DieGewässer Reppisch – eine Foto: Hansjörg Egger, Uster Egger, Hansjörg Foto: Erfolgsgeschichte

Mit einer Länge von rund 25 Kilometern vom Türlersee bis zur Mündung in die ist die Reppisch eines der wertvollsten Fliessgewässer im Kanton Zürich. Insbesondere in der Gemeinde fliesst sie noch weitestgehend unberührt in natürlichen Mäandern talwärts. Die Land- scha am Fuss des zählt nicht umsonst zu den reizvollsten und beschaulichsten im Kanton Zürich. In den letzten 20 Jahren wurde viel unternommen, um diesen Schatz zu bewahren und das Reppischtal als wertvollen Lebensraum für Tiere und Pflanzen, aber auch als Erholungsgebiet aufzuwerten. Naturnahe Flussabschnitte wurden geschützt und geeignete Pflegemassnahmen eingeleitet. Früher verbaute Strecken wurden in einen naturnahen Zustand zurückversetzt und revitalisiert. von Pascal Sieber

Vor über 100 Jahren wurden In den 70er und 80er Jahren des letzten ken für die Durchführung von Wiederbe- mehrere Abschnitte der Reppisch Jahrhunderts veränderte sich die gesell- lebungsmassnahmen an öffentlichen Geingeengt und begradigt, um schaftliche Gesinnung, und die Natur Fliessgewässern bereit. Landwirtschaftsland zu gewinnen und wurde vermehrt als wertvolles Gut er- den Hochwasserschutz zu verbessern. Die kannt und geschützt. Dies zeigte sich Im kantonalen Naturschutz-Gesamtkon- Verbauungsweise war klassisch für diese auch im Gewässerbau mit einem Paradig- zept von 1995 wurde unter anderem fest- Zeit: Rundholzschwellen verhinderten die menwechsel, der dazu führte, dass ver- gelegt, die Reppisch vorrangig aufzuwer- Eintiefung der Sohle; das Gewässerbett baute Fliessgewässer nunmehr aus ihrem ten und zu fördern. Dieses war auch wurde mit einer künstlichen Gerölleinlage Korsett befreit werden sollten. Am Anlass zur Ausarbeitung des Natur- und versehen und der Böschungsfuss mit so- 23. Oktober 1989 bewilligte der Kantons- Lebensraumkonzepts Reppisch im Jahr genannten Moellons, quaderartig behau- rat ein Wiederbelebungsprogramm für 1998. Für alle verbauten oder nicht durch- enen Steinen, fugenlos gepflästert. die Fliessgewässer des Kantons Zürich gängigen Abschnitte wurden Massnah- und stellte einen Kredit von 18 Mio. Fran- men definiert und priorisiert. Aufbauend

4 aqua viva 4 / 2017 Gewässer

_Die natürlich mäandrierende Reppisch im In 13 Jahren wurden über fünf Unterhalb des Waffenplatzes von Bir- Bereich des Ökokorridors Kilometer revitalisiert mensdorf ist die Reppisch bereits zu einem Den Anfang machte der 1,5 Kilometer kleinen Fluss angewachsen. Im Jahr 2007 auf dieser Grundlage und gestützt durch lange Abschnitt zwischen Götschihof und wurde hier ein 400 Meter langer Abschnitt die oben erwähnten planungs- und fi- Hüsli. Diese in den Jahren 1938/39 korri- revitalisiert. Diese Umgestaltung erfolgte nanztechnischen Säulen wurden zahlrei- gierte Teilstrecke wurde von 1998 bis als ökologische Ersatzmassnahme für den che verbaute Reppischabschnitte in den 2005 in Etappen revitalisiert und umge- Bau der Westumfahrung Zürich. Schliess- folgenden Jahren Stück für Stück befreit staltet. Unmittelbar angrenzend wurde lich wurde im Bereich des Reppischhofs und revitalisiert. die Reppisch in den Jahren 2007 bis 2009 auf Gemeindegebiet von (ZH) und zwischen der Aumüli und Gamlikon wie- Bergdietikon (AG) in den Jahren 2009 und Ein Ökokorridor für die Reppisch derbelebt. Gleichzeitig mit der Revitali- 2010 ein 1.2 Kilometer langer Abschnitt Die Erfolgsgeschichte der Reppisch be- sierung wurden auch das Wehr zur Was- revitalisiert und hochwassersicher ausge- gann mit einer Landumlegung in der Ge- serumleitung erneuert und der baut. Durch den Abbruch eines drei Meter meinde Stallikon. Auslöser waren die amt- Mühlekanal instandgesetzt. Die 1328 hohen Wehrs und den Bau einer fischgän- liche Neuvermessung und eine an die erstmals erwähnte Aumüli wurde restau- gigen Blockrampe konnte die Längsvernet- Reppisch angrenzende Waldzusammenle- riert, so dass heute Mühle und Sägerei als zung wiederhergestellt werden. Heute ist gung. Durch diese sogenannte «Land- Schaubetrieb wieder funktionieren. die Reppisch fast durchgehend natürlich schafts- und Gewässerschutz-Landumle- oder naturnah. Einzig in Dietikon befinden gung Stallikon» (LGLU) konnte eine Auf dem nun folgenden Abschnitt in der sich noch zwei hohe Abstürze. Es ist nur grosszügige Gewässerparzelle von bis zu Gemeinde Stallikon verläuft die Reppisch eine Frage der Zeit, bis auch diese letzten 90 Metern Breite auf einer Länge von 10 in einem natürlichen, mäandrierenden Hindernisse beseitigt werden. Kilometern geschaffen werden. Bett. Etwas unterhalb der Siedlung Landi- kon auf Gemeindegebiet von Birmensdorf Das seltene Bachneunauge wird Landumlegungen wurden bis dahin mit wurde sie im Jahr 2010 aus ihrem engen gefunden dem Ziel angeordnet, die Landwirtschaft Steinkorsett befreit. Dank der grosszügi- Die langjährigen Revitalisierungsbemüh- zu rationalisieren oder Land für öffentli- gen Gewässerparzelle konnte ein ausge- ungen blieben nicht ohne Erfolg. Nach che Werke wie Strassen oder Bahnen zu sprochen vielfältiger und dynamischer Le- Auskunft des Gewässerökologen Alexan- erwerben. In Stallikon bestand das zentra- bensraum geschaffen werden. Es wurden dre Gouskov vom Büro Fornat in Zürich le Ziel jedoch darin, Land für die Reppisch zudem Strukturen gefördert, welche ein wurde 2017 im Rahmen einer Bachelorar- und damit für einen ökologischen Vernet- Ansiedeln des empfindlichen und selte- beit an der ZHAW (Zürcher Hochschule zungskorridor zu gewinnen. Die Landum- nen Bachneunauges ermöglichen sollten. für angewandte Wissenschaften; Verfas- legung wurde mit Beschluss des Regie- ser: Christoph Heimgartner) eine umfas- rungsrats vom 23. September 1999 sende Bestandsaufnahme des Bachneun- rechtskräftig. Damit wurde der Grund- stein für die langfristige ökologische Auf- wertung und Erhaltung dieses wertvollen Foto: AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Kanton Zürich Talflusses gelegt.

