Deutscher – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11877

Dr. (A) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ten Gegenstandswert ist. Die andere Anlage beschreibt (C) aber ganz kleinteilig die einzelnen Gebührentatbestände. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Da muss man sich schon manchmal ganz schön reinfuch- [SPD]) sen. – Frau Kollegin Keul, Sie runzeln gerade die Stirn. Wenn man ein gebührenrechtliches Seminar gemacht Vizepräsidentin : hat, weiß man, in welche Fahrwasser man bei der Ab- Ich schließe die Aussprache. rechnung geraten kann. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auf den Drucksachen 19/9770, 19/9970, 19/9912 und Man weiß dann, ob man erhöhen muss!) 19/9272 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- Das ist nicht ganz so einfach. schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be- Dieses Gesetz und auch die Änderungen bedürfen der schlossen. Zustimmung der Länder. Das ergibt sich aus unserem Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Grundgesetz. Nach Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz sind Zustimmungsgesetze solche, die in bestimmter Wei- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- se Auswirkungen auf die Finanzen der Länder haben. richts des Ausschusses für Recht und Verbrau- Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum erwähne ich cherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der das? Ich erwähne es, weil der Koalition bei den Debatten Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Stephan im Ausschuss immer wieder vorgeworfen wird, wir wür- Thomae, , weiterer Abgeordneter und den die Länder nur vorschieben. der Fraktion der FDP (Dr. Jürgen Martens [FDP]: Das tun Sie ja Rechtsanwaltsgebühren zukunftssicher ge- auch!) stalten Aber das tun wir keineswegs. Sie müssen tatsächlich zu- Drucksachen 19/8266, 19/10002 stimmen. Da nützt es wenig, wenn wir vorpreschen und Gesetze verabschieden und der Bundesrat letztendlich Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für sagt: Nee, ohne uns! Das machen wir nicht mit. – Dann die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- hätten wir uns die Arbeit umsonst gemacht. Also ist es nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. effektiver, die Länder von vornherein mit ins Boot zu Sobald alle Kolleginnen und Kollegen ihren Platz ein- nehmen. genommen haben, können wir mit der Aussprache begin- (Roman Müller-Böhm [FDP]: Wer regiert (B) nen. (D) denn in den Ländern?) Das Wort hat die Kollegin Esther Dilcher für die SPD-Fraktion. Bereits im letzten Jahr wurde der Forderungskatalog von BRAK und DAV an die Länder geleitet mit der Bitte (Beifall bei der SPD sowie des Abg. um Stellungnahme. Dort findet jedoch noch eine Evalua- Dr. [CDU/CSU]) tion der letzten Gebührenerhöhung statt, die auch Ge- genstand der Justizministerkonferenz im Juni 2019 sein Esther Dilcher (SPD): soll. Wir werden das Ergebnis abwarten, um uns mit den Ländern ins Einvernehmen zu setzen. Schönen guten Abend! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Warum stellt die FDP den vorliegenden Antrag? Ich FDP, mit dem wir uns beschäftigen, hat einen vielver- vermute, weil Klappern zum Handwerk gehört. Dabei sprechenden Titel: „Rechtsanwaltsgebühren zukunfts- läuft das Verfahren bereits im Ministerium. Wir beschäf- sicher gestalten“. Produktive und konstruktive Gestal- tigen uns auch im Ausschuss damit. Die FDP stellt zwar tungsvorschläge suchen wir auf den zwei DIN-A4-Seiten den Antrag, aber das Ziel wird damit verfehlt. Ich würde jedoch vergeblich, sieht man einmal von der Forderung sagen: Setzen, sechs! Ich versichere an dieser Stelle, dass nach einer pauschalen Indexierung ab. Gestalten bedeu- wir uns als Koalition und natürlich auch das Ministerium tet jedoch weitaus mehr, und die Forderung nach einer sich mit den äußerst fundierten und sehr pragmatischen Anpassung der Anwaltsgebühren an die allgemeine Ta- Forderungen der Gebührenrechtler bei den Standesver- riflohnentwicklung wird dem doch sehr umfangreichen tretungen der Anwaltschaft auseinandersetzen werden. und sehr differenzierenden Gebührensystem des RVG in keinster Weise gerecht. Eine pauschale Erhöhung würde auch nicht zu einer angemessenen Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen Liebe Kolleginnen und Kollegen, das RVG selbst be- führen. Das haben Studien ergeben, die zum Beispiel steht aus 62 Paragrafen und zwei Anlagen. 62 Paragrafen das Soldan Institut durchgeführt hat. So verdienen So- sind erst mal nicht viel; aber die zwei Anlagen haben es zialrechtler zum Beispiel erheblich weniger als Gesell- in sich. schaftsrechtler, nur weil sie den Tätigkeitsschwerpunkt (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sozialrecht haben. Wenn wir uns eingehend damit be- Aber da kann doch die FDP nichts für!) schäftigen und die Anpassungen individuell vornehmen, können wir auf die Unterschiede bei den Einkommen Die eine enthält eine kleine Tabelle, in der steht, wie hoch der Anwälte Einfluss nehmen. Das können wir mit einer die jeweilige Rechtsanwaltsgebühr bei einem bestimm- allgemeinen Indexierung und Pauschalierung nicht errei- 11878 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

Esther Dilcher (A) chen; denn dann würden genau die Anwälte abgehängt, auf Deutschland ausdehnen und damit das Mandatsge- (C) die jenen Zugang zum Recht gewähren, die ihn sich nicht heimnis Schritt für Schritt aushöhlen, um uns Rechtsan- leisten können, sondern über Prozesskostenhilfe, Verfah- wälten, den Steuerberatern und den Wirtschaftsprüfern renskostenhilfe oder Beratungshilfe Zugang zum Recht das Leben schwer zu machen. suchen müssen. Als wäre das nicht genug, wurden uns Anwälten mit Wir lehnen daher den vorliegende Antrag der FDP ab dem sogenannten besonderen elektronischen Anwalts- und werden mit den Ländern über eine Reform des RVG postfach, abgekürzt beA, weitere Schwierigkeiten berei- verhandeln und zeigen, wie Gestalten tatsächlich funk- tet. Das beA ist unpraktisch, unsicher und teuer. Gleich- tioniert. wohl halten viele Anwälte das Anwaltspostfach für etwas Besonderes, nämlich für etwas besonders Schlechtes. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Nun der seit langem fehlende Blick auf die Anpas- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sung der Vergütung. Wie dringend das ist, zeigen uns, der CDU/CSU) wenn man sie saldiert, die Teuerungsraten in den letzten Jahren, die zu steigenden Kosten geführt haben. Bereits Vizepräsidentin Petra Pau: vor über einem Jahr, im April 2018 – Frau Dilcher hat Das Wort hat der Abgeordnete für es erwähnt –, hat die Bundesrechtsanwaltskammer in die AfD-Fraktion. Verbindung mit dem Deutschen Anwaltverein der Justiz- ministerin ein ausgefeiltes Konzept zur Anpassung bzw. (Beifall bei der AfD) Erhöhung der Vergütung vorgelegt, was nach über sechs Jahren Nullrunden natürlich nicht unangemessen war. Stephan Brandner (AfD): Der Bundesregierung freilich war das zunächst egal. Sie Meine Damen und Herren, mir wurde zugetragen, ich hat das Ansinnen erst ignoriert, und dann wurde es sechs wäre gerade vom Kollegen Post vermisst worden. Jetzt Monate später – zwischenzeitlich ist nichts passiert – bin ich wieder da. Wo ist der Kollege Post? ohne Fristsetzung an die Länder gesandt. Das war nichts anderes als eine Aufforderung zur Nichtbehandlung, und (Heiterkeit bei der AfD) so halten es die Länder bis heute. Denn bis heute liegen So kann das gehen. Er ist geflüchtet. nicht alle Stellungnahmen der Länder vor. Beispielswei- se ein grüner Justizsenator aus Hamburg – Frau Keul, hö- (Esther Dilcher [SPD]: Er redet nicht zu die- ren Sie genau zu –, also ein Senator aus Ihrer Partei, ver- sem Punkt!) weigert immer noch jegliche Zuarbeit. Ich bin gespannt, wie Sie das gleich rechtfertigen wollen. (B) Meine Damen und Herren, was sich am heutigen (D) Abend wie Lobbypolitik für Rechtsanwälte anhört, ist Meine Damen und Herren, die AfD sagt klipp und klar, keine. Wir reden heute über die Notwendigkeit, die seit dass eine Gebührenerhöhung für Rechtsanwälte dringlich etwa sechs Jahren nicht erhöhten Gebühren für Rechts- ist und kurzfristig erfolgen muss. Neben einer linearen anwälte angemessen zu erhöhen, und zwar nicht die Erhöhung ist auch eine strukturelle Änderung vonnöten. Gebühren für Großverdiener unter Rechtsanwälten, die Denken Sie zum Beispiel an die Terminsgebühr, die an- hohe Stundensätze abrechnen können, sondern die für gepasst werden muss. Denken Sie zum Beispiel auch an die Kollegen, die auf Grundlage des RVG, des Rechts- die Erhöhung von Rahmengebühren im Sozialrecht. Und anwaltsvergütungsgesetzes, liquidieren müssen. Diese weil wir das Problem als dringend erkannt haben und uns Kollegen sind es, die als Organe der Rechtspflege der sehr an einem funktionierenden Rechtsstaat gelegen ist, breiten Masse unserer Bürger den Zugang zum Recht erst haben wir dieses Problem als Erste angepackt. Meine ermöglichen. Es geht also um nichts weniger als um die Zusage vom Parlamentarischen Abend bei der Bundes- Sicherstellung der Versorgung mit Rechtsanwaltsdienst- rechtsanwaltskammer am 17. Januar hatten wir eingehal- leistungen in der Fläche unserer Republik. ten und das Thema Ende Januar auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gesetzt. Wir Rechtsanwälte sind eine der Säulen des Rechts- staats. Ohne eine tüchtige Anwaltschaft, die auskömm- Sechs Wochen später wurde die FDP wach und dach- lich finanziert ist, ist es dem Bürger schwer bis unmög- te: Mensch, das ist ja ein nettes Thema. Da pinseln wir lich, seine Rechte wahrzunehmen oder durchzusetzen. Es auch einen Antrag zusammen. – So kam es dann zu dem sollte daher der Politik ein wichtiges Anliegen sein, für peinlichen, erschreckend kurzen und blumigen Antrag, die Rechtsanwälte gute strukturelle und finanzielle Rah- Herr Martens, mit dem Sie die Vorlage eines „konkreten menbedingungen zu schaffen. Doch die Große Koalition Konzeptes“ von der Bundesregierung verlangen. Ich bin kocht da eher auf Sparflamme, Frau Dilcher, und es hat schon froh, dass Sie kein unkonkretes Konzept von der zumindest den Anschein, als würden uns Rechtsanwäl- Bundesregierung verlangen. Man sieht also: Auch hier ten bei der Berufsausübung mehr und mehr Steine in den springt die FDP auf einen fahrenden Zug. Wären Sie, Weg gelegt; denn es häufen sich die Angriffe gegen unse- meine Damen und Herren von der FDP, ein Huhn, wür- ren, meinen Berufsstand. Nehmen Sie beispielsweise die den Sie gackern, wenn ein anderes Huhn ein Ei legt. Steuertransparenzrichtlinie der EU, womit nicht nur eine (Beifall bei der AfD) Abschreckung erfolgt, sondern unser gesamter Berufs- stand nahezu kriminalisiert wird. Die Finanzminister der Eine Fraktion, die sich als Regierung im Wartestand Länder wollen, wenn man das aufmerksam verfolgt, die betrachtet, teilweise – ich habe es heute Morgen er- Spitzeldienste, die die Anwälte offenbar zu leisten haben, wähnt – ein Wurmfortsatz der Regierung ist und wohl Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11879

Stephan Brandner (A) noch Zugriff auf Mitarbeiter des Justizministeriums hat – Anwälte können aber nicht allein von hehren Zielen, (C) in ihrer Freizeit selbstverständlich –, muss viel besser nicht allein von honorigen Worten, die wir hier in Debat- und viel mehr liefern. Wir von der AfD werden das in ten des Deutschen Bundestages führen, und auch nicht Kürze tun; denn für uns geht Gründlichkeit vor Schnel- allein von Luft und Liebe leben, sondern sie müssen wirt- ligkeit. schaften. (Lachen bei der CDU/CSU, der SPD und der (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!) Der war gut! Der war echt gut! Ohne rot zu werden!) Sie müssen sich und ihre Familien ernähren. Sie müssen ihren Kanzleibetrieb aufrechterhalten. Wenn man sich Solch schlampige, auf bloße Effekte ausgerichtete Arbeit einmal anschaut, was in den letzten Jahren so passiert wie die, die die FDP heute hier abgeliefert hat, ist pein- ist, wird man feststellen: Die Gehälter für die Mitarbeiter lich. Das hilft weder dem Rechtsstaat noch den Rechtsan- sind gestiegen, die Kosten für Strom, für Versicherungen wälten. Rechtsanwälte, der Rechtsstaat und dieser Bun- und für Software sind gestiegen. Und was mit den Mieten destag haben bessere Arbeit verdient, meine Damen und in den letzten Jahren passiert ist, darüber lesen wir jeden Herren von der FDP, als diese Schlamperei, die Sie uns Tag zur Genüge in der Zeitung. Deswegen ist es Zeit für hier unterbreitet haben. eine Anpassung der Gebühren. Die letzte Gebührenan- (Beifall bei der AfD) passung ist im Jahre 2013 erfolgt. Das ist jetzt fast sechs Jahre her. Wir wollen eine fundierte und auch hochqua- Allerdings ist zuzugeben: Der Antrag nützt zwar lifizierte Rechtsberatung, und das spiegelt sich natürlich nichts, aber er schadet auch nicht. auch in den Gebühren wider. Sie muss letztlich durch (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) diese gesichert werden. Deswegen ist diese Gebührenan- passung so notwendig. Deshalb werden wir uns enthalten und den Rechtsanwäl- ten damit signalisieren, dass wir sie durchaus unterstüt- Ein Punkt ist mir an dieser Stelle sehr wichtig: Es geht zen. Wir hoffen, dass die Bundesregierung dann auch uns nicht allein um die Rechtsanwälte, die ihren Rechts- langsam – – rat in den großen Städten, in den Ballungsgebieten, in den Metropolen anbieten, wo es aufgrund der Mandate Vizepräsidentin Petra Pau: vielfach möglich ist, nach Stundensätzen abzurechnen, Herr Brandner, kommen Sie bitte zum Schluss. sondern es geht uns vor allen Dingen darum, dass der Rechtsstaat auch in der Fläche funktioniert. Auch in den (B) eher strukturschwachen Regionen und in den ländlichen (D) Stephan Brandner (AfD): Gebieten müssen Anwälte vor Ort sein. Auch dort muss Ich falte schon zusammen. die Rechtsberatung sichergestellt werden. Die Kosten- steigerungen, die natürlich auch in diesen Regionen statt- Vizepräsidentin Petra Pau: gefunden haben, haben aber dazu geführt, dass es dort Das ersetzt nicht den Schlusspunkt. wirklich sehr schwer geworden ist, als Anwalt wirtschaft- lich zu arbeiten, da die Gebührensätze nicht angepasst Stephan Brandner (AfD): worden sind. Das müssen wir im Blick behalten, um die Rechtsberatung auch in der Fläche sicherzustellen. Wir hoffen, dass die Bundesregierung tätig wird. Wir sind guten Mutes, dass, wenn der Europawahlkampf zu Es war daher gut, dass der DAV und die BRAK ge- Ende ist und wir eine neue Hausspitze im Justizministeri- meinsam schon im Jahr 2018 einen Forderungskatalog um haben, dieses Thema endlich angegangen wird. vorgelegt haben, diesen an das BMJV weitergereicht und Vielen Dank. gesagt haben: Hier muss etwas passieren. – Dieser For- derungskatalog ist vom BMJV – das muss man ehrlicher- (Beifall bei der AfD) weise sagen – ein bisschen dilatorisch behandelt worden. Er ist den Ländern zur Stellungnahme geschickt worden. Vizepräsidentin Petra Pau: Man hat aber keine Frist gesetzt, Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Jan-Marco (Stephan Brandner [AfD]: Sage ich doch!) Luczak das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) was natürlich zur Folge hatte, dass die Länder sich ziem- lich viel Zeit mit ihren Stellungnahmen gelassen haben. Bis Anfang des Jahres haben nur einige wenige Länder Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): überhaupt Stellung zu diesem Forderungskatalog bezo- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen gen. Nachdem ein bisschen Druck auf den Kessel gege- und Kollegen! Ein starker Rechtsstaat braucht starke ben wurde, haben mittlerweile fast alle Länder ihre Stel- Rechtsanwälte. Gerade in der Rechtspflege sind Anwälte lungnahme abgegeben, bis auf ein Land; Frau Keul, die der Garant für den Zugang zum Recht, und der Zugang aus Hamburg kommt, spricht ja gleich noch. Sie kann da zum Recht wiederum ist für das Funktionieren und auch ja vielleicht noch ein bisschen Druck machen. für die Akzeptanz unseres Rechtsstaates eine unabding- bare Voraussetzung. Deswegen ist es richtig, dass in der (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verfassung der Zugang zum Recht garantiert ist. Nein!) 11880 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

Dr. Jan-Marco Luczak (A) Fast alle Länder haben ihre Stellungnahme jetzt also ab- aussehen werden. Deswegen glaube ich, dass wir die (C) gegeben. Länder bei einer solchen Forderung nicht ins Boot be- kommen. Wir haben das Thema im Rechtsausschuss aufgerufen. Man konnte feststellen: Alle Fraktionen sind sich in der Ein weiterer Punkt, der gegen eine Indexierung Sache einig, sind sich einig, dass hier etwas geschehen spricht: Es ist dann nicht mehr möglich, Gewichtungen muss. vorzunehmen. In den letzten Jahren waren bestimmte Rechtsgebiete besonders nachgefragt. Tatsächliche Ent- (Dr. Jürgen Martens [FDP]: Ja! Dann macht wicklungen haben dazu geführt, dass die Gebühren nicht doch was! Macht!) mehr auskömmlich sind. Wenn man eine pauschale In- Das heißt, das Ob steht, glaube ich, gar nicht mehr in dexierung vornimmt, werden – das kann man vorausse- Rede. Wir reden jetzt nur noch über das Was und Wie. hen – strukturelle Änderungen wahrscheinlich gar nicht mehr vorgenommen. Um uns diesen Spielraum, diese (Dr. Jürgen Martens [FDP]: Die entscheiden- Flexibilität zu erhalten, sollten wir, glaube ich, sehr ge- de Frage ist, wann!) nau hinschauen und fragen, ob die Indexierung hier rich- Herr Kollege Martens, bevor Sie an dieser Stelle froh- tig ist. locken, sage ich: Man muss sich Ihren Antrag genauer Dazu, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist, will anschauen. ich aber sagen: Die Zeiträume zwischen den Gebüh- (Stephan Brandner [AfD]: Damit ist man renanpassungen waren, glaube ich, zu lang. Seit der letz- schnell fertig! Lieblos runtergepinselt!) ten Anpassung sind, wie gesagt, sechs Jahre vergangen. Auch die Rechtsanwälte haben natürlich ein Stück weit Wir sind uns im Ziel einig: Wir wollen die Gebühren Anspruch auf Rechtssicherheit und Investitionssicher- anheben. Aber Sie haben es sich mit Ihrem Antrag doch heit. Deshalb sollten wir uns eine Art Selbstverpflichtung ein bisschen zu einfach gemacht. Sie fordern nämlich nur auferlegen bzw. ein gemeinsames Verständnis zugrunde eine lineare Anpassung – dafür sind auch wir; das sage legen, dass wir uns einmal in der Legislaturperiode, also ich noch einmal –, doch zu strukturellen Reformen haben alle vier Jahre, die Gebühren anschauen und dann auch Sie nichts ausgeführt. BRAK und DAV haben in ihrem zu einer entsprechenden Anpassung kommen. Forderungskatalog ja auch strukturelle Reformen vorge- schlagen. Die muss man natürlich, wenn man das seriös Ich komme zum Schluss. Wir müssen die Länder in machen will, auch in den Blick nehmen. die Verantwortung nehmen. Das ist ganz wichtig. Wir sind uns, glaube ich, einig. Wir haben mit den Ländern (Stephan Brandner [AfD]: Seriös ist das Ge- einen Pakt für den Rechtsstaat abgeschlossen. In diesem (B) genteil von FDP!) Rahmen haben wir viele Dinge in den Bereichen Poli- (D) Wir können ja nicht einfach sagen: Wir machen jetzt eine zei und Justiz gemacht. Die Anwälte gehören dazu. Auch lineare Anpassung, und danach gucken wir uns mögli- sie sind Teil dieses Rechtsstaates, und zwar ein wesent- che strukturelle Änderungen an. – Das gehört natürlich licher Teil. Deswegen gehört die Anpassung der Rechts- zusammen. Und wenn man das in einem Antrag nicht zu- anwaltsgebühren als letzter Baustein zum Pakt für den sammen anpackt, dann bleibt der Antrag Stückwerk. Zu Rechtsstaat dazu. den strukturellen Änderungen findet sich aber nichts in Ich freue mich auf die Debatte. Ich glaube, es herrscht Ihrem Antrag. Das ist schwierig. große Einigkeit. Die letzten Details werden wir hoffent- Der zweite Punkt, den man sich in der Tat kritisch lich sehr schnell miteinander regeln. anschauen muss, ist die von Ihnen vorgeschlagene In- (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dexierung. Das klingt erst einmal gut. Man muss sich die Das hoffen wir!) Details aber sehr genau anschauen. Es gibt noch viele andere Berufsgruppen, die nach einer Gebührenordnung Vielen Dank. arbeiten, die ihre Honorare nicht frei bestimmen können. (Beifall bei der CDU/CSU) (Stephan Brandner [AfD]: Die Abgeordneten beispielsweise!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die fragen dann natürlich berechtigterweise: Was ist ei- Für die FDP-Fraktion spricht nun Dr. Jürgen Martens. gentlich mit meinen Gebühren? Müssen die nicht auch (Beifall bei der FDP) indexiert werden? Auch das muss man im Blick behalten.

