kajak Kanuwandern Meckl. Elbetal Text/Bilder: Das Biosphärenreservat Flussland- Heinz-Georg Luxen, schaft -Vorpom- Torsten Sellingsloh mern ist Teil des UNESCO- Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe. Zwischen den Städten Boizen- Das Biosphärenreservat Fluss- Wasser, Wald und Strand Ihren Haupttrumpf spielt die Elbe im Sommer burg im Norden und Dömitz im Das gegenüberliegende östliche Ufer der Elbe aus. Dicht bewaldete, bis zu einhundert Meter Süden erstreckt sich das knapp 400 landschaft Elbe Mecklenburg-Vor- empfängt uns mit einem weithin sichtbaren, aufragende Höhenzüge begleiten den Paddler qkm große Reservat auf einer Länge pommern, wie der Naturpark mahnenden Relikt aus einer unschönen Zeit linksufrig und stehen in starkem Kontrast zu dem von 65 Kilometern entlang der nie- deutscher Geschichte. Die Wachtürme entlang weiten flachen Land rechter Hand. Der breite dersächsischen Grenze. Der ehemaligen abgeschie- denen innerdeutschen Grenzlage ist es zu ver- des Elbstroms erinnern uns an einen langen, Fluss glitzert in der Sonne, eine leichte Brise um- Mecklenburgisches Elbetal neuer- danken, dass sich in den letzten Jahrzehnten mit der dings offiziell heißt, hat für Padd- dunklen Zeitraum des geteilten Deutschlands. schmeichelt uns, und der Blick scheint sich im Elbe und ihren zahlreichen Nebenflüssen eine in Während des DDR-Regimes war dieser Land- Unendlichen zu verlieren. Mitteleuropa einzigartige Flusslandschaft naturnah ler viel mehr zu bieten als nur die strich eine Tabuzone. Interessanterweise ist es Zahllose Buchten konkurrieren mit ihren un- entwickeln konnte. Zwar wurden zum Schutz der jedoch der abgeschiedenen ehemaligen inner- wirklich anmutenden, feinen Sandstränden um Menschen und Felder bereits seit dem 13. Jahrhun- Elbe. Zahlreiche Nebenflüsse und deutschen Grenzlage zu verdanken, dass sich die Gunst der Kanuten. Viele dieser unglaublich Startklar für dert Deiche im Elbtal errichtet, doch noch immer zwischen Dömitz und in den letzten schönen Plätze sind nur vom Wasser aus er- das »Filet- bestimmen die wiederkehrenden Hochwasser den stück« der ursprünglichen Charakter dieser jahrhundertelang -flüsschen laden den Tourenpadd- Jahrzehnten mit der Elbe und ihren zahlreichen reichbar und lassen so manche Rast zu einem Elbe zwischen von Menschen gestaltete Kulturlandschaft, die mit ler ein, die Landschaft zu genie- Nebenflüssen eine in Mitteleuropa einzigartige kleinen »Karibiktraum« werden, von dem man Hitzacker und üppiger Flora und Fauna aufwartet. Flusslandschaft naturnah entwickeln konnte. sich nur schwer zur Weiterfahrt zwingen kann. Neu-Darchau. ßen sowie Flora und Fauna zu Der Elbstrom bietet dem Paddler im Bereich Auch das Baden in der Elbe ist entgegen der erkunden. Heinz-Georg Luxen