Das Heilige Donnerwetter. Ein Blã¼cherroman
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The Project Gutenberg EBook of Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman by Adolf Paul This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org/license Title: Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman Author: Adolf Paul Release Date: May 7, 2012 [Ebook 39650] Language: German ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS HEILIGE DONNERWETTER. EIN BLÜCHERROMAN*** iii ADOLF PAUL Das heilige Donnerwetter Ein Blücherroman B e r l i n Deutsche Buch-Gemeinschaft G.m.b.H. Copyright 1918 by Albert Langen, Munich Alle Rechte, insbesondere der Übersetzung und Dramatisierung, vorbehalten! Printed in Germany Inhalt 1. Im Adlernest . .1 2. Erster Flugversuch . 14 3. Der alte Adler . 25 4. Im Schatten . 33 5. Aus dem Nest heraus . 40 6. Der Solofänger Nummer Eins . 48 7. Vulkans Schmiede . 61 8. „Prüske Dickköppe“ ................... 84 9. Jena . 103 10. Zwei Welten . 207 11. Zwischen den Schlachten . 242 12. Das heilige Donnerwetter . 287 13. Das Fell des Löwen . 391 14. Der größte Sieg . 443 Bemerkungen zur Textgestalt . 453 [5] 1 Im Adlernest In schnellem Flug huschte dann und wann der schneeweiße Körper einer Möwe vorüber und leuchtete grell gegen das von keinen Wolken bedeckte Blau des Himmels auf. Aber keiner von den drei jungen Leuten, die nebeneinander auf den zusammengerafften Segeln im Boote lagen, drehte auch nur den Kopf, um die Kunststücke des gewandten Luftseglers zu beachten. Sie starrten unentwegt nach dem kleinen dunklen Punkt, der, kaum noch wahrnehmbar, sich hoch in den Lüften bewegte. „Aufgepaßt!“ rief der eine halblaut, „seine Kreise werden enger! Er sieht Beute!“ „Er zielt!“ rief der zweite. „Er fällt!“ Der schwarze Punkt wurde schnell größer, breitete sich zur Fläche aus, gliederte sich, wurde zum Körper, dessen Kopf, Rumpf, Flügel und Schwanz sich scharf von der klaren Luft abzeichneten. Dann schoß er rasch tiefer, hielt jäh an und stürzte pfeilschnell kopfüber in den See. Mit einem Ruck schnellten die drei jungen Leute empor, standen da kerzengerade im Boot und blickten dem goldbraunen Körper des Raubvogels nach, der ins Wasser hineinschoß, daß der Schaum hoch aufspritzte. Bald kam er wieder zum Vorschein, hob sich zum Flug und steuerte mit ruhigen, kraftvollen Schlägen 2 Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman seiner mächtigen Schwingen in flacher Bahn der Küste zu, einen [6] großen, silberweißen Fisch in den Krallen mit sich führend. „Der Adler von gestern!“ rief der längste von den dreien. „Ich kenne ihn genau! Die gleiche Größe und Zeichnung! Nicht zu verkennen!“ „Er wird wohl hier in der Gegend nisten!“ „Sicherlich! Denn als er gestern drüben bei Hiddensee fischte, stieg er mit seinem Raub jäh in die Höhe und flog nach Nordost, hierher. Jetzt steuert er flach gegen das Land. Dort auf den Kreidefelsen wird es sein!“ „Schauen wir nach!