Lebendige Moselweinberge

GROSSES MAUSOHR TRIFFT FETTHENNE

Artenvielfalt in an der und Umgebung

Flügelt ein kleiner blauer Falter vom Wind geweht, Ein perlmutterner Schauer, Glitzert, flimmert, vergeht. So mit Augenblicksblinken, So im Vorüberwehn Sah ich das Glück mir winken, Glitzern, flimmern, vergehn. VORWORT Hermann Hesse Liebe Leserinnen und Leser,

BLAUER SCHMETTERLING BLAUER diese Broschüre soll neugierig machen auf das lebendige Moseltal, welches über den Wein hinaus auch für sein speziel- les Ökosystem bekannt ist. Auf den ersten Blick erfasst das menschliche Auge nur die groben Strukturen des Moseltals: die Weinberge, den Fluss, an der einen oder anderen Stelle einen Wald. Eine Landschaft, die nur von einer Monokultur bestimmt wird? Ein klares Nein! Das Moseltal birgt deutlich mehr, als man auf den ersten Blick erfassen kann. Während der Recherche zu den mir bekannten Orten habe ich einige Elemente entdeckt, die sogar für mich als Moselanerin neu waren, und die ich Euch gerne vorstellen möchte. Wo wir schon einmal vor Ort sind, lohnt es sich Trittenheim genauer anzuschauen. Hier finden sich viele wunderschöne Beispiele für unterschiedlichste Natur- und Kulturräume, die mit dem Weinbau entstanden und weitergeformt wurden und dabei doch ihren ganz eigenen Charakter behalten haben. Zum leichteren Verstehen des Agrar-Ökosystems schauen wir uns erst einmal an, warum das Moseltal ein Landschafts- schutzgebiet ist, bevor wir uns mit den Details rund um Trittenheim beschäftigen. l Besonders gut kann man Icarus-Bläulinge in den ersten Abendstunden beobachten. Sie suchen einen Schlafplatz im hohen Gras und treten dann in großen Gruppen auf. 3 SCHUTZ UND RECHT FÜR DAS LEBEN AN DER MOSEL Das Landschaftsschutzgebiet reicht, wie INHALT der Name „Moselgebiet von bis Schutz und Recht für “ schon sagt von Schweich bis nach das Leben an der Mosel ...... 5 Die Idee zu der Broschüre Koblenz. Das Gebiet erstreckt sich über etwa Der Fährfels – ein Leucht- entstand während meiner 178 Flusskilometer. Die Landesverordnung punkt der Artenvielfalt ...... 10 Ausbildung zur Naturerleb- über ebenjenes Schutzgebiet gibt in In der Jung-Held - ein nisbegleiterin beim Dienst- § 3 Auskunft über deren Schutzzweck. Naturdenkmal in Trittenheim . . 14 leistungszentrum Ländlicher Schutzzweck ist: Im Vogelsang – Raum Mosel. Sie erhebt nicht l „1. die Erhaltung der landschaftlichen Heimat der Zippammer ...... 20 den Anspruch einer wissen- Eigenart, der Schönheit und des Erholungs- Hof Kron: Artenreiche Blumen- wertes des Moseltales und seiner Seitentäler schaftlichen Arbeit, sondern und Schmetterlingswiesen. . . . . 22 mit den das Landschaftsbild prägenden, möchte Moselaner und Gäste Der Trittenheimer noch weitgehend naturnahen Hängen und Brückenkopf – Wochenstube anregen, den Fokus auf die Höhenzügen sowie Koblenz des Großen Mausohrs ...... 24 großartige Artenvielfalt zu l 2. die Verhinderung von Beeinträch- Ein Mosaik aus Lebensräumen: richten. tigungen des Landschaftshaushaltes, das Weierbachtal ...... 28 Die Broschüre ist ein kleiner insbesondere durch Bodenerosionen Der Trattemer Kinderwingert . . . 33 Baustein der Initiative in den Hanglagen.“ Übersichtskarte ...... 35 „Lebendige Moselweinberge“, die sich seit 2013 mit dem Lebensraum Weinberg und seiner biologischen Vielfalt beschäftigt. Ziel ist der Erhalt und die Inwertsetzung der Biodiversität in der Weinkulturland- schaft Mosel. Weitere Informationen und spannende Veran- staltungen sind unter l www.lebendige-moselweinberge.de zu finden. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen herzlich bedanken, die diese Broschüre mit Informationen, Bildern, Gesprächen und Korrekturlesen unterstützt und ermöglicht haben. Bernkastel-Kues Viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken! Schweich Trittenheim 4 5 EMPFOHLENES Was macht die Artenvielfalt VERHALTEN an der Mosel aus? l Bitte keine Pfl anzen aus der Durch die unterschiedlichen Kleinklimate Natur entnehmen, Tiere stören auf engem Raum wird die Lebensgrundlage oder Müll hinterlassen. für eine Vielzahl unterschiedlicher Pfl anzen und Tierarten geboten. So fi nden sich unweit von warmen, trockenen Stellen, die xero- ! therme Klimate aufweisen, schattige Stellen Besonderheiten Moseltal. Die Hänge haben Böden mit mit feuchten Böden. Dies hängt von vielen von Rebfl ächen für die einem hohen Schieferanteil, während auf den Faktoren ab. Sehr einfl ussreich hierfür ist die Ebenen im Tal, oft in Ufernähe Böden mit Ausrichtung der Berghänge des Moseltals, Artenvielfalt mehr Humus vorkommen. Größere Unter- da es öfter vorkommt, dass ein Berghang viel Weshalb ist diese Rebfl ächen sind im Gegensatz zu vielen an- schiede gibt es noch, wenn man sich ein und der andere wenig Sonne abbekommt. deren landwirtschaftlich genutzten Flächen paar Kilometer entlang der Mosel aufwärts Landschaft ein Landschaft s- Dementsprechend unterscheiden sich dann Dauerkulturen, das heißt, die Reben bleiben oder abwärts bewegt. Während man in schutzgebiet? auch die Temperaturen. ganzjährig stehen und werden nicht kom- an der Obermosel Muschelkalkböden hat, Der sich aufheizende Schiefer trägt zu Die Kulturlandschaft Mosel ist durch die plett, wie zum Beispiel Mais, abgeerntet. Das fi ndet man im Ürziger Würzgarten roten heißen Kleinklimaten bei, in denen man Kultivierung der Weinrebe entstanden und hat zum Vorteil, dass eine ständige Durch- Boden, der noch zu dem Rotliegenden der Pfl anzen wie den Mauerpfeffer fi ndet, die im Verlauf von Jahrhunderten hat sich ein wurzelung des Bodens vorhanden ist und Wittlicher Senke gehört. Aber auch die mit speziellen Mechanismen an Trocken- spezielles Ökosystem gebildet, welches von außerdem konstante Strukturen und damit Randbereiche von Rebfl ächen haben viel heit angepasst sind, während der Wald an der Weinbaulandschaft abhängt. Genauso eine relativ gleichbleibende Umgebung ge- für die Artenvielfalt zu bieten. den Spitzen bewirkt, dass der Boden feucht hängt die Weinbaulandschaft von dem Öko- geben ist. Bauliche Elemente wie Trockenmauern und und kühl bleibt. Die Mosel dämpft Tempe- system ab. Die Unterschutzstellung soll be- Eine weitere Besonderheit von Rebkulturen Steintreppen in Steillagen oder Terrassen- raturschwankungen ab, da sie Wärme nur wirken, dass dieser Naturraum bewahrt und ist die Variabilität der Anbaufl ächen. Grund- weinbergen bieten andere Bedingungen als langsam abgibt. angepasst weiterentwickelt werden kann. sätzlich können Reben auf sehr unterschied- Saumbereiche an Wegrändern oder in Nähe zu lichen Böden wachsen, was dazu führt, dass Brachen, Wäldern oder Siedlungen. auch das begleitende Grün erheblich variie- ren kann. Auf Schieferböden wachsen eher xerotherme (trockenwärmeliebende) Pfl an- l Die Blaufl üglige Ödlandschrecke ist wärme- zen, die die von Steinen gespeicherte Wärme und trockenheitsliebend. Sie lebt nur an sehr benötigen, während auf feuchten Erden eher vegetationsarmen, steinigen oder felsigen Stellen, Gräser und krautige Pfl anzen wachsen. meist auf steilen Südhängen in der Nähe von Weinbergen. Diese Unterschiede fi ndet man ebenfalls im

