Deutscher – 19. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. März 2021 27745

Sören Pellmann (A) berechtigten Personenkreis begrüßen wir ebenso wie (Beifall bei der LINKEN) (C) zweitens die minimalen Verbesserungen bei der Betreu- Ebenso bleiben die Qualitätsstandards im Gesetz unklar. ung der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden im SGB II Assistenzhunde retten Leben und machen die Bewäl- und III. tigung des Alltags erst möglich; deswegen sind sie zu Bis zur Beschlussfassung, Herr Oellers – ich bin Ihnen fördern – nicht nur 100 Hunde, sondern deutlich mehr. sehr dankbar, dass Sie es schon angeführt haben –, gibt es (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) noch viele Punkte, wo nach unserer Auffassung nachge- steuert werden muss. Abschließend: Es muss grundlegend, flächendeckend und themenübergreifend teilhabeorientiert gedacht wer- (Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜND- den. Meine Empfehlung, liebe Koalition: Nutzen Sie die NIS 90/DIE GRÜNEN]) Zeit bis zum Beschluss hier im Hohen Hause! Reden Sie kündigte zum Beispiel im Dezember des mit Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern! Da vergangenen Jahres an, die Erhöhung der Ausgleichsab- geht noch eine Menge. Als Geburtstagsversprechen zum gabe zu formulieren. Im vorliegenden Entwurf? Fehlan- heutigen zwölften wäre es ein erster Anfang. zeige! Vielen Dank. Verpflichtende und verbindliche Regelungen für Leis- (Beifall bei der LINKEN) tungserbringer und Rehaträger beim Gewaltschutz? Lei- der nicht vollumfänglich erfüllt. Vizepräsidentin : Umfassende Verbesserung und barrierefreie Beratung Vielen Dank. – Das Präsidium würde sich tierisch und Vermittlung, die einheitlich durch die Bundesagentur freuen, wenn sich alle an ihre Redezeiten halten würden. für Arbeit zu erfolgen hat? Fehlanzeige! Das Wort geht an Corinna Rüffer von der Fraktion Barrierefreiheit bei den geplanten digitalen Gesund- Bündnis 90/Die Grünen. heitsanwendungen im SGB IX? Fehlanzeige! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und etwas geht gar nicht: Das Zwangspooling hat weiterhin Bestand. – Das geht so nicht! Wo wird hier Teilhabe gestärkt? Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. und Demokraten! Wenigstens Sören Pellmann hat es Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- erkannt: Heute vor zwölf Jahren war ein großartiger NEN]) Tag in diesem Land! Es war die Geburtsstunde der Ver- (B) (D) Die Linke fragt daher bei der Erarbeitung ihrer Anträge pflichtung zu einer menschenrechtsorientierten Politik auch: Wie sieht denn die Realität der Betroffenen aus? für Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Die Beispiel Assistenz: Betroffene berichten vom Hickhack UN-BRK hat damals eine enorme Wucht entfaltet. Sie bei der Mitnahme von Assistenzkräften in Krankenhäu- hat Menschen mit Behinderungen, ihre Freunde und ser, zur Reha oder in Hospizeinrichtungen. Familien dazu ermutigt, sich endlich offensiv für ihre Rechte einzusetzen. Erstens. Assistenzen kennen die Betroffenen am besten und können insbesondere in lebensbedrohlichen Situatio- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen Sicherheit vermitteln. und bei der LINKEN) Zweitens. Die Zuständigkeiten zwischen Bundesmi- Nun stehen wir heute in diesem Hohen Haus, mitten in nisterium für Arbeit und Soziales und Bundesministe- der Pandemie, in der Menschen mit Behinderungen weit- rium für Gesundheit müssen sofort geklärt werden. Lö- gehend vergessen und, ja, auch ignoriert worden sind. sung könnte sein, die Finanzierung wie bei anderen Viele von ihnen haben die letzten 13 Monate in absoluter Assistenzleistungen über das SGB IX zu formulieren. Isolation verbracht, weil sie schwere Verläufe von Covid- 19 befürchten mussten – und sie warten bis heute auf eine (Beifall bei der LINKEN) Impfung. Zu häufig endet Teilhabe leider an der falschen oder (Zuruf des Abg. Sören Pellmann [DIE LIN- fehlenden Infrastruktur. Erstens. Wir wollen flächende- KE]) ckend in eine soziale, inklusiv ausgestaltete Infrastruktur investieren. Zweitens. Inklusive und barrierefreie Wohn- Von Inklusion also in dieser Zeit wirklich keine Spur. Nix angebote und öffentliche Räume müssen vorranging Teilhabestärkung! Sämtliche Entscheidungen, die Men- gefördert werden. Das wäre echte Teilhabestärkung. schen mit Behinderungen betreffen, sind in den letzten 13 Monaten über ihre Köpfe hinweg gefällt worden. (Beifall bei der LINKEN) Nichts mit dem zentralen Leitmotiv der Konvention: In dem Zusammenhang verweise ich zumindest schon Nichts über uns ohne uns! einmal auf unseren Teilhabeantrag. Angesichts dieser Tristesse, hätte ich heute zu gerne Zum Schluss noch etwas zu unserem tierisch guten über ein Gesetz gesprochen, das etwas Reue erkennen Antrag. Wir begrüßen die Regelungen zu den Assistenz- lässt, das wirklich die Mängel des Bundesteilhabegeset- hunden. Leider wird die Finanzierung erneut nicht gesi- zes in den Blick nimmt und jetzt beherzt die Lösungen chert. Und dass in der Studie nur 100 Hunde berücksich- angeht und schlicht ein Versprechen einlöst: Nach dem tigt werden sollen: Das ist deutlich zu wenig. Gesetz ist vor dem Gesetz. – Stattdessen erkenne ich aber 27746 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. März 2021