des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe landläufigen Meinung eine helle Freude. Für die- auf knapp sechzig Kilometern Länge Paddelver- ses schöne Fleckchen Erde sollte man wirklich stellt einige dieser Gewässer vor. gnügen, ohne ein künstliches Hindernis vorzu- genügend Zeit einplanen, denn hier in dieser weisen. Die Binnenschifffahrt ist kaum phantastischen Flusslandschaft wird sie schnell erwähnenswert und kommt bei sommerlichen zur Nebensächlichkeit und gerät letztendlich Mit einem lauten, metallisch klingenden Ge- Niedrigpegeln fast komplett zum Erliegen. Man komplett in Vergessenheit – welch eine Wohltat räusch schiebt sich die Ladeklappe der Elbfähre findet hier ein Eldorado der Ruhe, selbst die we- gegenüber dem täglichen Arbeitsstress! in Bleckede auf die Autorampe am Ufer, und be- nigen Sportbootkapitäne verhalten sich gegen- reits kurze Zeit später befinden wir uns mitten über uns Kanuten äußerst rücksichtsvoll. Von familientauglich auf der Elbe, genau auf der damaligen Grenze Sicherlich lässt sich die Strecke zwischen Dömitz bis expeditionell des ehemals geteilten Deutschland. Gerade die im Süden und Boizenburg im Norden dank der Die Sude, ein rechter Nebenfluss der Elbe, ist Benutzung der Fähre lässt bei uns jene Auf- flotten Strömung in einem Tag abreißen, jedoch charakteristisch für die meisten Gewässer der bruchstimmung aufkommen, die die Vorfreude würde jene Art der »Kilometerfresserei« der an- Region. Eine sanfte Strömung und wenige, leicht auf das unbekannte Paddelrevier noch intensi- sprechenden Landschaft nicht gerecht werden. umtragbare Wehre machen dieses Gewässer ab- viert. Das Kribbeln im Bauch, die Frage nach aus- Besonders für das Filetstückchen des Elbetals solut familientauglich. Die Landschaft scheint reichenden Wasserständen, die Neugier auf zwischen dem reizvollen Städtchen Hitzacker auf den ersten Blick ein wenig unspektakulär, Neues, einfach mal wieder die ausgetretenen und Neu-Darchau sollte genügend Zeit einplant dennoch hat sie durchaus ihren Reiz. Viel Ruhe Pfade verlassen – all das steht für uns in Verbin- werden, um diese einzigartige Stromlandschaft und Einsamkeit prägen den Fluss. Selten trifft dung mit einer Fährfahrt, auch wenn es sich dies- in sich aufzunehmen. Dieser Abschnitt des Groß- man auf Gleichgesinnte, dafür um so öfter auf Bi- mal nur um ein einfaches Übersetzen handelt. flusses hat ganzjährig seinen besonderen Reiz. berspuren, Ringelnattern und Rehe. Trotz einiger Mehrere Wachtürme entlang des Elbstroms erinnern an einen langen, dunklen Bis zu einhundert Meter aufragende Höhenzüge begleiten den Paddler linksufrig, während Zeitraum des geteilten Deutschlands. rechtsufrig zahllose Buchten mit feinen Sandstränden um die Gunst der Kanuten buhlen.

