mitteln muss bei der Stiftung Sozi- getroffen werden. Vorsitzender der Vergabebeiräte sind Möglichkeiten – Urhebern im visuellen Bereich Unter- nicht vom Vorstand, sondern von Beiräten getroffen: Jede alwerk der VG BILD-KUNST, Weberstr. 61, 53113 Bonn, Werner Schaub (Bildende Kunst), Udo Milbret (Fotogra- stützungen in Notlagen, bei Erwerbs- und Berufsunfä- Berufsgruppe der VG BILD-KUNST schlägt sieben Mit- Tel. 0228/915 34 22 beantragt werden. Das Sozialwerk fie und Design) und Inga Sauer (Film). higkeit oder im Alter. Die Hilfeleistung ist allein abhän- glieder für ihren Beirat vor, diese werden dann vom Ver- stellt dazu Formulare zur Verfügung, auf denen für die gig von der sozialen Bedürftigkeit, die in jedem einzel- waltungsrat für drei Jahre gewählt. Das Prinzip „Urhe- Entscheidung wesentliche Daten nachgefragt werden. DER VERFASSER IST VERWALTUNGSDIREKTOR DER VG nen Fall nachgewiesen werden muss und einer Prüfung ber helfen Urhebern“ ist also auch bei den Entschei- Die Entscheidungen erfolgen in jährlich je zwei Verga- BILD-KUNST unterliegt. Die Stiftung ist also auf keinen Fall eine Al- dungen über Hilfeleistungen umgesetzt und gibt den terssicherung für die Urheber der VG BILD-KUNST, sie Beschlüssen der Gremien die notwendige fachliche Er- kann nur in tatsächlichen Notfällen eingreifen. fahrung und Kompetenz. Die Struktur der Stiftung Sozialwerk lehnt sich an Der Gruppe der Bildenden Künstler fließen jährlich die dreigliedrige Berufsgruppenstruktur der VG BILD- ca. 450.000 Euro zu. Rund 40 % dieses Betrages wer- KUNST an. Entsprechend fließen die Mittel verschiede- den benutzt, um ältere Kolleginnen und Kollegen mit nen Fonds der Stiftung zu: z.T. völlig unzureichender Alterversorgung regelmäßig Berufsgruppe I: Bildende Künstler zu unterstützen; ein weiteres Viertel wird für punktuelle Berufsgruppe II: Fotografen, Designer Unterstützungsleistungen in Notsituationen verwandt, Berufsgruppe III: Filmurheber der Rest wird für die Weihnachtsgratifikation verwandt, Ihre Gelder erhält die Stiftung Sozialwerk in erster die an ältere Mitglieder der VG BILD-KUNST, deren Ein- Linie aus den Erträgen für die Verwertung von Urheber- kommen unter einer bestimmten Grenze liegt, gezahlt rechten durch die VG BILD-KUNST. In deren Verteilungs- wird. plänen ist festgehalten, welche Anteile der für die Nut- Die Gruppe der Fotografen und Designer erhält jähr- zung von urheberrechtlich geschützten Werken eingenom- lich rund 500.000 Euro, die zu mehr als 60 % in die re- menen Vergütungen dem Sozialwerk zufließen. Auf diese gelmäßige Unterstützung von älteren Kollegen fließen; Mittel verzichten die Urheber, denen die Vergütungen ja der Anteil der einzelnen Hilfsleistungen in besonderen zunächst ungeschmälert zustehen würden. Weitere Mit- Notlagen macht in dieser Berufsgruppe nur 5 % aus. tel erhält die Stiftung aus Spenden und Nachlässen so- Ein weiteres Drittel der Leistungen für Fotografen und wie aus den Erträgen ihres Stiftungskapitals. Insgesamt Designer besteht in den Weihnachtsbeihilfen für älte- belaufen sich Einnahmen und Ausgaben der Stiftung So- re Urheber in beengten finanziellen Verhältnissen. zialwerk derzeit auf jährlich rund 1,1 Millionen Euro. Bei den Filmurhebern werden rund 150.000 Euro Hil- Der Vorstand der Stiftung Sozialwerk ist personen- feleistungen gewährt; hier fließen je 40 % in die Dauer- identisch mit den drei ehrenamtlichen Vorstandsmitglie- zahlungen sowie in die Weihnachtsbeihilfen, 20 % des Setzmaschinen lösten das Handsetzen nach und nach ab. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – Soziale und kulturelle Zwecke politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 20

Die sozialen und kulturellen Funktionen der VG WORT Drei Institutionen und ihre Aufgaben I Franka Hellmannsberger Zweck jeder Verwertungsgesellschaft ist in erster Linie naturgemäß die Verwaltung von Rechten (meist Zweit- verwertungsrechten) oder auch nur von Vergütungsan- sprüchen (die der Gesetzgeber oft ausdrücklich der Wahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften vorbe- halten hat). Hauptaufgabe also ist das Inkasso und die Verteilung von Vergütungen, die der einzelne Autor oder Verleger selbst aus tatsächlichen oder rechtlichen Grün- den nicht realisieren könnte.

eben dieser Rechteverwaltung verfolgen aber alle NVerwertungsgesellschaften, so auch die VG WORT, ausdrücklich und nachhaltig auch soziale und kultu- relle Ziele. Dieses soziale Engagement gehört schon seit Gründung der ersten Verwertungsgesellschaften zu deren Wesensprinzip. Mit dem Urheberrechtswahr- nehmungsgesetz von 1965 wurden Verwertungsge- sellschaften verpflichtet, Vorsorge- und Unterstüt- zungseinrichtungen für ihre Mitglieder einzurichten (§ 8) sowie kulturell bedeutende Werke und Leistun- gen zu fördern (§ 7). Verwertungsgesellschaften wer- den daher auch als „Träger staatsentlastender Tätig- keit“ bezeichnet, die „wichtige kulturpolitische Funk- tionen“ wahrnehmen. Diese gesetzlich verankerten Aufträge finden sich auch in der Satzung der VG WORT wieder. Um diesen Aufgaben nachzukommen, hat die VG WORT drei Institutionen geschaffen: den Sozialfonds, das Autorenversorgungswerk, sowie den Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft.

1. Sozialfonds der VG WORT GmbH Im Jahr 1973 hat die VG WORT den gemeinnützigen Sozialfonds gegründet, der ausschließlich und unmit- telbar mildtätige Zwecke verfolgt. Die Befreiung von der Körperschaftssteuer bedingt, dass laut Abgabenordnung nur solche Personen unterstützt werden können, „de- ren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Re- gelsatzes der Sozialhilfe; beim Alleinstehenden und Fernsehstudio der 50er Jahre. Foto: Stefanie Ernst Haushaltsvorstand tritt an die Stelle des Vierfachen das Fünffache des Regelsatzes [...]“. Voraussetzung ist Der Sozialfonds gewährt Autoren und Verlegern und zialfonds auf Antrag beschlossen werden. Der Sozial- Euro aus dem Aufkommen der VG WORT aufgebracht. weiterhin der Nachweis der schriftstellerischen/journa- deren Hinterbliebenen in akuten und permanenten Not- fonds zahlt monatliche und einmalige Zuwendungen und Als der Ansturm freiberuflicher Autoren auf das Auto- listischen Tätigkeit. lagen finanzielle Beihilfen, die durch den Beirat des So- auch zinslose Darlehen. renversorgungswerk immer größer wurde, sah es sich Neben den finanziellen Hilfen unterstützt der Sozi- 1996 aus finanziellen Gründen gezwungen, keine Neu- alfonds Autorinnen und Autoren durch Beratungen, zugänge mehr aufzunehmen. Dieser bedauerliche, aber durch Empfehlungen an andere Stiftungen, Verwertungs- notwendige Schritt fiel ein wenig leichter, da mit Ein- gesellschaften oder auch staatliche soziale Einrichtun- führung der Pflichtversicherung für Künstler auch Au- gen, Verhandlungen mit Schuldnern, Anträge auf Wie- toren von der Künstlersozialkasse übernommen wur- deraufnahme in die Krankenversicherung oder die Künst- den. lersozialkasse, Hinweise auf Krankengeldansprüche und vieles mehr. Diese beratende Tätigkeit des Sozialfonds 3. Förderungs- und Beihilfefonds hat einen besonderen Stellenwert, denn die Künstler Wissenschaft der VG WORT GmbH fühlen sich hilflos angesichts schwer verständlicher Gesetze und Bestimmungen. Und für die alten und ver- Der 1977 gegründete Förderungs- und Beihilfefonds gessenen Künstler ist der Sozialfonds ein 0rt, an dem Wissenschaft (ebenfalls eine hundertprozentige Toch- man ihre Verdienste kennt und anerkennt, was zuweilen tergesellschaft der VG WORT) unterstützt wissenschaft- eine noch größere Bedeutung hat als die finanzielle liche Autoren und deren Werke. Wegen seiner die Wis- Zuwendung. senschaft fördernden Zwecke ist er als gemeinnützig Die VG WORT kann satzungsgemäß an den Sozial- anerkannt. fonds jährlich bis zu 10 % ihrer Einnahmen (ohne Wis- Äquivalent zum Sozialfonds gewährt der Beihilfe- senschaft) abführen. Für das Jahr 2006 wurden der Ge- fonds finanzielle Unterstützung für in Not geratene wis- sellschaft 2,6 % aus Wahrnehmungserträgen, rund 1,0 senschaftliche Autoren und Verleger und deren Hinter- Million Euro zugeführt. Es werden derzeit weniger Mit- bliebene. tel beantragt als vorhanden sind. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre wurden jähr- Im Jahr 2006 wurden 398 Autoren bzw. Hinterblie- lich an 17 Personen laufende Beihilfezahlungen geleis- benen von Autoren 1.161.525 Euro Zuwendungen und tet, hinzu kommen einmalige Beihilfen, die jedoch un- Darlehen bewilligt, davon 49 % als monatliche Zuwen- ter 10 % des jährlichen Gesamtauszahlungsbetrags von dungen, 44 % als einmalige Zuwendungen und 7 % als rund 125.000 Euro liegen. Seit Bestehen hat der Beihil- zinslose Darlehen. Seit seinem Bestehen hat der Sozial- fefonds Wissenschaft in den Jahren 1977 – 2006 über 3 fonds in den Jahren 1973 bis 2006 insgesamt über 27 Millionen Euro an in Not geratene Urheber oder Verle- Millionen Euro an bedürftige Autoren und Verleger so- ger von wissenschaftlichen Werken oder Fachwerken wie deren Hinterbliebene ausgezahlt. oder an deren Hinterbliebene ausgezahlt. Der finanziell wesentlich gewichtigere Förderungs- 2. Autorenversorgungswerk – Öffentliche fonds unterstützt darüber hinaus Wissenschaft und For- schung auf direktem Wege: Die VG WORT gewährt vor Stiftung bürgerlichen Rechts allem Druckkostenzuschüsse für die Erstveröffentlichung Das 1976 als öffentliche Stiftung gegründete Autoren- herausragender wissenschaftlicher Werke. Möglich versorgungswerk gewährt freiberuflichen Autoren Zu- machten diesen Fonds die wissenschaftlichen Verleger, schüsse zu einer freiwilligen Lebensversicherung sowie die ihren 50-prozentigen Anteil an der Bibliothekstan- zur Krankenversicherung. Für die Finanzierung dieser tieme dafür bereitstellen. Gezielt unterstützt werden Zuwendungen hatte der Gesetzgeber bereits 1972 ge- wissenschaftliche Werke, die aufgrund der hohen Spe- fordert, 50 % der Vergütungen aus der so genannten zialisierung und geringer Auflage ohne finanzielle Hilfe Bibliothekstantieme (Vergütung für das Verleihen in öf- nicht erscheinen könnten. Seit 1977 wurden so mehr fentlichen Bibliotheken) zur Verfügung zu stellen. Ne- als 3.000 wissenschaftliche Werke gefördert. In den letz- ben den Einnahmen aus der Bibliothekstantieme set- ten fünf Jahren wurden durchschnittlich 135 Neubewil- zen sich die monatlichen Sozialleistungen für die Alters- ligungen mit einem Gesamtvolumen von rund 900 Tau- vorsorge aus Teilen des Presse-Reproaufkommens so- send Euro pro Jahr erteilt. Seit seinem Bestehen hat der wie der Geräte- und Leerkassettenvergütung zusammen. Förderungsfonds Wissenschaft in den Jahren 1977 – Sie machen – bei einem festgelegten Höchstsatz von 2006 Druckkostenzuschüsse von insgesamt rund 22 143,16 Euro pro Monat – die Hälfte der vom Autor ins- Millionen Euro ausgezahlt. gesamt einbezahlten Beiträge aus. Ziel dieser Regelung Der Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT ist ist es, Autoren, die in keiner Festanstellung tätig sind, damit nach der Deutschen Forschungsgemeinschaft der zu einem finanziell gesicherten Leben im Ruhestand zu zweigrößte Zuschussgeber für wissenschaftliche Werke helfen. in Deutschland. Insgesamt wurden seit 1976 rund 6.200 Autoren und Publizisten mit insgesamt 117,45 Millionen Euro bezu- DIE VERFASSERIN IST GESCHÄFTSFÜHRERIN DES SOZI- Mikrophon, das bei den ersten Übertragungen von Rundfunksendungen zum Einsatz kam. Foto: Stefanie Ernst schusst – allein 2005 wurden dafür über 5,1 Millionen ALFONDS DER VG WORT Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 21

Tarifverhandlungen mit Augenmaß Das Verhältnis von Verwertungsgesellschaften und Laienorchestern I Von Ernst Burgbacher Die Laienorchesterszene ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Musiklebens – nicht nur aus einer quantitati- ven Betrachtung heraus. Eine unüberschaubare Vielzahl von Konzerten und anderen musikalischen Veranstaltun- gen findet jedes Jahr in allen Teilen unseres Landes statt. Blasorchester, Sinfonieorchester, Akkordeonorchester, Zupforchester und andere Orchestersparten vermitteln dabei einem nicht unerheblichen Teil des Konzertpubli- kums die einzigen unmittelbaren musikkulturellen Kon- takte. Hierbei gelangen musikalische Werke zur Auffüh- rung, die dem geistigen Eigentum eines Musikschöpfers zugeordnet werden können und müssen. Verwertungs- gesellschaften – aus der Perspektive der Laienmusikver- bände die GEMA – kümmern sich um die Interessen die- ser Musikschöpfer. Das Verhältnis zwischen den Verbän- den des Laienmusizierens und der GEMA ist daher ein intensives, wenn auch nicht immer konfliktfreies.

m es gleich anfangs zu betonen: Der „Wert der Mu- U sik“ muss anerkannt und eine angemessene Ver- gütung von Urhebern im musikalischen Bereich sicher- gestellt werden. Bei allen Interessenskonflikten zwischen Urhebern auf der einen, und Verwertern auf der ande- ren Seite sollte diese Feststellung stets im Blickfeld ge- halten werden. Die rund 23.000 nicht-professionellen Orchester in Deutschland sind Nutzer von geschützten Werken. Dass für diese Nutzung eine Vergütung aufge- bracht werden muss, steht außer Zweifel. Die Verwertungsgesellschaften sind eine wesentlich Säule in unserem Musikleben, die die wirtschaftliche Existenz von Urhebern sicherstellen soll. Der Bereich des Laienmusizierens ist eng verflochten mit dem „profes- sionellen Bereich“ des Musiklebens, denn die Orches- ter benötigen nicht irgendeine Literatur, sondern eine qualitativ hochwertige. Aufgrund dieser engen Verflech- tungen haben auch die Verbände des Laienmusizierens ein Interesse an wirtschaftlich fairen und stabilen Struk- turen für professionelle Musiker, Komponisten und Ar- rangeure. Es ist aber ebenso wichtig, die Interessen und Notwendigkeiten aus der Perspektive der vielen Orches- ter zu betrachten und ernst zu nehmen. Innerhalb der Laienmusikverbände bzw. der Musikvereine wird sehr häufig und sehr intensiv das Verhältnis bzw. die Ver- tragsbedingungen mit der GEMA diskutiert. Diese Dis- Magnetbänder als externes Speichermedium. Kein Vergleich zu den heutigen Speichermöglichkeiten. Foto: Stefanie Ernst kussionen und die dabei artikulierten Probleme lassen sich im Wesentlichen auf zwei Themenbereiche konzen- Verwaltungsaufwand von Laienstreichorchestern nicht aus ästhetischen Grün- Problematiken wie die eben dargestellte auszuräumen – trieren: Zum einen auf die Tarifgestaltung und zum an- den seltener aufgeführt als andere Kompositionen, son- mit Lösungen, die sowohl die Interessen der Urheber, als deren auf den Verwaltungsaufwand. Eine der wichtigsten Forderungen der Bundesvereinigung dern weil sich eine Vielzahl der Orchester die Aufführung auch die der Verwerter berücksichtigen. Deutscher Orchesterverbände ist die umfassende Entbü- dieser Werke schlicht nicht leisten kann. Mit diesem Um- Tarifgestaltung rokratisierung der Tätigkeitsfelder ehrenamtlich engagier- stand können weder die Komponisten, noch die Orches- DER VERFASSER IST PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTS- ter Personen. Ohne das ehrenamtliche Engagement einer ter zufrieden sein. Der intensive Dialog zwischen den FÜHRER DER FDP-BUNDESTAGSFRAKTION UND PRÄ- Die Vergütung für die Aufführung geschützter Werke hat Vielzahl von Vereinsvorsitzenden, Jugendbetreuern oder Laienmusikverbänden und den Verwertungsgesellschaf- SIDENT DER BUNDESVEREINIGUNG DEUTSCHER OR- sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich mehr anderer Funktionsträger gäbe es nicht diese Breite in der ten wird daher auch in Zukunft entscheidend sein, um CHESTERVERBÄNDE erhöht als die Inflationsrate dieses Zeitraums. So lag instrumentalen Laienmusik, wie wir sie in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Infla- kennen. Aus unterschiedlichen Gründen wird es auch für tion im Zeitraum von 1993 bis 2006 bei rund 45 Pro- Musikvereine zudem immer schwieriger, Personen für zent, während sich die GEMA-Vergütung für die Laien- Ehrenämter zu gewinnen. Deshalb muss es grundsätzlich orchester im gleichen Zeitraum um rund 100 Prozent zu einer Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben im eh- Wer zahlt warum wofür? erhöhte. Berücksichtigt man nun die erhöhten Kosten renamtlichen Bereich kommen – auch in Bezug auf den für Musikinstrumente, Ausbildung von Jungmusikern Umgang mit der GEMA. Vor einigen Jahren wurde der Verwertungsgesellschaften verwalten die ihnen von sche Hürden in der Zusammenarbeit mit der GEMA. oder Proberäumlichkeiten auf der einen Seite sowie die Entwurf für einen Gesamtvertrag diskutiert, der aus der Wahrnehmungsberechtigten übertragenen Rechte bzw. Insbesondere werde nicht klar, mit wem unter wel- im bundesweiten Durchschnitt rückläufigen Zuwendun- Sicht der Musikvereine wesentliche Verwaltungsverein- Rechte, die ausschließlich kollektiv wahrgenommen chen Voraussetzungen Gesamtverträge geschlossen gen der öffentlichen Hand auf der anderen Seite, so wird fachungen mit sich gebracht hätte. Leider konnte für die- werden können wie die Kopierabgabe, treuhänderisch. werden. Demgegenüber hebt Jürgen Becker hervor, ein leider immer problematischer werdender Umstand sen Gesamtvertrag keine für beide Seiten zufrieden stel- Die erzielten Erlöse werden nach Abzug der Verwal- dass die GEMA zusätzlich zu den im Urheberrecht vor- deutlich: Der finanzielle Spielraum von Laienorchestern lende finanzielle Einigung gefunden werden. tungskosten sowie der Abzüge für soziale und kultu- geschriebenen Nachlässen bei den Tarifen bei Veran- wird immer enger und die Erfüllung ihrer kultur-, gesell- relle Zwecke an die Wahrnehmungsberechtigten aus- staltungen, die einen besonderen sozialen oder kultu- schafts- und bildungspolitischen Aufgaben immer Fazit geschüttet. Bei den Vergütungen wird in der öffentli- rellen Charakter haben können, in den Gesamtverträ- schwieriger. Aus diesem Grund ist es in Zukunft von ganz chen Diskussion immer wieder die Frage aufgewor- gen Nachlässe gewährt. Aus seiner Sicht kommt die herausragender Wichtigkeit, Tarifverhandlungen und Ta- Die Laienmusikverbände anerkennen die kreativen Leis- fen, wofür überhaupt gezahlt werden muss und ob die GEMA den Vereinen der Laienmusik, sowohl was die riffestsetzungen mit Augenmaß zu führen. tungen von Komponisten und sind auch bereit, für die Vergütungen nicht viel zu hoch seien. Um die Debatte Tarifgestaltung als auch den bürokratischen Aufwand Neben der nominalen Höhe der Vergütung für die Inanspruchnahme dieser Leistungen zu bezahlen. Den- zu veranschaulichen, werden die unterschiedlichen Po- betrifft, entgegen. Er unterstreicht abschließend, dass Aufführung von geschützten Werken sind für die Orches- noch ist es für die zukünftige Existenz der rund 23.000 sitionen am Beispiel zweier verschiedener Vergütun- diese Nachlässe bei den Tarifen letztlich zu Lasten der ter der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbän- nicht-professionellen Orchester in Deutschland äußerst gen gegenüber gestellt. Die Laienmusikverbände han- Urheber gehen, denen nämlich ein Teil ihrer Vergütung de (BDO) aber auch andere Aspekte der Vertrags- und wichtig, dass die Verbände des Laienmusizierens mit der deln mit der GEMA Gesamtverträge für die Nutzung entgeht. Tarifgestaltung von Bedeutung. Derzeit existieren un- GEMA Gesamtverträge zu angemessenen Bedingungen urheberrechtlich geschützter Musik aus. Hier kommen terschiedliche Gesamtverträge mit den verschiedenen abschließen können. Hierbei sollten folgende Punkte Be- Ernst Burgbacher, Präsident der Bundesvereinigung Bernhard Rohleder stellt zu Beginn seines Beitrags Fachverbänden des Laienmusizierens. Eine Zusammen- rücksichtigung finden: Deutscher Orchesterverbände und Jürgen Becker, Vor- heraus, dass voraussichtlich künftig jeder ein Autor ist, führung dieser unterschiedlichen Gesamtverträge zu · Die Erhöhung der Vergütungen sollte in Zukunft stand der GEMA, zu Wort und setzen sich mit den Ta- der die Möglichkeiten, die mit Web 2.0 beschritten wer- einem Gesamtvertrag für alle Laienmusikverbände wird lediglich in Höhe der Inflationsrate stattfinden. rifen für die Nutzung von Orchesterwerken von Laien- den, nutzt. Insofern stellt sich für ihn die Frage nach von Vertretern der einzelnen Verbände immer wieder · Die Gesamtverträge sollten längere Laufzeiten aufwei- orchestern auseinander. Bei der pauschalen Vergütung der Berechtigung von pauschalen Vergütungen. Sei- vorgeschlagen und gefordert. Darüber hinaus könnte sen, um dadurch eine größere Planungssicherheit zu für Speichermedien und -geräte verhandeln die Ver- nes Erachtens liegt die Zukunft im individuellen digi- über eine Verlängerung der Vertragslaufzeiten eine er- gewährleisten. wertungsgesellschaften u.a. mit BITKOM, dem Zusam- talen Rechtemanagement. Er wirft den Verwertungs- höhte Planungssicherheit für die einzelnen Orchester · Die verwaltungstechnischen Abwicklungen der unter- menschluss von Unternehmen der Informationswirt- gesellschaften vor, dass sie mit ihren Forderungen bei erreicht werden. schiedlichen Vorgänge sollte überprüft und durch ver- schaft und Telekommunikation. Hier nehmen Bernhard den Pauschalabgaben einen Beitrag zur Entwertung Aber auch andere Regelungen der derzeitigen Pra- besserte Anmelde- und Nachweisverfahren für die Rohleder, Hauptgeschäftsführer von BITKOM und Fer- des geistigen Eigentums geleistet haben, da die For- xis sind aus der Sicht der BDO nicht zufrieden stellend ehrenamtlich tätigen Personen in den Orchestern ver- dinand Melichar, Geschäftsführendes Vorstandsmit- derungen zu hoch seien. Demgegenüber sieht zwar und sollten daher unbedingt überdacht werden: So gel- einfacht werden. glied der VG Wort, Stellung. auch Ferdinand Melichar die Bedeutung des digitalen ten für die immer wichtiger werdenden Fördervereine · Fördervereine, die ausschließlich ein den entsprechen- Rechtemanagements wachsen, die Verwertungsgesell- von nicht-professionellen Orchestern auch dann nicht den Gesamtvertrag betreffendes Orchester fördern, Ernst Burgbacher betont zu Beginn seines Beitrags, schaften werden in diesem Zusammenhang aber nicht die besseren Konditionen eines Gesamtvertrages, wenn sollten von diesem Gesamtvertrag ebenfalls einbezo- dass eine angemessene Vergütung von Komponisten überflüssig werden. Im Gegenteil: sie können in der sie satzungsgemäß ausschließlich das Orchester för- gen werden. und Textdichtern sichergestellt sein muss. Er bekennt Zukunft gerade bei der Verwaltung von DRM-Syste- dern. Im Weiteren orientiert sich die Gebührenbere- · Bei der Berechung der Vergütung sollte auch die An- sich klar zum System der kollektiven Rechtewahrneh- men eine wichtige Rolle spielen. Zugleich stellt er chung an der Größe des Veranstaltungssaals, unabhän- zahl der in der Veranstaltung anwesenden Zuhörer ein- mung. In der konkreten Praxis sieht er aber Handlungs- nochmals heraus, dass die Erlaubnis der privaten Ko- gig von der Anzahl der im Konzert anwesenden Zuhö- bezogen werden. bedarf. Seines Erachtens erfahren die Tarife eine zu pie zwangsläufig eine angemessene Vergütung der rer. Orchester, die aufgrund ihrer Größe auf entspre- Dass zukünftige gemeinsame Anstrengungen der große Steigerung. Angesichts von Kostensteigerungen Urheber in Form der Geräte- oder Leerträgervergütung chende Räumlichkeiten angewiesen sind, werden hier Verwertungsgesellschaften und der Laienmusikverbän- für Instrumente und sinkenden Zuschüssen plädiert er nach sich zieht. benachteiligt, da sie zumeist nicht gewährleisten kön- de auch kulturpolitisch sinnvoll sind, soll die abschlie- für Tarife mit Augenmaß, um das Laienmusizieren nicht nen, diese großen Räumlichkeiten auch mit Publikum ßende Beobachtung aus der Konzertpraxis verdeutlichen: zu gefährden. Ebenso beklagt er zu hohe bürokrati- DIE REDAKTION füllen zu können. Zeitgenössische oder jüngere Kompositionen werden Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 22

