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SWR2 MANUSKRIPT

SWR2 Musikstunde

„Spazierstock, Hut und Notenpapier“ – Musiker Museen im Lande (2) Gebrüder Busch Gedenkstätte in Siegen

Mit Antonie von Schönfeld

Sendung: 7. Februar 2017 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2017

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„Spazierstock, Hut und Notenpapier“ - Musiker Museen im Lande (2)

Gebrüder Busch Gedenkstätte in Siegen

Signet

...mit AvS „Spazierstock, Hut und Notenpapier“ ist das Thema dieser Woche, wir besuchen Musiker-Museen im Lande, immer neugierig auf das, was es zu sehen gibt in den Vitrinen eines Ausstellungsortes und wie der jeweilige Musiker, die jeweiligen Musiker uns Besuchern dargestellt und nähergebracht werden.

Titelmusik

Schumann - die Brüder Busch - Beethoven - Joseph Martin Kraus - Friedrich Silcher – das ist etwa unsere Besuchsroute in dieser SWR2-Musikstunden-Woche, sie führt vom Rheinland nach Süden, mit kleinen Schlenkern: Nach dem Auftakt gestern bei den Schumanns in Düsseldorf und vor Beethoven in Bonn morgen geht es heute, in der 2. Folge, nach Siegen, in die Gedenkstätte der Brüder Busch. Wir lassen den Rhein also hinter uns und fahren in Richtung Sauerland und noch ein kleines Stück weiter ins Siegerland. Ein kleines Stückchen, das einen großen Unterschied macht, denn historisch und religiös grenzen sich beide Regionen voneinander ab, sprachlich und kulturell orientiert sich das Siegerland nicht am Sauerland, sondern eher am südlich gelegenen Westerwald.

Die Stadt Siegen – Namensgeber ist das Flüsschen Sieg – liegt eingebettet in den Tälern und Mulden dieser Mittelgebirgsregion, eine wunderbare Gegend zum Laufen. Wanderfreunde kennen vielleicht den Rothaarsteig - doch wirklich bekannt sind weder Stadt noch Umland, dabei verbinden sich mit Siegen einige bekannte Namen:

Der Maler Peter Paul Rubens ist hier auf die Welt gekommen, die Stadt veranstaltet alle zwei Jahre im Sommer ein Rubensfest und alle fünf Jahre wird der Rubenspreis an herausragende Maler oder Graphiker verliehen. Rubens war flämischer Herkunft, 3 er lebte später in Italien und in den Niederlanden. Im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss sind einige Gemälde von ihm zu sehen.

Aus Siegen - ich springe in unsere Zeit - kommt auch der Literat und Orientalist Navid Kermani. Er ist Sohn iranischer Eltern, weiß wunderbar zu schreiben und meldet sich in politisch-gesellschaftlichen Fragen immer wieder kritisch zu Wort. 2015 hat Kermani den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen.

Und zwischen 1880 und 1900 wurden hier fünf Brüder geboren, die sich den darstellenden Künsten verschrieben haben, dem Theater und vor allem der Musik - die Gebrüder Busch:

______Musik 1 Adolf Busch 0`45 <1> Introduzione: Vivace, ma non troppo aus: Hausmusik - Duett Nr. 1 op. 26a (1921) Bettina Beigelbeck, Klarinette Yasushi Ideue, Violine M0346229 001 TOCC 0085, LC 14674 ______

1890 wurde in Siegen geboren, der spätere Dirigent, 1891 – Adolf Busch, Geiger und Komponist, 1893 – Willi Busch, der Schauspieler 1894 - Elisabeth, die ebenfalls zum Theater ging 1897 – , der Cellist 1900 - Heinrich Busch, der Pianist und auch Komponist und im Jahr 1904 - schließlich die Jüngste, Magdalene, die eine Ausbildung zur Balletttänzerin gemacht hat.

Vor allem die beiden ältesten Brüder, Fritz und Adolf Busch, Dirigent und Geiger, sind als Musiker weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Heinrich, der Pianist, starb - wie die Schwester Magdalene - noch vor dem 30. Lebensjahr, Elisabeth ging wie ihr Bruder Willi zum Schauspiel und der Cellist Hermann Busch war über viele Jahrzehnte ein geschätzter Kammermusikpartner seines Bruders Adolf.