schön angelegter Stege zum bequemen Umtragen der Wehre kommt man ner Gesamtheit bietet der Fluss jedoch alles, was den Reiz einer gemütli- sich vor, als wäre man hier der einzige Paddler überhaupt. Teilweise wirkt chen Wanderfahrt in zumeist unberührter Natur ausmacht. Doch je nach der Landstrich wie überhastet verlassen. Leerstehende, teils verfallene Wasserstand und Wetterlage kann die Sude auch ein ganz anderes, weni- Häuser und Fabrikruinen säumen vereinzelt die Ufer. ger gemütliches Gesicht zeigen und sollte dann eher dem erfahrenen Ka- PADDELPERLEN Zumeist sind Wald und Wiese die Begleiter der Tour, wobei niedrige Was- nuten vorbehalten sein. serstände leider den Blick über die Uferböschungen verwehren und somit im Biosphärenreservat das Landschaftsbild ein wenig eintönig erscheint. Bedauerlicherweise wird Sude-Winterexpedition das Ganzheitserlebnis einer Sude-Tour leicht getrübt, da eine Fahrt bis zur Endlich Sonntag, endlich mal wieder ein wenig Zeit, was spricht also Flusslandschaft Elbe Elbe aufgrund eines Befahrungsverbots ab Besitz nicht möglich ist. In sei- gegen eine kurze, gemütliche Nachmittagstour auf der gut eingeschenk-

30 31 Infobox Bester Zeitraum Zeit vom 1. März bis 30. Juni Abgesehen von extremen Sommer- und Wintermona- gilt ein Befahrungsverbot. ten handelt es sich um ein Ganzjahresrevier. Weitere Tourenmöglich- Auch im Winter besonders reizvoll: Unterwegs auf der gut Unterkunft keiten am Rande des eingeschenkten Sude, deren eigentlicher Flussverlauf alsbald in eine unendliche Wasserfläche übergeht. Diverse Campingplätze im Elbetal. Aus unserer Sicht Naturparks ist der ganzjährig geöffnete Campingplatz »Elbufer« in Löcknitz: Stavenow – Gan- Klein Kühren (www.campingplatz-elbufer.de) für dow, ca. 23 km. Einige einfach Beeindruckt setzen wir unsere Tour fort. Wenige Paddler besonders empfehlenswert. Preisgünstige Feri- zu umtragende Wehre. Zwi- Flussbiegungen weiter sind wir mitten im Wasser- enwohnungen in der Region findet man unter schen Gandow und Lenzen chaos. Der eigentliche Flussverlauf ist nicht mehr www.bestfewo.de/ferien/naturpark-mecklenburgi- besteht ein ganzjähriges Be- sches-elbetal.html fahrungsverbot. Lenzen – erkennbar. Wir sind umgeben von unendlich er- Polz, ca. 10 km. Eine mögli- scheinenden Wasser- und Eisflächen, deren Aus- Flüsse che Weiterfahrt bis in die Elbe dehnungen aufgrund der schlechten Elbe: Dömitz – Fähre bei Neu-Darchau, ca. 32 km; wird durch ein weiteres Be- Witterungsverhältnisse kaum auszumachen sind. Fähre bei Neu-Darchau – Boizenburg, ca. 24 km fahrungverbot zwischen Polz Die Kombination aus den doch relativ hellen Eis- (kürzere Strecken möglich). und der Straßenbrücke Dö- flächen gepaart mit dem trüben Nebelwetter stellt Sude: Redefin – Besitz, ca. 23 km. Auf dieser Strecke mitz-Klein Schmölen getrübt. eine echte Herausforderung für die Augen dar, befinden sich zwei leicht umtragbare Wehre (bei guten : Wolfshagen – Elb- doch mit Sonnenbrille ständen wir wohl ganz im Wasserständen ist eine Befahrung auch deutlich ober- hafen Wittenberge, ca. 37 km. Dunkeln. Rein fotografisch betrachtet würden wir halb von Redefin möglich). Die Befahrung der Sude Zwischen Wolfshagen und zwischen Sückau und der Einmündung der Krainke ist Perleberg gilt in der Zeit vom Kurz vor dem Wiedereinstieg