Berglerquartier Im Felsenjoch
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DAV Panorama 3/20124/2012 100 Jahre DAV-Hütte 100 Jahre Meilerhütte Berglerquartier im Felsenjoch Im vergangenen Jahr feierte die Meilerhütte ihren hundertsten Geburtstag: ein einsames Refugium für Bergsteiger und Kletterer, dessen außergewöhnliche Geschichte manche Lehren bereit hält. Von Helmut Pfanzelt und Andi Dick usgerechnet Bayerland! Ausge- niger abgelegen ist als der Zugspitzgip- strengen Bayerländer: die Hütte sei rechnet die Sektion, die noch fel; zumindest mangels Seilbahn heute nur klein und es gebe kein Bier wie heute nur „aktive Bergsteiger viel langwieriger erreichbar. auf dem dekadenten Münchner Haus. Astrengerer Richtung“ aufnimmt und Man mag der Sektion zugutehalten, Doch es kamen noch mehr Sün- die sich 1895 von der DAV-Sektion dass einem geschenkten Gaul nicht denfälle: Der ein Jahr später angelegte München abgespalten hatte aus Pro- aufs Maul gehaut werden solle: Die Zustieg vom Schachen auf bayerischer test gegen den Bau des „Münchner Hütte samt Zustieg aus der österrei- Seite sei „allzu bequem hergestellt Hauses“ auf der Zugspitze. Ausgerech- chischen Leutasch war ein Geschenk und auch mit überflüssigen Drahtsei- net Mitglieder dieser Sektion bauten des Mitglieds Leo Meiler, dem die Ge- len ausgestattet“, meldet die Vereins- 1898 in aller Stille eine eigene Hütte – meinde den Baugrund dafür überlas- chronik. Und ein Jahr drauf bauten auf einem Standort, der nicht viel we- sen hatte. Ein Trost für die alpinge- sogar fünf ungenannte Sektionsmit- 74 DAV Panorama 4/2012 Meilerhütte | Hüttenporträt glieder ein „Monstrum aus Eisen und wenn hochalpines Wetter den Spaß heute, der stramme Zustieg wurde als Drahtseilen“, einen Klettersteig, auf verdarb. Für den in der Umgebung Teil des Vergnügens akzeptiert. Nach den Westgipfel der Partenkirchner prächtiges Gelände geboten ist: Wer dem Ersten Weltkrieg steigerte sich Dreitorspitze! Geschenke abzulehnen einmal den zugegeben langwierigen der Zulauf derart, dass zur Fünfund- ist nicht immer leicht … Zustieg, egal von welcher Seite, hin- zwanzigjahrfeier 1936 eine Erweite- ter sich gebracht hat, der steht in we- rung fällig wurde. Vierzig neue Lager- Begehrter Standort nigen Minuten an den Einstiegen zu plätze wurden geschaffen, die Hütte Irgendwie gewöhnte man sich wohl prächtigen Wetterstein-Klettereien. erhielt ihren burgartigen Nordwest- daran, gewann die Sektionshütte auch Die höchsten Gipfel, die Dreitorspit- pfeiler. Es entstanden schwere Klet- lieb – so lieb, dass man für sie kämpfte. zen, sind fast noch per Wandergelän- terklassiker um den sechsten Grad wie Denn es zog immer mehr Besucher de zu erreichen: ein gesicherter Steig, die „Kubanek-Spindler“ am Muster- hinauf zu dem einsamen Kabäus- nach dem Alpenpionier Hermann stein, der „Westwandriss“ am Bayer- chen im Dreitorspitzgatterl. Und ein von Barth benannt, führt auf den Par- länderturm oder der „Rebitschpfeiler“ Leutascher Bürger wollte dort oben tenkirchner Gipfel, eine Schneerinne, am Öfelekopf. Und am Zustieg vom ein eigenes Wirtshaus bauen, wofür die bei Vereisung heikel werden kann, Schachen sprengte man Serpentinen ihm die Gemeinde den Baugrund ein auf den