Auf historischen Pfaden in Oberkärnten – drei verschwundene Kirchen

Von Alfred Ogris

Ziele: , Insberg, Hühnersberg und Zelsach, Pol. Bezirk Sehenswürdigkeiten: Stiftsmuseum Millstatt, verschwundene Kirchen St. Pankraz am Insberg, St. Paul am Hühnersberg und St. Ulrich in Zelsach

Der Herbst ist bei entsprechender Witterung die ideale Zeit für Kulturausflüge. Diesmal bewegen wir uns auf den Spuren des historisch für fast den gesamten Oberkärntner Raum sowohl geistig-kulturell als auch wirtschaftlich wichtigen Stiftes Millstatt. Diese schon gegen Ende des 11. Jahrhunderts als eines der ältesten Benediktinerklöster in Kärnten gegründete monastische Einrichtung war im Lauf der Geschichte zahlreichen Veränderungen ausgesetzt, die durch die Eckpunkte 1469 (Aufhebung des Benediktinerklosters), 1598 (Ende der Herrschaft der Georgs-Ritter) und 1773 (Aufhebung des Jesuitenordens) gekennzeichnet sind. Um einen gelungenen Einstieg ins Thema zu finden, empfiehlt sich zunächst ein kurzer Besuch des Stiftsmuseums in Millstatt selbst (Öffnungszeiten, da möglicher Weise variabel, unter der Homepage, www.stiftsmuseum.at bzw. vor Ort). Am Ende der Kulturfahrt, die natürlich je nach den persönlichen Möglichkeiten auch kleinere Fußwanderungen im Umfeld der Sehenswürdigkeiten nicht ausschließt, ist noch ein Halt in der Oberkärntner Kulturstadt Gmünd empfehlenswert. Hier sind neben dem sog. Millstätter Haus verschiedenste kulturelle Aktivitäten zu beachten (zuletzt waren es zwei kleine, aber sehenswerte Dürer-Ausstellungen im Turm des Stadttores). Dass in dieser ehemals salzburgischen Stadt mit der stim- mungsvollen Burgruine auch die Gastronomie nicht zu kurz kommt, kann jeder selbst erproben.

Blick auf den Millstätter See, Millstatt und das Stift vom Insberg aus. (Foto R. Trabe)

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Den Anlass für die Empfehlung eines Kulturausflugs in Oberkärnten bildet die im Vorjahr in einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellte Edition der ältesten erhalten ge- bliebenen Millstätter Urbare (= die Vorläufer der heutigen Grundbücher) des Bene- diktinerklosters Millstatt aus den Jahren 1469/70 bis 1502. Diese wertvolle historische Quelle, die im Original in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien liegt, umfasst 257 Besitzeinheiten (Huben, Schwaigen) in einem Gebiet, das man ungefähr folgend umschreiben kann: im Osten bis Zirkitzen im Kirchheimer Tal und bis zum Verditz, im Süden bis Ferndorf und Nikelsdorf sowie bis zum Weißensee, der u. a. wegen seines Fischreichtums für das Kloster wichtig war, im Westen bis und in die Gegend um Greifenburg, im Nordwesten bis ins obere Mölltal (Urbar von Sagritz) und im Norden bis ins Liesertal (Rennweg) und ins Katschtal. Aus dem Mittelkärntner Raum gesellten sich 1502 noch die Ämter Sternberg (nördlich des Wörthersees) und Griffental (im Gurktal) dazu. Somit stellen diese Urbare für einen ansehnlichen Teil der Oberkärntner Bevölkerung eine wichtige Quelle für die Erforschung der Wirtschaftsführung (Huben, Schwaigen, Handwerker etc.), aber auch für die Hof- und Familienforschung dar.