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Adolf Busch aber war nicht nur Geiger, er hat auch komponiert: In den letzten Jahren werden seine Werke zunehmend wiederentdeckt und eingespielt, so wie das Duett für Klarinette und Geige, von ihm selbst als „Hausmusik“ bezeichnet, von 1926. Auf die kurze Einleitung folgt jetzt der zweite Satz - Thema mit Variationen:

______Musik 2 Adolf Busch 4´14 <2> Tema con variazioni: Tempo di Minuetto aus: Hausmusik - Duett Nr. 1 op. 26a (1921) Bettina Beigelbeck, Klarinette Yasushi Ideue, Violine M0346229 002 cpo 777 528-2, LC 8492 ______

„Hausmusik“ – das war aus dem Duett für Klarinette und Geige von Adolf Busch von 1926 der zweite Satz „Tema con variazioni“. In einer Ersteinspielung hörten Sie Bettina Beigelbeck, Klarinette, und Yasushi Ideue, Violine.

Hausmusik, Musik im Haus Busch war den Brüdern ein Bedürfnis, sie gehörte einfach zum musikalischen Leben. Kamen die Busch-Brüder zusammen und vielleicht noch musizierende Freunde dazu, so wurden die Instrumente ausgepackt, gestimmt und Musik gemacht. Dabei waren keineswegs nur Streichinstrumente und Klavier gefragt: Frieda, die erste Frau von Adolf Busch, spielte Klarinette und er hat viel für dieses Instrument geschrieben, in seinen Werken überhaupt Bläser gern mit Streichern kombiniert.

In erster Linie aber war Adolf Busch Geiger: Mit dem legendären Busch-Quartett hat er Maßstäbe gesetzt, die weit über das Bestehen des Ensembles hinausreichen. Gegründet wurde es 1912 zunächst als „Wiener Konzertvereinsquartett“ und erst 1919 umbenannt in Busch-Quartett. Die feste Klammer in den ersten Jahren waren Adolf Busch als Primarius und Paul Grümmer als Cellist, erst 1930 übernahm der jüngere Bruder Hermann den Cellopart; die Mittelstimmen, vor allem die zweite Geige, wurden häufiger umbesetzt - Kriegsdienst, Umzug, es gab viele Gründe.

Die folgende Aufnahme des Scherzos aus dem Streichquartett G-dur von ist im November 1938 in den Londoner Abbey Road Studios entstanden: 5

Die Tonqualität ist im Vergleich zu heutigen Standards natürlich schlechter, doch das mindert in keiner Weise den Eindruck des filigranen Musizierens, wenn beispielsweise die beiden Violinen in dem durchaus derben Ländler zu Beginn über längere Passagen in Oktaven parallel geführt werden oder wenn alle vier Spieler an der Stelle im Menuett, an der Schubert die Musik gleichsam anhält, scheinbar in einem Atem zurückgehen in Tempo und Dynamik, eben bis zum Stillstand - bevor dann die Melodielinie wieder aufgenommen wird.

______Musik 3 Franz Schubert 4´30 CD5 <3> 3. Satz: Menuetto - Allegro-Trio aus: Streichquartett B-Dur D 112 Busch Quartett Warner 08256-46019311, LC 2822 ______

Franz Schubert - Scherzo und Trio aus dem Streichquartett B-Dur in einer Aufnahme von 1938 mit dem Busch-Quartett.

Die Musik, überhaupt die Kunst ist den Busch-Brüdern nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden, sie kamen aus eher einfachen Verhältnissen: Die Mutter hatte ein Geschäft mit Strickwaren, der Vater war Schreiner - allerdings mit Ambitionen: Wilhelm Busch hatte einen Wunsch, den er beharrlich verfolgte: vom Schreiner hat er sich autodidaktisch weitergebildet zum Instrumentenbauer. - In der Gebrüder-Busch Gedenkstätte liegt in einer Vitrine eine seiner Geigen, allerdings ist nicht klar, ob Adolf Busch je auf diesem Instrument gespielt hat. Der Geiger Florian Geldsetzer hat diese und zwei andere Geigen von Wilhelm Busch einmal angespielt, er beurteilt ihre Qualität als eher mittelmäßig. Das mag zum einen an unterschiedlichen Entstehungsdaten der Instrumente liegen, zum anderen aber auch an der Geschichte ihrer Erhaltung: Stimmen die Bedingungen nicht, leidet ein solches Instrument, etwa wenn es zu trocken oder zu feucht gelagert wird. -Vielleicht aber liegt es auch einfach an geigenbautechnischen Problemen, schließlich war Wilhelm Busch in dieser Hinsicht mehr oder minder Autodidakt.