“ Im Nu saßen zwei an den Riemen, der dritte am Steuer, und von kräftigen Schlägen getrieben, glitt das Boot dem Ufer zu, wo hoch oben auf dem weiß leuchtenden Kreidefelsen ein paar uralte Kiefern wie vorweltliche Riesen ihre knorrigen Kronen aus der saftig grünen Masse des Laubwaldes emporhoben. Auf diese Bäume setzten sie Kurs. Und lange dauerte es nicht, bis das braungeteerte Boot sich am Geröll des Ufers scheuerte. Bald war es an Land gezogen, Segel und Ruder versteckt, und die drei Freunde sprangen von Stein zu Stein auf das Gemengsel von Sand, Schlemmkreide und Feuersteinen hinauf, aus dem der schmale Uferstreifen gebildet war, der den Felsenrand vom Wasser trennte. „In einer der alten Kiefern da oben wird er sein Nest haben!“ „Klettern wir hinauf!“ „Wozu klettern? Weiter nach links weiß ich einen Pfad, der bequem zu steigen ist!“ „Der gerade Weg ist der beste!“ antwortete der, der zuerst geredet hatte – ein lang aufgeschossener Jüngling mit Adlernase und dunklen, blauen Augen. Und ohne sich um die anderen zu kümmern, nahm er entschlossen Anlauf, packte mit kräftigem Griff den nächsten Busch, stemmte die Füße gegen die Spalten und Vorsprünge des Felsens, nahm im ersten Ansturm die halbe 1. Im Adlernest 3 Höhe und blieb da auf einem breiteren Vorsprung stehen und blickte hinauf. [7] „Da ist er wieder!“ schrie er und zeigte auf den Adler, der in raschem Flug wieder seewärts steuerte. „Was sagte ich? Sein Nest ist hier!“ „Vorwärts nur!“ Ein paar kräftige Klimmzüge, ein Keuchen und Fluchen, wenn der Fuß einmal ausglitt und Steine und Sand prasselnd in die Tiefe schickte, dann waren sie oben und fanden da den Dritten im Bunde lachend vor. Denn der bequemere, wenn auch längere Pfad hatte ihn doch zuerst ans Ziel geführt. „Lache nur!“ rief der Lange. „Hier wärest du nimmermehr heraufgelangt!“ „Wozu denn Wände hochsteigen, wenn es auch so geht?“ antwortete der andere, ohne sich aus der guten Laune bringen zu lassen. „Um auf dem geraden Weg zu bleiben! Umwege sind Abwege!“ Damit drang er den anderen voran durch den Laubwald nach der Anhöhe, wo in einsamer Majestät eine alte Kiefer thronte. Das Adlernest hatte er bald herausgefunden. Aber wie hinaufkommen? Der riesige, mannsdicke Baum, der es trug, hob sich wie eine Säule zu mächtiger Höhe. Sein von Wind und Wetter glattpolierter Stamm bot dem Kletternden fast gar keine Stützpunkte. „Wo du da einen bequemeren Umweg finden willst, möchte ich nur wissen!“ rief der Lange. „Freund Diercks klettert auf die Bäume wie ein Affe, Bruder!“ antwortete der zweite der beiden Bergsteiger. Und Diercks, der seine Kräfte vorhin geschont hatte, spuckte in die Hände, packte den Baumstamm, umschlang ihn mit Armen und Beinen und schob sich so langsam daran hoch, jede Muskel des stämmigen Körpers auf das Äußerste anspannend. Endlos schien es den Untenstehenden, bis sie ihn den Arm über den ersten Ast der 4 Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman Krone schieben sahen, um mit Aufbietung der letzten Kraft den [8] Körper hinaufzuziehen. Einen Augenblick blieb er sitzen, um Atem zu schöpfen, dann ging es weiter von Ast zu Ast, bis an das Adlernest heran. Ein Blick hinein, ein Aufschrei! „Gebhard! Siegfried! Ein ausgewachsener Adler!“ „Schon flügge?“ „Sicher! Aber er scheint noch keine Ahnung davon zu haben! Er liegt ganz still!“ „Wirf ihn herunter!“ Einen Augenblick wurde es still da oben. Dann kam ein Aufschrei: „Verflucht! Den Schnabel weiß er schon zu brauchen!