Innerhalb dieses beschriebenen großen Raumes gilt es nun, eine Reiseroute zusammen zu stellen, die unter das Motto „Suche nach drei verschwundenen Kirchen“ gestellt werden soll. Denn in den genannten Urbaren scheinen bäuerliche Untertanen auf, die zu den Kirchen St. Pankraz am Insberg, St. Paul am Hühnersberg und St. Ulrich in Zelsach abgabepflichtig waren. Alle drei gibt es heute nicht mehr, jedoch lohnt es sich, ihnen auf historischen Pfaden nachzuspüren. Es handelt sich dabei um Örtlichkeiten, von denen eine schöner und romantischer gelegen ist als die andere. Von den beiden ersteren bietet sich zusätzlich eine wunderbare Aussicht auf den Millstätter See, ins Drautal und ins . Da der Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen das Gebiet dieser drei Kirchen umfasst, muss der gesamte Kleinkirchheimer, St. Oswalder und Radentheiner Raum inclusive der Schwarz- wälder (Laufenberg etc.), aber auch das Gebiet westlich von Millstatt und vor allem die Siedlungsterrasse oberhalb von Millstatt mit Matzelsdorf, Obermillstatt, Treffling usw. unbeachtet bleiben. Dafür wäre ein eigener Ausflug zu planen.

Der Weg führt uns zunächst von Millstatt am Nordufer des Sees über Dellach nach Döbriach, wo schon 1465, also nur wenige Jahre vor der Klosteraufhebung 1469, Kaiser Friedrich III. für den Fischer Enz von Döbriach, der dort ein Lehen besaß, intervenierte. Wer hier schon eine Kaffeepause einlegt, ist gut beraten; finden sich im Ortskern doch etliche versteckte Hinweise auf das Wirken Millstatts am Ostufer des Sees (z. B. ein Messkelch, der ins Holz einer alten Mühlenhütte geschnitten wurde). Von hier geht es zunächst weiter Richtung Insberg, der früher Mönchsberg und auch Minichsberg (sowie Münichsberg) hieß. Auf dem Weg dorthin bewältigen wir vorerst den Glanz (von slow. Klanec – der Hügel), wovon sich auch der Familienname Glantschnig bzw. Klančnik ableiten lässt. Auf der Anhöhe bzw. knapp davor weist ein Verkehrsschild nach Insberg (rechts abbiegen). In dieser kleinen, idyllisch gelegenen Ortschaft zieht der Maierhof, Hausnr. 4, die Blicke wie magisch an sich. Nach den Amthöfen, deren imposantesten wir am Ende des Kulturausflugs in Oberbuch bei Gmünd bewundern können, waren die Maierhöfe für das Stift Millstatt wichtige Verwaltungspunkte auf einer mittleren Ebene. Die Erinnerung an die Millstätter „Patres“ (= die Jesuiten) ist bei den Hausleuten noch heute lebendig. Neben mehreren Bibelsprüchen an der Außenwand des Gebäudes ist vor allem eine Bauinschrift von 1574, betreffend den Meister Erasmus Rainer, interessant.

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Der Maierhof auf dem Insberg. (Foto R. Trabe) Die Bauinschrift von 1574 weist auf das hohe Alter des Gebäudes hin. (Foto R. Trabe)

Rund einen halben Kilometer weiter westlich des Maierhofes gelangt man zu jener Stelle, wo die Filialkirche St. Pankraz gestanden ist. Heute führt die Straße mitten durch dieses Gelände, nur der Vulgarname „Mesner“ des daneben stehenden Hofes erinnert noch an jene Zeit, in der der Besitzer in der Kirche St. Pankraz seinen Mesnerdienst versah. Bei St. Pankraz handelte es sich um eine Filialkirche der Pfarrkirche St. Salvator und Allerheiligen in Millstatt, die erst 1659 erstmals genannt wurde; 1784 scheint sie in den Quellen, wohl weil teils schon verfallen, nicht mehr auf. Jedoch gibt es von der Kirchenruine noch Fotos aus dem Jahr 1891, auf die jüngst Axel Huber in unserer landeskundlichen Zeitschrift I, Jg. 2014, S. 703 ff. aufmerksam gemacht hat. Die Lektüre dieses Aufsatzes ist wärmstens zu empfehlen. Auf der von Huber abgebildeten Altarinschrift ist noch das Jahr 1658 zu erkennen.