6 7 Weshalb ist die l Die Traubeneiche hat als Baumart des trockeneren Hügel- und tieferen Berglandes Artenvielfalt wichtig? auch in Zeiten des Klimawandels gute Chancen in Zukunft hier zu wachsen. Die Artenvielfalt ist von enormer Bedeutung, nicht bekannt ist. Auch die Tiere überneh- sowohl für Menschen als auch für Tiere und men wichtige Aufgaben im Ökosystem, unter Pfl anzen, da jedes Glied eines Ökosystems anderem Bestäubung, Artenregulation und von dem anderen abhängt. Das Verschwin- Düngung. den einer Art kann bei einer großen Arten- vielfalt vom Ökosystem vielleicht noch ver- Was sind die Gefahren Was kann zum Schutz Leitarten an der Mosel kraftet werden, aber das Wegfallen mehrerer bei Verlusten? getan werden? Zu den Leitarten an der Mosel gehören Arten zieht eine negative Kettenreaktion Beim Verlust vieler Arten eines Ökosystems Eine der wichtigsten Maßnahmen zum unter anderem der Weiße Mauerpfeffer, die hinter sich her. Der Mensch profi tiert von droht ein Dominoeffekt. Denn durch das Schutz der Artenvielfalt ist die Öffentlich- Traubeneiche, die Mauereidechse, die Zip- einer hohen Artenvielfalt. Zum einen, weil Verschwinden einer oder mehrerer Arten keitsarbeit. Denn nur wenn ein Bewusstsein pammer, die Schlingnatter, die Blaufl ügelige dadurch das Bestehen eines Ökosystems wird für die Verbleibenden die Nahrungsaus- für die Natur und den Wert ihrer Arten und Ödlandschrecke und der Schwalbenschwanz. sicherer ist, zum anderen da der Mensch aus wahl sehr viel einseitiger, wenn nicht sogar der Ökosysteme besteht, ist es überhaupt einer Unmenge verschiedener Pfl anzenarten lebensgefährlich eingeschränkt. Dies gilt möglich, diese zu schützen. Andernfalls Wo sind in Trittenheim nicht nur Nahrung, sondern auch Medizin besonders für Lebewesen, die sehr stark von riskiert man, dass durch unbedachtes Han- für die Artenvielfalt beziehen kann und es noch immer viele einzelnen Arten abhängig sind oder in engen deln diese Ökosysteme gefährdet werden. Pfl anzen gibt, deren volle Heilwirkung bisher besondere Orte zu fi nden? Symbiosen leben. Fällt ein Symbiosepartner Außerdem kann von der Gemeinde bis zur weg, kann der andere auch nicht dauerhaft Einzelperson jeder daran mitwirken, die In der näheren Umgebung befi nden sich der Trittenheimer Fährfels, die Lage „In der überleben. Artenvielfalt mit kleinen und großen Einzel- maßnahmen zu fördern, wie beispielsweise Jung-Held“, der Trittenheimer Brückenkopf, Blühpfl anzen im Rasen stehen zu lassen. Hof Kron mit seinen Wiesen, die Gewann „Im Vogelsang“ sowie der „Trattemer Was ist eine Leitart? Kinderwingert“ und der Weierbach. Auch die EMPFOHLENES Mosel an sich weist Besonderheiten auf, was Leitarten sind typisch für ihren Lebensraum. die Biodiversität angeht. VERHALTEN Sie sind gut an diesen angepasst und vor l Bitte keine Pfl anzen aus der allem hier regelmäßig vorzufi nden. Weil sie Natur entnehmen, Tiere stören so stark mit ihrem speziellen Habitat ver- oder Müll hinterlassen. bunden sind, reagieren sie auch als Erstes auf Veränderungen. An den Leitarten lässt sich also erkennen, ob das Gleichgewicht ihres ! Biotops in Ordnung ist. Wo Leitarten sind, kommen in der Regel auch weitere Arten l Der Schwalbenschwanz hat eine Vorliebe für einer bestimmten Lebensgemeinschaft vor. rote und violette Blüten. Er saugt im Sommer an Klee, Dost, Disteln und Lavendel. 9 Der Trittenheimer Fährfels liegt gegenüber dem Weinort Trittenheim, er wurde 2017 als Leuchtpunkt der Artenvielfalt ausgezeichnet. Der Fels besteht aus Tonschiefer, der sich vor etwa 400 Millionen Jahren in der Devonzeit aus Tonschlamm- ablagerungen unter hohem Druck gebildet hat.