Engagement für die Allgemeinheit Förderung der Laienmusik durch die GEMA I Von Jürgen Becker Die GEMA wird in der Öffentlichkeit in erster Linie wahr- genommen bei ihrer Lizenzerteilung für öffentliche Auf- führungen von Musik, für die sie Vergütungen in Rech- nung stellt, bzw. dann, wenn sie im Rahmen ihrer Kon- trolltätigkeit Vergütungen für die Musiknutzung im Nachhinein geltend macht.

ie GEMA bezieht ihren Auftrag dazu von den Rech- D teinhabern, den Komponisten, Textdichtern und bei- der Verleger, die ihr das Recht zur Lizenzierung von öf- fentlichen Aufführungen ihrer Werke zur treuhänderi- schen Wahrnehmung übertragen haben. Denn im Zeit- alter der Massennutzung von Musik ist der Schöpfer von Musikwerken nicht in der Lage, die öffentlichen Auffüh- rungen seiner Werke selbst zu lizenzieren und zu kon- trollieren. Die GEMA ist gesetzlich dazu verpflichtet, Tarife über die Vergütungen aufzustellen, die sie für die öffentliche Aufführung von Musik ihrer Mitglieder, sei es live, sei es als Background-Musik in Gaststätten, Supermärkten, Boutiquen, Ladenpassagen, Diskotheken etc., fordert. Dadurch wird eine gleichmäßige Behandlung aller gleich gelagerten Fälle durch die GEMA sichergestellt. Die GEMA ist darüber hinaus ebenfalls gesetzlich verpflichtet, mit „Vereinigungen, deren Mitglieder nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz geschützte Werke oder Leistungen nutzen oder zur Zahlung von Vergütungen nach dem Urheberrechtswahrnehmungs- gesetz verpflichtet sind“ zu angemessenen Bedingun- gen Gesamtverträge abzuschließen. In diesen werden im gegenseitigen Einvernehmen zwischen GEMA und Verbänden die Bedingungen festgelegt, unter denen den einzelnen in den Vereinigungen zusammengeschlosse- nen Veranstaltern die Erlaubnis zur Musikaufführung erteilt wird. Bei der großen Zahl derjenigen, die Musik nutzen, wäre es für die GEMA auch unzweckmäßig, wenn sie mit jedem Nutzer auf den Einzelfall abge- stimmte Verträge über die Einräumung eines Nutzungs- rechts und über die Höhe der Vergütungen schließen Musikhören als Luxus. Grammophon aus Messing. Foto: Stefanie Ernst würde. Insofern hat die GEMA an der Erfüllung der ihr auferlegten Pflicht ein besonderes Interesse. men von Altenheimen und Altenwohnheimen, deren zusammengeschlossen sind. Den von diesen Gesamtver- Soweit bei der großen Masse der täglichen Lizenzab- Die GEMA hat eine große Anzahl von Gesamtverträgen Träger den Verbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft trägen erfassten Mitgliedsvereinen der Verbände wird ein wicklungen in Einzelfällen Missverständnisse auftreten, mit den unterschiedlichsten Verbänden und Vereinigun- der Freien Wohlfahrtspflege angeschlossen sind, und Nachlass von 20 % auf die Normalvergütungssätze einge- wie etwa Zahlungsverzögerungen oder aber als unan- gen abgeschlossen, die eines gemeinsam haben: die Ver- in Gemeinschaftsräumen von kommunalen und staat- räumt – damit also auch auf die bereits unter sozialen und gemessen empfundene Lizenzrechnungen, so handelt es tretung von Nutzern von Musik. Abschlüsse bestehen u.a. lichen Altenheimen und Altenwohnheimen; kulturellen Erwägungen redu-zierten Tarife. sich meistens um Kommunikationsprobleme, die ihre mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter, dem · 20 % für Jugendveranstaltungen, die im Rahmen der Die Gesamtverträge erleichtern darüber hinaus auch Gründe häufig in der ebenso nüchternen wie Kosten spa- Deutschen Bühnenverein, den Schaustellerverbänden, Jugendbetreuung für Jugendliche unter 21 Jahren die praktische Zusammenarbeit zwischen der GEMA und renden maschinellen Verarbeitung der Lizenzvorgänge dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband, dem durchgeführt werden, soweit nur alkoholfreie Geträn- tausenden verschiedener Vereine in Deutschland, die in haben können, aber auch durch die häufige Fluktuation Deutschen Sängerbund, dem Verband der Deutschen Kon- ke ausgegeben werden und – falls von den Besuchern aller Regel gut und reibungslos funktioniert. So wird in der ehrenamtlich besetzten Vereinsfunktionen begrün- zertdirektionen, dem Bund Deutscher Karneval etc. ein Entgelt zu entrichten ist – der Unkostenbeitrag 1,00 den Gesamtverträgen neben den als angemessen verein- det sein können. Zur Ausräumung und Vermeidung der- Ihr besonderes Augenmerk richtet die GEMA bei der Euro nicht übersteigt; barten Tarifen auch der alltägliche Geschäftsverkehr der artiger Probleme stellt die GEMA in ihren Bezirksdirek- Aufstellung von Tarifen und dem Abschluss von Gesamt- · 20 % für gesellige Veranstaltungen von Kriegsbeschä- Vereine mit der GEMA unter besonderer Berücksichtigung tionen besonders erfahrene und kompetente Ansprech- verträgen auf die Belange derer, die als Laien und im digten- und Hinterbliebenen-Vereinigungen, wenn der der jeweiligen spezifischen und vereinstypischen Umstän- partner ab, die mit den speziellen Belangen der ehren- Rahmen bürgerschaftlichen Engagements Musik öffent- Reinertrag satzungsgemäß zweckgebunden ist und für de und Standardsituationen einvernehmlich geregelt. amtlich organisierten Musiknutzer vertraut sind. Die lich aufführen: reine Fürsorge- und Betreuungsmaßnahmen verwen- Beispielsweise sind häufig für besondere Veranstaltungs- GEMA sieht es insoweit als ihre permanente Aufgabe Gemäß § 52 Abs. 1 UrhG sind musikalische Veran- det wird; kategorien aus Gründen der Praktikabilität pauschale Ab- an, sowohl im persönlichen Kontakt auf Ebene der Li- staltungen erlaubnisfrei zulässig, wenn die öffentliche · 20 % für gesellige Veranstaltungen von Gewerkschaf- geltungen oder mitgliederbezogene Pro-Kopf Tarife ver- zenzierung als auch immer wieder in neuen Initiativen Wiedergabe von Musik keinem Erwerbszweck des Ver- ten, die Ende April oder Anfang Mai anlässlich des Ta- einbart, durch die manche lästige Verwaltungsarbeit den informellen Kontakt mit den Vereinen zu halten und anstalters dient, kein Eintrittsgeld erhoben wird und die ges der Arbeit durchgeführt werden; insbesondere auf Seiten der Vereine entfällt. Es ist kenn- zu verbessern. ausübenden Künstler keine Vergütung erhalten. Darüber · 33 1/3 % für gesellige Veranstaltungen des Roten Kreu- zeichnend für diese Gesamtvertragsbeziehungen, dass Bei allem ist jedoch zu bedenken, dass im Sinne ei- hinaus muss für bestimmte in § 52 Abs. 1 UrhG näher zes, wenn der Reinertrag bestimmungsgemäß den sich die Vertragspartner periodisch zusammensetzen, um nes Engagements für die Allgemeinheit von Autoren ein bezeichnete Veranstaltungsformen, darunter Veranstal- Zwecken des Roten Kreuzes zufließt. den Stand der Zusammenarbeit nach Verbesserungsmög- finanzieller Beitrag geleistet wird, die selbst häufig der tungen der Jugend- und Sozialhilfe sowie der Alten- und Über diese und andere Tarifermäßigungen hinaus ist lichkeiten zu untersuchen. Die GEMA hat hier immer ein sozialen Unterstützung und Förderung bedürfen. Inso- Wohlfahrtspflege, dann keine Vergütung an die GEMA zusätzlich zu berücksichtigen, dass die GEMA für den Be- offenes Ohr für die Belange der Vereine als Musiknutzer, fern sind der GEMA bei der Aufstellung von Tarifen und entrichtet werden, wenn die Veranstaltungen nach ih- reich gemeinnütziger, ehrenamtlich geführter Vereine in soweit dieses im Rahmen des von der GEMA im Verhält- im Rahmen von Tarifverhandlungen natürliche Grenzen rer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur großem Umfang Gesamtverträge abgeschlossen hat, so nis zu ihren Mitgliedern bestehenden Treuhandverhält- gesetzt. einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zu- beispielhaft mit dem Deutschen Sportbund oder den Ver- nisses und den gesetzlichen Bestimmungen von Urheber- gänglich sind. Im Ergebnis führt diese Regelung dazu, einsverbänden der Schützen-, Karnevals- oder Blasmusik- rechtsgesetz und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetz DER VERFASSER IST STELLVERTRETENDER VORSITZEN- dass in der Praxis für eine Vielzahl von Veranstaltungen vereine, in denen jeweils eine Vielzahl kleinerer Verbände möglich ist. DER DES VORSTANDS DER GEMA aus dem Bereich bürgerschaftlichen Engagements von der GEMA kein Inkasso durchgeführt wird. Dies bedeu- tet gleichzeitig, dass der Gesetzgeber den Urhebern ei- nen erheblichen finanziellen Beitrag zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements abverlangt. Vom digitalen Boom profitieren Urheber direkt Soweit jedoch bei Veranstaltungen aus dem Bereich Eine Zukunftsvision und ihre Bedeutung für die Gegenwart I Von Bernhard Rohleder bürgerschaftlichen Engagements die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 UrhG nicht gegeben und für die Musik- Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen – eine gen Summe für Hochleistungs-Scanner. Verwertungsge- Pauschalabgaben nicht berücksichtigt. Die Verwertungs- nutzung in derartigen Veranstaltungen Vergütungen an Zukunft, die dank des Internets für immer mehr Men- sellschaften sammeln diese Abgaben ein und schütten gesellschaften, die das Geld für die Autoren einsammeln, die GEMA zu entrichten sind, wird von der GEMA bei schen derzeit zur Gegenwart wird: Wir bewegen uns mit sie – nach Abzug der eigenen Verwaltungs- und Perso- rechnen überwiegend nach Masse ab und wollen das der Tarifgestaltung berücksichtigt, dass derartige Ver- hoher Geschwindigkeit aus einer Welt der Leser, Hörer nalaufwendungen – über ein kompliziertes System an auch in Zukunft tun. Je länger ein Text, desto höher die anstaltungen einen besonderen sozialen oder kulturel- und Zuschauer in eine andere Welt – die der Autoren die Urheber aus. Vergütung. Deshalb setzen wir uns dafür ein, Pauschal- len Charakter haben können. Grundlage hierfür ist § 13 und Produzenten. In eine Welt, in der fast jeder nicht Inzwischen hat sich die Welt für Autoren und Publi- abgaben zumindest in der Welt des Internets gar nicht Abs. 3 Satz 4 UrhWG, wonach die Verwertungsgesell- nur Information und Unterhaltung konsumiert, sondern kum radikal geändert. Das System pauschaler Kopier- erst einzuführen, sondern gleich mit individuellen Lö- schaft bei der Tarifgestaltung und bei der Einziehung auch produziert. Diese Botschaft sollte mit Web 2.0 an- Abgaben lässt sich schlecht in die Welt des Web 2.0 sungen zu arbeiten. der tariflichen Vergütung auf religiöse, kulturelle und gekommen sein. Das Netz ist nicht nur Verkaufsplatt- übertragen. Welchen Sinn macht ein solches System im In der öffentlichen Diskussion wird bisweilen der Ein- soziale Belange des zur Zahlung der Vergütung Verpflich- form für Texte, Musik und Filme – es bringt neue For- Zeitalter digitaler Medien, wo Nutzer zu Produzenten druck erweckt, die Nutzung von digitalem Rechte-Ma- teten einschließlich der Belange der Jugendpflege an- men der Kreativität hervor, etwa Blogs, an denen Milli- werden und untereinander vielfältige Beziehungen der nagement (DRM) sei Zukunftsmusik. Doch das Gegenteil gemessen Rücksicht nehmen soll. Die GEMA beachtet onen Menschen teilhaben. Werknutzung entstehen? Nach dem bisherigen Pau- ist der Fall. Für die Softwarebranche ist passwortgeschütz- diese Bestimmung besonders sorgfältig und hat eine schalsystem müssten wir letztlich eine gigantische Um- ter Onlinevertrieb längst Standard, für die Musikindus- Reihe von GEMA-Tarifen aus sozialen und kulturellen ies hat Folgen für die Nutzung geistigen Eigentums. verteilungsmaschine in Gang setzen, die bei jedem Geld trie ist er ein wichtiges Standbein. Auch der Download Gründen herabgesetzt. So ermäßigen sich z.B. die be- D In den 80er Jahren, als das Internet nur Experten einsammelt und an jeden Geld ausschüttet. Das kann von Hörbüchern ist ein Renner, kaum ein anderes Seg- sonders häufig beanspruchten Vergütungssätze U-VK für ein Begriff war, hat man das recht schlicht gelöst: Tech- auf Dauer nicht funktionieren. ment wächst ähnlich stark. Und die Anzahl legal aus dem die Wiedergabe von Live-Musik und M-U (Wiedergabe nische Produkte, mit denen man Werke vervielfältigen Für digitale Medien gibt es mittelfristig ohnehin Internet abgerufener Videos steigt ebenfalls rapide. Selbst von mechanischer Musik) wie folgt: kann, werden mit einer Abgabe belegt. Das betrifft heu- keine andere Möglichkeit, als von pauschalen auf indi- außerhalb der audiovisuellen Medien haben wir uns an · 15 % für Tonträgerwiedergaben in Gemeinschaftsräu- te etwa CD-Roms, DVD-Brenner und Scanner. Ihr Laden- viduelle Vergütungsformen umzustellen. Im Web ist das DRM gewöhnt: Wir bezahlen für das Dossier bei Spiegel men von Müttergenesungsheimen, deren Träger den preis besteht nicht nur aus Herstellungskosten, Vertriebs- auch kein Problem, wie die vielfältigen Angebote kos- Online, für den Testbericht der Stiftung Warentest oder Verbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien margen und Mehrwertsteuer. Mit der Kopierpauschale tenpflichtiger Datenbanken, Archive und Online-Publi- für den Stichworteintrag bei Brockhaus. Wohlfahrtspflege angeschlossen sind; fällt eine Zusatz-Abgabe an. Dieser Obolus liegt derzeit kationen zeigen. Die Umstellung wäre nicht mehr als · 15 % für Tonträgerwiedergaben in Gemeinschaftsräu- zwischen einigen Cent für Rohlinge und einer dreistelli- gerecht. Zum Beispiel werden Qualitäts-Aspekte bei Weiter auf Seite 23 Verwertungsgesellschaften – Tarife politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 23