Vom Insberg wenden wir uns nun dem zweiten Ziel unseres Kulturausflugs zu, dem Hühnersberg nordwestlich von Spittal an der Drau. Die Anfahrt ist sowohl über Rothenthurn und Spittal als auch über Döbriach und Millstatt sowie möglich. Jedenfalls sollte man durch die Ortschaft Feichtendorf am Fuße des Hühnersberges kommen, die in dem genannten Urbar eine zentrale Rolle spielt. Wegen des Reichtums dieser Gegend an landwirtschaftlichen Produkten spielten die Abgaben der Untertanen an das Kloster Millstatt eine herausragende Rolle. Dieser Reichtum blieb schließlich auch den im 15. Jh. ins Land eingefallenen Türken nicht verborgen, sodass sie im Jahr 1478 die Gegend um Spittal und auch die Bauernhöfe auf dem Hühnersberg plünderten.

Von Feichtendorf führt eine schmale Straße in teilweise engen Windungen auf die Anhöhe des Hühnersberges. Nach deren Erreichen wenden wir uns Richtung Osten bis zu jenem Gelände- vorsprung, an dem einst die Filial- kirche St. Paul stand. Von hier bietet sich ein überwältigender Blick auf den Millstätter See und die umliegenden Berge. Die Filialkirche gehörte einst zur be- deutenden Pfarre St. Peter in Holz, Standort der ehemaligen Filialkirche St. Paul in Hühnersberg, wurde 1615 erstmals genannt, jedoch markiert auf Privatgrund durch einen Kapellenbau mit alter bald als unbedeutend und ziemlich de- Ansicht der Kirche. (Foto R. Trabe) solat beschrieben. 1802 wurde sie in den Aufzeichnungen nicht mehr erwähnt und in jüngster Zeit überhaupt abgerissen. Warum ein Besuch dieser Örtlichkeit dennoch zu empfehlen ist, hat seinen Grund in der historischen Bedeutung des Hühnersberges. Schon in der Bestätigungsurkunde des

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Papstes Alexanders III. für Millstatt aus dem Jahr 1177 wird ein bisher nicht indentifizierbar gewesener Wirtschaftshof namens Postratingin (curia Postratingin) genannt, der mit Hilfe der ältesten Millstätter Urbare mit ziemlicher Sicherheit hier am Hühnersberg im Bereich der ehemaligen Ortschaft (?) Puesdram, Puesdrain zu lokalisieren ist. Das Wirtschaftsgebäude des Hofes vlg. Pichler, Hausnr. 37, das wegen seiner für diese Gegend untypischen Größe auffällt, wird von der Bevölkerung noch heute in Anspielung auf das Stift Millstatt das „Kloster“ genannt.

Wirtschaftsgebäude des Hofes vlg. Pichler auf dem Blick auf den Millstätter See und die umliegenden Hühnersberg, das „Kloster“ genannt. Berge vom Hühnersberg im Westen aus gesehen. (Foto R. Trabe) (Foto R. Trabe)

Wenn wir nun in Richtung des vorletzten Zieles nach Zelsach aufbrechen, empfiehlt es sich, den Hühnersberg in nordöstlicher Richtung nach Lieserhofen zu verlassen. Dort biegen wir links ab und fahren entlang der reizvollen Trasse der alten Römerstraße, im Liesertal immer am rechten Ufer der Lieser bleibend und schließlich den Steinbrückenbach querend bis zum Steinbrugger. Von dort geht es hinauf nach Zelsach, das wir auf einer engen und kurvenreichen Straße erreichen.