` Steilufer (Prallhang) mit Kurvenkolk und gegenüberliegendem Flachufer (Gleithang) mit Kies- und Sandbank

Die Zeitschrift für Gewässerschutz 5 Gewässer

Eine besonders empfindliche Fischart hin- sichtlich Fischaufstieg ist die kleine Grop- pe. Sie konnte 1993 bis nach Gamlikon als oberste Verbreitungsgrenze nachgewiesen werden. Anlässlich einer im Jahr 2010 durchgeführten Erfolgskontrolle durch Dr. Verena Lubini in Zusammenarbeit mit der Fornat und der Basler & Hofmann AG wur- de die Groppe zwei Kilometer weiter oben im Bereich der Aumüli gefunden. Und nur ein Jahr später wurde dieser Kleinfisch an- Foto: AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Kanton Zürich lässlich einer Abfischung im August 2011 c Gehölze sind ein wichtiges Element im Lebensraum Bach. Sie bereits in Wolfen entdeckt, also nochmals strukturieren und dynamisieren das Gewässer, beschatten es bei Hitze, rund einen Kilometer weiter bachaufwärts. bieten Fischunterstände, sind auch im toten Zustand Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl von Lebewesen und können schliesslich bei Revitalisie- Robert Geuggis, Fischereiaufseher bei der rungen vielseitig eingesetzt werden. kantonalen Fischerei- und Jagdverwaltung, erklärt, dass damals auf einer Strecke von auges entlang der gesamten Reppisch und schnellsten zeigt sich die Wirkung in nur fünfzig Metern rund 30 Groppen ab- durchgeführt. Die noch nicht veröffent- den gewässermorphologischen Struktu- gefischt wurden. Gemäss seinen Erfahrun- lichten Resultate zeigen, dass das Bach- ren, die mit dem Gerinneneubau angelegt gen kann davon ausgegangen werden, neunauge in der ganzen Reppisch zwi- werden. Seichte und tiefe Wasserstellen, dass aufgrund der Schwierigkeit, diesen schen Schleetal in der Gemeinde Stallikon langsam und schnell fliessende Abschnit- Fisch per Elektrobefischung einzufangen, bis zur Mündung in die Limmat vor- te, eingebaute Gehölz- oder auch Stein- sogar zwei- bis zehnmal mehr Groppen kommt. Es konnte sogar auf dem 2010 re- strukturen (Raubäume, Faschinen, Buh- vorhanden sein müssen. vitalisierten Abschnitt unterhalb Landikon nen, Störsteine) sorgen für einen neuen nachgewiesen werden. Die eigens für das Reichtum an Lebensräumen, von denen Andere Lebensformen brauchen mehr Bachneunauge ergriffenen Massnahmen nicht nur die Fische profitieren. Die Wie- Zeit zur Anpassung und Besiedlung von zeigten somit Wirkung, was als sehr derbesiedlung des Wasserlebensraums er- neu geschaffenen Fliessgewässerlebens- grosser Erfolg gewertet werden kann. folgt relativ rasch, was sich in den Fisch- räumen. Dies ist die Erfahrung von Walter beständen sowohl bezüglich Artenspek- Zuber, dem ehemaligen Präsidenten des Die Natur entwickelt sich gut trum, als auch in der Altersstruktur zeigt Vereins Naturnetz Unteramt. Er ist ein Dass die Revitalisierung von kanalisierten – insbesondere natürlich dann, wenn grosser Kenner der Reppisch und hat Fliessgewässern die ökologische Vielfalt Fischaufstiegshindernisse entfernt und sämtliche Entwicklungsschritte mitver- fördert, ist unbestritten. Am deutlichsten durchgängig gemacht werden. folgt und erlebt. Manchmal sind aber auch rückläufige Entwicklungen feststell- bar, wie dies die stagnierenden Bestände des Eisvogels oder sogar die abnehmen- den des Trauerschnäppers zeigen. Zu- rückzuführen sei dies auf eine mangelhaf- te Nahrungsverfügbarkeit. Die Ursachen dafür sind noch unbekannt. Trotzdem hebt auch Walter Zuber die positiven Ef- fekte der Revitalisierungen hervor.