Fortsetzung von Seite 22 Dort, wo individuelle Lösungen noch nicht verfüg- fließen dreistellige Millionenbeträge hinein, auf der an- ter wie Drucker und PCs eine Abgabe heften? Damit er- bar sind, hält der Gesetzgeber zu Recht an den Pau- deren gehen Tausende mehr oder weniger kleiner reichen wir eher das Gegenteil. Der PC wird teurer, also Natürlich sind die absoluten Umsatzzahlen dieser neu- schalen fest. Die bisherigen Abgaben für Kopierer, Scan- Schecks an die Urheber. Doch nach welchen Maßstäben subjektiv wertvoller. Das geistige Gut hingegen – der en Märkte noch relativ gering. Aber die Dynamik ver- ner, MP3-Spieler sowie Rohlinge gibt es nach wie vor, die Organisationen arbeiten, bleibt weitgehend im Dun- Text, der Song, das Bild, der Film – verliert subjektiv an dient Beachtung. Das Online-Geschäft wächst exponen- und es werden weitere Geräte in die Abgabenpflicht keln. Zahlen sind schwer oder gar nicht erhältlich, Ver- Wert. Wer für einen PC eine Kopierabgabe gezahlt hat, ziell. Und natürlich steigen parallel die Lizenzeinnah- einbezogen. Die kollektive Rechtewahrnehmung durch teilerschlüssel kaum nachvollziehbar. So ist zum Beispiel wird hemmungslos kopieren. Er wird es in dem Bewusst- men für die Urheber. Wenn man bedenkt, dass dieser Verwertungsgesellschaften hat also in den etablierten völlig unklar, welcher Betrag direkt an Autoren, Künst- sein tun, alle finanziellen Pflichten erfüllt zu haben. Markt erst vor kurzem gestartet ist, kann man ermes- Bereichen auch künftig Bestand. Niemandem wird et- ler und Verlage im Ausland geht. Ausgewiesen wird nur Kaum ein Jugendlicher wird sich der Tatsache bewusst sen, welches zukünftige Erlöspotenzial hier besteht. was weggenommen. die Verrechnung der Verwertungsgesellschaften unter- sein, dass mit der Abgabe nur die Zweitverwertungs- Ein oft zitiertes Vorurteil gegenüber DRM-Systemen Dank der Neuauflage des Urheberrechts werden die einander. Angesichts der Dominanz angelsächsischer rechte legaler Kopien vergütet sind. Die Bereitschaft, lautet, dass digitales Rechtemanagement in erster Li- Verwertungsgesellschaften auch 2008 ihre Einnahmen Interpreten im deutschen Musikmarkt liegt die Vermu- schwarz zu kopieren, wird weiter steigen, das Unrechts- nie große Medienkonzerne unterstützt und kleine An- weiter stark steigern können. Schon bisher haben Wirt- tung nahe, dass wir in Deutschland Geld einsammeln, bewusstsein sinken. bieter benachteiligt. Das ist grundverkehrt, denn inzwi- schaft und Verbraucher Jahr für Jahr höhere Summen das dann zu großen Teilen ins Ausland transferiert wird. Selbst manche Spitzenpolitiker sehen Gerätepau- schen haben sich unterschiedlichste DRM-Plattformen abgeführt. So prognostiziert der BITKOM, dass 2007 Die positiven Effekte für den deutschen Kunstbetrieb schalen als Strafabgabe für illegales Kopieren an. Ge- etabliert, die es Künstlern oder kleinen Verlagen ermög- insgesamt mehr als 170 Millionen Euro an die Organi- bleiben so aus. nau das ist die Abgabe aber nicht. Hier aufzuklären, ist lichen, ihre Werke direkt und individuell im Netz anzu- sationen VG WORT und ZPÜ fließen. Das ist eine deutli- Dabei könnten die Verwertungsgesellschaften Mo- ebenso wichtig wie die Debatte um Vergütungsmodel- bieten. che Steigerung gegenüber den 124 Millionen aus dem dernität beweisen: Erstens, indem sie genauer Rechen- le. Dass geistiges Eigentum schützenswert ist, wissen So können Urheber die Nutzung ihrer Werke ei- Jahr 2005. Und drei Jahre früher waren es noch 76 Mil- schaft ablegen. Und zweitens, indem sie auf die Chan- gerade die von BITKOM vertretenen Softwarehäuser und genverantwortlich steuern – ohne, dass ein aufwändi- lionen. Individuelle Einnahmen der Urheber sind bei die- cen neuer Technologien hinweisen, anstatt Panikmache Markenhersteller mit am besten. Sie leiden seit Jahr- ger Verwaltungsapparat zwischengeschaltet werden sen Beträgen noch nicht eingerechnet. zu betreiben. Gerade freien Autoren, Musikern, Filme- zehnten unter Produktpiraterie und illegalen Kopien. muss. Der Bundestag hat das bei der Neuregelung des Doch die Legitimität des Pauschalsystems bemisst machern und bildenden Künstlern bietet die digitale Welt Über die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums herrscht Urheberrechts in diesem Jahr leider nur unzureichend sich nicht nur an den eingenommenen Summen. Neben enorme Möglichkeiten. aber längst kein gesellschaftlicher Konsens. Urheber, umgesetzt. Internet-Downloads hätten grundsätzlich dem berechtigten Einwand, wie zukunftsgerecht das In dem Ringen um möglichst hohe Pauschalbeträge Rechteverwerter und Gerätehersteller müssen noch viel von der Vergütungspflicht ausgenommen werden müs- Modell ist, müssen die Verwertungsgesellschaften wei- haben die Verwertungsgesellschaften ein Ziel aus den Überzeugungsarbeit leisten. sen. Entweder werden die Inhalte ohnehin kostenpflich- tere kritische Fragen beantworten, nämlich nach ihrer Augen verloren, das sie im Interesse ihrer Mitglieder tig angeboten – oder gratis ins Netz gestellt. Gesetz- Effizienz und Transparenz. genauso stark verfolgen sollten: der breiten Öffentlich- DER VERFASSER IST HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES BUN- lich verordnete Abgaben braucht es in beiden Fällen Leider sind die maßgeblichen Verwertungsgesell- keit die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums zu ver- DESVERBANDES INFORMATIONSWIRTSCHAFT, TELEKOM- nicht. schaften heute eine „Black Box“: Auf der einen Seite mitteln. Erreichen wir das, indem wir an materielle Gü- MUNIKATION UND NEUE MEDIEN E.V. (BITKOM) Verwertungsgesellschaften im digitalen Zeitalter Digital Rights Management-Systeme machen Verwertungsgesellschaften nicht überflüssig I Von Ferdinand Melichar I. Manche Kritiker wollen in Verwertungsgesellschaften eine aussterbende Spezies aus dem 20. Jahrhundert se- hen, die in der Zukunft Dank Digital Rights Manage- ment und Technical Protection Measures kaum noch Existenzberechtigung hätten. Schon ein Blick ins Gesetz aber belegt das Gegenteil. Das 1966 in Kraft getretene neue Urheberrechtsgesetz bestimmte erstmals und nur an einer Stelle, dass ein urheberrechtlicher Vergütungs- anspruch nicht vom Urheber selbst oder einem Dritten (z.B. Verleger oder Produzent) geltend gemacht werden kann, sondern nur durch eine Verwertungsgesellschaft (es handelte sich um die als Ausgleich für die danach erlaubte Privatkopie eingeführte Gerätevergütung). Heu- te findet sich solche Verwertungsgesellschaftspflicht im Gesetz bereits an acht Stellen und mit der soeben be- schlossenen Novelle des so genannten 2. Korbes kom- men drei weitere hinzu (bezogen auf die Vergütungsan- sprüche für den Kopienversand auf Bestellung, die Nut- zung an elektronischen Leseplätzen und schließlich die Sondervergütung bei einer Verwertung in bisher unbe- kannter Nutzungsart). Die Verwertungsgesellschafts- pflichtigkeit wird vom Gesetzgeber aber nicht nur für solche gesetzlichen Vergütungsansprüche vorgeschrie- ben, sondern neuerdings auch für die Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten wie der Kabelweitersen- dung. Diese – durch EU-Recht gebotene – Einschaltung von Verwertungsgesellschaften wurde eingeführt, „da- mit das reibungslose Funktionieren vertraglicher Verein- barungen nicht durch den Einspruch von Außenseitern […] in Frage gestellt werden kann“; sie liegt also vor allem im Interesse der Kabelbetreiber. Für alle vorge- nannten Fälle gilt, dass erst durch die Einschaltung von Verwertungsgesellschaften die betreffenden Ansprüche auf wirtschaftlich sinnvolle Weise geltend gemacht wer- den können. Einzelabrechnungen an jeden Rechteinha- ber würden die Nutzer überfordern und sie in Konse- quenz von der – ja durchaus gewünschten – Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke abschrecken. In Anerkennung dieser Realität setzen deshalb der euro- Kamera Arriflex 300. Foto: Stefanie Ernst päische ebenso wie der nationale Gesetzgeber vermehrt die Konstruktion der Verwertungsgesellschaftspflich- 2. Korb) und würde zudem auch gegen den berühmten Bücher noch lange gelten. Auf der anderen Seite wer- dern – möglichst viele Rechte aus einer Hand erwerben tigkeit urheberrechtlicher Ansprüche ein. Dies gilt auch Drei-Stufen-Test des EU-Rechts verstoßen. Wenn man also den z.B. Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalten – ge- können. Es ist daher schon jetzt absehbar, dass sich pro- und gerade für digitale Nutzungen, wie z.B. die schon weiterhin wie gehabt das private Kopieren auch mit digi- halten durch ihren gesetzlichen Auftrag – auch weiterhin fessionelle (nicht notwendig: kommerzielle) Anbieter wie angeführte On-the-Spot-Consultation urheberrechtlich talen Mitteln zulassen will, sind Verwertungsgesellschaf- unverschlüsselte Sendungen veranstalten. Will man also z.B. Bibliotheken, Forschungszentren u.ä. als Internetpor- geschützter Werke an Leseplätzen in Bibliotheken. ten auch in Zukunft unverzichtbar – nur sie können die das private Vervielfältigen nicht verbieten, so sind wieder tale einschalten werden. Hier bieten sich wieder Verwer- hierfür zu zahlenden Vergütungen verwalten. die Verwertungsgesellschaften gefordert, die hierfür tungsgesellschaften als zentrale Verwaltungsorganisati- II. anfallende Vergütung zu verwalten. onen an. Sie verfügen schon jetzt weitgehend über die Das deutsche Urheberrecht erlaubt, wie alle kontinen- III. Neben den – insbesondere im Interesse der Nutzer hierfür notwendigen Dokumentationen, besitzen das taleuropäischen Gesetze, die Vervielfältigung zu (in wei- Vielfach wird behauptet, technische Kopiersperren und und des Wissenschaftsstandorts Deutschland – eingeführ- Know-how und die nötigen technischen Einrichtungen. terem Sinne) privaten Zwecken. Der verschiedentlich vor allem Digital Rights Managementsysteme würden ten gesetzlichen Lizenzen (für privates Kopien, Kopien- Vor allem aber: Sie sind von den Urhebern und Rechtein- erhobenen Forderung nach einem Verbot der digitalen Verwertungsgesellschaften überflüssig machen. Auch versand von Artikeln, On-the-Spot-Consultations etc.) gibt habern selbst getragene, nicht gewinnorientierte Orga- Privatkopie wird auch im so genannten 2. Korb eine klare dies geht an der Realität vorbei. es freilich Bereiche, in denen individuell registrierte und nisationen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit Absage erteilt: Eine Regelung, die etwa nur die analoge Dabei muss man gar nicht auf die technischen Un- abgerechnete digitale Nutzungen möglich und auch wün- der Verwertungsgesellschaften in diesem Bereich ist Privatkopie zuließe, wäre laut Gesetzesbegründung zulänglichkeiten all dieser Systeme verweisen (ist das schenswert sind. Hier stellt sich allerdings die Frage, wer allerdings, dass sie an die Stelle der für privates Kopieren „praktisch kaum durchsetzbar und den Verbrauchern System einmal von einem findigen Hacker geknackt, so die einzelnen Nutzungsvorgänge registrieren und abrech- notwendigerweise pauschalen Verwaltung und Abrech- nicht zu vermitteln. Ein solches Verbot würde die sozia- steht es danach in der Regel jedermann offen im Web nen wird. Für audio- und audiovisuelle Werke wollen die- nung ein individuelles Verwaltungssystem stellt, in dem le Realität ignorieren und die Autorität und Glaubwür- zur Verfügung). Entscheidend ist, dass alle technischen se Aufgabe die in diesem Bereich global agierenden Groß- jeder einzelne Nutzungsvorgang individuell erfasst und digkeit der Rechtsordnung untergraben.“ Es ist dies si- Schutzmaßnahmen nur bei digitalen Vorlagen eingesetzt konzerne übernehmen (obwohl sich z.B. EMI laut FOCUS abgerechnet wird. Hier sollte man dann nicht mehr von cher die einzig richtige Entscheidung (wofür glaubt man werden können. Sie können also nur dort greifen, wo „vom lästigen Kopierschutz und kryptischen DRM“ schon „kollektiver“ sondern besser von „zentraler Verwaltung“ denn, werden z.B. in England – wo Privatkopien verbo- sich digitale Träger (wie CDs oder DVDs) durchgesetzt wieder verabschiedet). Für den Textbereich haben vor al- sprechen. Unter diesen Voraussetzungen können Verwer- ten sind – DVD-Brenner gekauft?). Gestattet man aber haben. Es wird aber auch in Zukunft wichtige und auch lem internationale agierende Großverlage das Know-how tungsgesellschaften in Zukunft eine wichtige Rolle bei die Privatkopie, so folgt hieraus zwangsläufig, dass den wirtschaftlich bedeutende Bereiche geben, wo techni- und das Kapital, um wirtschaftlich erfolgsversprechende der Verwaltung von DRM-Systemen spielen. DRM-Syste- Urhebern im Gegenzug eine angemessene Vergütung sche Schutzmaßnahmen nicht möglich oder nicht er- Angebote ins Netz stellen zu können. Der einzelne Urhe- me werden jedenfalls Verwertungsgesellschaften nicht zu bezahlen ist, die in Deutschland in Form der Geräte- wünscht sind. Dies gilt insbesondere für den Textbereich: ber aber wird hierzu nur selten in der Lage sein. Die Rech- überflüssig machen – beide werden sich auch in Zukunft und Leerträgervergütung durch Verwertungsgesellschaf- Auch wenn für wissenschaftliche Literatur die digitale teverwaltung im Internet durch den einzelnen Urheber ergänzen. ten erhoben wird. Eine vergütungsfreie zulässige Privat- On- und Offline-Verbreitung voranschreitet, so dominie- oder Rechteinhaber entspricht insbesondere im Wissen- kopie wäre als Eingriff in das Eigentumsrecht des Urhe- ren hier doch immer noch die Printausgaben und dies schaftsbereich auch nicht den Bedürfnissen der Nutzer. DER VERFASSER IST GESCHÄFTSFÜHRENDES VOR- bers verfassungswidrig (so wieder die Begründung zum wird für Zeitungen und Zeitschriften ebenso wie für Diese wollen – schon um die Transaktionskosten zu min- STANDSMITGLIED DER VG WORT Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 24

Wo geht die Reise hin? In welche Richtung sollen sich die Verwertungsgesell- gebung zu Korb II Urheberrecht in der Informationsge- tritt zugleich die Auffassung, dass die Aufsicht verstärkt bei den Vergütungen angesprochen. Ferdinand Me- schaften entwickeln? Welche Schwerpunkte wollen sie sellschaft ebenfalls die Verwertungsgesellschaften in der werden sollte. Insgesamt bekennen sich die befragten lichar, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG selbst setzen? Wie werden sich DRM-Systeme auf die Pflicht, mehr für ihre Transparenz zu tun. Wolfgang Nes- Abgeordneten klar zum System der kollektiven Rechte- Wort, spricht von den Perspektiven der VG Wort beim Arbeit der Verwertungsgesellschaften auswirken? Wird kovic, MdB, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion DIE wahrnehmung, genauso unmissverständlich plädieren digitalen Rechtemanagement. Seines Erachtens könn- die kollektive Rechtewahrnehmung überflüssig oder gibt LINKE, vertritt die Meinung, dass die Verwertungsge- sie für eine stärkere Aufsicht und die konsequente Wahr- ten gerade Verwertungsgesellschaften verhindern, es neue Chancen? Zu diesen Fragen positionieren sich sellschaften in ihrem kulturellen und sozialen Auftrag nehmung der kulturellen und sozialen Zwecke. dass es gläserne Kunden gibt. Obwohl Verwertungs- zum einen Abgeordnete des Deutschen Bundestags, zum gestärkt werden sollten. Er appelliert zugleich für eine gesellschaften Wirtschaftsunternehmen sind, da sie anderen die Geschäftsführer der Verwertungsgesell- stärkere Aufsicht. Die rechtspolitische Sprecherin der Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, sieht wie das Inkasso für die Rechteinhaber und nachher die schaften GEMA, GVL, VG Bild-Kunst und VG Wort. FDP-Fraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB, die Abgeordneten des Deutschen Bundestags das Er- Ausschüttung der Vergütungen übernehmen, er- sieht vor allem auf der europäischen Ebene Handlungs- fordernis, den Forderungen der EU-Kommission nach schöpft sich ihre Aufgabe nicht darin. Die Wahrneh- Günter Krings, MdB, Mitglied des Rechtsausschusses bedarf. Sie plädiert für eine Harmonisierung des Rechts- mehr Wettbewerb entgegen zu treten. Er hebt in die- mung der sozialen und der kulturellen Zwecke ist ein und Berichterstatter für Urheberrecht der CDU/CSU- rahmens, lehnt den Vorstoß der EU-Kommission aus dem sem Zusammenhang die staatsentlastende Funktion konstitutives Merkmal der Verwertungsgesellschaf- Fraktion, sieht in den DRM-Systemen eine Chance für Jahr 2005 aber ab, da die Gefahr einer Novellierung nach der Verwertungsgesellschaften besonders hervor. ten. Gerhard Pfennig, Geschäftsführendes Vorstands- die Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke und für unten besteht, die weder im Interesse der Urheber noch Zugleich stellt sich die GEMA dem Wettbewerb. Tilo mitglied der VG Bild-Kunst, sieht die Verwertungsge- die Urheber selbst und geht davon aus, dass diese Sys- der Nutzer sein kann. Undine Kurth, MdB, Parlamentari- Gerlach und Peter Zombik, Geschäftsführer der GVL, sellschaften gefordert, eingefahrene Positionen zu teme an Akzeptanz gewinnen werden. Zugleich ist er sche Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- teilen die Einschätzung zu den Gefahren, die von Sei- überdenken und die bestehenden Herausforderungen der Auffassung, dass Verwertungsgesellschaften nicht nen und Mitglied der Enquete-Kommission „Kultur in ten der Wettbewerbskommission aus Brüssel drohen. offen anzunehmen. Er sieht ganz besonders die Ur- ausgedient haben. An ihre Arbeit, speziell an ihre Trans- Deutschland“ des Deutschen Bundestages, lehnt – wie Sie sehen zugleich die Verwertungsgesellschaften, spe- heber und Rechteinhaber im audiovisuellen Bereich parenz, sind aber höhere Anforderungen zu stellen. Jörg die Abgeordneten der anderen Fraktionen – den Vor- ziell die GVL, vor der Herausforderung stärker multila- gefordert, neue Wege zu gehen. Tauss, MdB, bildungs- und medienpolitischer Sprecher, schlag der EU-Kommission ab, einen Wettbewerb unter teral zu agieren, da dieses von den Nutzern verlangt sieht mit Blick auf die gerade abgeschlossene Gesetz- den Verwertungsgesellschaften zu entfachen. Sie ver- wird. Dabei wird auch die Gefahr einer Abwärtsspirale DIE REDAKTION

Wettbewerb darf nicht zur Zweiklasssengesellschaft führen Das Urheberrecht aus der Sicht der CDU/CSU-Fraktion I Von Günter Krings „Diese Notenarbeit ist ein ernstes bedeutendes Werk. Es kann uns nicht gleichgültig sein, in welchem Rah- men dieses dargestellt wird!“ So entsetzt gibt sich der Musiklehrer in der Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, als er von dem Haushofmeister erfah- ren muss, dass im Anschluss an die vorgesehene opera seria auch noch eine heitere Oper folgen soll. Im weite- ren Verlauf der Handlung wischt der Haushofmeister die ästhetischen Bedenken vom Tisch und zeigt die ökono- mische Abhängigkeit auf: Wer bezahlt, bestimmt.

s war mit Sicherheit nicht die Absicht des Librettis- E ten Hugo von Hoffmannsthal, den mangelnden Schutz des Künstlers durch das Fehlen urheberrechtli- cher Bestimmungen aufzuzeigen, aber unfreiwillig bringt er diesen Aspekt mit dem Ausspruch des Musiklehrers eben doch zum Ausdruck. Die Problematik war auch demjenigen nicht unbekannt, der diese Textzeilen ver- tonte: Richard Strauss. Gilt er doch allgemein als Grün- dungsvater der Verwertungsgesellschaften in Deutsch- land. Denn in seiner Zeit erhielt der Urheber in Deutsch- land zum ersten Mal einen gesetzlichen Vorbehalt für die Aufführung seiner Werke und damit den notwendi- gen Hebel in die Hand, um selbst die Tantiemen einzu- streichen, die bis dato fast stets beim Verleger lande- ten. Spätestens mit der technischen Möglichkeit der pri- vaten Vervielfältigung eröffnete sich eine neue Dimen- sion. Der Gesetzgeber sah sich nun vor zwei Alternati- ven gestellt: Entweder bleibt die Vervielfältigung im pri- vaten Rahmen weiterhin nicht erlaubt oder er lässt die Privatkopie zu und gibt dem Urheber dafür einen Vergü- tungsanspruch. Der Gesetzgeber entschied sich 1965 für letztere Alternative, da er sich keine Illusionen darüber machte, dass die Privatkopie in der analogen Welt durch den Urheber nicht effektiv kontrolliert werden konnte.