Als Argument für eine Indexierung wird immer ange- Dr. Jürgen Martens (FDP): bracht, dann müsste sich der Gesetzgeber nicht ständig Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und damit befassen, und auch die Länder wären dann nicht Herren! Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegen- ständig mit im Boot. Das klingt natürlich erst einmal ein- den Antrag greift die FDP das Thema der Vergütung von leuchtend. Dieses Argument lässt aber außen vor, dass Rechtsanwälten auf. Die Notwendigkeit zur Anpassung wir, wenn wir eine solche Indexierung machen wollten, der Vergütungsordnung, die lineare Anpassung, wird hier dafür mit den Ländern ins Gespräch kommen müssten. allgemein auch nicht in Zweifel gezogen. Die Länder werden – da muss man realistisch sein – na- türlich keinen Blankoscheck ausfüllen. Die Länder wis- Die letzte Anpassung – im Jahr 2013 – wurde übrigens sen ja gar nicht, wie die Steigerungsraten in der Zukunft auch von liberalen Justizministern im Bund und in den Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11881

Dr. Jürgen Martens (A) Ländern mit verantwortet; daran sei hier einmal erinnert. war offensichtlich der aufgeschriebene Text zu Ende. (C) Die Große Koalition hat sich bisher nicht an dieses The- Dann kam wieder nur jene billige Polemik, die wir von ma getraut, jedenfalls nicht mit sichtbaren Ergebnissen. Ihnen so übersattsam gewohnt sind. (Beifall bei der FDP) (Stephan Brandner [AfD]: Bei so einem Schrottantrag erwarten Sie doch nicht eine Davor fand die letzte lineare Anpassung der Rechtsan- ernste Auseinandersetzung!) waltsgebührenordnung 1994 statt. 19 Jahre warten, dann mindestens 6 Jahre warten, vielleicht werden es auch 7 Sie haben es angesprochen: Die Frage der Vergütungs- oder 8 Jahre. Die jetzige Bundesjustizministerin jeden- sätze nach dem RVG ist auch eine Frage nach dem Zu- falls wird das Thema garantiert nicht mehr erledigen. Das gang zum Recht, nach der Gewährleistung des Rechts in mutet an, als hätten die GroKo und die Bundesregierung der Fläche. irgendwo einen Stempel, auf dem steht: Wiedervorlage nach Sachbearbeiterwechsel. (Stephan Brandner [AfD]: Genau das habe ich auch gesagt!) (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Das betrifft diejenigen Anwälte, die eben nicht hohe Sie werden verstehen, dass wir eine solche Herangehens- Stundensätze, sondern nach dem RVG abrechnen. Diese weise in diesem Bereich nicht akzeptieren wollen. Anwälte bearbeiten die Masse der Fälle: Scheidungen, Verkehrsunfälle, Streit mit dem Sozialamt, Mietstreitig- Die Berufsvertretungen der Rechtsanwälte – keiten, all diese Dinge, die in der Masse und im täglichen 165 000 Rechtsanwälte in Bundesrechtsanwaltskam- Leben der Bürger entscheidend sind für die Wahrneh- mer und Deutscher Anwaltverein – haben sich schon mung des Rechtsstaates und sein Funktionieren. Deswe- im April 2018 an das BMJV gewandt und unter Vorlage gen glaube ich – das ist an die Große Koalition gerich- eines sehr detaillierten Plans angemahnt, dass allein mit tet –, dass es gefährlich und fahrlässig ist, die Wirkungen Blick auf die allgemeine Teuerungsrate etwas passieren zu unterschätzen, die es hat, wenn man die Existenzsor- muss. Es ist nichts passiert. Die Bundesregierung ver- gen, die finanziellen Ängste derjenigen, die in der Flä- steckt sich hinter den Länderjustizministern. Man weiß che den Zugang zum Recht gewährleisten, nicht wirklich natürlich – das können Sie mir glauben; ich weiß das aus ernst nimmt, meine Damen und Herren. eigener Erfahrung –, dass die Länder sehr, sehr zurück- haltend sind, wenn es um Gebührenanhebungen geht, (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie wa- CDU/CSU) (B) ren ja selber mal Minister und waren auch sehr (D) zurückhaltend!) Wenn wir in unserem Antrag keine konkreten Zahlen benennen, dann geschieht dies nicht aus Schlampigkeit sind sie doch diejenigen, die zahlen, wenn die Kosten für oder Nachlässigkeit Verfahrenskostenhilfe und Prozesskostenhilfe steigen. Ich kenne beiden Seiten der Barrikade. (Stephan Brandner [AfD]: Aus Faulheit!) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das – auch nicht aus Faulheit –, sondern weil wir ganz ein- Sein bestimmt das Bewusstsein!) fach Spielräume nicht vorzeitig einengen wollen, die die Möglichkeit einer linearen wie auch strukturellen Anpas- Da nützt es nichts, wenn sich beide gleichzeitig weg- sung bieten. ducken, meine Damen und Herren. Das ist die Garantie dafür, dass nichts passiert. Deswegen haben wir diesen (Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber eine Antrag hier eingebracht. raffinierte Argumentation!) (Beifall bei der FDP – Stephan Brandner Wenn es dann heißt, das sei jetzt Klientelpolitik zu- [AfD]: Diesen peinlichen, schlampigen An- gunsten der Rechtsanwälte, dann nehme ich das eher als trag meinen Sie?) Kompliment entgegen. Lassen Sie es mich so ausdrü- cken: Diejenigen, die sich von Berufs wegen mit Recht, – Herr Brandner, das mit dem „peinlich“ würde ich gera- mit Gesetz und dem Rechtsstaat befassen, kommen dann de an Ihrer Stelle sehr, sehr vorsichtig handhaben. möglicherweise schneller als andere zu dem Ergebnis, dass dieser Rechtsstaat bei den Freien Demokraten ziem- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lich gut aufgehoben ist. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Warum (Beifall bei der FDP – Stephan Brandner denn?) [AfD]: Der Antrag spricht aber dagegen!) Zu Beginn Ihrer Ausführungen habe ich noch gedacht: Guck mal an, der bringt ja zwei vernünftige Sätze zusam- Vizepräsidentin Petra Pau: men. – Aber dann Das Wort hat der Kollege für die Fraktion Die Linke. (Stephan Brandner [AfD]: Sind Sie einge- schlafen, oder was?) (Beifall bei der LINKEN) 11882 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