l Der Name Goldlack leitet sich von den goldglänzenden Blüten ab. Im Englischen DER FÄHRFELS – wird er auch „Wallfl ower“ – Mauerblume genannt. In Trittenheim wächst er auf dem Fährfels und in der Trockenmauer unterhalb EIN LEUCHTPUNKT DER vom Bahnhof. ARTENVIELFALT

Da Schiefer einen hohen Anteil der Sonnenstrahlung absorbiert, heizt er sich stark auf, wenn er von der Sonne beschienen wird. Dadurch kommt ein Lebensraum mit starken Temperaturschwankungen, Hitze im Sommer und Kälte im Winter, zustande. Außerdem sind Felsen ein trockenes Areal mit wenig Humus. Mit dieser Eigenschaft bereichert der Fährfels die Strukturen- vielfalt im Moseltal und bildet einen Lebensraum für xerotherme Arten. Der Felsbewuchs unterscheidet sich deutlich von dem Zeilenbewuchs der ihn umgebenden Rebfl ächen. Der Standort „Fels“ ist nährstoffärmer, trockener und etwas wärmer. Folgende Pfl anzen sind in dieser Vegetation vorzufi nden: Weißer und Schar- fer Mauerpfeffer (Sedum album, Sedum acre); Goldlack (Erysimum cheiri); Gift-Lattich (Lactuca virosa), Kompasslattich (Lactuca serriola); Wim- per-Perlgras (Melica ciliata) und Nickendes Leimkraut (Silene nutans). Von den gegebenen Bedingungen profi tieren diese Tiere: Mauereidechse, Weinbergschnecke, Aurorafalter, Kleiner Fuchs, Mauerfuchs, Russischer Bär, Bläulinge und Widderchen, Schwarzer Bär (in Deutschland gefährdet), Blaufl ügelige Ödlandschrecke, Hummeln, Wildbienen und Singvögel.

10 11 l Seinen Namen erhielt der Scharfe Mauerpfeffer durch l Obwohl die Blüten des Taubenkropf-Leimkrautes den ganzen den scharf schmeckenden Saft, Tag geöffnet sind, verströmen sie nur in den Nachtstunden einen der beim Kauen freigesetzt wird. kleeartigen Duft, um Insekten anzulocken.

l Der Kompasslattich (links) ist leicht an seiner charakteristischen Blattform und an der Ausrichtung der Blattfl ächen zu erkennen. An sonnigen Standorten stehen die Blätter l Wimper-Perlgras besiedelt offene und sehr sonnige senkrecht und in Nord-Süd-Richtung. Die Sonnenstrahlen fallen dadurch streifend auf die Felsfl uren auf trockenen Böden an Hängen und Felsen. Blattfl ächen, was die Wasserverdunstung in den Blättern herabsetzt und die Pfl anze vor Austrocknung schützt. l Der Gift-Lattich (rechts), ist ein naher Verwandter des Kopfsalats. Seine Blätter und der getrocknete Milchsaft wurden bis vor 100 Jahren als Beruhigungsmittel verwendet.

Der Trittenheimer Fährfels im Rückblick

l Im Jahr 2017 wurde der Fährfels wegen seiner besonderen Struktur und l Einige Zeit wurde der Fährfels zum Schieferabbau genutzt. seinem Artenreichtum als Leuchtpunkt der Artenvielfalt ausgezeichnet. Heute wird der Fährfels von zwei Winzern bewirtschaftet, die auch das l Der 1981 gegründete Handballverein „HV Fährfels Trittenheim“ benannte Fährfelsplateau mit einer Schiefersitzgelegenheit an dem Wanderweg zur sich nach dem Fährfels. Konstantinhöhe und zur Schieferhöhle errichtet haben, von dem aus man l Der auf dem Fährfels wachsende Goldlack wurde im Jahr 1897 von dem eine schöne Aussicht auf Trittenheim und das Moseltal hat. Nach wie vor Trittenheimer Kornelius Fritsch ausgesät, der nach Brasilien auswanderte, wachsen hier die im Jahr 1900 gepfl anzten Reben in der typischen Mosel- als Erinnerung für die Menschen, die er in seiner Heimat zurückließ. Unter pfahlerziehung. Weil damals Reben noch nicht zum Schutz vor der Reblaus anderem für seine Freundin, die später einen anderen Mann heiratete. mit amerikanischen Unterlagen veredelt wurden, spricht man bei diesen von l Vor dem Bau der ersten Trittenheimer Brücke 1907/09 diente das Schiefer- wurzelechten Reben. massiv als Anlegestelle für die Fähre, und das Seil der Fähre wurde im Felsen verankert.

l Der Mauerfuchs l Der Kleine Fuchs ist in allen ist eine Charakterart l Der Aurorafalter Offenlandbiotopen zu Hause. sonniger Standorte mit eröffnet die Saison offenen Bodenstellen der Insekten nach der und steinigem Unter- Frühlings- Tag- und- grund. Nacht-Gleiche.

12 13 „IN DER JUNG-HELD“ – EIN NATURDENKMAL IN TRITTENHEIM

Die Lage „In der Jung-Held“ ist ein fl ächenhaft es Naturmerkmal von etwa 0,7 Hektar. Vor Jahrhun- WAS IST EIN derten wurden vierzehn Felsterrassen in den NATURDENKMAL? Schieferfelsen gehauen. Die Felsterrassen sind mit Trockenmauern befes- l Naturdenkmäler sind tigt, wodurch sich für Pfl anzen und Tiere hilfreiche seltene, schöne Gebilde, die aus der Natur heraus entstanden Kleinstrukturen bilden. Hier wachsen teilweise sind und wegen ihrer Besonder- über 90 Jahre alte Reben. Das Besondere an der heiten nachdrücklich geschützt Jungheld ist das Zusammenspiel von Wald, Fels werden. (§ 28 BNatSchG) und Trockenmauern. Dadurch bietet das Gelän- de im Gegensatz zu den „glatten“, fl urbereinigten Flächen mehr Lebensraum für Tiere und Pfl anzen. ? Landschaft selemente wie der Fels sind hier direkt miteinbezogen, wodurch die Jungheld als Lebens- raum viel facettenreicher wird.