Dr. Günter Krings, MdB (CDU)

geboren 1969; evangelisch-reformiert; verheiratet. 1989 Abitur. 1989 bis 1994 Studium der Rechtswis- senschaften und Geschichte an der Universität Köln, Als die Bilder laufen lernten. Foto: Stefanie Ernst 1994 erste juristische Staatsprüfung; 1994 bis 1995 Studium des US-amerikanischen und internationa- Trotzdem sollte er nicht leer ausgehen, sondern für der- Privatkopie“ geredet. Für den Verbraucher sind die Ab- len Rechts an der Temple University in Philadelphia, artige Vervielfältigungen auch eine Vergütung erhalten. gaben auf Geräte und Speichermedien eben wenig fass- Fulbright-Stipendiat, Abschluss Master of Laws; Da es dem Urheber faktisch unmöglich ist, derartige bar bzw. er registriert überhaupt nicht, dass der Kauf- 1995 bis 1997 Rechtsreferendar u.a. beim Deut- Ansprüche individuell wahrzunehmen, sind und bleiben preis bereits eine Abgabe für die Vervielfältigung von schen Städtetag, zweite juristische Staatsprüfung die Verwertungsgesellschaft für die analoge Welt un- urheberrechtlich geschütztem Material enthält. 1997. 1997 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbei- verzichtbar. Die Kreativindustrie tut sich allerdings noch schwer ter am Institut für Staatsrecht der Universität Köln; Doch gilt diese Unverzichtbarkeit auch für die digi- mit der Implementierung von DRM-Systemen. Dabei sind Dozent an der Kölner Journalistenschule; 2002 Pro- tale Welt? Zum jetzigen Zeitpunkt sind hinter dieser Fra- die gesetzlichen Rahmenbedingungen gegeben. Denn motion; Dr. jur. Rechtsanwalt in Mönchengladbach ge wohl noch mehr Fragezeichen zu machen als Ant- sofern der Rechteinhaber sein Werk mit technischen seit 1998; seit 2004 Lehrbeauftragter an der Uni- worten darauf gefunden wurden. Das Zauberwort „Di- Schutzmaßnahmen ausgestattet hat, dürfen diese auch versität Köln. gital-Rights-Management“ (DRM) scheint die Richtung zum Zwecke der Anfertigung einer Privatkopie nicht Mitglied der JU seit 1983, der CDU seit 1985, 1989 für den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Wer- umgangen werden. Sogar der Vertrieb von entsprechen- bis 1994 Vorsitzender der JU Wickrath, 1992 bis 2003 ken in der digitalen Welt vorzugeben, konkrete Erfolge der Software ist verboten. Trotzdem wurden in der Ver- Bezirksvorsitzender der JU Niederrhein, seit 1998 sind jedoch bislang kaum zu verzeichnen. gangenheit DRM-Systeme wieder vom Markt genom- stellvertretender Bezirksvorsitzender der CDU Nie- Dabei ist die Idee, die hinter DRM steht, genau rich- men. Inzwischen haben EMI und Universal den DRM- derrhein; seit 2002 stellvertretender Kreisvorsitzen- tig. Werden bislang die Geräte und Speichermedien mit Schutz von ihren online-vertriebenen Musikstücken he- der der CDU in Mönchengladbach; seit 1995 Lan- einer Abgabe belastet, die die Vervielfältigung ermögli- runtergenommen. Der Rest der Branche sitzt wie das desvorstand des Ev. Arbeitskreises der CDU in Nord- chen, wird durch DRM-Systeme auf die konkrete Nut- Kaninchen vor der Schlange und wartet ab. Universal rhein-Westfalen. Seit 1989 Mitglied im Kulturaus- zung abgestellt. Der Urheber kann dem Nutzer somit begründet seinen Vorstoß offiziell damit, dass sie unter- schuss der Stadt Mönchengladbach, Schirmherr der ein Paket von verschiedenen Nutzungen anbieten und suchen möchte, ob mit der Freigabe von technischen GBS-Patienten-Initiative; ehrenamtliches Mitglied im dafür eine angemessene Vergütung verlangen. Auch der Schutzmaßnahmen tatsächlich ein Anstieg von Raub- Aufsichtsrat des Bethesda-Krankenhauses in Mönch- psychologische Vorteil liegt auf der Hand, da der Wert kopien einhergeht. Ob man wirklich ein Prophet sein engladbach. des geistigen Eigentums direkt mit dem Werk verbun- muss, um das Ergebnis vorherzusagen, bleibt den Ver- Mitglied des Bundestages seit 2002; stellvertreten- den wird und gerade nicht mit dem Vervielfältigungs- antwortlichen anheimgestellt. So sehr Forderungen nach des Mitglied und Projektgruppenleiter der Bundes- gerät oder Speichermedium. Darin liegt bislang das Pro- einer weiteren Einschränkung der Privatkopie berech- staatskommission. blem urheberrechtlicher Vergütungspraxis. Teilweise wird Günter Krings. Foto: Krings sogar schon in der Öffentlichkeit von einem „Recht auf Weiter auf Seite 25 Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 25

Fortsetzung von Seite 24 messenen Verhältnis zum Warenpreis bleiben. Letztendlich wachsames Auge auf Entwicklungen zu haben, die ge- verbindliche Empfehlung der Kommission aufgreifen und haben auch die Urheber nichts davon, wenn das Geld ins rade in eine gegenteilige Richtung gehen, was auch für mit Zusammenschlüssen den Versuch unternehmen, ein tigt sind, so sehr sind die Rechteinhaber aber auch dazu Ausland abwandert, da in diesem Fall keinerlei Vergü- die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften gilt. grenzüberschreitendes Musikrepertoire anzubieten, füh- aufgerufen, die schon bestehenden gesetzlichen Mög- tung an sie ausgeschüttet werden kann. Neues Ungemach scheint aus Europa zu drohen. Die ren sie hinsichtlich des Wettbewerbsverfahrens der Kom- lichkeiten auszuschöpfen. Kurzfristige Marketingaktio- Die Verwertungsgesellschaften sehen sich aber nicht EU-Kommission gab im Mai 2005 eine Empfehlung mission gegen die Internationale Vereinigung von Ver- nen können sich hier schnell als Bumerang erweisen. nur Kräfte von außen ausgesetzt, sondern auch die in- heraus, in der sie sich für ein Aufbrechen der Monopole wertungsgesellschaften (CISAC) eine Abwehrschlacht Die Verwertungsgesellschaften werden aber nicht nere Struktur bedarf eines kritischen Blicks. Dies förder- bei der Verwertung der Musikrechte durch die Verwer- durch, um einen Wettbewerb auf der Nutzerseite zu ver- nur durch die Digitalisierung und der damit einherge- te insbesondere eine zu Beginn des Jahres von der En- tungsgesellschaften aussprach. Im Europäischen Parla- hindern. henden Aufhebung des Zwangs zur kollektiven Rechte- quete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur ment ist diese Empfehlung auf scharfe Kritik gestoßen, Der für den Urheber scheinbar vorteilhafte Wettbe- wahrnehmung herausgefordert, sondern ebenso wird die in Deutschland“ durchgeführte öffentliche Anhörung da es die wettbewerbsrechtlichen Vorstellungen der werb auf Seiten der Rechteinhaber darf aber nicht zu jetzige Ausgestaltung der Pauschalabgabenerhebung zu- zum Thema „Kollektive Wahrnehmung von Urheberrecht Kommission zu weitgehend empfindet. Dabei lehnen die einer Zweiklassengesellschaft von Urhebern führen. künftig mit Problemen behaftet sein. Grund dafür ist die und verwandten Schutzrechten“ zutage. An die Verwer- EU-Parlamentarier keineswegs eine Öffnung des Wett- Wenn sich die Verwertungsgesellschaften nicht nur als Anknüpfung der Vergütung an den Preis von Geräten und tungsgesellschaften als Zwangsverband sind in punkto bewerbs bei der Rechteverwertung von Online-Musik eine Durchlaufstelle für Rechteinhaber verstehen, son- Speichermedien. Für beide Gruppen ergibt sich eine Ent- Transparenz und Demokratie besonders hohe Anforde- ab, aber sie sprechen sich für eine stärkere Kontrolle dern weiterhin Aufwendungen für kulturellen Zwecke wicklung, die weiterhin nach unten zeigt. Steht man als rungen zu stellen. Auch wenn vielleicht der ein oder dieses Wettbewerbs aus. Auch auf der Anhörung der und sozialen Einrichtungen zur Verfügung stellen sol- Konsument ungläubig vor den Preisen und denkt, es geht andere Sachverständige mit seiner Kritik über das Ziel Enquete-Kommission waren sich alle Sachverständige len, muss dies für das Vergütungsaufkommen sämtli- nicht mehr günstiger, muss man sich kurze Zeit später, hinausgeschossen ist, gab es schon begründete Zwei- darin einig, dass die unbedingte Liberalisierung der be- cher Rechteinhaber gelten. Die kulturelle Vielfalt kann dann doch eines besseren belehren lassen. Zwar ist es fel, ob einige Verwertungsgesellschaften den Anforde- sonderen Funktion der Verwertungsgesellschaften nicht auch durch einseitige Bevorzugung von Rechteinhaber richtig, darauf hinzuweisen, dass die Urheberrechtsver- rungen in der Praxis tatsächlich genügen. Für die Ver- gerecht wird. Es geht beim Urheberrecht eben nicht nur gefährdet werden. gütung an sich nichts mit einem sinkenden Kaufpreis zu wertungsgesellschaften sollte klar sein, dass sie sich in um ein Wirtschaftsgut, sondern auch um die Bewah- tun hat, da schließlich das Ausmaß der Vervielfältigung eine schwierige Situation bringen, wenn sie auch nur rung der kulturellen Vielfalt in Europa. DER VERFASSER IST MITGLIED DES DEUTSCHEN BUN- unabhängig von betriebswirtschaftlichen Überlegungen den Anschein erwecken, bestimmte Personenkreise wür- Auf europäischer Ebene ergibt sich zurzeit eine recht DESTAGS UND BERICHTERSTATTER DER CDU/CSU- der Hersteller ist, aber will man Käuferwanderungen ins den bevorteilt bzw. von der Teilhabe an Entscheidungen unübersichtliche Gefechtslage. Während die Verwer- FRAKTION IM DEUTSCHEN BUNDESTAG FÜR URHEBER- Ausland verhindern, muss die Vergütung in einem ange- ausgeschlossen. Hier ist es auch Aufgabe der Politik, ein tungsgesellschaften auf der einen Seite die rechtsun- RECHTSFRAGEN IM RECHTSAUSSCHUSS Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung beibehalten und stärken Das Urheberrecht aus der Sicht der SPD-Fraktion I Von Jörg Tauss Noch vor der Sommerpause hat der Deutsche Bundes- tag eines der für den Bereich Kultur und Medien wich- tigsten Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz- entwurf der Bundesregierung „Zweites Gesetz zur Re- gelung des Urheberrechts in der Informationsgesell- schaft“ (so genannter Zweiter Korb) wurden insbeson- dere auf Drängen der SPD-Bundestagsfraktion noch we- sentliche Änderungen erreicht, die allesamt eine Stär- kung der Urheber zum Inhalt haben und die zugleich die im Koalitionsvertrag geforderte Stärkung der Urhe- ber im digitalen Zeitalter erreichen sollen.

urch den Gesetzentwurf und die durchgesetzten DÄnderungen wird erreicht, dass · im Zusammenhang mit der erstmals möglichen Ein- räumung von Nutzungsrechten der Urheber gegenü- ber den Verwertern über noch unbekannte Nutzungs- arten neben dem obligatorischen Vergütungsanspruch auch ein tatsächliches Widerrufsrecht für die Nutzung in einer neuen Nutzungsart eingeräumt wird, · der „doppelte Flaschenhals“ beseitigt wurde. Dies be- deutet, dass die Vergütungspflicht nicht mehr - wie ursprünglich vorgesehen - eine Nutzung in „nennens- wertem Umfang“ (10-Prozent-Schranke) voraussetzt. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Geräte und Spei- chermedien für Vervielfältigungen „geeignet“ sind. Zudem ist die Festlegung über die Höhe der Vergü- tungsabgabe nicht mehr an den Gerätepreis gekop- pelt (5-Prozent-Schranke). Nunmehr können die Be- teiligten in weitgehender Selbstregulierung die Höhe der pauschalen Vergütung rasch bestimmen bzw. be- stimmen lassen, · der Gesetzgeber es sich vorbehält, „zu einer gesetzli- chen Regelung der pauschalen Vergütung einschließ- lich der Vergütungshöhe zurückzukehren“ (wie bisher), falls die Selbstregulierung nicht die Erwartungen er- füllt. Damit wurde den wichtigsten Bedenken derjenigen, die die eigentlichen Adressaten des Gesetzes sind, den Urhebern, Rechnung getragen und das Grunderforder- nis einer angemessenen pauschalen Vergütung auch Eines der ersten Fernsehgeräte, die Einzug in deutsche Wohnzimmer hielten. Foto: Stefanie Ernst unter den neuen digitalen Bedingungen erreicht. Leider ist es zuvor jedoch nicht gelungen, die verhärteten Fron- dessen wurde lieber auf die Wirkung einer – um es höf- heber, die mit ihrer Arbeit ja schließlich ihren Lebensun- zu können. Verwertungsgesellschaften bringen diese ten aufzubrechen und die Industrie davon zu überzeu- lich zu formulieren – sehr merkwürdigen Anzeigenkam- terhalt bestreiten, ernst zu nehmen. beiden Seiten, die vor allem auch aufgrund der unter- gen, auf die Bedenken der Urheber einzugehen. Statt- pagne gesetzt, anstatt die Ängste der Autoren und Ur- Im Rahmen dieser Novellierung, insbesondere aber schiedlichen Rechtsstellung in einer nicht immer span- bei der Aushandlung der Höhe der Vergütung für Gerä- nungsfreien Beziehung zueinander stehen, zusammen. te und Speichermedien ist die besondere Rolle der Ver- Die kollektive Wahrnehmung von Rechten durch Verwer- wertungsgesellschaften wiederholt hervorgehoben wur- tungsgesellschaften, staatlicherseits durch eine faktische Jörg Tauss, MdB (SPD) den. Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion wird dadurch Monopolstellung garantiert, sichert den Erhalt von kul- die Funktion und Aufgabe von Verwertungsgesellschaf- tureller Vielfalt. geb. 1953 in Stuttgart; verheiratet. Volksschule, Re- ten untermauert, die ihnen zur Wahrnehmung öffentli- Diese Funktionen wurden von den Verwertungsge- alschule. Lehre als Lebensversicherungskaufmann, cher Aufgaben gesetzlich zugewiesen ist. Sie erfüllen sellschaften in der Vergangenheit in besonderer Weise Fachbereich betriebliche Altersversorgung. Verschie- als Solidargemeinschaft der Urheber einerseits eine erfüllt, auch wenn es, wie die Beratungen im Rahmen dene Tätigkeiten als Gewerkschaftssekretär in Stutt- wichtige soziale und kulturelle, also eine gesellschaftli- der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ge- gart, Esslingen, Hamburg und Bruchsal; Pressespre- che Funktion. Sie sorgen andererseits vor allem für ei- zeigt haben, in weiteren Details Anpassungs- und Ver- cher der IG Metall Baden-Württemberg, z.Z. ruhen- nen gerechten Ausgleich gegenüber den Rechteverwert- besserungsbedarf geben mag. Die Ende 2007 vorliegen- des Arbeitsverhältnis. ern und Nutzern der geschützten Werke, indem sie z.B. den Empfehlungen der Enquete-Kommission werden Mitglied der IG Metall, von ver.di, der Naturfreunde, die Vergütung von Vervielfältigungsstücken und der jedoch vor dem Hintergrund der von der SPD-Bundes- des ASB, im Senat der Helmholtz-Gemeinschaft Deut- Wiedergabe in öffentlichen Darbietungen oder Rund- tagsfraktion außerordentlich zu begrüßenden überein- scher Forschungszentren, der Deutschen UNESCO- funksendungen sicherstellen. stimmenden Meinung in der Kommission ausgespro- Kommission, im Kuratorium des Deutschen Studen- Insgesamt erfüllen Verwertungsgesellschaften da- chen, dass an dem bestehenden System der kollektiven tenwerks (DSW); Erster Sprecher der West-Ost-Ge- mit eine wichtige und unverzichtbare Rolle im Span- Rechtewahrnehmung festzuhalten sei. sellschaft Bruchsal (Tschernobyl-Hilfe); Vorsitzender nungsfeld zwischen Urhebern und Verwertern einerseits, Veränderungsprozesse betreffen die Verwertungs- des Kuratoriums des Horst Görtz Institutes (HGI) für zwischen der öffentlichen Nutzung und Urhebern gesellschaften in zweierlei Hinsicht, wobei die Qualität Sicherheit in der Informationstechnik an der Univer- andererseits. Die Urheber, die kreativen Schöpfer von möglicher Veränderungen höchst unterschiedlich zu sität Bochum, Vorsitzender Wissenschaftsforum Ba- Werken, aber auch Inhaber von Leistungsschutzrechten, bewerten ist. Die technischen Möglichkeiten der Neuen den-Württemberg e. V. bedürfen der Veröffentlichung und auch der Vermark- Medien beinhalten auch neue Formen der Verwertung Mitglied der SPD seit 1971, seit 2005 Generalsekre- tung ihrer Werke, um wahrgenommen zu werden und von Inhalten in digitaler Form. Die digitale Rechtever- tär der SPD Baden-Württemberg. Mitglied des Bun- letztlich auch entsprechende Vergütung zu erhalten. wertung (Digital Rights Management - DRM) wird eine destages seit 1994; Sprecher Bildung, Forschung und Verwerter wiederum lassen sich von den Urhebern die individuelle Vergütung der Rechteinhaber auf der Grund- Medien der SPD-Fraktion. erforderlichen Nutzungsrechte einräumen, um diese Jörg Tauss. Foto: privat dann auf dem Markt gegenüber den Nutzern verwerten Weiter auf Seite 26 Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 26

Verwertungsgesellschaften in ihrem kulturellen Auftrag stärken Das Urheberrecht aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE I Von Wolfgang Neskovich

Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende sind über verschiedene Modelle – durch individuelle Förde- darauf angewiesen, ihre Urheberrechte effizient wahr- rung oder allgemeine Zuwendungen für kulturpolitische zunehmen. Auch wenn dies für einen Außenstehenden Zwecke – dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach einem schwer vorstellbar ist: Sie leben davon. Derzeit werden breit gefächerten, nicht vorrangig kommerziell orientier- diese Rechte kollektiv durch die Verwertungsgesellschaf- ten Kulturangebot Geltung verschafft. ten wahrgenommen. In erster Linie verfolgt der Gesetzgeber mit dem Ur- heberrechtswahrnehmungsgesetz den Schutz der Urhe- m Folgenden möchte ich mich drei Fragen widmen: berinnen und Urheber, die sich in einer schwächeren Ver- I Warum ist die Existenzberechtigung der Verwertungs- handlungsposition befinden als die wirtschaftlich stär- gesellschaften nicht in Frage zu stellen? Inwiefern ist keren Verwerter ihrer Werke. Der technische Fortschritt das System der kollektiven Rechtewahrnehmung verän- wird keine Vertragsparität zwischen Kulturschaffenden derungsbedürftig? Und: Welche rechts- und kulturpoli- und Verwertern mit sich bringen. Vielmehr sind deutli- tischen Grundsätze sind in diesem Zusammenhang che Konzentrationsprozesse zu beobachten. Dieser struk- maßgeblich? turellen Ungleichheit muss mit den Mitteln der Rechts- Im digitalen Zeitalter werden und wurden verstärkt politik entgegengewirkt werden. Die kollektiven Formen Hoffnungen darauf gesetzt, dass sich zumindest im der Interessendurchsetzung sind hierfür ein geeignetes Online-Bereich durch die Digital-Rights-Management- Mittel, auch im Hinblick auf die Sozialbindung des Ei- Systeme eine Verwertung von digitalen Inhalten mittels gentums. Gerade im Urheberrecht mit seiner überragen- individueller Lizenzierung und Abrechnung durchsetzen den kulturellen und sozialen Funktion innerhalb der könnte, die die kollektive Rechtewahrnehmung verdrän- Gesellschaft wird dies traditionell aufgegriffen. Dass gen würde. Diese Annahme hat sich bisher jedoch nicht meine Fraktion sich im Rahmen des Zweiten Korbs mehr bestätigt. Die DRM-Systeme als technische Schutzmaß- in dieser Richtung erhoffte, hatte ich in meinem letzten nahmen sind aufgrund ihrer Defizite nicht geeignet, die Beitrag in politik und kultur bereits zum Ausdruck ge- Verwertung der Urheberrechte vollumfänglich abzusi- bracht. chern. Darüber hinaus übersieht eine Fokussierung auf Die Verwertungsgesellschaften stehen nach dem eine reine Abrechnungsfunktion die von den Verwer- Zweiten Korb vor großen Herausforderungen, insbe- tungsgesellschaften ausgeübten sozialen und kulturel- sondere wegen der von ihnen zu meisternden Verhand- len Funktionen. lungen bei der Speichermedien- und Gerätevergütung. Die Verwertungsgesellschaften sind gesetzlich dazu Wenigstens hat sich der Gesetzgeber verfassungsrecht- verpflichtet, bestimmte staatsentlastende Aufgaben zu lich dazu verpflichtet, die Auswirkungen der von ihm erfüllen, deren Wahrnehmung das Deutsche Patent- und herbeigeführten neuen Vergütungsregelungen zu beob- Markenamt beaufsichtigt. Hierzu gehört der doppelte achten, sodass Fehlentwicklungen zuungunsten der Kontrahierungszwang in Form des Wahrnehmungszwan- Rechteinhaber und -inhaberinnen hoffentlich vermieden ges gegenüber den Berechtigten und in Form des Ab- werden können. schlusszwanges gegenüber den Nutzenden. Beides ist Die positiven Funktionen der Verwertungsgesell- notwendig, um der Monopolstellung der Verwertungs- schaften – respektive ihre kulturellen Aufgaben und die gesellschaften gerecht zu werden. soziale Absicherung der Kreativen – liegen auf der Hand. Die Verwertungsgesellschaften trifft darüber hinaus In einigen Grundfragen aber besteht nun dringender Ver- die Pflicht, Tarife aufzustellen, die religiös, kulturell und besserungsbedarf: sozial angemessen sind. Somit haben sie eine ausglei- Die EU-Kommission zielt in ihrer Empfehlung vom chende gesellschaftliche Funktion, und das nicht nur bei 18. Mai 2005 in die völlig falsche Richtung. In Überein- der Einnahme von Geldern für die Urheberrechte, son- stimmung mit dem Europäischen Parlament muss ich dern auch bei deren Verteilung. Die Einnahmen der auf einem Zukunftsbild widersprechen, in dem Verwertungs- fremde Rechnung und ohne Gewinnerzielungsabsicht gesellschaften auf der Ebene reiner Wirtschaftsunter- agierenden Gesellschaften sollen gerecht, also ohne nehmen eingestuft werden. Eine pauschale Nivellierung Erste Schritte in den medialen Alltag. Der Farvigraph ermöglichte die gleichzeitige Darstellung mehrerer Messvor- Willkür und angemessen nach festen Regeln verteilt der Rechte der originären und abgeleiteten Rechtein- gänge. Foto: Stefanie Ernst werden. haber ist schlicht ungerecht. Gerechtigkeit verlangt viel- Kulturell bedeutende Werke und Leistungen sollen mehr eine genaue Analyse und Beurteilung des Wert- bezwecken. Mag ein gewisser Preiswettbewerb in an- dabei gefördert werden. Grundsätzlich fließt jedem Be- schöpfungsbeitrags. Auf den Wettbewerb mit seiner viel- deren Zusammenhängen durchaus erstrebenswert sein, rechtigten bzw. jeder Berechtigten das zu, was aufgrund gepriesenen Regulierung von Angebot und Nachfrage so führt er in der Kultur zwangsläufig zu einem Ausver- der Nutzung seiner bzw. ihrer Leistung vereinnahmt zu vertrauen, bedeutet, die soziale und kulturelle Aus- kauf der Kunst zu Lasten bestimmter Urheber und Ur- wurde. Daneben wird je nach Verwertungsgesellschaft grenzung vieler in Kauf zu nehmen, wenn nicht gar zu heberinnen sowie zu einer nur zu erahnenden kulturel- len Einfalt und zu sozialem Egoismus. Eine Entwicklung, die in eklatantem Widerspruch zu den gesellschaftlichen Fortsetzung von Seite 25 mung infrage gestellt. Zum einen wird vorgeschlagen, Zielen der Linken steht. das Prinzip der territorial tätigen und über Gegenseitig- Eine Stärkung der Verwertungsgesellschaften in ih- Prinzip der kollektiven Rechte- keitsverträge von ihren europäischen Schwestergesell- rer kulturellen und sozialen Ausgleichsfunktion ist dem- wahrnehmung schaften beauftragten Verwertungsgesellschaften weit- nach dringend geboten, wobei sie mehr als bisher auf gehend dadurch zu ersetzen, dass Rechteinhaber eine Transparenz und Demokratisierung Wert legen sollten. lage der tatsächlichen Nutzung von der Idee her ermög- von ihm frei bestimmbare Verwertungsgesellschaft eu- Hier noch mal eine Zusammenfassung der genann- lichen können. Jedoch bestehen derzeit und mindestens ropaweit mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauf- ten Zielsetzungen (ohne dass ich dadurch weitergehen- in naher Zukunft vielfältige technische Schwierigkeiten, tragen kann. Die arrivierten Autoren könnten ein sol- den Vorschlägen meiner Fraktion vorgreifen möchte): diese Möglichkeiten in funktionierende DRM-Systeme ches System vorteilhaft nutzen, die weniger bekannten, · keine Entwicklung in Richtung reiner Wirtschaftsun- zu überführen. Hinzu kommen zahlreiche offene rechtli- die besonders auf die Tätigkeit der Verwertungsgesell- ternehmen che – beispielsweise datenschutzrechtliche – Fragen, die schaften angewiesen sind, blieben auf der Strecke. Die · Erhöhung der Transparenz für die Rechteinhaber/innen gegen einen flächendeckenden Einsatz von DRM-Syste- kulturelle Vielfalt würde gefährdet. Zudem wären gro- vor allem bei der Verteilung der Einnahmen (durch men sprechen. Zudem scheint ein vollkommener Ersatz ße Verwertungsgesellschaften gegenüber kleineren konsequente Offenlegung); dabei sind insbesondere kollektiver Rechtewahrnehmung durch DRM-Systeme Schwestergesellschaften deutlich im Vorteil. Von diesem die Sozialwerke und deren Förderungspraxis in den ausgeschlossen, weil die Vorteile einer kollektiven Ver- Modell verspricht sich die Kommission einen stärkeren Fokus zu nehmen tretung von Urheberrechten durch Verwertungsgesell- Wettbewerb der Verwertungsgesellschaften untereinan- · Ermöglichung einer überprüfbaren demokratischen schaften auch im digitalen Bereich erhalten bleiben: die der, da insbesondere in der territorialen Rechtevertretung Beteiligung an Entscheidungen der Verwertungsgesell- treuhänderische kostengünstige Wahrnehmung von Ur- der nationalen Verwertungsgesellschaften ein Hindernis schaften für alle Betroffenen heberrechten sowie die Möglichkeit, auch über natio- für die Entwicklung europaweiter Musikdienste im Onli- · Stärkung des sozialen und kulturellen Auftrags, den nale Grenze hinweg durch das Prinzip der Gegenseitig- ne-Bereich gesehen wird. Doch wird durch den mögli- die Verwertungsgesellschaften wahrnehmen, auch keitsverträge aus einer Hand Rechte zur Nutzung von chen Verlust eines Teils des nur territorial vertretenen durch Bestandssicherung der Versorgungseinrichtun- Wolfgang Neskovich. Foto: Katja-Julia Fischer Werken zu erhalten (one-stop-shop). Darin, die beste- Repertoires nicht nur die kulturelle Vielfalt beeinträch- gen der VG henden und auch durch DRM-Systeme nicht zu erset- tigt, sondern auch die Möglichkeit, Rechte aus einer Hand · Verwertungsgesellschaften müssen einer umfassenden zende Stärken der kollektiven Rechtewahrnehmung zu erwerben. Die Vorschläge der EU-Kommission sind aus Aufsicht unterstellt werden, um mögliche Konflikte Wolfgang Neskovic, MdB (DIE LINKE) insbesondere hinsichtlich ihrer kulturellen und sozialen Sicht der SPD-Bundestagsfraktion überaus kritisch zu zwischen ihnen und den Künstlerinnen und Künstlern, Aufgaben zu behaupten und auszubauen, sieht die SPD- werten, zumal bereits nach dem herkömmlichen Modell aber auch anderen Beteiligten zu regeln geboren 1948 in Lübeck; verheiratet, zwei Kinder. Bundestagsfraktion auch Möglichkeiten der Weiterent- der Gegenseitigkeitsverträge europaweite Zugriffsrechte · Die Ansiedlung der Aufsicht beim Deutschen Patent- 1968 Gymnasium, Abitur. Studium der Rechtswissen- wicklung von Verwertungsgesellschaften im digitalen möglich sind und eine Verbilligung der Rechte durch den und Markenamt sollte geprüft und nötigenfalls geän- schaften Universität Hamburg; 1974 erstes juristi- Zeitalter. Es ist nicht ausgeschlossen, dass DRM-Syste- von der Kommission angestrebten Wettbewerb auch von dert werden. Jedenfalls ist eine bessere Personalaus- sches Staatsexamen; 1974 bis 1975 wissenschaftli- me die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften unter- ihr selbst nicht erwartet wird. Insofern scheint außer der stattung unumgänglich, um nicht nur bei evidenten Fehl- cher Assistent an der Universität Hamburg; 1977 stützen können, ersetzen können sie sie nicht. Bedrohung der kulturellen Vielfalt und des bisherigen entwicklungen, sondern nachhaltig zu überprüfen, ob zweites juristisches Staatsexamen. 1978 Rechtsan- Insbesondere auf europäischer Ebene – und das ist Systems der kollektiven Rechtewahrnehmung mit all den sich die VG an ihren gesetzlichen Auftrag halten; darüber walt und Richter im Landgerichtsbezirk Lübeck; 1981 die zweite Dimension von Veränderungsprozessen – sind damit verbundenen Vorteilen kein substantieller Gewinn hinaus ist die Frage der Aufsicht im Bereich der grenzü- Richter; 1990 Vorsitzender Richter am Landgericht Entwicklungen zu beobachten, die das System der kol- in diesen Vorschlägen zu liegen. berschreitenden Verwertung angemessen zu regeln. Lübeck; mehrjährige Lehraufträge an der Universi- lektiven Wahrnehmung von Urheberrechten grundsätz- Vor diesem Hintergrund wird sich die SPD-Bundes- Die Umsetzung dieses Anforderungskatalogs an die tät Hamburg; 1992 bis 2002 Pressesprecher des Land- lich gefährden könnten. Dies macht insbesondere die tagsfraktion dafür stark machen, dass bestehende Sys- Verwertungsgesellschaften wäre ein Beitrag zu einer gerichts Lübeck; 2002 bis 2005 Richter am Bundes- Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für tem der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten Kulturpolitik, die den Kreativen stärkt und nicht den gerichtshof. „die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von durch Verwertungsgesellschaften angesichts der beste- Kommerz. Mit einer solchen Gewichtung erhöhen sich Mitglied der Neuen Richtervereinigung und im Tier- Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für henden Herausforderungen im digitalen Zeitalter zu die Chancen, dass Werke entstehen, von denen fort- schutzverein Lübeck. legale Online-Musikdienste benötigt werden“ (2005/ modernisieren und zu stärken, um die darin veranker- schrittliche Impulse für die Gesellschaft ausgehen. 1979 bis 1994 Mitglied der SPD, 1995 bis 2005 der 737/EG) deutlich. Abgesehen davon, dass die Kommis- ten Vorteile gezielt zu nutzen und weiter auszubauen. Grünen, seitdem parteilos. sion in dieser Form des „soft law“ Empfehlungen ohne DER VERFASSER IST STELLVERTRETENDER VORSITZEN- Mitglied des Bundestages seit 2005; stellvertreten- Beteiligung des Europäischen Parlaments verabschie- DER VERFASSER IST BILDUNGS-, FORSCHUNGS- UND DER DES RECHTSAUSSCHUSSES DES DEUTSCHEN BUN- der Vorsitzender des Rechtsausschusses. det, werden hierin ganz grundlegende Prinzipien des MEDIENPOLITISCHER SPRECHER DER FRAKTION DER DESTAGS UND RECHTSPOLITISCHER SPRECHER DER bestehenden Systems der kollektiven Rechtewahrneh- SPD IM DEUTSCHEN BUNDESTAG FRAKTION DIE LINKE IM DEUTSCHEN BUNDESTAG Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 27

Verwertungsgesellschaften sozial und kulturell in die Pflicht nehmen Das Urheberrecht aus der Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen I Von Undine Kurth Das System der kollektiven Wahrnehmung der Rechte von turen würde eine grenzüberschreitende Lizenzierung henden Ausschüttung verzichten. Es wäre daher wün- Urhebern durch Verwertungsgesellschaften sichert kultu- ermöglicht und für Rechteinhaber und Lizenznehmer schenswert, dass die Verwertungsgesellschaften mehr relle Vielfalt und eine angemessene Vergütung und sozi- eine Wahl darüber, zu welchen Konditionen Musik im Licht in das Dickicht sowohl der Abführungen an die ale Absicherung von Künstlern und Urhebern. Es ist uner- Netz verfügbar gemacht würde. Folge wäre ein Wettbe- Sozialwerke als auch der Anspruchsberechtigten und der setzlich und daher auch in Zukunft zu verteidigen. werb der europäischen Verwertungsgesellschaften. tatsächlichen Inanspruchnahme brächten. Es ist leider Allerdings sind auch Reformen erforderlich. Die Verwer- Den Vorschlag zu Ende denken, heißt jedoch festzu- oft nicht klar, wem soziale Unterstützung zusteht und tungsgesellschaften müssen ihrer Verpflichtung zur Trans- stellen, dass im Ergebnis dieser Strukturen die großen wie viele Rechteinhaber Leistungen aus den Sozialwer- parenz und ihren sozialen und kulturellen Verpflichtun- Verwertungsgesellschaften die europaweiten Musikre- ken beziehen. gen besser nachkommen als bisher. pertoires einkaufen und hierbei auf Quantität statt auf Durch das Hinzutreten der Künstlersozialkasse müs- Qualität setzen würden. Die Autorenvergütung würde sen die Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen der rheber- und Leistungsschutzrechte sind eine bedeut- nicht mehr nach dem Prinzip des Schutzes geistigen Ei- Verwertungsgesellschaften auch überprüfen, welche so- U same kulturelle Errungenschaft. Künstler leben von gentums und eines Ausgleichs zwischen „populären“ zialen Funktionen sie wie wahrnehmen können und müs- ihrem Publikum, von der Veröffentlichung und Nutzung und „kulturell bedeutsamen“ Werken erfolgen, sondern sen. Gerade wo die Kontrollfunktion des Marktes ent- ihrer schöpferischen Werke. In der Regel benötigen sie nach dem Prinzip des Wettbewerbs. Die Vergütungen fällt, ist Transparenz Pflicht. Eine wirksame staatliche hierzu Verlage, Musikfirmen, Filmproduzenten und ande- würden sinken und die Komponisten und Textdichter Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften kann die re Verwerter, die sich die Nutzungsrechte gegen ein Ent- wären die großen Verlierer. bessere Wahrnehmung der sozialen und kulturellen gelt einräumen lassen und dann die Werke auf den Markt So wünschenswert europaweite Lizenzen aus Sicht Funktionen unterstützen und einfordern. Die Aufsichts- bringen. Daraus folgen zahlreiche weitere nachgelager- der Verbraucher und Online-Musikdienste sind, die auf behörde – das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) ten Verwertungsmöglichkeiten, die jedoch im Einzelnen Wettbewerbsdruck hin sinkenden Preise für Urheber- – darf sich dabei aber nicht auf so genannte Evidenz- für Urheber und Verwerter schwierig zu kontrollieren sind, rechtsabgaben gehen letztlich zulasten derer, die Mu- kontrollen beschränken, sondern sie muss die Einhal- weil man nicht von jeder Aufführung eines Werkes Kennt- sikwerke produzieren und deren soziale Absicherung. tung aller gesetzlichen Verpflichtungen kontrollieren. nis erlangen kann. Auch für die weit überwiegende An- Vor allem wären jene betroffen, deren Werke nicht mark- Dazu muss sie allerdings personell und finanziell ent- Undine Kurth. Foto: dpa zahl der Nutzer ist ein vorheriger Erwerb der jeweiligen gängig sind. Die kulturelle Vielfalt bliebe auf der Stre- sprechend ausgestattet werden. Lizenz von jedem einzelnen Rechtsinhaber unmöglich. cke. Musikalische Werke haben aber nicht nur einen wirt- Unverzichtbar ist es auch, dass die Verwertungsge- Die Wahrnehmung der Rechte von Urhebern und von schaftlichen Wert, sie sind auch und vor allem von künst- sellschaften endlich dafür sorgen, dass alle Wahrneh- Undine Kurth, MdB (BÜNDNIS 90 /Die Grünen) Inhabern verwandter Schutzrechte erfolgt daher über- lerischem Wert. mungsberechtigten an den relevanten Entscheidungen wiegend treuhänderisch und kollektiv durch Verwer- Seit langem werden die Urheberrechtslizenzen durch mitwirken können und nicht nur ein Bruchteil dieser. Es geb. 1951 in Tanndorf/Sachsen; verheiratet. Abitur. Stu- tungsgesellschaften. Das liegt im Interesse der gesam- ein Netzwerk nationaler Verwertungsgesellschaften ver- ist inakzeptabel, wenn eine Mehrheit derjenigen, die an dium an der Hochschule für Kunst und Design „Burg ten Gesellschaft, weil so der Schutz der Rechte der Ur- treten. Durch Gegenseitigkeits-Verträge wird der Erwerb der Wertschöpfung der Verwertungsgesellschaften be- Giebichenstein“ in Halle (Saale), Diplom-Innenarchitek- heber sichergestellt wird und die Interessen der Nutzer von Lizenzen außerhalb nationaler Grenzen sicherge- teiligt, aber keine ordentlichen Mitglieder sind (außer- tin. Freiberuflich tätig. gewahrt bleiben. stellt. Dieses Netzwerk spielt eine wichtige Rolle bei der ordentliche und angeschlossene Mitglieder), auf die sie Mitglied im Vorstand der Alleenschutzgemeinschaft Die politischen und die technologischen Entwick- Förderung neuer, kulturell wertvoller Repertoires. Es hat betreffenden Entscheidungen – etwa die Verteilung der (ASG), der Arbeiterwohlfahrt Quedlinburg-Werningero- lungen stellen an die Rechtewahrnehmung neue Her- sich bewährt. Einnahmen und die Arbeit der Sozialwerke – keinen Ein- de e. V., des Dachvereins Bildungshaus Carl Ritter e. V. ausforderungen. Globalisierung und Europäisierung so- Vor dem Hintergrund der UNESCO-Konvention zum fluss hat. Ihre Interessen müssen authentisch zum Aus- und des Landschaftspflegevereins Bode-Selke-Aue e. V.; wie die Digitalisierung und Onlineverfügbarkeit erfor- Schutz der kulturellen Vielfalt lehnen wir daher Rege- druck gebracht werden können. Mitglied im Präsidium des Deutschen Verbandes für dern die Anpassung der urheberrechtlichen Regelungen. lungen ab, die allein auf der Basis des reinen Wettbe- Viele Künstler sind auf die Leistungen der Sozial- Landschaftspflege (DVL). Mitglied im Beirat der Michael werbs getroffen werden sollen und die Fragen der kul- werke angewiesen. Deshalb muss die Schutz- und Aus- Succow Stiftung zum Schutz der Natur und im Beirat System der Verwertungsgesellschaften turellen Vielfalt und der sozialen Absicherung der Urhe- gleichsfunktion der Verwertungsgesellschaften gestärkt der Volkshochschule Quedlinburg; Mitglied im Tier- erhalten ber ausblenden. Gerade diese Fragen stehen einer wett- werden. Sie ist – neben der Sicherung der kulturellen schutzverein Quedlinburg e. V.; Einstieg in die politi- bewerbspolitisch motivierten Neuausrichtung der kol- Vielfalt – die entscheidende Begründung für eine nicht- sche Arbeit über Bürgerinitiativen. 1994 bis 2000 Lan- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen zum System der lektiven Rechtewahrnehmung grundsätzlich entgegen. wettbewerbsorientierte kollektive Rechtewahrnehmung. desvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-An- kollektiven Rechtewahrnehmung durch Verwertungsge- halt; 1998 bis 2000 Mitglied Parteirat; 2000 bis 2002 sellschaften. Zwar stellt dieses System eine Ausnahme Soziale und kulturelle Funktionen stärken DIE VERFASSERIN IST PARLAMENTARISCHE GE- Mitglied im Bundesvorstand. Seit 1999 Mitglied im in unserem Rechtssystem dar, weil es zu einer faktischen SCHÄFTSFÜHRERIN DER FRAKTION BÜNDNIS 90/DIE Kreistag Quedlinburg; Mitglied des Bundestages seit Monopolstellung führt. Es findet seine Rechtfertigung Die Sozialwerke spielen bei der Legitimierung von Ver- GRÜNEN IM DEUTSCHEN BUNDESTAG UND MITGLIED 2002; seit Februar 2005 Parlamentarische Geschäfts- aber sowohl darin, dass Verwertungsgesellschaften wertungsgesellschaften eine wichtige Rolle. Künstler un- DER ENQUETE-KOMMISSION DES DEUTSCHEN BUN- führerin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. „Helfer des Urhebers gegenüber den Werknutzern“ sind, terstützen Künstler, in dem sie auf Teile der ihnen zuste- DESTAGS „KULTUR IN DEUTSCHLAND“ als auch darin, dass sie kulturelle und soziale Funktio- nen erfüllen. So ist in Paragraf acht des deutschen Ur- heberrechtswahrnehmungsgesetzes festgelegt, dass die Verwertungsgesellschaften Vorsorge- und Unterstüt- zungseinrichtungen (Sozialwerke) einrichten sollen. Die kollektive Rechtewahrnehmung hat Zukunft Damit gewährleistet das System der kollektiven Das Urheberrecht aus der Sicht der FDP-Fraktion I Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Rechtewahrnehmung zumindest im Grundsatz die Un- terstützung von in Not geratenen Künstlern und Publi- Das System der kollektiven Rechtewahrnehmung durch zisten und dient der Altersvorsorge. Damit werden staat- die Verwertungsgesellschaften ist eine tragende Säule liche Sozialsysteme entlastet. des Urheberrechts. Es bietet nicht nur den Rechteinha- Das im Urheberwahrnehmungsrecht festgeschriebe- bern, sondern auch den Nutzern der geschützten Werke ne Prinzip, kulturell bedeutsamen Werken einen höheren Vorteile und ermöglicht den Vertrieb von Rechten aus Anteil aus den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft einer Hand in Bereichen, in denen eine effiziente Rech- zukommen zu lassen, sichert auch den Künstlern Einnah- tewahrnehmung auf individuellem Wege nicht möglich men, deren Werke nicht „populär“ sind. Diese Form der ist. Die technische Entwicklung im digitalen Umfeld und Förderung ist ein wichtiger und unverzichtbarer Beitrag neue Online-Geschäftsmodelle erlauben es inzwischen, zu Erhaltung eines vielfältigen kulturellen Lebens. auch kleinste Nutzungen zu vertretbaren Transaktions- Vor diesem Hintergrund ist es unseres Erachtens kosten zu lizenzieren und abzurechnen. Das macht die nach gerechtfertigt, die Tätigkeit der Verwertungsgesell- Verwertungsgesellschaften in der Informationsgesell- schaften nicht unter marktpolitischen bzw. wettbewerbs- schaft aber keineswegs zu einem Auslaufmodell. Im rechtlichen Gesichtspunkten zu gestalten. Gegenteil. Auch in der digitalen Welt und im Zeitalter der Online-Verwertung werden die Verwertungsgesell- Empfehlung der EU-Kommission gefähr- schaften einen wichtigen Beitrag zum Schutz der det kulturelle Vielfalt in Europa Künstler und der Verwerter leisten und als Dienstleister auch für die Nutzer ein wichtiger Partner bleiben. Auch Angesichts der Entwicklungen im Bereich der Internet- in Zukunft sind nicht nur die Kreativen, sondern auch Musikdienste und der legalen Online-Musikdienste ent- die Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke auf steht die Herausforderung, den Rechteinhabern die kraftvolle Organisationen angewiesen, die ihre Rechte Möglichkeit zu geben, Urheberrechte und verwandte bei der Werknutzung auf kollektiver Ebene umfassend Schutzrechte während der gesamten Geltungsdauer un- wahrnehmen können. abhängig von Staatsgrenzen oder von Nutzungsformen wahrnehmen zu können, wo immer sie entstehen. Das uch für die Verwertungsgesellschaften ist die rasante würde die Marktfähigkeit der Online-Dienste in Europa A technische Entwicklung Chance und Herausforde- stärken. rung zugleich, denn natürlich werden auch sie ihre Ge- Vervielfältigung als „Schwerstarbeit“: Die eiserne Handpresse zum Buchdruck. Foto: Stefanie Ernst Es muss innerhalb Europas auch sichergestellt sein, schäftsmodelle im Lichte der neuen Technik und der ver- dass die Musiker und Schriftsteller eine angemessene änderten Bedürfnisse von Rechteinhabern und Nutzern weltweit sind die größten Verwertungsgesellschaften im dass die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften sich Vergütung für eine europaweite Nutzung ihrer Werke überarbeiten müssen. Die Verwertungsgesellschaften Bereich der Musik tätig. Auch in der Informationsge- nicht in der Verwertung eines Wirtschaftsguts erschöpft, tatsächlich erhalten – trotz der noch immer erheblichen müssen sich dabei auch einem stärkeren Wettbewerb sellschaft wird die Musikverwertung ein wichtiges Tä- sondern zugleich auch den Schutz der Kreativen um- Unterschiede in den Urheberrechtsgesetzen der einzel- untereinander stellen, denn in der digitalen Welt fallen tigkeitsfeld der Verwertungsgesellschaften bleiben. Es fasst. Die Verwertungsgesellschaften leisten einen wich- nen Mitgliedsstaaten. die Grenzen der Verwertung. Die künftige Entwicklung ist deshalb folgerichtig, dass die Europäische Kommis- tigen kulturellen Beitrag, der mit rein wettbewerbspoli- Die von der EU-Kommission am 12. Oktober 2005 des Rechtsrahmens, in dem sich die Verwertungsgesell- sion sich bei ihren Plänen für eine Reform des Rechts tischen Ansätzen nicht hinreichend erfasst wird. Darauf verabschiedete Empfehlung über die Wahrnehmung von schaften bewegen, wird deshalb in Europa eine euro- der Verwertungsgesellschaften zunächst mit der künfti- hat zu Recht auch der Rechtsausschuss des Europäischen Online-Musikrechten vorgeschlagene Lizenzierung von päische Aufgabe sein. Und zu Recht hat die Europä- gen Organisation der Lizenzierung von Musikrechten für Parlaments hingewiesen und die Kommission aufgefor- Urheberrechten für Online-Angebote lehnten BÜNDNIS ische Kommission die Harmonisierung des Rechts der die Online-Nutzung befasst hat. dert, eine überarbeitete Lösung vorzulegen, die diese 90/DIE GRÜNEN jedoch ab. Sie stößt zu Recht auf hefti- Verwertungsgesellschaften als Aufgabe benannt. Wie Die Lösungsansätze, die die Kommission in ihrer kulturellen Aspekte der kollektiven Rechtewahrnehmung ge Kritik auch von Seiten der Verwertungsgesellschaf- dieser Wettbewerb sachgerecht organisiert werden kann, Empfehlung vorschlägt, greifen jedoch zu kurz und stärker berücksichtigt. ten, Autoren und Musikschaffenden. ist aber noch nicht beantwortet. werden der besonderen Rolle der Verwertungsgesell- Das Bekenntnis zu einem angemessenen Wettbe- Die Kommission will die Hemmnisse für Online- Eine besondere Bedeutung haben die Verwertungsge- schaften nicht gerecht. Es ist zwar richtig, auch den werb unter den Verwertungsgesellschaften bedeutet, Dienst dadurch abbauen, dass die Rechteinhaber die sellschaften traditionell im Bereich der Musikverwer- Markt der Verwertungsgesellschaften stärker als bisher dass die Verwertungsgesellschaften durch Leistung und Möglichkeit bekommen, eine Verwertungsgesellschaft tung. Musiknutzung ist ein Massenphänomen. In der dem Wettbewerb zu öffnen. Von größerer Wahlfreiheit Innovation in der Zukunft überzeugen müssen und ihre ihrer Wahl mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in der Wahrnehmung von Musikrechten haben die Verwer- und einer stärkeren Transparenz können auch hier alle gesamten EU zu beauftragen. Durch diese neuen Struk- tungsgesellschaften ihren historischen Ursprung, und Beteiligten profitieren. Die Kommission übersieht jedoch, Weiter auf Seite 28 Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 28