gönnen wir uns werdenden Nebel schemenhaft die senkrecht aus heute ohne die Farbakzente der Boote und nur in der Zeit vom 1. Juli bis 28. Februar erlaubt! Ab 15. März bis 15. Juni ein Be- eine kurze Pause und bekommen sogar die ver- dem Wasser ragende Stahlkonstruktion des zwei- Schwimmwesten eine Zeitreise zurück in die Besitz bis zur Mündung in die Elbe besteht ein ganzjäh- fahrungsverbot. In der übrigen eisten Steueranlagen wieder gängig. Wir erkun- ten Wehrs. Statt der nun anstehenden üblichen Schwarz-Weiß-Epoche unternehmen. riges Befahrungsverbot! Zeit ist die Befahrung nur den noch ein wenig die Umgebung zu Fuß, Portage können wir einfach über die Wiese am Rögnitz: Straßenbrücke Tripkau nach Vielank – Mün- stromab bei einem Mindestpe- entdecken erste erstaunliche Bibertätigkeiten Wehr vorbei paddeln. So inmitten der weiten Was- Gefangen im Eis dung in die Sude (auf der Sude 400 Meter flussauf pad- gel von 50 cm in Wolfshagen und sind beeindruckt vom beachtlichen Rücklauf serfläche, der völligen Nutzlosigkeit preisgegeben, Es ist schon ein ganz besonderes Erlebnis, Englischer Landschafts- deln bis zur Straßenbrücke bei Sückau), ca. 19 km. Auf erlaubt. Ebenfalls besteht ein Uferbetretungsverbot, WASSERSPORT des Wehrs, in dem ansonsten fast immer zu gibt die Wehranlage ein skurriles Bild ab. gar nicht weit von der Millionenmetropole Ham- außer an den entsprechend gekennzeichneten Ein- und park: Der Anfang des 19. dieser Strecke befinden sich zwei einfach zu umtra- WANDERKARTE wenig Wasser führenden Wehrkanal. Doch schon Mit Schwung paddeln wir auf eine Eisplatte am burg entfernt, inmitten unendlicher, teils freier gende Wehre. Ab Gudow besteht auf der Rögnitz bis Ausbootstellen. Ab Perleberg gilt die Stepenitz als ganz- Jahrhunderts entstan- Nr. 6, Deutschland-Nordost Mündung in die Sude ein Befahrungsverbot vom 1. jährig befahrbar. Sinnvoller ist jedoch eine Befahrung ab dene Landschaftspark bei (überarbeitet für kajak-Magazin); bald entscheiden wir uns zu einer zügigen Wei- Ufer, verlassen die Boote und werfen vom nahe- und teils gefrorener Wasserflächen, umgeben EUR 9,90; www.juebermann.de März bis 30. Juni. Neben der Müritz-Elde-Wasserstraße Mittelwasser, da dann die zahlreichen Sohlschwellen gut Dammereez besticht vor terfahrt, kriecht doch die Kälte – ohne die gelegen Deich einen Blick auf Wald und Flur. von schlichtem »Nichts«, mit den Kajaks unter- beginnt, gute Wasserstände vorausgesetzt, am Störkanal paddelbar werden. allem durch seine Baum- entsprechende Körperbewegung – schnell in die Wald? Am Horizont im Nebel verschwimmend ent- wegs zu sein. Erste einzelne Eisplatten treiben ein weiterer Wasserweg. Über Sielgraben, Banzkower Jeetzel: Dannenberg – Hitzacker, ca. 9 km. Zwei Wehre bestände, die teilweise über 400 Jahre alt sind. Knochen und lässt uns frösteln. decken wir einige Baumreihen. Flur? Wasser, so auf dem Fluss, oder besser gesagt auf dem Teil Kanal, Ludwigsluster Kanal und Rögnitz lässt sich nach leicht umtragbar, längere Fahrstrecken sind möglich. Hügelgräber: Eines der am besten erhaltenen Buckel- Dank des hohen Wasserstands können wir im weit das Auge reicht! Sämtliche Felder und Wie- der Wasserfläche, wo wir den Fluss vermuten. ca. 75 km die Sude erreichen. gräberfelder liegt zwischen Boltersen und Neetze. Gegensatz zu