l Die Jungheld: 7000 m2 sonnengeneigter Hang mit 14 Schieferterrassen

14 15 Lebensraumsteckbrief sein. Die Breite einer Trockenmauer ist ihr Trockenmauer von außen oft nicht anzusehen, da sie in Weinbergslagen in den Hang hineingebaut Mauern werden in den Weinbergen genutzt, wird und oft nur der obere Abschluss der um die Hanglagen zu befestigen. Die Tro- Mauer sichtbar ist. Eine solche Bauweise ckenmauer ist eine der ältesten und natür- trägt dazu bei, dass ein idealer Lebensraum lichsten Mauerformen. Da sie bei richtiger für Eidechsen entsteht. Reptilien benötigen Pfl ege über 150 Jahre alt werden können, (Fels)spalten, in denen sie sich verkriechen handelt es sich um ein Strukturelement, können, diese fi nden sie nicht vermörtelten welches über längere Zeit relativ unverändert Mauern. besteht. Lebensraumtechnisch gesehen hat Außerdem wärmen sie sich gerne auf eine Trockenmauer viele Vorteile, ist aber l Vor rund 2000 Jahren brachten die Römer Schiefersteinen auf, welche von der Sonne die Fertigkeit des Trockenmauerbaus an auch aufwendig und teuer in der Installation. besonders gut aufgeheizt werden. Weinbergs- die Mosel. Sie sichern seit Jahrhunderten die Wie Betonmauern oder vermörtelte Stein- l Steillagen der Weinberge und bieten Lebens- Gabionen sind mit Steinen gefüllte mauern sind oft nach Süden ausgerichtet, mauern, die ebenfalls in Weinlagen benutzt raum für schützenswerte Tiere wie Mauer- Drahtkörbe und wichtige Elemente der wodurch sie viel Sonnenlicht und Wärme Hangsicherung im Landschaftsbau. werden, zählt die Trockenmauer auch zu den eidechsen und Schlingnattern. abbekommen. Eidechsen brauchen einen Schwergewichtsmauern. Der entscheidende frostsicheren Platz zum Überwintern, der Unterschied, welcher die Trockenmauer ihnen von Trockenmauern, aufgrund der als Lebensraum wertvoller macht, liegt in Tiefe, geboten wird. Trockenmauern haben der Bauweise. für Reptilien den Vorteil, dass die Mauer- Da Schieferbruchsteine übereinander ge- kronen mit Schieferplatten abgedeckt sind, lagert werden ohne dass Mörtel beigefügt sodass kein Wasser durch die Mauern hin- wird, entstehen Spalten, die wiederum neue durch läuft. Dies bildet auch einen entschei- Lebensräume bilden. Hierdurch siedeln sich denden Unterschied zu Gabionen, die zwar nicht nur sporadisch Moose und andere locker mit Schiefer befüllt sind, aber nicht Pionierpfl anzen an, sondern es sind generell von großen Platten abgedeckt werden. Das mehr Arten und Pfl anzen aufzufi nden, weil könnte ein Grund sein, warum Eidechsen ein höherer Anteil an horizontalen Oberfl ä- Gabionen weniger gut annehmen. Auch die chen mit einem sehr speziellen Mikroklima oft lockere Befüllung von Gabionen vermin- gegeben ist. Außerdem werden Trockenmau- dert die Eignung als Wohnraum, da die sorg- ern, damit sie stabil sind, vor allem am Fuß fältige Schichtung der Trockenmauern fehlt. sehr breit gebaut. Je nach Höhe der Mauer, kann diese am Fuß bis zu zwei Meter breit

16 17 l Weißer Mauerpfeffer speichert in seinen dickfl eischigen Blättern viel Wasser. l Meister der Verfolgungsjagden: Fühlt die Mauereidechse sich von Fressfeinden bedroht, wirft sie als Ablenkungsmanöver ihren Schwanz ab.

Mauereidechse Die Mauereidechse, ein tagaktives Reptil, (Podacis muralis) ernährt sich von Insekten, Spinnen und Weißer Mauerpfeff er/ Der Mauerpfeffer ist eine CAM-Pfl anze, Schnecken. Um Energie zu sparen kriechen Weiße Fetthenne das heißt, er hat eine besondere Methode Die Mauereidechse liebt die warmen und Eidechsen im Winter in frostfreie Gesteins- (Sedum album) entwickelt mit Wärme und Trockenheit um- sonnigen Weinlagen der Mosel. Lebensraum spalten und überdauern dort in Winterstarre. zugehen. Um am Tag nicht zu viel Wasser fi ndet sie in Trockenmauern und Steinhau- Bei günstigen Lebensbedingungen können Sedum wächst im Moseltal besonders häufi g durch Verdunstung zu verbrauchen, schließt fen, die idealerweise eine Südwest bis Süd- sie im Jahr bis zu drei Gelegen zwischen auf trockenen, steinigen, gerne auch kalkigen, der weiße Mauerpfeffer tagsüber seine Spalt- ostausrichtung aufweisen. Zur Vermehrung Steinen oder in Felsspalten beziehungsweise nährstoffarmen Böden an sonnenexponierten öffnungen und nimmt nur nachts CO2 für der Mauereidechse ist es günstig, wenn diese Gängen auslegen. Ein Gelege kann aus zwei Standorten. die Photosynthese auf. Der Photosynthese- Gebiete zusammenhängen, sodass nicht bis zehn Eiern bestehen, die nach ungefähr Die rötlichen, dickfl eischigen Blätter sind prozess fi ndet in zwei zeitlich getrennten einzelne Exemplare voneinander abgegrenzt sechs Wochen meist Ende August schlüpfen. unregelmäßig am Stängel angeordnet. Von Abschnitten statt: Das CO2 wird in Form von sind. Dabei benötigt die Mauereidechse Eidechsen können auf der Flucht vor Fress- Juni bis Juli ist die weiße Blüte sichtbar. Se- Äpfelsäure gespeichert und dann am Tag mit sowohl unbewachsene Flächen, auf denen sie feinden ihren Schwanz abwerfen. Damit dum bildet Polster auf Mauern und steinigen Sonnenlicht und Wasser in Glukose umge- sich aufwärmen kann, als auch bewachsene verwirren sie ihren Jäger, weil das abgeworfe- Untergründen. An den Verzweigungen der wandelt. Flächen, die ein Nahrungsangebot für die ne Körperteil sich durch Zucken der Nerven Ausläufer bildet die Fetthenne neue Wurzeln. Beutetiere der Eidechse bieten. und Muskeln noch bis zu 20 Minuten Die Mauereidechse hat eine bräunliche weiterbewegen kann. An der Sollbruchstelle Färbung. Zur Tarnung weist der Körper wächst ein neuer Schwanz nach, der für das Längsstreifen in unterschiedlich gemusterten Gleichgewicht und als Energiespeicher wich- Brauntönen auf. Der Schwanz ist beinahe tig ist. Allerdings ist dieser „Ersatz“ weniger doppelt so lang wie der Rest des Eidechsen- farbenfroh. Bei einer erneuten Gefahrensitu- körpers. ation kann der Schwanz nur noch an einem höheren Wirbel abgeworfen werden.