Fortsetzung von Seite 27 ten europaweiten Lizenzen aus einer Hand von einer Modelle der individuellen Lizenzierung ersetzt werden Mitglieder und die Überwachung durch das Deutsche Verwertungsgesellschaft erwerben. Da das Abkommen können. Die Pauschalabgabe wird trotz des verstärkten Patent- und Markenamt (DPMA) hat sich im Grundsatz Die kollektive Rechtewahrneh- wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken der Kommis- Einsatzes von Digital-Rights-Management (DRM) auf bewährt. Hinsichtlich der in letzter Zeit laut gewordenen mung hat Zukunft sion im Jahr 2004 nicht verlängert worden ist, besteht absehbare Zeit jedoch nicht vollständig verschwinden. Kritik, die internen Abläufe einiger Verwertungsgesell- nun Handlungsbedarf. Allein die vielen Millionen CDs in den privaten Haus- schaften seien nicht durchschaubar, müssen die Verwer- Existenzberechtigung nicht allein aus ihrer Vergangen- Ein zentrales Element des bestehenden Systems der halten stehen noch für Jahrzehnte als Vorlagen für Pri- tungsgesellschaften selbst das größte Interesse an einer heit ableiten können. Das ist durchaus richtig. Der Wett- kollektiven Rechtewahrnehmung ist die Lizenzierung des vatkopien zur Verfügung, bei denen eine Vergütung durch Verbesserung der Transparenz haben – unabhängig davon, bewerb darf aber nicht zu einem kurzen Strohfeuer wer- gesamten Weltrepertoires auf der Grundlage von DRM nicht möglich ist. Das pauschale Vergütungssys- ob die Kritik berechtigt ist. Nur wenn Rechteinhaber und den, an dessen Ende nur wenige Verwertungsgesell- Gegenseitigkeitsverträgen. Dieses System hat sich be- tem und die individuelle Lizenzierung werden also ne- Nutzer gleichermaßen davon überzeugt sind, dass die Ver- schaften als Folge einer starken Marktkonzentration währt und darf in seinem Kern nicht aufgegeben wer- beneinander existieren. Und die Verwertungsgesellschaf- wertungsgesellschaften ihrer Rolle als Treuhänder gerecht übrig bleiben. Mit einer scheinbaren Marktöffnung, die den. Die Kommissionsempfehlung weist hier in die fal- ten müssen deshalb diesen Bereich der kollektiven Rech- werden, werden sie als Vermittler zwischen den Beteilig- zur Entstehung oligopolistischer Strukturen führt, wäre sche Richtung. Eine genrespezifische Spezialisierung tewahrnehmung auch weiterhin abdecken und als Teil ten auch in Zukunft anerkannt sein. Im Übrigen muss das nichts gewonnen. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass und der Aufbau eines Hausrepertoires durch die Ver- ihrer Kernaufgaben begreifen. In Bezug auf die Entwick- DPMA über die erforderliche Infrastruktur verfügen, die der Wettbewerb auch den kleineren Verwertungsgesell- wertungsgesellschaften erscheint keine Alternative lung und Durchsetzung von DRM eröffnen sich sie für eine wirksame Aufsicht über die Verwertungsge- schaften ihren Platz lässt, denn die kleinen und natio- zum bewährten System zu sein. Die Förderung des schließlich auch für die Verwertungsgesellschaften neue sellschaften benötigt nalen Verwertungsgesellschaften spielen eine wichtige Wettbewerbs unter den Verwertungsgesellschaften Tätigkeitsfelder, indem sie beispielsweise für ihre Mit- Die Verwertungsgesellschaften können ihre Aufga- Rolle bei der Förderung neuer Rechteinhaber und für sollte nicht zu Lasten der Gegenseitigkeitsverträge glieder neuartige Lizenzmodelle schaffen, die auch klei- be als Treuhänder der Kreativen und als Partner für die die kulturelle Vielfalt. Der Wettbewerb unter den Ver- gehen. Eine Konstruktion zu schaffen, in der mehr neren Rechteinhabern den direkten Zugang zu den neu- Medienwirtschaft auch im 21. Jahrhundert nur erfüllen, wertungsgesellschaften darf schließlich keinesfalls ein Wettbewerb und Gegenseitigkeitsverträge gleicher- en Lizenzierungstechnologien eröffnen. wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Wettbewerb um die Nutzer sein, denn das wäre zwangs- maßen ihren Platz haben, ist vielleicht die schwierigs- Der Gesetzgeber hat die faktische Monopolsitu- Die Schaffung dieser Rahmenbedingungen auf europä- läufig ein Rennen um die niedrigsten Tarife zu Lasten te Aufgabe bei der Harmonisierung des Rechts der Ver- ation der Verwertungsgesellschaften in Bezug auf die ischer und auf nationaler Ebene ist Aufgabe der Politik. der Rechteinhaber. Das währe verheerend. Es kann also wertungsgesellschaften. von ihnen wahrgenommenen Rechte ausdrücklich aner- Die FDP wird auch an dieser Stelle ihren Beitrag zur nur einen Wettbewerb um die Rechteinhaber geben. Ein Auch bei der privaten Vervielfältigung werden kannt. Dieses Monopol ist die natürliche Konsequenz aus Modernisierung und Stärkung des Urheberrechts in der solcher Wettbewerb wird die Verwertungsgesellschaf- die Verwertungsgesellschaften weiterhin eine tragende dem Charakter des Urheberrechts als Ausschließlichkeits- Informationsgesellschaft leisten. ten dazu zwingen, ihre internen Strukturen und ihre Rolle zur Sicherung der angemessen Vergütung der Rech- recht. Den Verwertungsgesellschaften erwächst aus ihrer Kostenstruktur weiter zu verbessern. Auch das nützt am teinhaber spielen. Der Gesetzgeber hat das Vergütungs- Stellung aber eine besondere Verpflichtung, und der Ge- DIE VERFASSERIN IST STELLVERTRETENDE VORSITZEN- Ende allen Beteiligten. Allerdings sind auch in Bezug recht mit dem „Zweiten Korb“ umfassend geändert und setzgeber hat die Verwertungsgesellschaften außerdem DE SOWIE RECHTSPOLITISCHE SPRECHERIN DER FDP- auf den Wettbewerb um Rechteinhaber viele wichtige im Sinne kommunizierender Röhren werden die Pau- unter staatliche Aufsicht gestellt. Die Mischung aus in- BUNDESTAGSFRAKTION UND BUNDESJUSTIZMINISTE- Fragen noch ungelöst. Zum Schutz vor allem schwäche- schalabgaben in vielen Bereichen sukzessive durch terner Kontrolle der Verwertungsgesellschaften durch ihre RIN A. D. rer Rechteinhaber hat sich der Grundsatz des Wahrneh- mungszwangs bewährt. Ein solcher Zwang würde zu einem Wettbewerbsmodell nicht recht passen. Gibt man den Verwertungsgesellschaften aber das Recht, be- stimmte Rechteinhaber abzulehnen, so würde das dem Rechte der Autoren gegen Global Player durchsetzen Auftrag der Verwertungsgesellschaften, kulturelle Viel- Interview mit Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA falt zu fördern, widersprechen. Eine wichtige Aufgabe, die auch die Kommission politik und kultur (puk): Herr Dr. Heker, in den ver- Heker: Dieser Gefahr müssen wir begegnen. Die Ver- puk: Neben den politischen Schauplätzen müssen Sie erkannt hat, ist die Schaffung einer internationalen gangenen Monaten war viel von der „Neuausrichtung wertungsgesellschaften, die sich ja nicht als reine Wirt- auch die ausgewogene Behandlung ihrer Mitglieder im Lizenz, die eine grenzüberschreitende Auswertung er- der GEMA“ zu hören. Was ist darunter zu verstehen? schaftsunternehmen begreifen, sind aufgefordert, Auge behalten. Wie erklärt sich die unterschiedliche möglicht. Heute können die Verwertungsgesellschaften Harald Heker: Ich spreche lieber von „mittelfristiger attraktive Mechanismen zu entwickeln, um die kleine- Behandlung von E- Musik und U-Musik im GEMA-Ver- Rechte nur für ihr Heimatland vergeben. Das ist im Zeit- Unternehmensplanung“. Wir haben im vergangenen ren Verwertungsgesellschaften ins Boot zu holen. Wir teilungsplan, die immer wieder für Unmut sorgt? alter des Internet nicht mehr zeitgemäß und ein Hemm- Jahr begonnen, Pläne für notwendige Weichenstellun- spüren die Verantwortung als große Verwertungsgesell- Heker: Hier wird ein Problem heraufbeschworen, das nis für die Entwicklungen neuer Geschäftsmodelle im gen bis ins Jahr 2009 zu definieren, um auf künftige schaft, insbesondere unter kulturpolitischem Gesichts- es so in der GEMA-Praxis nicht gibt. Denn es werden für digitalen Umfeld. Das „Santiago-Abkommen“ hatte hier Marktentwicklungen reagieren zu können. Dies hat na- punkt, und stehen mit einigen kleineren Gesellschaften die Verteilung von E- und U-Musik getrennte Töpfe gebil- mit einem System des one-stop-shop zunächst Abhilfe türlich auch damit zu tun, dass die Europäische Kom- bereits im Dialog. Wir wollen Kooperationen schließen det, die sich aus unterschiedlichen Einnahmen speisen, geschaffen. Die Lizenznehmer konnten die gewünsch- mission bereits im Jahr 2005 angefangen hat, den Wett- zwischen kleinen und großen Verwertungsgesellschaf- nämlich aus E- und U-Veranstaltungen. Dies ist sachlich bewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften zu for- ten. Beispielsweise sind wir mit den Österreichern in begründet, weil sich E- und U-Veranstaltungen vom Ty- cieren, wenn nicht sogar zu erzwingen. Sie kennen si- einem sehr engen Dialog und beraten, was wir gemein- pus her unterscheiden, und vor allem, weil auch die ge- cher die Empfehlung der Generaldirektion Binnenmarkt sam tun können, um das gesamte deutschsprachige und nutzten Repertoires unterschiedlich sind. Von Ungleich- vom 18. Oktober 2005, in der die Verwertungsgesell- somit auch das alpenländische Repertoire zu stärken. behandlung kann hier also gar nicht die Rede sein. Die schaften in sehr nachdrücklicher Art und Weise aufge- GEMA ist seit ihrem Bestehen geprägt vom harmonischen fordert wurden, im Online-Bereich den Wettbewerb um puk: Das klingt alles nach marktwirtschaftlicher Berei- Nebeneinander von E- und U-Komponisten. Ich werde Rechteinhaber zu führen. Anfang 2006 wurde – diesmal nigung und uneingeschränktem Wettbewerb. Aber Mu- alles daran setzen, damit dies auch so bleibt. Im Dienste, von der Generaldirektion Wettbewerb – ein kartellrecht- sik ist doch auch ein Kulturgut? wie ich es Eingangs bereits gesagt habe, eines vielfälti- liches Verfahren gegen die europäischen Verwertungsge- Heker: Sie können das Argument des uneingeschränk- gen Musiklebens in Deutschland. sellschaften eingeleitet, die sich mit der Verwertung von ten Wettbewerbs nur mit der kulturpolitischen Aufgabe Musikrechten beschäftigen. Dies hat zum Ziel, Wettbe- der Verwertungsgesellschaften relativieren. Diese kul- DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM VON MICHEL werb zu erzwingen, aber weniger um die Rechteinhaber turpolitische Aufgabe, die ja fast jede Verwertungsge- als vielmehr um die Nutzer. Das ist natürlich für die Ver- sellschaft in Europa wahrnimmt, sehr viel deutlicher ins wertungsgesellschaften fatal, weil Wettbewerb um Kun- Bewusstsein zu rücken, ist eine der Kernaufgaben, die den im Endeffekt bedeutet, dass diejenige Verwertungs- jede Verwertungsgesellschaft im Moment leisten muss. gesellschaft in Europa das Geschäft macht, welche die Die GEMA unterhält seit vielen Jahrzehnten ein Sozial- Rechte am billigsten anbietet. Um diesen so genannten werk, in dem bedürftige Komponisten, Textdichter und Down-Stream der Erlöse zu verhindern, führen wir dieses Verlagsmitarbeiter unterstützt werden. Hier übernehmen Kartellverfahren mit all uns zur Verfügung stehenden Mit- wir sozusagen eine staatsentlastende Funktion. Es gibt teln. Wir sind uns hier auch mit fast allen Schwesterge- außerdem seit vielen Jahren die GEMA-Stiftung und die sellschaften in Europa einig. Das Verfahren wird Franz-Grothe-Stiftung, um kulturpolitische Initiativen hoffentlich Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. anzustoßen und zu begleiten. Und wir haben natürlich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. gerade durch den Verteilungsplan der GEMA eine Solid- Foto: Deutscher Bundestag/Foto- und Bildstelle puk: Dennoch werden die politischen Vorgaben der EU argemeinschaft par excellence. Schon allein deshalb ge- in Richtung mehr Wettbewerb nicht völlig zurückgenom- lingt es uns in Deutschland, die wohl reichhaltigste Mu- men werden. Wie reagieren Sie darauf? siklandschaft in Europa, wenn nicht sogar weltweit, auf- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Heker: Wenn es zukünftig Wettbewerb zwischen den recht zuhalten. Diese Funktion der GEMA in Zukunft noch MdB (FDP) Verwertungsgesellschaften geben wird – und zwar viel stärker deutlich zu machen, ist das Gebot der Stunde. hauptsächlich um die Rechteinhaber – dann muss sich Wir haben in der Diskussion um den 2. Korb der Urheber- geb. 1951; verheiratet. 1970 Abitur in Minden. Stu- eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA darauf ein- rechtsnovelle gemerkt, wie schwierig es war, unsere Po- dium der Rechtswissenschaften in Göttingen und Bie- stellen. Einige der großen Major Publisher – z.B. EMI – sition gegenüber Industrieinteressen deutlich zu machen. lefeld, erstes Staatsexamen 1975, zweites Staatsex- haben schon vor gut einem Jahr ihre Online-Rechte bei So etwas darf keinesfalls noch einmal passieren, amen 1978. 1979 bis Ende 1990 Tätigkeit beim Deut- den einzelnen Verwertungsgesellschaften in Europa ge- insbesondere nicht auf europäischer Ebene. schen Patentamt in München; seit 1989 Leitende kündigt, um sich zukünftig eine Verwertungsgesellschaft Regierungsdirektorin als Abteilungsleiterin für Per- auszusuchen, die deren Online-Rechte europaweit ex- puk: Haben Sie nicht Sorge, dass die zunehmende Be- sonal, Haushalt, Fortbildung, Beschaffung. Seit 1997 klusiv vermarktet. In Fall EMI hat die GEMA – gemein- deutung der individuellen Rechteverwaltung im Inter- Rechtsanwältin in München. sam mit ihrer englischen Schwestergesellschaft MCPS/ net die Position der GEMA schwächen könnte? Ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht München; PRS – die Ausschreibung des Rechtepakets gewonnen. Heker: Dies sehe ich gar nicht. Im Gegenteil. Die bishe- Beisitzer am Bundesdisziplinargericht. Vorstandsmit- Wir haben dafür eine eigene Firma namens CELAS ge- rige Entwicklung der Musik im Internet hat doch ge- Harald Heker. Foto: Anne Hoffmann glied der Theodor-Heuss-Stiftung und des Vereins gründet und nehmen so zum ersten Mal in der Geschich- zeigt, dass entgegen aller Erwartungen die individu- „Gegen Vergessen - Für Demokratie e. V.“; Mitglied te der Verwertungsgesellschaften eine europaweite Li- elle Rechteverwaltung nicht leichter, sondern schwe- des Deutschen Juristinnenbundes, des Kinderschutz- zenzierung von Online-Rechten vor. rer geworden ist. Der freie Zugriff ist nicht Ausnah- Dr. Harald Heker, bundes, der Gesellschaft für gewerblichen Rechts- me, sondern Regel. Die jüngsten Entwicklungen im Vorstandsvorsitzender der GEMA schutz, der Stiftung ProJUSTITIA, des Stiftungsrates puk: Untergraben solche Ausschreibungen, die ja nur sog. 2.0-Bereich sind dafür doch wieder einmal der der Sebastian-Cobler-Stiftung und des Tierschutzver- einer gewinnen kann, nicht das europäische Solidarsys- beste Beweis. Wer, wenn nicht starke Verwertungs- geb. 1958; Studium der Rechtswissenschaften in eins Starnberg. Ausgezeichnet mit der Hamm-Brü- tem der Verwertungsgesellschaften? gesellschaften wie die GEMA, wäre besser in der Lage, München; Promotion in Freiburg/Br., 1988-1990 cher-Medaille, dem Paul-Klinger-Preis und Frau des Heker: Diese Gefahr besteht, das muss man an der Stelle die Rechte der Autoren gegen diese neuen Global- Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Instituts für Jahres 1997 von Mona Lisa. klar sagen. Wir können ihr jedoch begegnen, wenn wir Player im Musikgeschäft zu verteidigen und durch- Urheber- und Medienrecht in München, 1990-2000 Seit 1978 Mitglied der FDP, Mitglied des Bundesfach- große und kleine neue Formen der Kooperationen verein- zusetzen. Die GEMA hat dies bereits mit ihren erfolg- Justiziar des Börsenvereins und Mitgeschäftsführer ausschusses Innen und Recht; seit 1997 Mitglied des baren, die darauf gerichtet sind, im administrativen Be- reichen gerichtlichen Schritten gegenüber solchen der Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenver- FDP-Bundespräsidiums; seit Dezember 2000 Vorsit- reich, dem so genannten Back-Office, Synergien zu schaf- unter Beweis gestellt, die die Rechte der Autoren für eins; 2001–2005 Hauptgeschäftsführer des Börsen- zende der FDP Bayern. Seit März 2002 Kreisrätin in fen, damit sich beide noch stärker ihren kulturellen Auf- vogelfrei halten. Der einzelne Autor steht wie am vereins des Deutschen Buchhandels und seit 2003 Starnberg. gaben widmen können. Dies setzt jedoch einen Bewusst- Anfang der Geschichte der Verwertungsgesellschaf- Sprecher der Geschäftsführung der Börsenverein Be- Mitglied des Bundestages seit 1990; 18. Mai 1992 seins- und Sinneswandel in der großen Familie der euro- ten hier auf verlorenem Posten. Damit wird überdeut- teiligungsgesellschaft mbH, in welcher der Börsen- bis 17. Januar 1996 Bundesministerin der Justiz; seit päischen Verwertungsgesellschaften voraus. lich, dass die Bedeutung der GEMA sowohl bei der verein seine wirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. die Ver- 2002 stellvertretende Vorsitzende der FDP-Frakti- Lizenzerteilung, bei der Ermittlung der Nutzungen anstaltung der Frankfurter Buchmesse, bündelt; seit on. puk: Hier findet also eine Verschiebung vom Kulturgut sowie bei der Verteilung von Vergütungen nicht ab- 2006 Mitglied des Vorstands der GEMA. zum Wirtschaftsgut statt! sondern zunehmen wird. Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 29