(A) Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): häufig nicht leisten können. Betroffen sind Menschen, (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle- die gezwungen sind, für Hungerlöhne zu arbeiten, und ginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Antrag der vor allem Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen Fraktion der FDP mit dem Titel „Rechtsanwaltsgebühren nach dem SGB II und XII. Das sind Menschen, die unter zukunftssicher gestalten“. Vorab gesagt: Wir unterstützen der mangelhaften Hartz-IV-Gesetzgebung schon genug dieses Anliegen. zu leiden haben. Glauben Sie mir: Das habe ich in meiner Tätigkeit als Sozialrichter oft erleben müssen. (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Zu einer existenziellen Bedrohung zähle ich es aber GRÜNEN) ausdrücklich auch, wenn Menschen um ihr Aufenthalts- recht in Deutschland streiten. Diese Regierung schiebt Noch vor der Sommerpause ein konkretes Konzept zur Menschen in Bürgerkriegsländer wie Afghanistan ab und Reform des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsan- gewährleistet hier keinen adäquaten Rechtsschutz. Das, wältinnen und Rechtsanwälte vorzulegen, ist von der was durch engagierte Anwältinnen und Anwälte unter Bundesregierung nicht zu viel verlangt. hoher Arbeitsbelastung und unzureichender Vergütung (Beifall bei der LINKEN und der FDP) geleistet wird, wird durch Mitglieder dieser Bundesregie- rung auch noch als „Anti-Abschiebe-Industrie“ verun- Das reformierte RVG muss sowohl die Forderung glimpft. Meine Damen und Herren, das ist eine Sauerei, nach einer strukturellen als auch einer linearen Anpas- um es einmal deutlich zu sagen. sung der Gebühren enthalten. Dabei muss die Tariflohn- entwicklung berücksichtigt werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- (Beifall bei der LINKEN – Stephan Brandner ten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Im- [AfD]: Genau! Prima!) mer dieses Flüchtlingsthema! Mein Gott! Sie können nur Flüchtlinge, oder?) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte müssen in der Lage sein, wirtschaftlich arbeiten zu können, ohne von Erhöhen Sie besser erst einmal die Gegenstandsstreit- Mandaten mit höherer Gebührenvereinbarung abhängig werte in den Asylverfahren, damit diese überhaupt an- zu sein. gemessen anwaltlich betreut werden können! Oder noch besser: Beenden Sie diese Abschiebepolitik! (Stephan Brandner [AfD]: Genau!) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Von daher ist es zu begrüßen, wenn die FDP sich diesen NIS 90/DIE GRÜNEN) Bedürfnissen auch außerhalb großer Wirtschaftskanzlei- (B) en zuwendet. Zum Thema Gegenstandsstreitwerte erlaube ich mir (D) eine weitere Anmerkung. Es gibt auch Rechtsbereiche, in (Beifall bei der LINKEN und der FDP) denen wir durchaus über niedrigere Werte reden sollten. Die laufende Anpassung der Vergütung an die Tarif- Das betrifft ganz besonders massenhafte Abmahnungen lohnentwicklung wäre übrigens auch an anderer Stel- im Bereich des Urheberrechts: ein durchaus profitables le dringend nötig, nicht nur beim Mindestlohn. Gerade Geschäft mit Standardbriefen und vielen unbedarften diese Woche diskutierten wir im Ausschuss für Recht Konsumentinnen und Konsumenten, die der Anwalt- und Verbraucherschutz die Vergütung der Berufsbetreu- schaft in diesem Bereich lukrative Profite bei überschau- erinnen und Berufsbetreuer. Meine Damen und Herren barem Aufwand versprechen. Hier sollten die Schlupf- der Koalitionsfraktionen, hier geht es bei vielen um die löcher geschlossen und eine wirksame Bagatellregelung nackte wirtschaftliche Existenz. Zugleich muss in diesem geschaffen werden, die kostenpflichtige Abmahnungen Land eine adäquate Betreuung gewährleistet werden. unterbindet. Kommen Sie auch hier endlich zu einer sachgerechten (Stephan Brandner [AfD]: Dazu gibt es übri- Lösung. gens nächste Woche einen AfD-Antrag!) (Beifall bei der LINKEN und der FDP – Es bleibt jedoch insgesamt dabei, dass die Forderung Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: der Anwältinnen und Anwälte nach angemessener Ver- Nächste Woche!) gütung berechtigt ist. Insoweit weist der Antrag der FDP Mit den Forderungen im Antrag der FDP ist es aus un- auch deutlich in die richtige Richtung. Wir werden daher serer Sicht noch nicht getan. Meiner Fraktion und mir zustimmen. geht es um die Gewährleistung des grundgesetzlichen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Anspruchs der Bürgerinnen und Bürger auf Gleichheit im Recht. Dieser Anspruch muss eben auch unabhängig (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie vom Geldbeutel der rechtsuchenden Person gewährleis- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE tet sein. Hier bestehen gravierende Defizite. GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Nehmen wir zum Beispiel die Prozesskostenhilfe. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Katja Diese wird von Menschen benötigt, die mit ihrem kärg- Keul das Wort. lichen Einkommen kaum über die Runden kommen und sich deshalb die Kosten eines Gerichtsverfahrens allzu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11883

(A) Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig ist, dass die Länder die Kosten für die Pro- (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und zesskostenhilfe tragen müssen, die sich durch die Gebüh- Kollegen! Die Anwaltschaft ist als unabhängiges Organ renordnung ebenfalls erhöht. Aber letztlich ist die Pro- der Rechtspflege eine tragende Säule unseres funktionie- zesskostenhilfe auch zu Recht eine öffentliche Aufgabe, renden Rechtsstaates. Um bundesweit den Zugang zum die nicht allein auf Kosten der Anwaltschaft erbracht Recht zu gewährleisten, sind wir ganz besonders auch werden darf. auf die Einzelanwälte und auf kleinere Kanzleien in der (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Fläche angewiesen. NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- (Stephan Brandner [AfD]: Genau das habe ten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Jürgen ich auch gesagt!) Martens [FDP]) In diesen Kanzleien werden in der Regel keine Honorar- Die Prozesskostenhilfegebühren sind nämlich deutlich vereinbarungen getroffen, wie das bei den Großkanzleien niedriger als die normalen Gebühren und nach oben üblich ist, sondern es wird weiterhin nach dem Rechtsan- gedeckelt. Wo gibt es das schon, dass Berufsträger von waltsvergütungsgesetz abgerechnet. Gesetzes wegen verpflichtet werden, für eine geringere Vergütung zu arbeiten, um den Zugang zum Recht für (Stephan Brandner [AfD]: Auch das habe ich Bedürftige sicherzustellen? Die Prozesskostenhilfe ist gesagt!) eine Stärke unseres Rechtsstaates, um die uns viele ande- re Länder beneiden, und sie kostet uns noch nicht einmal Diese staatliche Gebührenordnung ist eine soziale Er- viel. Der staatliche Aufwand für die Prozesskostenhilfe rungenschaft aus der Zeit der Gründung der Sozialversi- in Deutschland beläuft sich gerade einmal auf 5 Euro cherung und sollte sicherstellen, dass die Rechtsangele- pro Einwohner und Jahr. Das sollte uns der Zugang zum genheiten aller Bürger bearbeitet werden, indem für hohe Recht für alle in diesem Rechtsstaat schon wert sein, und Streitwerte