18 19 l Die Zippammer ruft ein sehr hohes „zipp“, was der Art den Namen gibt. Als Singwarten werden gerne exponierte Felszacken, Buschspitzen und rand- ständige Weinbergpfähle gewählt.

Die Zippammer ist eine sehr wärmeliebende Entlang der Mosel fi nden sich von Klüsse- IM VOGELSANG – Art, die auf sonnige, offen gehaltene rath bis Winnigen etwa 150 bis 200 Reviere, Felsstandorte angewiesen ist. Ihr Nest legt sie wobei diese Brutvorkommen mit zu den HEIMAT DER ZIPPAMMER auf dem Boden oder knapp darüber an. Die nördlichsten in Europa zählen. Durch jungen Vögel verlassen es bevor sie fl iegen Ursachen wie Klimaveränderungen und können und laufen im Schutz der Bodenve- die Aufgabe von Weinbergen in Steillagen getation umher. Ebenso machen es die und damit fehlender Offenhaltung von Durch die Kessellage des Trittenheimer Gewanns „Im Vogel- ausgewachsenen Vögel, wenn sie zum Nest Felsfl ächen, ist die Bestandsentwicklung in sang“ bildet sich ein idealer Lebensraum für die Zippammer zurückfl iegen: Sie landen etwas vom Nest Rheinland-Pfalz negativ. Dies führt dazu, (Emberiza cia). Er entsteht durch den Übergang des Westhan- entfernt und bewegen sich über den Boden dass die Zippammer in Deutschland in ges in einen Südhang, wodurch die warme Luft genau in die- zum Nest, um den Standort der Brutstätte Kategorie 1 der Roten Liste geführt wird, sem Kessel aufsteigt. Dieses Klima begünstigt die Ansiedlung nicht preiszugeben. Die Zippammer ist ein also vom Aussterben bedroht ist. der Zippammer. Sie wurde bei einer ornithologischen Exkur- standorttreuer Vogel, der sich zur Brutzeit sion der Naturerlebnisbegleiter 2016 gesichtet. von Insekten, Larven und Spinnen und im restlichen Jahr überwiegend von Sämereien ernährt, welche in dem Felsbewuchs zu fi nden sind. Würde man diese Felsen mit größeren Pfl anzen überwuchern lassen, wären all diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben. Das Hauptverbreitungsgebiet der Zippammern liegt im Mittelmeerraum, in Deutschland sind sie selten zu fi nden. Hier lebt sie hauptsächlich in felsigen, steilen Weinbergslagen.

20 21 Durch das Eingraben der Mosel in das Schiefergebirge hat der Fluss im Laufe der Jahrtausende eine sehr kontrastreiche Landschaft geschaff en. Die Kontraste sind überall zu fi nden: feuchter Uferbereich, sonniger Hang, fl acher Gleithang, steiler Prallhang, sonniger Südhang, schattiger Nordhang. HOF KRON – ARTENREICHE BLUMEN- UND SCHMETTERLINGSWIESEN

Während die Talränder meistens bewaldet sind, fi nden sich ein paar hundert Meter weiter auf den Plateaufl ächen oft schon Wiesen und Äcker. Besonders artenreiche Exemplare sind die Blüh- und Blumenwiesen auf Hof Kron. Diese Biotopwiesen beheimaten 94 Pfl anzen- arten und eine ebenfalls beachtliche Menge an Tierarten. Sie werden extensiv bewirtschaftet, das heißt nicht gedüngt und nur einmal im Jahr gemäht. Dies bildet die Voraussetzung dafür, dass hier sehr seltene Arten wie das Brand-Knabenkraut wachsen können. Das Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata) ist in Deutschland eine stark gefährdete Orchideen- art und deswegen streng geschützt. Orchideen leben in Symbiose mit speziellen Pilzen. Die Orchidee erhält Nährstoffe vom Pilz, der an ihren Wurzeln lebt, und sie versorgt ihn dafür mit durch Photosynthese hergestelltem Traubenzucker. Der Grund für die Seltenheit dieser Art ist, dass der Pilz keine Düngung verträgt. Wird die Magerwiese gedüngt, stirbt der Pilz ab, und damit auch die Orchidee, die ohne ihn nicht überleben kann. Zusätzlich gewinnen durch Düngung starkwachsende Wiesenpfl anzen die Überhand und überwuchern alle kleineren Pfl anzenarten, was zu einer wesentlich geringe- ren Artenvielfalt führt. Aus diesem Grund müssen Wiesen wie diese unbedingt geschützt werden. Das sieht auch der pfälzische Bund für Naturschutz so, der aus diesem Grund die Menschen würdigt, die diese Wiesen pfl egen und schützen. Den Artenreichtum der Wiese kann man wunderbar bei einer Wanderung zum Hof Kron erleben, allerdings sollten die Pfl anzen unter keinen Umständen gepfl ückt werden.

l Der Samen des Brand-Knabenkraut enthält kein Nährgewebe. Die Keimung erfolgt nur in Symbiose mit dem Wurzelpilz Mykorrhiza.

22 23 DIE WOCHENSTUBE DES MAUSOHRS

Die Brücke, zu welcher der rote Brückenkopf einmal führte aufgrund der zunehmenden Breite zu einem gehörte, wurde in ihrer ursprünglichen Form bereits erhöhten Wasserrückstau, der für Schiff e schlecht 1907/09 erbaut und löste die Fähre ab, die bis dahin manövrierbar war. Durch diese Tatsache knickte das die Winzer zu ihren Weinbergen auf der anderen Schiff MS Ikarus im Frühjahr 1978 bei seiner letzten Moselseite übergesetzt hatte. Fahrt an diesem Pfeiler entzwei, wobei ein Mensch Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke wie viele ums Leben kam. Von diesem Vorfall war die Brücke andere Moselbrücken teilweise zerstört. Betroff en so geschwächt, dass sie 1992 gesprengt wurde. Der war der sich über die Mosel spannende Teil des Brü- ursprüngliche Brückenkopf der ersten Brücke blieb ckenbogens. Aus diesem Grund konnte die „zweite“ unberührt, da sich dort die seltene Fledermausart Brücke nach Kriegsende auf den Resten der ersten Großes Mausohr (Myotis myotis) eingenistet hatte. Die Brücke wiederaufgebaut werden. Wegen des schlech- neue, dritte Brücke wurde parallel daneben errichtet, ten Baumaterials wurden die beiden schwachen, in um das Habitat der Fledermäuse zu erhalten. der Mosel stehenden Pfeiler zunächst verstärkt. Dies

l Das Große Mausohr, eine streng geschützte Art in Rheinland-Pfalz, hat seine Wochenstube im Brückenkopt der ersten Trittenheimer Brücke.