Leutascher. Die Überschrei- aus dem Fels, um die durstigen Besu- zweites Mal abtrat. Der Einspruch der tung des ganzen Massivs bis zur Leu- cher per Muli versorgen zu können. Sektion musste vor Ort begutachtet tascher Dreitorspitze bietet eine fast Der Zweite Weltkrieg beendete die- werden; im knietiefen Herbstschnee leichte, klassische Gratkletterei im se Blütephase für Kletterer und Hüt- stapften Bezirksrichter und Rechtsan- typischen Wettersteingelände, also te; in den mageren Nachkriegsjahren wälte in die zugige Scharte. Im wind- immer mal mit ausgesetzten Bruch- fretteten sich zwar die anspruchslosen geschützten Matratzenlager wurde passagen. Besser ausgeputzt ist der Felsfreunde irgendwie durch und ver handelt, Aussage stand gegen Aus- Westgrat zum Musterstein, ein grif- kamen auch mit der eigentlich ge- sage, ein Schwur musste Ehrlichkeit erzwingen: Ein Zeuge fand ein Amu- Der Musterstein, gleich hinter lett mit einem Kruzifix im Geldbeutel, der Hütte gelegen, bietet schöne und die Angst vor dem Höllenfeuer alpine und moderne Klettereien. enthüllte die Wahrheit um das ältere Recht der Bayerländer. Der Konkurrenzstreit hatte aber das Potenzial des Standorts offenbart. Um dem nächsten Projekt eines Wirtes Ehn Wolfgang Winter, Stefan Fotos: aus Partenkirchen zuvorzukommen, entschlossen sich die Bayerländer, den Teufel mit dem Beelzebub auszutrei- ben und auf der bayerischen Seite der Scharte einen deutlich größeren Neu- bau aufzustellen – getreu dem Mot- to: Man kann den Massentourismus nur lenken, wenn man selber dessen Werkzeuge im Griff hat. 1911 wur- de der Neubau eingeweiht. Finanziert mit großzügigen Spenden der Mit- glieder, vor allem der Witwe eines Dr. Attensamer, nach dem der Gast- raum benannt wurde. Gebaut dank figer, flotter Dreier; die Fortsetzung schlossenen Grenze auf ihre Art zu- dem Märchenkönig Ludwig II., dessen über den Wettersteingrat führt wie- recht, der Erhalt der Hütte aber wur- Fahrweg zum Schachenschloss das der ins alpine Abenteuer. Kletterer de für die wenigen Bayerländer immer Transportproblem entschärfte. Errich- des vierten Grades finden nette Ziele schwieriger. Nach vielen mühsamen tet aus dem Material vor Ort: Die Fels- in der Musterstein-Südwand und den Jahren fiel der schwere, aber realis- blöcke für die mächtige Grundmauer Ostseiten der Dreitorspitze, die heute tische Entschluss, die Hütte abzuge- wurden aus dem Bergstock der Törl- übrigens großenteils gut saniert sind. ben. Über den Hauptverein wurde spitze gebrochen, als Mörtel der vor- Damals, in der Frühzeit der Hütte, das Haus allen DAV-Sektionen ange- handene Lehm aufbereitet. als die ersten Kletterrouten entstan- boten, doch etliche Interessenten zo- Nun stand den Kletterern ein ange- den, werden es kaum weniger Klet- gen ihre Angebote wieder zurück, als nehmer Unterschlupf zur Verfügung, terer hier herauf geschafft haben als sie die Sanierungskosten erahnten. 