früheren Touren gut über die Uferbe- sen sind aufgrund des enormen Elbhochwassers Unserer Theorie zufolge dürften wir aber nicht Müritz-Elde-Wasserstraße: Diese Wasserstraße ist ein Kultur und Freizeit Festung Dömitz: Eine der wenigen gut erhaltenen festigungen schauen und den Landschaftsmehr- gepoldert, also bewusst geflutet. Welch ein An- so verkehrt liegen, denn da wo die Eisschollen durchgehender Wasserwanderweg, der die Müritz mit Wanderdüne: Sahara in der Elbtalaue. Die Stixer Wan- Flachlandfestungen des 16. Jahrhunderts in Nord- wert genießen. Schon früh erkennen wir im dichter blick, aber es sollte noch »besser« kommen. treiben, müsste sich das Wasser ja auch bewe- der Elbe verbindet. Schleusen relativieren das Gefälle derdüne entstand ca. 10.000 Jahre nach der letzten Eis- deutschland. und ermöglichen somit eine Befahrung in beide Rich- zeit und lässt mit einer Größe von 9,5 ha schon fast Vielanker Brauhaus: Das frische, einzigartige, unfil- tungen. Plau bis Mündung in die Elbe, ca. 121 km. Wüstengefühle aufkommen. trierte und unpasteurisierte Bier ist gut gegen des Kürzere oder längere Strecken, besonders unter Einbe- Storchenkate in Preten: Die Sudewiesen liegen inmit- Paddlers Unterhopfung – eine ernstzunehmende Ge- ziehung der Mecklenburgischen Seenplatte, sind jeder- ten eines EU-Vogelschutzgebiets. Die hier verbliebenen fahr für Leib und Seele, ganz besonders an heißen zeit möglich. Einen besonderen Reiz stellen die Vordeichflächen sind Deutschlands bedeutendster Le- Sommertagen. Schleusungen dar. bensraum für den Weißstorch. Anmeldungen zu Füh- Elbradwanderweg: Auf gut 860 km führt der Elbrad- Motel: Wittenburg (Straßenbrücke Wittenburg- Zar- rungen sind in der Storchenkate möglich. wanderweg entlang des Stroms. Einer der schönsten rentin, neben der Polizeistation) – Lehsen, ca. 4 km; Draisine in Alt Garge: Auf einer historischen Schie- Abschnitte befindet sich im Naturpark Mecklenburgi- Lehsen (Einstieg direkt am Pegel oder besser beim nenstrecke geht es auf Fahrraddraisinen auf fünf Kilo- sches Elbetal. Denkmal mit guter Parkmöglichkeit) – Camin ca. 5 metern Länge beschaulich durch die Elbtal aue. km, oder wahlweise Weiterfahrt auf der bis zur Schildmühle. Die Motel ist zumeist nur im Frühjahr Elbschloss in Bleckede: Hier befindet sich das Infor- Weiterführende Links oder nach starken, lang anhaltenden Regenfällen be- mationszentrum des Biosphärenreservats Niedersächsi- www.amt-neuhaus.de; www.bleckede.de; www.hitz- fahrbar. Der Pegel in Lehsen sollte für den oberen Stre- sche Elbtalauen. Äußerst interessant präsentiert hier acker.de; www.lueneburger-elbtalaue.de; ckenabschnitt zumindest 14 bis 15 cm und für den ein altes Gemäuer das Leben mit und am Elbstrom. www.elbtal-mv.de unteren Teil 13 bis 14 cm anzeigen. Aussichtsturm: Der Aussichtsturm »Elwkieker« im Krainke: Kaarßen – kurz vor der Mündung in die Sude Boizenburger Ortsteil Vier bietet eine herrliche Panora- Literatur (Straßenbrücke Besitz-Preten), ca. 24 km. Einige leicht maaussicht auf den nördlichen Teil des Naturparks. DKV-Gewässerführer für Ostdeutschland. Interessante zu umtragende Wehre. Kürze Strecken sind ebenfalls Schiffshebewerk in Scharnebeck: Einer der größten Lesetipps rund um den Elbstrom findet man unter möglich und je nach Wasserstand auch nötig. In