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Doch in den frühen Jahren seiner Karriere hat Adolf Busch eine Geige seines Vaters gespielt, auch als er schon solistisch auftrat. Erst 1913 haben ihm Freunde zu einer Stradivari verholfen, 1913 - da war er schon ein Jahr Konzertmeister des Wiener Konzertvereins-Orchesters, den heutigen Wiener Symphonikern, und es gab auch schon sein Streichquartett.

Die ersten Schallplattenaufnahmen mit Adolf Busch übrigens werden auf 1921 datiert, auch bei der Schubert-Einspielung von 1938 wird er längst auf seiner Stradivari gespielt haben:

______Musik 4 Franz Schubert 3´35 CD5 <4> 4. Satz: Presto aus: Streichquartett B-Dur D 112 Busch Quartett Warner 08256-46019311, LC 2822 ______

Franz Schubert - Presto aus dem Streichquartett B-Dur in einer Aufnahme von 1938 mit dem Busch Quartett.

Wer sich in ihrer Vaterstadt über die Gebrüder Busch informieren möchte, der wird fündig im Zentrum der Oberstadt von Siegen: Im sog. KrönchenCenter, gleich vis-à-vis von Rathaus und Nikolaikirche am Markt, sind seit fast zehn Jahren unter einem Dach das Stadtarchiv, die Stadtbibliothek und die Volkshochschule vereint. Die Ausstellung mit dem etwas ungelenken Namen „Gebrüder-Busch-Gedenkstätte“ findet man ganz oben, im dritten Stock, es ist der Vorraum zum Lesesaal des Stadtarchivs. Das scheint ganz pragmatisch - wer in den Lesesaal möchte, könnte interessiert ‚hängenbleiben’: Die flachen Vitrinen laden dazu ein, sich darüber zu beugen - und spazieren zu gehen im Leben der Familie Busch: Hier sind Fotos, Konzertprogramme, Dokumente, Handzettel von „Prüfungsaufführungen“ im Konservatorium der Musik in Cöln (wo Fritz, Adolf und Hermann Busch studiert haben) ausgestellt, dazu persönliche Schreiben und eben die Geige und ein stark abgenutztes Stück Kolophonium, - jenes Stück Bogenharz, dass in keinem Geigenkasten fehlt: damit werden die Bogenhaare regelmäßig eingerieben, damit sie die Saite gut greifen. 7

Das Ganze klug ausgewählt, ansprechend arrangiert und mit erklärenden Begleittexten versehen, die Fakten liefern, Hintergründe erläutern und auch die ein oder andere Geschichte erzählen, - hier kann jeder Kulturinteressierte leicht in die vergangenen Zeiten einsteigen und auch wer vom Fach ist hat Spaß an den Original- Fotos: der Vater in seiner Geigenbauwerkstatt, die typisch arrangierten Familienbilder, das großformatige Porträt von Joseph Joachim von 1903 - Geige spielend, mit Widmung - oder Adolf Busch in den 30ern in Amerika, wie er in wildem Ritt auf einem Rodeo-Pferd sitzt und es noch schafft, nonchalant den Hut zu ziehen!

An den Wänden dazu Zeittafeln und größere Bilder, darunter die Reprografie einer Kohlezeichnung eines Bühnenbildentwurfs zu Mozarts „Don Giovanni“ von Max Slevogt und die Fotographie von Glyndebourne in England: Hier in Sussex finden seit 1934 im Sommer die Glyndebourne Opera Festivals statt. Der erste Musikalische Direktor war Fritz Busch, seine Mozart-Aufnahmen aus den 30er-Jahren sind legendär und dazu zählt auch die „Don Giovanni“- Aufführung von 1936 mit dem großen Buffo-Artisten Salvatore Baccaloni als „Leporello“, der kommt zunächst frech daher und wird dann ausgesprochen pompös: ______Musik 5 Mozart 5`48 CD1 <11> „Madammina, il catalogo è questo…“ aus: „Don Giovanni“ Akt I Salvatore Baccaloni, Leporello Glyndebourne Festival Orchestra (Royal Phil. Orchestra) Ltg. Fritz Busch (rec. Sommer 1936 The Theatre, Glyndebourne) Warner 2 64218 2, LC 2822 ______

„Madammina, il catalogo è questo…“ - In einer Aufführung vom Glyndebourne Opera Festival aus dem Jahr 1936 sang Salvatore Baccaloni die berühmte Katalog-Arie des Leporello aus Mozarts „Don Giovanni“. Fritz Busch leitete das Glyndebourne Festival Orchestra.