Corinna Rüffer (A) nur zaghafte Schritte. Es geht zwar nicht in die völlig Vielen Dank. (C) falsche Richtung; aber es geht eben nicht beherzt in die richtige Richtung, und das wäre jetzt nötig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. [FDP]) Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Danke. – Das Wort geht an Angelika Glöckner von der Es gibt ein paar Punkte, die auch ich gut finde, zum SPD-Fraktion. Beispiel dass das Budget für Ausbildung weiterentwi- ckelt wird, damit die jungen Menschen nicht in Werk- (Beifall bei der SPD) stätten festhängen, sondern einen richtigen Platz in dieser Gesellschaft bekommen. Die Leute wollen das. Angelika Glöckner (SPD): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und und bei der LINKEN) Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung das Teil- Aber wo bleibt die spürbare Anhebung der Ausgleichs- habestärkungsgesetz. Ich finde, dieses Gesetz hat den abgabe für Unternehmen, die trotz Verpflichtung keinen Namen auch verdient. einzigen Menschen mit Behinderung einstellen? (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU] – Sören und bei der LINKEN) Pellmann [DIE LINKE]: Na ja!) Sie haben es versprochen, Herr Heil. Sie lösen es nicht Wir bringen viele Verbesserungen für Menschen mit ein. Behinderungen in vielen Lebensbereichen auf den Weg, Warum findet sich keinerlei Ansatz, die Privatwirt- wir stärken Teilhabe. Mein Dank geht dabei an Hubertus schaft zur Barrierefreiheit zu verpflichten? Das fordern Heil, der es ermöglicht hat, dass wir heute darüber bera- alle großen Verbände. Warum passiert das nicht? ten können, und an das gesamte Haus für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Staatssekretärin Griese hat bereits die umfassen- den Verbesserungen ausgeführt. Ich möchte mich auf drei Warum müssen Menschen mit Behinderungen weiter- Punkte beschränken. hin mit ihrem Einkommen und Vermögen einstehen für die Assistenz, die sie brauchen und auf die sie ein Recht Erstens. Wir erweitern das Budget für Ausbildung. (B) haben? Herr Beeck, für uns als Sozialdemokratinnen und Sozial- (D) demokraten steht immer eine qualifizierte Ausbildung im Wie sollen behinderte Menschen sich ehrenamtlich Vordergrund. Natürlich muss das auch für Menschen mit engagieren, auch in der Politik, wenn sie die Unterstüt- Behinderungen gelten. Deswegen bin ich sehr froh, dass zung nicht bekommen, die sie brauchen? wir da einen wesentlichen Schritt vorankommen. Wenn Und warum stellen wir nicht klipp und klar fest, dass sich Menschen in Werkstätten oder bei sogenannten jeder Mensch – auch mit Behinderungen – selbstver- anderen Leistungsanbietern dem allgemeinen Arbeits- ständlich ein Recht darauf hat, zu entscheiden, wo und markt zuwenden wollen, indem sie eine qualifizierte Aus- mit wem er lebt? bildung machen wollen, dann ermöglichen wir ihnen das; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zwar ist das ganz im Sinne lebenslangen Lernens, und bei der LINKEN) wenn Menschen eben erst später zu der Einsicht kom- men, dass sie eine Ausbildung machen wollen. Das ist Alle hier im Haus wissen ganz genau, dass Mädchen ein Riesenfortschritt. Das Glas ist aus Ihrer Sicht halb und Frauen mit Behinderungen Schutz brauchen, da sie leer, aber aus unserer Sicht halb voll. so sehr von Gewalt bedroht sind. Legen Sie endlich ein konsequentes Konzept vor, das diese Menschen schützt! (Beifall bei der SPD – Jens Beeck [FDP]: Dann machen wir es doch zusammen voll! – Sören Und ganz zum Schluss: Das Geschacher um die Assis- Pellmann [DIE LINKE]: Volles Glas wäre bes- tenz im Krankenhaus finde ich mittlerweile unerträglich. ser!) Ich sage Ihnen heute: Wir werden nicht ruhen, bis dafür im Laufe diese Legislaturperiode eine Lösung gefunden Ich will auch noch mal betonen, was hier von keinem wurde. der Rednerinnen und Redner bisher gesagt wurde: Wir stärken die Ausbildung natürlich auch dadurch, dass es Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: uns gelungen ist, Ausbildungsvergütungen über die ge- setzlich festgelegte Mindestausbildungsvergütung hinaus Kommen Sie bitte zum Ende. dann zu unterstützen, wenn im Betrieb gute Tarife gezahlt werden. Das ist ein richtiger Fortschritt Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Denn diese Menschen schweben in Lebensgefahr, weil (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ihnen dieses Recht nicht gewährleistet wird. und ein Riesenanreiz für die jungen Menschen, um die es Herzlichen Glückwunsch zum zwölften Geburtstag der überwiegend geht. Das bietet auch Perspektiven, gerade UN-Behindertenrechtskonvention! in diesen schwierigen Zeiten, die wir haben.