Guido Heinrich Impuls Und Transfer. Literarische Feldbildungsprozesse

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Guido Heinrich Impuls Und Transfer. Literarische Feldbildungsprozesse Guido Heinrich Impuls und Transfer. Literarische Feldbildungsprozesse in Magdeburg im 17. und 18. Jahrhundert Dissertation Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften Universität Magdeburg Magdeburg 2006 2 3 Vorbemerkung Die vorliegende Untersuchung wurde im März 2006 von der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erzie- hungswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als Dissertation angenommen. Sie wurde am 8. Februar 2007 an der Magdeburger Universität verteidigt. Die Arbeit stellt Resultate eines dreijährigen Forschungsprojektes dar, dass – gefördert durch Mittel des Landes Sachsen-Anhalt – von 2002 bis 2005 unter dem Titel „Impuls und Transfer. Kultur- und Literaturgeschichte in der Region Magdeburg 1631-1815“ am Institut für Germanistik der Otto-von- Guericke-Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Gunter Schandera und Prof. Dr. Wolfgang Adam durchgeführt wurde. Mein herzlicher Dank gilt all jenen Personen und Institutionen, die auf unterschiedliche Weise zum Gelingen des Vorhabens beigetragen haben – besonders aber Herrn Prof. Gunter Schandera, der die Beschäftigung mit dem Thema angeregt und nachhaltig unterstützt, und meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Adam, der die Arbeit mit großem Verständnis der Sache begleitet hat. Der Text wurde für die Veröffentlichung überarbeitet und aktualisiert. Magdeburg, den 3. Februar 2009 Guido Heinrich 4 5 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Literatur und städtischer Raum ……………………………………….. 9 1.2 Forschungsstand …………………………………………………….. 12 1.3. Methodische Vorgaben ………………………………………………. 15 1.4. Strukturierung der Arbeit …………………………………………….. 18 2. Klassische Musterungen 2.1. Poetik und literarisches Feld ……………………………………... 23 2.1.1 Muttersprache als kulturpatriotisches Instrument ……………. 25 2.1.2 Humanistische Impulse ……………………………………… 28 2.1.3 Strukturelle Problemlagen und kulturgeschichtliche Spannungsfelder 30 2.2 Konfliktbewältigung bei Opitz ………………………………….... 33 2.2.1 Konvergenz der Poesie mit der Theologie …………………… 36 2.2.2 Apologetische Veredlung des Dichters ……………………… 38 2.2.3 Poesie und rhetorische Tradition ……………………………. 43 2.3 Poetische „freyheit“ und poetologische Determination 2.3.1 Poetologische Subversionen …………………………………. 47 2.3.2 Instrumentalisierung und Adaption ………………………….. 51 2.3.3 Ingeniöse Kompositionen …………………………………… 53 2.3.4 Imaginationskraft und „erfindung der dinge“ ………………. 56 2.3.5 Literarische Akkumulationen und literarischer Betrieb ……… 62 2.3.6 Poetologische Entgrenzung und Anpassung ………………… 65 2.3.7 Epos und nationalsprachliche Identität ……………………… 69 2.3.8 Die poetische „Aufgabe“ und das „newe feldt“ der Poesie ….. 73 2.3.9 Imaginationswelten: die „freyheit zue tichten“ ……………… 76 2.4 Semantische Ordnungsfelder 2.4.1 „Wissenschafft der Wahrheit halber“ ……………………….. 79 2.4.2 Welttheater als poetische Reflexionsfigur ……………………. 83 2.4.3 Emblematik als poetische Weltbeschreibung ………………… 90 2.4.4 Gelegenheit als poetische Weltzugangsform …………………. 96 6 3. Magdeburger literarische Feldbildungsprozesse 1631 – 1690 3.1 Aspekte kultureller Transferleistungen ………………………….... 