höhere Gebühren als für niedrigere Streitwer- das sollte aus dem allgemeinen Steueraufkommen auch te anfallen, unabhängig vom Zeitaufwand. Durch diese zu leisten sein. sogenannte Mischrechnung sollen sowohl arme als auch reiche Rechtsuchende zu ihrem Recht kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Über die Zeit hat dieses System natürlich auch Schwä- Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP]) chen entwickelt, da viele Berater von Großmandanten und Unternehmen heute gar nicht mehr nach der Gebüh- Wenn die Menschen nämlich keinen Zugang mehr zu renordnung abrechnen, sondern Stundenhonorare verein- bezahlbarer Rechtsberatung haben, weil immer weniger (B) (D) baren. Das ist für viele Rechtsuchende nicht bezahlbar. Anwaltskanzleien bereit sind, nach der Gebührenord- Die Flucht in die Stundenhonorare belastet außerdem die nung abzurechnen oder Prozesskostenhilfemandate an- Mischrechnung der verbleibenden Anwältinnen und An- zunehmen, dann schaffen wir Probleme, die uns am Ende wälte, die nach wie vor in der Fläche für die Menschen richtig teuer zu stehen kommen. Wir Grüne halten daher zur Verfügung stehen. Sie sind quasi die Hausärzte des eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren ebenfalls für Rechtsstaates. dringend notwendig und stimmen dem FDP-Antrag heu- te zu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN CSU]) und bei der FDP) Die Gebührenordnung stellt für diese Anwälte immer Allerdings gibt es aus der Anwaltschaft heraus noch noch die Abrechnungsgrundlage dar und garantiert auch einige weitere wichtige Vorschläge zu strukturellen Än- einkommensschwächeren Bürgerinnen und Bürgern den derungen, die unter anderem die Vergütung im Familien- Zugang zum Recht. Damit das auch so bleibt, ist es wich- und Sozialrecht betreffen. Auch mit diesen strukturellen tig, dass sich die dort festgeschriebene Vergütung auch Anpassungen sollten wir uns näher befassen. Wer bereit an den tatsächlichen Kosten orientiert. Das ist sechs Jah- ist, bedürftige Rechtsuchende zu vertreten, soll dadurch re nach der letzten Anpassung nicht mehr der Fall. Nicht nicht zwangsläufig selbst bedürftig werden. nur das elektronische Postfach hat etliche IT-Nachrüstun- gen erforderlich gemacht. Dazu kommen kontinuierlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steigende Kosten für Gehälter, Fortbildungen, Miete und sowie bei Abgeordneten der FDP und der Büroführung. LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie doch mal was zu dem grünen Justizsenator Eine Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren ist auch von Hamburg! Warum mauert denn Hamburg nicht zwangsläufig an eine Erhöhung der Gerichtskosten die ganze Zeit?) geknüpft, auch wenn die Ländervertreter das so einfor- dern. Das würde nämlich wieder zusätzliche Hürden für – Im Übrigen gehört Hamburg noch nicht zum ländlichen rechtsuchende Bürgerinnen und Bürger schaffen. Die Niedersachsen, um das ergänzen zu dürfen. Gerichtskosten sind nicht dazu da, die außergerichtlichen Kosten abzudecken, sondern, wie der Name schon sagt, (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – die bei Gericht anfallenden Kosten. Anwaltsgebühren Stephan Brandner [AfD]: Warum macht Ham- hingegen sind außergerichtliche Kosten. burg nichts?) 11884 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: sie Steuern zahlen, dass Menschen gutbezahlte Arbeit (C) Die Reden der Kollegin Sonja Amalie Steffen für die finden und dass der Mittelstand das Rückgrat unserer so- SPD-Fraktion zialen Marktwirtschaft bleibt. (Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber scha- (Beifall bei der CDU/CSU) de!) Wachstum und Wohlstand erreicht man eben nicht mit und des Kollegen Alexander Hoffmann für die CDU/ Planwirtschaft und Enteignungen, sondern dadurch, dass CSU-Fraktion deutsche Unternehmen neue Märkte erschließen und die besten Produkte entwickeln. Dazu brauchen sie irgend- (Stephan Brandner [AfD]: Ich bin deshalb wann Kapital. Mit dem vorliegenden Gesetz können sich gekommen!) Unternehmen leichter über die Kapitalmärkte und über nehmen wir zu Protokoll.1) Damit schließen wir die Aus- Crowdfunding finanzieren. Bereits im letzten Jahr ha- sprache. ben wir dafür gesorgt, dass Unternehmen erst bei Wert- papieremissionen ab 8 Millionen Euro einen teuren und Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- aufwendigen Prospekt erstellen müssen. Dabei haben wir ses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der den europarechtlichen Spielraum komplett ausgenutzt. Fraktion der FDP mit dem Titel „Rechtsanwaltsgebühren Mit dem vorliegenden Gesetz erleichtern wir KMUs den zukunftssicher gestalten“. Der Ausschuss empfiehlt in Zugang zu den Kapitalmärkten weiter. seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/10002, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/8266 (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Das Bundesfinanzministerium hatte schon mit dem lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Gesetzentwurf unsere Forderung aufgenommen, die Aus- Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- nahmeregelung für CRR-Kreditinstitute auf 8 Millionen onsfraktionen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion, der Euro auszuweiten. Durch die starke Regulierung ist diese Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Erleichterung gerade für kleine Banken und Sparkassen Grünen bei Enthaltung der AfD-Fraktion angenommen. geboten. Das begrüßen wir sehr. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Als Union konnten wir auch bei den Einzelanlage- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- schwellen ein paar Verbesserungen für die Anleger errei- setzes zur weiteren Ausführung der EU-Pro- chen. Bei Bezugsrechtsemissionen und für die meisten spektverordnung und zur Änderung von GmbH & Co. KGs entfallen diese Schwellen komplett. (B) Finanzmarktgesetzen Bei prospektfreien Angeboten heben wir sie leicht an. (D) Drucksachen 19/8005, 19/8617, 19/9079 Nr. 6 Das geht in die richtige Richtung. Aber mehr war mit der SPD leider nicht zu machen. Sie war an dieser Stelle ein Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- bisschen mutlos. Der Bundesrat war schlauer. Er hatte ausschusses (7. Ausschuss) schon im letzten Jahr zu Recht kritisiert, dass damit die Drucksache 19/10000 Entscheidungshoheit der Privatanleger beschränkt wird. Auch einige SPD-geführte Länder hatten diese Weis- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für heit. Wir