75 DAV Panorama 3/20124/2012 Schon streckten die ersten Sport- Meilerhütte Touristik-Unternehmen ihre Fühler aus, die Meilerhütte für kommerzi- (2366 m) elle Zwecke zu erwerben. Da traten die Einheimischen auf den Plan: Ei- nige Vorstandsmitglieder der Sektion Garmisch-Partenkirchen votierten für die Übernahme der Hütte, fanden aber zunächst keine Mehrheit. Die jungen Geöffnet: Mitte Juni bis Anfang Oktober Kletterer und Bergsteiger um den Übernachtung: 11 Zimmerlager, 70 Matratzenlager Jungmannschaftsleiter Helmut Pfan- Hüttenwirtin: Marisa Sattlegger, Nötsch 108, A-9530 Bad Bleiberg, zelt setzten sich auf einer Außeror- Tel.: 0171/522 78 97, [email protected] dentlichen Mitgliederversammlung Eigentümer: DAV-Sektion Garmisch-Partenkirchen, Hindenburgstr. 38, für das Projekt ein – und als der Zweite 82467 Garmisch-Partenkirchen, Tel.: 08821/27 01, Fax: 08821/719 94, Vorsitzende die Gretchenfrage stellte, [email protected], alpenverein-gapa.de wer „das Übermaß an Arbeit“ durch die neue Hütte leisten wolle, erklär- Talorte und Anfahrt te Pfanzelt: „Ich bin bereit, diese Auf- n Garmisch-Partenkirchen (700 m), stündliche Zugverbindung von München, Parkplatz gabe zu übernehmen, ohne Wenn und am Skistadion Aber, mit allen daraus entstehenden n Elmau (1010 m), Straße von Klais zwischen GAP und Mittenwald Konsequenzen.“ Der Alpinistenmut n Leutasch (1050), Parkplatz Hubertushof im Ortsteil Reindlau, Busverbindung vom wurde mit tosendem Beifall belohnt Bahnhof Mittenwald – und mit 105 Ja- gegen 50 Neinstim- men übernahmen die Werdenfelser Aufstieg 1970 ihr wohnortnahes Bergdomizil. n Von GAP über Kälberhüttl und Schachen (leicht), 5-6 Std. Mit Arbeit allein kann man freilich n Von Elmau über Schachen (leicht), 4-5 Std. eine Hütte nicht erhalten. Die Materi- n Von Leutasch durchs Berglental (mittelschwer), 4-5 Std. alseilbahn, die das Mulizeitalter been- dete, wurde 1973 für eine halbe Milli- Übergänge on Mark gebaut – wovon die Sektion 1 n Oberreintalhütte (1532 m) über Schachenhaus (leicht), 2 /2 Std. dank geschickter Finanzierung nur ei- n Reintalangerhütte (1369 m) über Schachenhaus und Bockhütte (leicht), 4-5 Std. nen Bruchteil zu tragen hatte. Da- n Kreuzeckhaus (1651 m) über Schachen, Bockhütte und Stuibenweg (mittelschwer), 5-6 Std. n Wangalm/Wettersteinhütte (1751 m) über Söllerpass und Scharnitzjoch (schwer), 5-6 Std. Gipfel n Partenkirchner Dreitorspitze (2634 m) über Hermann-von-Barth-Weg (schwer, I), 2 Std. n Leutascher Dreitorspitze (2682 m) durch die Schneerinne (schwer, I, oft Schnee), für steckte sie bis 1986 rund 700.000 2 Std. Mark in die Rundum-Sanierung. Auch n Klassische Klettereien: Dreitorspitzen-Überschreitung (II), Bayerländer Turm Nordost- die ursprüngliche „Meiler“-Hütte von kante (IV-), Partenkirchner Dreitorspitze Ostwand (IV-), Musterstein-Westgrat (III), 1898 wurde erneuert und zum Win- Musterstein Südwand „Ass’n-Glaser“ (IV) terraum umfunktioniert. Sie ist zwar n Schwere Klettereien: Öfelekopf-Südwestpfeiler „Rebitsch“ (VI+), Bayerländer Turm noch rechtliches Eigentum der Sek- „Westwandriss“ (VI-), diverse Routen in der Musterstein-Südwand (V-VI) tion Bayerland, das Weisungsrecht aber haben die Werdenfelser. Übri- Karten und Führer gens ist das Verhältnis der Sektionen n AV-Karte 1:25.000, Nr. 4/3 Wetterstein- und Mieminger Gebirge Ost bis heute reibungsfrei und freund- n S. Beulke: AV-Führer Wetterstein, Rother Verlag, München 1996 schaftlich; so übernachten die Bay- n C. Pfanzelt, S. Buchwieser: Kletterführer Wetterstein Nord, Panico Verlag, erländer