104 3.2 Fakten und Fiktionen: politische Konfigurationen kultureller Praxen in Magdeburg ………………………………………………… 109 3.2.1 Selbstverlust und Identitätssuche: Politische Situierungen …… 112 3.2.2 Städtische Außenpolitik und mentale Verfassungen …………. 114 3.2.3 Ökonomische Rahmenbedingungen ………………………… 118 3.3 Kulturelle Restitutionen 3.3.1 Kirchlicher Wiederaufbau und religiöses Feld ……………….. 120 3.3.2 Religiöse Subversionspotentiale ……………………………… 126 3.3.3 Schulwesen und pädagogische Arbeitsfelder ………………… 131 3.3.4 Buchdruck und Buchhandel als kulturelle Konvergenzräume ... 137 3.4 Konfigurationen des lokalen literarischen Feldes ………………… 143 3.4.1 Signifikante Leerstellen: Drama und Roman 3.4.1.1 Gesellschaftliche Entgrenzungen: Wanderbühne und Vagantentum …………………………………………………. 146 3.4.1.2 Die Fälschung der Welt. Romane als Vexierbilder religiöser Befindlichkeiten ………………………………………………. 153 3.4.1.3 Lokalgesellschaftliche Kontrollsysteme: Homogenisierung und Immunologie …………………………………………….. 158 3.4.1.4 Poetisch-literarische Spielräume und lokaler Markt …….. 162 3.4.2 Entfaltung poetischer Lokalpraxen …………………………. 165 3.4.2.1 Der „Circul eines christlichen Lebens“. Leichenpredigten als praktikables Mittel von Weltverwindung und Selbstdarstellung ... 167 3.4.2.2 Auftraggeber, lokaler Markt und Sozialgefüge …………… 176 3.4.3 Produktion von Gelegenheitsdichtung 3.4.3.1 Kontrastprogramme: Poetologie und lokale poetische Kultur …………………………………………………………. 181 3.4.3.2 „O selig! Wer nur erst in seiner Kammer lieget …“ Epicedien- produktion im Spannungsfeld von Eigendynamik und Kontext- bindung ………………………………………………………… 183 3.4.3.3 Netzwerkbildungen als kulturelle Praktik ……………….. 189 3.4.3.4 Rückkopplungen: Feldbildung und Habitus …………….. 192 3.4.3.5 Habituelle Dispositionen und Individualität ……………. 197 3.4.3.5.1 „Narren um Christus willen“. Der Pastor und Poet Balthasar Kindermann in Magdeburg ………………………. 198 7 3.4.3.5.2 Das „von Gott mir anvertrawete Talentulum“. Malachias Siebenhaar und Magdeburg ………………………………… 206 3.4.3.6 Überregionale Netzwerke als intelligible Entfaltungsräume .. 209 4. Magdeburg, der Siebenjährige Krieg und die Literatur 4.1 Poetische Kontrastprogramme: Zwischen Subversion und Institu- tionalisierung ……………………..………………………….. 214 4.2 Magdeburg und der Siebenjährige Krieg ……………………….. 221 4.3 Das Unbehagen an der Unkultur – Die Berliner Hofgesellschaft in Magdeburg 4.3.1 Graf Lehndorff und Literatur ………………………………. 224 4.3.2 Höfische Gesellschaft und höfische Geselligkeit ……………. 229 4.3.3 Simulation von Normalität als gesellschaftlicher Stabilisierungs- faktor …………………………………………………………. 232 4.3.4 Performative Differenz als Grenze und kultureller Stimulus … 235 4.4 Säkularisierung und Instrumentierung der Religion 4.4.1 Enthusiasmus der Vernunft – Thomas Abbt und der Siebenjährige Krieg ………………………………………………………….. 238 4.4.2 Funktionalisierung der Religion als wirksames Instrument der Steuerung öffentlicher Meinungsbildung im Krieg ……………… 244 4.4.3 Vom „großen Nutzen zeitlicher Trübsale“ – Die protestantische Predigt in Magdeburg im Umkreis des Siebenjährigen Krieges …… 251 4.4.4 Diskursive Differenzen: Glaubenswahrheit und Glaubenswirklich- keit ………………………………………………………………. 