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„Die Geschichte der berühmten "Siegener Söhne" ist sehr spannend und die Gedenkstätte einen Besuch wert“, heißt es etwas trocken auf der Website der Stadt Siegen über die Gebrüder- Busch- Gedenkstätte, die gar nicht so trocken daherkommt, auch wenn es sich nur um den einen Raum mit seinen knapp zwanzig Vitrinen, mit Wandbildern und Zeittafeln handelt. Sicher, ‚interaktiv’ ist hier noch nichts, es ist eine reine Ausstellung im klassischen Sinne, - da liegt sicherlich Potential für Modernisierung.

Ein bisschen aber fehlt auch jetzt das Einladende, das zum Verweilen auffordert: Warum nicht einen Sessel unter eine der Dachschrägen schieben, eine Stehlampe dazu, ein Tischchen mit ein paar Büchern und auf diese Weise eine kleine Insel schaffen, wo man beispielsweise die Adolf Busch-Biographie von Tully Potter zur Hand nehmen kann, stöbern kann, schmökern, auch wenn sich weiter unten im Haus die Stadtbibliothek befindet.

- Und was wirklich fehlt ist eine kleine Hörbibliothek, um das, was einen Musiker ausmacht, wirklich erleben, nämlich: hören zu können! Die Busch-Brüder haben schließlich so ziemlich jedes Genre der klassischen Musik abgedeckt - ob als Komponisten oder Ausführende: von Kammermusik mit und ohne Klavier über Solokonzerte bis hin zu sinfonischem Repertoire und Opern, wie sie Fritz Busch, der Älteste der Geschwisterrunde, dirigiert hat.

Der Vater, Wilhelm Busch, übrigens, spielte auch selber Geige und das neben seiner Werkstatt auch zum Broterwerb, denn ein überaus tüchtiger Kaufmann oder Instrumenten-Händler war er wohl nicht: Als Fritz und Adolf noch Kinder waren zogen sie an den Wochenenden mit ihrem Vater häufig bis tief in die Nacht von Wirtschaft zu Wirtschaft und spielten in den verrauchten Kneipen und Gasthäusern Tanz- und Unterhaltungsmusik. Wenn Geld da war im Hause Busch, dann wurde gut gelebt, war Ebbe in der Kasse ging es eben magerer zu, - dann musste auch wieder mehr zum Tanz aufgespielt werden, frei nach dem bodenständigen Motto (wie es auch vom Großvater in meiner Familie überliefert ist): „Wo Wurst war kommt wieder Wurst hin!“ -Zum nötigen Geld dazu konnte eben auch die Musik verhelfen. 9

Hier folgen jetzt allerdings nicht die Tänze und Bearbeitungen, die das Familientrio damals gespielt hat, sondern eine Sammlung von „Deutschen Tänzen“, die Adolf Busch Jahre später komponiert hat - vielleicht in Erinnerung an seine frühen Auftritte und zu Geige und Cello gesellt sich hier wieder die Klarinette:

______Musik 6 Adolf Busch 3`28 <23> Ausschnitt aus: „Hausmusik“ - Deutsche Tänze op. 26c (1926) Busch Kollegium Karlsruhe TOCC 0293, LC 14674 M0408875 023 AUSCHNITT : Anfang bis 3´28 ______

Das war einer der „Deutschen Tänze“ - 1926 geschrieben von Adolf Busch.

Auch diese Tänze laufen bei Busch unter der Kategorie „Hausmusik“: Das Schreiben von „Hausmusik“ war- neben Werken für den Konzertgebrauch - für Adolf Busch essentieller Bestandteil seines Komponierens, überhaupt seines musikalischen Lebens, er schrieb sie gleichermaßen für professionelle Musiker und begabte Laien. Hauptsache, man war sich über die Basis von Musik-Machen einig: das genaue Lesen eines Notentextes und die Freude am Spielen! Wenn möglich sollte bei diesen Gelegenheiten „prima vista“ gespielt werden – also vom Blatt, ohne lange Vorbereitung. Das setzt musikalische Fähigkeiten voraus, aber auch soziale - wie immer in der Kammermusik: Offene Ohren und die Fähigkeit, einander zuzuhören und - wie der Rheinländer sagt - „Spaß an der Freud’“!