als Union wollen Anleger informieren, damit die Aussprache 27 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- sie eigene Anlageentscheidungen treffen können. Die nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. SPD will Anleger bevormunden und ihnen pauschal vor- Sobald die notwendige Aufmerksamkeit hergestellt schreiben, wie viel Geld sie in welche Anlagen investie- ist, können wir auch mit den Beratungen beginnen. ren dürfen. Das ist nicht der Anlegerschutz, wie wir ihn uns vorstellen. Das Wort hat der Kollege für die CDU/CSU-Fraktion. Auch durch Crowdfunding wird die Kapitalaufnahme einfacher. Künftig muss erst ab einer Emission im Wert (Beifall bei der CDU/CSU) von 6 Millionen Euro ein aufwendiger Prospekt erstellt werden. Diese Grenze lag vorher bei 2,5 Millionen Euro. Matthias Hauer (CDU/CSU): Gerade für Start-ups wird dadurch die Kapitalaufnahme Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und durch Schwarmfinanzierung erleichtert. Wir verbessern Herren! Wir entscheiden heute über die weitere Ausfüh- zudem den Anlegerschutz. Bei einer Schwarmfinanzie- rung der EU-Prospektverordnung. Wir wollen Unter- rung für Immobilien kann der Anleger nun schon im In- nehmen den Zugang zu den Kapitalmärkten erleichtern. formationsblatt erkennen, wie das Objekt besichert ist: Gerade kleine und mittlere Unternehmen erhalten damit schuldrechtlich oder dinglich. Durch die stärkere Ent- eine größere Vielfalt an Finanzierungsmöglichkeiten. flechtung von Emittent und Crowdfunding-Plattform In Zeiten, in denen einige Politiker ihre linken Träume stärken wir die Intermediärfunktion der Plattform. von Planwirtschaft und Enteignung ausleben wollen, ist Bei einem anderen Punkt hat die SPD ihre eigene es umso wichtiger, zu sagen: Wir als CDU/CSU wollen, Mutlosigkeit sogar noch getoppt: bei der Behandlung dass Unternehmen in Deutschland wachsen können, dass der GmbH-Anteile. Wir alle wissen, dass die weit über- wiegende Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen 1) Anlage 5 in Deutschland in der Rechtsform der GmbH organisiert Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11931

(A) und Unterstützung des Versöhnungsprozesses, der Aus- gigkeit der Bevölkerung von Hilfslieferungen deutlich (C) bau der wirtschaftlichen Aufbauhilfe, die Intensivierung verstärkt. Die Zahl der Schiffe, die Hilfsgüter durch den der Korruptionsbekämpfung und massive finanzielle Golf von Aden transportieren, ist gestiegen. Dies bedingt Mittel für Bildung und Ausbildung. Um diese Maßnah- einen höheren Schutzbedarf. Auch im Jahr 2019 kam es men umzusetzen, bedarf es aber keines Bundeswehrein- zu versuchten Piratenangriffen, in Form von verdächti- satzes, sondern einer langfristigen und nachhaltigen Stra- gen Annäherungen und Feuereröffnungen. Wir müssen tegie ziviler Maßnahmen. daher zwischen den schwerwiegenden Bedenken gegen einen möglichen Einsatz an Land und den Bedrohungen Die Entsendung von Bundeswehrsoldaten in diese Re- durch Piraterie für die humanitäre Versorgung der soma- gion halten wir für nicht verantwortbar. lischen Bevölkerung abwägen. Wir kommen zu dem Schluss, dass wir dem Mandat zustimmen. Wir wollen die Versorgung der Bevölkerung Anlage 4 angesichts der weiterhin sehr ernsten humanitären Lage auf dem Seeweg sicherstellen. Angesichts der bisher sehr Erklärung nach § 31 GO zurückhaltenden Nutzung der Landoption und des wach- der Abgeordneten Dr. , Kerstin senden Ernsts der humanitären Lage ist unsere Entschei- Andreae, Dr. , Dr. , dung für eine Zustimmung zu dem Mandat gefallen. Dies Ekin Deligöz, , Dr. Bettina Hoffmann, ist eine Gewissensentscheidung. Davon unbenommen , , Omid fordern wir mehr Anstrengungen, um die Ursachen die- Nouripour, Tabea Rößner, Stefan Schmidt und ser anhaltenden Krise nachhaltig zu beseitigen. (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses Anlage 5 zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräf- Zu Protokoll gegebene Reden te an der durch die Europäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta zur Be- zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- kämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias richts des Ausschusses für Recht und Verbraucher- (Tagesordnungspunkt 10) schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, , Renata Alt, wei- Seit 2008 beteiligt sich Deutschland an der Mission terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: (B) EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta. Die Mission Rechtsanwaltsgebühren zukunftssicher gestalten (D) hat die Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesordnungspunkt 15) und am Horn von Afrika zum Ziel, dabei steht der Schutz humanitärer Hilfslieferungen des Welternährungspro- Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Den vorliegen- gramms an die somalische Bevölkerung an erster Stelle. den Antrag der FDP haben wir in der Ausschusssitzung Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dem Mandat in dieser Woche diskutiert. Bereits in dieser Ausschuss- lange zugestimmt. Unsere Unterstützung geschah im sitzung, aber auch bei früheren Diskussionen im Aus- Wissen darum, dass diese Mission nur eine Symptombe- schuss ist deutlich geworden, dass wir in der Sache einer kämpfung sein kann, denn die Ursachen für die Piraterie Meinung sind: Die Rechtsanwaltsvergütungen wurden liegt zuvörderst in der andauernden Krise des somali- letztmalig im Jahr 2013 angepasst. Vergegenwärtigt man schen Staats. sich alleine die Reallohnsteigerung in dieser Zeit, so wird Im Jahr 2012 wurde das Mandat um die Möglichkeit deutlich, wie überfällig eine entsprechende Anpassung ergänzt, auch an Land zu operieren. Die Landoption er- ist. möglicht es, in einem 2 Kilometer in das Landesinnere Die Koalitionsfraktionen haben allerdings auch in den reichenden Küstenstreifen zu operieren, und hat den Ausschusssitzungen jeweils konkret deutlich gemacht, Charakter der Mission verändert. Viele Expertinnen und warum uns ein einfacher Beschluss in diesem Haus, so Experten warnten damals davor, dass Operationen an wie es sich FDP und AfD vorstellen, alleine nicht reicht. Land zur Eskalation des Konflikts in Somalia beitragen und die Mission in innersomalische Kämpfe verwickeln Denn wenn man die Sache konstruktiv voranbringen könnten – zum Schaden ihres eigentlichen Ziels. Aus die- möchte, dann geht das nur mit der Zustimmung der Län- sem Grund hat sich die grüne Bundestagsfraktion bei den der. Auch dachten wir, dass wir bei den Betreuervergü- Abstimmungen zu diesem Mandat in den vergangenen tungen die Umsetzung beschleunigen, wenn wir quasi Jahren mit großer Mehrheit enthalten. In den vergange- mit der Brechstange ohne die Länder Beschlüsse dieser nen sieben Jahren hat allerdings Atalanta lediglich ein- Art fassen. Bei der Betreuervergütung hat das dazu ge- mal an Land operiert. Der Nutzen der Landoption muss führt, dass wir im Bundesrat mit 16 : 0 gescheitert sind. also infrage gestellt werden. Das Eskalationsrisiko bei Dies erzeugt bis heute eine Verzögerung, die zu vermei- einem erneuten Einsatz dieser Art besteht weiterhin. den gewesen wäre, hätten wir die Länder eingebunden. Gleichzeitig hat sich die humanitäre und politische Wer also aus diesen Fehlern lernen will und es sach- Lage in Somalia in den vergangenen Jahren verändert. lich ernst mit der Anhebung der Rechtsanwaltsvergütung Aufgrund der anhaltenden Dürren hat sich die Abhän- meint, der ist klug beraten, wenn er die Länder einbindet. 