262 4.5 Zur lokalen Genese literarischer Modelle und medialer Öffentlichkeiten in Magdeburg während des Siebenjährigen Krieges 4.5.1 „Voll Gott und Vaterland“ – Patriotischer Kriegsdichtungen im Spannungsfeld von literarischer Tradition und zeitgenössischer Gesell- schaft ……………………………………………………………. 264 4.5.2 Leibhaftige Ästhetisierung und rezeptionelle Reduktion: Anna Louisa Karsch in Berlin, Halberstadt und Magdeburg ………………….. 273 4.5.3 Der schmale Grat: die Magdeburgische Zeitung als gesellschaftliches Medium der Wahrnehmung von Realität ………………………….. 280 4.5.4 Kriegslyrik als medialer Handlungsspielraum am Beispiel Magde- burgs …………………………………………………………… 285 8 4.6 Die Konstitutionen literarisch-patriotischer Öffentlichkeiten in Magdeburg 4.6.1 „Warheit, Freyheit und Geschmack“ - Die Umgestaltung der Beilage der Magdeburgischen Zeitung zum literaturkritischen Forum (1758-1761) 289 4.6.1.1 Kritische Experimente und kritisch-politische Differenzen … 291 4.6.1.2 Gelehrsamkeit als „nüchterner pflichtvoller“ Dienst am Vater- land ……………………………………………………………. 298 4.6.1.3 Schreiben für das „gemeine Beste“ – theologisch-ästhetische Rahmungen der „schönen Wissenschaften“ …………………….. 301 4.6.2 Die Durchsetzung des ästhetischen-patriotischen Impulses: Anna Louisa Karschs Ode auf den Sieg Friedrichs bei Torgau als Katalysator der literarischen Rezeption in Magdeburg ………………………... 307 4.6.3 Ästhetische Differenzierungs- und Entgrenzungsarbeiten: Anna Louisa Karsch in Magdeburg ………………………………….. 313 4.6.4 Diskursive Korrekturen: Anna Louisa Karsch versus die „deutsche Sappho“ ………………………………………………………. 317 4.6.5 Rückkehr zu alten Paradigmen ……………………………… 323 5. Epilog 5.1 Fiktionalität und Kulturtransfer ……………………………………. 327 5.2 Literarische Verhältnisse in Magdeburg ……………………………. 329 5.3 Katastrophales Denken? Identitätsstiftung im Angesicht des Krieges .. 334 6. Bibliographie 6.1 Quellen …………………………………………………………… 342 6.2 Literatur …………………………………………………………… 352 9 1. Einleitung 1.1. Literatur und städtischer Raum Das Barocksymposion der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das 1974 in Wolfenbüttel zum Thema „Stadt – Schule – Universität – Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert“ statt- fand,1 bildete zweifellos eine bedeutende Zäsur in der literaturwissenschaftlichen Barockforschung, deren Wirkungen bis in die gegenwärtige Situation der Fachdisziplin hineinreichen. Denn die Frage nach dem Verhältnis von literarischer Produktion und urbanem Lebensraum im 17. Jahrhundert – in der damaligen Formulierung nur mittelbar dem neu erwachten Interesse an literatursoziologischen und ideologiekritischen Betrachtungsweisen geschuldet – kann seit dieser Zeit durch den Aufriss ihrer Prob- lemlagen nicht nur nachhaltiger gestellt, sondern auch differenzierter beantwortet werden. Der zentrale Fokus des Symposions richtete sich – über die Erschließung barocker Literaturforma- tionen hinaus – auf die in literarische Produkte eingeschriebenen außerliterarischen Bedingungen und die objektiven Voraussetzungen ihrer Entstehung. Auf diese Weise wurden auch Wege gebahnt, auf denen die Eigenart barocker Literatur erstmals konsequent jenseits ihrer Bindung an normative Sprach- regelungen und rezeptionelle Abhängigkeiten aufgesucht werden konnte. Die intensive Verflechtung
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