„Wir blicken besorgt nach Brüssel“ Interview mit Tilo Gerlach und Peter Zombik, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) politik und kultur (puk): Was unterscheidet die GVL von anderen Verwertungsgesellschaften wie der GEMA? Tilo Gerlach: Der zentrale Unterschied ist die konkrete Leistung, die geschützt beziehungsweise verwertet wird. Die ausübenden Künstler haben neben den Urhebern Leistungsschutzrechte an ihrer konkreten künstlerischen Interpretation als Sänger, Schauspieler, Instrumentalist oder Tänzer. Sie interpretieren in der Regel ein urheber- rechtlich geschütztes Werk, wobei der Werkschöpfer zum Beispiel durch die GEMA oder die VG WORT vertreten wird. Das Musik- oder Sprachwerk kann – anders als ein Werk der Bildenden Kunst – nicht direkt erlebt wer- den, es bedarf vielmehr der Vermittlung durch den Künst- ler. Insofern befinden sich die ausübenden Künstler, die wir in der GVL vertreten, in einer Art Zwischenposition: Sie sind einerseits Kreative und verdienen für ihre künst- lerische Leistung einen Schutz. Andererseits sind sie auch Werkmittler und daher mit einem Leistungsschutzrecht bedacht. Insgesamt hat die GVL rund 115.000 Künstler unter ihren Mitgliedern. Auch die Musikindustrie, ge- nau gesagt die Tonträgerhersteller, sind Vermittler von Werken und besitzen dieses Recht, da sie die techni- schen, finanziellen und wirtschaftlichen Voraussetzun- gen schaffen, um Aufnahmen in den Markt zu bringen. Der GVL gehören knapp 6.500 Tonträgerhersteller an. puk: Sind auch Ihre Mitglieder von der Urheberrechts- novelle betroffen? Peter Zombik: Wir sind natürlich im gleichen Maße wie die Urheber von den Regelungen zur Privatkopie betrof- fen, denn auch unsere Wahrnehmungsberechtigten par- tizipieren an der Vergütung für private Vervielfältigun- gen. Ich denke, wir müssen uns im Wesentlichen den Kom- mentaren unserer Kollegen anschließen: „Das Schlimms- te wurde verhindert!“ Wir sind aber keineswegs zufrie- den mit der gesetzlichen Behandlung der privaten Ver- vielfältigung, und die Tragfähigkeit der neuen Regelun- gen wird sich erst noch erweisen müssen. Wir haben er- hebliche Sorgen, dass die neue Vergütungsregelung den Wert nicht abbilden kann, der durch die Nutzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten entsteht. Unabhän- gig davon haben wir aus der Sicht einer Verwertungsge- sellschaft im Hinblick auf einen möglichen 3. Korb der Urheberrechtsnovelle eine ganze Reihe von Wünschen: Zeitungspapierrolle. Foto: Stefanie Ernst zum Beispiel das Thema Hinterlegungspflicht. bedeutsam ist. Die Länge der Schutzfristen ist allerdings puk: Worum geht es dabei? durch eine EU-Direktive geregelt und kann auch nur Zombik: Die Hinterlegungspflicht ist für uns ein wirt- durch eine Novellierung dieser EU-Direktive verändert schaftlich außerordentlich wichtiges Thema. Verwer- werden, so dass sich unsere Forderung nicht direkt an tungsgesellschaften stellen Tarife auf, die, wenn sie sich den Gesetzgeber des 3. Korbes richten kann. durchgesetzt haben, bindend sind. Wenn es aber Streit über diese Tarife gibt, so gelten für Urheber und Leis- puk: Welche Herausforderungen birgt die digitale Welt tungsschutzberechtigte unterschiedliche Regelungen. So für die GVL? kann die GEMA die Zahlung des Tarifes aufgrund ge- Zombik: Ich denke, es gibt zwei wichtige Entwicklun- setzlicher Ansprüche durchsetzen, denn die Nutzungs- gen, denen wir Rechnung tragen müssen. Zum einen rechte sind laut Gesetz erst dann ordnungsgemäß er- werden Nutzungsvorgänge zunehmend grenzüberschrei- worben, wenn der Tarif auch wirklich gezahlt wurde. Die tend stattfinden. Verwertungsgesellschaften, die tradi- Gegenseite kann zwar erwirken, dass nur der von ihr tionell auf ihr Ursprungsland konzentriert waren, wer- als angemessen empfundene Teil tatsächlich an die Be- den zunehmend mit Nutzern konfrontiert, die multiter- rechtigten ausgezahlt wird, während die Differenz zum ritorial agieren und darum auch multiterritoriale Nut- Tarif bei Gericht oder einer gemeinsam eingerichteten zungslizenzen aus einer Hand bekommen wollen. Mas- Institution hinterlegt wird. Über die endgültige Vergü- siv passiert dies bereits jetzt im Bereich des Web-Cas- tungshöhe entscheidet dann die Schiedsstelle des Deut- ting. Hier haben wir bereits entsprechende Instrumen- schen Patent- und Markenamts (DPMA), gegebenenfalls tarien mit unseren internationalen Schwestergesell- die zuständigen Gerichte. Bei den Leistungsschutzrech- schaften geschaffen, die uns in die Lage versetzen, mul- ten gibt es für die dort bestehenden Vergütungsansprü- titerritorialen Lizenzen zu vergeben. Eine der wesentli- che, die die GVL wahrnimmt, eine derartige Hinterle- chen Voraussetzungen ist dabei jedoch, dass keine gungspflicht hingegen nicht. Kommt es zu einem Tarif- Abwärts-Spirale der Vergütungshöhen entsteht. Es gibt Tilo Gerlach. Foto: privat Peter Zombik. Foto: IFPI streit, drohen den Inhabern von Leistungsschutzrech- konstituierte Märkte in Europa, in denen es schon über ten erhebliche Zahlungsausfälle. Besonders problema- viele Jahre hinweg funktionierende Vertrags- und Tarif- tisch sind dabei Insolvenzen während eines Tarifkonf- systeme gibt, die nicht in eine solche Abwärtsspirale Dr. Tilo Gerlach, Geschäftsführer der GVL Peter Zombik, Geschäftsführer der GVL liktes, weil dann Zahlungsausfälle wegen der fehlen- gedrängt werden dürfen. den Hinterlegungspflicht uneinbringbar werden können. Gerlach: Der zweite Bereich betrifft die Individualisie- Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Frei- Studium der Volkswirtschaft und Soziologie an der Außerdem sind wir als GVL in einer schlechteren Ver- rung der Rechtewahrnehmung. Traditionell funktionie- burg; von 1993 bis 1994 Referendar in Berlin und Universität Göttingen; 1977 bis 1982 Assistent des handlungsposition: Nutzer können uns prinzipiell bei ren Verwertungsgesellschaften so, dass sie ein umfas- Washington sowie wissenschaftlicher Mitarbeit am Geschäftsführers des Bundesverband der Phonogra- Verhandlungen unter Druck setzen, indem sie uns ein- sendes Rechtepaket erwerben und dieses dann wieder Institut für Wirtschaftsrecht der Humboldt-Universi- phischen Wirtschaft; von 1982 bis 2007 Geschäfts- fach Kompromisse abringen, damit wir unseren Wahr- komplett ausgeben – die Rechte, die Wahrnehmungs- tät zu Berlin; seit 1996 Rechtsanwalt, 1996 bis 2001 führer des Bundesverband der Phonographischen nehmungsberechtigten zumindest einen Teil der Vergü- berechtigte an eine Verwertungsgesellschaft übergeben, Justiziar der GVL; seit 2001 Geschäftsführer der GVL. Wirtschaft; seit 1998 Gesamtgeschäftsführung des tung zukommen lassen können. Mit einer Hinterlegungs- sind dabei alle identisch. Dadurch kann die GVL die Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft pflicht könnten wir solche Auseinandersetzungen wirt- Weltrechte vertreten. Dies wird in Zukunft so nicht wei- und der Deutschen Landesgruppe der IFPI; seit 1998 schaftlich besser durchstehen und müssten keine „fau- ter funktionieren, wir werden flexibler auf die Wünsche wertung eine Verwertungsgesellschaft anbieten kann, Mitglied der Geschäftsführung der GVL; seit 2007 len“ Kompromisse eingehen. einzelner Gruppen von Wahrnehmungsberechtigten ein- ohne Gefahr zu laufen, dass auch in Kernbereichen das Geschäftsführer der GVL. gehen müssen. System der weltweiten Lizenzvergabe aus einer Hand puk: Fordern Sie eine grundsätzliche Stärkung der Leis- aufgebrochen wird. Hier wünschen wir uns auch gesetz- tungsschutzrechte? puk: Können Sie ein Beispiel nennen? liche Rahmenbedingungen. gen zu finden und durchzusetzen. Dabei geht es Gerlach: In der Tat lautet eine weitere Kernforderung, Gerlach: Nehmen Sie nur den Bereich des Web-Cas- letztlich auch um die Gewährleistung der kulturellen die wir in den vergangenen Monaten auch mit unseren ting: Die großen Hersteller, die über eine eigene Lizenz- puk: Entstehen hier nicht auch zusätzliche Verwaltungs- Vielfalt, die eine zentrale Aufgabe von Verwertungs- Wahrnehmungsberechtigten diskutiert haben, die Ver- abteilung verfügen, die sind durchaus in der Lage, mit kosten, die ohnehin schon als zu hoch kritisiert werden? gesellschaften ist. Solange wir über alle Rechte verfü- längerung der Schutzfrist. Wir haben heute eine Schutz- kleineren Nutzern individuelle Verträge zu schließen. Sie Zombik: Tatsächlich müssen wir auf unsere Kostensitu- gen, können wir Rationalisierungs- und Mengeneffek- frist von 50 Jahren nach Veröffentlichung der Aufnah- möchten sich die Möglichkeit, ihr Repertoire selbst kon- ation besonders achten. Zurzeit sind wir sind die preis- te nutzen, um vor allem das Nischenrepertoire zu ver- me, während Komponisten und Textdichter eine Schutz- trollieren zu können, nicht aus der Hand nehmen las- werteste europäische Leistungsschutzgesellschaft mit tretbaren Bedingungen an den Nutzer zu liefern. Wir frist von 70 Jahren post mortem haben. Diese zeitliche sen. Je kleiner aber ein Hersteller ist, desto weniger ver- einem Gesamtkostensatz von 8,11 Prozent im vergan- blicken zurzeit vor allem besorgt nach Brüssel, fordern Diskrepanz zwischen den Schutzfristen halten wir für fügt er über solche Strukturen. Hier sind Verwertungs- genen Jahr. Unser Ehrgeiz muss es auch weiterhin sein, aber auch den Gesetzgeber in Deutschland mit Nach- überholt, denn im Musikbereich ist es in der Regel der gesellschaften gefordert, auf unterschiedliche Befind- einen möglichst hohen Anteil der Vergütungen an die druck auf, die kulturelle und soziale Bedeutung der ausübende Künstler, der mit einem bestimmten Lied in lichkeiten zu reagieren und entsprechende Dienstleis- Wahrnehmungsberechtigten auszuschütten. Jede Indi- Verwertungsgesellschaften angemessen zu berücksich- Verbindung gebracht wird. Das soll die Leistung des tungen anzubieten. vidualisierung sorgt natürlich dafür, dass zusätzliche tigen. Urhebers in keiner Weise schmälern – dennoch wird Dies führt aber auch zu einem grundsätzlichen Kon- Kosten entstehen. Außerdem dürfte es in einem Um- deutlich, dass die Leistung des Künstlers, der mit einem flikt, der innerhalb jeder Verwertungsgesellschaft gelöst feld individualisierter Rechtewahrnehmung schwieri- DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM bestimmten Werk in Verbindung steht, kaum weniger werden muss: Die Frage ist, wie viel individuelle Ver- ger werden, angemessene wirtschaftliche Bedingun- VON MICHEL Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 30

„Eine Polarisierung ist Unsinn“ Interview mit Ferdinand Melichar, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG WORT politik und kultur (puk): Wie sieht die Zukunft der Rechteverwertung in Deutschland aus? Ferdinand Melichar: Wenn ich mir die großen Linien ansehe, so bin ich überzeugt davon, dass die Verwer- tungsgesellschaften teilweise wegkommen werden von dem, was man gemeinhin als „kollektive Verwaltung“ bezeichnet, die notgedrungen ein bisschen nach dem Gießkannen-Prinzip arbeitet. Es ist ganz klar, die Ko- piergerätevergütung zum Beispiel muss kollektiv ver- waltet werden, denn kein Mensch kann kontrollieren, was wann wo tatsächlich privat kopiert wird. Das geht weder im Bereich der Audio- und audiovisuellen Medi- en, noch geht das im Bereich der Printmedien. Das In- ternet bietet hier natürlich eine gewisse Chance. Eine Polarisierung aber – entweder Digital Rights Manage- ment (DRM)-Systeme oder kollektive Verwaltung – ist Unsinn. Es wird beides nebeneinander geben, wobei DRM-Systeme zunehmend stärker werden, aber keineswegs die notwendigen kollektiven Verwaltungs- maßnahmen ablösen können. Ein Phasing-Out der kol- lektiven Verwaltung, das manchmal an die Wand ge- malt wird, halte ich für völlig absurd. puk: Das Thema DRM ist ja speziell für die VG WORT ein schwieriges Feld, denn Textmaterial ist im Zeitalter von Druckern und Scannern mit solchen Systemen kaum zu schützen. Melichar: DRM-Systeme darf man ja nicht nur als TPM- Systeme (Technical Protection Measures) sehen. Wenn beispielsweise von Subito eine Kopie elektronisch ver- sandt wird, könnten wir genauso eine elektronische Mitteilung bekommen: „Folgender Aufsatz ist elektro- nisch versandt worden […]“ Das heißt, wir werden DRM für uns nutzbar machen müssen, es geht um die Regis- trierung der effektiven Nutzung. In diesem Zusammen- hang muss man auch in den Vordergrund stellen, war- um Verwertungsgesellschaften besonders dafür geeig- net sind. Zum Beispiel weil wir den Datenschutz garan- tieren können. Wir wären sozusagen das Bollwerk ge- gen den „gläsernen Kunden“. Die Datenschützer und die Bürger haben ja zu Recht Angst, dass mithilfe von DRM-Systemen die Nutzungsgewohnheiten von Konsu- menten erforscht werden können. Wenn aber die Ver- wertungsgesellschaften dazwischengeschaltet sind, ist der Schutz der persönlichen Daten sichergestellt. puk: Wenn man 10 Jahre in die Zukunft blickt, wie wird sich Ihrer Meinung nach das geschätzte Verhältnis von DRM-Systemen und kollektiver Rechte-Wahrnehmung Fernsehempfänger von Telefunken aus dem Jahr 1937. Foto: Stefanie Ernst darstellen? Melichar: Ich würde denken, möglicherweise 50 zu 50. de Tätigkeiten ausführen. Wenn wir das nicht machen ten. Die Anglo-Amerikaner mit ihrem Copyright-System ment streiten wir vor der Schiedsstelle beim Deutschen Derzeit ist das Verhältnis 95 zu 5. würden, müsste es der Staat machen. Da ist beispiels- sehen dies naturgemäß etwas anders. Deswegen ist es Patent- und Markenamt um die Höhe dieser Aufsto- weise der Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT, zugleich verständlich und bedauerlich, dass die Vertre- ckung. Angeboten sind 4,9 Prozent, wir wollen 16 Pro- puk: In der politischen Diskussion um die Urheberrechts- der Druckkostenzuschüsse für streng wissenschaftliche ter der so dominierenden anglo-amerikanischen Pop- zent. novelle (2. Korb) sind – so extrem wie noch nie zuvor – Arbeiten vergibt, die ohne diesen Zuschuss nicht erschei- musik solche Maßnahmen mit Argwohn verfolgen. Im wirtschaftliche Interessen im Vordergrund gestanden. nen könnten. Er ist nach der Deutschen Forschungsge- Bereich Wort ist dies allerdings nicht so gefährlich wie puk: Gibt des denn wieder eine Tendenz zur Bibliothe- Glauben Sie, dass die Verwertungsgesellschaften lang- meinschaft (DFG), die vom Steuerzahler finanziert wird, im Musikbereich. kennutzung? fristig nur noch ein Akteur in einem Wirtschaftsgefüge der zweitgrößte Zuschussgeber in Deutschland für sol- Melichar: Ja, und das ist ganz erstaunlich. Ein typisches sind, oder werden sie weiterhin eine kulturpolitische che Publikationen. Oder der Sozialfonds, der sich be- puk: Auch die EU-Kommission fördert mit ihrer Idee, Beispiel scheint mir Hamburg zu sein. Die Schließung Aufgabe wahrnehmen? dürftiger Autoren und derer Hinterbliebenen annimmt. Konkurrenz unter den europäischen Verwertungsgesell- von Stadtteilbibliotheken hat dort dazu geführt, dass Melichar: Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Diese wären ohne unsere Hilfe zum größten Teil Hartz- schaften zu forcieren, derartige Standpunkte. die Zentralbibliothek, die sehr gut ausgestattet ist, jetzt Verwertungsgesellschaften eben doch etwas anderes IV-Empfänger. Wir sind jedoch, um das auch klarzustel- Melichar: Die von der EU gewollte Konkurrenz ist zum vermehrten Zulauf hat. Insgesamt haben wir im Jahr sind als reine Wirtschaftsbetriebe. Natürlich muss der len, nicht dazu da, den Staat in diesem Punkt aus seiner Schaden aller Beteiligten – sie bewirkt genau das Ge- weit über 300 Millionen Ausleihvorgänge in Deutsch- Schwerpunkt auf dem Wirtschaftsgebiet liegen, das Verpflichtung zu entlassen. Wir bemühen uns nur, be- genteil. Dies zeichnet sich jetzt schon ab und die klei- land allein in öffentlichen Bibliotheken. heißt: Inkasso und Ausschüttung von Geld. Aber wir dürftigen Autoren und deren Hinterbliebenen einen ge- nen Verwertungsgesellschaften der kleinen Länder be- haben darüber hinaus einen sehr wichtigen kulturpoli- wissen Lebensstandard zu gewähren, indem wir „Ar- klagen dies bereits lautstark. Die großen musikalischen puk: Wie würde die Welt aussehen, wenn eine zukünfti- tischen und einen noch wichtigeren sozialpolitischen beitslosengeld Plus“ bezahlen. Verwertungsgesellschaften in Deutschland, Frankreich, ge Regierung beschließen würde, dass Verwertungsge- Auftrag. Ich glaube, man muss den Menschen wieder Großbritannien, Italien und Spanien werden das Ge- sellschaften überflüssig sind? ins Gedächtnis rufen, dass wir zum Teil staatsentlasten- puk: Kann sich die VG WORT diese Aufgabe vor dem schäft machen, während die kleinen verlieren. Überspitzt Melichar: Es gibt den berühmten Spruch: Wenn es Ver- Hintergrund der jetzt absehbaren Entwicklung in 10 bis formuliert wird beispielsweise in Zukunft der österreichi- wertungsgesellschaften nicht schon gäbe, für die digi- 20 Jahren noch leisten? War die Krise des Autorenver- schen Verwertungsgesellschaft „Autoren –Komponisten tale Welt müsste man sie neu erfinden. Das gilt heute sorgungswerks erst der Anfang? – Musikverleger“ (AKM) kaum viel mehr übrig bleiben, mehr denn je, denn insbesondere in der digitalen Welt Melichar: Tatsächlich haben wir das Autorenversor- als das so genannte Kneipen-Recht zu verwalten, das gibt es eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten, die frü- gungswerk wegen finanzieller Engpässe leider schlie- heißt von zigtausend österreichischen Kneipen und Ho- her nicht denkbar waren. Vergleichen sie allein das Ko- ßen müssen – um seinen Konkurs zu vermeiden. Aber tels je ein paar Euro jährlich zu kassieren. Das lukrative pieren eines Aufsatzes am Kopiergerät mit den Mög- wir haben bereits erste Gedankenspiele angestellt, wie Geschäft – mechanisches Recht, die Sende- und Inter- lichkeiten, die das Internet bietet. wir es wieder öffnen können. Ich bin da sehr optimis- netrechte für das nicht-österreichische Repertoire –, wird tisch. Und noch einmal: All dies gehört – jedenfalls nach hingegen woanders gemacht. Das heißt, die Kosten für puk: Verwertungsgesellschaften sind also unverzicht- kontinentaleuropäischem Verständnis des Urheberrechts die AKM werden in Relation zum Aufkommen enorm bar? – zum Kernaufgabengebiet der Verwertungsgesellschaf- steigen. Melichar: Unverzichtbar nicht nur im Interesse der von Für die Schriftsteller und ihre Verleger bin ich froh, uns vertretenen Autoren, Verleger oder sonstigen Erst- dass es wenigstens etwas Positives aus Brüssel zu be- verwerter, sondern auch im Interesse der Nutzer. Wie Prof. Dr. Ferdinand Melichar richten gibt – über die Bibliothekstantieme. Die Recht- soll es sonst funktionieren? Man müsste zuerst die Ber- sprechung des Europäischen Gerichtshofes besagt, dass ner Konvention aufheben, um sich ein Leben ohne Ver- geb. 1938; Studium in Genf, Salzburg und zuletzt die Richtlinie zum Urheberrecht im Informationszeital- wertungsgesellschaften vorzustellen. Dieses völkerrecht- München, wo er nach Ableistung des Referendar- ter zwingend vorgibt, eine Bibliothekstantieme einzu- liche Übereinkommen von 1886 ist ja immer noch das dienstes 1967 das zweite juristische Staatsexamen führen. Man kann nicht, wie es manche Länder versucht Kernstück des internationalen Urheberrechts. Es besagt ablegte. Seither in München als freiberuflicher haben, sämtliche öffentliche Bibliotheken von der Ver- zum Beispiel, dass es ein ausschließliches Recht der Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Urheberrecht tätig. gütungspflicht ausnehmen. Hier hat der Europäische öffentlichen Wiedergabe gibt. Wie soll dieses ohne 1975 bis 1979 „Conseiller Technique“ des Europa- Gerichtshof bereits gegen Belgien, Italien und Spanien Verwertungsgesellschaften realisiert werden? Da gäbe Rates für Urheberrecht, seit 1976 Mitglied der „Sach- entschieden, gegen Portugal läuft das entsprechende es nur zwei Möglichkeiten: entweder wir schaffen die verständigenkommission für Urheberrecht“ beim Verfahren noch. Berner Konvention ab, was bestimmt ausgeschlossen Bundesjustizministerium (Bonn). Seit 1984 geschäfts- Wir haben in Deutschland einen Vertrag mit Bund ist, da dies nur einstimmig von den etwa 160 Mitglieds- führendes Vorstandsmitglied der VERWERTUNGSGE- und Ländern geschlossen, der uns eine jährliche Pau- staaten beschlossen werden könnte. Oder in sämtli- SELLSCHAFT WORT. Von 1987 bis 1993 Chairman der schale für alle Ausleihvorgänge durch öffentliche, wis- chen Kneipen geht zwar nicht das Licht aber die Musik International Federation of Reproduction Rights Or- senschaftliche, kirchliche und alle sonstigen Bibliothe- aus. ganisations (IFRRO); seit 1993 Chairman der Euro- ken garantiert. Diese Pauschale wird alle zwei Jahre pean Group von IFRRO. ausgehandelt auf Grundlage der Ausleihzahlen, ist aber DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM Ferdinand Melichar. Foto: Henning Bock im europäischen Vergleich leider sehr niedrig. Im Mo- VON MICHEL Verwertungsgesellschaften – Ausblick politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 31