______Musik 7 Adolf Busch ca. 4´16 <23> Ausschnitt aus: „Hausmusik“ - Deutsche Tänze op. 26c (1926) Busch Kollegium Karlsruhe TOCC 0293, LC 14674 M0408875 023 AUSCHNITT : ab 3´46 - Ende (8`12) ______

Das Busch Kollegium Karlsruhe mit den „Deutschen Tänzen“ für Klarinette, Geige und Cello von Adolf Busch.

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In Siegen gibt es eine Brüder-Busch-Straße und die städtische Musikschule ist nach dem Dirigenten Fritz Busch benannt, dem ältesten der Brüder. Der Ort aber, da wo man sich wirklich informieren kann über die Familie und ihre Geschichte, ist die Gebrüder-Busch-Gedenkstätte, die jetzt seit zehn Jahren im KrönchenCenter ihren festen Platz hat. Doch das war nicht immer so, Jürgen Schaarwächter, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Reger-Institut Karlsruhe, das auch den Nachlass der Busch-Brüder verwaltet, hat die Geschichte der Gedenkstätte nachgezeichnet:

Eine erste kleine Ausstellung - das „Busch-Zimmer“ - wurde bereits Mitte der 60er Jahre eingerichtet, es hatte seinen Platz im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss. Federführend war über viele Jahre Wolfgang Burbach, der damals auch die Brüder- Busch-Gesellschaft gegründet hatte: Vorträge wurden gehalten über die Brüder, ihre Jugend in Siegen, ihre Karrieren weit über Stadt und Land hinaus, über Glyndebourne, das Busch Quartett, die Verbindung zu dem Pianisten .

Die Freude über die Einrichtung der Gedenkstätte aber war nicht von langer Dauer: Als Wolfgang Burbach kurz nach der Eröffnung 1966 Gäste aus dem Ausland durch die Ausstellung führen wollte stand er vor einem leeren Raum: Für eine Sonderausstellung des Siegerlandmuseums war dieses erste „Busch-Zimmer“ kurzerhand geräumt worden, für Jahre sollten denn auch „akuter Platzmangel“ und „keine rechte Dauerlösung“ die Stichworte für die Ausstellung werden.

Die Familie Busch übrigens hat sich immer für dieses Projekt interessiert, Ausstellung und Gesellschaft unterstützt und zu den verschiedenen Zeiten auch besucht: In den 60er Jahren waren die Witwen von Fritz, Adolf und Willi Busch in Siegen - die drei Brüder waren innerhalb eines Jahres, zwischen Mai 1951 und Juni 1952 gestorben - und auch Hermann Busch, der Cellist, und seine Frau waren schon hier.

Die Brüder-Busch-Gesellschaft wurde 2003 aufgelöst, im Zuge dessen wurde das Brüder-Busch-Archiv dem Max-Reger-Institut in Karlsruhe zugestiftet, das heute auch die Ausstellung betreut. 11

Die Verbindung zwischen Buschs und übrigens ist nicht aus der Luft gegriffen: Adolf und Fritz Busch waren eng befreundet mit Max Reger und haben sich beide ein Leben lang für seine Musik eingesetzt.

In einer der Vitrinen liegt die Kopie einer Postkarte von Max Reger zu sehen: Anfang 1909 schrieb er aus Köln an seine Frau:

„Bin gut angekommen; heute früh Probe; es geht sehr gut alles. Heute früh spielte mir ein 16-jähriger Bengel mein Violinkonzert auswendig, vollendet schön im Ton, Technik etc. vor. Ist das nicht toll? Mir geht es sehr gut; ich hab’ sehr viel Knödel heut mittags gegessen. Beste Grüße...an Dich, die Kinderchens - Dein Waz“ (Soweit Max Reger) Anfang 1909 war „der Bengel“ allerdings schon gute 17... Viele Jahre später hat Adolf Busch zusammen mit Rudolf Serkin die Sonate fis-moll von Max Reger eingespielt, den 2. Satz, Allegretto, nehmen sie in zügigem Tempo, da ist kein Vibrato zu viel, nichts übertrieben Aufgeregtes wie in manchen jüngeren Aufnahmen - das ist klar und eingängig, eine Melodie, die berührt:

______Musik 8 Max Reger 2´35 CD13 <20> 2. Satz: Allegretto aus: Violinsonate Nr. 5 Fis-Dur, op. 84 Adolf Busch, Violine Rudolf Serkin, Klavier Warner 08256-46019311, LC 2822 ______

Max Reger - 2. Satz Allegretto aus der Violinsonate Nr. 5 Fis-Dur, op. 84, hier in einer Aufnahme von 1931 gespielt von Adolf Busch und Rudolf Serkin.

