1. 1. 19. August 1949: Sitzung Von Landesgruppe Und
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Sitzung von Landesgruppe und Landtagsfraktion in München 19. 8. 1949 1. 1. 19. August 1949: Sitzung von Landesgruppe und Landtagsfraktion in München ACSP, LTF, 1. WP. Zeit: 10.15–13.15 Uhr. Erstellt am: 24. 8. 1949. Vorsitz: Hundhammer. – Anwesend: Die Mitglieder der Landtagsfraktion außer den Abg. Ankermüller, Schmid, Stinglwagner, Trettenbach, Wittmann, Zehner; Mitglieder der Landes- gruppe.1 Behandelte Themen: – Analyse der Bundestagswahl – Auflösung des Bayerischen Landtages – Zusammensetzung der Bundesversammlung, Nominierung von Wahlmännern – Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Bundesregierung Dr. Hundhammer eröffnet die Sitzung um 10.15 Uhr und begrüßt die neugewählten an der Sitzung teilnehmenden Bundestagsabgeordneten. Entschuldigt: Dr. Ankermüller (Ausland), Schmid Karl (Urlaub), Trettenbach (Dienstreise), Stinglwagner, Zehner, Dr. Wittmann (Verhandlungstermin). Der Fraktionsvorsitzende gibt das Gerichtsurteil gegen den Abgeordneten Höllerer wegen Beleidigung des Landtags der Fraktion be- kannt. Rückblick auf die Wahlen: Fraktionsvorsitzender: Es ist gelungen, das entscheidende Ziel, das wir bei dieser Wahl angestrebt haben, zu erreichen: Die Führung im Bund ist in den Händen der CDU/ CSU. Dieser Erfolg müßte viel mehr gewürdigt werden. Wir hoffen, daß dann diese Führung in Bonn auch klar und eindeutig sein wird. Zum Wahlergebnis in Bayern: Die CSU hat nicht nur Stimmen verloren, sondern sie hat sich teilweise auch so gut gehal- ten, daß es viele Gegner schwer enttäuscht hat. Die Konsequenz für die Zukunft: Wir hätten auch dieses Wahlergebnis nicht erreicht, wenn wir seit Straubing nicht die CSU wieder mit vielmehr Mark erfüllt hätten; auch die Organisation hat wieder gut gear- beitet.2 Zu den anderen Parteien: Die SPD hat wesentlich verloren, dagegen müssen wir beson- dere Aufmerksamkeit richten auf die Bayernpartei und die WAV. Die Bayernpartei hat ihre Möglichkeiten teils weiter ausgeschöpft, teils ihren Höhepunkt überschritten, das besonders in den Städten. Die WAV hat interessanterweise auch einen katholischen Geistlichen, den Flüchtlingspfarrer Konrad Wittmann, nach Bonn geschickt. Die WAV hat sich in einigen Plätzen an die Spitze arbeiten können. Dazu haben wesentlich zwei Umstände beigetragen, erstens das Bündnis mit Goetzendorff3 und zweitens die mas- senpsychologisch völlig verkehrte Behandlung des Falles Loritz, Militärregierung ein- geschlossen. Man kann Loritz nicht zuerst einsperren und ihn hernach in einem Urteil fast rechtfertigen. Man darf ihn auf keinen Fall zum Märtyrer machen. Wichtig ist überhaupt eine ruhige und sachliche Haltung.4 Nun zum Vorwurf, ich kämpfe nicht gegen die Bayernpartei: Ich habe durch die Reor- ganisationsarbeit in Straubing der Bayernpartei viel mehr Stimmen abgenommen als die, die bis jetzt nur gegen den Baumgartner geschimpft haben. Zur Landtagsauflösung: Schon rein taktisch wäre jetzt bestimmt kein günstiger Mo- ment. Jetzt ist vielmehr eine große Pause notwendig, innerhalb derer wir mit allem Nachdruck den Ausbau des Parteiapparates durchführen. Wir müssen zuerst wieder 1 Es ist unklar, ob alle in den Bundestag gewählten CSU-Abgeordneten an der Sitzung teilnahmen. 