24 25 Ultraschall-Echoortung, das heißt sie sendet Warum ist diese Art Rufe aus und anhand von dem zurückkom- so selten? menden Schall kann sie ihre Umgebung wahrnehmen. Mit den Augen sehen die Wie vielen anderen Arten macht den Fleder- Fledermäuse schwarz-weiß. Der Verband der mäusen der Insektenrückgang zu schaf- deutschen Höhlen- und Karstforscher verlieh fen. Dieser Rückgang wird hauptsächlich dem Großen Mausohr den Titel „Höhlentier durch Pestizideinsätze verursacht, da dieser des Jahres 2011“. Insekten und ihre Jäger vergiftet. Viele be- Ursprünglich kam diese Fledermausart nur stäubende Insekten haben auch Probleme im Mittelmeerraum vor, da sie dort Kalkhöh- mit fehlenden Blühhorizonten. Auch Gifte len fi ndet, die im Winter frostfrei bleiben. zur Holzkonservierung können Fledermäuse Nach Mitteleuropa konnte sich die Art nur töten. Hinzu kommt die Schwierigkeit der ausdehnen, weil der Mensch durch Gebäude Quartiersuche, da an der Mosel zwar einige künstliche Höhlen geschaffen hat. Allerdings wenige Schieferbruchhöhlen übriggeblieben sind Gebäude wie der Trittenheimer Brü- sind, diese aber keine Eignung als Quartier ckenkopf und Kirchen nur saisonal von den haben. Großen Mausohren genutzt, da sie sich im l Fledermäuse sehen mit den Sommer zwar gut als Wochenstube eignen, Ohren und fliegen mit den Händen. Großes Mausohr zur Überwinterung aber unterirdische Höh- (Myotis myotis) len benötigt werden, damit die Fledermäuse im Winter nicht erfrieren. Das Große Mausohr erreicht eine Flügel- Der Trittenheimer Brückenkopf ist also eine spannweite von 40 Zentimeter und ist damit Wochenstube, die nur im Sommer von den die größte in dieser Region vorkommende Weibchen aufgesucht wird, um die Jungen Fledermausart. Sie wird bis zu 30 Jahre alt aufzuziehen. Zu dieser Jahreszeit weist das und ist 28 bis 40 Gramm schwer. Große Quartier ähnliche Bedingungen wie Höhlen Mausohren ernähren sich hauptsächlich von am Mittelmeer auf und eignet sich deshalb Laufkäfern, wobei das saisonale Insekten- gut für die Aufzucht des Nachwuchses. An- angebot die Nahrungspalette ergänzt. In den fang Juni kommen die Fledermausjungen zur Monaten Mai bis August benötigt sie die ge- Welt. Da Fledermäuse in großen Kolonien waltige Menge von ca. 2 kg Insekten. Wie alle leben, können die Weibchen die Jungtiere Fledermäuse jagt das Große Mausohr mittels unter Aufsicht anderer Weibchen während des Jagdfl uges zurücklassen. Das jeweilige Jungtier wird bei der Rückkehr an dem Ge- ruch und individuellen Rufl auten erkannt.

26 27 Das im Volksmund genannte Fließgewässer „die Weierbach“ entspringt auf dem Klüsserather Berg und bildet ein Seiten- tal der Mosel. Die permanente Quelle wurde vor dem Bau der Wasserleitungen zur Wasserversorgung des Ortes Trittenheim genutzt. Der Bach bildet die Grenze zwischen der Gemarkung Trittenheim und der Gemarkung Neumagen sowie der l Zeitungsexzerpt aus dem Jahr 1865 Gemarkung Klüsserath. Der Bach ist auch Namensgeber für die Weinlage. Darauf, dass die Lage Weierbach mindestens seit dem 19. Jahrhundert weinbaulich genutzt wird weist ein Zeitungsartikel aus der luxemburgischen „L´Union“ vom 10. November 1865 hin. Hauptsächlich wird der Süd-Süd-Westhang zum Weinanbau genutzt. Dieser Hang hat eine Steigung zwischen 50 und Warum ist diese 60 Prozent. Zur besseren Vorstellung: Das sind fünfzig bis Stelle so besonders für sechzig Meter Höhenunterschied auf einer Strecke von die Artenvielfalt? hundert Metern. Heute dient der Bach als Wasserquelle für Durch den Bach, die Hangausrichtung und einen ganz anderen Bewuchs. Dies liegt auch den Pfl anzenschutz und befüllt einen Wassertank, der am die unterschiedliche Bewirtschaftung bildet daran, dass hier kaum mehr Reben kultiviert Fuße des Tals aufgestellt ist. dieses Gebiet eine besondere Vielfalt an und die mit Bäumen bewachsenen Flächen Kleinlebensräumen. Beispielsweise entsteht zwar gepfl egt, aber nicht stark bewirtschaftet durch den Bach ein feuchtes Bodenklima werden. EIN MOSAIK AUS LEBENSRÄUMEN - und durch das Tal eine schattige sowie eine Den Grundstock für eine hohe Artenvielfalt sonnige Seite. Der Boden an den Wegesrän- bilden im Weierbachtal die vielfältigen Le- DAS WEIERBACHTAL dern ist verdichtet; der in Bachnähe locker. bensräume auf einer verhältnismäßig kleinen Die Weinberge mit ihrer starken Bewirtschaf- Fläche. Darauf aufbauend kann eine Anzahl tung und den Mauern, die sich aufheizen, an unterschiedlichen Pfl anzenarten mit den bilden ein warm-trockenes Bodenklima. verschiedensten Ansprüchen wachsen. Auf Außer den klimatischen Bedingungen variie- Grundlage dieser diversen Flora können hier ren im Tal auch die strukturellen Bedingun- mehr Tierarten leben als in Monokulturen gen stark, da vor allem der Süd-Süd-West- und anderen Flächen mit sehr eintönigem hang wegen der Ausrichtung mehr Sonne Pfl anzenbewuchs. Wegen der vielfältigen und Wärme abbekommt und aus diesem Landschaft auf kleinem Raum fühlen sich Grund überhaupt erst für den Weinbau ge- im Weierbachtal auch Tiere wie das Tagpfau- nutzt wird. Die gegenüberliegende Seite ist enauge wohl, die auf mosaikartige Struktu- nicht nur deutlich kühler, sondern hat auch ren angewiesen sind.