Wie Busch war auch Serkin alles Exzentrische fremd. Der junge Pianist war seit 1920 der Klavierpartner von Adolf Busch und trat regelmäßig mit ihm auf, im Duo, im Klaviertrio zusammen mit Hermann Busch und auch in anderen kammermusikalischen Ensembles. 12

Zur musikalischen Verbundenheit kam später übrigens noch die familiäre: 1935 haben Serkin und Buschs Tochter Irene geheiratet.

In der Nachfolge der Brüder-Busch-Gesellschaft bemüht sich heute der Freundeskreis der Busch-Brüder um das Andenken dieser Musikerfamilie: Die Erinnerung an die in Siegen geborenen Künstler soll wachgehalten werden, die nicht nur Kunst auf hohem, auf höchstem Niveau gemacht und in die Welt getragen haben, sondern auch Haltung zeigten in den politisch dunkelsten Zeiten unseres Landes.

In den Jahren zwischen den Weltkriegen war Adolf Busch einer der gefragtesten Geiger hierzulande. Die politische Entwicklung in Deutschland aber hat sein Leben grundlegend verändert: Busch war nicht jüdischer Abstammung, doch schon 1927 verließ er Deutschland und zog in die Schweiz, nach . Seine Empörung über die Rassegesetze der Nazis hat dazu geführt, dass er von 1933 an alle Konzerte in Deutschland absagte, 1939 verließ er Europa und ging ins Exil in die USA. Hitler bemühte sich vergeblich „unseren deutschen Geiger“ zurückzuholen, Adolf Busch (und dann auch noch dieser Vorname) und seine Brüder hatten klare Vorstellungen von Moral, Anstand und Kunst. Da scheint es mir angemessen einen Passus des Vereins „Freundeskreis der Busch- Brüder“ zu zitieren: „Die Brüder Busch haben sich in Zeiten des Nationalsozialismus entschieden für Menschenrechte und Freiheit eingesetzt und teilweise mit dem Verlust ihrer künstlerischen Heimat dafür bezahlt. Den Mitgliedern des Vereins ist es deshalb besonders wichtig, allen Anzeichen von nationalistischer und rassistischer Geisteshaltung entgegenzuwirken.“

Ich denke, es gibt gerade auch in unseren Zeiten genug Gründe, die Erinnerung an die Brüder wachzuhalten.

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Für Adolf Busch bedeutete die Emigration den entscheidenden Knick in seiner Karriere. Das hat er mit Mitte dreißig in Kauf genommen und weiter Musik gemacht außerhalb der Landesgrenzen, ab 1938 - als auch Mussolini seine Rassegesetze verabschiedete - ist er auch in Italien nicht mehr aufgetreten, wo er ausgesprochen beliebt war. Dazu kam seine Tätigkeit als Lehrer - in den Jahren in Basel war sein berühmtester Schüler der junge - und er komponierte. Zu seinen späten Werken gehört das Klavierquartett h-moll op.59, geschrieben 1943, das durchaus in der Tradition von Max Reger steht. Vielschichtig aufgebaut ist es ein - vielleicht entsprechend der Zeit - eher sprödes Werk, das - wie alle Kompositionen Buschs - innerhalb einer erweiterten Tonalität bleibt.

Vielleicht lassen sich solche Einspielungen ja in Zukunft einmal via Kopfhörer, vielleicht sogar mit der Partitur in der Hand, anhören in dem Sessel unter der Schräge bei Buschens unterm Dach mitten in Siegen...

______Musik 9 Adolf Busch 6´40 CD2 <3> 3. Satz: Vivace aus: Klavier-Quartett h-moll op.59 Ravinia Trio Ulrich Eichenauer, Viola cpo 777 528-2, LC 8492 ______

Die SWR2-Musikstunde war heute zu Besuch in der Gebrüder-Busch-Gedenkstätte in Siegen. Zuletzt spielte das Ravinia-Trio zusammen mit Ulrich Eisenauer, Viola, den 3. Satz „Vivace“ aus dem Klavier-Quartett h-moll op.59 von A dolf Busch.

Morgen geht es nach Bonn ins Beethovenhaus - für heute wünscht Ihnen noch einen schönen Tag AvS