2 In der Landesversammlung der CSU in Straubing vom 27. bis 29. Mai 1949 hatte sich Hans Ehard bei der Wahl zum Landesvorsitzenden in einer Kampfabstimmung gegen Josef Müller durchgesetzt. Die Wahl Ehards versöhnte zunächst die verschiedenen Flügel der CSU. Vgl. SCHLEMMER, Auf- bruch, Krise und Erneuerung, S. 321–330. 3 Vgl. Einleitung, S. XXI. 4 Vgl. auch WENGST (Bearb.), Auftakt, Dok. 71, S. 403–407. Der in München gebürtige Jurist Alfred Loritz hatte im Herbst 1945 die »Wirtschaftliche Aufbau Vereinigung« (WAV) gegründet. Loritz, Mitglied des Bayerischen Landtages und von Dezember 1946 bis Juni 1947 Bayerischer Staatsmini- ster für Entnazifizierung, wurde wegen angeblicher Anstiftung zum Meineid angeklagt, im Oktober 1948 aber freigesprochen. Loritz gehörte auch dem ersten Deutschen Bundestag an. Er wurde aber wegen seiner Bestrebungen einer Fusion mit der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei aus der WAV ausgeschlossen. «ÞÀ} ÌÊ^ÊÓä£ÇÊ*>ÀÊ iÀ 1 Sitzung von Landesgruppe und Landtagsfraktion in München 19. 8. 1949 1. einmal ganz fest auf die Beine kommen. Im Landtag müssen wir als Fraktion geschlos- sen und zielsicher auftreten und dürfen bei keiner Abstimmung mehr ein Bild der abso- luten Schwäche geben. Der Loritz-Bewegung wäre das Wasser abzugraben dadurch, daß jetzt bei den Prozessen endlich einmal etwas herauskommt. Der SPD gegenüber müssen wir festhalten, daß die Wähler in Bayern ihrer Front, die weltanschaulich gegen uns steht, eine klare Absage erteilt haben. Zur Auseinandersetzung in der Presse: Haußleiter hat in einem Interview sehr abfällig geurteilt über Bajuwaren, die jetzt zusammentechteln-mechteln möchten. Mit diesem Interview kam die Presse zu mir. Ich habe gesagt: in Bayern ist es ganz ausgeschlossen, daß wir jetzt mit der SPD und FDP eine Koalition eingehen. Diese Bemerkung wurde in der Presse dann nur ganz allgemein erwähnt. Haußleiter hat sich nun neuerdings ge- äußert unter dem Thema »Koalition des Partikularismus«.5 Ich lasse keinen Zweifel, daß, wenn eine Landtagsneuwahl sein wird, man an der Bayernpartei nicht vorüberge- hen kann. Vorher aber kommt eine Koalition von beiden Seiten her nicht in Frage. Es wird auch behauptet, daß Kabinettssitze angeboten worden seien. Ich weiß davon nichts. Ich erkläre aber: Die Frage einer Regierungsbildung wird erst spruchreif nach einer Landtagsneuwahl und die Frage einer Landtagsneuwahl erscheint gegenwärtig als nicht notwendig. Wir müssen uns zunächst innerlich kräftigen und stark machen für einen späteren Wahlkampf. Ich schlage nun vor, die Frage der Bundesversammlung zu behandeln. Das Problem ist, soll das Wahlergebnis von 1946 oder von 1949 zum Schlüssel für die Zusammensetzung der Bundesversammlung genommen werden. Das Kabinett ist für den neuen Schlüssel.6 Dr. Ehard: Diese Frage ist weniger eine Rechtsfrage als eine hochpolitische Frage. Dr. Laforet: Die Meinung in Bonn war, der damalige Zustand der Landtage soll ausschlag- gebend sein. Man kann aber auch den neuen Schlüssel vertreten. Ich weise auch darauf hin, daß die Wahlmänner keineswegs Parlamentarier sein müssen. Dr. Lacherbauer: Die andere Auffassung (Schlüssel 1946) könnte sehr wohl auch