28 29 Echtes Johanniskraut/ Spanische Flagge/ Tüpfel-Johanniskraut Russischer Bär (Hypericum perforatum) (Euplagia quadripunctaria)

Johanniskraut wächst an warmen Standorten Spanische Flagge, auch Russischer Bär ge- in vollem Sonnenschein auf lockerem, durch- nannt, fi ndet man in Rheinland-Pfalz vor lässigem Boden. Die Zeigerpfl anze für ma- allem in Flusstälern mit Weinanbau, weil l Das Tagpfauenauge ist eine der häufigsten geren Boden fi ndet man an Wegrändern und Tagfalterarten in Rheinland-Pfalz. Seine bevor- dort der Mosaikcharakter von Habitatstruk- zugte Raupenpflanzennahrung ist die Große Waldlichtungen. Johanniskraut ist mehrjäh- turen besonders stark ausgeprägt ist. Brennnessel. rig. Die gelben Blütenblätter sind unsymme- Die Flügel des ausgewachsenen Falters haben trisch und auf der einen Seite gezähnt. Hält von außen ein schwarz-gelbes Zebramuster. man das Laub gegen das Licht lassen sich Die unteren Flügel sind rot. Der Schmetter- die Ölzellen als weiße Löcher erkennen. Die ling wird zwischen 42 und 52 Millimeter groß. ein bis drei Zentimeter langen Blätter sitzen Pro Jahr gibt es nur eine Generation Falter, gegenständig direkt am zweikantigen Stän- die von Juli bis September fl iegt. Die Spani- gel, der rispig verzweigt ist. Die zugespitzten sche Flagge ernährt sich von Sommerfl ieder, bis zu einem halben Zentimeter langen Wasserdost und Dost. Anders als andere Bä- Kelchblätter sind gefl eckt. Das Kraut wird renspinner haben sie einen gut ausgebildeten l Der Blaue Natternkopf liefert sehr hochwertigen Nektar für Bienen und zwischen 30 und 80 Zentimetern hoch. Saugrüssel, um sich von Nektar zu ernähren. Schmetterlinge. Die Blüte fi ndet von Juni bis August statt. Sie lebt als Wanderfalter. l Die Blätter des Echten Johanniskrautes Durch das Reiben der Blüte zwischen den Eier legt der Schmetterling neben Futter- tragen zahlreiche durchscheinende Punkte Fingern werden die Finger rot. Sowohl pfl anzen. Im September schlüpfen die Rau- (Drüsen) auf der Oberfläche. aus Hypericum perforatum als auch aus pen und verbringen den Winter verpuppt am Hypericum maculatum, dem Gefl eckten Boden. Johanniskraut lässt sich Rotöl herstellen, Die Raupen sind schwarzgrau und haben welches die Erneuerung des Gewebes unter- eine gelbe Linie auf dem Rücken. Sie werden stützt. Johanniskraut enthält viele Gerb- und etwa fünf Zentimeter groß. Sie ernähren sich Bitterstoffe, deshalb kann es gegen Durchfall im Weierbachtal vom Blauen Natternkopf innerlich angewandt und bei Muskelschmer- (Echium vulgare), Echten Brombeeren (Ru- zen äußerlich verwendet werden. Es fi ndet bus fruticosus agg.), der Großen Brennnessel auch Verwendung in Arzneien gegen De- (Urtica dioica) und von Haseln (Corylus pressionen, Nervosität und Angstzustände. spec.). Johanniskraut hat allerdings den Nachteil, Die Spanische Flagge ist ein tagaktiver l Zu beobachten ist die Spanische Flagge dass es die Haut empfi ndlich für Sonnen- Nachtfalter. Obwohl sie die typischen Merk- während ihrer Flugzeit von etwa Mitte Juli strahlung macht. Das Johanniskraut hat eine male von Nachtfaltern besitzt, ihre Fühler bis September. l Der Duft von Dost, auch Wilder christliche Namensherkunft, da es um sind am Ende nicht verdickt, ist sie überwie- Majoran, erinnert an Pizza. Er ist eine St. Johannis (24.Juni) zu blühen beginnt. gend am Tag aktiv. gute Bienenweide und blüht lange bis in den Spätsommer hinein. 30 l Mädesüß riecht süßlich und enthält Vorläufersubstanzen der Salicylsäure. Es wächst auf feuchten Wiesen sowie an Bachufern. DER „TRATTEMER KINDERWINGERT“ – ARTENVIELFALT FÜR DIE JÜNGSTEN

Der „Trattemer Kinderwingert“ wurde 2008 von Marlene Bollig und Stefan Hermen ins Leben gerufen. Das Konzept richtet sich an Grundschüler zwischen sechs und zwölf Jahren. Der Weierbach: Das Bachufer Der Uferbereich hat einen hohen Feuchtig- keitsgrad und ist sehr fruchtbar. Allerdings l Zu den leuchtenden Blickfängen an geht der Wassergehalt im Boden schon nach sommerlichen Feuchtbiotopen gehört der wenigen Metern wieder zurück. Der Weier- l Blutweiderich mit seinen kräftig purpurnen Das Refraktometer misst Blütenständen. bach führt unterschiedlich viel Wasser und den Zuckergehalt im Most. hat dadurch keinen stark ausgeprägten Ufer- bereich. Hier wachsen feuchtigkeitsliebende Pfl anzen, direkt neben Pfl anzen, die auch Trockenheit vertragen. Rund um den Bach fi nden wir Weiden, Sumpfschachtelhalm, Beinwell, Mädesüß, Brennnesseln und Blutweiderich. Im Sommer führt der Bach wenig Wasser, deshalb besitzen die Uferpfl anzen die Fähigkeit sich anzupassen.

l Weiden bevorzugen feuchte Standorte, man fi ndet sie am Rand von Gewässern. Weiches, aber zähes Holz zeichnet sie aus, fi ngerdicke Äste werden auch heute noch zum Flechten von Korbwaren verwendet.

