DIE MANAGER DER NAZIS Wohl Kalkuliert Und Bereitwillig Hat Sich Die Deutsche Großwirtschaft in Hitlers Militärisch-Industriellen Komplex Eingefügt
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DIE MANAGER DER NAZIS Wohl kalkuliert und bereitwillig hat sich die deutsche Großwirtschaft in Hitlers militärisch-industriellen Komplex eingefügt. Der I. G.-Farben-Konzern wurde aktiver Teil der Kriegsmaschine – er baute sogar ein eigenes KZ: in Auschwitz-Monowitz / VON NORBERT FREI n der Frankfurter Konzernzentrale herrschte Unzufriedenheit. Vor ein paar IMonaten erst hatte das Unternehmen ein übereiltes politisches Engagement mit einer millionenschweren Bauruine bezahlt. Der „Gedanke eines wirtschaftlichen Aufschlus- ses des Ostraumes“, dem die I. G. Farben gern und gierig gefolgt waren, hatte sich als Flop erwiesen. Nun, so wollte es die Politik, sollte sich die Sünde wider Wettbewerb und Weltmarktpreise wiederholen – gegen alle ökonomische Vernunft und offenkundig vor dem Hintergrund riskanter Pläne. Im Spätherbst 1940 rangen die Manager der I. G. Farben, wieder einmal, mit den Spitzen des Dritten Reiches. Ein Jahr zuvor, in der Aufbruchstimmung nach dem „Po- lenfeldzug“, als das eroberte Territorium nur darauf zu warten schien, den „neuen großen fabrikatorischen Stützpunkt für die I. G.“ abzugeben, hatte man sich auf den Bau einer Anlage für synthetischen DIE GEGENWART DER VERGANGENHEIT DER GEGENWART DIE Kautschuk im grenznahen Rattwitz bei Breslau verständigt; das Werk sollte die Pro- MUSEUM AUSCHWITZ duktion in Schkopau und Hüls ergänzen. Buna-Werke in Auschwitz: Zur Arbeit oder direkt ins Gas Doch dann war auch Frankreich gefallen wie im Spiel, und die nationalsozialistische drastischen Eingriffen in die private Unter- rer Gesamtheit seit 1933 eingegangen war. Nachkriegszukunft verhieß ein deutsches nehmerwirtschaft nicht zurückschreckte. Dabei gab es zunächst deutliche Unter- Kolonialreich mit unbegrenztem Zugriff auf Statt es zur Kraftprobe oder gar zum of- schiede. Anders als etwa bei den deutsch- billigen Naturkautschuk. Noch mehr teures fenen Konflikt mit der NS-Führung kom- nationalen Häuptern der Schwerindustrie Buna aufwendig aus Kohle zu erzeugen er- men zu lassen, suchte der I.G.-Vorstand an Rhein und Ruhr konnte im vielköpfigen gab wirtschaftlich keinen Sinn; im Sommer nach Wegen, das politisch Gewünschte mit Vorstand der „Interessengemeinschaft Far- 1940 ließ I.G.-Vorstand Dr. Otto Ambros dem ökonomisch Profitablen zu verbinden benindustrie A. G.“ von besonderer Nähe die Baustelle Rattwitz einmotten. – was am Ende um so leichter fiel, als im zum Nationalsozialismus vor der „Macht- Die verlorene Luftschlacht über England neuen deutschen Osten glänzende steuer- ergreifung“ keine Rede sein. Ein einziges und die sich mehrenden Zeichen für einen liche Abschreibungsmöglichkeiten wink- Vorstandsmitglied, so berichtet der ameri- langen Krieg veränderten die Situation ten. Also entschloss sich der Konzern im kanische Historiker Peter Hayes, war 1932 schon wenig später allerdings erneut, je- Spätherbst 1940 dann doch, ein Buna-Werk für ein paar Monate in der NSDAP. denfalls aus der Perspektive der Rüstungs- „im Osten“ zu bauen. Wochen später stand Allerdings gilt für die I. G. wie generell für planer, die nun