der Schiffsfahrstühle Europas. www.elbetal-mv.de ten Sude? Abgesehen von nasskalten minus drei Grad Celsius nebst an- Hochwasser dürfte die sechzehn Kilometer entfernte Ausstiegsbrücke fänglichem leichten Nebel eigentlich nichts! bei Besitz auch schnell erreicht sein, so zumindest unser Gedanke kurz Schnell sind die dick vereisten Kajaks vom Autodach geladen und nach der Abfahrt unweit von Quassel. Ja, in der Tat, zu diesem Zeitpunkt noch schneller sind wir in der wärmenden Neokluft. Anfangs bedürfen des Trips war uns wirklich nicht bewusst, wie sich unsere als ganz ge- die langen Boote ein wenig Gewöhnung unsererseits, sind wir die letz- mütlich geplante Paddeltour zu einer kleinen Sude-Expedition entwi- ten Monate doch nur mit kurzen Wildwasserstummeln unterwegs ge- ckeln sollte. wesen. Die Steueranlagen unserer Tourenboote sind eingefroren und lassen sich kaum bewegen. Doch wen stören schon solche Nebensäch- Wasser, soweit das Auge reicht lichkeiten angesichts Wie von Geisterhand geführt, erreichen wir alsbald das erste Wehr, bei Anzeige der bevorstehenden, einer dem Verfall überlassenen alten Mühle. Dem zumeist unbefahrbaren, langersehnten, ent- rechts abzweigenden Wehrkanal erweisen wir keinerlei Beachtung und glei- spannten Paddeltour. ten bis kurz vor das Mühlenwehr. Mit kürzeren Booten dürfte die Befah- Herrlich, wieder auf rung keinerlei Probleme darstellen. Wir entscheiden uns jedoch zu einer dem Fluss zu sein, rechtsufrigen Umtragung. In den Sommermonaten gibt es für die Paddler und bei dem leichten sogar eine kleine Steganlage.

32 kajak-Magazin 05/2013 die Kajaks sind von Eis umgeben. Auf der glatten Oberfläche ist ein Vor- Für die Kinder ein ganz besonderes Erlebnis: wärtsschieben mit den Händen unmöglich, zum Aussteigen ist die Eisfläche Einmal schleusen und zurück. zu dünn und die Paddel lassen sich nirgendwo einstechen. Mit gemischten Gefühlen hacke ich mit dem teuren Tourenpaddel Lö- cher in das Eis, um mich vorwärts zu schieben (ein gutes altes Schlegel- Paddel mit der Alukante würde mein Gewissen gegenüber meiner sche und Kaulquappen beobachten, die aufgrund Ausrüstung jetzt deutlich beruhigen). Nach diversen Hackattacken errei- ihrer Quirligkeit hin und wieder auf den Seero- chen wir wieder die offene Wasserfläche und zu meinem Erstaunen hat senblättern landen und ihre liebe Not haben, den das Paddel keinen sichtbaren Schaden davon getragen. So, jetzt aber auf Weg zurück in das lebenswichtige Nass zu finden. zum Endspurt, denn mittlerweile hängen wir ein wenig unserem Zeitplan Die wenigen anzutreffenden Sportbootfahrer hinterher und eine gemütliche, entspannte Sonntagsnachmittagstour drosseln stets die Geschwindigkeit und winken sieht eigentlich auch anders aus. freundlich zu uns herüber. Als besonderes Erleb- Normalerweise kann uns nun nichts mehr stoppen, war doch die Was- nis für die Kinder lassen wir uns zusammen mit seroberfläche am Ausstieg frei. Doch weit gefehlt! Bei der Krainkemün- einem Motorboot schleusen, bevor es zum ge- dung macht der Fluss bzw. die komplette Überschwemmungszone dicht. mütlichen Teil des Tages übergeht. Unweit der An eine Weiterfahrt ist ab hier nicht mehr zu denken. Wir sind quasi gefan- Schleusentore zelebrieren wir als Abwechslung gen im Eis! Mit Hilfe des Handys (wie hätten wir das wohl