“ Dann hörte man nichts mehr als das Geräusch eines zähen Kampfes. Trockenes Reisig und Grasbüschel flogen aus dem Neste zu den Wartenden hinunter, und zuletzt sauste, mit kräftigem Schwung geschleudert, ein fast ausgewachsener junger Adler herab. Zunächst fiel er in schwindelnder Fahrt, dann auf einmal breitete er mit gellendem Aufschrei die Flügel aus, und zum ersten Male trugen sie den Körper in sanftem Flug hinunter und landeten ihn unweit der unten Harrenden. Einen Augenblick blieb er betäubt liegen, dann wurde er von vier kräftigen Fäusten gepackt und ihm eine Kappe über den Kopf gezogen. Sein Bezwinger war unterdessen heruntergerutscht und kam jetzt heran. „Den Vogel nehme ich mit nach Hause!“ sagte er. „Da ich ihn fing, ist es nur billig, daß ich ihn behalte!“ „Wo willst du ihn bei euch hintun?“ „In den Hühnerstall, bis ich ihm einen Käfig gebaut habe!“ „Einen Adler in den Hühnerstall tun?“ rief Gebhard, der längere von den beiden Brüdern, entrüstet. „Das geschieht nie und nimmer!“ Und ehe die anderen es sich versehen konnten, riß er die Kappe vom Kopf des Adlers fort und warf den Vogel in die Luft. 1. Im Adlernest 5 „Gebrauche deine Flügel, jetzt wo du weißt, wozu sie taugen!“ rief er. [9] Der Adler machte ein paar ungelenke Bewegungen mit den Schwingen und setzte sich in einiger Entfernung wieder auf den Rasen, nahm aber dann, von seiner Angst getrieben, noch einmal Anlauf. Zwei, drei Schläge nur mit den Flügeln, und die Unsicherheit war verschwunden, er wagte den Flug und schraubte sich in sanftem Bogen um den Baum herum, bis er ins Nest hineinblicken konnte. Dann war er mit einer schnellen Bewegung darüber und ließ sich rasch hineinsinken. „So!“ sagte Gebhard und zog seine frei gewordene Kappe wieder über die Locken. „Vor dem Hühnerstall wären wir bewahrt!“ „Du bist nur neidisch,“ murrte sein Freund, „weil du ihn nicht selbst fangen konntest!“ „Dafür konnte ich ihm die Freiheit geben!“ sagte Gebhard, und es wetterleuchtete vor trotzigem Stolz in seinen dunklen Augen. „Frei wie die Luft, die er atmet, muß der König der Lüfte sein! Ich mußte ihm da helfen. Und ich täte es nochmals, ob’s dir paßt oder nicht! Da“– er zeigte landwärts auf die Wiese unterhalb des Berges –, „da fliegen andere Vögel, die nicht dem Himmel so nahe kommen. Fang’ dir die ein!“ „Die schwedischen Husaren!“ rief Diercks und vergaß über dem Anblick den Adler und seinen Ärger über Gebhards eigenmächtigen Eingriff in seine wohlerworbenen Rechte. Er jauchzte laut den blaugelben Reitersleuten zu, die aus dem Wald heraufsprengten, um in wildem Galopp über die Ebene hinwegzusausen. „Den Flug machen wir mit!“ rief er. „Die holen wir noch ein! Rasch, fangen wir ein paar von Vaters Pferden unten auf der Wiese ein und setzen wir ihnen nach!“ Gesagt, getan! Die drei unternehmungslustigen jungen Leute hatten sich bald je ein Pferd eingefangen und ritten, statt den Reitern auf dem großen Fahrwege über Altenkirchen zu folgen, 6 Das heilige Donnerwetter. Ein Blücherroman auf ihren ungesattelten Pferden querfeldein nach der Wittower [10] Fähre hin, wo sie gleichzeitig mit den Husaren anlangten. Diercks fand unter ihnen seinen Bruder vor, der bei den Schweden diente, und viele Bekannte und Freunde außerdem. Über den Zweck des Streifzuges: nach dem Gang der Aushebung auf Rügen zu sehen, wurde er gleich aufgeklärt, und bald plauderten sie über die Aussichten Schwedens, seine pommerschen Grenzen im Kriege gegen Preußen zu verbessern.