Die ehemalige Filialkirche St. Ulrich in Zelsach erschließt sich einem nicht sofort, weil die frü- here Kirchenruine heute als Wohnhaus genützt wird. Die Kir- che wurde schon im Jahr 1188 im Zuge eines Rechtsstreits zwi- schen dem Millstätter Abt und dem Pfarrer von Lieseregg der Mutterkirche Lieseregg zuge- sprochen. Ein eigener Friedhof bei der Kirche in Zelsach wird noch 1641 erwähnt; er stand im Eigentum der Kirche St. Luzia in Profanierte Filialkirche St. Ulrich in Zelsach, heute Privatwohnhaus. (Foto R. Trabe) Altersberg.

Die Kirche St. Ulrich wird ab dem Jahr 1807 nicht mehr unter den Filialkirchen erwähnt. Heute ist sie profaniert und wird als Wohnhaus genützt. Allerdings kann man an der Bausubstanz die ursprüngliche Verwendung als Kirche noch gut erkennen (Apsis, Gesims etc.).

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Für die Rückfahrt ins Liesertal wählt man am besten die kleine, am Ostrand von Zelsach nach links führende Straße, die uns zunächst bald an der auf einer kleinen Anhöhe gut sichtbaren Filialkirche St. Georg vorbeiführt. Sie wird heute evangelisch geführt, war aber ursprünglich, wie das Jahr 1641 ausweist, eine Filiale der Pfarre Lieseregg. Schon um die Mitte des 17. Jhs. wird sie als baufällig und repa- raturbedürftig bezeichnet und schließlich 1807 veräußert. Von hier aus hat man einen sehr schönen Blick bis in den Talschluss, wobei sonnseitig vor allem die Rodungsinseln bemerkenswert sind, die dem Wald abgerungen werden konnten.

Abb. rechts: Bildstock am Ostrand der Ortschaft Zelsach mit historischen Kenndaten. (Foto R. Trabe)

Entlang der Straße geht es nun weiter ins Liesertal, wo man in Gmünd beim Rundverkehr außer- halb der Stadt Richtung Landfraß abbiegt und dann nach Oberbuch gelangt. Hier befand sich der Sitz eines der Millstätter Ämter, denen sog. Amtmänner vorstanden. Der Amthof in Oberbuch, Ver- waltungszentrum des Amtes Buch, stellt inmitten eines rei- zenden Ortskerns mit alten Ge-

Der ehemalige Millstätter Amthof in Oberbuch, Sitz des Amtes bäuden einen imposanten Bau dar Buch, heute Hausnr. 7 vlg. Hofer. (Foto R. Trabe) (Hausnr. 7 vlg. Hofer).

Er ist heute ein empfehlenswerter Einkehrgasthof, der zugleich das Heimathaus von Gerhard Glawischnig, dem früheren evangelischen Superintendenten von Kärnten ist. Glawischnig gehörte zu den herausragenden Kärntner Mundartdichtern mit Tiefgang; zugleich war er Schöpfer von Liedtexten, die als Grundlage für unvergängliche Melodien in zahlreichen Kärntner Liedern von Günther Mittergradnegger und Justinus Mulle dienten.

Die Rückreise gestaltet sich problemlos, am besten über Gmünd und dann über die Autobahn Richtung Spittal an der Drau.

Abb. rechts: Textprobe aus dem Millstätter Urbar von 1470 mit dem Textbeginn: „Vermerkht das ampt zů Bůch …“. Die erste Eintragung betrifft den Amthof. (Foto R. Trabe)

Hilfreich und gut als Information zu gebrauchen ist die oben genannte, im Verlag des Kärntner Landesarchivs u. a. auch mit finanzieller Unterstützung des Geschichtsvereines für Kärnten erschienene Edition zu nennen, die für Mitglieder des Geschichtsvereines im Landesarchiv um den Sonderpreis von 16 € erhältlich ist:

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(Alfred Ogris [Hg.], Die „ältesten“ Urbare, Zehent- und Robotverzeichnisse des Klosters Millstatt in Kärnten [1469/70 bis 1502]. Das Kärntner Landesarchiv 43, Klagenfurt 2014. ISBN 978-3-900531-94-2).

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