11932 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

(A) Das hat das Ministerium mit einer Abfrage im Die Länder haben die Stellungnahme zunächst recht (C) April 2018 gemacht. Natürlich hätte man das forcieren zögerlich abgegeben, aber inzwischen liegen 15 von können und bereits die Abfrage mit einer Fristsetzung 16 Stellungnahmen vor. Die Länder haben uns zugesagt, versehen können. Sei’s drum, mittlerweile haben sich dass sie sich Mitte Juni in der Justizministerkonferenz von 16 Ländern 15 zurückgemeldet. Lediglich Hamburg mit dem Thema umfassend beschäftigen wollen. fehlt, das sei mit Blick auf die Grünen, die dort in Verant- wortung stehen, auch angemerkt. Und nun zurück zu Ihrem Antrag, Kolleginnen und Nun geht es darum, ein Gesamtpaket zu schnüren. Kollegen von der FDP. Sie werden sich vielleicht noch Hier kann unter anderem auch die Frage eine Rolle spie- fragen: Warum sollten wir diese Konferenz abwarten, len, ob nicht auch gleichzeitig eine Anpassung der Sach- statt ein Bundesgesetz zu erlassen? Das erkläre ich Ihnen verständigenvergütung, der Zeugenentschädigung und gern: Das Gesetz wäre ein sogenanntes Zustimmungs- der Gerichtsgebühren stattfinden kann. gesetz, das heißt, die Zustimmung der Länder über den Im Interesse einer solchen Lösung auf lange Sicht Bundesrat ist für das Zustandekommen des Gesetzes sollten wir uns die Zeit nehmen. Daher lehnen wir den zwingend erforderlich. Antrag ab. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange hat uns am Mittwoch im Rechtsausschuss an dem Bei- Sonja Amalie Steffen (SPD): Die FDP-Fraktion for- spiel der Berufsbetreuer noch einmal vor Augen geführt, dert mit ihrem Antrag die Bundesregierung auf, ein Kon- was passieren kann, wenn der Bund im Hauruckverfah- zept zur Reform des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorzulegen, den Ländern eine Frist zur Stellungnahme zu ren ein Gesetz erlässt, das wegen der auf die Länder zu- setzen und dabei auch über eine Indexierung der Rechts- kommenden Kosten zustimmungspflichtig ist: Die Län- anwaltsvergütung nachzudenken. der haben das Gesetz einstimmig abgelehnt. Und dann ist es bedauerlicherweise in der letzten Legislaturperiode Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Das darf uns nicht waren schon bei der letzten Gebührenerhöhung für die noch einmal passieren (übrigens auch nicht in Bezug auf Rechtsanwälte dabei, denn sie ist im Jahr 2013 erfolgt, die Berufsbetreuer). Deshalb ist eine Kooperation mit mit dem sogenannten 2. Kostenrechtsmodernisierungs- den Ländern zwingend erforderlich. gesetz. Es sei vorausgeschickt, dass wir in Deutschland eine Allerdings besteht für die Länder kein wirklicher besondere Situation haben. Das RVG stellt ein gesetz- Grund zur Sorge, denn im Vergleich zu den Gesamtetats (B) (D) liches Tarifsystem dar. Dadurch entsteht Kostentrans- der Länderhaushalte sind die Ausgaben für PKH und parenz, und der Zugang zum Recht wird für jedermann VKH und Beratungshilfe extrem gering. Diese Kosten gesichert. machen nicht einmal 5 Prozent der Haushalte der Jus- Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und die Bundes- tizministerien aus. Der Anteil am jeweiligen Gesamtetat rechtsanwaltskammer (BRAK) haben nun einen Forde- der Länder liegt bei unter 0,2 Prozent. Und wenn wir rungskatalog erarbeitet, den sie am 16. April 2018 un- über eine Gebührenerhöhung reden, dann reden wir nur serer Ministerin übergeben haben. Die über einen Bruchteil davon. Und andererseits: Bei einer Forderungen vom DAV und BRAK sind nicht von der Gebührenanpassung kommt es ja über die Umsatzsteuer Hand zu weisen. Da gibt es sehr vernünftige Ideen, zum auch wieder zu Mehreinnahmen der Länder, sodass die Beispiel die Anhebung der Rahmengebühr im Sozial- zusätzliche Belastung für die Länder noch geringer aus- recht. Derzeit beträgt die PKH-Gebühr für ein komplet- fällt. tes sozialgerichtliches Verfahren mit Widerspruchsver- fahren 916 Euro (brutto!), also circa 750 Euro netto vor Wir sind uns jedenfalls alle einig, dass die Ermögli- Steuer. Und jeder, der Fälle im Sozialrecht kennt, weiß, chung des Zugangs zum Recht für Bürger mit geringem wie betreuungsaufwendig sie sind. Einkommen eine ureigene Aufgabe des Rechtsstaates ist Ebenso wird die Anhebung des Verfahrenswertes in und dafür ausreichende Steuermittel zur Verfügung ge- Kindschaftssachen gefordert. Die Gebühr beträgt im stellt werden müssen. VkH-Verfahren 621 Euro brutto, das sind circa 500 Euro netto. Wenn man nun noch weiß, dass 70 Prozent der Fäl- Eine Erhöhung der Gerichtsgebühren wäre aus Sicht le der kleinen Anwaltskanzleien sich aus Fällen mit ge- der SPD der falsche Weg, weil dies einseitig zulasten der ringem Streitwert rekrutieren, dann kann man verstehen, Rechtssuchenden ginge. dass die Anwälte zu Recht eine Erhöhung fordern. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der Jubiko und Das Bundesministerium für Recht und Verbraucher- sollten anschließend in einen konstruktiven Dialog mit schutz hat dieses Bedürfnis übrigens auch gesehen und daher den Vorschlag von BRAK und DAV an die Länder den Ländern treten. Unser Ziel muss es sein, in dieser geschickt. Die Zustimmung der Länder ist nämlich not- Legislaturperiode zu guten Ergebnissen zu gelangen, und wendig, da sie über die Ausgaben für Prozesskostenhilfe zwar nicht nur für die Anwälte, sondern auch für die Be- und Verfahrenskostenhilfe unmittelbar von der Erhöhung rufsbetreuerinnen und -betreuer. Denn gerade auch sie der Anwaltsgebühren betroffen sind. verdienen eine bessere Vergütung.