erwogen werden. Die Wahl soll im Zusammenwirken von Bundestag und Ländern von sich gehen. Dr. Ehard: Die Rechtsfrage kann so und anders entschieden werden, aber die politische Frage ist hier wohl am wichtigsten. Dr. Horlacher: Es darf bei dieser Gelegenheit keine Debatte entstehen, die auf Landtagsauflösung hinausgeht. Deshalb ist Großzügigkeit notwendig. Die Auflösung wäre das dümmste, was man tun könnte. Dr. Hundhammer: Wir lassen die Fraktion abstimmen. Die Fraktion stimmt einstim- mig (ohne Enthaltung) dafür, daß die Wahl von 1949 als Grundlage für den Schlüssel der Wahlmännerverteilung genommen werden soll. Zur Nominierung der CSU-Wahlmänner: Fraktionsvorsitzender: Ein Vorschlag ist, man nimmt die nicht zum Zuge gekomme- nen Kandidaten, dann wird angeregt, es möchten auch Landtagsfraktionsmitglieder da- bei sein, dann werden vorgeschlagen die Vorsitzenden der Bezirksverbände und schließlich junge Leute und Frauen. Dr. Lacherbauer: Hier müssen regionale Gesichtspunkte in erster Linie berücksichtigt werden. (Bezirksverbände). Hagn: Wir im Süden haben vielleicht einen härteren Kampf geführt, wir dürfen jetzt nicht benachteiligt werden. Haußleiter: Die Bezirksvorsitzenden sollen die einzelnen Bereiche vertreten, und dann müssen doch auch die Männer auf der Landesliste berücksichtigt werden (Oho-Rufe der Fraktion). Zu meiner eigenen Sache spreche ich später, jetzt nur eine Bemerkung über Pfarrer Wittmann von der WAV. Er hat in Neustadt/Aisch das Christentum an- gegriffen, daß die anwesenden Geistlichen gegen ihn Stellung nehmen mußten. Er schimpft auf die Christen, bezeichnet sie als Besitzbürger und spricht von unsozialen Pfaffen. Fraktionsvorsitzender: Dieser Flüchtlingspfarrer ist zweifelsohne ein Einzel- gänger besonderer Art. Abzuwarten ist, was der für die Flüchtlinge zuständige nord- deutsche Bischof unternimmt. 5 August Haußleitner hatte im Juni 1949 sein Amt als stellvertretender Landesvorsitzender der CSU niedergelegt, am 20. September 1949 trat er endgültig aus der CSU aus. Vgl. BALCAR/SCHLEMMER (Hrsg.), An der Spitze der CSU, Dok. 23, S. 195 f., und Dok. 25, S. 198 ff. 6 Am 17. August 1949 sprach sich der bayerische Ministerrat dafür aus, bei der Wahl der von Bayern in die Bundesversammlung zu entsendenden Mitglieder nicht von der gegenwärtigen Zusammenset- zung des Landtags auszugehen, sondern die Schlüsselzahlen der Bundestagswahl von 1949 zugrunde zu legen. Dies sollte mit Rücksicht auf die gewachsene Bedeutung der Bayernpartei erfolgen, die 1946 noch nicht an den Landtagswahlen teilgenommen hatte und mit nur einem von der CSU übergelau- fenen Abgeordneten im damaligen Landtag vertreten war. Der Landtag wählte am 26. August 1949 17 Vertreter der Bayernpartei in die Delegation für die Bundesversammlung. Vgl. GELBERG (Bearb.), Das Kabinett Ehard II, Dok. 76, S. 235 f. «ÞÀ} ÌÊ^ÊÓä£ÇÊ*>ÀÊ iÀ 2 Sitzung von Landesgruppe und Landtagsfraktion in München 19. 8. 1949 1. Gehring: Die 7 Regierungsbezirke sollen je 3 Wahlmänner erhalten, die restlichen 3 Sitze können von der Landesliste her besetzt werden. Michel: Den Niederbayern und Oberbayern muß man etwas dazu geben. Dr. Lacherbauer: Wir dürfen nicht das Mehrheitsprinzip der Wahl für die Nominierung der Bundestagsmitglieder anwenden,