32 33 l Neumagen-Dhron/

l Koblenz Jedes Kind wird Pate einer Weinrebe, die es Fünf Sterne für Insekten und Weierbach ein Jahr lang betreut und pfl egt. An fünf Mauereidechsen Terminen werden unter fachkundiger Anlei- Jungheld Das Tierhotel bietet Unterschlupf für tung gemeinsam alle Arbeiten an den Reben Insekten, auch Eidechsen fi nden im „Unter- und im Weinberg, wie Schneiden, Binden, geschoss“ Platz. Dort sind auf einer Schicht Entlauben, ausgeführt. Im Herbst ernten Sand locker Steine aufgeschichtet, sodass Hof Kron die Kinder ihren Patenstock und verarbeiten Laurentiuskapelle Trittenheim diese Stelle im Winter weitestgehend frostfrei die Trauben zu Saft. Neben den saisonalen Fährfels bleibt. Darüber haben die Kinder eine „Mini- Arbeitsschritten, lernen die Kinder mehr trockenmauer“ aus Schiefer gebaut. In ihre über die Geschichte des Ortes und wie man Brückenkopf Spalten können Mauereidechsen einziehen. früher Weinbau betrieben hat; sie unter- Auf mittlerer Höhe lagern Holzblöcke mit Kinderwingert suchen Tiere die sie im Weinberg fi nden, ausgeputzten Bohrlöchern, sowie Stroh und erforschen den Boden und das Umfeld des Grashalme, Bambusröhren, Steine, Erde, Weinberges und wirken an verschiedenen Tonstücke und Rebabschnitte. Sie sind Woh- Projekten mit, so auch an dem Tierhotel, das Zummethof nungen für Insekten, wie Wildbienen und von den Teilnehmern des Kinderwingerts Hummeln. Im „Speicher“ sind Nistkästen gebaut wurde. l Die Zusammenstellung zeigt von welch für Vögel eingerichtet. Das Engagement wird eindrucksvoller Natur wir umgeben sind. manchmal belohnt. Finden Vögel Strukturen wie Nistkästen vor, können sie sich früher im Grundlage für unser Leben Jahr ansiedeln, da sie weniger lange mit dem ist die Biologische Vielfalt. Nestbau beschäftigt sind. Dafür haben sie Nur wenn wir unser Bewusstsein für die Zeit Rhombenspanner-Raupen zu fressen, Artenvielfalt schärfen kann die wertvolle die sich normalerweise von den jungen Weinkulturlandschaft erhalten werden. Knospen der Rebe ernähren. Das Hauptziel Deshalb lasst uns gemeinsam am Schutz, des Insektenhotels ist es jedoch, ein Bewusst- der Erhaltung und Entwicklung dieses arten- sein für die Bedeutung der Artenvielfalt zu reichen Lebensraumes arbeiten. schaffen und mit dem Insektenhotel die Auf- Mithilfe der Angebote der „Initiative Leben- merksamkeit der Kinder auf das Ökosystem dige Moselweinberge“ und der „Naturerleb- zu lenken. nisbegleiter“ können wir unser Wissen l Früh übt sich - Kinder erweitern und die Natur intensiver erleben. werden Rebstockpaten. Weinberge for future!

l Die „Jungwinzer“ bauten ein Tierhotel an den „Tagen der Lebendigen Moselweinberge“.

34 35 DIE FASZINATION DER SCHIEFEN EBENE… In dieser Broschüre geht es um Wertschätzung für ein langes Tal mit jahrhundertealtem Weinbau an steilen Hängen. Es geht um den Respekt für ein besonderes Ökosystem mit einer Trockenheit und Wärme liebenden Tier- und Pflanzenwelt. Zwischen Reben und lädt Trittenheim zu einem Rundgang durch die artenreichen Weinbaulandschaft ein.

Lebendige Moselweinberge

Weitere Informationen, Lesetipps und Quellen: l www.lebendige-moselweinberge.de l www.kultur-und-weinbotschafter.de l www.vinosella.de l www.hof-kron.de l www.trittenheim.de l „Schmetterlinge: Betrachtungen, Erzählungen, Gedichte“ von Hermann Hesse, Insel Verlag; 4. Aufl age (19. September 2011) l „Von Distelfaltern, Schlingnattern und dem Projekt Zippammer“ von Heinrich Weitz (Jahrbuch Bernkastel- 2004) l „Die Wiese“ von Jan Haft (Penguin Verlag) l Landesverordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Moselgebiet von Schweich bis Koblenz“ vom 17. Mai 1979 l „Welcher Baum ist das?“ von Margot und Roland Spon, erschienen beim Kosmos-Verlag 2017 l „Blühende Vielfalt im Weinberg“ von Armin R. Gemmich l „Wohllebens Waldführer“ von Peter Wohlleben, erschienen 2016 bei Ulmer l „Das große BLV-Handbuch Garten“ vom BLV-Verlag l „Insekten-entdecken und erkennen“ von Ulrich Schmid, erschienen beim BLV-Verlag l „Essbare Wildpfl anzen“, AT-Verlag l Fledermausexperte Manfred Weishaar, NABU l https://www.nabu.de/tiere-und-pfl anzen/saeugetiere/fl edermaeuse/arten/index.html l http://www.chronik-trittenheim.de/fi leadmin/pub/chronik/images/Zeitungsexzerp- te/L__UNION_10nov1865.jpg l http://www.chronik-trittenheim.de/weintourismus/weinlagen/weinlagen-und-ihre-ge- schichte/ l https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=4928 l https://www.lebendige-moselweinberge.de/doc/dlrlm_lptrit.pdf l https://www.duden.de/rechtschreibung/Naturdenkmal l https://www.bernkastel-wittlich.de/kreisverwaltung/fachbereiche/bauen-und-umwelt/ naturschutz/schutzgebiete/landschaftsschutzgebiete/ l https://natura2000.rlp-umwelt.de/steckbriefe/index.php?a=s&b=ac=vsg&pk=V040 l Fotoquellen: Daniel Müller: Blaufl üglige Ödlandschrecke, Schwalbenschwanz, Tagpfauen- auge, Spanische Flagge, Kleiner Fuchs, Mauerfuchs; Martin Becker: Zippammer; Cucu Remus (iStock): Fledermaus, Großes Mausohr; Alexander Ließ (iStock): Brand-Knabenkraut; Alle weiteren Fotos: Martina Engelmann-Hermen

Idee und Text: Margarethe Hermen, Gestaltung: lutzgestaltet, Mülheim