nicht nur auf höhere Ka- auch der genaue Standort fest: Auschwitz. die deutsche Industrie: Viel ist über die pazitäten zur Herstellung des potenziell Dieser moralfreie Pragmatismus war mit- „Männer der Wirtschaft“ und ihr individu- kriegswichtigen Buna drängten, sondern nichten eine Spezialität des größten deut- elles Verhalten im Dritten Reich noch immer auch auf „luftgeschützte“ Produktion. schen Unternehmens: Es war die Basis je- nicht bekannt. Zwar mehren sich in den letz- Wollte die I. G. ihr Kunstgummi-Mono- ner verhängnisvollen Kooperation mit dem ten Jahren – als Folge der Globalisierung pol in Deutschland nicht gefährden, musste Regime, die die deutsche Wirtschaft in ih- und einer kritischen internationalen Öffent- sie reagieren. Immerhin hatte das Regime mit der Gründung der „Reichswerke Her- mann Göring“ demonstriert, dass es zur „Im Frieden für die Menschheit, im Krieg für das Vaterland.“ Durchsetzung seiner Autarkieziele auch vor Fritz Haber, Erfinder der von BASF genutzten Ammoniakgewinnung 180 der spiegel 20/2001 SERIE – TEIL 2 ❚ MANAGER OHNE MORAL Buna-Vorstandschef Ambros (stehend), Mitangeklagte beim I. G.-Farben-Prozess 1947 in Nürnberg*: „Für gesundes Deutschtum“ lichkeit – die Unternehmensgeschichten: von rem Maße Teil der Kriegsmaschine gewor- dem „Führerstaat“ gehörte eine Persona- VW über die Deutsche und die Dresdner den – obwohl die Vorstellungen der Natio- lie, die selbst in dem an Interessenver- Bank bis zu IBM. Managerbiografien aber nalsozialisten von einer rassenimperialis- quickungen nicht armen Hitler-Reich ihres- sind noch immer äußerst dünn gesät. tisch geprägten Großraumwirtschaft der gleichen suchte. Der Fall der I. G. Farben ist nicht allein ursprünglich liberalen Weltmarktorientie- Als es dem Regime nach der erstaunlich wegen der Größe des Konzerns von be- rung des Unternehmens zuwiderliefen. raschen Überwindung der Arbeitslosigkeit sonderem Interesse, er ragt auch als mora- Doch seit dem „Benzinvertrag“ vom De- seit 1935 verstärkt darum ging, die Wirt- lisches Desaster heraus: Annähernd die zember 1933, durch den es gelungen war, schaft auf Autarkie und Rüstungsproduk- Hälfte der 333000 Menschen, die das 1925 das Verlustgeschäft der synthetischen tion zu verpflichten, hatte der Konzern den zusammengefügte Kartell gegen Kriegs- Treibstoffproduktion staatlich abzusichern, richtigen Experten im Angebot: Vor- ende in seinen 334 Betrieben beschäftigte, hatten die I.G.-Chefs begonnen, sich den standsmitglied Carl Krauch. In der neu ge- waren Fremd- und Zwangsarbeiter. Kein neuen Gegebenheiten anzuverwandeln. Zu schaffenen „Vermittlungsstelle W“ (W wie anderes Privatunternehmen war in höhe- den Feinheiten dieses Arrangements mit Wehrmacht) koordinierte er die Zusam- menarbeit zwischen Privatwirtschaft und Protestierende KZ-Überlebende*: „Industrielle Kriegsverbrecher“ Reichsbehörden. Er tat dies offenkundig zur Zufriedenheit sowohl von Wirtschafts- minister Schacht als auch von Göring, dem kommenden starken Mann auf diesem Ge- biet, der den promovierten Chemiker schon bald zum Leiter der Abteilung für Forschung und Entwicklung im „Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe“ machte. Im Sommer 1936, als der „Führer“ höchstselbst auf dem Obersalzberg an der Vierjahresplan-Denkschrift feilte, arbeite- te ihm der I.G.