damals gehand- zum üblichen Picknick eine kleine familiäre Grill- habt?) dirigieren wir unsere Landmannschaft in die Nähe unseres party. Ein leichtes Grummeln in der Ferne mahnt Aufenthaltsorts. Über einige Deiche schleppen wir die Boote Richtung jedoch zu etwas mehr Eile, und so erreichen wir in Anbetracht des aufziehenden Gewitters in Re- gen, wobei eine entsprechende Strömung mit Trotz wechselhaften Wetters aufregend zu werden. Interessant gestaltet sich ihre Kosten. Zwischen Elbe und Müritz warten kordzeit unseren Ausgangspunkt. bloßem Auge nicht erkennbar ist. stellt die kurze Rögnitz-Tour hingegen die Wetterentwicklung. Der anfänglich auf den Tourenpaddler über 120 Paddelkilome- Um uns herum ist es still, ja fast schon er- ein tolles Erlebnis für die blaue Himmel verfinstert sich zusehends und der ter, unterbrochen von diversen nutzbaren Unendliche Möglichkeiten schreckend still, bis sich eine von mir persön- ganze Familie dar. zu erwartende Regen hält sich nicht an die Ab- Schleusen. Ab dem Erreichen der Müritz bieten Um alle paddlerischen Möglichkeiten im Na- lich noch nie gesehene riesige Ansammlung machung mit den Wetterfröschen. Doch die an- sich dann wiederum weitere hunderte von pad- turpark und den angrenzenden Gebieten auszu- von Schwänen unweit unserer Boote in die Luft stehende kurze Variante einer Rögnitzfahrt ab delbaren, individuell planbaren Möglichkeiten schöpfen, bedarf es sicherlich einer Menge Zeit erhebt. Die vorherige Stille wird förmlich von Gudow werden wir schon irgendwie bewältigen. bis hin zum Berlin-Besuch an. Zeit müsste man und ein wenig Entdeckergeist. Neben bekannten dem Lärm unzähliger Flügelschläge, gepaart Der Fluss ist gut eingeschenkt und die idylli- haben... Aber auch abschnittsweise Tagestouren Namen wie Krainke, Löcknitz, Stepenitz und Jeet- Beschaulich und erstaunli- mit dem Gezeter ebenfalls erschrockener Gän- cherweise naturnah geht sche Landschaft an der Einbootbrücke lässt den haben auf der Wasserstraße ihren Reiz. zel warten auch noch völlig unbekannte Bäche sekolonien, zerrissen. Was für eine Augen- es auf der Müritz-Elde- ersten visuellen Eindruck schnell in Vergessen- Eine empfehlenswerte Familientour beginnt im wie zum Beispiel die Motel, ein wunderschöner weide, wenn sich eine derartig große Anzahl Wasserstraße zu. heit geraten. Weiden bilden große Bögen über Hafen von Dömitz mit angegliedertem Camping- Wald- und Wiesenbach, der sein Geheimnis je- dieser majestätischen Tiere in den Himmel er- dem Wasser und laden zur Tunnelfahrt mit dem platz unter der Obhut des Hafenmeisters und doch nur bei Hochwasser preisgibt, auf ihre Be- hebt! Genauso schnell wie der Spuk begonnen hat, ist er auch schon Canadier ein. Weite, offene Flächen wechseln führt uns bis zur ersten Schleuse bei Neu Kaliß fahrung. Auch Natur-und Kulturliebhaber wieder vorbei, nur das leise Knacken der Eisschollen ist nunmehr zu ver- sich mit riesigen Binsengassen, die den Bach und retour. Obwohl die Wasserstraße teils kanali- kommen in dieser geschichtsträchtigen Land- nehmen, sobald diese vom Bug der Kajaks zerteilt werden. schon fast klammartig einengen, ab. Dank des siert ist, kommt sie doch sehr naturnah daher. Bin- schaft des Biosphärenreservats Flusslandschaft Langsam bekommen wir erste Zweifel bezüglich unserer