Welche Rolle spielt der Mensch? Die an die Reppisch angrenzenden Land- wirtschaftsbetriebe wurden schon bei der

_Das obere Reppischtal in Richtung Süden

6 aqua viva 4 / 2017 Foto: Hansjörg Egger, Uster Egger, Hansjörg Foto: Gewässer

Ausscheidung des Ökokorridors eng in henden Wanderweg entlang der Reppisch den Planungsprozess eingebunden. Heute wünscht. Er weiss aber auch, dass die An- Pascal Sieber pflegen sie die Flächen im Ökokorridor ex- liegen des Naturschutzes aufgrund von sel- tensiv als beitragsberechtigte Öko-Aus- tenen und störungsanfälligen Lebensge- dipl. Geograf war gleichsflächen. Das Reppischgrundstück meinschaften an gewissen Stellen höher beim AWEL, Abt. gehört dem Kanton, der auch für den Ge- gewichtet werden. Das Anliegen aus der Wasserbau in Zürich wässerunterhalt verantwortlich ist. Erich Bevölkerung zeigt aber genau, wie be- als Projektleiter tätig Stutz, Betriebsleiter und zuständig für die gehrt und wertvoll dieser einzigartige Le- und arbeitet heute im Büro Burger & Pflege der Reppisch findet lobende Worte bensraum im Kanton Zürich ist. Und es ver- Liechti in Ennetbaden. Der vorliegende für die Zusammenarbeit mit den Bauern. deutlicht, dass die Wiederbelebung der Rep- Artikel wurde durch das AWEL ermög- Jährlich finde ein Austausch mit den pisch eine echte Erfolgsgeschichte ist. 6 licht. Verantwortlichen der Gemeinden statt, an welchem die anstehenden Holzerei- Literatur und Mäharbeiten abgesprochen werden. Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Weiss, Heinz Willi; Lubini, Verena; Elmiger, Einen Teil der Arbeiten erledigt der kanto- Kantons Zürich: Wiederbelebungsprogramm Christoph: Erfolgskontrolle Reppisch Stalli- nale Gewässerunterhalt selber, ein ande- für die Fliessgewässer. Sonderdruck Nr. 1205 kon. Zürich, 2011. rer Teil werde den Bewirtschaftern über- aus Gas Wasser Abwasser. Zürich, 1989. tragen. Dieses Konzept habe sich Amt für Raumplanung des Kantons Zürich: bewährt und die Arbeitsqualität sei gut. Naturschutz-Gesamtkonzept für den Kanton Pascal Sieber Zürich. Zürich, 1995. Burger & Liechti GmbH Gsell, Hans Georg; Flynn Isabel: Schützenswer- Die Reppisch wird aber nicht nur gepflegt, Limmatauweg 9 ter Naturkorridor Reppisch. Zürich, 2009. sondern vor allem auch erlebt. Nicht nur 5408 Ennetbaden Niederberger, Klemens; Elber, Fredy; Hürli- 056 203 40 33 für die im Reppischtal lebenden Menschen mann, Joachim: Natur- und Lebensraum- [email protected] ist sie ein wichtiges Naherholungsgebiet. konzept Reppisch. Unterägeri, 1998. Werner Michel, Gemeindepräsident von Sieber, Pascal: Die Reppisch – natürlich, www.burgerliechti.ch. Stallikon, weiss zu berichten, dass sich die verbaut, revitalisiert; in: Die Reppisch, Bevölkerung schon lange einen durchge- Neujahrsblatt Dietikon 2016. d Reppisch auf dem Abschnitt unterhalb Landikon ein Jahr nach der Revitalisierung 2010

Foto: AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Kanton Zürich