-Manager entgegen: mit de- taillierten Berechnungen über die Verfüg- * Oben: I.G.-Farben-Vorstandsmitglieder Heinrich Hör- lein, August von Knieriem, Fritz ter Meer (vordere Reihe); Carl Lautenschläger, Hans Kühne, Wilhelm Mann und Monowitz-Betriebsmanager Walther Dürrfeld (hintere Rei- he); unten: 1997 in Frankfurt am Main während der Haupt- ACTION PRESS ACTION versammlung der „I. G. Farben in Abwicklung“. 181 SERIE – TEIL 2 ❚ MANAGER OHNE MORAL „HEIL, HERR HITLER“ Ist der Parvenü Hitler dank Millionenspenden der Großindustrie an die Macht gelangt? Tatsächlich schafften die Nationalsozialisten den Aufstieg ohne nennenswerte Hilfe der Schlotbarone. ormalerweise ließ der Düsseldor- fer Industrieclub nur einen klei- Nnen Konferenzraum im Parkhotel reservieren, wenn er seine Mitglieder zum Vortrag eines Gastredners lud. Der Club- vorstand wusste, dass üblicherweise le- diglich ein Bruchteil der Mitglieder kom- men würde. Doch am Abend des 26. Januar 1932 war sogar der Große Ballsaal des Luxus- hotels überfüllt. Einige der über 600 In- dustriellen mussten stehen; zu spät Ge- kommene konnten nur noch in einem angrenzenden Raum über Lautsprecher mithören, was der Referent von der Red- nertribüne im Ballsaal herab vortrug. Es war Adolf Hitler, der Shooting Star der Polit-Szene Anfang der dreißiger Jah- re, der dem vornehmen Industrieclub ein volles Haus bescherte. Die Unternehmer, Verbandsfunktionäre oder Syndizi woll- ten von ihm Näheres über die obskuren Wirtschaftsprogramme der Nationalsozia- listen (NS) erfahren, die mal die Verstaat- lichung der Banken und der Großindu- strie forderten, mal das Privateigentum garantierten. Hitler wusste natürlich, was das konser- vative Auditorium von ihm hören wollte – und was nicht. Er pries Leistungsprinzip und Privateigentum, wetterte gegen die Hitler, Ruhrindustrielle*: Hoffnung auf gefüllte Auftragsbücher Demokratie, in der die Fähigen von den DIE GEGENWART DER VERGANGENHEIT DER GEGENWART DIE Dummen, Feigen und Faulen majorisiert nen Gönnern, indem er die Linken aus- vorsitzender der Gutehoffnungshütte, würden. Er geißelte die Vorstellungen von schaltete und die Konzerne mit Rüstungs- Fritz Springorum vom Hoesch-Konzern, einer Wirtschaftsdemokratie und warnte, orders eindeckte? Stahlmagnat Peter Klöckner und Paul Sil- natürlich, vor dem Bolschewismus. Richtig ist die These vom frühen Macht- verberg, Herr über das größte Braunkoh- Dass der Parvenü Hitler vor einem so kartell der Reichen und der Braunen den- le-Unternehmen, mochten sich nicht dem illustren Kreis auftreten durfte, werte- noch nicht. „Bei den Ereignissen, die Hit- Volkstribun im Ballsaal zu Füßen setzen. ten Sozialdemokraten und Kommunisten ler schließlich an die Macht brachten“, Krupp schützte einen anderen Termin vor. prompt als Beweis für das Zusammenspiel konstatiert der US-Historiker Henry Tur- Albert Vögler, Vorstandsvorsitzender von Großkapital und NSDAP. Und auch ner, „spielte das Unternehmertum keine der Vereinigten Stahlwerke, und dessen linke Nazis, die – anders als Hitler selbst nennenswerte Rolle. Politisches Gewicht Stellvertreter Ernst Poensgen waren zwar – das Sozialistische im Namen der Partei und politischer Einfluss, nicht wirtschaft- erschienen, aber angetan