Offen an die künftigen Herausforderungen herangehen Interview mit Gerhard Pfennig, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG BILD-KUNST politik und kultur (puk): Geraten die Verwertungsge- Registrierung, aber auch zur laufenden Dokumentation dieser Gesetzespassage ausgesprochen, aber im 2. Korb sellschaften mit der Verabschiedung des 2. Korbs der der Werknutzung ein. der Urheberrechtsnovelle war dafür kein Platz mehr. Wir Urheberrechtsnovelle nun wieder in ruhigeres Fahrwas- sind sehr zuversichtlich, dass im nächsten Schritt – dem ser? puk: Es geht also verstärkt darum, mit einer Stimme zu 3. Korb – auch dieses heiße Eisen von der Regierung Gerhard Pfennig: Da bin ich mir noch nicht so sicher. sprechen? angegangen wird. Gleichwohl dürfen wir darauf nicht Zunächst einmal müssen wir zufrieden sein mit dem Pfennig: Ja genau das ist unser mittelfristiges Ziel. Bei warten, denn den Urhebern entgehen schon jetzt im- Kompromiss, der in letzter Minute doch noch gefunden den audio-visuellen Medien hat sich historisch ein ganz mense Einnahmen und wir sind darum bereits dabei, wurde. Das Gesetz bleibt zwar weit hinter den früheren anderes Vergütungssystem entwickelt, als beispielsweise entsprechende Erlösmodelle mit den Marktplayern zu Versprechungen der Politik für eine Stärkung der Urhe- im Musikbereich mit der quasi umfassenden Betreuung verhandeln. ber in Deutschland zurück, andererseits wurden aber durch die GEMA. Die Zersplitterung der Rechtewahr- auch massive Zugeständnisse an die Industrie wieder nehmung im audio-visuellen Bereich ist in ihrer Struk- puk: Ein Großteil der Nutzung urheberrechtlich ge- zurückgenommen. Ich persönlich habe meine Zweifel, tur von den Interessengegensätzen zwischen Produ- schützter Werke geschieht im Bildungswesen, an Schu- dass die von der Bundesregierung verordnete, konstruk- zenten und Urhebern geprägt. So kooperieren die un- len und Universitäten. Sehen Sie die Rechte Ihrer Mit- tive Zusammenarbeit zwischen den Verwertungsgesell- terschiedlichen Verwertungsgesellschaften audiovisu- glieder hier entsprechend gewahrt? schaften und der Geräteindustrie im Bereich der Vergü- eller Urheber, Produzenten und ausübender Künstler Pfennig: Grundsätzlich begrüßen wir natürlich die Be- tung für privates Kopieren in der Praxis tatsächlich funk- untereinander bisher nur ansatzweise bei der Wahr- reitstellung von urheberrechtlich geschützten Werken tioniert. Unsere Verhandlungspartner sind ausschließ- nehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche. Es gibt für Forschung, Wissenschaft und Ausbildung. An die- lich kapitalgetrieben und haben sehr wenig Verständ- auch keine gemeinsame Position zwischen Urhebern ser Stelle wird übrigens besonders gut deutlich, dass nis für den kulturellen und sozialen Anspruch des deut- und Produzenten im Hinblick auf die Versuche der EU- die Verwertungsgesellschaften eben keine reine „Han- schen und europäischen Vergütungssystems. In der vom Kommission, in ihrem Herrschaftsbereich Lizenzstruk- delsware“ anbieten, die unter ausschließlich wirt- Gesetzgeber geplanten Übergangsfrist von zwei Jahren, turen zu schaffen bzw. zu vereinheitlichen, wie dies schaftlichen Gesichtspunkten bestmöglich vermarktet während der das alte Urheberrecht noch seine Gültig- bereits im Bereich der Online-Musiknutzung versucht werden muss. Das Repertoire aller Verwertungsgesell- keit behält, rechnen wir jedenfalls kaum mit einem Ab- wurde. Auch in den Bereichen der Rechtskontrolle und schaften spiegelt vielmehr den kulturellen und geisti- ebben der Prozessfreudigkeit von Seiten der Industrie – Piraterieverfolgung fehlt bisher ein einheitliches Kon- gen Reichtum unserer Gesellschaft wieder. Trotzdem im Gegenteil, wir stellen fest, dass die Hersteller erneut zept. Dieses System ist in seiner gegenwärtigen Form wünschen wir uns natürlich, dass auch im Bildungsbe- Entscheidungen der Schiedsstelle des Deutschen Patent- nicht zukunftsfest, wie die Schwierigkeiten bei den Li- reich angemessene Vergütungen an die Urheber der und Markenamts (DPMA) in Frage stellen und statt des- zenzstrukturen selbst im traditionellen Bereich – etwa Werke gezahlt werden, denn ohne sie wäre das Werk sen den Bundesgerichtshof anrufen. Nach dem neuen bei den höchst unterschiedlichen Positionen zur Ein- ja nie entstanden. Hier sind wir leider einer Vielzahl Gesetz soll aber genau diese Schiedsstelle eine zentrale beziehung neuer Formen der Kabelweiterleitung – ein- bürokratischer Hindernisse ausgeliefert und laufen Ge- Funktion bei den Verhandlungen einnehmen. Das alles drucksvoll belegen. fahr, uns im Gestrüpp des Föderalismus zu verlieren. Gerhard Pfennig. Foto: Franz Fischer erscheint mir etwas blauäugig, es wäre sicher besser Einziger Lichtblick ist zurzeit der soeben abgeschlos- gewesen, der Gesetzgeber hätte die Regulierung selbst puk: In welchen Themenbereichen sehen Sie die VG sene, bundesweit gültige Rahmenvertrag über die Nut- in der Hand behalten, anstatt sie einem freien Spiel der BILD-KUNST außerdem verstärkt gefordert? zung von urheberrechtlich geschützten Werken in In- Prof. Dr. Gerhard Pfennig Kräfte zu überlassen, in dem die Industrievertreter na- Pfennig: Bisher unberührt von einer gesetzlichen Neu- tranets von Schulen. Aber auch das war ein sehr zäher turgemäß einen sehr viel längeren Atem haben. regelung ist der gesamte Bereich des Weitersenderechts, Kampf. geb. 1946; ist Rechtsanwalt und geschäftsführendes also die urheberrechtspflichtige Vergütung bei der Wei- Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst, der deutschen puk: Sie kritisieren ja auch massiv die Neuregelung im terverbreitung von audio-visuellen Inhalten über alter- puk: Wird sich das Tätigkeitsfeld der VG BILD-KUNST in Verwertungsgesellschaft für Bildende Kunst, Fotogra- Umgang mit bisher unbekannten Nutzungsformen! native Wege. Das war kein Problem, so lange lediglich Zukunft deutlich verändern? fie, Grafik-Design und Film. Pfennig: Ja, aber in diesem Punkt sind wir selbst nicht das Kabelnetz als zusätzlicher Verbreitungsweg zur Pfennig: Es geht weniger darum, neue Betätigungs- Pfennig ist im Bereich der Entwicklung des Urheber- ganz unschuldig. Tatsächlich gab es bisher zwischen den Verfügung stand. Satellitentechnologien, HandyTV- felder für Verwertungsgesellschaften zu schaffen; es rechts, insbesondere der Entwicklung der Verwer- audio-visuellen Urhebern – das sind Regisseure, Kame- Plattformen und die digitale, terrestrische Ausstrah- ist vielmehr unsere gemeinsame Aufgabe, eingefah- tungsgesellschaften für Bildende Kunst, Fotografie raleute, Cutter und Ausstatter – und den Produzenten lung ermöglichen inzwischen eine Vielzahl neuer Er- rene Positionen zu überdenken und die notwendigen und Film international tätig und Mitglied einschlä- in der Regel nur Verträge über schon bekannte Nutzungs- lösmodelle, von denen die Betreiber solcher Netze er- Schritte zu tun, um unter Berücksichtigung vorhan- giger Fachgremien. arten. Beim Aufkommen einer neuen Nutzungsart ge- heblich profitieren. Von einer Vergütungspflicht sind dener Strukturen offen an die Herausforderungen der Er veröffentlicht regelmäßig zu Themen des Urhe- rieten diese beiden Gruppen regelmäßig in erbitterten sie jedoch ausgenommen, weil das alte Weiter- Gegenwart und der absehbaren Zukunft sowie der berrechts, der Kulturförderung und der Kulturpoli- Streit, der nur durch Gerichtsentscheidungen zu klären senderecht mit der Einführung des Kabels stehen ge- Entwicklung neuer Strukturen heranzugehen. tik und ist Honorarprofessor an der Universität war. So hat beispielsweise mit dem Bundesgerichtshof blieben ist und neuere Entwicklungen schlicht nicht Mainz. schließlich die höchste deutsche Rechtsinstanz entschie- berücksichtigt. Der Bundesrat hat sich deshalb bereits DAS INTERVIEW FÜHRTE ACHIM den, dass es sich bei der DVD um keine neue Nutzungs- im Mai für eine „technologieneutrale“ Formulierung VON MICHEL art handelt, also die bereits abgeschlossenen Verträge im Videobereich Anwendung finden. Die Neuregelung des Urheberrechts erkennt nun zwar einen grundsätzli- chen Vergütungsanspruch für bisher unbekannte Nut- zungsarten an, räumt den Urhebern nur noch ein sehr begrenztes Mitspracherecht bei der Entscheidung ein, in welchen Nutzungsarten ihre Werke vermarktet wer- den. Auch wenn es von der Bundesregierung bestritten wird, kommt dieses Gesetz doch quasi einer Cessio-Le- gis-Regelung, also einem kompletten Buy-Out aller Rech- te gleich. Das kann keinesfalls im Sinne der Urheber sein, schwächt die gesamte audio-visuelle Rechteverwertung empfindlich und stellt die Rechteinhaber hier wesent- lich schlechter, als dies in anderen Schaffensbereichen der Fall ist. Aus diesem Debakel müssen wir für die Zu- kunft lernen. puk: Sehen Sie denn eine Alternative zum scheinbar un- auflösbaren Interessenkonflikt zwischen Urhebern und Produzenten? Pfennig: Ja, die sehe ich tatsächlich. Die Realität im audio-visuellen Markt sieht doch so aus: 80 Prozent der Produzenten arbeiten für die großen Rundfunkanstal- ten. Hier wird in der Regel nur über Komplettpakete verhandelt, denn die großen Player möchten sich natür- lich alle Wege bei der Vermarktung einer Produktion offen halten. Dieser Druck, dem eine kleine Produkti- onsfirma kaum etwas entgegen zu setzen hat, wird na- türlich an den Urheber weitergegeben. Ich plädiere dafür, dass sich die Produzenten aus dieser undankbaren Mitt- ler-Rolle lösen und stattdessen gemeinsam mit den Ur- hebern ihre Kräfte bündeln. Nur so erlangen sie eine Verhandlungsposition, die es ermöglicht, den großen Auftraggebern substantiell etwas entgegen zu setzen und angemessene Vergütungen auszuhandeln. Wie der- artige Modelle aussehen könnten, diskutieren wir zurzeit mit unseren Mitgliedern. Ich könnte mir vorstellen, dass in Zukunft Urheber und Produzenten gemeinsam be- schließen, was ein Werk tatsächlich wert ist, und mit einer entsprechenden Forderung auf den Nutzer zuge- hen. Die neuen Technologien können dabei sehr hilfreich sein, denn man kann beispielsweise im Internet schon sehr genau feststellen, wie häufig ein Film tatsächlich genutzt wurde. Hier ergeben sich auch neue Felder für Verwertungsgesellschaften, die solche Daten erheben und zur Verfügung stellen könnten. Anders als ein kom- merzieller Anbieter wären sie nicht dem Angriff von Datenschützern ausgesetzt, einen „gläsernen Konsu- menten“ zu erschaffen. Wir setzen uns darüber hinaus für die Einrichtung einer gemeinsamen Datenbank zur Tastatur des Prototyps der modernen Computer. Foto: Stefanie Ernst Verwertungsgesellschaften – Zum Schluss politik und kultur • November – Dezember 2007 • SEITE 32

Karikatur: Thomas Plaßmann Für weitere Informationen Raubkopierer! GEMA · Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für Raubkopierer, Raubkopierer, Bleibt nur Lärm und Idiotie. Generaldirektion in München geistiges Eigentum (WIPO) bist am Ende der Verlierer. Zahl mal Miete - nur vom Ruhm. Postfach 80 07 67; 81607 München · WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Ich wünsch dir schöne Diebeszeit. Mehr Respekt vorm Eigentum! Tel: 089/480 03-00; Fax: 089/480 03-969 · WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Irgendwann tut es dir leid. Daß das nicht mal jemand wundert! E-Mail: [email protected] · Gesetz zu den WIPO-Verträgen vom 20.12.1996 über Ur- War das neunzehnte Jahrhundert heberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger Gieriger Erfindergeist, Generaldirektion in Berlin · Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Litera- schwer betriebsblöd, skrupelblind, Und die ganze Zeit davor Postfach 30 12 40; 10722 Berlin tur und der Kunst (Pariser Fassung) (Revidierte Berner schuf dir Dinge, cool und dreist, je so gut zum Massen-Ohr? Tel: 030/212 45 00; Fax: 030/212 45-950 Übereinkunft, RBÜ) die nicht mehr zu ändern sind: Löhn’ für das, was dich erfreut. E-Mail: [email protected]; http://www. gema.de · Welturheberrechtsabkommen (WUA) Sonst hast du es bald bereut. · Gesetz zu den am 24. Juli 1971 in Paris unterzeichneten Hardware, die den Ast absägt, GVL Übereinkünften auf dem Gebiet des Urheberrechts der die Musikanten trägt. Raubkopierer, Raubkopierer - Podbieleskiallee 64; 14195 Berlin · Internationales Abkommen über den Schutz der ausü- Keine neuen Rolling Stones! bist am Ende der Verlierer. Tel: 030/484 83-600; Fax 030/484 83-700 benden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Nicht einmal mehr Casting-Clones Jawohl. E-Mail: [email protected]; http://www. gvl.de Sendeunternehmen („Rom-Abkommen“, Rom-Abk) HEINZ RUDOLF KUNZE · Gesetz zu dem Internationalen Abkommen vom 26. Ok- Wird es wohl in Zukunft geben. VG BILD-KUNST tober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, Wovon sollen die denn leben? Weberstraße 61, 53113 Bonn der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunterneh- Stimmt. Musik soll eine Lust sein. Tel: 0228/915 34-0, Fax: 0228/915 34-39 men Doch dir fehlt das Schuldbewußtsein, E-Mail: [email protected], http://www.bildkunst.de · Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Impressum Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen, Während du putzmunter stiehlst VG WORT TRIPS) und ins Herz der Sache zielst. puk-Dossier Goethestraße 46, 80336 München · Übereinkommen zum Schutz der Hersteller gegen die Freier Zugriff? Super! Toll! Tel: 089/514 12-0, unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger Sag mir, wie das gehen soll. Verwertungsgesellschaften E-Mail: [email protected], http://www.vgwort.de · Gesetz zu dem Übereinkommen zum Schutz der Herstel- Erscheint als Beilage zur Zeitung politik und kultur, ler gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger Jeder Raub kommt vor Gericht, herausgegeben von Olaf Zimmermann und Büro Berlin der VG WORT und der VG BILD-KUNST: · Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der nur für Töne gilt das nicht. Theo Geißler Köthener Straße 44, 10963 Berlin Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwand- Du enteignest Phantasie. Tel: 030/261 38 79, Fax: 030/230 036 29 ter Schutzrechte Deutscher Kulturrat · Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und Chausseestraße 103, 10115 Berlin Wichtige Gesetze und Dokumente des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 · Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrech- Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected] te (Urheberrechtsgesetz) (UrhG) Informationsgesellschaft · Verordnung über das Register anonymer und pseudony- · Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und Redaktion: mer Werke (Werke RegV) des Rates über das Folgerecht des Urhebers des Origi- Olaf Zimmermann (verantwortlich), · Gesetz über das Verlagsrecht nals eines Kunstwerks Gabriele Schulz, Andreas Kolb · Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechte und · Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäi- verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrneh- sche Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Redaktionsassistenz: mungsgesetz ((UrhWG) Sozialausschuss: Die Wahrnehmung von Urheberrech- Stefanie Ernst · Gesamtvertrag über die Abgeltung der Ansprüche nach ten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt § 27 Abs. 2 UrhG (Bibliothekstantieme) (KOM(2004) 261 endgültig) Verlag: · Vertrag zur Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche für · Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für ConBrio Verlagsgesellschaft mbH den Direktversand von Kopien durcj der Öffentlichkeit die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Brunnstraße 23, 93053 Regensburg zugängliche Einrichtungen (Gesamtvertrag „Kopiendi- Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für Internet: www.conbrio.de rektversand“) legale Online-Musikdienste benötigt werden E-Mail: [email protected] · Gesellschaftsvertrag Zentralstelle für private Überspie- · Entschließung des Europäischen Parlaments zu einem lung (ZPÜ) Gemeinschaftsrahmen für Verwertungsgesellschaften Herstellung, Layout: · Gesellschaftsvertrag Zentralstelle für Videovermietung im Bereich des Urheberrechts und der verwandten ConBrio Verlagsgesellschaft, Petra Pfaffenheuser (ZVV) Schutzrechte (2002/2274(INI)) Heinz Rudolf Kunze. Foto: Nicolai Georgiew