Orientierung. hohen Wasserstands genießen wir quasi den sen und Wasserlilien zieren die mit üppigem Grün Elbe Mecklenburg-Vorpommern auf ihre Kosten. Rein gefühlsmäßig hätten wir schon längst die erste Brücke erreichen müs- Blick über den »Tellerrand« oder besser gesagt bewachsenen Ufer. Scharen kleiner blauer Libel- Ein Urlaub reicht hier nicht aus, um die üppige sen. Erleichtert bemerken wir einige Zeit später die Umrisse der Fluss- über die Uferböschungen. Die einzigartige Ruhe len umschwirren uns neugierig. In abgelegenen Vielfalt einer in Mitteleuropa einzigartigen Fluss- überspannung, die sich genau so absurd und nutzlos wie das zweite Wehr Straße, wo wir unsere Tour, die unerwartet einen kleinen expeditionellen des Naturparks ist auch hier sprichwörtlich. Nur Seerosenweihern lassen sich unzählige kleine Fi- landschaft zu erleben. • in Szene setzt. Die Straße links und rechts der Brücke ist unter den Was- Touch bekommen hat, beenden. – Aber machen nicht gerade solche Erleb- das Plätschern der Regentropfen und die Geräu- sermassen verschwunden. Völlig deplaziert wirken die Brückenbögen – wie nisse den Reiz des Winterpaddelns aus? sche der Paddel dringen an unsere Ohren. Anzeige stumme Zeitzeugen, die darauf warten, irgendwann mal wieder ihrer Be- Erstaunlicherweise lässt der Regen nach und stimmung nachzukommen. Besser als erwartet macht Platz für längere trockene Abschnitte, so Nur wenige Kilometer trennen uns jetzt noch von unserer geplanten Aus- Der Wetterbericht sagt einen der ersten schönen Tage mit immerhin zwei- dass auch die Tierwelt wieder aktiver wird. Hoch stiegsstelle, doch die Eisflächen werden immer größer und erschweren so stelligen Plustemperaturen nach dem harten Winter voraus. Regen ist erst über uns kreischt ein Milan, unzählige Wild- das Fortkommen. Ein Eisband von zwanzig Metern Breite verhindert die in den Abendstunden zu erwarten. Beste Voraussetzungen, um mal wieder gänse bevölkern die Wiesen, Reiher, Kraniche Weiterfahrt. Mit viel Schwung krachen die Spitzen unserer Boote auf das mit den kompletten Familien auf das Wasser zu kommen. Die für den heu- und Störche sind fleißig auf Futtersuche, unweit Eis. Lautes Knacken dringt an unsere Ohren, als die Eisfläche offenes Was- tigen Tag geplante Tour auf der Rögnitz verspricht zumindest am Ausstieg unserer Boote erhebt sich majestätisch ein ser freigibt. Zwei Meter vor dem freien Wasser verebbt der Schwung und ihres Mündungsflusses, der Sude, rein optisch gesehen nicht besonders Adler, und unterhalb des Deichs findet gerade ein Hasenrennen statt. Es gibt auf dieser kurzen Strecke außerge- wöhnlich viel zu entdecken, was die Tour beson- ders für Kinder interessant macht. Ein herausragendes Highlight für die Kids ist zwei- felsohne der Pausenplatz in einem überdachten Aussichtsturm unweit der Sudemündung. Hier ist selbst bei Regen viel Platz zum Spielen, Toben und Entdecken. Tja, man soll sich halt nicht vom ersten Eindruck eines Flusses blenden lassen, denn manchmal kommt es anders, als man denkt! Den Abschluss dieser empfehlenswerten Familientour bildet dann, wie sollte es auch anders sein, ein Be- such im Eiscafé.

Lang, länger, Wasserstraße Freunde von Weitwasserwanderwegen kom- men auf der Müritz-Elde-Wasserstraße voll auf

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